Ax Vergaberecht

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Schwerpunkt: Anforderungen an Eignungskriterien, Konkretisierung ja, Verschärfung nein

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Nach § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Nach § 48 Abs. 1 VgV ist in der Auftragsbekanntmachung neben den Eignungskriterien ferner anzugeben, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 VgV und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.

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Die Angaben der Bekanntmachung zu den mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweisen müssen zudem klar und widerspruchsfrei sein.

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Der Auftraggeber ist an seine Festlegung in der Bekanntmachung gebunden und darf in den Verdingungsunterlagen keine weiteren Anforderungen stellen, sondern die in der Bekanntmachung verlangten Eignungsnachweise nur konkretisieren (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.04.2014 – 13 Verg 2/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2012 – VII-Verg 8/12; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28.06.2016 – 54 Verg 2/16).

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Der Auftraggeber darf die in der Bekanntmachung verlangten Eignungsnachweise nicht verschärfen.

Beispiel

(Vergabekammer München, Beschluss v. 16.12.2020 – 3194.Z3-3_01-20-51)

Die Antragsgegnerin beabsichtigt die Leistungen der Objektplanung Freianlagen gem. § 38 HOAI, Leistungsphasen 1-9 für den Neubau eines Schulzentrums an der H..-K…-Str. für die Grund- und Mittelschule in Bad E… im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Eine entsprechende Bekanntmachung erfolgte am 24.07.2020 im Supplement des Amtsblattes der EU. Nach Ziffer II.1.4) der Bekanntmachung soll die Beauftragung stufen- und abschnittsweise erfolgen. Ein Anspruch auf (Weiter-) Beauftragung besteht nicht. Eine Aufteilung in Losen ist nicht vorgesehen.

Nach Ziffer III.1.2) der Bekanntmachung wurde hinsichtlich der Eignungskriterien unter anderem unter – Möglicherweise geforderte Mindeststandards – folgendes mitgeteilt:

„Nachweis über bestehende Haftpflichtversicherung für Personenschäden mind. 2,5 Mio. EUR, für sonstige Schäden mind. 2,0 Mio. EUR, oder eine Erklärung, dass die bestehende Versicherung im Auftragsfall angepasst wird.“

Unter Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung wurde hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit unter anderem bekanntgegeben:

„Es sollen max. 3 Referenzen eingereicht werden. Gewertet werden max. 2 Referenzen, welche die Mindestanforderungen erfüllen und die höchste Punktzahl gemäß nachfolgender Kriterien erreichen.

… Möglicherweise geforderte Mindeststandards:

– Referenzzeitraum: Abschluss der LPH 8 zwischen 2015 bis zum Abgabetermin des Teilnahmeantrags;

– Die Leistungsphase 2-8 (Objektplanung Freianlagen) sind voll beauftragt nachzuweisen.“

Unter Ziffer III.2.1) der Bekanntmachung wurde unter der Überschrift Angaben zu einem besonderen Berufsstand im letzten Satz darauf hingewiesen, dass bei Arbeitsgemeinschaften jedes Mitglied genannt und teilnahmeberechtigt sein muss.

In den Teilnahmebedingungen, Seite 1, wurde mitgeteilt, dass nur vollständig ausgefüllte Teilnahmeanträge mit vollständigen Nachweisen und Anlagen berücksichtigt werden.

Weiter wurde darauf hingewiesen, dass durchgehende Referenzen zu LPH 2 – 8 nachzuweisen seien und bei Arbeitsgemeinschaften wurde explizit darauf hingewiesen, dass ein ARGE-Partner oder die ARGE in dieser Konstellation eine durchgehende Referenz nachweisen müsse.

Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge wurde in der Bekanntmachung der 24.08.2020, 09:40 Uhr, festgelegt.

Mehrere Bewerber reichten fristgerecht Teilnahmeangebote ein, unter anderem die Antragstellerin.

Mit Schreiben vom 14.09.2020 erhielt die Antragstellerin von dem mit der Vergabe betrauten Büro eine Absagemitteilung gemäß 62 VgV, dass ihr Teilnahmeantrag ausgeschlossen wurde und nicht weiter am Verfahren berücksichtigt werde. Der Ausschluss wurde damit begründet, dass die Haftpflichtversicherung gemäß der Anlage 13 des Teilnahmeantrags nicht die geforderten Deckungssummen enthalten habe und eine Erklärung über die Anpassung im Auftragsfall nicht beigefügt gewesen sei.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.09.2020 gegenüber dem mit der Vergabe beauftragten Büro den Ausschluss vom weiteren Verfahren, und forderte Aufklärung, weshalb die Erklärung über die Erhöhung des Versicherungsrahmens nicht während der Wertungsphase nachgefordert worden sei, sowie die detaillierten Gründe für den Ausschluss.

Mit Schreiben vom 28.09.2020 half die Antragsgegnerin der Rüge der Antragstellerin nicht ab.

Kurz danach reichte die Antragstellerin einen auf den 21.09.2020 datierten Nachweis für eine bestehende Haftpflichtversicherung der S… H… Landschaftsarchitektur nach, die die geforderte Deckungssumme ausweist.

Lösung

(Vergabekammer München, Beschluss v. 16.12.2020 – 3194.Z3-3_01-20-51)

Die Anforderung der durchgehenden Referenzen zu LPH 2 – 8 ist keine zulässige Konkretisierung der in der Bekanntmachung enthaltenen Mindestanforderung „Leistungsphasen 2-8 (Objektplanung Freianlagen) voll beauftragt“, sondern eine erhebliche Verschärfung. Die Mindestanforderung „Leistungsphasen 2-8 (Objektplanung Freianlagen) voll beauftragt“ bedeutet nämlich nur, dass nicht lediglich Teilleistungen dieser Leistungsphasen Gegenstand der Referenzen sein dürfen. Diese voll beauftragten Leistungsphasen können aber aus mehreren Referenzprojekten stammen. Eine durchgehende Referenz erfordert hingegen, dass sämtliche Leistungsphasen voll in einem Referenzprojekt abgeleistet wurden.

Diese Verschärfung wird für die Antragstellerin noch durch die weitere Anforderung nach § 43 Abs. 2 Satz 3 VgV verstärkt, dass bei Arbeitsgemeinschaften ein ARGE-Partner oder die ARGE in dieser Konstellation eine durchgehende Referenz nachweisen müssen.

Die Anforderung der durchgehenden Referenzen zu LPH 2 – 8 war daher nicht wirksam gefordert. Gleiches gilt damit für die darauf aufbauende Forderung, dass bei Arbeitsgemeinschaften ein ARGE-Partner oder die ARGE in dieser Konstellation eine durchgehende Referenz nachweisen müssen. Zwar können Anforderungen an Gruppen von Unternehmen nach § 43 Abs. 2 Satz 3 VgV nach dem Wortlaut auch in den Vergabeunterlagen gestellt werden, damit darf aber nicht die Verpflichtung zur Benennung der Mindestanforderungen über die Eignung in der Bekanntmachung nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB umgangen werden.

Aus den genannten Gründen wird die Antragstellerin durch den Ausschluss ihres Teilnahmeantrags in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat daher wieder in die Prüfung der Teilnahmeanträge einzusteigen und den Teilnahmeantrag der Antragstellerin zu bewerten. Sollte sich hierdurch eine Veränderung der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Büro ergeben, wäre das Vergabeverfahren in den Stand des Teilnahmewettbewerbs zurückzuversetzen.