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Schwerpunkt Bauhandwerkersicherung: OLG Nürnberg: Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann auch für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten verlangt werden

vorgestellt von Thomas Ax

Ein Gerüstbau- und -überlassungsvertrag, aufgrund dessen ein Gerüst nicht nur vermietet, sondern ein individuell bemessenes und zusammengestelltes Gerüst montiert, am Gebäude fest verankert und wieder demontiert wird sowie der Gerüstbauer in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entscheidet, ist nach Werkvertragsrecht zu beurteilen.
Eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann auch für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten jedenfalls dann verlangt werden, wenn diese Arbeiten direkt baubegleitend die unmittelbar bauwerkserrichtende Tätigkeit unterstützen.
Die Bauhandwerkersicherung nach 648a BGB a. F. kann auch nach der Kündigung noch verlangt werden, wobei es für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit ausreicht, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht. Bei der Berechnung der dem Sicherungsverlangen zu Grunde liegenden Vergütung bleiben Ansprüche unberücksichtigt, mit denen der Besteller gegen den Vergütungsanspruch des Unternehmers aufrechnen kann, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt.

Im Einzelnen:

Nach § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann auch für isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten Bauhandwerkersicherung zumindest dann verlangt werden, wenn diese Arbeiten – wie vorliegend – direkt baubegleitend die unmittelbar bauwerkserrichtende Tätigkeit unterstützen.
Ein Gerüstbauer, der nicht nur Gerüstbauteile anliefert, sondern das Gerüst auch selbständig auf- und abbaut und dieses im Laufe des Bauvorhabens auch anpasst, ist ein Unternehmer eines Bauwerks im Sinne des § 648a Abs. 1 BGB a. F.

Dass Gerüstbauarbeiten jedenfalls dann der Sicherung nach § 648a BGB zugänglich sein können, wenn sie zusammen mit anderen unmittelbaren Bauleistungen beauftragt werden, entspricht allgemeiner Meinung. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht soll es sich aber bei isoliert (also nicht im Zusammenhang mit und zur Vorbereitung einer Bebauung, vgl. Cramer in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Aufl., § 650f BGB, Rn. 17, m. w. N.) beauftragten Gerüstbauern nicht um Unternehmer im Sinne des § 648a Abs. 1 BGB a. F. handeln. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, es handele sich bei Gerüstbauarbeiten um „bauvorbereitende Bauleistungen“ (vgl. Cramer, a.a.O.; Koeble in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 9, Rn. 114), die in Bezug auf die Anwendung des § 648a BGB a. F. ebenso zu behandeln seien wie der Abbruch eines Gebäudes oder eine Rodung. Teilweise wird dies auch damit begründet, dass das mietvertragliche Element bei einem Gerüstbauvertrag überwiege (Sacher in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 12, Rn. 17 a. E., allerdings bezogen auf die Sicherungshypothek, deren Anwendungsbereich Sacher in derselben Fundstelle als enger bewertet als den der Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a. F.).
Nach anderer, auch in obergerichtlicher Rechtsprechung vertretener Auffassung können aber auch isoliert beauftragte Gerüstbauarbeiten vom Anwendungsbereich des § 648a Abs. 1 BGB a. F. umfasst werden. Der Ausschluss von selbstständigen Gerüstbauleistungen aus dem Anwendungsbereich von § 648a BGB a. F. sei mit dem Wortlaut des Gesetzes sowie Sinn und Zweck der Norm nicht in Einklang zu bringen und deswegen nicht überzeugend (Schmidt, NJW 2013, 497 <498>). Das belege auch ein Vergleich mit den Planungs- und Bauüberwachungsleistungen. Auch diese Leistungen führten nicht zu einer unmittelbaren Werterhöhung des Bauwerks und seien trotzdem von § 648a BGB a. F. umfasst (Schmidt, a. a. O.; Siebert in: Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch Baurecht, 6. Aufl., § 13, Rn. 4, m.w.N.; Thomas Jahn in: Motzke/Bauer/Seewald, Prozesse in Bausachen, 3. Aufl., § 3 Rn. 37)

Es sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen, dass ein Gerüstbauer dann vom besonderen Baugläubigerschutz ausgeschlossen sein soll, wenn er ausschließlich Gerüstbauarbeiten vornimmt, dagegen von diesem erfasst sein soll, wenn er die Gerüstbauarbeiten neben anderen Arbeiten verrichtet (OLG Hamburg, Urteil vom 20.08.1993 – 11 U 82/92BeckRS 1993, 30859565BauR 1994, 123, für das GSB). Nachdem für den Werklohn für ein Bauwerk vorbereitende Leistungen jedenfalls eine Sicherung gefordert werden könne, wenn sie zusammen mit eigentlichen Bauwerksleistungen vergeben sind, sei nicht einzusehen, warum derjenige Unternehmer schlechter gestellt werden sollte, dem ein isolierter Auftrag für solche Leistungen erteilt worden ist. Auch der Gerüstbauer verdiene den entsprechenden Schutz (Staudinger/Peters (2019), BGB, § 650e, Rn. 14).
Die Erbringung einer grundstücksunabhängigen Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB a. F. stehe – anders als eine Sicherungshypothek nach § 648a BGB a. F. – nicht in unmittelbarer Beziehung zum Grundstück, so dass hier auch nicht in dem Maße wie bei der Frage der Bestellung einer Sicherungshypothek auf eine unmittelbare Wertsteigerung des Grundstücks abzustellen sei. Deshalb könne der Kreis der geschützten Bauwerksunternehmer im Rahmen des § 648a BGB a. F. weiter gefasst werden als der des § 648 BGB a. F. (OLG Köln, Urteil vom 26. März 1999 – 4 U 47/98 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.10.2004 – 21 U 26/04 -; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.01.2014 – 12 U 149/13 -). Der durch Auslegung zu ermittelnde Unternehmerbegriff in § 648a BGB a. F. entspreche nicht dem des § 648 BGB a. F. Er setze nicht voraus, dass die nach dem Vertrag zu erbringende Bauwerksleistung unmittelbar mit einer Werterhöhung des Grundstücks einhergehe, sondern betreffe auch solche unternehmerischen Tätigkeiten, die als nicht wegzudenkender Teil der Gesamtleistung der Herstellung des Bauwerks dienen, ohne sich in diesem unmittelbar verkörpern zu müssen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.10.2004 – 21 U 26/04 -, bezogen auf Planungsleistungen eines Architekten). Daher müssten Bauleistungen wie die Gerüsterstellung, die zwangsläufig zur Bauherstellung erforderlich sind und lediglich mittelbar zu einer Wertsteigerung des Grundstücks führen, zur Stellung einer Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB a. F. ausreichen (OLG Köln, Urteil vom 26. März 1999 – 4 U 47/98 -; wobei dort einmal – offenbar versehentlich – § 648 BGB zitiert ist, wo § 648a BGB gemeint ist).

Dementsprechend werden im Unterschied zu § 648 BGB a. F. (Sicherungshypothek des Bauunternehmers) Vor- und Nebenarbeiten, insbesondere Gerüstarbeiten oder Arbeiten zur Baustelleneinrichtung, im Anwendungsbereich des §?648a BGB a. F. auch von denjenigen, die bei der Sicherungshypothek für eine enge Interpretation plädieren, ganz überwiegend zu den Leistungen gezählt, für die eine Sicherung verlangt werden kann (vgl. NK-BGB/Thomas Raab, 3. Aufl. 2016, BGB § 648a Rn. 6, m. w. N.). So hat auch das Kammergericht zwar die Anwendbarkeit des § 648 BGB a. F. mit der Begründung verneint, dass bei der Sicherungshypothek das Prinzip entscheidend sei, dass sich der Mehrwert der erbrachten Werkleistung unmittelbar im Bauwerk verkörpern müsse, an dem diese dingliche Sicherung begehrt wird (KG, Urteil vom 13. Juli 2018 – 7 U 126/17 -), aber zugleich ausdrücklich dahingehend abgegrenzt, dass der Kreis der geschützten Bauwerksunternehmer bei der Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB a. F. weiter gefasst sei (a.a.O., Rn. 13).
Der Senat schließt sich jedenfalls für einen Fall wie den vorliegenden der letztgenannten Ansicht an.

Die Klägerin hat nämlich unstreitig die vereinbarten Gerüste nicht nur gestellt, sondern diese individuell bemessen und zusammengestellt, in eigener Verantwortung über die Art der Gerüstgruppe und die Konstruktion im Einzelnen entschieden, die Gerüste montiert und an den Gebäuden fest verankert. Sie hat auch im Lauf des Bauvorhabens in Absprache mit der Beklagten die Gerüstfläche erweitert und die Höhe angepasst, was auch den Mängelrügen der Beklagten zu entnehmen ist. Des Weiteren haben die Parteien den Vertrag als „Bauvertrag“ bezeichnet und ausdrücklich vertragliche Regelungen getroffen, die bei Bauverträgen zwischen Bauunternehmen üblich sind (z. B. Einbeziehung der VOB/B, Regelungen zu der Abnahme, Abrechnung nach Einheitspreisen, Aufmaß etc.). Die Beklagte hätte ohne Stellung eines Gerüsts die Fassadenarbeiten nicht ausführen können, es handelte sich also um Leistungen, die zwangsläufig zur Bauherstellung erforderlich waren.

Der Annahme, dass ein Gerüstbauer in einem Fall wie dem vorliegenden Bauhandwerkersicherung verlangen kann, steht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen, nach der ein lediglich mit Abbruch- und Rodungsarbeiten beauftragter Unternehmer nicht als Unternehmer einer Außenanlage anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 – VII ZR 86/04 -). Die Errichtung eines Gebäudes unmittelbar begleitende und unterstützende Gerüstbauarbeiten sind mit den vom Bundesgerichtshof behandelten Rodungsarbeiten, welche vor Beginn der Arbeiten zur Schaffung des späteren Bauwerks erledigt werden, nicht vergleichbar. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass isoliert in Auftrag gegebene Abbrucharbeiten oder Arbeiten zur Beseitigung von Altlasten deshalb keine Arbeiten am Bauwerk seien, weil sie sich bei wertender Betrachtung soweit von anderen, zur Vorbereitung der Bebauung dienenden Arbeiten am Grundstück entfernten, dass sie allein noch nicht der Errichtung eines Bauwerks zugeordnet werden könnten.

Eine vergleichbare Distanz zur Errichtung eines Bauwerks haben Gerüstbauarbeiten nicht. Die vom Bundesgerichtshof behandelten Tätigkeiten (Abbruch, Rodung, Beseitigung von Altlasten) schaffen tatsächliche Voraussetzungen dafür, dass ein Grundstück bebaubar wird. Sie sind ihrer Natur nach abgeschlossen, bevor die Errichtung eins Bauwerks begonnen werden kann. Gerüstbauarbeiten wie die streitgegenständlichen gehen dagegen schon zeitlich unmittelbar mit den direkt bauwerkserrichtenden Handwerksleistungen einher. Sie waren für die Fassadenarbeiten der Beklagten essentiell und erforderten auch zu koordinierende Umbauten und Anpassungen während des Baufortschritts, zu welchen die Beklagte aufgefordert hatte. Zwischen den direkt das Gebäude gestaltenden Handwerksleistungen und den Gerüstbauarbeiten bestand eine enge Verknüpfung, sie haben keine vergleichbare sachliche und zeitliche Distanz zur Errichtung des Bauwerks wie die Vorarbeiten auf einem Grundstück vor Beginn der ein Gebäude errichtenden Handwerksleistungen.

Der Klägerin steht eine Bauhandwerkersicherung in der beantragten Höhe zu. Sie hat diese in Höhe der Klageforderung schlüssig dargelegt.
Der Anspruch gemäß § 648a BGB a. F. besteht auch nach der Kündigung, wobei es für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit ausreicht, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht (BGH, Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 -, m. w. N.). Der Unternehmer hat das Recht, eine Sicherheit trotz möglicherweise berechtigter Mängelrügen des Bestellers zu verlangen. Bei der Berechnung der dem Sicherungsverlangen zu Grunde liegenden Vergütung bleiben Ansprüche unberücksichtigt, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt. Diese Regelungen sind auch im Falle einer Kündigung anwendbar, was dazu führt, dass der Besteller mit dem Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten oder Fertigstellungmehrkosten nicht aufrechnen kann, wenn diese Ansprüche nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (a.a.O., Rn. 28). Für eine schlüssige Darlegung genügt es, wenn der Unternehmer die von ihm erbrachten Leistungen in der Rechnung unter Angabe der Positionsnummern des Leistungsverzeichnisses nach Menge, Massen und Einheitspreisen aufführt (a.a.O., Rn. 32). Zur schlüssigen Begründung eines nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütungsanspruchs muss der Unternehmer nur darlegen, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen angefallen sind (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 – VII ZR 74/06 -). An die Darlegungs- und Beweislast sind keine übertriebenen Anforderungen zu stellen, da im Rahmen der Klage auf Vorlage der Sicherheit nach § 650f BGB (Nachfolgeregelung zu § 648a BGB a. F.) der Anspruch nur summarisch geprüft werden muss, da nur so der Unternehmer – der Intention des Gesetzgebers entsprechend – schnell und effektiv die Sicherheit erhält, und sich des Insolvenzrisikos entledigen kann (Cramer, a.a.O., § 650f Rn. 85).

OLG Nürnberg, Urteil vom 29.04.2021 – 13 U 2800/19