KG, Beschluss vom 22.12.2020 – 7 W 4/20
Der Fall:
Die Antragstellerin beauftragte die Antragsgegnerin im Rahmen von drei verschiedenen Bauverträgen mit Malerarbeiten. Bei der Ausführung dieser Arbeiten kam es zu Verzögerungen, wobei der Grund hierfür zwischen den Parteien streitig ist.
Mit Schreiben vom 04.07.2019 nahm die Antragstellerin Bezug auf eine zuvor geführte gemeinsame Besprechung und forderte die Antragsgegnerin „gemäß Anordnung des Bauherren vom 3. Juli 2019 auf“, die Leistungen unverzüglich gemäß Auftragsleistungsverzeichnis mit ausreichender Mannstärke auszuführen.
Mit Schreiben vom 30.10.2019 unterbreitete die Antragsgegnerin der Antragstellerin zwei Nachtragsangebote, die inhaltlich Entschädigungsleistungen wegen der Nichteinhaltung von Vertragszeiten für den Nichteinsatz von bereitgestellten Mitarbeitern zum Gegenstand hatten, und bat um entsprechende Beauftragung. Gleichzeitig bat sie zur Absicherung der ihr zustehenden vertraglichen Vergütungsansprüche aus dem Bauvorhaben auf der Grundlage des § 650f Abs. 1 BGB um Übergabe einer den Anforderungen des § 650f Abs. 2 BGB entsprechenden Sicherheit und setzte hierfür eine Frist bis zum 11.11.2019.
Mit Schreiben vom 04.11.2019 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, die Behauptung, ihr stünden die mit Schreiben vom 30.10.2020 behaupteten Zahlungsansprüche zu, zurückzunehmen. Die Antragstellerin wies ferner darauf hin, dass die Antragsgegnerin bis zum 11.11.2019 Sicherheiten für angebliche Zusatzaufträge verlange, obgleich es solche Aufträge oder Anordnungen nach Kenntnis der Antragstellerin nicht gäbe. Zudem würde sich die Antragsgegnerin widersprechen, wenn sie argumentiere, es würde sich um Entschädigungsansprüche handeln. Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin daher auf, ihr gegenüber bis zum 05.11.2019 zu bestätigen, dass die Antragstellerin weder Zusatzaufträge noch Anordnungen erteilt habe, die die Zahlungsansprüche begründen könnten.
In dem Antwortschreiben der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 05.11.2019 führten diese folgendes aus:
„Zur Sache: Die Rechtsabteilung ihrer Mandantin stellt in Abrede, dass den geltend gemachten Ansprüchen Anordnungen ihrer Mandantin zugrunde lägen. Dass dies nicht richtig ist, zeigt allein das Schreiben ihrer Mandantin vom 4. Juli 2019 und die dort ausgesprochene Aufforderung, unbedingt die vereinbarte Bauzeit für alle Lose in allen Bauteilen einzuhalten.
(…)
Ob in Betracht kommende Ansprüche aus § 642 BGB gem. § 650 f BGB sicherbar sind, mag umstritten sein. Namhafte Stimmen sprechen sich jedenfalls dafür aus. Ihre Mandantin möge sich überlegen, ob sie das Risiko tragen möchte, dass das Gericht sich diesen Stimmen anschließt. (…)“.
Mit Antragsschrift vom 06.11.2019 hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Berlin gestellt und in der Hauptsache die Feststellung begehrt, dass die Antragstellerin im Schreiben vom 04.07.2019 an die Antragsgegnerin keine verbindliche Anordnung in Bezug auf die Bauzeit getroffen habe, aus der gem. § 650 f BGB besicherungsfähige Zahlungsansprüche der Antragsgegnerin resultieren könnten.
Das Landgericht Berlin hat mit Entscheidung vom 07.11.2019 die begehrte Feststellung beschlossen.
Nachdem die Antragsgegnerin gegen diesen Beschluss mit Schriftsatz vom 15.11.2019 Widerspruch eingelegt hat, haben beide Parteien übereinstimmend das Verfügungsverfahren mit wechselseitigen Kostenanträgen in der Hauptsache für erledigt erklärt und das Landgericht hat der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt, weil diese ohne erledigendes Ereignis in dem Verfügungsverfahren aller Wahrscheinlichkeit nach unterlegen wäre.
Mit Schriftsatz vom 20.12.2019 legte die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein und begründete dies u.a. damit, dass der Anwendungsbereich des § 650d BGB nicht eröffnet sei, weil sich § 650d BGB nicht auf Bauzeitnachträge beziehe. Sie, die Antragsgegnerin, mache einen Anspruch aus § 642 BGB geltend und verlange für diesen Anspruch eine Besicherung nach § 650f BGB. Damit gehe es nicht um einen Nachtrag.
Die Entscheidung:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Landgericht Berlin hat der Antragsgegnerin zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien ist gem. § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei ist es nicht Zweck einer solchen Kostenentscheidung, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Grundlage der Entscheidung ist lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht davon absehen kann, grundsätzliche, zu Zweifeln Anlass gebende Rechtsfragen zu klären (vgl. BGH, Beschl. v. 20.06.2012 – XI ZR 131/10, Rdnr. 1 m.w.N.). Anders als im Falle der einseitigen Erledigungserklärung ist Grundlage der Kostenentscheidung aber nicht nur der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, sondern in reziproker Anwendung des Grundgedankens von § 93 ZPO auch die Erwägung, ob der Antragsgegner dem Antragsteller ohne sachliche Rechtfertigung Veranlassung zur Klage gegeben hat (vgl. KG, Beschl. v. 05.09.2011 – 19 W 13/11, NJW-RR 2012, 446; Zöller/Althammer, 33. Aufl. 2020, § 91a Rdnr. 25 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Landgerichts Berlin, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, nicht zu beanstanden.
Denn die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin aufgrund ihres vorprozessualen Verhaltens bewusst, jedenfalls subjektiv, Veranlassung zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegeben, die nach summarischer Prüfung zumindest hinreichende Erfolgsaussichten hatte.
Wie das Landgericht Berlin zutreffend in der angefochtenen Entscheidung ausführt, hat die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 30.10.2019 durch die Übersendung der Nachtragsaufträge, für die sie eine Sicherheit nach § 650f BGB verlangte, jedenfalls aus Sicht der Antragstellerin, ihre Forderungen auf eine Anordnung der Antragstellerin nach § 650b BGB gestützt. Denn auch wenn dies aus dem Schreiben so nicht ausdrücklich hervorgeht, schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Berlin an, dass die Antragstellerin das Begehren der Antragsgegnerin als Vergütungsanpassung i.S.d. § 650c BGB verstehen durfte. Indem die Antragsgegnerin der Antragstellerin Nachtragsangebote unterbreitete und sie zu einer entsprechenden Beauftragung aufforderte, stellte es sich zumindest aus Sicht der Antragstellerin so dar, dass sie den Weg des § 650b BGB beschritten hat. Eines solchen Vorgehens bedurfte es, wie das Landgericht Berlin weiter ausführt, für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs gemäß 642 Abs. 2 BGB jedoch nicht. Ferner unterließ es die Antragsgegnerin auch bewusst, auf das Schreiben der Antragstellerin vom 04.11.2019, in dem diese ausdrücklich um Bestätigung bat, dass sie, die Antragstellerin, weder Zusatzaufträge noch Anordnungen erteilt habe, einen etwaigen Irrtum oder ein Missverständnis aufzuklären. Vielmehr teilte die Antragsgegnerin in dem Antwortschreiben vom 05.11.2019 mit, dass es nicht richtig sei, dass die Antragstellerin in Abrede stelle, den mit Schreiben vom 30.10.2019 geltend gemachten Ansprüchen würden Anordnungen der Antragstellerin zugrunde liegen. Dass dies nicht richtig sei, zeige allein das Schreiben der Antragstellerin vom 04.07.2019 und die dort ausgesprochene Aufforderung, unbedingt die vereinbarte Bauzeit einzuhalten. Unabhängig von der Berechtigung etwaiger Ansprüche der Antragsgegnerin aufgrund einer Bauzeitverlängerung bzw. einer Verzögerung des zeitlichen Ablaufs hätte die Antragsgegnerin zumindest klarstellen können, dass es – so wie sie es nunmehr in ihrem Schriftsatz vom 15.11.2019 ausgedrückt hat – „unter keinem Gesichtspunkt in Betracht“ komme, den Hinweis der Antragstellerin als Anordnung von Nachtragsleistungen zu begreifen.
Indem sie trotz ihrer zuvor zumindest missverständlichen Unterbreitung von Nachtragsangeboten auf eine entsprechende Klarstellung bewusst verzichtet und vielmehr das Ansinnen der Antragstellerin als unrichtig zurückgewiesen hat mit dem Zusatz, dass aus ihrer Sicht, also der Antragsgegnerin, keine Veranlassung gesehen werde, die geforderte Bestätigung bzw. den geforderten Verzicht auszusprechen, und dass die Antragstellerin die angedrohten gerichtlichen Schritte einleiten möge, hat die Antragsgegnerin aus subjektiver Sicht Veranlassung zur Klage gegeben. Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragsgegnerin nun auch nicht darauf berufen, § 650d BGB sei auf keinen Fall anwendbar, weil es hier nicht um eine geänderte oder zusätzliche Leistung handele, sondern sie vielmehr einen Anspruch aus § 642 BGB geltend mache.
Ob § 650d BGB auch auf den Fall anwendbar ist, dass der Besteller gar keine Anordnung erlassen hat und ob nach dem neuen Bauvertragsrecht feststellende einstweilige Regelungsverfügungen – abweichend von der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Feststellungsverfügung als Unterfall der Leistungsverfügung nach § 940 ZPO – zulässig sind, braucht aufgrund der dargelegten reziproken Anwendung des Grundgedankens von § 93 ZPO im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend entschieden zu werden. Denn ein negativer Feststellungsantrag mit dem Inhalt, dass von dem Besteller keine eine Mehrvergütung auslösende Leistungsanordnung getroffen worden ist, wird in der Literatur jedenfalls zum Teil für zulässig erachtet (vgl. Palandt/Retzlaff, BGB, 80. Aufl. 2021, § 650d Rdnr. 2; allgemein zur Zulässigkeit einer Feststellungsverfügung im Rahmen von § 650d BGB Sacher/Jansen, NZBau 2019, 20 (23), nach denen der Gesetzgeber von der Möglichkeit des Erlasses einer Feststellungsverfügung ausgegangen sei, wenngleich die Zulässigkeit nicht unproblematisch sei; Feststellungsverfügungen i.R.d. § 650d BGB grds. bejahend Mundt, in: beck-online, Grosskommentar, Stand 01.10.2020, § 650d BGB Rdnr. 31; vgl. ferner Althaus/Leupertz, in: Leupertz/Preussner/Sienz, Bauvertragsrecht, 2018, § 650d Rdnr. 7 bzw. 11, die die Zulässigkeit einer Feststellungsverfügung über die Frage der Wirksamkeit einer Anordnung jedenfalls dann bejahen, nachdem der Besteller eine Anordnung gem. § 650b Abs. 2 BGB erteilt hat; ferner bejaht Rehbein, IBR 2020, 514, eine negative Feststellungsklage in den Fällen, in denen sich der Auftragnehmer aus der Sicht eines verständigen Auftraggebers einer Rechtsposition berühmt, die sich aus den §§ 650b, 650c BGB ergibt).
Hat demnach die Antragsgegnerin durch ihr vorprozessuales Verhalten ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung Veranlassung zur Antragstellung gegeben, die wie hier jedenfalls hinreichende Erfolgsaussichten hatte, entspricht es der Billigkeit, ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist daher zurückzuweisen.