von Thomas Ax
Nach § 46 Abs. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass der Bieter über die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie ausreichende Erfahrungen verfügt, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können.
Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bieters geeignete Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge verlangen.
Soweit gefordert wird, dass sich die Referenz über eine Leistung verhalten muss, die mit der zu vergebenden Leistung “vergleichbar” ist, liegt ein Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz nicht vor (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2018, 13 Verg 8/17, BeckRS 2018, 18361 Rn. 31). Bei dem Begriff “vergleichbare Leistung” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der aus der maßgeblichen objektiven Sicht eines mit solchen Ausschreibungen vertrauten Bieterkreises auszulegen ist (§§ 133, 157 BGB). Dabei bedeutet die Formulierung “vergleichbar” bereits nach allgemeinen Sprachgebrauch, dass die referenzierten Leistungen mit der ausgeschriebenen Leistung nicht “gleich” oder gar “identisch” sein müssen, sondern ausreichend ist, dass sie in Bezug auf ihren Umfang und ihre Komplexität in technischer oder organisatorischer Art einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad aufweisen müssen (ebenso OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8. April 2014, 11 Verg 1/14, NZBau 2015, 51 Rn. 58). Dabei ist aus Sicht der angesprochenen Bieterkreise offenkundig, dass Bezugspunkt der Vergleichsbetrachtung nur der konkret ausgeschriebene Auftrag sein kann und zwar so wie er in der Bekanntmachung kurz beschrieben und in den weiteren Vergabeunterlagen konkretisiert ist. Hierfür spricht bereits § 46 Abs. 1 VgV. Die Referenzen dienen als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Bieters. Anhand von Referenzen will der Auftraggeber feststellen, ob der potentielle Auftragnehmer Erfahrungen auf dem Gebiet der nachgefragten Leistung hat und ob er in der Lage sein wird, den Auftrag auch tatsächlich auszuführen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 9. Juli 2010, 11 Verg 5/10, BeckRS 2010, 19010, unter II.2.). Dafür muss die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet (OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2018, 13 Verg 8/17, BeckRS 2018, 18361 Rn. 31; OLG München, Beschluss vom 12. November 2012, Verg 23/12, BeckRS 2012, 23578, unter II.B.1.b.cc.; Goldbrunner in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 46 Rn. 14). Dies erfordert einen Vergleich zwischen der referenzierten und der ausgeschriebenen Leistung. Dabei ist nicht allein auf die Beschreibung des Auftrags in der Auftragsbekanntmachung abzustellen, sondern auch auf die den Auftrag konkretisierenden Ausführungen in den Vergabeunterlagen, denn anderenfalls kann nicht festgestellt werden, ob beide Leistungen vergleichbar sind. Darin liegt kein Widerspruch zu dem in § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB normierten Grundsatz, wonach sämtliche Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen sind (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 – Verg 24/18, NZBau 2019, 64 Rn. 30). Die genannte Vorschrift verlangt nur, dass das Eignungskriterium selbst in der Bekanntmachung aufgeführt wird. Ein potenzieller Bieter ersieht so bereits aus der Bekanntmachung, dass der Nachweis einer vergleichbaren Referenzleistung gefordert ist; damit ist dem Zweck des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB genügt. Sinn und Zweck der Bekanntmachung ist es, Interessenten auf das Vergabeverfahren aufmerksam zu machen und sie in knapper Form über dessen wesentlichen Inhalt und die insoweit grundsätzlich bestehenden Anforderungen zu informieren. Eine vollständige Entscheidungsgrundlage soll und kann die Bekanntmachung nicht bieten. Für seine abschließende Entscheidung, ob er ein Angebot abgibt, muss sich ein potenzieller Bieter ohnehin mit den Vergabeunterlagen befassen, da nur diese ein vollständiges Bild über die ausgeschriebene Leistung vermitteln. Es ist daher vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Bieter in Bezug auf die geforderte Referenz eines “vergleichbaren” Dienstleistungsauftrags eine nähere Beschreibung der Leistung erst im Zusammenhang mit den Auftragsunterlagen entnehmen kann (OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2018, 13 Verg 8/17, BeckRS 2018, 18361 Rn. 36) und sich damit die an die Referenz zu stellenden Anforderungen auch aus der Auftragsbeschreibung ergeben (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8. April 2014, 11 Verg 1/14, NZBau 2015, 51 Rn. 77).
Das Bayerische Oberste Landesgericht verlangt bei der Forderung einer vergleichbaren Referenzleistung, dass diese der “ausgeschriebenen Leistung” so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet (BayObLG, Beschluss vom 9. November 2021, Verg 5/21, NZBau 2022, 308 Rn. 82). Vergleichsmaßstab ist folglich auch hier der konkrete Auftrag, so wie er sich aus der Bekanntmachung und den übrigen Vergabeunterlagen ergibt. Nur wenn der öffentliche Auftraggeber sicherstellen möchte, dass der Bieter “exakt die zu beschaffende Leistung” schon einmal früher erfolgreich durchgeführt hat, reicht die Forderung nach einer “vergleichbaren” Referenzleistung in der Bekanntmachung nicht aus, sondern es sind – so das Bayerische Oberste Landesgericht – entsprechende konkretisierende Vorgaben in der Bekanntmachung festzulegen.
Die Entscheidung des Kammergerichts vom 10. Mai 2022, Verg 2/22, enthält ebenfalls keinerlei Ausführungen dazu, ob Bezugspunkt für eine Vergleichsbetrachtung zwischen der ausgeschriebenen und der referenzierten Leistung allein die Angaben in der Bekanntmachung sein dürfen oder ob eine Konkretisierung des ausgeschriebenen Auftrags in den Vergabeunterlagen zulässig ist. Der Entscheidung ist nur zu entnehmen, dass bei der Eignungsprüfung allein auf die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und Nachweise abzustellen ist (NZBau 2023, 69 Rn. 19).
Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2019 – Verg 52/18, NZBau 2020, 258 Rn. 32).
Der Auftraggeber überschreitet danach seinen Beurteilungsspielraum, wenn er ausdrücklich benannte Eignungskriterien unberücksichtigt lässt und Bieter, die die Eignungsanforderungen nicht erfüllen, nicht zwingend wegen fehlender Eignung ausschließt (Senatsbeschlüsse vom 17. September 2019 – Verg 36/18, NZBau 2019, 737 Rn 36; vom 2. Januar 2006 – Verg 93/05; BeckRS 2006, 2917, und vom 18. Juli 2001 – Verg 16/01, BeckRS 2001, 17504; Stolz in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 42 Rn 8).
Fordert er ausdrücklich Referenzen über “vergleichbare” Aufträge, so darf er wegen des Gebots der Gleichbehandlung und der Transparenz nur solche Referenzen berücksichtigen, die vergleichbare Leistungen nachweisen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8. April 2014, 11 Verg 1/14, NZBau 2015, 51 Rn. 57; OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Juni 2012, 1 Verg 2/12, NZBau 2012, 724, 275).
Die Referenzen dienen – wie bereits vorstehend ausgeführt – als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Bieters, wofür die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln muss, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet. Dies bedingt zwingend, dass die Geeignetheit einer Referenz nur dann gegeben ist, wenn jedenfalls ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zwischen der referenzierten und der ausgeschriebenen Leistung besteht, wobei zu den Kernelementen auch der Leistungsumfang gehört (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21, ZfBR 2022, 295, 299, 300).
Zwar kann ein öffentlicher Auftraggeber auch bei einer fehlerhaften Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht zur Erteilung des Zuschlags gezwungen werden, da ein Kontrahierungszwang seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit zuwiderlaufen würde (BGH, Beschluss vom 20. März 2014, X ZB 18/13, NZBau 2014, 310 Rn. 20; Senatsbeschluss vom 17. April 2019 – Verg 36/18, NZBau 2019, 737 Rn. 63).
Der Vergabestelle steht bei der Entscheidung über den Zuschlag ein Wertungsspielraum zu und die Nachprüfungsorgane dürfen sich nicht an die Stelle des Auftraggebers setzen. Nur in Ausnahmefällen, in denen unter Beachtung aller Beurteilungsspielräume die Erteilung des Zuschlags an den Antragsteller die einzige rechtmäßige Entscheidung ist, kann die Anweisung an die Vergabestelle in Betracht kommen, dem Antragsteller den Zuschlag zu erteilen (Senatsbeschlüsse vom 17. April 2019 – Verg 36/18, NZBau 2019, 737 Rn. 63, vom 28. November 2018 – Verg 35/18, BeckRS 2018, 46756 Rn. 40, und vom 27. April 2005 – Verg 10/05; OLG Celle, Beschluss vom 10. Januar 2008, 13 Verg 11/07; OLG Naumburg, Beschluss vom 13. Oktober 2006, 1 Verg 7/06; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, GWB § 168 Rn. 14 m.w.N.).