von Thomas Ax
Es werden unterschiedliche Ansichten dazu vertreten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein versehentlich falsch angegebener Preis nach Angebotsöffnung korrigiert werden kann. Teilweise wird bei offensichtlichen preislichen Falschangaben eine Berichtigung für zulässig gehalten und ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot (§ 15 Abs. 3 VOB/A EG) verneint (Vavra in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., VOB/A § 15 Rn. 19; § 16 Rn. 9; OLG Saarbrücken IBR 2009, 407). Teilweise wird eine Berichtigung von “falschen” Preisen oder auch gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen Erklärungsirrtums anfechtbaren Preisen abgelehnt (Planker in Kapellmann/Messerschmidt,VOB/A und VOB/B, 3. Aufl., § 15 VOB/A Rn. 22). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass eine Klarstellung des Angebotsinhalts zulässig, hingegen eine nachträgliche Änderung des Angebots durch das Einfügen eines neuen Preises unstatthaft ist. Von einer zulässigen Klarstellung des Angebotsinhalts ist auszugehen, wenn der tatsächlich gemeinte (richtige) Preis durch Auslegung des Angebotsinhalts gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Sind Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter erforderlich, sind diese Anforderungen nicht erfüllt. Anderenfalls hätte es der Bieter in der Hand, den angebotenen Preis nachträglich gegen einen anderen auszutauschen (Senatsentscheidung vom 16.03.2016, VII-Verg 48/15). Bei der Auslegung ist dabei maßgeblich darauf abzustellen, wie der Empfänger das Angebot im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung verstehen musste. Nachträgliches Verhalten oder Willensbekundungen einer Partei sind bei der Auslegung von Rechtsgeschäften nur insoweit berücksichtigungsfähig, als sie Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und auf das Verständnis des Erklärungsempfängers im Zeitpunkt des Zugangs zulassen (BGH, Versäumnisurteil vom 7.12.2006, VII ZR 166/05, NJW-RR 2007, 529).
Die Darlegungslast für das Vorliegen einer fehlerhaften Preisangabe obliegt dem Auftraggeber (Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2007, VII-Verg 24/07 – juris Rn. 38; OLG Naumburg NZBau 2006, 129; OLG Frankfurt a.M. VergabeR 2006, 126; Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 91; Stoye/Gielen in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, 2016, § 175 Rn. 33; kritisch aber Opitz in Burgi/Dreher, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 16 VOB/A-EU Rn. 25 und 98; zur Beweislastverteilung bei Unsicherheiten über die Vollständigkeit des Angebots Senatsbeschluss vom 19.11.2003, VII-Verg 47/03). Bloße Vermutungen und Zweifel an der Richtigkeit der Preisangaben genügen nicht. Auf der anderen Seite obliegt dem Bieter die Mitwirkung an der Aufklärung seines Angebots (OLG Frankfurt a.M. VergabeR 2006, 126; OLG Rostock, Beschluss vom 8. März 2006, 17 Verg 16/05 – juris, Rn. 65; OLG Dresden, Beschluss vom 1. Juli 2005, WVerg 7/05 – juris, Rn. 5; Opitz in Burgi/Dreher, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 16 VOB/A-EU Rn. 98). Liegen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme fehlerhafter Preise vor, sind diese vom Bieter mit substantiellen Auskünften zu entkräften (OLG Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2004, Verg W 10/04 – juris Rn. 47 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 1. Juli 2005, WVerg 7/05 – juris, Rn. 5).
Nach § 16 Nr. 3 VOB/A sind solche Angebote von der Ausschlussfolge ausgenommen, bei denen lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position der Angabe des Preises fehlt und durch die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt werden. Der Ausnahmetatbestand ist nicht einschlägig, wenn keine Preisangabe fehlt. Dass der Ausnahmetatbestand entgegen seinem Wortlaut auch bei einer fehlerhaften Preisangabe zur Anwendung kommen soll, ist nicht ersichtlich. Ferner ist der Ausnahmetatbestand auch dann nicht einschlägig, wenn die Preisangabe nicht nur bei einer Position, sondern bei vielen Positionen fehlerhaft ist.