von Thomas Ax
Gemäß § 103 Abs. 1 GWB ist ein öffentlicher Auftrag ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und Unternehmer über die Beschaffung von Leistungen, die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen.
Im Grundsatz gilt, dass das GWB-Vergaberecht auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines kommunalen Grundstücks nicht anwendbar ist, weil keine Beschaffung der öffentlichen Hand vorliegt. Vergaberecht ist erst dann zu beachten, wenn in der Grundstücksveräußerung quasi eine inkludierte Beschaffung von Leistungen durch die Kommune liegt (Schneider, “Veräußerung von kommunalen Grundstücken – (K)ein Fall für das Vergaberecht?”, www.vergabeblog.de).
Deshalb liegt nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB ein Bauauftrag auch bei einer dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommende Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen vor. Der Gesetzgeber hat mit dieser Konkretisierung der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen (Hüttinger in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 103 GWB, Rn. 192).
Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache “H. M. GmbH” (vgl. EuGH, Urteil vom 25.03.2010 – C-451/08, ergangen auf die Vorlage des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.10.2008 – Verg 25/08), ist von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse eines öffentlichen Auftraggebers an einer Bauleistung dann auszugehen, wenn der öffentliche Auftraggeber
– Eigentümer der Bauleistung oder des zu errichtenden Bauwerks werden soll,
– über einen Rechtstitel verfügen soll, der die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf die öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt,
– wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann,
– an der Erstellung des Bauwerks finanziell beteiligt ist (etwa in Form eines Baukostenzuschusses) oder
– Risiken im Fall eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks trägt.
Nach dieser Rechtsprechung des EuGH kann ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers u.a. auch vorliegen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt.
Dies wird auch in den Fällen angenommen, in denen der öffentliche Auftraggeber bei der Veräußerung des Grundstücks einen Kaufpreisnachlass gewährt oder das betroffene Grundstück unter Marktwert veräußert wird, denn eine Reduzierung des dem Marktwert entsprechenden Kaufpreises stellt faktisch einen Zuschuss zur baulichen Realisierung einer Maßnahme dar und muss damit im Ergebnis als finanzielle Beteiligung an der Realisierung des Bauwerkes betrachtet werden (Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht Kommentar, 4. Aufl. 2018, § 103, Rn. 124).
Ein nur mittelbares fiskalisches Eigeninteresse der Gemeinde, etwa an der Ansiedlung eines Gewerbebetriebs im Hinblick auf die Erzielung des reinen Grundstückskaufpreises, Gewerbesteuereinnahmen oder eine “Umwegrendite” (Schaffung gut bezahlter Arbeitsplätze etc.), begründet kein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2011 – 1 VK7 60/10).
Allein die Tatsache, dass mit dem Verkauf von Grundstücken bestimmte städtebauliche Pläne oder Maßnahmen verfolgt werden, begründet noch keinen öffentlichen Auftrag (vgl. Willenbruch in: Willenbruch/Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 103 GWB, Rn. 40). Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber in einem Durchführungsvertrag (vorhabenbezogener Bebauungsplan) oder in einem sonstigen städtebaulichen Vertrag zur Bebauung verpflichtet wird. Das städtebauliche Interesse, dass die neu ausgewiesenen Flächen tatsächlich bebaut werden und keine Leerstände entstehen (Stichwort: unzulässige Vorratsplanung), begründet keine Beschaffung (Bulla, “Die Ausschreibungspflicht von Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand”, VergabeR 2019, Seite 457 ff., 459).
Das Vorliegen eines Bauauftrages gemäß § 103 Abs. 3 GWB erfordert auch immer die Eingehung einer einklagbaren Bau- oder Realisierungsverpflichtung. Der Auftragnehmer muss also direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistung, welche Gegenstand des Auftrages ist, übernehmen (EuGH 25.03.2010 – C-451/08). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Eine “indirekte” Verpflichtung kann zwar genügen. Nicht ausreichend ist aber die Vereinbarung eines Rückkauf- oder Widerrufsrechts, wenn ein verkauftes Grundstück nicht bebaut wird; denn dies führt nur zu einem Bauanreiz, nicht zu einer Bauverpflichtung (v. Engelhardt/Kaeble in: Müller-Wrede, GWB, § 103, Rn. 119).
Eine Grundstücksveräußerung, die in Verbindung mit der Realisierung rein privatnütziger Vorhaben (wie eben einem Einkaufszentrum, Hotel o. A.) erfolgt, kommt allenfalls mittelbar dem öffentlichen Auftraggeber, etwa zur Verfolgung eines allgemeinen städtebaulichen Ziels, zugute (Düsterdiek in: Ingenstau Korbion, VOB, 21. Aufl, § 23 VOB/A, Rn. 12). Die Anwendung des Vergaberechts scheidet daher mangels eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses der öffentlichen Hand in derartigen Fällen aus (Otting, VergabeR 2013, Seite 343).
Ein Rechtsschutz in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren kann in diesen Fällen nicht erfolgen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2010 – Verg 25/08, zitiert nach ibr-online).