Die Mandantin hat sich mit einem wertbaren Angebot an der gegenständlichen Ausschreibung beteiligt. Das Angebot der Mandantin ist ohne Einbeziehung der Nebenangebote der Wettbewerberin, die sich ebenfalls mit einem Angebot an der gegenständlichen Ausschreibung beteiligt hat, für die Auftragserteilung vorzusehen, weil es sich um das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot handelt. Durch Einschaltung der VOB-Stelle ist sicherzustellen, dass die vergaberechtswidrige Einbeziehung der Nebenangebote der Wettbewerberin unterbleibt. Durch die Zulassung von Nebenangeboten besteht die Gefahr von Vergabemanipulationen, weshalb an solche Angebote bestimmte formale Anforderungen gestellt werden, die durch Rechtsprechung und Schrifttum noch wesentlich erweitert bzw. erschwert worden sind.
Als Nebenangebot wird ein Zusatz-/Änderungsangebot eines bauausführenden Unternehmers bezeichnet, das größere Abweichungen von einem Hauptangebot bzw. von den Verdingungsunterlagen enthält, beispielsweise Vorschläge für andere Bauweisen oder Systeme. Der AG selbst hat formalinhaltliche Anforderungen an Nebenangebote in Ziffer 5 der beigefügten Bewerbungsbedingungen vorgegeben. Nebenangebote müssen wegen des Verhandlungsverbots im Zeitpunkt der Angebotsabgabe inhaltlich klar und eindeutig sein, wenn sie in die Wertung kommen wollen. Das Verbot von Vergabemanipulationen und der Gleichheitsgrundsatz im Vergabeverfahren verbietet die Annahme solcher Nebenangebote und Sondervorschläge, deren Inhalte auch nach objektiven Auslegungsversuchen zweifelhaft bleiben und dem Bieter durch verschiedene Auslegungsmöglichkeiten Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Erfahrungsgemäß genügen die allermeisten Nebenangebote diesen Anforderungen nicht.
Ist das geprüft worden?
Ist positiv festgestellt worden, dass die Nebenangebote im Zeitpunkt der Angebotsabgabe inhaltlich klar und eindeutig waren? Oder muss aufgeklärt werden, was eigentlich konkret wie inhaltlich klar und eindeutig angeboten werden soll? Sinn und Zweck der Zulassung von Nebenangeboten ist, auch andere als die ausgeschriebenen Leistungen anbieten zu dürfen bzw. dadurch den Kreativwettbewerb zu eröffnen. Andererseits gilt aber auch der Ausschreibungsgrundsatz, dass ein Auftraggeber sich über Nebenangebote und Sondervorschläge nicht solche Leistungen aufdrängen lassen muss, die er nicht bestellt bzw. gewollt hat (z.B. minder- bzw. höherwertigere Leistungen oder funktionell oder gestalterisch völlig andere Leistungen). Ein Auftragnehmer, der ein Nebenangebot oder einen Sondervorschlag abgibt und dabei von der ausgeschriebenen Leistung völlig abweicht, muss demnach stets damit rechnen, dass sein Nebenangebot unberücksichtigt bleibt. Nebenangebote müssen sich noch in einem gewissen Rahmen innerhalb der ausgeschriebenen Leistung bewegen. Es kann über Nebenangebote nicht ein völlig anderer Wettbewerbsgegenstand in das Wertungsverfahren einfließen. Davon abgesehen wären solche unterschiedlichen Angebote auch nicht mehr vergleichbar. In Gerichtsentscheidungen und in der Literatur wird für ein Nebenangebot, das/der inhaltlich völlig abweicht, meist der Begriff „Aliud“ verwendet.
Ist das geprüft worden?
Ist positiv festgestellt worden, dass über Nebenangebote nicht ein völlig anderer Wettbewerbsgegenstand in das Wertungsverfahren einfließen? Es gibt den Vergabegrundsatz, dass Nebenangebote, die vom Eintritt einer Bedingung abhängig sind, zunächst grundsätzlich zulässig sind. Allein die Aufnahme einer Bedingung in ein Nebenangebot ist noch unschädlich. Nebenangebote sind aber dann nicht mehr zulässig, wenn sie eine Bedingung enthalten, deren Eintritt vom Verhalten des Bieters abhängig ist.
Ist das geprüft worden?
Nebenangebote, deren technische Realisierung von unsicheren Prognoseentscheidungen abhängig ist (z.B. von geeigneten Witterungsverhältnissen im Ausführungszeitraum oder von unsicheren, noch einzuholenden öffentlich-rechtlichen Genehmigungen), sind grundsätzlich auszuschließen, schon wegen der Gefahr von Vergabemanipulationen. Dem Auftraggeber kann nicht zugemutet werden, dass er im Vergabeverfahren selbst spekulative Entscheidungen trifft.
Ist das geprüft worden?
In Rechtsprechung und Schrifttum wird einhellig die Auffassung vertreten, dass Nebenangebote zusammen mit den Hauptangeboten letztlich nur dann in die engere Wahl kommen können, wenn Gleichwertigkeit in qualitativer und quantitativer Hinsicht mit den Hauptangeboten nachgewiesen wird bzw. objektiv gegeben ist (vgl. u.a. Motzke/Pietzcker/Prieß, Rdnr. 141 zu 8 25 VOB/A; Heiermann/Riedl/Rusam, Rdnr. 96 zu $ 25 VOB/A ; BayObLG, Beschl. v. 18.06.2002, VergabeR 657; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.08.2002, NZBau 2002, 694; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.03.2002, NZBau 2002, 692; OLG Rostock, Beschl. v. 05.03.2002, NZBau 2002, 696; OLG Naumburg, ZVgR 2000, 68; OLG Celle, NZBau 2000, 105; BkartA, NZBau 2001, 232; OLG Koblenz, Beschl, v. 05.09.2002, VergabeR 2003, 72; OLG Bremen, Beschl. v. 04.09.2003, VergabeR 2003, 695). Das Erfordernis der Gleichwertigkeit wird hergeleitet aus allgemeinen Vergabegrundsätzen wie „Vermeidung von Vergabemanipulation und Wettbewerbsverzerrung”, „Transparenz im Vergabeverfahren“ oder „Gleichbehandlung im Wettbewerb“.
Ist das geprüft worden?
Bei der Wertung von Nebenangeboten ist besonders auf die Gleichwertigkeit mit der ausgeschriebenen Leistung zu achten. In der Regel ist davon auszugehen, dass ein Nebenangebot oder Sondervorschlag nur dann zum Zuge kommen kann, wenn es unter Abwägung aller technischen und wirtschaftlichen, ggf. auch gestalterischen und funktionsbedingten Gesichtspunkte wirtschaftlicher ist als der Auftraggebervorschlag. Bei der Wirtschaftlichkeit sind auch die Folgekosten (z.B. Unterhaltungskosten, Betriebskosten, Lebensdauer) zu beurteilen. VK B-W, Beschl. v. 20.09.2001, Vergaberechts-Report 11/2001, 1.
Ist das geprüft worden?
Im Falle des Fehlens der Gleichwertigkeit scheidet die Berücksichtigung des Sondervorschlags aus. In diesem Falle kann die Klägerin Ersatz des entgangenen Gewinns beanspruchen“, OLG Frankfurt, Urt. v. 14.04.2000, BauR 2000, 1746. Die v.g. Defizite können auch mit einem Bietergespräch nicht vergaberechtskonform bereinigt werden. Die VOB/A erlaubt nur eine Aufklärung im Rahmen des in seinen Grenzen unveränderlich feststehenden Angebots. Eine Verhandlung über den Aussagegehalt einer Bietererklärung ist nicht zulässig. Dieser ist im Wege der normativen Auslegung zu ermitteln. Das Verhandlungsverbot der VOB/A beruht auf den wesentlichen vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbsprinzips, der Verfahrenstransparenz und des Diskriminierungsverbots. Einen unklaren Angebotsinhalt kann der Auftraggeber aufklären. Erlaubt ist jedoch grds. nur eine Aufklärung im Rahmen des in seinen Grenzen unveränderlich feststehenden Angebots (BayObLG, Beschl. vom 16.09.2002 — Verg 19/02, VergabeR 2002, 644, mit Anm. Hartung). Wird die Gleichwertigkeit eines Nebenangebots mit der geforderten Leistung nicht mit dem Angebot nachgewiesen, so ist fraglich, ob und in welchem Umfang Nachweise nachgereicht und/oder skizzenhafte Änderungsvorschläge und Nebenangebote nachträglich detailliert dargelegt werden können. Ein solches Verhalten ist unter dem Aspekt zu sehen, dass eine Berücksichtigung des Änderungsvorschlags über die Wertung des Angebots an erster Stelle entscheidet. Soweit erforderliche Präzisierungen und Konkretisierungen von Änderungsvorschlägen und Nebenangeboten dazu führen, dass der Bieter den Leistungsumfang ändern und im Rahmen der so genannten Aufklärung eine in seinem Angebot so nicht enthaltene Leistung anbieten kann, entstehen Manipulationsmöglichkeiten. Außerdem wird der zu solchen Angaben veranlasste Bieter gegenüber anderen Bietern unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bevorzugt (Beck’scher VOB-Komm./Jasper, $ 24 VOB/A, Anm. 26 und 27). Die Vergabestelle ist auch nicht verpflichtet, eine so genannte „Übereinstimmungserklärung“ zu akzeptieren, mit der der Bieter darlegen will, dass seine Alternativlösung den in der Leistungsbeschreibung vorgeschriebenen Merkmalen entspricht (Heiermann/Ried! /Rusam, VOB-Komm. 824 VOB/A, Anm. 26).
Entscheidend in diesem Sinne ist, ob das streitige Nebenangebot – wäre es inhaltlich bestimmt – den vertraglich vorausgesetzten Zweck unter allen technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfüllt und daher für den Auftraggeber geeignet ist. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob das Nebenangebot die Mindestanforderungen, die sich aus der Leistungsbeschreibung ausdrücklich oder im Wege der Auslegung ergeben, einhält oder unterschreitet. Die Verbindlichkeit von Festlegungen muss in irgendeiner Weise aus den Vergabeunterlagen selbst hervorgehen oder im Wege der Auslegung der Vergabeunterlagen zu entnehmen sein.
Zugelassene Nebenangebote müssen zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe die Mindestbedingungen erfüllen, die aus der Ausschreibung hervorgehen und den Nachweis der Gleichwertigkeit enthalten und auch tatsächlich gleichwertig sein. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten soll, ist nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden (BGH, Urteil vom 07.01.2003 – X ZR 50/01; !BR 2003, 264). Der Bieter wäre der Willkür des Auftraggebers ausgeliefert, wenn dieser nachträglich die als bindend festgelegten Anforderungen des LV ändern könnte. Ein Verzicht auf zuvor festgelegte Mindeststandards ist unzulässig (Beck’scher VOB Komm. /Brinker/ Ohler $ 25VOB/A, Rn. 143; ferner Heiermann/Riedl/Rusam, 9. Auflage, $ 25 VOB/A, Rn. 96).
Grundsätzlich kann es erwünscht sein, dass Bieter im Blick auf den geforderten Leistungsumfang hinsichtlich von Kosten und Nutzen Ideen entwickeln und im Rahmen von Nebenangeboten Einsparungspotentiale anbieten, die eine andere Ausführung der Bauleistung abweichend von der Ausschreibung vorschlagen. Im Blick auf die Konkurrenzsituation im Wettbewerb der Bieter sind diesem Verhalten jedoch Grenzen gesetzt, die der Auftraggeber bei der Wertung beachten muss. Eine Grenze und eine einsetzende Wettbewerbsverzerrung kann gegeben sein, wenn durch einen Bieter Standards der Leistung verändert werden und die dadurch veränderte Leistung der Konkurrenzsituation der anderen Bieter entzogen wird, also nicht festgestellt werden kann, welche Angebote die Konkurrenten bei von vornherein geänderten Standards abgegeben hätten. Eine Zulassung solcher Abweichungen von den Standards würde zu einem willkürlichen Verhalten, d. h. einer freien Entscheidung des Auftraggebers führen, die zu einer Ungleichbehandlung der Teilnehmer am Vergabeverfahren führen würde. Hinsichtlich der Gleichbehandlung der Angebote ist von einem Vertrauen der Bieter auszugehen, dass gerade im Blick auf Nebenangebote bestimmte Festlegungen unverändert bleiben und damit ein ordnungsgemäßer Wettbewerb bestehen bleibt.