Verstöße gegen missverständliche mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen führen nicht zum Angebotsausschluss
von Thomas Ax
Ein Ausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV setzt voraus, dass Gegenstand und Inhalt der Leistung eindeutig beschrieben sind. Verstöße gegen missverständliche mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen führen aber nicht zum Angebotsausschluss (BGH, Urt. v. 03.04.2012, X ZR 130/10; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.07.2017 – 11 Verg 6/12; OLG München, Beschl. v. 21.04.2017 – Verg 1/17; Senat, Beschl. v. 26.07.2005 – Verg 71/04).
Auftraggeber muss spätestens mit der Übersendung oder Bekanntgabe der Verdingungsunterlagen den Bietern alle Zuschlagskriterien mitteilen
von Thomas Ax
Der Auftraggeber muss spätestens mit der Übersendung oder Bekanntgabe der Verdingungsunterlagen den Bietern alle Zuschlagskriterien mitteilen, deren Verwendung er vorsieht, sofern er diese im Voraus festgelegt hat. In den Vergabeunterlagen detailliert anzugeben ist dabei, nach welchen Kriterien oder Rechenschritten der niedrigste Preis durch den Auftraggeber ermittelt wird (OLG Brandenburg, Senat, Beschl. v. 29.01.2013 – Verg W 8/12, BeckRS 2013, 3142).
Vergabeunterlagen müssen eindeutig sein
von Thomas Ax
Ob die Vergabeunterlagen in vergaberechtswidriger Weise nicht mehr eindeutig sind, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Für die Auslegung der Vertragsunterlagen ist ein objektiver Maßstab anzulegen und auf den Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters, der mit der Leistung vertraut ist, abzustellen (BGH, Beschl. v. 07.02. 2014, X ZB 15/13; Senat, Beschl. v.01.04.2020 – Verg 33/19; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 18.07. 2017, 11 Verg 7/17). Maßgeblich ist hierfür nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern es kommt darauf an, wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung verstehen muss (Senat, Beschl. v. 01.04.2020 – Verg 33/19; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.04. 2016, 15 Verg 1/16). In vergaberechtswidriger Weise nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen jedoch erst, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird (BGH, Urt. v. 10.06.2008, X ZR 78/07; Senat, Beschl. v. 13.12.2017 – Verg 19/17) oder nicht geleistet werden kann.
Nach § 182 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 2 und 3 GWB ist eine Billigkeitsentscheidung zu treffen
von Thomas Ax
Im Rahmen der nach § 182 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 2 und 3 GWB zu treffenden Billigkeitsentscheidung sind nicht nur die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses in den Blick zu nehmen. Gesichtspunkte der Billigkeit können es vielmehr im Einzelfall bei Vorliegen gravierender Umstände gebieten, von der Maßgeblichkeit des voraussichtlichen Verfahrensausgangs abzuweichen (OLG München, Beschl. v. 02.09.2015 – Verg 6/15) und beispielsweise einem Antragsteller die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der einen Nachprüfungsantrag unnötigerweise verfrüht stellt (vgl. Senat, Beschl. v. 13.01.2014 – Verg 11/13; Senat, Beschl. v. 11.05.2011 – Verg 10/11) beziehungsweise der Vergabestelle die Kosten des Nachprüfungsverfahren aufzuerlegen, wenn diese im Rahmen der Zurückweisung der Rüge dem Antragsteller den unzutreffenden Hinweis erteilt hat, er könne ein Nachprüfungsverfahren anstrengen (so OLG München, Beschl. v. 02.09.2015 – Verg 6/15).