Der Auftraggeber ist gem. § 56 Absatz 2 Satz 2 VgV auch berechtigt, in der Auftragsbekanntmachung oder
den Vergabeunterlagen festzulegen, dass er keine Unterlagen nachfordern wird.
Wir raten dazu, dass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.
Bewerber und Bieter taktieren.
Sie wissen, dass der Auftraggeber nachfordert und nachfordern wird, wenn es sich um attraktive Angebote handelt. Der Bearbeitungsaufwand für den Auftraggeber steigt jedoch. Die Bewerber und Bieter lassen den Auftraggeber die Arbeit erledigen, die an sich von den Bewerbern und Bietern selbst erledigt werden müsste. Abgesehen vom Zeitverlust und dem teilweise erheblichen Prüfungs-, Nachforderungs- und Dokumentationsaufwand.
Das muss nicht sein.
Wir schlagen vor: einfache und transparente, d.h. von dem Bewerber und Bieter einfach erfüllbare Eignungs-Anforderungen führen zu einem einfachen und handhabbaren Bearbeitungsaufwand bei den Bewerbern und Bietern und weniger Aufwand bei den Auftraggebern.
MEHR und KOMPLEXER führt nicht zu besseren Ergebnissen, sondern lässt Bewerber und Bieter (und Auftrag-Geber) verzweifeln.
Der öffentliche Auftraggeber hat die Möglichkeit, Unterlagen, die mit der Einleitung des Vergabeverfahrens gefordert wurden, während des Vergabeverfahrens unter Berücksichtigung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung nachzufordern. Die Nachforderungsmöglichkeit scheidet jedoch aus, wenn der Teilnahmeantrag/das Angebot zwingend auszuschließen ist. Das erstmalige Anfordern von Unterlagen, deren spätere Anforderung sich der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zunächst vorbehalten hat, stellt keine Nachforderung im Sinne des § 56 VgV dar.
Hinsichtlich der Nachforderung ist zu unterscheiden zwischen:
1. unternehmensbezogenen Unterlagen, die die Eignungsprüfung betreffen, beispielsweise Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise. Diese können
– nachgereicht,
– vervollständigt oder
– korrigiert
werden, sofern sie fehlen, unvollständig oder fehlerhaft sind.
2. leistungsbezogenen Unterlagen, die z.B. für die Erfüllung der Kriterien der Leistungsbeschreibung vorzulegen sind. Diese können lediglich:
– nachgereicht oder
– vervollständigt,
– jedoch nicht korrigiert werden.
Zur Sicherstellung des Wettbewerbs- und Nichtdiskriminierungsgrundsatzes besteht bei leistungsbezogene Unterlagen nicht die Möglichkeit diese zu korrigieren.
3. leistungsbezogenen Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen. Diese dürfen grundsätzlich nicht nachgefordert werden. Dies gilt nicht für Preisangaben, wenn es sich um unwesentliche Einzelpositionen handelt, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.
Die Möglichkeit der Nachforderung von Unterlagen steht im Ermessen des Auftraggebers. Er kann die Nachforderung auf diejenigen Bieter oder Bewerber beschränken, deren Teilnahmeanträge oder Angebote in die engere Wahl kommen. Er ist nicht verpflichtet, von allen Bietern und Bewerbern gleichermaßen
Unterlagen nachzufordern. In mehrstufigen Verfahren, in denen die Eignungsprüfung unter Verwendung der Eigenerklärung zur Eignung (124EU) oder des Bewerberbogens (1222EU) erfolgt ist, dürfen nur solche Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, die ihre Eignung im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs nachgewiesen haben und bei denen keine Ausschlussgründe vorliegen. Die Möglichkeit zur Nachforderung von bieterbezogenen Unterlagen, die Aspekte der Eignung betreffen, besteht also grundsätzlich nur bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs (Endgültige Eignungsprüfung).
Erfolgt die Eignungsprüfung in mehrstufigen Verfahren unter Verwendung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung – EEE ist der öffentlichen Auftraggeber berechtigt, von den Bewerbern oder Bietern jederzeit während des Verfahrens sämtliche oder einen Teil der nach den §§ 44 bis 49 VgV geforderten Unterlagen einzufordern, wenn dies zur Durchführung des Verfahrens erforderlich ist. (Vorläufige Eignungsprüfung).
Gemäß § 56 Absatz 4 VgV bestimmt der öffentliche Auftraggeber für das Nachreichen von Unterlagen eine angemessene Frist dem Kalender nach. Die Länge der Frist ist dabei abhängig vom Zeitaufwand der nachzureichenden Unterlagen festzulegen. Werden die nachgeforderten Erklärungen und Nachweise nicht form- und fristgerecht eingereicht, wird der Teilnahmeantrag/das Angebot gemäß § 57 VgV ausgeschlossen. Die Entscheidung zur Nachforderung und das Ergebnis der Nachforderung sind zu dokumentieren.