vorgestellt von Thomas Ax
Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ist der Unternehmer auch bei einem BGB-Bauvertrag verpflichtet, die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 6. Teil, Rn. 31 m.w.N.). Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind (vgl. Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 18. Auflage, § 4 Abs. 2 Rn. 48). Darunter fallen alle überbetrieblichen technischen Normen, zu denen insbesondere die DIN-Normen, die Einheitlichen Technischen Baubestimmungen des Instituts für Bautechnik, die Richtlinien des VDI, die Flachdachrichtlinien und auch mündlich überlieferte technische Regeln (vgl. BGH NJW-RR 1995, 472). Die jeweils maßgeblichen anerkannten Regeln der Technik sind für jeden Einzelfall zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die anerkannten Regeln der Technik zwar in der Regel durch die technischen Regelwerke konkretisiert werden (vgl. Kniffka/Koeble, a.a.O., Rn 32). Dabei handelt es sich aber nicht um Rechtsnormen, sondern nur um technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (vgl. Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel-von Hay-Habermann, VOB/B, 4. Auflage 2016, § 13 Rn. 63 m.w.N.). Oberster Prüfungsmaßstab bleiben deshalb die anerkannten Regeln der Technik, unabhängig von der formellen Geltung einschlägiger technischer Regelwerke. Auch können die technischen Regelwerke, wie insbesondere die DIN-Normen, ausgelegt werden, um im Einzelfall die anerkannten Regeln der Technik zu bestimmen. Dabei kann sich das Gericht der Hilfe eines Sachverständigen bedienen, muss dessen Auslegung aber selbständig nachvollziehen (vgl. Kniffka/Koeble, a.a.O., Rn. 33 m.w.N.). Nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik ist bei der Ausführung eines Tiefgaragenbodens ein Oberflächenschutzsystem aufzubringen. Anderenfalls ist die Leistung mangelhaft, auch wenn keine DIN-Norm direkt einschlägig ist.
OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2019 – 29 U 134/16
vorhergehend:
LG Frankfurt/Main, 26.01.2016 – 2-20 O 359/14
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 09.03.2022 – VII ZR 263/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt einen Kostenvorschuss für die Beseitigung von Mängeln in einer Tiefgarage.
Der Beklagte errichtete die Wohnungseigentumsanlage “Straße1” in Stadt1. Das Bauwerk wurde am 26. Juli 2004 abgenommen. Nachdem sich in der Tiefgarage Feuchtigkeitsschäden gezeigt hatten und die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft diese hatte begutachten lassen, forderte sie den Beklagten mit Schreiben vom 26. Mai 2009 zur Mangelbeseitigung auf. Daraufhin beseitigte der Beklagte einige der gerügten Mängel.
Die Klägerin hat hinsichtlich der restlichen gerügten Mängel vor dem Landgericht Frankfurt am Main ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet, Az.: …/10. Der Sachverständige A hat unter dem 30. August 2011 sein schriftliches Gutachten nebst schriftlichen Ergänzungen vom 30. April 2012, 24. April 2013 und 14. Oktober 2013 vorgelegt.
Danach erkannte der Beklagte weitere Mängel an. Hinsichtlich des Mangels Nr. 5 aus dem Gutachten des Sachverständigen A bot der Beklagte an, den in der Doppeldecke vorhandenen Pilzbefall einzukoffern.
Die Parteien streiten in der Berufung nur noch um die Mängel Nr. 3 und 5 aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten.
Die Klägerin hat behauptet, dass der Aufbau des Tiefgaragenbodens und seiner Entwässerung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche (Mangel Nr. 3 des Gutachtens aus dem selbständigen Beweisverfahren). Zur Beseitigung dieses Mangels müsse insbesondere ein Oberflächenschutzsystem auf den Boden der Tiefgarage aufgebracht werden. Die Kosten für die Beseitigung dieses Mangels beliefen sich gemäß den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen auf insgesamt 96.985,- Euro brutto.
Ferner sei die Ausführung der Deckenkonstruktion als Doppeldecke mangelhaft (Mangel Nr. 5 des Gutachtens aus dem selbständigen Beweisverfahren). Dabei handele es sich um eine öffentlich-rechtlich rechtswidrige Konstruktion, so dass eine Nachtragsbaugenehmigung eingeholt werden müsse. Dafür fielen Kosten von 1.000,- Euro an. Ferner müsse die Revisionierbarkeit des Hohlraums hergestellt werden, wofür weitere 350,- Euro anzusetzen seien. Schließlich müssten für die Untersuchung des im Hohlraum vorhandenen Pilzbefalls und für die sich daraus ergebenden Mangelbeseitigungsarbeiten weitere 5.500,- Euro veranschlagt werden.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sich die Notwendigkeit des Einbaus eines Oberflächenschutzsystems aus der DIN 1045, Fassung 2001, ergebe.
Sie hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu Händen des sie vertretenden Hausverwalters, Herrn B, als Inhaber der Fa. B1 Hausverwaltung, Straße2, Stadt2 einen Betrag von EUR 109.420,50 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit als Kostenvorschuss für die Mangelbeseitigung zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, über die Anforderung des Vorschusses zur Mangelbeseitigung gemäß Antrag zu 1.) hinaus, sämtliche weitere Kosten, die für die Mängelbeseitigung aufgewendet werden müssen, an die Klägerin zu zahlen,
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden, Kosten und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Mangelbeseitigung und deren Durchsetzung entstehen, zu ersetzen bzw. zu zahlen,
4. den Beklagten zu verurteilen, die Kosten des vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens, Az. …/10, in Bezug auf die Mängelpositionen 3, 5 und 11 des Beweisbeschlusses vom 28.08.2010 zu tragen,
5. den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von EUR 4.847,85 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu Händen des sie vertretenden Hausverwalters, B, als Inhaber der Fa. B1 Hausverwaltung, Straße2, Stadt2, zu zahlen,
6. festzustellen, dass der Beklagte aufgrund des Ausgangs des selbständigen Beweisverfahrens vor dem LG Frankfurt, Az. …/10, verpflichtet ist, die Mängelbeseitigung in Bezug auf die von ihm anerkannten Mängelpositionen 1, 4, 8, 10, 12 des Beweisbeschlusses vom 28.06.2010 vorzunehmen,
7. den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag von EUR 32.281,75 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu Händen des sie vertretenden Hausverwalters, Herrn B, als Inhaber der Fa. B1 Hausverwaltung, Straße2, Stadt2, zu zahlen,
8. den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von EUR 3.089 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu Händen des sie vertretenden Hausverwalters, Herrn B, als Inhaber der Fa. B1 Hausverwaltung, Straße2, Stadt2, zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht gewesen, dass die DIN 1045 in Fassung von 2001 nicht einschlägig sei. Dort werde ein Oberflächenschutzsystem nur dann für erforderlich gehalten, wenn es sich um ein direkt befahrbares Parkdeck handele. Dies sei hier nicht der Fall, da der Betonboden der Tiefgarage unstreitig mit Pflastersteinen belegt worden sei. Auch sei für die ausgeführte Deckenkonstruktion die Einholung einer Nachtragsbaugenehmigung nicht vorgeschrieben. Die Mangelbeseitigung wegen des Pilzbefalls in dem Hohlraum könne die Klägerin nicht mehr verlangen, nachdem sie sein Angebot, diesen einzukoffern, abgelehnt habe.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat der Klage in der Hauptsache in Höhe von 104.720,- Euro stattgegeben. Ferner hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren Kosten, die für die Mängelbeseitigung aufgewendet werden müssen, sowie sämtliche Schäden, Kosten und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Mangelbeseitigung und deren Durchsetzung entstehen, zu zahlen bzw. zu ersetzen hat. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Werk des Beklagten teilweise mangelhaft sei. Dabei handele es sich um die Mängel Nr. 3 und 5 des im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens. In der Tiefgarage hätte nach der DIN 1045 ein Oberflächenschutzsystem aufgebracht werden müssen. Anderenfalls könne Chlorid haltiges Wasser, das von den Fahrzeugen in die Tiefagarage mitgeschleppt werde, durch die Fugen des Pflasters an die Betonbodenplatte gelangen. Wegen der ausgeführten Doppeldecke müsse eine Nachtragsbaugenehmigung eingeholt werden. Auch müsse der dort vorhandene Pilzbefall untersucht und danach geeignete Mangelbeseitigungsarbeiten durchgeführt werden. Die Klägerin habe sich nicht auf das Angebot des Beklagten, den Pilzbefall einzukoffern, einlassen müssen, da damit die endgültige Mangelbeseitigung nicht gewährleistet sei. Die Errichtung einer revisionsfähigen Deckenkonstruktion sei nach den Angaben des Sachverständigen in seinem dritten Ergänzungsgutachten nicht erforderlich.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen, soweit ihnen nicht die Feststellungen in dem Berufungsurteil entgegenstehen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Gegen das dem Beklagten am 29. Februar 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung. Der Beklagte hat am 21. März 2016 Berufung eingelegt und diese am 27. April 2016 begründet.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags begehrt der Beklagte mit der Berufung die Abweisung der Klage.
Er ist der Ansicht, der Sachverständige habe bereits auf die falsche Fassung der DIN 1045 abgestellt. Denn bei der DIN 1045, Fassung 1988, sei eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2004 vorgesehen gewesen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, welche Fassung der DIN anzuwenden sei, sei die Erteilung der Baugenehmigung am 13. April 2003. Insofern habe der Beklagte zu Recht diese DIN in der Fassung von 1988 anwenden dürfen. Darin sei unstreitig ein Oberflächenschutzsystem nicht vorgesehen. Zum könne die DIN, selbst wenn die Fassung von 2001 zugrunde zu legen sei, nicht einfach entsprechend auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Auch sei weder der Sachverständige noch das Gericht befugt, eine DIN auszulegen.
Schließlich sei gegenüber den Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren einzuwenden, dass dieser überhaupt nicht untersucht habe, ob tatsächlich Schleppwasser bis zur Betonschicht vordringen könne. Dabei hätte der Sachverständige berücksichtigen müssen, dass es sich nur um eine kleine Tiefgarage handele, und dass in dem Tiefgaragenboden Entwässerungsgullys mit dem erforderlichen Gefälle eingebaut worden seien. Im Übrigen könne auch mit einem Oberflächenschutzsystem nicht ausgeschlossen werden, dass Wasser bis zu dem Betonboden eindringe. Die für den Einbau eines Oberflächenschutzsystems angesetzten Kosten von fast 100.000,- Euro seien deshalb unverhältnismäßig.
Der Beklagte ist zudem der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass für die ausgeführte Doppeldecke eine Nachtragsbaugenehmigung eingeholt werden müsste. Der Beklagte habe durch Vorlage der Anlage AG 2 nachgewiesen, dass das Bauamt einen förmlichen Antrag gar nicht für erforderlich halte. Jedenfalls liege kein baurechtswidriger Zustand vor. Auch habe das Landgericht unbegründet angenommen, dass nochmals eine Schimmelpilzuntersuchung durchgeführt werden müsse. Denn eine solche sei bereits im selbständigen Beweisverfahren durchgeführt worden. Zudem entspreche der Vorschlag des Beklagten, den Schimmel abzuschotten, um die Revisionierbarkeit der Abwasserrohre zu erhalten, genau den vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Mangelbeseitigungsarbeiten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, verkündet am 24.02.2016 und zugestellt am 29.02.2016, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Der Senat hat am 27. Dezember 2016 entschieden, dass der Beklagte unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung verurteilt wird, an die Klägerin 103.530,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Januar 2015 zu zahlen. Die Klage und die Berufung im Übrigen hat der Senat abgewiesen. Auf die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung mit Beschluss vom 6. März 2019, Az.: VII ZR 303/16, im Kostenpunkt und soweit der Beklagte zur Zahlung von 96.985,- Euro verurteilt wurde aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
In der Sache ist sie aber nur in geringem Umfang begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 1.000,- Euro netto als Vorschuss für die Einholung einer Nachtragsbaugenehmigung zu. Ansonsten beruht die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
1. Die Klägerin kann trotz des Wegfalls der Position “Pilzuntersuchung” den vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 5.500,- Euro netto, mithin 6.545,- Euro brutto für die Mangelbeseitigung im Bereich der Doppeldecke beanspruchen. Diesen Teil der Entscheidung des Senats vom 4. November 2016 hat der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich nicht angegriffen, so dass dieser rechtskräftig ist.
2. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin für die Mängelbeseitigung am Tiefgaragenboden einen Kostenvorschuss von 96.985,- Euro brutto gemäß § 637 Abs. 3 BGB beanspruchen kann. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass insgesamt schätzungsweise ein Betrag von 81.500,- Euro netto für die Beseitigung der Mängel am Tiefgaragenboden aufgewendet werden müsse.
Die Ausführung des Tiefgaragenbodens im streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus ist auch gemäß § 633 BGB mangelhaft. Bei dem Tiefgaragenboden ist ein Oberflächenschutzsystem nicht aufgebracht worden. Nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik wäre ein solches System aber erforderlich gewesen.
Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ist der Unternehmer auch bei einem BGB-Bauvertrag verpflichtet, die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 6. Teil, Rn. 31 m.w.N.). Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind (vgl. Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 18. Auflage, § 4 Abs. 2 Rn. 48). Darunter fallen alle überbetrieblichen technischen Normen, zu denen insbesondere die DIN-Normen, die Einheitlichen Technischen Baubestimmungen des Instituts für Bautechnik, die Richtlinien des VDI, die Flachdachrichtlinien und auch mündlich überlieferte technische Regeln (vgl. BGH NJW-RR 1995, 472).
Die jeweils maßgeblichen anerkannten Regeln der Technik sind für jeden Einzelfall zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die anerkannten Regeln der Technik zwar in der Regel durch die technischen Regelwerke konkretisiert werden (vgl. Kniffka/Koeble, a.a.O., Rn 32). Dabei handelt es sich aber nicht um Rechtsnormen, sondern nur um technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (vgl. Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel-von Hay-Habermann, VOB/B, 4. Auflage 2016, § 13 Rn. 63 m.w.N.). Oberster Prüfungsmaßstab bleiben deshalb die anerkannten Regeln der Technik, unabhängig von der formellen Geltung einschlägiger technischer Regelwerke. Auch können die technischen Regelwerke, wie insbesondere die DIN-Normen, ausgelegt werden, um im Einzelfall die anerkannten Regeln der Technik zu bestimmen. Dabei kann sich das Gericht der Hilfe eines Sachverständigen bedienen, muss dessen Auslegung aber selbständig nachvollziehen (vgl. Kniffka/Koeble, a.a.O., Rn. 33 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben schuldete der Beklagte im vorliegenden Fall den Einbau eines Oberflächenschutzsystems in die Tiefgarage der Beklagten. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der DIN 1045 in der Fassung von 2001.
Der von dem Beklagten errichtete Tiefgaragenboden war nicht bereits deshalb als mangelhaft anzusehen, weil er als oberste Schicht einen Pflasterbelag aufweist. Hierzu hat der Sachverständige in seinem Gutachten auf Seite 43 eindeutig festgestellt, dass der Einbau eines Pflasters in einer Tiefgarage eine technisch grundsätzlich mögliche Ausführung darstellt. Er hat allerdings darauf verwiesen, dass für diese Art der Ausführung keine konkreten Vorschriften und Regelwerke existieren. Dies hat er bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat nochmals ausdrücklich bestätigt. Letztlich besteht zwischen den Parteien über diese Punkte auch kein Streit.
Die DIN 1045 in der Fassung von 2001 ist im vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden. Diese sieht, anders als noch die DIN 1045 in der Fassung von 1988, für direkt befahrene Böden in einer Tiefgarage ein Oberflächenschutzsystem vor. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, das Eindringen von Chlorid haltigem Wasser, das durch die Fahrzeuge in die Tiefgarage geschleppt wird, in die Stahlbetonbodenplatte zu verhindern. Zwar wird bei einem mit Pflaster belegten Tiefgaragenboden der Betonboden nicht unmittelbar befahren. Dieser Fall ist aber hinsichtlich des Schutzzwecks mit einem direkt befahrenen Boden vergleichbar. Denn durch die Fugen des Pflasterbelags kann Chlorid haltiges Schleppwasser ebenfalls bis zur Stahlbetonbodenplatte gelangen. Insofern besteht auch bei einem Bodenaufbau mit Pflasterbelag die Notwendigkeit, einen Schutz vor eindringendem Schleppwasser einzubauen.
Diese Einschätzung des Senats ist vom Sachverständigen schriftlich und bei seiner mündlichen Anhörung ausdrücklich bestätigt worden. Der Sachverständige hat bei der Anhörung gut nachvollziehbar und widerspruchsfrei dargelegt, weshalb er die DIN 1045 in der Fassung von 2001 für entsprechend anwendbar hält. Er hat insofern betont, dass der maßgebliche Grund für die entsprechende Anwendung der DIN in ihrer Schutzwirkung liegt, nämlich dem Schutz von Tiefgaragenböden vor Chloriden. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar, da im Fall von Rissen im Betonboden das Chlorid haltige Wasser an die Stahlteile im Boden gelangen und dies zur Korrosion führen kann. Dass Chlorid haltiges Wasser durch Schneeanhaftungen an den in die Tiefgarage fahrenden Autos auf den Boden gelangen kann, ist bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen. Der Sachverständige hat hierzu ausdrücklich erklärt, dass das Wasser infolge des Pflasterbelags und des in den Fugen befindlichen Splits zeitverzögert auf der Bodenplatte ankommt und ein Teil des Wassers im Split hängen bleibt. Dabei ist aber offensichtlich, dass ein Teil des Schleppwassers auf die Bodenplatte fließen kann. Das Ablaufen nach unten kann vernünftigerweise nicht ausgeschlossen werden.
Die entsprechende Anwendung der DIN 1045 in der Fassung 2001 ist auch nicht ausgeschlossen, weil zum Zeitpunkt der Abnahme der Tiefgarage noch die Übergangsfrist der vorherigen DIN 1045, Fassung 1988, lief. Die DIN in jener Fassung sieht noch kein Oberflächenschutzsystem für direkt befahrene Böden in einer Tiefgarage vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, welcher Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik zugrunde zu legen ist, ist der der Abnahme (Nicklisch, a.a.O., § 13 Rn. 43 m.w.N.). Diese fand hier am 26. Juli 2004 statt und damit noch innerhalb der Übergangsfrist der DIN 1045, Fassung 1988, bis zum 31. Dezember 2004. Wie oben bereits ausgeführt, kommt es bei der Prüfung der Mangelhaftigkeit eines Bauwerks nicht allein darauf an, welche technischen Regelwerke zum Zeitpunkt der Abnahme formell galten, sondern wie der Stand der anerkannten Regeln der Technik zu diesem Zeitpunkt tatsächlich war. Gegen die entsprechende Anwendung der DIN in der Fassung von 2001 spricht nach den getroffenen Ausführungen auch gerade nicht, dass die DIN ihrem Wortlaut nach für direkt befahrene Tiefgaragenböden gilt. Denn bei der hier gewählten Ausführung mit dem Pflasterbelag auf dem Betonboden wird dieser mittelbar befahren. Da die DIN einen Schutz vor Wasser, das von den auf dem Boden fahrenden Fahrzeugen bezweckt, ist dieser Schutzzweck auch berührt, wenn der Boden mittelbar befahren wird. Denn durch die Schwerkraft wird das von den Fahrzeugen abfließende Wasser immer nach unten zu dem dort befindlichen Betonboden laufen.
Für die Bestimmung der anerkannten Regeln der Technik ist nochmals festzustellen, dass keine DIN-Norm für den von dem Beklagten ausgeführten Bodenaufbau direkt einschlägig ist. Die DIN 1045 kann nur in entsprechender Anwendung zur Bestimmung dessen, was im Jahr 2004 Stand der anerkannten Regeln der Technik war, herangezogen werden. Insofern ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die DIN 1045 in der Fassung 2001 zum Zeitpunkt der Abnahme bereits seit drei Jahren allgemein bekannt war. Zudem geht der Änderung oder Ergänzung einer DIN-Norm, wie hier die Ergänzung des Erfordernisses eines Oberflächenschutzsystems, regelmäßig eine erhebliche Diskussion der betroffenen Fachkreise voraus. Es kann deshalb angenommen werden, dass im Jahr 2004 hinlänglich bekannt und damit Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik war, dass bei direkt befahrenen Tiefgaragenböden der Auftrag eines Oberflächenschutzsystems erforderlich ist. Demgegenüber tritt der Umstand, dass die Übergangsfrist der vorangegangenen DIN-Norm noch nicht abgelaufen war, zurück. Dies ist von dem Sachverständigen auch bei seiner mündlichen Anhörung so dargestellt worden. Er hat überzeugend dargelegt, dass im Jahr 2004 in Fachkreisen bekannt war, dass Tiefgaragenböden vor Chloriden zu schützen sind und dass dies schon damals Stand der Technik war. Er hatte dazu zwar keine Unterlagen vorliegen, was im Moment der mündlichen Anhörung auch nicht erwartet werden kann, hat während des Termins aber in seinem Computer nachgesehen und dort direkt ein Merkblatt der Bauberatung Zement von Januar 2003 gefunden, das sich mit diesem Thema beschäftigt. Der Senat hat nach der mündlichen Anhörung des Sachverständigen keinerlei Zweifel daran, dass schon im Jahr 2004 der Schutz von Tiefgaragenböden vor Chloriden Stand der Technik war. Die Darlegungen des Sachverständigen waren von erheblicher Sachkunde getragen. Er hat die Fragen des Gerichts sehr gründlich beantwortet und hat bei Fragen der Parteien bzw. der anwesenden Privatsachverständigen detailliert geantwortet. Wenn ihm bestimmte Unterlagen zur Beantwortung fehlten, hat er dies unumwunden mitgeteilt und nicht versucht, bloße Vermutungen als Kenntnisse darzustellen.
Die Ausführung des Tiefgaragenbodens war wegen der entsprechenden Geltung der DIN 1045 in der Fassung von 2001 auch nicht darauf zu überprüfen, ob sie die Vorgaben dieser DIN in der Fassung von 1988 erfüllte. Der entsprechende Antrag des Beklagten wird deshalb zurückgewiesen, ebenso wie der Antrag auf nochmalige Anhörung des Sachverständigen zu dieser Frage. Wenn zum Zeitpunkt der Abnahme im Jahr 2004 Stand der anerkannten Regeln der Technik war, einen Schutz der Oberfläche des Tiefgaragenbodens vorzusehen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Anforderungen der DIN in der Fassung von 1988 eingehalten sind. Insofern kann auch dahinstehen, inwieweit der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung Fragen zu der DIN in der Fassung von 1988 beantworten konnte. Etwas Anderes folgt auch nicht unter Berücksichtigung der vorgelegten Ausführungen von dem Privatsachverständigen C, Anlage K 28, die als qualifizierter Parteivortrag anzusehen sind. Denn der Senat hält die DIN 1045 in der Fassung von 1988 aus den dargelegten Gründen nicht für maßgeblich bei der Bestimmung der anerkannten Regeln der Technik. Prüfungsmaßstab für die Frage der Mangelhaftigkeit der Ausführung des Tiefgaragenbodens ist die DIN in der Fassung von 2001.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es auch nicht darauf an, ob der Sachverständige im Rahmen der Gutachtenerstellung Untersuchungen dazu durchgeführt hat, ob tatsächlich Wasser auf die Betonbodenplatte durchdringen kann. Da zwischen den auf dem Betonboden aufgebrachten Pflastersteinen Fugen vorhanden sind, besteht bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung – wie oben bereits ausgeführt – die Möglichkeit, dass von Fahrzeugen hereingeschlepptes Wasser bis auf den Betonboden durchsickert. Der Sachverständige hat sich zudem auch damit auseinandergesetzt, dass die Tiefgarage mit 26 Fahrzeugen nur gering frequentiert ist und dass der Beklagte in den Boden eine Entwässerungsrinne mit beidseitigem Gefälle eingebaut hat (vgl. Seiten 30 und 34 des Sachverständigengutachtens). Trotz dieser Umstände hat er das Eindringen von Chlorid haltigem Schleppwasser für möglich gehalten. Dies ist nach allgemeiner Lebenserfahrung auch nachvollziehbar. So kann bei winterlichen Verhältnissen besonders viel Wasser in die Tiefgarage geschleppt werden, wozu auch schon das Ein- und Ausfahren von einigen Fahrzeugen ausreichen kann. In solchen Situationen muss es auch als möglich angesehen werden, dass Fahrzeuge erheblich mit Schnee und angefrorenem Matschwasser von der Straße behaftet sind und die vorhandene Entwässerung bei einem Auftauen nicht alle Wassermengen auf einmal aufnehmen kann. Das dann stehenbleibende Wasser kann durch die Fugen zwischen dem Pflaster und die darunter befindliche Splittschicht auf die Stahlbetonbodenplatte gelangen. Dies hat der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung auch nochmals eindeutig betätigt. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat er das Risiko, dass Wasser auf den Boden gelangen kann, auch nicht mit 0 % angegeben. Er hat vielmehr immer wieder betont, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Winter Chlorid haltiges Wasser auf den Betonboden läuft. Seine Einschätzung eines Risikos von 0-100 % bezog sich auf die Frage, ob Chlorid haltiges Wasser durch Risse bis an die Stahlteile im Beton gelangt ist. Dieses Risiko hat der Sachverständige bei seiner Anhörung als unabsehbar und ganz erheblich bezeichnet.
Bei der Beweiserhebung war auch nicht zu überprüfen, ob der Betonboden tatsächlich schon Risse aufweist und ob Chlorid haltiges Wasser tatsächlich in den Boden eingedrungen ist. Denn der Mangel der Ausführung besteht hier schon in der nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Ausführung. Das Vorliegen eines Schadens ist für den geltend gemachten Anspruch nicht erforderlich.
Der Höhe nach kann die Klägerin den von dem Sachverständigen ermittelten Betrag für das Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems von 81.500,- Euro netto, mithin 96.985,- Euro brutto als Vorschuss verlangen. Diese Kosten sind auch nicht unverhältnismäßig. Denn der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung eindeutig bestätigt, dass eine bloße Sichtkontrolle des unter dem Pflasterbelag liegenden Bodens darauf, ob schon Risse aufgetreten sind, mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist. Ebenso hat er dargelegt, dass auch die Art des hergestellten Betonbodens nur durch aufwändige Bauteilöffnungen festgestellt werden kann und im Falle, dass der Beton nicht die besondere Qualität aufweist, die das Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems ausnahmsweise erübrigen könnte, dennoch das Oberflächenschutzsystem erforderlich wird. Vor diesem Hintergrund hält der Senat das Aufbringen eines oberflächlichen Schutzes, wie sie in der DIN 1045 in der Fassung von 2001 vorgesehen ist, für eine sachgerechte und verhältnismäßige Maßnahme.
3. Der Zinsanspruch hinsichtlich des Gesamtkostenvorschusses in Höhe von 103.530,- Euro brutto folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.
4. Die Klägerin kann auch die Feststellung beanspruchen, dass der Beklagte verpflichtet ist, sämtliche weiteren Kosten, die für die Mangelbeseitigung aufgewendet werden müssen, und alle weiteren Schäden, Kosten und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Mangelbeseitigung stehen, zu zahlen bzw. zu ersetzen hat. Insofern kann auf die zutreffende Begründung im landgerichtlichen Urteil verwiesen werden.
5. Der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB
6. Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 LGZPO, die des Berufungsverfahrens auf §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung für die Berufung. Das Obsiegen des Beklagten in der Berufung ist mit weniger als 1 % verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten veranlasst.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
7. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.