1. Ob ein bestehender Kanal Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung iSv Art. 21 Abs. 1 BayGO ist, beurteilt sich danach, ob er vom Einrichtungsbetreiber durch einen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden ist und im öffentlichen Interesse unterhalten wird. (Rn. 25)
2. Ob ein Kanalstück Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, kann sich danach richten, ob er dazu bestimmt ist, Abwasser nur eines Einzelnen oder einer unbestimmten Anzahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen. (Rn. 34)
3. Enthält das materielle Recht keine besonderen Regelungen, so greift der allgemeine Rechtsgrundsatz ein, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht. (Rn. 43)
VG Bayreuth, Urteil v. 30.10.2019 – B 4 K 18.339
Fundstelle:
BeckRS 2019, 48384
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Zugehörigkeit eines Kanals zur öffentlichen Entwässerungsanlage.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks … in … Dieses Haus sowie das benachbarte Haus auf dem Grundstück …, das im Eigentum der Landeskirchengemeinde … steht, wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Vormals befand sich an diesem Standort die ehemalige Straße „…“, die nicht mehr vorhanden ist.
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Nachdem es im Jahr 2014 – infolge einer Verstopfung des sich unter den Gebäuden befindlichen Kanalzuges durch eine gelöste Steinplatte – zu Schäden in den Kellern der beiden Gebäude kam, holte die Landeskirchengemeinde ein Angebot eines Spezialbetriebes der Kanalwirtschaft zur Verrohrung des Kanals ein, das sich nach der vorläufigen Kostenschätzung vom 29. September 2014 auf 10.734,59 Euro belief.
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Mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 bat die Landeskirchengemeinde die Beklagte um Mitteilung, ob diese die Kanalsanierung durchführen werde, um weitere Gebäudeschäden zu vermeiden. Ihrer Ansicht nach sei die Beklagte hierzu verpflichtet.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 2. Dezember 2014 an den Kläger bestritt diese eine Verpflichtung zum Unterhalt des Kanals sowie zur Haftung für die entstandenen Gebäudeschäden. In den Fahrweg namens „…“, der bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts über die heutigen Grundstücke … und … verlief, sei um das Jahr 1892 ein Entwässerungskanal eingelegt worden. Um 1900 sei das Gebiet neu überplant und der Weg in diesem Bereich aufgelassen worden. Im Jahr 1906 sei die Bebauung erfolgt. Der Kanal werde weder im Kaufvertrag noch in einer der Hausakten über den Bau der beiden Anwesen … und … erwähnt. Er habe offensichtlich ausschließlich zur Ableitung des Oberflächenwassers des vormaligen Weges gedient. Hinweise darauf, dass über den Kanal Hausabwässer abgeleitet oder ein ehemals natürlicher Bachlauf verroht worden sei, seien nicht gefunden worden. Mit der Auflassung habe er seinen Charakter als öffentlicher Kanal verloren und sei als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Jahr 1906 mitverkauft worden. Zudem sei die Existenz des Kanals den damaligen Vertragspartnern bekannt gewesen, da zumindest im Anwesen des Klägers ein Zugang zu dem Kanal mittels eines Revisionsschachts eingebaut worden sei. Er sei allem Anschein nach als privater Entwässerungskanal genutzt worden.
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Der Kläger entgegnete dem mit Schreiben vom 1. Februar 2015 und verwies dabei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 23. Januar 2012 (Az. 8 K 1522/11). Seiner Meinung nach handele es sich eindeutig um eine öffentliche Abwasserleitung. Der streitige Kanal sei von der Beklagten hergestellt worden und zu diesem Zeitpunkt unstrittig ein öffentlicher Kanal gewesen. Zur Entwidmung bedürfe es eines förmlichen Rechtsaktes. Den Ausführungen der Beklagten, dass dies durch den Kaufvertrag geschehen sei, werde widersprochen. Zum einen sei der Kanal lediglich ein Scheinbestandteil, zum anderen hätte er im Kaufvertrag an die Grundstückseigentümer herangetragen werden müssen. Zudem sei der ursprüngliche Weg „…“ auch nach dem Hausbau hinter dem Haus weitergegangen. Dies gehe eindeutig aus der Baugenehmigung hervor, der zufolge der damalige Bauherr vor Baubeginn eine Umgehung über das heutige Grundstück … habe schaffen müssen, um die hinter seinem Haus liegenden Grundstücke anzuschließen. Wenn also nach dem Grundstücksübergang noch anliegende Häuser des Weges „…“ an den Kanal angeschlossen gewesen seien, sei er in seiner Gesamtheit noch in Betrieb und damit öffentlich gewesen. Zudem würden die in § 3 der Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt … vom 10. Februar 1993 in der Fassung vom 18. Dezember 2012 (EWS) definierten Begriffe in kritischen Fällen versagen, wenn gerade nicht zu erkennen sei, an welchem Punkt eine Grundstücksanschlussleitung ende und die öffentliche Abwasserleitung beginne. Auch gehe aus der Satzung nicht hervor, dass nur die im Katasterplan der Stadt eingezeichneten Leitungen öffentlich seien. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass eine Leitung, die aus dem Plan einseitig durch die Stadt gestrichen würde, ihren öffentlichen Status verlieren würde, ohne dass dem jeweiligen Grundstückseigentümer hiergegen ein Rechtsweg zustünde. Auch werde eine Mehrzahl von Grundstücken über den Kanal entwässert, da dieser über das Grundstück der Landeskirchengemeinde hinaus weiterlaufe und bei Regen von dort aus nicht unerheblicher Wassereintrag erfolge. Aus den Äußerungen der Beklagten gehe zudem hervor, dass diese den Kanal als öffentlich ansehe. Sie habe dem Kläger zunächst untersagt, etwas auf eigene Faust vorzunehmen und habe zuletzt vorsorglich Haftungsansprüche wegen Beschädigung ihres Kanals durch den Hausbau angedroht. Ferner sei der Kanal in den sechziger Jahren von der Straße aus über den ersten Schacht hinaus verrohrt worden, wodurch der Schaden erst entstanden sei. Unerheblich sei auch, dass kein dingliches Recht für den Kanal im Grundbuch eingetragen sei. Entscheidend für die Einordnung als öffentlicher Kanal sei vielmehr, dass er – was hier zutreffe – technisch geeignet sei, die Abwässer einer Vielzahl von Grundstücken aufzunehmen. Aus diesen Gründen fordere er die Beklagte auf, die Arbeiten aufzunehmen und die notwendigen Schäden zu beheben.
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Am 17. März 2015 fand ein Ortstermin zur Kanalbestandsaufnahme in der … statt. Dabei wurde eine Untersuchung mit einem Kanal-TV von einem auf dem Grundstück gelegenen Kontrollschacht (Tiefe ca. 3,2 m) aus gegen die Fließrichtung in südwestlicher Richtung zur … hin durchgeführt. Aufgrund eines links einragenden Anschlusses sowie eines geringen Richtungswechsels war nach etwa 3 m kein Weiterkommen mehr möglich. Eine zusätzliche Befahrung mit einer Schiebekamera erbrachte ebenfalls keinen Erfolg.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 14. April 2015 an den Kläger führte diese aus, dass die Kamerabefahrung keinen Nachweis über den Verlauf und den Ursprung des Kanals erbracht habe. Es könne aber festgestellt werden, dass es sich bei dem streitigen Kanal nicht um den „Kanal durch das …“ aus dem Jahr 1892 handele, da dieser – falls er noch existiere – tiefer im Erdboden liege. Daher könne über die Entstehung und den Zweck des Kanals lediglich spekuliert werden. Zudem stehe fest, dass der befahrene Kanal weder in dem Plan aus dem Jahr 1892 noch in den Plänen für die Errichtung des Kanalnetzes (frühes 20. Jahrhundert), das seit 1964 als öffentliche Einrichtung betrieben werde, als Abwasserkanal verzeichnet sei. Für sämtliche Gebäude erfolge die Entwässerung über einen Kanal in der … oder in der … Insoweit sei weiterhin nicht ersichtlich, dass der Kanal der Abwasserbeseitigung als öffentliche Aufgabe diene oder zur Zeit der Errichtung des Abwassernetzes gedient habe. Dem Augenschein nach nehme er lediglich Sickerwasser aus den Grundstücksgärten im Eck … auf. Dass der Kanal unter der … weiterverlaufe und Abwasser aus westlich der … gelegenen Grundstücken aufnehme, sei reine Spekulation. Auch würden sich keine Belege für die Theorie finden, dass die Beklagte den Kanal in den sechziger Jahren verrohrt habe. Es wäre unlogisch, dass die Stadt den Kanal ein Stück weit unter einem bestehenden Gebäude verrohrt und dann an einer willkürlichen Stelle unter dem Gebäude mit der Verrohrung aufgehört habe. Des Weiteren habe man den Eigentümern nicht untersagt, etwas an dem Kanal zu unternehmen, sondern aus technischer Sicht davon abgeraten, vor Klärung der Sachlage bauliche Veränderungen am Kanal vorzunehmen. Etwaige Ansprüche seien „höchst vorsorglich“ angemeldet worden, sodass sich daraus nicht der Schluss ziehen lasse, dass die Beklagte den Kanal zu irgendeinem Zeitpunkt als öffentlich anerkannt hätte. Vielmehr würden die gewonnenen Erkenntnisse gegen die Zuordnung des Kanals zum öffentlichen Kanalnetz sprechen. Daher werde keine Unterhaltsverpflichtung anerkannt.
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Mit Schriftsatz vom 29. März 2018 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte zuletzt,
festzustellen, dass es sich bei dem unterhalb der Anwesen … und … in … verlaufenden „…“ um einen öffentlichen Kanal und damit Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung handelt sowie hilfsweise festzustellen, dass die Unterhaltslast für den streitgegenständlichen Kanal der Beklagten obliegt.
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Zur Begründung führte er mit weiterem Schriftsatz vom 30. Juli 2018 aus, dass die Klage zunächst zulässig sei. Unter anderem bestehe ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten, das auf Normen des öffentlichen Rechts beruhe und an dessen baldiger Feststellung der Kläger ein berechtigtes Interesse habe. Durch den beschädigten „…“ seien bereits Wasserschäden am klägerischen Eigentum entstanden und es würden auch weitere Überschwemmungen aufgrund von angestautem Niederschlagswasser drohen, sodass der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Klärung der Unterhaltslast für diesen Kanal habe. Da der Kanal ausschließlich Niederschlagswasser führe, handele es sich um einen Regenwasserkanal i.S.d. § 3 EWS. Er sei auch technisch in der Lage, Abwässer einer Vielzahl von Grundstücken aufzunehmen und erfülle auch heute noch die Funktion, bei Starkwasser große Flüssigkeitsmengen aus dem Einzugsgebiet abzuleiten. Diese grundsätzliche Eignung werde auch nicht durch die Sanierungsbedürftigkeit des Kanals infrage gestellt. Zudem habe die Beklagte in § 3 EWS den Umfang der zentralen öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage eindeutig bestimmt und damit zu erkennen gegeben, dass die davon umfassten Leitungen und sonstigen Entwässerungseinrichtungen zur öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage gehören und deren Zweck dienen würden. Der Umstand, dass der Kanal unter privaten Grundstücken verlaufe, stehe seiner Einordnung als öffentliche Einrichtung nicht entgegen. Auch ergebe sich aus der Satzung keineswegs, dass nur die Anlagen öffentlich seien, die im Plan für die Errichtung des Kanalnetzes der Beklagten aus dem Jahr 1964 eingezeichnet seien. Die Beklagte habe den Kanal im Zusammenhang mit der geplanten Drainagerohrverlegung als zugehörig zum öffentlichen Abwasserentsorgungsnetz angesehen. Insoweit habe sie die Durchführung der Arbeiten verboten und darauf hingewiesen, dass der Kanal eine öffentliche Leitung sei.
11
Zudem handele es sich einerseits auch um keinen Grundstücksanschluss, da die Hausgrundstücke nicht über diesen entwässert werden. Nach Aussage der Beklagten sei für die Entwässerung sämtlicher Gebäude im streitgegenständlichen Einzugsgebiet ein Kanal entweder in der … oder in der … vorgesehen. Andererseits handele es sich auch um keine Grundstücksentwässerungsanlage, die neben einem Grundstücksanschluss nicht zur Entwässerungsanlage der Beklagten gehören würde. Nach § 3 EWS seien Grundstücksentwässerungsanlagen nur solche Einrichtungen eines Grundstücks, die dem Ableiten des Abwassers bis einschließlich des Kontrollschachts bzw. bis zur Grundstücksgrenze dienen würden. Angesichts der Tatsache, dass neben den Grundstücken … und … noch mindestens ein weiteres Anwesen angeschlossen sei, liege auch keine originäre Einrichtung des klägerischen Grundstücks vor. Im Umkehrschluss gehöre der Kanal daher zur Entwässerungsanlage der Beklagten.
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Auch sei er nicht infolge des klägerischen Grundstückskaufs zu einem Privatkanal geworden. Er habe sich zum Zeitpunkt seiner Entstehung auf öffentlichem Straßengrund der Beklagten befunden. Soweit Versorgungsleitungen durch fremde Grundstücke geführt werden, stünden diese nach der Verkehrsanschauung im Eigentum des Versorgungsunternehmers und nicht der einzelnen Grundstückseigentümer. Dauerhaft verlegte Versorgungsleitungen seien keine wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks i.S.v. § 94 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), da sie nach der Verkehrsauffassung entweder der Versorgung eines Nachbargrundstücks dienten und somit dessen Zubehör seien oder da sie einen Teil des jeweiligen Versorgungsnetzes bilden würden. Daher sei es nicht zu einer nachträglichen Übertragung des Eigentums gekommen, da der „…“ kein wesentlicher Bestandteil sei, der im Rahmen der Auflassung auf den Kläger übergegangen sein könnte. Auch sei nichts dafür ersichtlich, dass der Kanal kraft Vereinbarung im Rahmen des Grundstückskaufs zu einem wesentlichen Bestandteil geworden sei.
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Mit Schriftsatz vom 19. September 2018 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Sie führte erwidernd aus, dass die Feststellungsklage zunächst unzulässig sei, da der Kläger eine mögliche Verletzung seines Eigentumsrechts zweckmäßiger durch Leistungsklage auf Schadenersatz oder auf Entfernung des Kanals geltend machen könnte. Auch sei die Klage nicht hinreichend bestimmt, da der Begriff „…“ weder dem zuständigen Fachbereich noch der vorhandenen Fachliteratur bekannt sei. Im Laufe der damaligen Ermittlungen seien im klägerischen Grundstück drei verlaufende Kanäle ermittelt worden. Ein vom Nachbargrundstück … herkommender – bis zu einem im Keller des Anwesens … befindlichen Revisionsschacht verlaufender – Natursteinkanal unbekannten Alters, ein von diesem Revisionsschacht die … Richtung … querender Betonkanal, ebenfalls unbekannten Alters, des Weiteren ein im Jahr 1892 tiefer verlegter oder wenigstens zur Verlegung geplanter Tonrohrkanal, der jedoch bei den Ermittlungen in den Jahren 2014/2015 in der Natur nicht habe aufgefunden werden können. Es sei nicht ersichtlich, welchen der Kanäle der Kläger als zugehörig zum öffentlichen Netz festgestellt haben wolle. Alle drei Kanäle würden nicht zum öffentlichen Kanalnetz der Beklagten gehören. Es sei für keinen der Kanäle eine Verbindung zu einer entwässernden Oberfläche festgestellt worden, sodass sie nicht ausschließlich Niederschlagswasser führen könnten. Die topographische Situation deute vielmehr darauf hin, dass zumindest die beiden festgestellten Kanäle in erster Linie das dort zu Regenzeiten hoch stehende Grundwasser ableiten würden. Auch habe die Beklagte sehr wohl den Willen gehabt, lediglich die um das Jahr 1950 als Bestand aufgenommen Kanäle sowie die danach vorgenommenen Erweiterungen und Veränderungen als Entwässerungsanlagen zu widmen. Dass vereinzelte Differenzen zwischen dem amtlichen Katasterplan und dem tatsächlichen Bestand auftreten könnten, werde nicht bestritten, müsse sich aber als Ausnahme auf offensichtliche Fehler beschränken. Soweit die Kanäle nicht im Grundstück des Klägers verlaufen, fehle es an der Klagebefugnis. Auch werde ausdrücklich bestritten, dass die Beklagte den Kanal als zugehörig zum öffentlichen Abwassernetz angesehen habe. Selbst wenn dies so wäre, könne dies die Beklagte nicht daran hindern, aufgrund später gewonnener Erkenntnisse ihre Ansicht zu ändern. Schließlich habe der Kläger den Kanal zunächst selbst als seinen eigenen angesehen, als er eine Fachfirma mit der Sanierung beauftragt habe.
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Auch nach zwei Kamerabefahrungen habe der weitere Verlauf des Kanals über das Grundstück … hinaus nicht festgestellt werden können. Umfangreiche Ermittlungen würden die Vermutung nahelegen, dass der Kanal ursprünglich der Entwässerung des Weges gedient habe. Daher habe es sich seinerzeit gerade nicht um eine Ver- bzw. Entsorgungsleitung gehandelt, sondern um eine Entwässerungsanlage der Straße selbst, die damit Bestandteil des Weges gewesen sei. Der Kanal habe damit das rechtliche Schicksal des Weges geteilt und mit dessen Auflassung seinen öffentlichen Charakter verloren. Bei der Neuparzellierung sei er wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Grundstücke gewesen und somit als solches mit dem Grundstück an den Rechtsvorgänger des Klägers verkauft worden. Damit sei auch plausibel erklärt, dass der Kanal in keinem Kanalkataster, Bebauungsplan oder der Kaufvertragsurkunde über das Grundstück Erwähnung gefunden habe. Was den Tonrohrkanal angehe, hätten keine Erkenntnisse über dessen heutige Existenz und damit über eine etwaige heutige Funktion gewonnen werden können.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 ergänzte die Klägerseite ihr Vorbringen. Die Feststellungsklage sei zulässig, da der Grundsatz der Subsidiarität nicht für das Verhältnis von Feststellungsklagen gegen einen Hoheitsträger und allgemeiner Leistungsklagen gelte. Zudem sei diese auch als Zwischenfeststellungsklage statthaft, da die Feststellung, dass die Beklagte die Unterhaltslast für den streitigen Kanal trage, vorgreiflich sei für die Entscheidung, ob sie dem Kläger wegen der Beschädigung des Wohnhauses Schadensersatz zu leisten habe. Auch sei die Klage hinreichend bestimmt, da der streitgegenständliche Kanal aus der Klagebegründung erkennbar sei. Alle drei von der Beklagten ermittelten Kanäle seien zum öffentlichen Kanalnetz zugehörig. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte keine Verbindung zu einer zu entwässernden Oberfläche habe feststellen können. Die unterbliebene Feststellung sei darauf zurückzuführen, dass der Kanal mit den Untersuchungsgeräten der Beklagten nicht befahren werden konnte. Ferner stelle es eine bloße Vermutung ohne Tatsachengrundlage dar, soweit die Beklagte behauptet, dass der Kanal das zu Regenzeiten hoch stehende Grundwasser ableite. Vielmehr sei es ein Indiz für die Einordnung als Regenwasserkanal, dass bei Starkregen große Wassermengen durch den Kanal abgeleitet würden. Daneben könnte es sich bei dem Kanal aber auch um einen verrohrten Bach handeln. Der damalige Straßenname „…“ deute darauf hin. Dies würde zudem erklären, weshalb der Kanal weiterhin Wasser führe. Er könne jedenfalls keine Straßenentwässerungsanlage gewesen sein, da er immer noch Wasser führe, obwohl keine Straße mehr vorhanden sei, die entwässert werden könnte. Somit sei der Kanal nicht Bestandteil des Weges i.S.d. Art. 2 Nr. 1 a) des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG). Demnach handele es sich bei dem Kanal um ein Gewässer dritter Ordnung, deren Unterhaltung der Gemeinde als eigene Aufgabe obliege.
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Die Beklagte entgegnete dem mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2019. Eine zu entwässernde Oberfläche habe nicht festgestellt werden können, da an der Oberfläche kein Einlauf vorhanden sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Grundstücksentwässerungsanlage nicht unter mehreren Grundstücken verlaufen könne. Dies sei jedoch unerheblich, da der vom Kläger gezogene Umkehrschluss, dass der Kanal zur Entwässerungseinrichtung der Beklagten gehöre, da es sich weder um einen Grundstücksanschluss noch eine Grundstücksentwässerungsanlage handele, unzulässig sei. Die Beklagte bestimme nach § 1 Abs. 2 EWS Art und Umfang der Entwässerungsanlage. Zudem widerspreche der Kläger sich insofern, als er zunächst behaupte, dass es sich um einen Regenwasserkanal handele, während er anschließend erkläre, dass ein Gewässer dritter Ordnung vorliege. Die Schlussfolgerung vom Straßennamen – der nicht „…“, sondern nur „…“ gelautet habe – auf ein Gewässer dritter Ordnung sei in keiner Weise zwingend. Außerdem sei im Endbericht zum Gewässerentwicklungskonzept für Gewässer dritter Ordnung für das Gebiet der Beklagten vom Mai 2010 an dieser Stelle kein Gewässer verzeichnet. Der Anschein spreche nach wie vor dafür, dass der Kanal als Bestandteil des Grundstücks im Eigentum des Klägers stehe. Die bestehenden Restzweifel gingen zu Lasten des Klägers.
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Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Oktober 2019 Bezug genommen. Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die zulässige Klage ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Der streitgegenständliche Kanal (im Weiteren als „Steinkanal“ bezeichnet) ist weder Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten noch obliegt ihr die Unterhaltslast für den Kanal.
20
Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet, da der im Streit stehende Steinkanal kein Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten ist.
21
a) Die Klage im Hauptantrag ist als Feststellungsklage zulässig. Zunächst ist die Klage statthaft, da sie auf die Feststellung der Zugehörigkeit des Steinkanals zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung und damit auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung. Dafür genügt nach ständiger Rechtsprechung jedes nach der Sachlage anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.2009 – 8 C 10/08 – juris; U.v. 15.7.2016 – 9 A 16/15 – juris Rn. 26). Ein solch schutzwürdiges Interesse wirtschaftlicher Art liegt vor. Durch den Feststellungsantrag möchte der Kläger sowohl klären, wer für den entstandenen Schaden an seinem Haus haftet, als auch, wem die Unterhaltung des Steinkanals mit den gegebenenfalls notwendigen Verrohrungsarbeiten obliegt.
22
Die Feststellungsklage ist schließlich auch nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen, weil der Kläger seine Rechte durch eine allgemeine Leistungsklage geltend machen könnte. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist seinem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen. Eine Feststellungsklage kommt trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage insbesondere dann in Betracht, wenn die Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz bietet (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1997 – 1 C 2/95 – juris Rn. 25; U.v. 15.7.2016 – 9 A 16/15 – juris Rn. 28). Die Feststellung der Zugehörigkeit des Steinkanals zur öffentlichen Einrichtung reicht in ihrem Gegenstand weiter als ein reines Leistungsbegehren und ist über den Einzelfall hinaus in gleich gelagerten Fällen auch künftig wieder von Bedeutung. Damit wird sowohl gegenwärtig als auch für die Zukunft unter den Beteiligten geklärt, wem der Unterhalt des Steinkanals obliegt und wer für etwaige, durch den Steinkanal entstandene bzw. zukünftig entstehende Schäden an den Gebäuden haften muss. Somit kann es dahinstehen, ob im Verhältnis zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausnahmsweise vom Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO – wie von Klägerseite behauptet – abzusehen ist.
23
Schließlich ist der Antrag auch hinreichend bestimmt gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO, da sowohl für die Beteiligten als auch für das Gericht klar ersichtlich ist, welcher Kanal – unabhängig von dessen Bezeichnung als „…“ – vorliegend im Streit steht.
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b) Die Klage hat im Hauptantrag jedoch keinen Erfolg, da der unter dem klägerischen Grundstück verlaufende Steinkanal kein Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten nach Art. 21 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) ist.
25
aa) Ob ein bestehender Kanal Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung i.S.v. Art. 21 Abs. 1 GO ist, beurteilt sich danach, ob er vom Einrichtungsbetreiber durch einen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden ist und im öffentlichen Interesse unterhalten wird. Da an die Form des Widmungsaktes bei kommunalen Entwässerungsanlagen keine besonderen gesetzlichen Anforderungen gestellt werden, ergibt sich eine Widmung häufig nur aus einer Betrachtung der Gesamtumstände (BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 22 m.w.N.). Auf die Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Teilen der Anlage sowie deren Sonderrechtsfähigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt es hiernach grundsätzlich nicht an (BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 7).
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bb) Daran gemessen ist der Steinkanal kein Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung. Weder durch die Bestimmungen der Entwässerungssatzung der Beklagten noch durch ein anderweitiges Handeln der Beklagten liegt ein (nachweisbarer) Widmungsakt im Hinblick auf den Steinkanal vor.
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(1) Gleichwohl ist der Klägerseite zunächst zuzustimmen, dass es sich bei dem Steinkanal den Definitionen in § 3 EWS zufolge weder um einen Grundstücksanschluss noch um eine Grundstücksentwässerungsanlage handelt, sodass der Steinkanal nicht bereits aufgrund der Ausschlussregelung des § 1 Abs. 3 EWS von der Entwässerungsanlage ausgeschlossen ist. Bei den Grundstücksanschlüssen handelt es sich nach § 3 EWS um die Leitungen vom Kanal bis zum Kontrollschacht bzw. bis zur Grundstücksgrenze, falls kein Kontrollschacht vorhanden ist, während Grundstücksentwässerungsanlagen die Einrichtungen eines Grundstücks sind, die dem Ableiten des Abwassers dienen, bis einschließlich des Kontrollschachts bzw. bis zur Grundstücksgrenze. Diese gehören nach § 1 Abs. 3 EWS nicht zur Entwässerungsanlage der Beklagten.
28
Vorliegend erfolgt die Entwässerung des klägerischen Grundstücks sowie aller Grundstücke der … über die jeweiligen Grundstücksanschlussleitungen in den in der Straße gelegenen öffentlichen Kanal. Der Steinkanal besitzt hierbei keine Verbindung zur Grundstücksanschlussleitung bzw. zum öffentlichen Kanal in der … Wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung klarstellten, geht der Steinkanal hingegen unter dem klägerischen Grundstück in einen Betonrohrkanal über, der die … quert und erst im weiteren Verlauf in der … eine Verbindung zum öffentlichen, in der … gelegenen Kanalnetz aufweist. Somit wäre allenfalls zu diskutieren, ob das Betonrohr nach der Grundstücksgrenze des Klägers als Grundstücksanschluss zu qualifizieren wäre. Der auf dem Klägergrundstück verlaufende Steinkanal ist jedoch definitionsgemäß ersichtlich nicht darunter zu fassen. Da er zudem unstreitig nicht der Ableitung des Abwassers des klägerischen Grundstücks dient, handelt es sich auch um keine Grundstücksentwässerungsanlage des Klägers.
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(2) Allerdings kann daraus nicht automatisch im Umkehrschluss – wie von Klägerseite angenommen – gefolgert werden, dass der Steinkanal folglich der Entwässerungseinrichtung der Beklagten zugehörig sei. Ebenso reicht es nicht aus, dass der Kanal tatsächlich Niederschlagswasser ableitet und demnach der Definition in § 3 EWS zufolge als Regenwasserkanal zu qualifizieren wäre. Vielmehr ist in § 1 Abs. 2 EWS geregelt, dass Art und Umfang der Entwässerungseinrichtung und somit die Zugehörigkeit eines Kanals zu derselben durch die Stadt bestimmt wird. Wenn sich die Beklagte die Bestimmung der Art und des Umfangs der Entwässerungsanlage in der Satzung vorbehalten hat und weiterhin vorbehält, so macht sie damit lediglich deutlich, dass sie außerhalb der Satzung bestimmen will, was Bestandteil ihrer Entwässerungsanlage sein soll und was nicht (BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 38). Das Gesetz stellt keine besonderen Anforderungen an die Form des Widmungsaktes. Dass und wieweit eine Widmung vorliegt, muss sich aus den gesamten Umständen ergeben. Indizien für eine – konkludente – Widmung außerhalb des Satzungsrechts der Beklagten sind insbesondere die bisherige Benutzungspraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sowie die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung. Bei der exakten Bestimmung des Umfangs eines zur Entwässerungsanlage gehörenden Kanalnetzes kommt den Kanalbestandsplänen der Stadt eine erhöhte Bedeutung zu. Nach diesen Plänen bestimmt sich, welche Grundstücke durch die öffentliche Entwässerungsanlage erschlossen sind, so dass die Eigentümer zu Beiträgen herangezogen und im Falle einer Bebauung zum Anschluss an die öffentliche Anlage verpflichtet werden können. Es kann daher angenommen werden, dass die Bestandspläne öffentlicher Entwässerungseinrichtungen in aller Regel mit besonderer Sorgfalt geführt werden (BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 22 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 39 ff.).
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(3) Davon ausgehend ist der Steinkanal kein Bestandteil der Entwässerungseinrichtung, da er weder in den Kanalbestandsplänen der Beklagten enthalten ist noch anderweitige Indizien für eine Widmung des Kanals vorliegen.
31
(a) Der aktuelle, dem Gericht übergebene Kanalbestandsplan vom 24. Oktober 2019 basiert auf einer Bestandserfassung der öffentlichen Kanäle durch ein Ingenieurbüro im Jahr 1950. Zu diesem Zeitpunkt waren die …, die … sowie die … bereits kanalisiert. Sämtliche Veränderungen und Erweiterungen, die nach dem Jahr 1950 an der öffentlichen Entwässerungseinrichtung vorgenommen wurden, beispielsweise die Kanalauswechslung in der … im Jahr 1955, wurden von der Beklagten durch farbliche Hervorhebung in den fortgeführten Bestandsplänen kenntlich gemacht. Da den Kanalbestandsplänen der Stadt bei der Bestimmung des Umfangs der öffentlichen Einrichtung eine erhöhte Bedeutung zukommt und diese in aller Regel mit besonderer Sorgfalt geführt werden, liegt in der Nichterfassung des Steinkanals in sämtlichen Bestandsplänen ein gewichtiges Indiz gegen dessen Einstufung als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung. Insbesondere äußerte die Beklagte auch, dass sie den Willen gehabt habe, nur die im Jahr 1950 aufgenommenen Kanäle sowie die danach vorgenommenen Veränderungen und Erweiterungen als Teile der Entwässerungsanlage zu widmen.
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(b) Im Übrigen sind auch keine entgegenstehenden Indizien ersichtlich, die zu einem anderen Ergebnis führen.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde aufgeklärt, dass ein vom Kläger beauftragtes Fachunternehmen im Jahr 2014 einen sogenannten Rauchtest durchführte, bei dem der Rauch im Steinkanal unter dem klägerischen Grundstück in Richtung … aufwärts geleitet wurde. Dabei konnte festgestellt werden, dass aus der Dachrinne des Anwesens … Rauch austrat. Damit ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass durch die Dachrinne in diesem Grundstück eine dauerhafte Regenwassereinleitung in den Steinkanal stattfindet. Gleichwohl führt dies aber nicht dazu, dass aus dieser Benutzungspraxis ein Indiz für die Qualifizierung des Kanals als öffentlicher Regenwasserkanal hergeleitet werden kann. Vielmehr wird das Regenwasser vom Grundstück in der … offenbar teilweise in rechtswidriger Weise nicht in den öffentlichen Kanal in der … selbst eingeleitet. Aus diesem widerrechtlichen Verhalten eines Anwohners kann jedoch kein Rückschluss auf die Zugehörigkeit des Kanals zur Entwässerungseinrichtung gezogen werden, da der Einrichtungsträger die Bestandteile seiner öffentlichen Einrichtung selbst durch Widmungsakt bestimmt. Auch kann allein durch das Einleiten keine konkludente Widmung des Steinkanals stattgefunden haben, da dies eine zumindest stillschweigende Billigung der Einleitungssituation durch das nach der Kommunalverfassung zuständige Organ voraussetzen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2012 – 4 CE 11.3002 – juris Rn. 9). Da die Beklagte angab, erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch den Kläger von der rechtswidrigen Einleitung erfahren zu haben, scheidet eine stillschweigende Billigung mangels Kenntnis auf Seiten der Beklagten aus. Ihr obliegt es jedoch aufgrund des in § 5 Abs. 5 Satz 1 EWS geregelten Benutzungszwangs zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands gegen den Grundstückseigentümer vorzugehen und diesen dazu anhalten, das Regenwasser ordnungsgemäß dem öffentlichen Entwässerungskanal in der … zuzuführen. Damit könnte im Übrigen zukünftig vermieden werden, dass weitere Schäden am klägerischen Gebäude durch die Ableitung im Steinkanal entstehen.
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Selbst wenn sich der Steinkanal im bisher nicht befahrenen Teil weiter aufwärts in Richtung … erstrecken sollte und dort weitere Fremdanschlüsse vorhanden sein sollten, durch die Niederschlagswasser in den Steinkanal eingeleitet würde, ließe sich auch daraus nicht auf eine konkludente Widmung des Kanals schließen. Ob ein Kanalstück Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, kann sich zwar danach richten, ob er dazu bestimmt ist, Abwasser nur eines Einzelnen oder einer unbestimmten Anzahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen (BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 8). Hier liegt eine solche Bestimmung durch die Beklagte aber nicht vor, da die Entwässerung über den öffentlichen Kanal erfolgen soll. Vielmehr gaben die Vertreter der Beklagtenseite für das Gericht nachvollziehbar an, dass die Beklagte von der Existenz des gegenständlichen Steinkanals keine Kenntnis gehabt habe und erstmalig durch den Kläger bzw. die Landeskirchengemeinde … und deren Schreiben vom 20. Oktober 2014 vom Kanal erfahren habe. Dies deckt sich mit den vorgelegten Behördenakten, denen gleichermaßen kein Hinweis zum Ursprung und Verlauf des Steinkanals zu entnehmen ist.
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Außerdem würde die von Klägerseite angeführte Verrohrung des Kanals von der … in Richtung …, die nach Klägerauskunft durch die Beklagte – im Widerspruch zu der Angabe der Beklagten über ihre Unkenntnis vom gegenständlichen Kanal – etwa um das Jahr 1960 vorgenommen worden sein soll, zu keiner konkludenten Widmung des Steinkanals als Bestandteil der öffentlichen Einrichtung führen. Besonders deutlich wird dies daran, dass die Beklagte – wie bereits erläutert – ab dem Jahr 1950 einen Kanalbestandsplan führte, in dem die Veränderungen und Erweiterungen an der öffentlichen Entwässerungsanlage eingetragen wurden. Hätte sie demnach den Steinkanal sowie den neu errichteten Betonrohrkanal bei der Vornahme der Arbeiten um das Jahr 1960 als Teil der Entwässerungseinrichtung betrachtet, wäre sorgfaltsgemäß eine Erweiterung der Entwässerungseinrichtung im Plan eingetragen worden. Nachdem dies jedoch unterblieb, lässt sich im Umkehrschluss auf einen – zum damaligen Zeitpunkt – fehlenden Willen der Beklagten zur Widmung des Steinkanals als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung schließen. Soweit ersichtlich wurden durch die Beklagte auch keine anderen Unterhaltungsarbeiten am Steinkanal selbst vorgenommen, die gegebenenfalls zu einer konkludenten Widmung zu einem anderen Zeitpunkt hätten führen können.
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Überdies ist auch aus den Äußerungen der Beklagten – sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren – nichts für eine konkludente Widmung ersichtlich. Die Beklagte untersagte dem Kläger zwar vorerst, die Instandhaltungsmaßnahmen vorzunehmen und meldete vorsorglich Schadensersatzansprüche gegenüber den Grundstückseigentümern an. Dies erfolgte allerdings augenfällig vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zunächst eine rechtliche Prüfung des Sachverhalts vornehmen wollte. Eine Anerkennung der Zugehörigkeit des Kanals zur Entwässerungsanlage ist darin indessen nicht enthalten.
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Schließlich ist noch anzumerken, dass es auf die Frage, ob das Eigentum am Steinkanal nach § 94 bzw. § 95 BGB im Rahmen des Kaufvertrages aus dem Jahr 1906 auf den vormaligen Eigentümer übergegangen ist, im Rahmen der Feststellung der Zugehörigkeit des Kanals zur Entwässerungsanlage nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ankommt (BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 7).
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Aus diesen Gründen und unter besonderer Berücksichtigung der Kanalbestandspläne ist der streitige Kanal daher mangels Widmung kein Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten.
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Der in der mündlichen Verhandlung ergänzte Hilfsantrag des Klägers ist zwar zulässig, jedoch ebenfalls unbegründet. Die vom Kläger begehrte Feststellung der Unterhaltslast der Beklagten ist zu versagen, da der Ursprung des Steinkanals trotz intensiver Bemühungen der Beklagten zur Sachaufklärung nicht nachweisbar ist. Die Nichterweislichkeit geht daher zu Lasten des Klägers.
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a) Der unter einer innerprozessualen Bedingung stehende Antrag ist ebenfalls als Feststellungsantrag statthaft. Auch insoweit liegt keine Subsidiarität vor, § 43 Abs. 2 VwGO, da der Feststellungsantrag weiter reicht und folglich einen effektiveren Rechtsschutz als eine Leistungsklage darstellt.
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b) Zunächst besteht keine Unterhaltungslast der Beklagten nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG), da die Behauptung des Klägers, dass es sich bei dem Steinkanal um ein eingefasstes Gewässer dritter Ordnung handele, nicht nachgewiesen werden konnte. Die Argumentation des Klägers, dass der Straßenname „…“ darauf hindeute, dass es sich um einen verrohrten Bachlauf handeln könnte, wurde von der Beklagtenseite entkräftet. Diese wies darauf hin, dass der Weg nur den Namen „…“ trug und ein Bachlauf an dieser Stelle nicht bekannt sei. Dem Gericht gegenüber erklärte der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus, dass um die Jahrhundertwende die Verrohrung des … vorgenommen und dieser gleichzeitig dinglich gesichert worden sei. Daher sei davon auszugehen, dass bei einer Einfassung eines etwaigen Baches im „…“ im gleichen Zeitraum ebenfalls eine dingliche Sicherung eingetragen worden wäre. Davon abgesehen sei auch im Endbericht zu dem Gewässerentwicklungskonzept für Gewässer dritter Ordnung für das Gebiet der Beklagten vom Mai 2010 kein Gewässer auf Höhe des klägerischen Grundstücks verzeichnet.
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Nachdem die Begründung des Klägers weitestgehend auf einer am Straßennamen orientierten Vermutung basiert, kann diese aufgrund der Entgegnung der Beklagten nicht überzeugen. Hinzu kommt, dass in der Behördenakte der Beklagten ein Auszug aus dem Buch „Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern“ von Joseph Heyberger aus dem Jahr 1868 enthalten ist, in dem die Gewässer des Bezirksamts … aufgeführt sind, wobei ein sogenannter „…“ in der Auflistung nicht erwähnt ist.
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Aus diesen Gründen erscheint es als unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Steinkanal um ein eingefasstes Gewässer handelt. Da eine endgültige Klärung dieser Streitfrage jedoch mangels weiterer Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung seitens des Gerichts im vorliegenden Verfahren nicht erreichbar ist, geht dies letztlich zu Lasten des Klägers. Dem Verwaltungsrecht sind dem Zivilprozess vergleichbare Behauptungs- und Beweisführungslasten (formelle Beweislast) im Allgemeinen wegen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 VwGO zwar fremd. Allerdings ist es eine Frage des materiellen Rechts, zu wessen Lasten es geht, wenn eine entscheidungserhebliche Tatfrage unaufklärbar bleibt. Die materielle Beweislast bestimmt sich nach dem jeweiligen materiellen Fachrecht und ist in Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Normen zu ermitteln. Einzelne Vorschriften des materiellen Rechts enthalten widerleglich gesetzliche Vermutungen im Sinne einer Regelung der materiellen Beweislast. Enthält das materielle Recht hingegen – was der Normalfall ist – keine besonderen Regelungen, so greift der allgemeine Rechtsgrundsatz ein, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht (vgl. Eyermann/Kraft, 15. Aufl. 2019, VwGO § 108 Rn. 50ff. m.w.N.).
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Da den einschlägigen Normen des Wasserrechts keine Vermutungsregelung zu entnehmen ist, ist auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz zurückzugreifen. Demzufolge geht der fehlende Nachweis des Bachlaufes zu Lasten des Klägers, da dieser aus der behaupteten Unterhaltungslast der Beklagten für ein Gewässer dritter Ordnung eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten wollte.
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c) Ebenso verhält es sich mit dem Vorbringen, dass die Beklagte eine Unterhaltungslast treffe, da es sich bei dem Steinkanal um eine Straßenentwässerungseinrichtung des vormaligen Fahrwegs „…“ handele.
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Abgesehen davon, dass der Kläger zuletzt selbst mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 abstritt, dass es sich bei dem Steinkanal um eine Straßenentwässerung des ehemaligen Weges gehandelt habe, da trotz fehlender Straße nach wie vor ein stetiger Wasserlauf vorhanden sei, liegen auch für diese Einordnung keine gesicherten Erkenntnisse vor. Die Beklagtenseite konnte aufgrund der durchgeführten Kamerabefahrungen ermitteln, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kanal jedenfalls nicht um den im Jahr 1892 geplanten „(Tonrohr-)Kanal durch das …“ handelt, da dieser sich tiefer im Erdreich befinden müsste.
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Da dem entscheidenden Gericht allerdings keine weitergehenden Erkenntnisse vorliegen, kann der Ursprung des Kanals und damit auch dessen Zweck bei seiner Errichtung nicht weiter aufgeklärt werden. Die insoweit entscheidende Frage, ob der Kanal im Zeitpunkt seiner Errichtung zu einem öffentlichen Zweck gewidmet wurde, ist somit nicht nachweisbar. Aus diesem Grund geht auch diese Unklarheit zu Lasten des Klägers.
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Demzufolge kann es dahinstehen, ob die behauptete Straßenentwässerungseinrichtung infolge der Auflassung des Weges im Jahr 1900 eine Entwidmung erfuhr. Ebenso sind die Ausführungen zu den Eigentumsverhältnissen am Steinkanal nicht entscheidungsrelevant.
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Weitere Anhaltspunkte, aus denen sich eine Unterhaltungslast der Beklagten ergeben könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Somit war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
II.
50
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.