Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

VG Schwerin zu der Frage der richtigen produktbezogenen Leistungsbeschreibung

von Thomas Ax

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A besteht eine Ausnahme von dem Grundsatz, in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen oder einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verweisen zu dürfen, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Dann darf nicht gleichzeitig die Öffnungsklausel “oder gleichwertig” verwendet werden. § 7 Abs. 2 VOB/A sieht bereits nach seinem klaren Wortlaut zwei voneinander zu unterscheidende Vorgehensweisen vor, bei denen alternativ (Nummer 1) der Produktbezug durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist oder (Nummer 2) der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden kann. Nur in letzterem Fall “sind” die Verweise jedoch (zwingend) mit dem Zusatz “oder gleichwertig” zu versehen (vgl. Trutzel, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 31 VgV Rn. 55). Auch nach dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelungen, die sowohl der Forderung nach Eindeutigkeit der Ausschreibung als auch dem Wettbewerbsgedanken Rechnung tragen sollen (vgl. Franke/Kaiser, VOB-Kommentar, 7. Aufl. 2020, § 7 EU VOB/A, Rn. 112) liegt es nahe, dass jedenfalls die produktbezogene Ausschreibung mit dem Zusatz “oder gleichwertig” den Teilnahmewettbewerb verzerren kann, wenn insbesondere die Parameter der Gleichwertigkeit nicht näher beschrieben sind (vgl. VK Rheinland, Beschluss vom 26. Mai 2021 – VK 3/21 -, m.w.N.). Dies ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU vom 6. Februar 2014, in dem es heißt: “Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein bestimmtes Verfahren […] oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden […]. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann.” Nur bei solchen allgemeinen Verweisen wegen mangelnder Beschreibbarkeit ist also der Zusatz “oder gleichwertig” gerechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. September 2016 – 15 Verg 7/16 -, BeckRS 2016, 121911 Rn. 26 m.w.N.). Der Einwand der Klägerseite, nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A stehe es dem Auftraggeber stets frei, den Ausschreibungsinhalt festzulegen, übergeht, dass diese Regelung bereits von ihrem Wortlaut her lediglich die Form der Einreichung der Angebote erfasst. Darüber hinaus ist § 13 Abs. 1 VOB/A nicht losgelöst von § 7 VOB/A zu sehen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2023 – XIII ZR 14/21 -, Rn. 20 f. m.w.N.); insbesondere werden die Regelungen über die produktneutrale Ausschreibung und deren Ausnahmen nicht durch § 13 VOB/A verdrängt.
VG Schwerin, Urteil vom 10.04.2025 – 3 A 1671/20

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Teilwiderrufsbescheides hinsichtlich einer Zuwendung für den Ausbau eines Weges in ihrem Gemeindegebiet.

Auf ihren Antrag vom 13. August 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Zuwendungsbescheid vom 27. März 2019 für das Vorhaben ### eine nicht rückzahlbare Zuwendung zur Projektförderung als Anteilsfinanzierung

“in Höhe von 75,00 Prozent der zuwendungsfähigen tatsächlichen Ausgaben bis zu einem Höchstbetrag von 205.332,81 Euro”

aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (ILERL M-V). Ausdrücklich heißt es in dem Zuwendungsbescheid unter Nummer 1. “Zweck und Inhalt der Zuwendung” im 5. Absatz:

“Es darf nicht produktbezogen ausgeschrieben werden.”

Als Bewilligungszeitraum wurde der 19. März 2019 bis zum 30. November 2019 festgelegt. Der Finanzierungsplan, der zum Bestandteil des Bescheides gemacht wurde, wies Eigenmittel in Höhe von 68.444,27 Euro aus. Die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ANBest-ILE) und die baufachlichen Nebenbestimmungen (NBest-Bau) wurden zum Bestandteil des Bescheides gemacht. Nach Nummer 6.1.1 ANBest-ILE wird der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen beauflagt, das Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern (VergG-MV) in der jeweils geltenden Fassung und die nach § 2 Abs. 1 VergG-MV anzuwendenden Verwaltungsvorschriften einzuhalten, insbesondere Teil A Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) und Teil A Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) jeweils in der gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 VergG-MV maßgeblichen Fassung. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Für die Vergabe der Bauleistungen führte die Klägerin mit öffentlicher Bekanntmachung vom 21. Mai 2019 die öffentliche Ausschreibung durch. Das von der Klägerin beauftragte Ingenieurbüro ### erstellte unter dem 21. Mai 2029 ein Leistungsverzeichnis, das dem Beklagten am 24. Mai 2019 per E-Mail (CC-)übersandt wurde. Der Beklagte reagierte darauf und wies die Klägerin darauf hin, dass einige Leistungspositionen “eventuell” nicht produktneutral beschrieben worden seien, und bat um weitere Erläuterung. Am Ende seiner E-Mail heißt es:

“Ich bitte um Aufklärung, danach wird im Hause entschieden, ob diese schlüssig und die Produktneutralität gewahrt ist.”

Die bemängelten Leistungspositionen betrafen den Leistungsbereich 12 “Umverlegung TW-VL und TW-HA”. Dabei handelte es sich um beabsichtigte Baumaßnahmen im Anlagenbestand des Zweckverbands Kühlung (ZVK). Das von der Klägerin beauftragte Ingenieurbüro überarbeitete das Leistungsverzeichnis; verwies aber weiterhin in den Leistungspositionen 12.18 bis 12.21 und 12.30 auf bestimmte Herstellerprodukte, weil diese entsprechend der Betriebsmittelvorschrift des ZVK so benannt worden seien.

Zu den Leistungspositionen 12.18, 12.20, 12.21 und 12.30 war außerdem im Leistungsverzeichnis neben der Abkürzung “o.g.” [oder gleichwertig] noch der Zusatz aufgenommen worden:

“Sofern ein anderes Fabrikat (wie oben genannt) angeboten wird, ist eine ausführliche Produktbeschreibung des Herstellers dieser Ausschreibung beizufügen, mit der die Gleichwertigkeit eindeutig nachgewiesen wird.”

Auch dieses Leistungsverzeichnis wurde dem Beklagten von dem Ingenieurbüro per E-Mail am 27. Mai 2019 zur Kenntnis gegeben. In der E-Mail war als “Anmerkung zum Trinkwasser” darauf hingewiesen worden, dass die Positionen 12.18 bis 12.21 und 12.30 entsprechend der Betriebsmittelvorschrift des ZVK so benannt und daher nicht geändert worden seien. Dies sollte – so das Ingenieurbüro – auch vom Fördermittelgeber so akzeptiert werden. Eine Rückäußerung des Beklagten darauf erfolgte während des Vergabeverfahrens nicht. Im Ergebnis der Ausschreibung beauftragte die Klägerin die ### aus ### mit den Bauarbeiten. Die Leistungspositionen des Leistungsbereichs 12 wurden letztlich nicht erbracht.

Mit beim Beklagten am 20. November 2019 eingegangenem Auszahlungsantrag beantragte die Klägerin die Auszahlung der Fördermittel in Höhe von 194.858,14 Euro. Darin waren die Leistungen des Leistungsbereichs 12 nicht enthalten.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2019 widerrief der Beklagte den Zuwendungsbescheid teilweise und mit sofortiger Wirkung, soweit die Zuwendung auf Ausgaben entfiel, die die Leistungen der ### betrafen, und

“den sich nach Kürzungen der diesbezüglichen zuwendungsfähigen Ausgaben um 5 Prozent ergebenden Zuwendungsbetrag”

überstieg. Zur Begründung führte er aus, dass die Leistungen der ### nicht im Wege der losweisen Vergabe gemäß § 5 VOB/A vergeben worden seien und gegen die vergaberechtliche Verpflichtung der produktneutralen Ausschreibung nach § 7 VOB/A verstoßen worden sei. Die zum Bestandteil des Zuwendungsbescheides gemachten ANBest-ILE sähen dies jedoch gemäß Nummer 6.1.1 vor. Der Beklagte stützte seine Entscheidung auf § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG-MV . Die Klägerin habe die entsprechende Auflage des Zuwendungsbescheides nicht eingehalten, denn sie habe die Vorschriften des Vergaberechts nicht eingehalten. Ein atypischer Ausnahmetatbestand, der bei der Entscheidung über den Widerruf zu berücksichtigen sei, liege nicht vor. Zudem sei der Beklagte gemäß Art. 35 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nummer 640/2014 gehalten, die Förderung ganz oder teilweise zurückzunehmen, wenn für das Vorhaben geltende Auflagen, insbesondere die Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe, nicht eingehalten würden.

Hiergegen legte die Klägerin unter dem 7. Januar 2020 Widerspruch ein. Diesen stützte sie insbesondere darauf, dass sie nicht auf den Grundsatz der losweisen Vergabe von dem Beklagten hingewiesen worden sei. Die Gesamtvergabe sei aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt. Fachlich sei die Entscheidung zur Bezeichnung von Herstellern und Produkten mit dem Verweis auf die Betriebsmittelvorschriften des Zweckverbands Kühlungsborn erforderlich.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2020 zurück. Darin führt er aus, dass allein aufgrund der Übersendung des Leistungsverzeichnisses per E-Mail am 27. Mai 2019 eine Hinweispflicht des Beklagten nicht habe begründet werden können. Zugrunde gelegen habe eine E-Mail des beauftragten Ingenieurbüros an die Klägerin, bei der der Beklagte nur in Kopie gesetzt worden sei. Eine Frage zur Vorprüfung sei damit nicht verbunden gewesen. Eine plausible Begründung für die Anwendung des § 7 Abs. 2 VOB/A habe nicht vorgebracht werden können. Nach den Betriebsmittelvorschriften und der Bestätigung des Zweckverbandes per E-Mail vom 27. Mai 2019 handele es sich bei den Vorschriften um Richtfabrikate, die in öffentlichen Ausschreibungsverfahren herstellerunabhängig beschrieben werden könnten. Es sei unzulässig, bestimmten Produkten oder Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Der gleichberechtigte Zugang aller Bieter sei ungerechtfertigt beschränkt worden. Die zu erbringende Leistung sei hinreichend genau und allgemein verständlich im vorliegenden Leistungsverzeichnis beschrieben worden. § 7 Abs. 2 VOB/A sei daher auch nicht mit dem Zusatz “oder gleichwertig” anwendbar gewesen. Im Übrigen hält der Beklagte im Widerspruchsbescheid an seiner Auffassung, es liege eine Abweichung vom Grundsatz der losweisen Vergabe zugrunde, nicht mehr fest. Die Höhe der Kürzung beruhe auf Nr. 3 der Leitlinien der EU-Kommission für die Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der Union finanzierten Ausgaben (COCOF-Leitlinien) gelten. Die Erhöhung der Kürzung nach Nummer 11 der COCOF-Leitlinien auf 10 Prozent sei nicht angewandt worden, weil ein Mindestmaß an Wettbewerb sichergestellt gewesen sei. Die Anerkennung der Begründung zur losweisen Vergabe habe keinen weiteren Einfluss auf den Korrektursatz, weil ohnehin nur eine Unregelmäßigkeit in Abzug gebracht werden könne.

Am 29. Juli 2020 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Der Teilwiderrufsbescheid sei rechtswidrig. Die Klägerin habe nicht gegen Auflagen des Zuwendungsbescheides verstoßen. Sie habe sich an den Betriebsmittelvorschriften des ZVK und den darin enthaltenen Produktvorgaben orientieren dürfen. Insoweit habe ein sachlicher Grund i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A vorgelegen. Der Beklagte verkenne, dass gemäß § 7 Abs. 2 VOB/A in der Leistungsbeschreibung der Verweis auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft auch dann zulässig sei, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sei (Nr. 1). Der in der Rechtsprechung entwickelte Kriterienkatalog für die Produktvorgabe sei hier erfüllt. Hinzu komme, dass dem Auftraggeber – bezogen auf die sachliche Vertretbarkeit der geforderten Leistung – ein eigener Beurteilungsspielraum zustünde. Sachliche Gründe lägen immer dann vor, wenn im vorhandenen Bestand gearbeitet werde. Hier sei zudem am Bestand von Anlagen der Trinkwasserversorgung des ZVK gearbeitet worden. Insoweit sei, da es sich um sensible technische Anlagenteile wie Schieber oder Verbindungsteile gehandelt habe, davon auszugehen, dass die Betriebsmittelvorschriften des ZVK zu berücksichtigen gewesen seien. Dem stehe nicht entgegen, dass der ZVK gegenüber dem Beklagten im Widerspruchsverfahren sich dahingehend eingelassen habe, dass es sich bei den Herstellerangaben in den Betriebsmittelvorschriften um “Richtfabrikate” handele. Schließlich sei der Produktbezug nicht diskriminierend, wie sich aus der Vielzahl der eingegangenen Angebote und der Möglichkeit des Gleichwertigkeitsnachweises ergebe. Es handele sich um Produkte, die von jedem Unternehmen im Baufachhandel erworben werden könnten. Darüber hinaus habe der Beklagte das ihm nach § 49 Abs. 1 VwVfG-MV eingeräumte Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt. Der Beklagte habe verkannt, dass die Verwaltungsvorschriften sein Ermessen nicht bänden. Selbst wenn von einer Bindungswirkung im Sinne eines intendierten Ermessens auszugehen wäre, fehle es vorliegend an einer Berücksichtigung des atypischen Einzelfalls. Der Beklagte habe völlig unberücksichtigt gelassen, dass der Leistungsbereich 12 des Leistungsverzeichnisses, in dem die Produktverweise enthalten seien, überhaupt nicht realisiert worden sei. Es fehle mithin an einer Unregelmäßigkeit, die Auswirkungen auf den Haushalt habe. Schließlich habe der Beklagte einen Vertrauenstatbestand insoweit gesetzt, als er mit seiner E-Mail vom 24. Mai 2019 auf das zunächst vorgelegte Leistungsverzeichnis reagiert habe.


Die Klägerin beantragt,

den Teil-Widerrufsbescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2020 aufzuheben.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.


Er ergänzt, dass das Vergabeverfahren weitere Mängel aufgewiesen habe. Dazu gehöre, dass veraltete Formblätter verwendet, im Rahmen der Bekanntmachung falsche und widersprüchliche Angaben gemacht und in der Niederschrift entgegen § 14 Abs. 3a VOB/A 2019 die Anschriften der sieben Bieter nicht aufgeführt worden seien. Insoweit sei das Nachschieben von Gründen zulässig, da die nachträglich aufgeführten Gründe bereits bei Erlass des ursprünglichen Verwaltungsaktes vorgelegen hätten und der Verwaltungsakt durch die neuen Gründe nicht in seinem Wesen geändert werde. Der Beklagte wende die Kürzungssätze gemäß den COCOF-Leitlinien in seiner ständigen Verwaltungspraxis an. Die Klägerin habe gegen die Auflage der Nummer 1, 5. Absatz des Zuwendungsbescheides verstoßen, nach der nicht produktbezogen ausgeschrieben werden dürfe. In den Fällen, in denen sachliche Gründe für eine produktbezogene Ausschreibung durch den Auftragsgegenstand vorlägen (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A), dürfe der Zusatz “oder gleichwertig” nur dann verwendet werden, wenn die Kriterien für die Gleichwertigkeit festgelegt und mit den Ausschreibungsunterlagen veröffentlicht würden. Auch dies sei hier nicht geschehen. Es sei unerheblich, dass die bemängelten Angaben betreffend die Leistungen unter Nummer 12 der Leistungsbeschreibung letztlich nicht zur Ausführung gekommen seien. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe dem Fördermittelgeber durch eine regelwidrige Auftragsvergabe letztendlich ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, komme es nicht an. Der Europäische Gerichtshof habe darauf abgestellt, dass die Möglichkeit finanzieller Auswirkungen bereits dann gegeben sei, wenn die Kriterien für die Vorauswahl der Bieter strenger seien als vom europäischen Vergaberecht gefordert, weil damit eine Begrenzung des Teilnehmerkreises für das fragliche Vergabeverfahren einherginge. Nichts anderes gelte, wenn durch die Vorgabe von Produkten und/oder Herstellern die Möglichkeit der Beschränkung des Teilnehmerkreises – wie hier geschehen – bestehe. Letztlich habe der Beklagte keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Beklagte habe das Leistungsverzeichnis vom Ingenieurbüro lediglich per E-Mail als “CC”-Nachricht erhalten. Im Übrigen habe dem Leistungsverzeichnis nicht entnommen werden können, ob sachliche Gründe für die produktbezogene Ausschreibung oder die Prüfkriterien vorgelegen haben.

Am 10. August 2023 fand vor dem damaligen Berichterstatter ein Erörterungstermin statt. Den dazu im Nachgang nach § 106 S. 2 VwGO vorgeschlagenen Vergleich hat die Klägerin nicht angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Teil-Widerrufsbescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der in dem Bescheid vom 16. Dezember 2019 enthaltene und von der Klägerin mit der vorliegenden Klage angegriffene Teil-Widerruf hinsichtlich eines Betrages von 9.049,14 Euro konnte wegen eines Auflagenverstoßes nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG-MV erfolgen. Ermessensfehler liegen insoweit nicht vor.

Nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG-MV kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Art. 5 Abs. 1 VO (EU) Nr. 65/2011 scheidet als Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung des zugrundeliegenden Bewilligungsbescheides aus, weil die Regelung nur zur Rückzahlung und Verzinsung verpflichtet, nicht aber eine spezialrechtliche Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf enthält (vgl. OVG Sachsen, Urteil vom 25. September 2024 – 6 A 118/20 -, m.w.N.).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG-MV sind hier erfüllt (I.), und der Beklagte hat sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt (II.).

I.

Die Klägerin hat gegen eine Auflage eines rechtmäßigen Verwaltungsakts, der auf eine Geldleistung gerichtet war, verstoßen.

1. Der Zuwendungsbescheid enthält – worauf der Beklagte jedenfalls im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch abgestellt hat – unter Nummer 1, 5. Absatz des Zuwendungsbescheides die inkorporierte ausdrückliche Auflage, nicht produktbezogen ausschreiben zu dürfen. Die Klägerin hat bereits die Leistungen der Positionen 12.18, 12.20, 12.21, 12.30, 12.35 und 12.38 hersteller- und produktbezogen ausgeschrieben und damit gegen die Auflage der Nummer 1, 5. Absatz des Zuwendungsbescheides verstoßen.

2. Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die gemäß Nummer 3. “Allgemeine Nebenbestimmungen” zum Bestandteil des Bescheides gemachten ANBest-ILE unter Nummer 6.1.1 vorgesehenen Auflagen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG-MV verstoßen. Denn mit diesen wird der Klägerin als Begünstigte ein bestimmtes Tun vorgeschrieben, indem sie den gesetzlichen Vergabebestimmungen unterworfen wird. Gegen die Wirksamkeit der Auflagen bestehen keine Bedenken, dergleichen sind auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.

Die Klägerin hat auch gegen ihre Verpflichtung verstoßen die VOB/A einzuhalten. Sie hat nicht-vergaberechtskonform i. S. des § 7 VOB/A ausgeschrieben, indem sie entgegen § 7 Abs. 1 VOB/A produktbezogen ausgeschrieben hat. Die Annahme der Klägerin, die der Ausschreibung zugrundeliegende Leistungsbeschreibung sei mit § 7 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A vereinbar, wird von der Kammer nicht geteilt.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A besteht eine Ausnahme von dem Grundsatz, in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen oder einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verweisen zu dürfen, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Auch wenn dies letztlich hier dahingestellt bleiben kann, spricht zur Überzeugung der Kammer doch Einiges dafür, dass die Klägerin, der als öffentliche Auftraggeberin ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht, ihre Einschätzung nachvollziehbar und auf objektive und auftragsbezogene Gründe gestützt hat, um dennoch sicher zu stellen, dass die Vergabeentscheidung insoweit willkürfrei getroffen werden konnte und andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert werden. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass öffentlichen Auftraggebern bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Herstellers gerechtfertigt ist, ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. VgK Niedersachsen, Beschluss vom 18. August 2023 – VgK-23/2023 -, m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019 – Verg 66/18 -; von Knesebeck, BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Stein/Wolf, Stand 1. Februar 2023, VOB/A § 7 EU Rn. 41 m.w.N.). Dabei liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit einer produktbezogenen Leistungsbeschreibung bei dem öffentlichen Auftraggeber (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.). Ausgehend hiervon und unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin sich hier auf die Betriebsmittelvorschriften des ZVK zur Verringerung von Risikopotentialen in der Funktion oder Kompatibilität festgelegt hat, dürfte die produktbezogene Ausschreibung insoweit nicht zu beanstanden sein.

Zutreffend weist der Beklagte jedoch darauf hin, dass dann nicht – wie hier geschehen – gleichzeitig die Öffnungsklausel “oder gleichwertig” verwendet werden darf. § 7 Abs. 2 VOB/A sieht bereits nach seinem klaren Wortlaut zwei voneinander zu unterscheidende Vorgehensweisen vor, bei denen alternativ (Nummer 1) der Produktbezug durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist oder (Nummer 2) der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden kann. Nur in letzterem Fall “sind” die Verweise jedoch (zwingend) mit dem Zusatz “oder gleichwertig” zu versehen (vgl. Trutzel, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 31 VgV Rn. 55). Auch nach dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelungen, die sowohl der Forderung nach Eindeutigkeit der Ausschreibung als auch dem Wettbewerbsgedanken Rechnung tragen sollen (vgl. Franke/Kaiser, VOB-Kommentar, 7. Aufl. 2020, § 7 EU VOB/A, Rn. 112) liegt es nahe, dass jedenfalls die produktbezogene Ausschreibung mit dem Zusatz “oder gleichwertig” den Teilnahmewettbewerb verzerren kann, wenn insbesondere die Parameter der Gleichwertigkeit nicht näher beschrieben sind (vgl. VK Rheinland, Beschluss vom 26. Mai 2021 – VK 3/21 -, m.w.N.). Dies ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU vom 6. Februar 2014, in dem es heißt:

“Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein bestimmtes Verfahren […] oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden […]. Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann.”

Nur bei solchen allgemeinen Verweisen wegen mangelnder Beschreibbarkeit ist also der Zusatz “oder gleichwertig” gerechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. September 2016 – 15 Verg 7/16 -, BeckRS 2016, 121911 Rn. 26 m.w.N.). Der Einwand der Klägerseite, nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A stehe es dem Auftraggeber stets frei, den Ausschreibungsinhalt festzulegen, übergeht, dass diese Regelung bereits von ihrem Wortlaut her lediglich die Form der Einreichung der Angebote erfasst. Darüber hinaus ist § 13 Abs. 1 VOB/A nicht losgelöst von § 7 VOB/A zu sehen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2023 – XIII ZR 14/21 -, Rn. 20 f. m.w.N.); insbesondere werden die Regelungen über die produktneutrale Ausschreibung und deren Ausnahmen nicht durch § 13 VOB/A verdrängt.

4. Die Klägerin hat – jeweils für sich selbständig tragend – weitere vergaberechtliche Vorgaben nicht eingehalten.

Soweit der Beklagte die folgenden Vergabemängel im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeschoben hat, ist dies grundsätzlich und für sich genommen nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG-MV zulässig, da eine Wesensveränderung des Verwaltungsaktes damit nicht verbunden ist (vgl. Schemmer, in BeckOK, Bader/Ronellenfitsch, Stand 1. Januar 2025, VwVfG, § 45 Rn. 36 m.w.N.).

a) Die Klägerin hat, worauf der Beklagte zutreffend ergänzend abgestellt hat, veraltete Formblätter verwendet und damit potentiell den Zugang von Unternehmen zum Vergabeverfahren wettbewerbswidrig eingeschränkt (§ 8 VOB/A, § 16 VOB/A). Denn die Verwendung der veralteten Formblätter durch den Auftraggeber kann bereits deshalb Einfluss auf das Vergabeverfahren haben, weil Irritationen erzeugt werden können und Auslegungen notwendig werden können (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 10. September 2013 – Z3-3-3194-1-24-08/13 -).

b) Des Weiteren hat die Klägerin in der Bekanntmachung der Ausschreibung falsche und widersprüchliche Angaben gemacht. So hat sie im Hinblick auf die Eignungsnachweise für unbekannte Bieter nur auf § 6 VOB/A verwiesen, ohne den Hinweis auf den maßgeblichen § 6a VOB/A aufzunehmen. Die Zuschlags- und Bindefrist wurde einmal auf den 16. Juli 2019 und an anderer Stelle auf den 26. Juli 2019 angegeben. Darin liegt jeweils für sich gesehen ein zusätzlicher Verstoß gegen die Pflicht zur eindeutigen und wirksamen Aufstellung der Vergabeunterlagen (OLG Rostock, Beschluss vom 30. September 2021 – 17 Verg 3/21 -, m.w.N.). Soweit die Klägerin einwendet, dass die Abweichungen hinsichtlich der Zuschlags- und Bindefrist zu vernachlässigen seien, weil die Zuschlags- und Bindefrist durch den Auftraggeber variabel festgelegt werden könne, vermag dies nicht zu überzeugen, da sich bereits aus der Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Veröffentlichungen Irritationen ergeben und jedenfalls unterschiedliche Bindefristen unterschiedliche Vorhaltekosten mit sich bringen und damit den Wettbewerb beeinträchtigen können (vgl. Völlink, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VOB/A-EU § 10 Rn. 18 m.w.N.).

c) Schließlich sind in der Niederschrift über den Öffnungstermin nicht die Anschriften der sieben Bieter aufgeführt, weshalb ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3a VOB/A vorliegt. Die unzulängliche Dokumentation läuft einem transparenten Vergabeverfahren und den hohen Anforderungen an das Dokumentationserfordernis zuwider (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – 1/SVK/045/10 -).

4. Die Jahresfrist nach § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG-MV ist – unabhängig davon, ob Art. 5 Abs. 3 VO (EU) Nr. 65/2011 insoweit eine abschließende Regelung enthält (vgl. OVG Sachsen, Urteil vom 25. September 2024 – 6 A 118/20 -) – gewahrt.

II.

Der Beklagte hat auch sein Ermessen im Rahmen des gerichtlich Überprüfbaren (§ 114 VwGO) fehlerfrei ausgeübt.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch im Rahmen des § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG-MV, also im Rahmen eines Auflagenverstoßes, das Ermessen regelmäßig nach den Grundsätzen des sogenannten “intendierten Ermessens” ausgeübt werden kann. In der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass nach § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG-MV im Zuwendungsrecht die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Regelfall zum Widerruf einer Zuwendung, die ihren Zweck verfehlt hat, zwingen soll, wenn nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Denn die Haushaltsgrundsätze überwiegend im Allgemeinen das Interesse der Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen, und verbieten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 – 3 C 22.96 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24. Juli 2019 – 2 LB 40/14 -, wohl ausdrücklich auch für den Fall des Auflagenverstoßes).

2. Auch wenn zweifelhaft ist, ob dies generell auf die Fälle des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG-MV übertragbar ist, ergibt sich jedenfalls ein intendiertes Ermessen hier aus dem Unionsrecht, weil die streitbefangene Förderung aus EU-Mitteln gespeist wird, konkret aus Art. 35 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 640/2014. Danach wird die beantragte Förderung ganz oder teilweise abgelehnt oder ganz oder teilweise zurückgenommen, wenn für das Vorhaben geltende Auflagen, insbesondere Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe, nicht eingehalten werden. Damit ist das Entschließungsermessen des Beklagten bereits ausgeschlossen (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 5. Mai 2021 – 10 LB 201/20 -, m.w.N.).

3. Auch im Hinblick auf die Höhe der erfolgten Kürzung ist die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die COCOF-Leitlinien dienen der einheitlichen Festlegung von Finanzkorrekturen bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der Union finanzierte Ausgaben (Beschluss C (2019) 3452 der Kommission vom 14. Mai 2019). Sie sehen unter Nummer 11 bei der Verwendung von technischen Spezifikationen, die zwar nicht diskriminierend sind, den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern jedoch dennoch beschränken, grundsätzlich einen Korrektursatz von 10 Prozent vor. Dieser wurde hier auf 5 Prozent reduziert, weil ein Mindestmaß an Wettbewerb sichergestellt gewesen sei, wie sich aus der Einreichung einer bestimmten Anzahl an Angeboten ergebe.

Auch wenn es sich bei den COCOF-Leitlinien für die Festlegung von Finanzkorrekturen nicht originär um einen Rechtssatz der Kommission in der Form einer Verordnung handelt, hat die Kammer keinen Zweifel, dass die COCOF-Leitlinien, wie bereits ihre Bezeichnung deutlich macht, auf die hier zugrundeliegende unionsfinanzierte Förderung anzuwenden sind.

Anders ließe sich im Übrigen die Rückzahlungsverpflichtung nach Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 vom 27. Januar 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates hinsichtlich der Kontrollverfahren unter Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums nicht realisieren. Der europarechtliche Durchsetzungsanspruch gegenüber dem nationalen Recht (“effet utile”, Art. 4 Abs. 3 EUV) würde missachtet.

Schließlich zeigt die neuere europarechtliche Rechtsetzung, etwa durch die Verordnung (EU) 2022/127 und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/128, dass zwischenzeitlich die Regularien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen und für die Aussetzung von Zahlungen in die europarechtlichen Verordnungen integriert werden, die Sanktionierung also bereits auf der Ebene des EU-Rechts weder aufgegeben noch für die nationalrechtliche Ausgestaltung geöffnet worden ist.

4. Nach alledem kommt es auf den Umstand, dass die Leistungen des Leistungsverzeichnisses unter Nummer 12 nicht realisiert wurden, schon nicht an. Dies deshalb, weil einerseits nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die insoweit fehlerhafte Ausschreibung in einem nicht in Lose aufgeteilten Verfahren der Wettbewerb eingeschränkt wurde, gleich, ob damit ein Schadenseintritt verbunden gewesen ist. Denn ausreichend ist, dass der Verstoß Auswirkungen auf den Haushalt des maßgeblichen europäischen Fonds haben konnte, nicht jedoch, dass er ihn auch tatsächlich hatte (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 – Rs. C-175/23 -, Anm. 26; EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 – Rs. C-408/16 -, Rn. 60 und 61). Andererseits aber auch, weil diverse andere Vergaberechtsverstöße zugrunde liegen, die jeweils für sich gesehen den Widerruf und die Rückforderung rechtfertigten.

Auch der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe, indem er auf die zweite Übersendung des Leistungsverzeichnisses nicht reagiert habe, einen Rechtsschein gesetzt, ist dementsprechend unerheblich. Im Übrigen hatte der Beklagte in seinen Hinweisen auf die davor erfolgte Übersendung des Leistungsverzeichnisses deutlich gemacht, dass es einer ausdrücklichen Entscheidung bedürfe, ob die angeforderten Erläuterungen schlüssig wären und die Produktneutralität gewährleistet werden könne.

Letztlich sei darauf hingewiesen, dass der Beklagte sein Ermessen tatsächlich im Hinblick auf die Frage, ob ein atypischer Einzelfall zugrunde gelegen hat, ausgeübt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Beschluss

vom 17.04.2025

Der Streitwert wird auf 9.049,14 Euro festgesetzt.


Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

(…)

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