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VGH Baden-Württemberg zu der Frage der Einsicht in eine Sitzungsniederschrift

vorgestellt von Thomas Ax

§ 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gewährt Gemeindeeinwohnern nur dann Einsicht in eine Sitzungsniederschrift, wenn die betroffene Gemeinderatssitzung tatsächlich öffentlich stattgefunden hat. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG eine Rechtsvorschrift, die den Zugang zu amtlichen Informationen vorrangig und abschließend regelt. Anspruchsberechtigung, Anspruchsverpflichtung und Anspruchsgegenstand kennzeichnen § 38 Abs. 2 Abs. 4 GemO als eine “Teilmenge” des allgemeinen Informationszugangsrechts nach § 1 Abs. 2 LIFG speziell und abschließend geregelt ist im § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO auch die Art des Informationszugangs (Einsichtnahme in Sitzungsniederschrift). Selbst wenn § 1 Abs. 2 LIFG entgegen § 1 Abs. 3 LIFG neben § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO anwendbar wäre, stünde die gemeinderechtliche Bestimmung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 LIFG als Ablehnungsgrund einem LIFG (juris: InfFrG BW)-Begehren auf Zugang zu der Niederschrift einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung entgegen. Was nach fachgesetzlichen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes geheim.

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.02.2020 – 10 S 1229/19

Tatbestand

Der Kläger ist Einwohner der Beklagten. Mit Antrag vom 04.01.2017 hat er unter Berufung auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG)

“Einsicht in das Protokoll der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung vom 01.12.2016 zu dem TOP, dessen Gegenstand die Abwassergebührennachkalkulation 1994-1996 vom Dezember 2016 war”

beantragt. Die Beklagte hat den Antrag abgelehnt, der Widerspruch ist zurückgewiesen worden. Mit der am 14.07.2017 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Klage wurde abgewiesen. Der Senat macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu eigen und nimmt deshalb Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (§ 130b Satz 1 VwGO).

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger habe nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO keinen Anspruch auf Einsicht in die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats der Beklagten vom 01.12.2016. Der Kläger sei zwar Einwohner der Beklagten, ein Anspruch auf Einsichtnahme in Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen stehe jedoch ausschließlich Gemeinderäten zu; der Kläger sei indes kein Mitglied des Gemeinderates der Beklagten. Ein Anspruch bestehe auch dann nicht, wenn der Gemeinderat unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 GemO nichtöffentlich verhandelt habe; denn § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO stelle nach Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck darauf ab, dass die Sitzung tatsächlich “öffentlich” gewesen sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch nach § 1 Abs. 2 LIFG; gemäß § 1 Abs. 3 LIFG gehe § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO dem allgemeinen Informationsanspruch aus § 1 Abs. 2 LIFG vor und regele die Einsicht in die Sitzungsniederschriften des Gemeinderates abschließend. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und § 1 Abs. 2 LIFG stimmten in der Zielsetzung, nämlich der Stärkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes sowie der Teilhabe der Bürger an der demokratischen Meinungs- und Willensbildung, überein. Die Gesetzesmaterialien zum LIFG dokumentierten, dass § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gegenüber § 1 Abs. 2 LIFG eine abschließende Spezialregelung sei. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO schließe eine Einsichtnahme in Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen für Einwohner abschließend aus.

Mit Schriftsatz vom 02.05.2019, eingegangen am 06.05.2019, hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das Urteil vom 27.03.2019, zugestellt am 09.04.2019, eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger rügt die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO und moniert die Untätigkeit der Rechtsaufsichtsbehörde. Im Schriftsatz vom 03.12.2019 hebt der Kläger die aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Frage nochmals hervor, ob der Ausschluss des Informationsbegehrens auf der Grundlage des LIFG auch dann greife, wenn die nichtöffentliche Vorberatung eines Satzungsbeschlusses rechtswidrig gewesen sei und diese Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit des Satzungsbeschlusses führe. Es gehe darum, ein Fehlverhalten der Verwaltung bezüglich der Abwassergebührennachkalkulation aufzudecken; das Verwaltungsgericht habe über den Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO befinden müssen. Im Verhältnis der beiden Anspruchsgrundlagen sei eine Deckungsgleichheit in den Zielsetzungen zwischen § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und § 1 Abs. 2 LIFG entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegeben. Schon nach dem Kreis der jeweils Berechtigten würden unterschiedliche Zielgruppen erfasst. Sodann normiere § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO nur ein eingeschränktes Informationsrecht mit eingeschränkter Kontrolle der Arbeit des Gemeinderates, während § 1 LIFG im Interesse einer modernen Informationsgesellschaft ein voraussetzungsloses umfassendes Informationsrecht normiere, dessen Ziel es nicht sei, Mängel der Verwaltung der Beklagten zu schützen; vielmehr werde die Transparenz der Verwaltung vergrößert. Sei demnach der Anspruch gemäß § 1 Abs. 2 LIFG gegeben, könne dem Begehren allenfalls ein Ablehnungsgrund nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG entgegenstehen; ein besonderer öffentlicher Belang, der den beantragten Informationszugang hindere, sei jedoch nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27.03.2019 – 1 K 5856/17 – zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2017 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 07.07.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die vom Kläger beantragte Einsicht in die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates am 01.12.2016 in Sachen Abwassergebührennachkalkulation 1994-1996 vom Dezember 2016 zu gewähren, hilfsweise über den Antrag des Klägers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für erforderlich zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hebt die Beklagte hervor, das Verwaltungsgericht habe zutreffend entschieden. Ferner verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen schriftsätzlichen Vortrag. Ergänzend betont die Beklagte, zum Schutz nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen könne der Gesetzgeber, wie in § 38 Abs. 2 GemO erfolgt, regeln, dass die Beratung und Willensbildung in nichtöffentlichen Sitzungen auch dadurch Schutz erfahre, dass den Einwohnern nur die Einsichtnahme in die Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen gestattet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsgerichts Freiburg sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. § 1 Abs. 2 LIFG ist nicht anwendbar, sondern wird angesichts der bestehenden Normenkonkurrenz (II.) durch die abschließende Spezialbestimmung des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO verdrängt (III.). Es gilt danach der Vorrang des Fachrechts gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht (IV.). Die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO liegen indessen nicht vor (I.).

I.

Nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist den Einwohnern der Gemeinde die Einsichtnahme in die Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates gestattet. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind nicht erfüllt. Der Kläger ist zwar Einwohner der Beklagten, er begehrt jedoch nicht eine Einsichtnahme in die Niederschrift über eine öffentliche Sitzung. Die Sitzung vom 01.12.2016, um die es hier geht, ist eine nichtöffentliche Sitzung gewesen; das bestreitet auch der Kläger nicht. Er meint allerdings, die betreffende Sitzung hätte nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO öffentlich stattfinden müssen und die Niederschrift einer zu Unrecht nichtöffentlich abgehaltenen Gemeinderatssitzung stehe einer Niederschrift im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gleich, sodass ihm die Einsichtnahme zu gestatten sei. Wie das Verwaltungsgericht richtig erkannt hat, spricht allerdings gegen die vom Kläger postulierte Gleichstellung schon der Wortlaut von § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO. Die Vorschrift knüpft tatbestandsmäßig allein an die Tatsache an, ob es sich um “Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen” handelt, also ob tatsächlich öffentlich verhandelt worden ist. Hätte der Gesetzgeber etwas Anderes gewollt, hätte er dies unschwer zum Ausdruck bringen können (Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 52). Die normative Anknüpfung an die Faktizität der Öffentlichkeit der Sitzung zeigt sich auch darin, dass § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO selbst dann keine Einsicht in die Niederschriften nichtöffentlicher Sitzungen gestattet, wenn die Gründe für die Nichtöffentlichkeit der Sitzung inzwischen weggefallen sind (Aker in Aker/Hafner/Notheis, GemO BW, 2. Aufl., § 38 Rn. 13) oder wenn die Schweigepflicht der Gemeinderäte mittlerweile aufgehoben worden ist (Bock in Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, EL September 2016, § 38 Rn. 8). Dafür, dass für das Recht auf Einsichtnahme aus § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO entscheidend ist, ob eine öffentliche Sitzung des Gemeinderates stattgefunden hat, sprechen auch gewichtige Gründe der Verwaltungspraktikabilität und der kommunalverfassungsrechtlichen Ordnung. Da das den Einwohnern von § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO eingeräumte Recht, Einsicht in die Niederschriften öffentlicher Sitzungen zu nehmen, in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt worden ist, wäre der Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung und Vertreter der Gemeinde (§ 42 Abs. 1 GemO) auf ein entsprechendes Einsichtsgesuch hin genötigt, auch bei Vorgängen, die unter Umständen schon Jahrzehnte zurückliegen, im Einzelfall zu prüfen, ob seinerzeit zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz GemO ausgegangen worden ist. Dies würde nicht nur an faktische Grenzen stoßen, sondern auch das für die Entscheidung über den Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit kommunalverfassungsrechtlich vorgesehene Organisationsgefüge in Frage stellen (hierzu vgl. Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 52 f.). Eine inzidente Prüfung zur Einhaltung bzw. Nichteinhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes für Gemeinderatssitzungen im Rahmen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO scheidet daher aus. Offenlassen, da nicht (mehr) entscheidungserheblich, kann der Senat die – vom Verwaltungsgericht wohl verneinte – Frage, ob aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz in § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO ein gerichtlich einklagbares subjektives Recht Interessierter auf Zutritt zu Sitzungen der Gemeindevertretung, von denen die Öffentlichkeit nicht rechtmäßig ausgeschlossen worden ist, folgt (bejahend z. B. Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl., Rn. 626; Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl., Kap. 7 Rn. 90; verneinend z. B. BayVGH, Beschluss vom 04.02.2016 – 4 ZB 15.2506 – juris; Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 53).

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zu § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sieht der Senat ab, da im Übrigen die Berufung insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen ist (§ 130b Satz 2 VwGO).

II.

Sofern der Zugang zu amtlichen Informationen in anderen Rechtsvorschriften abschließend geregelt ist, gehen diese – mit Ausnahme der hier nicht relevanten §§ 29 VwVfG, 25 SGB X – gemäß § 1 Abs. 3 LIFG dem Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 2 LIFG, auf den sich der Kläger stützt, vor. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO stellt im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG eine abschließende Informationszugangsregelung dar. Das LIFG ist in seiner Grundstruktur dem IFG des Bundes nachgebildet (LT-Drs. 15/7720, S. 25). Das gilt insbesondere auch für § 1 Abs. 3 LIFG (Sicko in Debus, Informationszugangsrecht Baden-Württemberg, 2017, § 1 LIFG Rn. 20). Deshalb können die zu § 1 Abs. 3 IFG Bund gewonnenen Erkenntnisse im vorliegenden Zusammenhang herangezogen werden.

1. § 1 Abs. 3 LIFG setzt eine Normenkonkurrenz voraus und löst die dadurch bewirkte Normenkollision dergestalt auf, dass der Anspruch nach § 1 Abs. 2 LIFG zurücktritt, “soweit besondere Rechtsvorschriften den Zugang zu amtlichen Informationen abschließend regeln” (so LT-Drs. 15/7720, S. 58). “Rechtsvorschriften” im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG sind Rechtsnormen mit Außenwirkung (Beyerbach in BeckOK, Informations- und Medienrecht, 23. Edition 01.02.2019, § 1 LIFG Rn. 11; Sicko a. a. O. Rn. 24, 25). § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO erfüllt diese Voraussetzung offensichtlich.

Bei § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO handelt es sich auch um eine “Rechtsvorschrift”, die den “Zugang zu amtlichen Informationen” regelt. Gefordert ist insoweit eine Rechtsnorm, die einen mit § 1 Abs. 2 LIFG abstrakt identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweist (Sicko a. a. O. Rn. 24; zu § 1 Abs. 1 IFG Bund BVerwG Urteil vom 29.06.2017 – 7 C 24.15 – E 159, 194 Rn. 16; BVerwG Urteil vom 22.03.2018 – 7 C 30.15NVwZ 2018, 1401 Tz. 16). Der Regelungsgehalt wird durch den Tatbestand der jeweiligen Norm geprägt, also durch die Antrags- bzw. Anspruchsberechtigung, die Informationsverpflichtung und den Gegenstand des Informationszugangs (Sicko a. a. O. Rn. 26); ergänzend tritt hier die Art des Informationszugangs hinzu. Bestehen bezüglich jener Strukturmerkmale Überschneidungen zwischen der fachgesetzlichen Bestimmung und § 1 Abs. 2 LIFG, liegt eine Normenkonkurrenz im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG vor (Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 54).

2. Der Vergleich zwischen § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und § 1 Abs. 2 LIFG zeigt, dass bei allen vier Elementen Überschneidungen zwischen dem fachgesetzlichen Informationszugangsrecht und dem allgemeinen Informationszugangsanspruch bestehen. Im Ergebnis stellt § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO eine “Teilmenge” des § 1 Abs. 2 LIFG dar.

a) Anspruchsberechtigt sind nach § 1 Abs. 2 LIFG “Antragsberechtigte”. Das sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 1 LIFG unter anderem alle natürlichen Personen. Das Recht auf Einsichtnahme in Sitzungsniederschriften steht gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO den “Einwohnern” zu; das ist jede Person, die in der Gemeinde wohnt (§ 10 Abs. 1 GemO). Danach repräsentiert der durch § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO berechtigte Personenkreis eine “Teilmenge” der nach § 1 Abs. 2 LIFG anspruchsberechtigten natürlichen Personen.

Ob die “andere Rechtsvorschrift” im Sinne des § 1 Abs. 3 LIFG eine Deckungsgleichheit mit dem nach § 1 Abs. 2 LIFG berechtigten Personenkreis aufweist, ist für die Normenkonkurrenz unerheblich (Sicko a. a. O. Rn. 26; zum Bundesrecht Debus in BeckOK, Informations- und Medienrecht, 23. Edition 01.02.2019, § 1 IFG Rn. 182). Mehr noch, ist fachgesetzlich lediglich ein nach bestimmten Kriterien festgelegter engerer Personenkreis als nach dem allgemeinen Informationsfreiheitsgesetz berechtigt, so ist dies ein starkes Indiz dafür, dass eine spezielle Regelung des Fachrechts vorliegt, die das LIFG verdrängt (BfDI, 4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2012 und 2013, BT-Drs. 18/1200, S. 93, zum IFG des Bundes).

b) Anspruchsverpflichtet sind nach § 1 Abs. 2 LIFG die “informationspflichtigen Stellen”. Das sind gemäß § 3 Nr. 2 LIFG alle Stellen im Anwendungsbereich des § 2 LIFG. Darunter befinden sich auch die Gemeinden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 LIFG). Das Recht der Einwohner auf Einsichtnahme im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO richtet sich an die Gemeinde. Demnach besteht eine Deckungsgleichheit beim informationspflichtigen Rechtssubjekt. Folglich ist auch diese wesentliche Voraussetzung für die Normenkonkurrenz (vgl. Debus a. a. O. Rn. 182) erfüllt.

c) Gegenstand des Informationszugangs sind nach § 1 Abs. 2 LIFG “amtliche Informationen”. Erfasst ist gemäß § 3 Nr. 3 LIFG jede bei einer informationspflichtigen Stelle bereits vorhandene, amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO vermittelt einen Zugang zu den “Niederschriften” über die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates. Diese “Niederschriften” erfüllen nicht nur die Anforderungen an “amtliche Informationen”, eine Niederschrift ist sogar eine öffentliche Urkunde mit der erhöhten Beweiskraft nach §§ 415 ZPO (BGH, Urteil vom 23.04.2015 – III ZR 195/14NVwZ-RR 2015, 630 Tz. 18; Aker a. a. O. Rn. 9; Bock a. a. O. Rn. 1; Gern/Brüning a. a. O. Rn. 690; Lange a. a. O. Kap. 7 Rn. 209). Auch in Bezug auf den Gegenstand des Informationszugangs deckt sich § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO mit § 1 Abs. 2 LIFG und erfasst einen spezifischen Teil von “amtlichen Informationen” im Sinne des allgemeinen Informationsfreiheitsrechts.

d) Nach den jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen sind § 1 Abs. 2 LIFG und § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO somit durch einen abstrakt identischen sachlichen Regelungsgegenstand gekennzeichnet; eine Normenkonkurrenz liegt daher vor. Hinzu tritt eine Überschneidung im Sinne einer partiellen Deckungsgleichheit bei der Art des Informationszugangs. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 LIFG kann Auskunft erteilt, Akteneinsicht gewährt oder die begehrte Information in sonstiger Weise zur Verfügung gestellt werden. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sieht die “Einsichtnahme” in die Sitzungsniederschriften vor. Auch in diesem Punkt erfasst das Fachrecht eine “Teilmenge” des allgemeinen Informationsfreiheitsrechts.

III.

Der Informationszugang nach § 1 Abs. 2 LIFG wird gemäß § 1 Abs. 3 LIFG von der anderen, d. h. speziellen Rechtsvorschrift verdrängt, sofern der Zugang zu amtlichen Informationen spezialgesetzlich “abschließend geregelt ist”. Ob dies der Fall ist, kann nur auf Grund einer bereichsspezifischen Analyse des einschlägigen Fachrechts beantwortet werden. Die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 LIFG weist zwar darauf hin, spezielle und abschließende Regelungen existierten für öffentliche Sitzungen kommunaler Gremien, betont dann aber, ob und inwieweit “eine andere Regelung abschließend ist, ist eine Frage des Einzelfalles” (so LT-Drs.15/7720, S. 58).

1. Der Kläger könnte sein Informationsbegehren allenfalls dann auf § 1 Abs. 2 LIFG stützen, wenn das zeitlich ältere Gesetz (hier: § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO) deshalb keinen Vorrang hätte, weil das LIFG einen Mindeststandard im Informationsfreiheitsrecht statuierte, der von älterem Fachrecht nicht unterschritten werden darf. Dazu wird im Schrifttum unter Hinweis auf den älteren § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO in der Tat die Auffassung vertreten, diese Vorschrift solle “wohl eher ein Mindestmaß an Transparenz gewährleisten”; eine Beschränkung des Informationszugangs unter die durch das LIFG geschaffenen allgemein gültigen Standards “dürfte damit nicht bezweckt sein” (so Sicko a. a. O. Rn. 35).

Diese spekulativen Überlegungen finden im geltenden Recht keine Grundlage. Dem Vorschlag (zum IFG des Bundes), in einem modernen Informationsfreiheitsgesetz Mindeststandards zu statuieren (Schoch/Kloepfer, Informationsfreiheitsgesetz, IFG-ProfE, 2002, § 2 Rn. 27 ff.), ist der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 3 IFG Bund bewusst nicht nachgekommen (Schmitz/Jastrow NVwZ 2005, 984, 989); folgerichtig erklärt die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 IFG Bund, die vorrangigen Spezialgesetze könnten enger, aber auch weiter als das IFG sein (BT-Drs. 15/4493, S. 8), und konsequenterweise ist es für § 1 Abs. 3 IFG Bund unerheblich, ob fachgesetzliche Informationszugangsrechte vor oder nach dem Inkrafttreten des IFG erlassen worden sind (Debus a. a. O. Rn. 185). Exakt diesem Konzept folgt § 1 Abs. 3 LIFG. Das LIFG bildet keinen Mindeststandard ab, sondern kann durch restriktivere Spezialgesetze verdrängt werden (Beyerbach a. a. O. Rn. 6); dabei kommt es nicht darauf an, ob das Fachrecht älter oder jünger als das LIFG ist (vgl. Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 55).

2. Die sonach angezeigte Einzelanalyse zeigt, dass es sich bei § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO um eine gegenüber § 1 Abs. 2 LIFG vorrangige und abschließende Spezialbestimmung handelt. Die fachgesetzliche Regelung schließt den Informationszugang von “Jedermann” zu “jedweder” Niederschrift über Sitzungen des Gemeinderates in “beliebiger” Art gerade aus und normiert signifikante Restriktionen. Diese verbindlichen Vorgaben des Gesetzes stehen der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG zwingend entgegen.

a) Es ist eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, dass nur die “Einwohner” einer Gemeinde das Recht auf Einsichtnahme in die Niederschriften über Gemeinderatssitzungen haben sollen. Ursprünglich war dieses Recht sogar nur “den Bürgern” (vgl. dazu § 12 GemO) eingeräumt worden (§ 38 Abs. 2 Satz 4 GemO i. d. F. vom 03.10.1983, GBl S. 578). Erst das Gesetz zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts vom 16.07.1998 (GBl S. 418) hat durch seinen Art. 1 Nr. 9 “den Einwohnern” das Einsichtsrecht nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO zuerkannt; Ziel der Gesetzesänderung ist eine Stärkung der Einwohnerrechte gewesen (LT-Drs. 12/2870, S. 18). Fachgesetzlich ist damit entschieden, dass ortsfremden Personen die Einsichtnahme in Niederschriften über Gemeinderatssitzungen nicht gestattet ist (Aker a. a. O. Rn. 13).

Es liegt auf der Hand, dass mit der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG dieses erste Strukturmerkmal des Informationszugangsrechts zu Niederschriften über Gemeinderatssitzungen unterlaufen würde. Eine gezielt herbeigeführte fachgesetzliche Bestimmung kann indessen nach der lex specialis-Regel nicht durch eine allgemeine Informationszugangsregelung “ausgehebelt” werden. Das Normierungspotential des Fachgesetzgebers zeigt zudem der innerdeutsche Rechtsvergleich. So können “auswärts wohnende Personen hinsichtlich ihres Grundbesitzes oder ihrer gewerblichen Niederlassungen im Gemeindegebiet” nach Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BayGO ebenso wie alle Gemeindebürger “Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen” des Gemeinderates nehmen. Derartige spezifische Zuordnungen von Informationsrechten zu einem bestimmten Personenkreis behalten ihre fachgesetzlich normierte Substanz nur, wenn sie gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht als abschließende Spezialregelungen verstanden werden. Die bereits angestellte Strukturüberlegung bestätigt, dass die bereichsspezifische Berechtigung eines gegenüber dem LIFG engeren Personenkreises nachdrücklich für die Annahme einer nicht nur vorrangigen, sondern auch abschließenden Informationszugangsregelung im Fachgesetz spricht (s. o. II. 2. a).

b) Gegenstand des Informationszugangs sind gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO “Niederschriften über die öffentlichen Sitzungen” des Gemeinderates. Damit ist fachgesetzlich definitiv entschieden, dass die Einsichtnahme in die Niederschriften über nichtöffentliche Sitzungen des Gemeinderates den Einwohnern nicht gestattet ist. Diese eindeutige gesetzliche Bestimmung ist keiner Relativierung zugänglich (vgl. zur Parallelregelung in Art. 54 Abs. 3 Satz 2 BayGO VG Würzburg Beschluss vom 19.04.2005 – W 5 E 05.307 – juris Rn. 7 f.). Doch genau dies bewirkte die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG neben § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO (Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 56); denn auch Niederschriften über nichtöffentliche Sitzungen des Gemeinderates enthalten “amtliche Informationen” (§ 3 Nr. 3 LIFG) und unterfielen damit dem allgemeinen Informationszugangsrecht. Im Einzelfall könnte zwar ein Ablehnungsgrund dem Informationszugang entgegenstehen (z. B. § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG), doch gerade diese Verlagerung von Schutzstandards ist Ausdruck der – unzulässigen – Relativierung der durch § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO getroffenen strikten gesetzlichen Entscheidung zur Nichtzugänglichkeit von Niederschriften über nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen für die Einwohner.

Der abschließende rechtsnormative Gehalt des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO würde nicht etwa dadurch in Frage gestellt, falls die Sitzung vom 01.12.2016 – wie der Kläger meint – nichtöffentlich habe gar nicht stattfinden dürfen. Der Kläger behauptet einen Verstoß der Beklagten gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO und zieht daraus die Schlussfolgerung, auf Grund des – behaupteten – rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten müsse die Niederschrift über die Sitzung vom 01.12.2016 zugänglich sein. Die “Rechtmäßigkeit” oder die “Rechtswidrigkeit” des einer amtlichen Information zu Grunde liegenden Verhaltens von Amtsträgern ist indessen keine Kategorie des allgemeinen Informationsfreiheitsrechts (Senatsurteil vom 16.05.2017 – 10 S 1478/16NVwZ 2018, 750 Tz. 33; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 28.02.2019 – 7 C 23.17NVwZ 2019, 978 Tz. 18). Darin weicht das besondere Informationszugangsrecht, wie etwa § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zeigt, mitunter ab. Ein entsprechender gesetzlicher Anhaltspunkt fehlt im vorliegenden Zusammenhang. Deshalb kommt es hier nicht darauf an, ob die fragliche Gemeinderatssitzung möglicherweise unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO als nichtöffentliche Sitzung stattgefunden hat oder als nichtöffentliche Sitzung durch § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO gedeckt gewesen ist.

c) § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gestattet den Informationszugang zu den Niederschriften nur in Gestalt der “Einsichtnahme”. Ein Recht auf Mehrfertigungen oder Ablichtungen von Niederschriften steht den Einwohnern nicht zu; darüber befindet die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen (Brenndörfer in BeckOK, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 7. Edition 01.08.2019, § 38 GemO Rn. 15; Krebs, Der kommunale Öffentlichkeitsgrundsatz, 2016, S. 212; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 11. Aufl., § 14 Rn. 189). Das Recht auf “Einsichtnahme” ist eine definitive Festlegung des Gesetzgebers und schließt andere Arten des Informationszugangs als Folge eines Anspruchs aus. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs schon vor geraumer Zeit geklärt und betont, § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO stehe einer Herleitung sonstiger Arten des Informationszugangs auf Grund “anderer gesetzlicher Regelungen” entgegen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.01.1976 – I 1494/75 – Entscheidungsabdruck S. 4).

Auch diese fachgesetzliche Bestimmung könnte unterlaufen werden, wäre § 1 Abs. 2 LIFG neben § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO anwendbar. Denn ein allgemeines Informationszugangsrecht hat nicht nur die in § 7 Abs. 5 Satz 1 LIFG vorgesehenen Arten des Informationszugangs zur Folge, sondern gibt der antragstellenden Person zudem ein Recht auf die Wahl einer bestimmten Art des Informationszugangs, wovon seitens der informationspflichtigen Stelle nur aus wichtigem Grund abgewichen werden kann (§ 7 Abs. 5 Satz 2 LIFG). Es liegt auf der Hand, dass auch diese Regelung des LIFG weit über das spezifische Zugangsrecht gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO hinausgeht. Dies zeigt ebenfalls, dass dem Fachrecht gegenüber dem LIFG eine abschließende Wirkung zu attestieren ist.

3. Unabhängig davon hätte der Kläger selbst im Fall der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 LIFG keinen Anspruch auf Zugang zu der begehrten Information. Die durch Rechtsvorschriften geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 LIFG stehen dem Informationszugang entgegen (Debus in ders., Informationszugangsrecht Baden-Württemberg, 2017, § 4 LIFG Rn. 118 f., 124). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim bleibt, was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss (BVerwG, Urteil vom 29.10.2009 – 7 C 22.08NVwZ 2010, 321 Tz. 46 zur Parallelbestimmung in § 3 Nr. 4 Var. 1 IFG Bund).

Zum Geheimnisschutz in diesem Sinne können auch Bestimmungen der Gemeindeordnung gehören (LT-Drs. 15/7720, S. 68). Auf § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO trifft dies in Bezug auf Niederschriften über nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen bei Informationszugangsbegehren von Einwohnern zu. Derartige Niederschriften sind gegenüber Transparenzforderungen von Einwohnern gesetzlich geschützt. Dabei handelt es sich ausweislich der in § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO getroffenen Regelung nicht nur um einen relativen – etwa durch einen Abwägungsvorbehalt eingeschränkten – Schutz, vielmehr ist der gesetzliche Schutz umfassend ausgestaltet. Demnach statuiert § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 LIFG eine Rechtsvorschrift mit einer Geheimhaltungspflicht, soweit – wie im vorliegenden Fall – die Einsichtnahme in die Niederschrift über eine nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates begehrt wird.

IV.

Die abschließende Regelung der Einsichtnahme in die Niederschriften über Gemeinderatssitzungen durch Einwohner gemäß § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO führt nach der Rechtsfolgeanordnung des § 1 Abs. 3 LIFG zu einer Sperrwirkung, die den Rückgriff auf § 1 Abs. 2 LIFG ausschließt. Der Informationszugang bestimmt sich ausschließlich nach der fachgesetzlichen Regelung. Dass die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt sind, ist bereits dargelegt worden (s. o. I.).

Umfänglich wird das LIFG durch das Fachgesetz im Rahmen der sachlichen Reichweite der speziellen Informationszugangsregelung verdrängt; außerhalb des Regelungsgehalts einer fachgesetzlichen Bestimmung bleibt das LIFG anwendbar. Diese differenzierte Rechtsfolgeanordnung des § 1 Abs. 3 LIFG missversteht der Kläger, wenn er unter Heranziehung einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen meint, jedenfalls die Rechtsfolge des § 1 Abs. 3 LIFG erlaube ungeachtet des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO den Rückgriff auf § 1 Abs. 2 LIFG. In jener Entscheidung (Urteil vom 17.05.2006 – 8 A 1642/05NWVBl 2006, 292, 294) ist u. a. ausgeführt:

“Die Nichtöffentlichkeit der Rats- und Ausschusssitzungen soll die Vertraulichkeit der Beratung gewährleisten. Dieser Schutz erstreckt sich aber nicht auf das Beratungsergebnis und die Beratungsgrundlagen. Soweit die Beratungsgrundlagen lediglich Fakten darstellen und keinen Rückschluss auf den Beratungsverlauf und den Prozess der Willensbildung geben, greift die Schutzfunktion der Nichtöffentlichkeit der Sitzung nicht ein.”

Aus diesen Ausführungen wird im Schrifttum der Schluss gezogen, nach allgemeinen Informationszugangsregelungen bleibe für jedermann “die Einsicht in Grundlagen und Niederschriften dieser Beratungen, die den Verhandlungsgang nicht widerspiegeln, […] möglich” (so Sicko a. a. O. Rn. 35; zustimmend Beyerbach a. a. O. Rn. 12; kritisch dazu Hornfischer/Schubert, VBlBW 2020, 51, 55).

Der Senat kann unentschieden lassen, ob die Annahmen zum nordrhein-westfälischen Landesrecht auf das hiesige Landesrecht übertragbar sind. Dahinstehen kann ferner, dass es dort um die Reichweite des Schutzes einer nichtöffentlichen Sitzung ging, während hier die Niederschrift über eine nichtöffentliche Sitzung in Rede steht. Entscheidend ist, dass der Kläger nicht etwa – was gar nicht Regelungsgegenstand des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist – Zugang zu Unterlagen (Beratungsgrundlagen) einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung beantragt, sondern Einsicht in die Niederschrift als solche über die nichtöffentliche Sitzung vom 01.12.2016 begehrt. Deshalb kann hier offenbleiben, ob Schutzgut einer nichtöffentlichen Sitzung nur der Beratungsprozess ist oder ob auch Beratungsunterlagen (Beratungsgrundlagen) und das Beratungsergebnis erfasst werden; dazu verhält sich § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO nicht. Wohl aber schließt diese Bestimmung, wie dargelegt, die Einsichtnahme eines Einwohners in die Niederschrift über eine nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates aus. Allein darum geht es im vorliegenden Zusammenhang, sodass dem auf § 1 Abs. 2 LIFG gestützten Anspruch § 1 Abs. 3 LIFG i. V. m. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO entgegensteht (ebenso zur parallelen Rechtslage gemäß § 3 IZG SH i. V. m. § 41 Abs. 3 GO SH, Dehn in Bülow u. a., Kommunalverfassungsrecht Schleswig-Holstein, EL 64 August 2018, § 41 GO Rn. 18). Unverändert Bestand hat demnach die Feststellung, § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO enthalte eine “abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Einsichtnahme in Niederschriften über öffentliche Sitzungen” des Gemeinderates (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.01.1976 – I 1494/75 – Entscheidungsabdruck S. 4).