vorgestellt von Thomas Ax
Ein Vergabeverfahren zur Bestellung eines Erbbaurechts ist ein öffentlicher Bauauftrag bzw. eine Baukonzession, wenn der Auftraggeber entscheidenden Einfluss auf die Art und die Planung des zu errichtenden Bauwerks nimmt und die Nutzung des Bauwerks dem Auftraggeber unmittelbar zugute kommt.
VK Berlin, Beschluss vom 14.03.2022 – VK B 2-40/21
Der Anwendungsbereich des Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist vorliegend eröffnet. Dies beruht allerdings nicht bereits auf einer Selbstbindung des Antragsgegners durch die Bekanntmachung. Die Vergabekammer ist vielmehr verpflichtet, die Eröffnung des Anwendungsbereichs und ihre Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen (vgl. auch Dittmann, in: Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, § 155 GWB, Rn. 19 m.w.N.). Der Antragsgegner ist unzweifelhaft öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB beziehungsweise Konzessionsgeber im Sinne des § 101 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
Bei dem streitgegenständlichen Auftrag handelt es sich zudem um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1, 3 GWB beziehungsweise um eine Baukonzession im Sinne von § 105 GWB. Insbesondere handelt es sich hier nicht um ein bloßes Erbpachtgeschäft ohne eingekapselte Beschaffung. Der Antragsgegner nimmt vielmehr durch die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens sowie die vorgesehenen vertraglichen Vereinbarungen entscheidenden Einfluss auf die Art und Planung des zu errichtenden Bauwerks. So sieht Ziff. 5.3 des “Exposé” unter anderem Folgendes vor:
“Angedacht ist in diesem Zusammenhang die Errichtung von Arbeitsräumen zur künstlerischen und/ oder kulturellen Nutzung (z.B. Ateliers, Proberäume für Musik) in einem Umfang von mindestens 400 m² BGF. Die Flächen für diese Nutzungsart müssen über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages zur Verfügung gestellt werden”.
Abgesichert wird diese Einwirkung des Antragsgegners auf die Art und Planung des Bauwerks durch entsprechende vertragliche Abreden im Erbbaurechtsvertrag, insbesondere durch die Verpflichtungen zum Bau und zur Nutzung entsprechend des vorgelegten Konzepts in §§ 5, 7 Abs. 1 des Vertrages, die wiederum im Fall der Missachtung mit Vertragsstrafen sanktioniert und mit Rücktrittsmöglichkeiten belegt werden. Damit handelt es sich im Ergebnis um eine eindeutig einklagbare Bauverpflichtung (dazu etwa EuGH, Urteil vom 25. März 2010 – Rs. C-451/08, NZBau 2010, 321, 325) entsprechend der Vorgaben des Antragsgegners. Die Zielerreichung der vom Antragsgegner definierten Planungsziele ist zudem Gegenstand der Wertungsentscheidung. Die Errichtung des geplanten Bauwerks und dessen Nutzung kommen dem Antragsgegner auch unmittelbar zugute (zur Auslegung dieses Merkmals vgl. etwa Mädler, in: Säcker/Ganske/Knauff, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, Bd. 3, VergabeR I, 4. Auflage 2022, § 103 GWB, Rn. 147 ff. m.w.N.). Abgesehen von dem Umstand, dass das Bauwerk nach Ablauf der Erbbaupacht in das Eigentum des Antragsgegners übergeht, befreit es ihn insbesondere davon, der von ihm im Rahmen der Daseinsvorsorge wahrgenommenen Aufgabe der Stellung von Räumen für Kunst und Kulturschaffende selbst nachkommen zu müssen. Damit geht die Einwirkung des Antragsgegners deutlich über diejenige im Rahmen bloßer städtebaulicher Vorgaben hinaus.
Angesichts der vorliegend nur beschränkten Erkenntnisse der Vergabekammer insbesondere zur Refinanzierung des Erbbaurechtsnehmers, des wirtschaftlichen Wertes des Erbbaurechts etc. bleibt im Ergebnis offen, um welche Art von Auftragsverhältnis – öffentlicher Auftrag oder Konzession – es sich hier konkret handelt. Dies ist aber unschädlich, da dies für die weitere rechtliche Bewertung nicht streitentscheidend ist. Dies gilt auch für die notwendige Gegenleistung des Antragsgegners. Diese kann etwa sowohl in der Überlassung des Grundstücks und der Einräumung des Nutzungsrechts, gegebenenfalls im Hinblick auf die Regelungen zum Erbbauzins auch zu einem verminderten Satz, als auch in der Ermöglichung der Refinanzierung des Vertragspartners durch Mieteinnahmen auf dem angespannten Berliner Immobilienmarkt gesehen werden.
Sowohl der für Bauaufträge maßgebliche Schwellenwert des § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 lit. a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG als auch der für Konzessionen nach § 106 Abs. 2 Nr. 4 GWB i.V.m. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe werden erreicht. So hat etwa die Antragstellerin mit Investitionskosten in Höhe von rund … Mio. EUR kalkuliert. Der Wert der Bauleistung beziehungsweise Konzession überschreitet damit die relevanten Schwellenwerte bei Weitem. Die angerufene Vergabekammer des Landes Berlin ist danach zuständig.