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VK Bund: Auftraggeber ist frei in seiner Entscheidung, dass er das Leistungsversprechen der Bieter einschließlich der Erfüllung bestimmter Zuschlagskriterien mithilfe einer Teststellung überprüft (1. Vergabekammer des Bundes VK 1 - 63/23)

vorgestellt von Thomas Ax

Der öffentliche Auftraggeber bestimmt, was er beschafft. Er bestimmt ebenfalls grundsätzlich selbst, wie er bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots vorgeht oder die Einhaltung des ausgeschriebenen Leistungssolls sicherstellt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19; OLG München, Beschluss vom 2. November 2012, Verg 26/12). Dabei kann er auf das allgemeine Leistungsversprechen, das ein Bieter mit seinem Angebot abgibt, die ausgeschriebene Leistung im Zuschlagsfall vertragskonform zu erbringen, vertrauen. Genau so ist ein Auftraggeber aber auch frei in seiner Entscheidung, dass er das Leistungsversprechen der Bieter einschließlich der Erfüllung bestimmter Zuschlagskriterien mithilfe einer Teststellung überprüft (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 22. April 2020, VII-Verg 34/19; und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19 jeweils m.w.N.).

Die Grenzen dieses Leistungsbestimmungsrechts sind dann überschritten, wenn für diese Vorgehensweise des Auftraggebers tatsächlich keine nachvollziehbaren und auftragsbezogenen Gründe vorliegen und einzelne Wirtschaftsteilnehmer diskriminiert werden (s. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2018, VII-Verg 30/18 m.w.N.). Bspw als Grund die Vermeidung von bei neu entwickelter Software nicht ungewöhnlichen Funktionalitätsdefiziten, die den rechtzeitigen Einsatz der Software gefährden, anzuführen, ist objektiv nachvollziehbar. Die Entscheidung in einem solchen Fall, eine Teststellung durchzuführen, ob und inwieweit das von einem Bieter angebotene Produkt den Beschaffungsbedarf erfüllen wird, ist vergaberechtskonform (so zur Anerkennung von Vorgaben zur Verringerung von Risikopotentialen (Fehlfunktionen, Umstellungsaufwand etc.) auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2017, VII-Verg 36/16).

Bei einer solchen Teststellung werden auch nicht unzulässigerweise Eignungs- und Angebotsprüfung miteinander vermischt. Die Eignungsprüfung betrifft die generellen Fähigkeiten der Unternehmen, die sich an einem Vergabeverfahren beteiligen (in wirtschaftlicher, finanzieller, technischer und beruflicher Hinsicht, vgl. nur §§ 44 bis 46 VgV). Demgegenüber geht es bei der durchzuführenden Teststellung um die Prüfung, ob die von einem Bieter konkret angebotene Leistung bestimmte Anforderungen erfüllt oder nicht. Letzteres ist zulässiger Bestandteil der Angebotswertung und findet also auf der sog. 1. oder 4. Wertungsstufe statt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2018, VII-Verg 30/18 m.w.N.).

Der Durchführung einer Teststellung vor Zuschlagserteilung steht auch nicht entgegen, dass dies dazu führt, dass jedenfalls die zu testenden Teile der angebotenen Leistung bereits zum Zeitpunkt der Teststellung vorhanden sein müssen.

Denn Angebote in Vergabeverfahren sind nicht stets darauf gerichtet, dass die zu beschaffende Leistung erst nach Vertragsschluss hergestellt werden muss. Dies ist zwar bei Bau- und Dienstleistungen regelmäßig so und mag häufig auch beim Kauf von Fertigprodukten der Fall sein. Allerdings kann es einem öffentlichen Auftraggeber, der für die Deckung seines Bedarfs an das Vergaberecht gebunden ist, ebenso wenig verwehrt sein, ein Produkt zu beschaffen, das in Bezug auf grundlegende Funktionalitäten bereits existiert und nach Vertragsschluss lediglich noch bestimmten Anpassungsleistungen unterliegt. Das Vergaberecht bestimmt nicht, was der Auftraggeber beschafft, sondern regelt nur das „Wie“ der Beschaffung (std. Rspr., s. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2017, VII-Verg 36/16 m.z.N.) – anderenfalls wäre es einem öffentlichen Auftraggeber unmöglich, einen solchen Bedarf wie hier überhaupt zu decken.

Umgekehrt betrachtet spricht gegen die Zulässigkeit einer Teststellung hier ebenfalls nicht, dass jedenfalls ein Teil der ausgeschriebenen Software erst nach Zuschlagserteilung zu entwickeln ist ([…] und durch Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der zum Einzelabruf berechtigten Behörden das […]). Der Erkenntniswert einer solchen Teststellung ist dann zwar naturgemäß auf den im Zeitpunkt der Teststellung vorhandenen Entwicklungsstand der Software beschränkt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19). Es besteht ein anzuerkennendes Interesse daran, die grundsätzliche Tauglichkeit der versprochenen Leistung bereits in diesem frühen Stadium zu verifizieren (vgl. zu ähnlichen Sachverhalten OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, und vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Januar 2014, 15 Verg 10/13).

Dem Umstand, dass eine Vorgabe hoher Leistungsanforderungen, die bereits zum Zeitpunkt der Teststellungen erfüllt sein müssen, wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben kann, weil sie den Kreis der potentiellen Bieter einschränkt, kann gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Festlegung der zu testenden Kriterien Rechnung getragen werden.