Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

VK Bund zu der Frage, dass der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben kann, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist

1. Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich in der Bestimmung ihres Beschaffungsgegenstandes frei; dieser muss gleichwohl willkür- bzw. diskriminierungsfrei festgelegt worden sein und sich aus sachlichen und auftragsbezogenen Gründen rechtfertigen lassen.
2. Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist. Dieser eng auszulegende Ausnahmetatbestand verlangt, dass der öffentliche Auftraggeber anhand einer hinreichend dokumentierten Markterkundung nachweisen muss, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe der Auftrag objektiv nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann.
3. Soll der Zuschlag ohne vorherige Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens direkt an ein Unternehmen vergeben werden, bedarfs es eines objektiv feststellbaren wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers gerade an dem konkreten Auftrag.
4. Die Antragsbefugnis entfällt. wenn ein Unternehmen nicht mehr bereit ist, den ausgeschriebenen Auftrag mit dem vom Auftraggeber vorgesehenen Inhalt abzuschließen, und das auch hinreichend zu erkennen gibt; die bekundete Bereitschaft, den Auftrag nur mit einem davon abweichenden Inhalt annehmen zu wollen, führt daher grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags.
VK Bund, Beschluss vom 28.01.2025 – VK 2-109/24

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerinnen (Ag), allesamt gesetzliche Krankenkassen, veröffentlichten am […] die im Betreff genannte unionsweite Ex-ante-Transparenzbekanntmachung für die Beschaffung einer Plattform für dermatologische Telekonsultationen im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV von der Beigeladenen (Bg). Das Vergabeverfahren wird von der Ag zu 1) als Vergabestelle im Auftrag aller Ag zu 2) bis 5) durchgeführt.

Den Gegenstand des Auftrags definierte die Ag im Vergabevermerk vom 20. November 2024 und entsprechend in Ziff. 5.1 der Transparenzbekanntmachung […] wie folgt:

“Ausgeschrieben wird eine Plattform für dermatologische Telekonsultationen, bei der Versicherte direkt bei einem teilnehmenden Dermatologen orts- und zeitungebunden eine Anfrage zu ihrer Hautläsion stellen können und bei Bedarf in eine anschließende Vor-Ort-Versorgung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durch den gleichen Dermatologen überführt werden kann. Innerhalb von 48h erhalten die Versicherten eine fachärztliche Befundung. Diese beinhaltet eine Therapieempfehlung, ggf. eine Diagnose und bei Bedarf eine Verordnung eines verschreibungspflichtigen Medikamentes im Rahmen eines Kassenrezepts. …”

Die Bg und die ASt betreiben beide Applikationen, die z.B. mittels eines Smartphones bzw. Computers genutzt werden können, um auf Patientenseite Fotografien von Hautproblemen anzufertigen, um diese an einen Facharzt zu senden und von diesem begutachten zu lassen und eine entsprechende Befundung und Therapieempfehlung zu erhalten. Die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle von ASt und Bg unterscheiden sich allerdings. Die Bg stellt ihr Tool niedergelassenen Fachärzten zur Verfügung, die mittels der App der Bg eine teledermatologische Begutachtung vornehmen. Die Bg arbeitet zu diesem Zweck auf vertraglicher Basis mit einer hohen Zahl von kassenärztlich zugelassenen niedergelassenen Fachärzten bundesweit zusammen. Ein Patient kann sich mit seinem Anliegen über die App der Bg direkt an einen dieser Fachärzte wegen einer teledermatologischen Untersuchung wenden und bei einer etwaig erforderlichen Vor-OrtUntersuchung bzw. Weiterbehandlung zu diesem ausgewählten Arzt in die Praxis zu einem VorOrt-Termin kommen.

Die ASt arbeitet dagegen mit einem fest angestellten Team von 22 Fachärzten zusammen, von denen nicht alle kassenärztlich zugelassen sind. Diese führen die teledermatologischen Begutachtungen mit der von der ASt bereit gestellten App selbst durch, wenn sich ein Patient mittels der App an die ASt wendet. Diese Patienten werden einem der bei der ASt angestellten Fachärzte zugewiesen. Für den Fall, dass nach der teledermatologischen Begutachtung durch die angestellten Fachärzte der ASt ein Vor-Ort-Besuch bei einem niedergelassenen Facharzt erforderlich wird, empfiehlt die ASt den Patienten für eine ortsnahe Weiterbehandlung einen niedergelassenen Facharzt, der nicht mit den festangestellten Ärzten der ASt identisch ist. Die ASt kooperiert zu diesem Zweck nach eigenen Angaben mit über 300 Fachärzten bundesweit.

Für die zu beschaffende Leistung dokumentierten die Ag im Vergabevermerk die folgenden Kriterien:

– Medizinprodukt nach Klasse IIa oder höher gemäß EU-MedizinprodukteVO oder im entsprechenden Zertifizierungsprozess befindlich unter der Voraussetzung, dass es bereits ein Medizinprodukt der Klasse I gemäß der RL 93/42/EWGjeweils ist, jeweils zu Vertragsbeginn;

– Plattformfunktion für Vertragsärzte;

– freie Arztauswahl und verfügbare Dermatologen (mit abrufbaren individuellen Profilen auf der Homepage des Anbieters) in jedem Bundesland;

– nahtlose, bruchfreie Versorgung

– mehr als 300 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen in Deutschland, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind;

– davon mehr als 30 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkasse, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind. Die Entfernung zum vor Ort ausgewählten Hautarzt sollte nicht mehr als 90-120 Minuten betragen (Regionale Präsenz).

Die Ag hatten im Zeitraum August bis Mitte November 2024 zum Zweck einer Markterkundung eine Internetrecherche durchgeführt. Die Erkenntnisse der Markterkundung bei den Internetseiten der betrachteten Unternehmen fassten die Ag mit Stand vom 18. November 2024 tabellarisch zusammen, darunter waren auch die Bg und die ASt, und dokumentierten die entsprechende Tabelle in der Vergabeakte. Die Ag vermerkten zu jedem betrachteten Unternehmen, ob die aufgestellten Kriterien erfüllt werden oder nicht und begründeten dies. Für die Bg dokumentierten die Ag, dass diese mit ihrem Produkt alle Kriterien erfülle, wozu sich entsprechende Begründungserwägungen finden. Die ASt erfülle danach die folgenden Kriterien nicht: Plattformfunktion für Vertragsärzte, nahtlose, bruchfreie Versorgung, mehr als 300 auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen in Deutschland, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind, davon mehr als 30 auswählbare niedergelassene Dermatologen pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkassen.

Die Anforderung eines Medizinproduktes nach Klasse IIa oder höher oder im Zertifizierungsprozess unter der Voraussetzung befindlich, dass bereits ein Medizinprodukt der Klasse I zu Vertragsbeginn vorliege (jeweils zu Vertragsbeginn), sah die Ag nach ihren dokumentierten Erwägungen zur Markterkundung für die Bg und die ASt jeweils als erfüllt an.

Hinsichtlich der nahtlosen, bruchfreien Versorgung hielten die Ag zur ASt fest:

“nein,

– Erstbefundung erfolgt durch angestellte Hautärzte,

– bei Notwendigkeit der vor Ort Konsultation erfolgt eine Weiterbehandlung durch anderen Arzt

– Ausstellung von Privatverordnungen auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln”.

Zur Anforderung “> 300 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen…” vermerkten die Ag zur ASt:

“nein

Netzwerk von > 300 niedergelassenen Dermatologen steht lediglich für die physische Weiterbehandlung zur Verfügung, führt aber nicht die Erstbegutachtung durch”.

Die Ergebnisse ihrer Recherche fassten die Ag im Vergabevermerk zusammen, die sie auch in der o.g. Transparenzbekanntmachung veröffentlichten.

Danach habe sich ergeben, dass der Auftrag nur von der Bg ausgeführt werden könne, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden sei. Die Bg sei eng mit der ambulanten Regelversorgung verzahnt und arbeite ausschließlich mit niedergelassenen Dermatologen zusammen. Das Modell der Bg ermögliche einen nahtlosen Übergang in die Regelversorgung und sei einzigartig, er hebe sich deutlich von Anbietern ab, die ausschließlich, überwiegend oder nur räumlich begrenzt auf angestellte Telemedizin-Ärzte ohne Niederlassungen setzten. Solche Anbieter böten keine direkte Anbindung an die flächendeckende Regelversorgung und könnten daher nicht Vertragspartner werden. Die Bg verfüge über ein Netzwerk von über 450 Vertragsärzten und biete damit eine flächendeckende teledermatologische Versorgung mit niedergelassenen Dermatologen in ganz Deutschland. Wettbewerber, die auf angestellte Telemedizin-Ärzte setzten, schüfen Parallelstrukturen, die nicht in die Regelversorgung integriert seien. Derartige Modelle liefen Gefahr, eine separate Versorgungsebene ohne Anbindung an das gesetzliche Gesundheitssystem zu schaffen. Dies führe zu einem Bruch in der Versorgungskette, die die Bg vermeide. Die Bg stelle die Integration in die Regelversorgung sicher und verkürze die Wartezeiten für die Patienten. Die Patienten könnten bei der Bg aufgrund der ausreichenden Anzahl teilnehmender Vertragsärzte ihren regionalen Arzt frei wählen. Die freie Arztwahl sei in der Regelversorgung den gesetzlichen Versicherten garantiert. Diese flexible Wahlmöglichkeit fehle anderen Anbietern. Auch die Möglichkeit, E-Rezepte auszustellen, sei ein wesentlicher Vorteil, da die Patienten ihre Medikamente ohne zusätzliche Kosten über die gesetzliche Krankenversicherung beziehen könnten. Andere Unternehmen könnten keine vergleichbare Abwicklung bieten. Die Diagnosen und Behandlungen würden bei der Bg ausschließlich durch qualifizierte niedergelassene und kassenärztlich zugelassene Fachärzte für Dermatologie durchgeführt. Andere Anbieter hätten keine gleichwertige, homogene Expertise.

Für die Ag sei wichtig, dass der Anbieter qualitativ hochwertige digitale Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften erbringe. Der Anbieter müsse für die teledermatologische Untersuchung für Diagnostik und Befund eine Plattform verwenden, die die Eigenschaft eines Medizinproduktes der Risikoklasse IIa oder höher nach der EU-MedizinprodukteVO (MDR – Medical Device Regulation) erfülle oder sich im entsprechenden Zertifizierungsprozess befinde, unter der Voraussetzung, dass es sich um ein Medizinprodukt der Klasse I gemäß RL 93/42/EWG (Medizinprodukterichtlinie, MDD, Medical Device Directive) handele. Die Bg erfülle diese Voraussetzung.

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25. November 2024 rügte die ASt die beabsichtigte Auftragserteilung an die Bg.

Die Ag wiesen die Rüge der ASt mit Schreiben der Ag zu 1) als Vergabestelle vom 27. November 2024 zurück.

2. Die ASt beantragt mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29. November 2024, eingegangen bei der Vergabekammer des Bundes und von dort an die Vergabestelle übermittelt am gleichen Tag, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

a) Die ASt weist zum Sachverhalt darauf hin, dass die Ag zu 1), 2), 3) und 5) bereits im Dezember 2022 eine entsprechende Direktvergabe an die Bg durchgeführt hätten, woraufhin die ASt im April 2023 mit der Ag zu 1) das Gespräch gesucht habe und die Vergaberechtswidrigkeit dieser Vorgehensweise geltend gemacht habe. Entsprechendes sei hinsichtlich der Ag zu 4) geschehen, die auf entsprechende Rüge der ASt einer geplanten Direktvergabe an die Bg abgeholfen habe und im April 2024 ein wettbewerbliches Vergabeverfahren im offenen Verfahren eingeleitet habe. Die ASt habe auch dieses Vorgehen in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren als vergaberechtswidrig gerügt, weil die Ausschreibungsbedingungen nach Ansicht der ASt auf die Bg zugeschnitten gewesen seien. Die Ag zu 4) habe auch insoweit abgeholfen und das offene Verfahren aufgehoben.

Die ASt hält sich für antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Entgegen der Auffassung der Ag sei die ASt am Auftrag interessiert, ihr drohe durch die Beauftragung der Bg eine Verletzung ihrer Zuschlagschancen. Die ASt sei ein im Bereich der Teledermatologie tätiges Unternehmen und vollständig in der Lage, die nachgefragten Leistungen zu erbringen. Es sei unerheblich, dass sich einzelne Aspekte im Geschäftsmodell von ASt und Bg unterschieden. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sie in erster Linie daran interessiert sei, auf Basis ihres Geschäftsmodells anbieten zu können. Sie sei aber auch für den Fall der Beibehaltung des derzeit seitens der Ag nachgefragten und von der Bg angebotenen Modells in der Lage, ihr Modell zu adaptieren und entsprechend anzubieten, so grundsätzlich auch gegenüber den Ag. Sie habe auch in diesem Fall ein Auftragsinteresse.

In der Sache hält die ASt die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit.

b) VgV für nicht gegeben. Es sei insofern nicht festzustellen, dass die nachgefragte Leistungserbringung durch andere Marktteilnehmer außer der Bg objektiv unmöglich sei bzw. die technischen Besonderheiten des Angebots der Bg von derart herausragender Bedeutung seien, dass abweichende Angebote anderer Marktteilnehmer keine vernünftige Alternative zur Erreichung des Beschaffungszwecks mehr darstellten; die Anforderungen des § 14 Abs. 6 VgV seien nicht eingehalten, sondern die Auftragsvergabeparameter durch die Anforderungen der Ag künstlich eingeschränkt worden. Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle unterschieden sich letztlich nur graduell, aber nicht wesentlich voneinander. Nur graduelle Unterschiede begründeten aber keinen technisch fehlenden Wettbewerb. Hierzu führt die ASt im Einzelnen aus:

– Es treffe nicht zu, dass – wie die Ag behaupteten – die ASt keine freie Arztwahl ermögliche. Die freie Arztwahl sei auch keine technische Besonderheit von überragender Bedeutung. Zwar erfolge die teledermatologische Behandlung durch bei der ASt fest angestellte Ärzte. Für eine etwaige erforderliche Weiterbehandlung vor Ort könne der Patient frei zwischen den ärztlichen Kooperationspartnern der ASt wählen, was bei der Bg nicht anders sei. Der Grundsatz der freien Arztwahl sei bei Bg und ASt gleichermaßen eingeschränkt, weil nicht alle in Deutschland zugelassenen Dermatologen eine teledermatologische Behandlung anböten. Die ASt könne aber in diesem Rahmen auch eine freie Wahl des Arztes gewährleisten. Es sei zwar so, dass die ASt dem jeweiligen Patienten automatisch einen der fest angestellten Ärzte zuweise. Dies werde von der ASt als vorteilhaft bewertet, um eine schnelle Behandlung über das ganze Jahr zu gewährleisten. Die Bg garantiere lediglich eine werktägliche Antwort innerhalb von 48h. Diese feste Zuordnung bei der ASt sei aber nicht zwingend, sondern es könne auf Anforderung in einem Vergabeverfahren mindestens eine Auswahl zwischen den fest angestellten Fachärzten ermöglicht werden. Es sei ferner technisch möglich, die teledermatologische Behandlung durch die Kooperationsärzte erbringen zu lassen.

Schließlich könne die freie Arztwahl eine Direktvergabe nicht rechtfertigen, weil dieser in inhaltlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht vielfach eingeschränkt sei und ohnehin nur für die kassenärztlich zugelassenen Ärzte gelte. Ferner schränke der Grundsatz der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V die freie Arztwahl ein. § 75 SGB V lasse prinzipiell erkennen, dass kein Anspruch auf freie Arztwahl statuiert werde, sondern die Grenzen der Wahlmöglichkeiten der Versicherten.

Es sei zudem aus sachlichen Gründen nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen eine freie Arztwahl im Bereich der Teledermatologie vorzugswürdig sei. Das Geschäftsmodell der ASt stelle gerade eine hohe Beratungsqualität durch die festangestellten Ärzte sicher, diese hätten die für den Umgang mit den zur Anwendung kommenden Apps und den zu beachtenden Besonderheiten eine entsprechende Expertise. Im Falle einer vor Ort erforderlichen Weiterbehandlung könne der Patient im Modell der ASt den behandelnden Arzt frei wählen. Die ASt habe Kooperationen mit mehr als 300 Fachärzten deutschlandweit abgeschlossen, die bei Bedarf vermittelt werden könnten.

– Es treffe ferner nicht zu, dass es der ASt an einem äquivalenten Netzwerk fehle. Die von den Ag definierte Mindestanzahl an Dermatologen von mehr als 300 frei auswählbaren und kassenärztlich zugelassenen Dermatologen bzw. mehr als 30 frei auswählbaren und kassenärztlich zugelassenen Dermatologen für jedes an der Ausschreibung beteiligte Bundesland sei nicht nachzuvollziehen, diese Vorgabe sei diskriminierend. Die Ag hätten diese Zahlen nicht konkret begründet, sie seien so ausschließlich aufgestellt worden, um die Bg zu bevorzugen. Vielmehr zeige ein Abgleich mit den von der Bg angegebenen Vertragsärzten, dass die Ag die Anzahl an Vertragsärzten je Bundesland an den Zahlen der Bg orientiert habe.

– Eine von den Ag reklamierte bruchfreie Versorgung sei keine technische Besonderheit von überragender Bedeutung. Diese sei bei dem Geschäftsmodell der ASt nicht in Frage gestellt. Auch bei der ASt würden sämtliche Informationen, die im Rahmen einer teledermatologischen Behandlung ausgetauscht worden seien, an einen vor Ort weiterbehandelnden Arzt in einem Arztbrief weitergegeben. Das Modell der ASt sei medizinisch sinnvoll, weil sich ein weiter behandelnder Arzt im Sinne einer Zweitmeinung den jeweiligen Fall ansehe. Doppeluntersuchungen gebe es nur, wenn der weiterbehandelnde Arzt eine abweichende Meinung zur Diagnose bzw. Weiterbehandlung habe. Dass, wie die Ag meinten eine Versorgung durch einen niedergelassenen Arzt elementar für die Leistungserbringung sei, überzeuge nicht als Rechtfertigung der Direktvergabe, so dass das Geschäftsmodell der Bg auch nicht von überragender Wichtigkeit für eine bruchfreie Versorgung sein könne. Der Behandlungserfolg werde in erster Linie sichergestellt durch eine qualifizierte ärztliche Diagnose und einen darauf abgestimmten Behandlungsplan. Die besonderen Vorteile der teledermatologischen Behandlung wie eine niedrigschwellige und schnelle Fernbehandlung und Entlastung der Praxen vor Ort blieben außer Betracht, wenn die Ag unbedingt forderten, dass der Patient im Anschluss an die teledermatologische Behandlung in der entsprechenden Arztpraxis vorstellig werden müsse und – wie bei der Bg – keine Rückfragen an den teledermatologisch behandelnden Arzt vorgesehen seien. Die teledermatologische Behandlung sei ein sehr neues Feld der niedrigschwelligen ärztlichen Konsultation und zeichne sich gerade dadurch aus, dass eine sich anschließende Vor-Ort-Behandlung möglichst vermieden und somit ein bruchfreier Vor-OrtBesuch beim Facharzt gar nicht erforderlich werden solle. Die Ag zu 1) spreche in einer Pressemitteilung […]davon, dass fast 90% der Teleanfragen komplett digital bearbeitet und abgeschlossen werden könnten. Es sei zudem dem § 27b SGB V nicht zu entnehmen, dass eine ärztliche Zweitmeinung als medizinisch kontraproduktiv zu bewerten sei. Die Vorschrift solle nur die Wirtschaftlichkeit der Behandlung sicherstellen. Qua Satzung könne die Erstattung der Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung von den einzelnen gesetzlichen Krankenkassen eingeführt werden.

– Ebenso wenig entstünden Doppelstrukturen bei der ASt. Die Ärzte der ASt seien überwiegend kassenärztlich zugelassen. Auch im Netzwerk der Bg seien Ärzte, die ausschließlich Privatpatienten und Selbstzahler behandelten. Auch bei der Bg würde die teledermatologische Behandlung über einen Selektivvertrag abgerechnet, während die Besuche in der Praxis über die Quartalsabrechnung erfolgten. Die überwiegende Zahl der Fachärzte der ASt seien kassenärztlich zugelassen und dürften somit auch Kassenrezepte ausstellen, was in einem Auftrag für eine andere gesetzliche Krankenkasse auch tatsächlich so erfolge. Bei der Bg müssten Patienten somit extra in die Praxis, um ein etwaiges Rezept nach einer teledermatologischen Behandlung abzuholen, was erneute Kosten verursachen könne. Einem möglichen Auftrag an die ASt stehe daher auch nicht das von den Ag als Rechtfertigung der Direktvergabe an die Bg angeführte krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsprinzip entgegen. Soweit sich die Ag insofern auf Informationen zum Geschäftsmodell der ASt beriefen, die diese bei ihrer Markterkundung anhand einer bloßen Internetrecherche herausgefunden habe, werde verkannt, dass sich diese Informationen nur an Selbstzahler bzw. Privatpatienten richteten, die unabhängig von ihrer jeweiligen Krankenversicherung Gebrauch vom Angebot der ASt machen möchten und daher kein Kassenrezept benötigten. Im Falle eines Selektivvertrages für eine gesetzliche Krankenkasse gelte dies freilich nicht.

– Die ASt könne auch das Kriterium der regionalen Präsenz gewährleisten. Dies sei auch kein technischer Aspekt, der zu einer exklusiven Leistung nur durch die Bg führe. Die Anforderung verenge den Wettbewerb. Es sei nicht auszuschließen, dass Bieter im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens z.B. im Rahmen einer Bietergemeinschaft oder als Haupt- und Unterauftragnehmer kooperierten, um die Vorgaben der regionalen Präsenz zu erfüllen. Schließlich arbeite die ASt mit mehr als 300 Fachärzten vor Ort zusammen, so dass im Ergebnis eine Anschlussversorgung vor Ort sichergestellt sei. Dieser Aspekt sei zudem veränderlich und könne bis zum Leistungsbeginn – wie dargelegt – geschaffen werden. Die ASt erweitere ihr Kooperationsnetzwerk an Fachärzten stetig. Eine Recherche bei der Bg zeige, dass in einem Flächenland wie […]auch noch bedeutende Lücken gebe, was näher ausgeführt wird. Soweit die Bg vorbringe, die ASt sei mit ihrem Kooperationsnetzwerk nicht in der Lage, die regionale Präsenz abzudecken, sei darauf hinzuweisen, dass die Vorgaben der Ag es ausreichen ließen, dass eine niedergelassene Praxis für einen Vor-Ort-Termin für Patienten mit einer Fahrzeit von 90-120 min erreichbar sein müsse. Vor diesem Hintergrund sei das Vorbringen der Bg, die ASt verfüge in Ballungsgebieten verschiedener Bundesländer nicht über Kooperationspraxen, nicht haltbar. Soweit die Bg ihren Vortrag durch entsprechende Testfragen über die App untermauern wolle, sei darauf hinzuweisen, dass diese Testfragen von der Bg nicht im Rahmen des ausgeschriebenen Selektivvertrages mit einer gesetzlichen Krankenkasse gestellt worden sei, sondern im Rahmen des Online-Services der ASt, den diese für Privatpatienten und Selbstzahler anbiete. Im Falle eines in einem Vergabeverfahren erlangten Selektivvertrages sei die ASt in der Lage, ihre Prozesse im Sinne etwaig gestellter Anforderungen an das Praxisnetzwerk zu modifizieren und eine Vermittlung an einen Facharzt aus ihrem Netzwerk zu ermöglichen.

Soweit die Bg vorgetragen habe, der App der ASt fehle eine nötige Zertifizierung als Medizinprodukt, sei dies falsch. Die App der ASt sei derzeit ein Medizinprodukt der Klasse I nach der Medical Device Regulation (MDR) und befinde sich im Zertifizierungsprozess für ein Medizinprodukt der Klasse IIa nach MDR wie seitens der Ag gefordert. Auf die Einstufung nach der alten RL 93/42/EWG komme es nicht mehr maßgebend an. Dies sei ausweislich der Dokumentation der Markterkundung durch die Ag auch nicht bezweifelt worden. Soweit die Bg anderer Auffassung sei und sich auf die wettbewerbsrechtliche Entscheidung des […]berufe, beruft sich die ASt darauf, diese Entscheidung sei zu einer alten Version der ASt-App ergangen, die so nicht mehr genutzt werde. Diese folge näher aus einer Entscheidung des […].

Die Ag könnten sich vor diesem Hintergrund nicht auf eine technische Alleinstellung der Bg berufen. Auch die Beschaffungsautonomie der Ag rechtfertige das Vorgehen der Ag nicht, weil die Vorgaben der Ag den Wettbewerb durch ihre Vorgaben künstlich eingeschränkt hätten. Die Ag habe somit aufgrund falscher Informationen entschieden, da sie ihre Markterkundung nur auf eine Internetrecherche reduziert habe und das Potential der Marktteilnehmer nicht durch eine direkte Recherche bei den Marktteilnehmern aufgeklärt habe.

Jedenfalls aber sei eine Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV auf der Grundlage dieser nur internen Markterkundung unzulässig. Eine Internetrecherche reiche nicht aus, um den objektiven Maßstäben zu genügen. So hätte über die Internetrecherche hinaus eine direkte Kontaktaufnahme der Ag mit den Marktteilnehmern wie der ASt Klarheit bringen können, ob diese auch Kassenrezepte ausstellen könne.

Die Ag hätten bei ihrer Entscheidung nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV zudem den maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen des von ihr reklamierten Alleinstellungsmerkmals falsch bestimmt. Soweit die Vorschrift auf den Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe abstelle, komme es im Sinne einer unionsrechtlichen Handhabung der Norm darauf an, dass von Anfang an klar sein müsse, dass ein offenes Verfahren nicht zu mehr Wettbewerb führe und sich ein Lieferant die vom Auftraggeber reklamierten besonderen Fähigkeiten oder Ausstattungen auch nicht bis zur Ausschreibung bzw. zum Zuschlagstermin aneignen bzw. erwerben könne. Diesen Maßgaben werde die Entscheidung der Ag – unabhängig davon, dass es an technischen Besonderheiten von herausragender Bedeutung ohnehin fehle – nicht gerecht, da auf der Grundlage der Anforderungen zum Zeitpunkt der Angebotsaufforderung keine sachgemäße Prognoseentscheidung habe getroffen werden können, ob weitere Marktteilnehmer ihre Leistungsfähigkeit im Laufe eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens herstellen könnten.

Die von der Bg herangezogene Entscheidung des […]unterstreiche die Nachweispflicht des öffentlichen Auftraggebers dafür, dass nach § 14 Abs. 6 VgV keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung am Markt verfügbar sein dürfe, wenn ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gewählt werden solle. Es sei danach geboten, dass der Auftraggeber dem Markt durch eine Markterkundung die Möglichkeit geben müsse, die Leistungsanforderungen und den Beschaffungswunsch kennenzulernen, um in der zwischen Markterkundung und Auswertung liegenden Zeit, dem Markt die Möglichkeit zu geben, bis zum nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV relevanten Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes eine Leistung zu präsentieren, die eine vernünftige Alternative bieten könne. Dies hätten die Ag mit ihrer Markterkundung nicht ermöglicht und damit der ASt keine Chance gegeben, bis zur Bekanntmachung der Direktvergabe auf sie mit einer Alternativlösung zugehen zu können. Die Ag hätten dies vielmehr umgangen. Sie hätten auf die bislang zu vorangegangenen Vergabeverfahren bzw. Beschaffungsvorhaben vorgebrachten Rügen der ASt immer suggeriert, ein wettbewerbskonformes Vergabeverfahren durchzuführen und hätten dann doch nur eine erneute Direktvergabe an die Bg beabsichtigt.

Die ASt beantragt,

1.den Ag zu untersagen, dem Zuschlag im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb an die Bg zu erteilen;

2.die Ag bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten, ein EUweites Vergabeverfahren einzuleiten;

3.der ASt Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

4.den Ag die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt aufzuerlegen;

5.die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die ASt gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

b) Die Ag beantragen,

1.den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2.der ASt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.

Die Ag halten den Nachprüfungsantrag für unzulässig, weil die ASt nicht antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB sei, jedenfalls aber für unbegründet.

Die Ag sind der Ansicht, die ASt sei bereits nicht antragsbefugt, weil sie offensichtlich nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt sei. Die Ag meinen, die ASt könne das geforderte Kriterium einer teledermatologischen Versorgung durch kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen nicht erfüllen. Das folge daraus, dass die ASt ein anderes Geschäftsmodell als die Bg verfolge und mit einem Team von nur 22 fest angestellten Ärzten arbeite, dem die Patienten, die sich über die App meldeten, zugewiesen würden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass von diesen fest angestellten Ärzten 20 Ärzte eine Kassenzulassung hätten. Die Ag hätten bei einer Suche auf den Internet-Seiten der KV-Bund die Nachnamen der Ärzte für eine bundesweite Suche angegeben, die auf der Website der ASt im Ärzte-Team aufgeführt würden und festgestellt, dass nur zwei Ärztinnen mit eigener Praxis niedergelassen seien; die übrigen seien in diesem Zusammenhang dort nicht auffindbar gewesen. Auch sei nach den Ausführungen der Bg im Nachprüfungsverfahren das Netzwerk der ASt an Kooperationspraxen nicht nachvollziehbar. Die ASt habe nach den näheren Darlegungen der Bg keine Kooperationspraxen in großen Städten oder auch in der Nähe großer Städte. Vor diesem Hintergrund sei die ASt nicht in der Lage, die nachgefragte Leistung erbringen zu können.

Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV sei rechtmäßig erfolgt. Im Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten habe die geforderte Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden können, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden gewesen sei. Es habe keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gegeben, ohne dass der Wettbewerb bzw. die Auftragsvergabeparameter unter Verstoß gegen § 14 Abs. 6 VgV künstlich eingeschränkt worden seien. Die Ag hätten folgende Kriterien festgelegt:

– Medizinprodukt nach Klasse IIa oder höher oder im Zertifizierungsprozess, sofern bereits ein Medizinprodukt der Klasse I vorhanden ist, jeweils zu Vertragsbeginn: Die Klassifizierung IIa oder höher sei notwendig, um hohe Standards für die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten, hier hinsichtlich der anzuwendenden Applikation, zu gewährleisten und allgemeine Sicherheitsbedenken auszuräumen. Durch das zugrunde liegende Konformitätsbewertungsverfahren werde sichergestellt, dass die technischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen erfüllt würden. Medizinprodukte der Klasse IIa seien solche, die Informationen für diagnostische oder therapeutische Entscheidungen lieferten oder physiologische Prozesse kontrollierten.

– Plattformfunktion für Vertragsärzte für akute Hauterkrankungen: Diese Anforderung sei ein zwingendes Kriterium für die Leistungserbringen. Die Stärkung des Systems der niedergelassenen Vertragsärzte sei ein wesentlicher Baustein des gesetzlich verankerten Sachleistungsprinzips. Die Plattform solle durch die teilnehmenden niedergelassenen Hautärzte alle Diagnosen stellen können. Eine Einschränkung auf bestimmte Indikationen dürfe nicht erfolgen, damit die teledermatologischen Leistungen vergleichbar mit einem Vor-Ort-Besuch bei einem Dermatologen seien. Das Angebot solle in Bild-Text-Verfahren verfügbar sein, um die asynchrone Befundung von akuten Hautproblemen zu ermöglichen.

– Freie Arztauswahl und verfügbare Dermatologen in jedem Bundesland: Der Grundsatz der freien Arztauswahl sei in § 76 SGB V geregelt. Es sei den Ag wichtig, diesem Grundsatz umfänglich Rechnung zu tragen. Das Kriterium trage ferner den Vorgaben der ärztlichen Berufsordnungen Rechnung, wonach es Ärzten nicht gestattet sei, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen.

– Nahtlose und bruchfreie Versorgung: Dieses Kriterium gewährleiste, dass ein Patient von der teledermatologischen Untersuchung in die persönliche Behandlung bei demselben Arzt übergehen könne. Es solle verhindert werden, dass eine Zweitmeinung durch einen anderen Arzt eingeholt werde. Eine solche sei nach § 27b SGB V nur unter engen Voraussetzungen möglich. Das Kriterium der nahtlosen und bruchfreien Versorgung verhindere Informationsverluste und stärke das Patientenvertrauen, verhindere zudem Doppeluntersuchungen. Ferner könnten die teilnehmenden Vertragsärzte in der Online-Sprechstunde Kassenrezepte ausstellen, was den Aufwand für die Patienten verringere. So sei die medizinische Grundversorgung sichergestellt.

– Mehr als 300 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene Dermatologen in Deutschland, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind: Die Ag benötigten zur Sicherstellung ihres gesetzlichen Auftrags eine regional flächendeckende Versorgung von mindestens 300 niedergelassenen Dermatologen in Deutschland bzw. mehr als 30 pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkasse, wobei die Entfernung zum vor Ort ausgewählten Hautarzt nicht mehr als 90-120 min betragen soll (regionale Präsenz): Die Zahl sei bedingt durch eine für den Versicherten zumutbaren Entfernung bis zum nächsten Dermatologen. Hierbei solle auch eine Versorgung außerhalb der jeweiligen Einzugsgebiete der Ag möglich sein. Die Anzahl der niedergelassenen Hautärzte pro Einzugsgebiet in den jeweiligen Bundesländern orientiere sich an der Versichertenzahl.

Die Ag hätten zwischen August 2024 und Mitte November 2024 ausführliche Internetrecherchen zum Zweck der Markterkundung durchgeführt und festgestellt, dass die Markteilnehmer bis auf die Bg die aufgestellten Anforderungen nicht erfüllten. Es seien zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle gefunden worden, von denen nur das der Bg die Anforderungen erfülle:

– Das Modell der Bg gliedere sich in die vorhandene öffentlich-rechtlich organisierte Struktur der Vertragsärzte ein. Dies folge daraus, dass sich bereits über 300 niedergelassene Hautärzte deutschlandweit bei der Plattform der Bg angemeldet hätten und ihren Patienten den Online-Zugang zu reinem Hautcheck eröffneten. Diese Anzahl sei den Ag wichtig, damit die Versicherten auswählen könnten und so dem Sachleistungsprinzip des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V Rechnung getragen werden könne. Die ASt verfüge dagegen nur über 22 angestellte Fachärzte.

– Das Geschäftsmodell der Bg sehe ferner vor, dass die zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Ärzte ggf. ein Kassenrezept ausstellen könnten. Das Geschäftsmodell der ASt sehe das grundsätzlich nicht vor.

– Das Modell der Bg gewährleiste den Grundsatz der freien Arztwahl, da sich der Patient bei der Bg vor der Behandlung aus einer umfangreichen Liste einen Arzt für die Behandlung selbst aussuchen könne. Bei der ASt werde dem Patienten ein Arzt für die Behandlung zugewiesen, wodurch das Ziel der Ag, dem Grundsatz der freien Arztwahl größtmöglich Rechnung zu tragen, nicht erreicht werde.

– Die Bg biete den Patienten schließlich durch ihr großes Netzwerk die Möglichkeit, dass die daran beteiligten niedergelassenen Ärzte zunächst eine Online-Sprechstunde durchführen könnten und bei Bedarf die weitere Behandlung in deren Praxis stattfinden könne. Die ASt könne nach der Online-Befundung lediglich auf mit ihr kooperierende Ärzte verweisen, ohne dass nachvollziehbar sei, wie dieses Netzwerk funktioniere. Dadurch könne die ASt der Anforderung an eine nahtlose, bruchfreie Versorgung nicht gerecht werden. Soweit sich aus den von der ASt im Internet zur Verfügung gestellten Informationen ergebe, dass sie Online-Patienten für eine Vor-Ort-Konsultation Praxen aus ihrem Kooperationsnetzwerk empfehle und dort aufgrund eines ausgestellten Arztbriefes durch die ASt kein Erstgespräch mehr erforderlich sei, sei dies im Hinblick auf § 10 der Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte bedenklich. Dies gelte auch im Hinblick auf § 31 der Musterberufsordnung. Den Ag ginge es nicht um die Möglichkeit der Patienten, eine Zweitmeinung einzuholen. Dies sei im Hinblick auf § 27b SGB V nur erforderlich, wenn beim Versicherten eine Indikation zu einem planbaren Eingriff gestellt worden sei, bei dem die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen sei. Die Anforderung einer nahtlosen, bruchfreien Versorgung sei von den Ag vorgegeben worden, um zu gewährleisten, dass der die Online-Diagnose stellende Arzt den Patienten ggf. sofort in seine Praxis einbestellen könne und dann die medizinische Lage bereits kenne. Diese Versorgung müsse elementarer Bestandteil der Leistungserbringung sein, weil sich die Ag davon eine Verhinderung von Informationsverlusten, eine Stärkung des Patientenvertrauens und eine Verringerung von Doppeluntersuchungen verspreche. Dies trage zur Senkung von Kosten der gesetzlichen Krankenkassen bei und trage so dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und damit der Versorgungssicherheit Rechnung.

c) Die mit Beschluss vom 6. Dezember 2024 förmlich zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogene Bg beantragt,

1.Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2.Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens.

3.Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Bg wird für notwendig erklärt.

Die Bg hält den Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis der ASt für unzulässig, weil die ASt keine Chance auf den Zuschlag in einem Vergabewettbewerb haben könne. Das folge daraus, dass die ASt keine bruchfreie Weiterbehandlung nach einer teledermatologischen Behandlung anbieten könne. Die ASt besitze zudem nicht die erforderliche Zertifizierung ihrer App und werde dem Kriterium der regionalen Präsenz nicht gerecht.

In der Sache seien die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV und das Alleinstellungsmerkmal der Bg gegeben. Die Ag hätten ihr Leistungsbestimmungsrecht fehlerfrei ausgeübt und mit den gesetzten Anforderungen keine künstliche Einschränkung der Auftragsvergabeparameter vorgenommen. Alle Kriterien seien sachgemäß, denn sie folgten dem sozialversicherungsrechtlichen Leitbild, dem die Ag verpflichtet seien. Es gehe bei den Erwägungen der Ag wie der Vermeidung von Doppelabrechnungen und einer möglichst kurzen Genesungszeit mit Blick auf das Patientenwohl um überragend wichtige Ziele des Gesundheitssystems, die im Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkassen und deren Beschaffungen unzweifelhaft berücksichtigt werden dürften.

Die Bg habe mit ihrem Geschäftsmodell zum relevanten Zeitpunkt ein Alleinstellungsmerkmal. Es komme darauf an, dass eine Ausschließlichkeitssituation vorliege, die sich – wie aus dem Erwägungsgrund Nr. 50 der RL 2014/24/EU folge – beispielsweise daraus ergeben könne, dass die Erbringung von Leistungen für einen anderen Wirtschaftsteilnehmer technisch nahezu unmöglich sei. Es reiche daher aus, wenn die für die Leistungserbringung geeignete Ausrüstung nur von einem einzigen Unternehmen vorgehalten werde, ohne dass es darauf ankomme, dass andere Unternehmen dies ggf. zu einem späteren Zeitpunkt nach der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten grundsätzlich auch könnten. Insofern komme es nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV, wofür die Bg auf die jüngste Entscheidung des […]abstellt, nicht auf eine sofortige Leistungsfähigkeit an, sondern einen gewissen Zeitraum, so bei einer Lieferleistung auf die kurzfristige Beschaffung von Material. Das Geschäftsmodell der Bg erfülle nach den zutreffenden Feststellungen der Ag aus der Markterkundung alle Anforderungen zu diesem relevanten Zeitpunkt.

Die ASt erfülle die Anforderungen der Ag dagegen nicht. Dies gelte zunächst für den Aspekt der freien Arztwahl nach § 76 SGB V. In der App der ASt erfolge die teledermatologische Erstdiagnose durch einen dem Patienten seitens der ASt zugewiesenen Facharzt, was die freie Arztwahl systematisch ausschließe.

Die Anforderung der bruchfreien Versorgung, die einer effizienten Behandlung diene und redundante Diagnosen und Kosten vermeiden solle, könne auf diese Weise ebenfalls nicht gewährleistet werden. Denn eine Weiterbehandlung vor Ort könne nur durch Vermittlung an eine Kooperationspraxis der ASt erfolgen, die nicht mit dem Team der ASt identisch sei. Die sich so ergebende Zweitmeinung sei nicht sinnvoll, sondern werde nach § 27b SGB V nur in bestimmten Fällen zugelassen.

Die regionale Verfügbarkeit könne die ASt ebenfalls nicht gewährleisten. Die Ag hätten für die Erreichbarkeit der Fachärzte vor Ort einen zumutbaren Zeitaufwand von 90-120 min vorgegeben. Es sei zweifelhaft, dass die ASt diese Anforderung mit ihrem Netzwerk erfüllen könne. Hierzu hat die Bg näher vorgetragen, indem sie Ergebnisse von durch sie durchgeführte Testanfragen präsentiert, aus denen sich ergeben soll, dass die ASt in verschiedenen Ballungsgebieten nicht über Fachärzte in ihrem Netzwerk verfügt. Die ASt regt an, dass die Vergabekammer Nachweise über das Bestehen eines bundesweiten Kooperationsnetzwerkes zwischen der ASt und Dermatologen von dieser vorlegen lassen solle.

Schließlich könne für die App der ASt die medizinproduktrechtlich erforderliche Zertifizierung nicht nachgewiesen werden, wozu die Bg näher unter Hinweis auf eine Entscheidung des […] vorträgt. Infolge dieser Entscheidung habe die ASt den Verwendungszweck ihrer App geändert. Diese sei danach nur ein Hilfsmittel für das Patientenmanagement und die Kommunikation. Diese Zweckänderung habe die ASt vorgenommen, nachdem das […]entschieden habe, dass die App der ASt als Medizinprodukt der Risikoklasse IIa nach der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) einzuordnen und daher entsprechend zu zertifizieren sei, mangels Zertifizierung aber einem Verkehrsverbot unterliege. Eine solche Zweckänderung der App dahin, dass sie lediglich dem Patientenmanagement diene, ziehe die Frage nach sich, ob die ASt damit dem von den Ag definierten Leistungsgegenstand entsprechen könne, nämlich eine Plattform für dermatologische Telekonsultationen bereitzustellen.

3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung und mit Zustimmung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die elektronische Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen. Die mündliche Verhandlung hat am 17. Januar 2025 stattgefunden.

Die Vergabekammer hat die reguläre fünfwöchige Entscheidungsfrist mit Verfügung der Vorsitzenden der Vergabekammer vom 18. Dezember 2024 nach § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 31. Januar 2025 verlängert.

Die Vergabekammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2025 darauf hingewiesen, dass die Ag zwar den Beschaffungsgegenstand aus Sicht der Kammer sachgemäß definiert hätten, die Vergabekammer allerdings den Nachprüfungsantrag im Ergebnis für begründet hält und eine Abhilfe durch die Ag angeregt. Die Ag haben mit Schreiben vom 22. Januar 2025 mitgeteilt, weiter an ihren Anträgen festzuhalten.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Der Nachprüfungsantrag ist statthaft.

aa) Zugrunde liegt ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag nach § 103 Abs. 1 und 4 GWB. Die Ag sind als gesetzliche Krankenkassen öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 2 GWB (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009, Rs. C-300/07).

Der gemäß § 106 Abs. 1 GWB maßgebliche Schwellenwert für öffentliche Dienstleistungsaufträge ist ausweislich des Vergabevermerks vom 20. November 2024 (Ziff. 3) überschritten.

bb) Die Vergabekammer des Bundes ist im Hinblick auf § 159 Abs. 1 Nr. 6 GWB zuständig.

b) Die ASt ist antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Das nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB erforderliche Interesse der ASt am ausgeschriebenen Auftrag hat die ASt durch ihre Rügen und den Nachprüfungsantrag sowie ihre Darlegungen im Nachprüfungsverfahren hinreichend nachgewiesen.

Das für die Antragsbefugnis erforderliche Interesse am Auftrag wird in der Regel durch die Angebotsabgabe dokumentiert. Soll der Zuschlag ohne vorherige Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens direkt an ein Unternehmen vergeben werden, hat grundsätzlich jedes Unternehmen ein Interesse an dem Auftrag, das sich am Vergabeverfahren hätte beteiligen können. Dazu reicht es in der Regel aus, wenn das Unternehmen zu der in Betracht kommenden Branche gehört und damit generell dafür eingerichtet ist, Aufträge dieser Art auszuführen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. September 2020, VII-Verg 16/20). Gleichwohl bedarf es eines objektiv feststellbaren wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers gerade an dem konkreten Auftrag (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2020, VII-Verg 39/19). Sinn und Zweck dieser Anforderung an die Antragsbefugnis ist es zu verhindern, dass ein Vergabenachprüfungsverfahren durchgeführt und die Beschaffung dementsprechend verzögert wird, wenn tatsächlich kein wirtschaftliches Interesse an dem konkreten Auftrag besteht und es damit ausschließlich um eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ohne eigenes Interesse an dem konkreten Auftragt geht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. August 2021, VII-Verg 52/20). Auch entfällt die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB, wenn ein Unternehmen nicht mehr bereit ist, den ausgeschriebenen Auftrag mit dem vom Auftraggeber vorgesehenen Inhalt abzuschließen, und das auch hinreichend zu erkennen gibt; die bekundete Bereitschaft, den Auftrag nur mit einem davon abweichenden Inhalt annehmen zu wollen, führt daher grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. September 2020, VII-Verg 15/20 sowie Beschluss vom 21. Juli 2010, VII-Verg 19/10).

Die ASt hat allerdings ihr Interesse an dem von den Ag konkret zu vergebenden Auftrag nach dem von ihnen definierten Beschaffungsgegenstand plausibel dargelegt, so dass keine ernstlichen Zweifel an ihrem wirtschaftlichen Interesse bestehen. Insofern ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB nur die Funktion eines groben Filters zukommt und an die im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und im Interesse des unionsrechtlich etablierten effektiven primären Vergaberechtsschutzes keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03).

Die ASt ist ein Fachunternehmen, das grundsätzlich auf dem von den Ag angesprochenen Markt der medizinischen Online-Diagnostik tätig und daher im Grundsatz in der Lage ist, die nachgefragten Leistungen ausführen zu können. Die Ag haben in ihrer Dokumentation der Markterkundung insbesondere festgestellt, dass die App der ASt sich im Zertifizierungsprozess für ein von ihr gefordertes Medizinprodukt der Klasse IIa nach der EU-Medizinprodukteverordnung befindet. Sie haben diese Anforderung in zutreffender Weise im Lichte der vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 Abs. 1, 2 GWB wettbewerbsoffen interpretiert und die App der ASt somit grundsätzlich als für die nachgefragten Plattformdienste in Betracht kommend eingeordnet.

Die ASt hat ferner in ihren schriftsätzlichen Stellungnahmen und auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt, ihr Geschäftsmodell auf eine etwaige Ausschreibung des streitgegenständlichen Beschaffungsbegehrens anpassen und entsprechend anbieten zu wollen und zu können, auch wenn es der ASt vorrangig um die Zulassung ihres, auf die Durchführung der medizinischen Online-Beratung durch ihre angestellten Ärzte gerichteten Modells geht. Dem steht nicht entgegen, das sie – wie von den Ag schriftsätzlich am 22. Januar 2025 vorgetragen – im April 2024 in einer Rüge gegen die Ausschreibung entsprechender Leistungen in einem offenen Verfahren gegenüber der Ag zu 4) erklärt hat, eine Orientierung der Ag an einem der bekannten unterschiedlichen Geschäftsmodelle schließe das jeweils andere Geschäftsmodell von der Vergabe aus, in der Kürze der Zeit einer Vergabe sei nämlich kein Aufbau anderer Strukturen möglich. Die Ag zu 4) hat seinerzeit zunächst eine von ihr bekannt gemachte Direktvergabe an das Unternehmen der Bg und sodann ihr offenes Verfahren auf die Rügen der ASt hin aufgehoben und ausweislich der von der ASt vorgelegten Rügeantwortschreibens vom 12. Februar 2024 und 26. April 2024 (vgl. Anlagen ASt 4 und ASt 5) mitgeteilt, die Anforderungen zu überarbeiten. Ein entsprechendes Vergabeverfahren wurde von der Ag zu 4) aber bislang nicht erneut bekannt gemacht. Vielmehr haben die Ag zu 1) bis 5) die streitgegenständliche Direktvergabe bekannt gemacht, deren Anforderungen wiederum im Wesentlichen denen der aufgehobenen Vergabeverfahren der Ag zu 4) entsprechen. Damit musste die ASt angesichts der gegenteiligen Aussagen der Ag zu 4) nicht zwingend rechnen, so dass ihr auch nicht vorgehalten werden kann, dass ihr ein Aufbau entsprechender Strukturen nicht möglich gewesen sei. Denn angesichts der vorausgegangenen gegenteiligen Aussagen der Ag zu 4) musste sie jedenfalls nicht davon ausgehen, dass die von ihr bis dato bemängelten Anforderungen erneut ohne wesentliche Änderungen ausgeschrieben werden würden – unabhängig davon, ob – worauf noch einzugehen sein wird – der Beschaffungsbedarf der Ag grundsätzlich fehlerfrei definiert worden ist. Denn mangels einer den Maßgaben des § 28 VgV entsprechenden Markterkundung, die lediglich aus einer rein Aginternen Internetrecherche bestand, konnte der Markt, zu dem die Ag ausweislich der dokumentierten Auswertung ihrer allein durchgeführten Internetrecherche auch die ASt zählen, sich gar nicht auf den spezifischen Beschaffungsbedarf der Ag einstellen.

Die ASt hat zwar auch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es ihr vorrangiges Interesse sei, eine möglichst modelloffene Ausschreibung durchzusetzen, um so grundsätzlich auch auf der Grundlage ihres Geschäftsmodells anbieten zu können, sie aber sehr wohl in der Lage und willens sei, Adaptionen vorzunehmen, wenn Krankenkassen wie die Ag dies so vorgäben. Damit hat sie jedenfalls bekundet, auch ein Angebot abgeben zu können, das den von den Ag vorgegebenen Inhalten entsprechen kann. Die mündliche Verhandlung hat hierzu ergeben, dass die Hürden für den konkret definierten Beschaffungsbedarf der Ag nicht derart hoch sind, dass Unternehmen, die andere Geschäftsmodelle als das der Bg verfolgen, unmöglich in der Lage sein können, bedarfsgerechte Angebote abgeben zu können, ggf. – worauf die ASt ausdrücklich hingewiesen hat – im Rahmen von Bietergemeinschaften oder unter Einbeziehung von geeigneten Subunternehmern. Die App der ASt befindet sich unstreitig im entsprechenden Zertifizierungsprozess; die erforderlichen vertraglichen Einbindungen niedergelassener und zugelassener Fachärzte stellt sich danach im Grundsatz nicht als unüberwindbare Hürde dar. Die ASt hat selbst darauf hingewiesen, dass es Praxisverbünde gebe, denen zahlreiche Hautärzte angeschlossen seien; könne man einen Praxisverband als Kooperationspartner gewinnen, so hätte man auf einen Schlag z.B. 100 Ärzte von den Agseitig vorausgesetzten 300 Ärzten gewonnen. Zwischen den Verfahrensbeteiligten war es auf Nachfrage der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung auch unstreitig, dass ein Hautarzt sich gegenüber mehreren Anbietern der für die nachgefragten Plattformdienste benötigten Apps binden kann, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass Marktteilnehmer die erforderliche Anzahl niedergelassener und zugelassener Hautärzte gewinnen können.

Ein wirtschaftliches Interesse der ASt am konkreten Auftragsgegenstand der Ag kann vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden, ebenso wenig wie ein potentieller Schaden, § 160 Abs. 2 . Die von den Ag durchgeführte Markterkundung, worauf noch in der Begründetheit einzugehen ist, hat überdies gerade keinen Beleg dafür liefern können, dass die Bg die nachgefragte Leistung exklusiv erbringen könnte. Den Ag war auf der Grundlage ihrer nur intern und entgegen

§ 28 Abs. 1 VgV ohne Marktkonsultation durchgeführten Internetrecherche zu dem für ihre Entscheidung nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV relevanten Zeitpunkt gar keine Prognose möglich, dass nur ein Unternehmen die nachgefragte Leistung liefern kann und Wettbewerb – auch unter Berücksichtigung von Bietergemeinschaften oder Subunternehmern – ausgeschlossen ist. Marktteilnehmern wie der ASt ist auf diese Weise vielmehr die Möglichkeit genommen worden, eine den Beschaffungsbedarf abdeckende Lösung bis zum von den Ag in ihren Anforderungen grundsätzlich avisierten Zeitpunkt des Vertragsbeginns entwickeln und anbieten zu können, obwohl dies im Hinblick auf die geringen Marktzutrittsschranken nicht ausgeschlossen erscheint.

Die von der ASt bemängelten Vergaberechtsverstöße stützt sie auf ohne Weiteres bieterschützende Vorschriften gemäß § 160 Abs. 2 S. 1 GWB, § 97 Abs. 6 GWB. Vor diesem Hintergrund droht ihr nach § 160 Abs. 2 S. 2 GWB ein entsprechender Schaden, da sie keine Chance auf einen Zuschlag in einem erforderlichen wettbewerblichen Vergabeverfahren hat.

c) Die ASt ist ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig nachgekommen.

d) Der Nachprüfungsantrag ist rechtzeitig innerhalb der Frist nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB bei der Vergabekammer des Bundes eingereicht worden.

2. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Zwar haben die Ag ihren Beschaffungsgegenstand sachgemäß definiert, sie haben auch die Auftragsvergabeparameter nicht entgegen § 14 Abs. 6 VgV künstlich eingeschränkt (a). Allerdings liegen die Voraussetzungen für die Wahl des Vergabeverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV nicht vor (b).

a) Der Beschaffungsgegenstand ist vergaberechtskonform festgelegt worden. Eine Wettbewerbseinengung durch künstliche Einschränkung der Auftragsvergabeparameter und damit ein Verstoß gegen § 14 Abs. 6 VgV ist nicht festzustellen.

aa) Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich in der Bestimmung ihres Beschaffungsgegenstandes frei; dieser muss gleichwohl willkür- bzw. diskriminierungsfrei festgelegt worden sein und sich aus sachlichen und auftragsbezogenen Gründen rechtfertigen lassen (std. Rspr., vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2016 – VII-Verg 1/16, Beschluss vom 17. August 2022 – VII-Verg 53/21, jeweils m.w.N.). Diesen Anforderungen wird der Beschaffungsgegenstand der Ag gerecht.

Die Modelle der ASt und das der Bg, für welches die Ag sich entschieden haben, unterscheiden sich grundlegend. Die ASt bietet mit ihrem Modell nicht nur eine Plattform an, welche durch niedergelassene Ärzte zur Online-Beratung genutzt wird, sondern sie bietet darüber hinaus auch die medizinische Beratung als Dienstleistung als solche an, nämlich durch ihre 22 angestellten Ärzte. Die Ag haben sich für das reine Plattformmodell, bei dem der Auftragnehmer eine App zur Verfügung stellt, die medizinische Beratungsleistung jedoch durch niedergelassene und kassenärztlich zugelassene Fachärzte durchgeführt wird, die auch die etwaige anschließende Vor-Ort-Weiterbehandlung durchführen, entschieden. Diese Entscheidung ist auftragsbezogen und gedeckt durch einen sachlichen Grund. Zu Recht weisen die Ag darauf hin, dass sie an vorhandene Strukturen – die niedergelassenen dermatologischen Praxen – anknüpfen wollen anstatt parallele Strukturen – in Gestalt von angestellten Ärzten eines Auftragnehmers – aufzubauen. Ein Grund hierfür ist die Gewährleistung einer nahtlosen und bruchfreien Versorgung ihrer Versicherten. Auf diese Weise sehen die Ag doppelte Behandlungsstrukturen, die zu entsprechenden Mehrkosten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung führen können, vermieden. Gleichzeitig halten die Ag auf diese Weise die ihren Versicherten grundsätzlich zustehende freie Arztwahl für bestmöglich sichergestellt. All dies sind fraglos sachliche Gründe, die sich aus den von den Ag zu beachtenden regulatorischen Rahmenbedingungen des Sozialversicherungsrechts ergeben. Es steht außer Frage, dass diese Erwägungen, die zur Festlegung des streitgegenständlich definierten Beschaffungsbedarfs auf Seiten der Ag geführt haben, auftragsbezogen sind. Die Ag haben in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben, dass es ihnen bei ihrer Beschaffung auch darum gegangen sei, ein Signal an die niedergelassene Fachärzteschaft zu geben, um zu verhindern, dass niedergelassene Hautärzte Praxen schließen und die von den Ag für wichtig erachtete Möglichkeit der Vor-Ort-Behandlungsmöglichkeit durch niedergelassene Hautärzte, nicht durch Parallelstrukturen zu gewährleisten. Dass es andere Krankenkassen geben mag, die – wie die ASt ausgeführt hat – ihren Beschaffungsbedarf anders definiert haben, was der ASt ermöglicht habe, auf der Grundlage ihres Geschäftsmodells ohne grundlegende Modifikationen – erfolgreich – anbieten zu können, steht dem nicht entgegen; unstreitig ist, dass auch die ASt eine kompetente Online-Beratung mit ihren angestellten Ärzten durchführen kann. Daraus folgt aber nicht, dass die Ag sich eine Leistung – die ärztliche Beratungsleistung – als Teil des Beschaffungsgegenstand aufdrängen lassen müssen, den sie gar nicht beschaffen wollen. Insoweit besteht kein offener Beschaffungsbedarf, denn die Erbringung der medizinischen Beratungsleistung ist über die niedergelassenen Hautärzte bereits gesichert. Das Gleichbehandlungsgebot erfasst nicht Umstände, die nicht auf die Ausschreibung zurückzuführen sind, sondern die aus der unterschiedlichen Marktstellung der teilnehmenden Unternehmen resultieren; es besteht keine Verpflichtung eines Auftraggebers, unabhängig von der konkreten Ausschreibung bestehende Wettbewerbsvorteile und -nachteile auszugleichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Juli 2022 – Verg 13/21).

bb) Auch die auf dieser Grundlage von den Ag vorgegebenen Anforderungen für die ausgeschriebene Plattform für dermatologische Telekonsultationen sind dementsprechend sachgemäß und stellen keine künstlichen Einschränkungen der Auftragsvergabeparameter i. S.d. § 14 Abs. 6 VgV bzw. eine unzulässige produktspezifische Ausschreibung i.S.d. § 31 Abs. 6 VgV dar. Diese Vorschriften sind eine Ausprägung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. Nichtdiskriminierungsgebotes nach § 97 Abs. 2 GWB, dessen Maßgaben die Ag insofern eingehalten hat.

Die Vorgaben des Medizinprodukts nach Klasse IIa oder eines im Zertifizierungsprozess befindlichen Produkts nach Klasse I, der Plattformfunktion, der freien Arztauswahl und verfügbaren Dermatologen in jedem Bundesland sowie der nahtlosen, bruchfreien Versorgung und der frei auswählbaren kassenärztlich zugelassenen niedergelassenen Dermatologen in Deutschland und pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkassen als Konkretisierung der regionalen Präsenz folgen unmittelbar aus dem sachgemäß definierten Beschaffungsgegenstand. Auch zu den für die letzten beiden Kriterien vorgegebenen Mindestanzahlen von 300 frei auswählbaren kassenärztlich zugelassenen niedergelassenen Dermatologen bzw. 30 pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkasse sind auftragsbezogen und sachgemäß. Die Ag verfolgen damit das Ziel der bestmöglichen Gewährleistung der freien Arztauswahl und einer nahtlosen, bruchfreien Versorgung, so dass daran nichts Unsachgemäßes festzustellen ist.

Daran ändert auch nichts, dass die ASt meint, die Ag hätten sich mit dieser Zahl am Netzwerk der Bg orientiert. Die Ag haben zu den von ihnen vorgegebenen Anforderungen an den Umfang der auswählbaren niedergelassenen Kassenärzte lediglich darauf hingewiesen, dass sich das Modell der Bg in die die vorhandene öffentlich-rechtlich organisierte Struktur der Vertragsärzte eingliedere, was daraus folge, dass sich bereits über 300 niedergelassene Hautärzte deutschlandweit bei der Plattform der Bg angemeldet hätten und ihren Patienten den Online-Zugang zu reinem Hautcheck eröffneten. Damit nehmen die Ag Bezug auf das Modell der Bg, ohne dass daraus aber hervorgeht, dass die Ag sich damit spezifisch an den Zahlen der Bg orientiert hätte. Die Ag knüpfen damit vielmehr an ihren sachgemäßen Beschaffungsgegenstand an. In diesem Zusammenhang ist nachvollziehbar, dass eine hinreichende Anzahl an Ärzten erforderlich ist, um in diesem Rahmen eine entsprechende Versorgung zu gewährleisten. Insofern muss das Ziel der Ag berücksichtigt werden, dies durch eine hinreichende niedergelassene fachärztlich Kassenärzteschaft zu gewährleisten. Die Ag haben insofern zudem ausgeführt, dass die von ihr vorgegebenen zahlenmäßigen Anforderungen bedingt seien durch eine für den Versicherten zumutbaren Entfernung bis zum nächsten Dermatologen. Vor diesem Hintergrund sind die von den Ag festgelegten zahlenmäßigen Anforderungen nicht zu beanstanden.

Schließlich hat auch die ASt hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es grundsätzlich möglich ist und auch ihr selbst möglich wäre, diese Zahlenvorgaben abdecken zu können, ggf. durch Kooperation mit anderen Marktteilnehmern, die über entsprechende angeschlossene Fachärzte, insbesondere Praxisverbünde mit einer Vielzahl angeschlossener Ärzte, verfügen.

b) Es ist allerdings nicht festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV erfüllt sind, so dass das von den Ag gewählte Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, mithin der Weg der Direktvergabe an die Bg, fehlerhaft ist.

Nach § 119 Abs. 2 GWB steht öffentlichen Auftraggebern das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren, das stets einen Teilnahmewettbewerb erfordert, nach ihrer Wahl zur Verfügung. Die anderen Verfahrensarten stehen nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund des 4. Teils des GWB gestattet ist. Die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ist vor diesem Hintergrund in § 14 Abs. 4 VgV als Ausnahmetatbestand ausgestaltet, was bedingt, dass die dortigen Tatbestände stets im Lichte der vergaberechtlichen Grundsätze nach § 97 Abs. 1, 2 GWB strikt zu handhaben sind. § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV verlangt vor diesem Hintergrund, dass der öffentliche Auftraggeber, der sich darauf berufen will, anhand einer hinreichend dokumentierten Markterkundung nachweisen muss, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe der Auftrag objektiv nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2017, VII-Verg 13/17).

Dass für den von den Ag beabsichtigten Auftrag gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV objektiv und alternativlos nur das Unternehmen der Bg in der Lage ist, die Leistungen zu erbringen, und ein Wettbewerb um die nachgefragten Leistungen objektiv ausgeschlossen ist, kann danach nicht festgestellt werden.

Für Auftragsinteressenten, die – wie die ASt – generell auf dem Markt der medizinischen Onlinediagnostik tätig sind, hat die mündliche Verhandlung ergeben dass es grundsätzlich möglich ist, eine von den Ag nachgefragte Onlineplattform zu etablieren, so dass ein potentieller Wettbewerb möglich ist und keine allzu hohen Marktzutrittsschranken bestehen. Die ASt hat bestätigt, dass die rein technischen Voraussetzungen einfach zu etablieren sind. Eine Anzahl von bundesweit mindestens 300 teilnehmenden Hautärzten ist, ebenfalls laut ASt in der mündlichen Verhandlung, ebenso wenig eine große Hürde; es sei erneut auf Verbünde von Hautarztpraxen verwiesen, die es ermöglichten, etwa 100 Ärzte “auf einen Schlag” zu gewinnen, wenn sich der Verbund anschließe. Für die Ärzte besteht auch keinerlei Hindernis, sich mehreren Online-Anbietern anzuschließen, also keine Exklusivitätsverpflichtung; im Gegenteil hat die Kooperation mit mehreren Anbietern den Vorteil, dass die Versicherten verschiedener Krankenkassen mit Online-Angeboten durch denselben Arzt bedient werden können, je nach dem, mit welchem Anbieter die Kasse einen Vertrag hat. Wenn die Ag als Ergebnis ihrer Internetrecherchen festgestellt haben, dass derzeit nur die Bg das gewünschte Modell anbietet, so greift dieses Abstellen allein auf die aktuelle Marktlage zu kurz. Die Ag hätten die Überlegung, dass Marktteilnehmer relativ schnell auf das nachgefragte Modell hätten einschwenken können, mit einbeziehen müssen. Bei dieser Sachlage kann eben gerade nicht nur ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag erbringen, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist.

Es kommt hinzu, dass die von den Ag durchgeführte Markterkundung keinen Beleg dafür liefern kann, dass nur die Bg die nachgefragte Leistung alternativlos erbringen kann. Die nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV erforderliche Prognose, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur ein Unternehmen die nachgefragte Leistung liefern könne, ist den Ag auf der Grundlage ihrer nur intern und entgegen den ausdrücklichen Vorgaben des § 28 Abs. 1 VgV ohne Marktkonsultation durchgeführten Internetrecherche nicht möglich. § 28 Abs. 1 VgV schreibt explizit vor, dass eine vor Einleitung eines Vergabeverfahrens durchzuführende Markterkundung nicht nur der Vorbereitung der Auftragsvergabe auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers dient, sondern auch “zur Unterrichtung der Unternehmen über seine Auftragsvergabepläne und -anforderungen” zu erfolgen hat. Dies soll dem Markt ermöglichen, sich auf einen kommenden, ggf. spezifischen Bedarf einzustellen und sich ggf. auf ein entsprechendes Beschaffungsvorhaben vorbereiten zu können (vgl. jüngst OLG Hamburg, Beschluss vom 6. April 2024, 1 Verg 1/23 zu § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV). Dem sind die Ag nicht gerecht geworden.

Abzustellen ist nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV auf den Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe des Angebotes. Im Lichte der vergaberechtlichen Grundsätze ist diese Maßgabe so auszuglegen, dass der öffentliche Auftraggeber, der sich auf diesen Ausnahmetatbestand berufen will, zu diesem Zeitpunkt eine Prognose anzustellen hat, um abzuschätzen, ob die Leistung in absehbarer Zeit, grundsätzlich bis zum Vertragsbeginn bzw. dem Zeitpunkt der Leistungserbringung, tatsächlich nur von einem Unternehmen erbracht werden kann und somit absehbar kein Wettbewerb zwischen mehreren Marktteilnehmern möglich sein wird (vgl. VK Bund, Beschluss vom 19. September 2022, VK 2-80/22). Dies ergibt sich im Lichte des Wettbewerbsgrundsatzes, § 97 Abs. 1 S. 1 GWB, wonach der auszuwählende Auftragnehmer die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel in der Regel und sofern der Auftrag es nicht ausnahmsweise anders erfordert erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung bzw. des Vertragsbeginns tatsächlich vorweisen, mithin über sie verfügen bzw. etwaig benötigtes Personal einstellen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2019 – VII-Verg 52/18 sowie Beschluss vom 26. Juli 2018 – VII-Verg- 28/18, je zur Frage der unternehmerischen Eignung). Dieser Grundsatz ist auch hier zu beachten. Die Ag haben dies im Grunde auch erkannt, weil sie ausweislich ihrer in der Vergabeakte dokumentierten Markterkundung vom 18. November 2024 ihre Kernforderung nach einem Medizinprodukt der Klasse IIa oder höher gemäß EU-MedizinprodukteVO daran geknüpft haben, dass diese Eigenschaft erst zu Vertragsbeginn vorliegen muss. Diesen wettbewerbsoffenen Ansatz haben die Ag allerdings weder auf die übrigen von ihnen aufgestellten Anforderungen erstreckt noch haben sie diesen Ansatz bei Durchführung der Marktkonsultation berücksichtigt. Es fehlen ihnen damit hinreichende Faktenkenntnisse, um die Marktsituation im Hinblick auf ihren – für sich genommen sachgemäß definierten – Beschaffungsbedarf sachgerecht und zuverlässig einschätzen zu können. Die Internetrecherche vermittelt zudem per se keine Erkenntnisse, ob und wie die am Markt tätigen Unternehmen ihr im Internet allgemein offeriertes Portfolio auf einen spezifischen Bedarf hin adaptieren können. Auch etwaig am Markt vorhandenes Innovationspotential kann so gar nicht identifiziert werden.

Die Entscheidung der Ag, eine Direktvergabe an die Bg durchzuführen, kann vor diesem Hintergrund keinen Bestand haben.

c) Die Entscheidung der Ag, eine Direktvergabe zugunsten der Bg durchführen zu wollen, verletzt die ASt vor diesem Hintergrund in ihren bieterschützenden Rechten, so dass die auf dieser Grundlage beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Bg zu untersagen ist, § 168 Abs. 1 GWB. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht werden die Ag daher ein unionsweites wettbewerbliches Vergabeverfahren unter Beachtung der festgestellten Rechtsauffassung der Vergabekammer bekannt zu machen haben. Dabei ist festzuhalten, dass die Ag nach den obigen Feststellungen an ihrem vergaberechtsgemäß definierten Beschaffungsbedarf festhalten können, allerdings auch nicht daran gehindert sind, ihren Bedarf oder ihre Anforderungen sach- und auftragsgemäß zu modifizieren.

III.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 182 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 und 2, Abs. 4 S. 1, 2 GWB und folgt dem tenorierten Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens.

1. Die ASt ist mit ihrem Nachprüfungsantrag nur teilweise durchgedrungen. Dies folgt aus einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise des mit dem Nachprüfungsantrag verfolgten Begehrens der ASt, die nicht allein an den formulierten Anträgen zu orientieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Dezember 2023, VII-Verg 51/22 sowie Beschluss vom 11. April 2022, VII-Verg 5/22).

a) Das Interesse der ASt war nicht nur darauf gerichtet, wie beantragt den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu verhindern. Mit ihrem Nachprüfungsantrag hat sie wirtschaftlich in erster Linie das Ziel verfolgt, den von den Ag definierten Beschaffungsgegenstand zu verwerfen, damit sie in einem aufzusetzenden wettbewerblichen Vergabeverfahren ein Angebot auf der Grundlage ihres aktuellen Geschäftsmodells abgeben kann, ohne für ein Angebot Modifikationen vornehmen zu müssen. Wäre die ASt mit diesem Vorbringen erfolgreich gewesen, hätte sie sich grundsätzlich auf ein neues Vergabeverfahren einstellen können, in dem sie ein Angebot auf der Grundlage ihres unveränderten Geschäftsmodells hätte abgeben können. Dass die ASt die Direktvergabe mangels vergaberechtsgemäßer Marktkonsultation für fehlerhaft gehalten hat und vorgebracht hat, jedenfalls auch den konkret geäußerten und sachgemäß definierten Bedarf der Ag bedienen zu können und wollen, wenn diese daran festhalten, stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als hilfsweises Begehren dar, mit dem die ASt hier durchgedrungen ist. Denn die ASt wird sich in einem entsprechenden Vergabeverfahren wirtschaftlich anders zu positionieren haben, um am Wettbewerb teilnehmen zu können, als es ihr bei einem Angebot auf Grundlage ihres unveränderten Geschäftsmodells möglich gewesen wäre. Insofern hat die ASt hat ihr Rechtsschutzziel mithin nur zum Teil erreicht. Bestätigt wird diese Beurteilung durch die Einlassung der ASt in der mündlichen Verhandlung auf die Frage der Vergabekammer, warum sie nicht das von den Ag gewünschte Modell umgesetzt und angeboten hat. Dies ist laut ASt nicht geschehen, da sie vorrangig ihr vorhandenes Modell durchsetzen und unverändert dieses Modell anbieten wollte.

b) Spiegelbildlich obsiegen Ag und Bg infolge des teilweisen Unterliegens der ASt ebenfalls teilweise und sind somit nur hinsichtlich des erfolgreichen Teils des Nachprüfungsantrags unterlegen und daher an den Kosten des Nachprüfungsverfahrens nur entsprechend den zu berücksichtigenden Grundsätzen des § 182 Abs. 3 S. 1, 2 GWB gesamtschuldnerisch zu beteiligen.

c) Die Bg ist in diesem Umfang mit der Ag als unterliegend zu betrachten, denn sie hat sich aktiv durch Einreichung von Schriftsätzen am Nachprüfungsverfahren beteiligt und dementsprechend Anträge gestellt. Die Notwendigkeit einer Beteiligung der Bg an den Kosten ergibt sich mithin daraus, dass die Bg umfangreich in der Sache vorgetragen und damit das Verfahren wesentlich durch Sach- und Rechtsvortrag gefördert hat (zur Beteiligung des beigeladenen Unternehmens an der Kostenlast auf der Seite der unterliegenden Auftraggeber bei solcher Förderung des Nachprüfungsverfahrens und Übernahme eines entsprechenden Kostenrisikos vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. August 2024, VII-Verg 13/24; BayObLG, Beschluss vom 26. März 2024, Verg 12/23).

Das Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens entspricht dem tenorierten Umfang. Ag und Bg auf der einen und die ASt auf der anderen Seite unterliegen bzw. obsiegen somit jeweils zur Hälfte.

2. Zu entscheiden ist auch über den Aufwendungsersatz, § 182 Abs. 4 S. 1 und 2 GWB. Hiernach werden die Aufwendungen von ASt, Ag und Bg im Hinblick auf das je hälftige Obsiegen bzw. Unterliegen jeweils gegeneinander aufgehoben. Einer Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat – einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt
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