vorgestellt von Thomas Ax
Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann. Technische Planungsleistungen weisen eine personenbezogene Komponente auf, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird. Bei komplexen Planungsleistungen ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber zu dem Ergebnis kommt, dass die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt. Denn damit können die betriebsorganisatorischen Fähigkeiten und Kapazitäten eines Unternehmens, die für die Erfüllung komplexer Planungsaufgaben ebenfalls und unabhängig von einzelnen Personen erforderlich sind, nicht gleichgesetzt werden.
VK Bund, Beschluss vom 25.04.2024 – VK 1-30/24 (nicht bestandskräftig; Rechtsmittel: OLG Düsseldorf, Az. Verg 15/24)
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin für derzeit ein Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb zur Vergabe der Fachplanung der Technischen Ausrüstung gemäß §§ 53 ff. HOAI der Anlagengruppe 7.1 (medizin- oder labortechnische Anlagen), LPH 2 bis LPH 9, für den Laborneubau […] durch. Im Haus […] sollen Laborflächen der Kategorie BSL 2 und BSL 3 nach GenTG (standardisierte mikrobiologische Labore mit Auswerteräumen, (Gefahrstoff-)Lagern, Brut- und Kühlräumen) sowie Büroflächen und Besprechungsräume untergebracht werden. Der Neubau soll bei laufendem Betrieb und beengten Platzverhältnissen sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen technischen Anlagen und Sicherheitsanforderungen in die bestehende Liegenschaft integriert werden. Die Antragsgegnerin schätzt die Anforderungen an die bauliche und prozessuale Qualität als hoch ein (s. Ziffer 5.1 der EU-Bekanntmachung sowie S. 1 der “Kurzbeschreibung des Projektes und des Leistungsumfangs für die Fachplanung TA-Labortechnik”). Die Projektkosten gemäß DIN 276 werden für die KG 473 mit ca. 3,6 Mio. Euro netto und für die KG 200 – 700 mit ca. 80 Mio. netto angegeben, die Projektdauer soll ca. 75 Monate betragen (s. Ziffer 5.1 der EU-Bekanntmachung sowie S. 10 ff. der o.g. Kurzbeschreibung).
In der EU-Bekanntmachung wurden unter Ziffer 5.1.9 folgende Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bewerber genannt:
“Kriterium:
Art: Technische und berufliche Leistungsfähigkeit
Bezeichnung: Vorstellung von zwei mit der Bauaufgabe und der ausgeschriebenen Leistung vergleichbaren realisierten Referenzprojekten gem. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV:
Beschreibung: Die Referenzprojekte (P1, P2) müssen im Zeitraum ab 01/2013 bis zum Tag der Veröffentlichung fertig gestellt sein (Abschluss Leistungsphase 8 gem. § 53 ff HOAI). Davon: Mindestens ein Referenzprojekt mit Projektkosten in der KG 473 (Medizin- und Labortechnische Anlagen nach DIN 276) von mindestens 3,5 Mio. Euro. Mindestens ein Referenzprojekt aus dem Labor- bzw. Krankenhausbau. Hinweis: Die Referenzprojekte (P1 und P2) müssen dem/der Bewerbenden eindeutig zuzuordnen sein. Im Falle einer Bietergemeinschaft können die Referenzprojekte von jedem Mitglied der Bietergemeinschaft eingereicht werden (insgesamt max. 2 Referenzen). Referenzprojekte des Nachunternehmens sind nicht zugelassen. Es sind zwei mit der Bauaufgabe und der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare Referenzprojekte (P1, P2) vom Bewerbenden vorzustellen, die anhand der Auswertungsmatrix Stufe 1 bewertet werden. Insbesondere Angaben zu: Projektbezeichnung, Ort, Bauherr/in, Auftraggeber/in, Ansprechpartner/in mit Tel.-Nr., Entwurfsverfasser/in, Architekt/in, Projektdauer, Gebäudenutzung, Art der Baumaßnahme, Projektkosten, Umfang der eigenen Leistung, Besondere Leistungen, Referenzschreibens. Neben dem Bewerbungsbogen sind maximal 3 DIN A 4 Seiten je Referenzprojekt in digitaler Form einzureichen. Darüberhinausgehende Unterlagen werden zur Wertung nicht zugelassen.
Anhand der Kriterien werden die Bewerber ausgewählt, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen.
(…)
Kriterium:
Art: Technische und berufliche Leistungsfähigkeit
Bezeichnung: Vorstellung des Projektteams – insbesondere Angaben zu: Name, Ausbildung/Studienabschluss, Berufserfahrung.
Beschreibung: Der/die Bewerbende oder die Bietergemeinschaft haben das gesamte Projektteam im Teilnahmewettbewerb (Stufe 1) vorzustellen. Dabei soll auch berücksichtigt werden, welche Zugehörigkeit des Fachbereichs vorliegt, sodass die Aufteilung der Projektbeteiligten den Anlagengruppen bzw. Kostengruppen zugeordnet werden kann. Dies ist bei der Einzelvorstellung (s.u. zu berücksichtigen). Alle Anlagengruppen sind personell durch das gesamte Projektteam abzubilden und durch entsprechende Studiennachweise sowie den beruflichen Werdegang zu belegen. Projektleiter*in (PL) mit Studienabschluss der Fachrichtung Technische Ausrüstung oder in naturwissenschaftlichen Fachrichtungen (oder vergleichbaren Studienabschluss einer Fachhochschule oder Hochschule) mit 10 Jahren Berufserfahrung (nach Studienabschluss) im Bereich der Fachplanung Technische Ausrüstung bezogen auf die Anlagengruppe 7.1 (Medizin- oder Labortechnische Anlagen) in den LPH 2 bis 8. Stellv. Projektleiter*in / Projektmitarbeiter*in (PM-1) mit Studienabschluss der Fachrichtung Technische Ausrüstung oder in naturwissenschaftlichen Fachrichtungen (oder vergleichbaren Studienabschluss einer Fachhochschule oder Hochschule) mit mindestens 5 Jahren Berufserfahrung (nach Studienabschluss) im Bereich der Fachplanung Technische Ausrüstung bezogen auf die Anlagengruppen 7.1 Medizin- oder Labortechnische Anlagen in den LPH 2 bis 8. Hinweis: Das Projektteam (PL, PM-1) soll sich aus mindestens 2 Personen zusammensetzen. Eine Doppelbenennung ist hier nicht möglich. Für die Leistung der BIM-Koordination ist eine Person als Ansprechpartner*in zu benennen. Eine Doppelbenennung der zuvor benannten Projektmitarbeitenden zur Erfüllung der Leistung BIM-Management ist möglich. Hinweis: Beruflicher Werdegang sowie Studiennachweise der für das Projekt vorgesehenen Beschäftigten, einschließlich des/der Büroinhabenden, sind in digitaler Form vorzulegen.
Anhand der Kriterien werden die Bewerber ausgewählt, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen.”
Im Teilnahmewettbewerb sollten die vorzulegenden Referenzen laut der den Bewerbern zur Verfügung gestellten “Auswertungsmatrix Stufe 1” hinsichtlich mehrerer Einzelaspekte mit maximal 210 Punkten je Referenzprojekt bewertet werden. Die übrigen Angaben im von den Bewerbern auszufüllenden Bewerbungsbogen wie zum Umsatz, zur Anzahl der Mitarbeiter sowie zu Studienabschluss und Berufserfahrung des Projektleiters und seines Stellvertreters wurden mit “erfüllt” bzw. “nicht erfüllt” bewertet. Die zweite Stufe des Vergabeverfahrens besteht u.a. aus einer Vorstellung des Projektteams; mit Punkten sollen hier u.a. die beruflichen Erfahrungen des Projektleiters und seines Stellvertreters in Bezug auf Laborgebäude bewertet werden (s. “Auswertungsmatrix Stufe 2”).
Neben weiteren Unternehmen gab die Antragstellerin im 23. Januar 2024 einen Teilnahmeantrag ab. Sie legte zwei Referenzen vor (P1: […], P2: […]) und führte in einer beigefügten Eigenerklärung aus, dass sie sich auf diese Referenzprojekte, die von der Planungsgruppe […] Aktiengesellschaft […] (im Folgenden: […]) ausgeführt worden seien, als eigene Unternehmensreferenz berufen dürfe. Denn es bestehe eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für den genannten Referenzauftrag tätig waren und seit Februar bzw. Mai 2023 Mitarbeiter der Antragstellerin und für die Ausführung des vorliegenden Auftrags vorgesehen seien. Zwei der dort genannten ehemaligen Mitarbeiter der […] AG werden im Bewerbungsbogen der Antragstellerin als für den Auftrag vorgesehener Projektleiter bzw. stellvertretender Projektleiter benannt.
Bei der Auswertung der Teilnahmeanträge stellte die Antragsgegnerin zum von der Antragstellerin benannten Projektteam fest, dass die gestellten Mindestanforderungen erfüllt seien, zu den Referenzprojekten der Antragstellerin trug die Antragsgegnerin in ihre Auswertungstabelle ein: “nicht erfüllt”. Am 19. Februar 2024 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihre Bewerbung ausgeschlossen werde, weil sie den formalen Anforderungen nicht entspreche bzw. die Mindestanforderungen nicht erfülle. Bei den von ihr vorgestellten Büroreferenzen P1 und P2 handele es sich um Fremdreferenzen der […] AG, auf die sich die Antragstellerin nicht berufen könne, die Einstellung einzelner Mitarbeiter, die für die […] AG gearbeitet hätten, reiche nicht aus. Der Rüge der Antragstellerin vom 27. Februar 2024, dass die Referenzen P1 und P2 gewertet werden müssten, half die Antragsgegnerin nicht ab.
2. Am 15. März 2024 beantragte die Antragstellerin über ihre Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag der Antragsgegnerin übermittelt.
a) Die Antragstellerin meint, dass sie zu Unrecht mangels Eignung ausgeschlossen worden sei. Die von der Antragstellerin zum Beleg ihrer beruflichen und fachlichen Eignung vorgelegten Referenzen P1 und P2 hätte die Antragsgegnerin als eigene Unternehmensreferenzen der Antragstellerin berücksichtigen müssen, auch wenn diese Referenzen für die […] AG ausgestellt worden seien. Die Antragstellerin dürfe sich auf diese Referenzen berufen, weil sie seit Januar 2023 mehrere Mitarbeiter und damit einen “wesentlichen Betriebsteil der Labortechnik” der […] AG übernommen habe, hinsichtlich der Labortechnikplanung ca. 70% des Personals der […] AG. Im Übrigen sei die Antragstellerin schon seit […] am Markt etabliert und habe eine eigene Organisation und Betriebsstruktur mit über […] Mitarbeitern weltweit aufgebaut, im Jahr 2022 habe sie einen Umsatz in Höhe von […] Euro erwirtschaftet. Zum Beleg dafür, dass sie selbst “(über-)qualifiziert” sei, legt die Antragstellerin eine Referenzliste für das Jahr 2021 vor. Dass sie im Teilnahmewettbewerb die beiden Referenzen P1 und P2 vorgelegt habe, beruhe aus betriebsinternen Überlegungen u.a. darauf, dass der vorgesehene Projektleiter an beiden Projekten mitgearbeitet habe. Für die Frage, welche Ressourcen ein Unternehmen von einem anderen Unternehmen übernommen haben müsse, damit dem neuen Unternehmen dessen Referenzen zugerechnet werden könnten, komme es auf den Inhalt der zu vergebenden Leistungen an. Planungsleistungen wiesen einen ganz persönlichen Charakter auf und würden daher schwerpunktmäßig nicht durch das Unternehmen in seiner Organisation, sondern gerade durch die den Auftrag bearbeitenden Personen geprägt. Die Bewältigung der hier ausgeschriebenen Aufgaben der Fachplanung für die medizin- und labortechnischen Anlagen sei nahezu ausschließlich von den Kenntnissen und Erfahrungen der mit der Planung betrauten Personen abhängig. Ein entsprechend erfahrener Planer sei in der Lage, seine Leistungen auch in unterschiedlichen betrieblichen Strukturen und mit unterschiedlichen Arbeitsmitteln gleichermaßen gut zu erbringen. In einem solchen Fall seien daher auch Büro- oder Unternehmensreferenzen personenbezogen und dasjenige Unternehmen, das über die betreffenden Mitarbeiter verfüge, könne sich die Fremdreferenzen eines anderen Unternehmens zurechnen lassen, auch wenn es nur die Mitarbeiter, aber keine weitergehenden unternehmensspezifischen Strukturen übernommen habe.
Die Antragstellerin meint, die von ihr vorgelegten Referenzen P1 und P2 belegten vorrangig die berufliche und technische Leistungsfähigkeit der mit den in diesen Projekten betrauten Mitgliedern des für den verfahrensgegenständlichen Auftrag vorgesehenen Projektteams. Der damalige Projektleiter im Referenzprojekt P1 sei inzwischen ebenfalls seit dem 1. Februar 2023 bei der Antragstellerin beschäftigt, so dass ebenfalls auf dessen Expertise zurückgegriffen werden könne. Der für das streitgegenständliche Projekt vorgesehene Projektleiter sei im Referenzprojekt P1 in den Leistungsphasen 2 bis 8 sechs Jahre lang Projektmitarbeiter und Bauleiter gewesen, im Referenzprojekt P2 in denselben Leistungsphasen Projektleiter. Der als stellvertretender Projektleiter vorgesehene ehemals bei der […] AG beschäftigte Mitarbeiter habe ebenfalls im Referenzprojekt P1 mitgearbeitet (Leistungsphasen 3 bis 6). Beide Personen seien nunmehr seit über einem Jahr Teil des Unternehmens der Antragstellerin, so dass sie in vollem Umfang über die von der Antragsgegnerin geforderten Ressourcen verfüge. Anders als es die Antragsgegnerin darstelle, seien der vorgesehene Projektleiter sowie ein weiterer von der […] AG übernommener Mitarbeiter in den Referenzprojekten Projektgruppenleiter der Labortechnik mit entsprechender Führungs-, Budget- und Projektverantwortung gewesen, also keine einfachen Projektingenieure ohne Verantwortung. Der vorgesehene Projektleiter habe in diesen Projekten auch betriebliche, wirtschaftliche und personalpolitische Kompetenzen ansammeln können und sei in die Entscheidungsprozesse involviert gewesen, als Projektgruppenleiter habe man auch leitende Funktion, u.a. als Teamleitung. Leitender verantwortlicher Partner für den Bereich der Medizin- und Labortechnikplanung, der primär die Gesamtbudgetverantwortung für diesen Bereich verwaltet sowie die Personalführung innegehabt habe, sei ein anderer Mitarbeiter der […] AG gewesen, der weiterhin dort tätig sei.
Dass die einschlägige berufliche Erfahrung eines Bewerbers stark personenbezogen zu bewerten sei, folge aus § 47 Abs. 1 S. 3 VgV. Zwar sei vorliegend keine direkte Eignungsleihe einschlägig. Jedoch liege Sinn und Zweck dieser Norm darin, dass sich ein Bewerber bzw. Bieter dann auf etwas berufen könne, was er nicht selbst ausgeführt habe, wenn die auszuführende Leistung durch denjenigen erbracht werde, der die einschlägige berufliche Erfahrung habe.
Wenn sich ein Unternehmen nicht auf Referenzen berufen könne, obwohl die Mitarbeiter, die für die ordnungsgemäße Erbringung der Referenz ursächlich waren, jetzt in dem neuen Unternehmen arbeiteten, liefe dies nach Auffassung der Antragstellerin auf eine mittelbare Beschränkung der Freizügigkeit i.S.d. Art. 21 AEUV hinaus. So könnten Mitarbeiter eines Projektsteuerungsbüros in Österreich zwar zu einem Büro in Deutschland wechseln, aber ihre Erfahrung nicht mehr bei öffentlichen Aufträgen für das in Deutschland ansässige Büro fruchtbar machen, weil sie sich nicht mehr auf ihre persönlichen Erfahrungen bei vergangenen Referenzprojekten berufen könnten. Eine solche Gesetzesanwendung verstoße zudem gegen Art. 15 Abs. 1, 2 lit. g) und Abs. 3 RL 2006/123/EG.
Des Weiteren erläutert die Antragstellerin näher ihre Angaben im Bewerbungsbogen zum Umsatz und zu ihren Mitarbeitern.
Die Antragstellerin beantragt:
1. Die Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB,
2. schnellstmöglich die Aussetzung des Vergabeverfahrens gemäß § 169 GWB durch noch heutige Information an die Antragsgegnerin in Textform über diesen Nachprüfungsantrag bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Abs. 1 GWB zu veranlassen,
3. der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor Prüfung der Eignung der Antragstellerin zurückzuversetzen,
4. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Eignungsprüfung entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtskonform unter Einbeziehung der Referenzen P1 und P2 zu wiederholen und den Teilnahmeantrag vergaberechtskonform zu werten,
5. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt wurde,
6. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,
7. der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 GWB in die Vergabeunterlage und den Vergabevermerk zu gewähren, wobei Akteneinsicht auch in die Protokolle der internen Beratungen und etwaig eingeholter Rechtsauskünfte zu gewähren ist (§ 8 VgV);
8. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
b) Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen,
Die Antragsgegnerin meint, sie habe die Antragstellerin im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums zu Recht gemäß § 46 VgV ausgeschlossen, da diese den geforderten Nachweis eigener Erfahrungen im Bereich der Planung von medizin- und labortechnischen Anlagen nicht erbracht habe. Die Antragstellerin habe nicht wie als Mindestanforderung gefordert eigene Referenzleistungen vorgestellt, sondern zwei Fremdreferenzen der […] AG. Ein Unternehmen dürfe sich jedoch grundsätzlich nicht auf Referenzleistungen eines Mitarbeiters berufen, die dieser für ein anderes Unternehmen erbracht habe. Ein solcher Verweis sei nur ausnahmsweise zulässig, wenn auch die Betriebsstruktur und Organisation dieses Unternehmens übernommen worden sei. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall. Die […] AG bearbeite nach eigener Auskunft weiterhin erfolgreich neue Großprojekte im Bereich der Labortechnik, von den [mehreren hundert] Ingenieuren der […] AG habe die Antragstellerin lediglich fünf übernommen.
Zu den von der Antragstellerin im Bewerbungsbogen als Projektteam benannten Mitarbeitern habe die Antragsgegnerin den Vorstand der […] AG befragt. Danach sei nur der von der Antragstellerin vorgesehene Projektleiter bei beiden Referenzprojekten P1 und P2 beteiligt gewesen, der als stellvertretender Projektleiter vorgesehene Mitarbeiter sei nur kurzfristig in einem dieser Projekte tätig gewesen. Die Personen, die für die Referenzleistungen zuständig gewesen seien, und die Mitarbeiter, die jetzt für die ausgeschriebene Planungsaufgabe vorgesehen seien, seien damit nicht (wie in der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung gefordert) weitgehend identisch. Alle von der Antragstellerin übernommenen Mitarbeiter der […] AG hätten im Unternehmen der […] AG keinerlei leitende Funktion ausgeübt. Dies gelte auch für den von der Antragstellerin vorgesehenen Projektleiter. In einem der beiden Referenzprojekte habe dieser lediglich die Leistungsphase 8 übernommen, also keine Planungsleistungen erbracht. Zudem sei dieser dem zuständigen Bereichsleiter unterstellt und weisungsabhängig gewesen, er war nicht in die Unternehmensleitung und betriebliche Entscheidungen eingebunden und hatte keine betrieblichen, wirtschaftlichen und personalpolitischen Kompetenzen. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter der […] AG, der jetzt ebenfalls bei der Antragstellerin tätig sei, sei bei einem der Referenzprojekte nur bei der Umsetzung der bereits vorhandenen Planung beteiligt gewesen (Leistungsphasen 6 und 7). Die übrigen von der […] AG abgeworbenen Mitarbeiter seien an den benannten Referenzleistungen nicht beteiligt gewesen. Für eine positive Eignungsprognose reiche dies nicht aus.
Die Antragsgegnerin betont, dass das […] mit seinen breit angelegten und hochkomplexen Aufgaben- und Forschungsbereichen (vor allem im Rahmen der Vorbeugung und Bekämpfung von […], Aufklärung von […], Abwehr von […]) auf eine Laborausstattung angewiesen sei, die die Sicherheitsstufen S2 und S3 der Gentechniksicherheitsverordnung (GenTSV) und Biogefahrstoffverordnung erfülle. Eine fehlerhafte Planung würde nicht nur zu hohen zusätzlichen Kosten und zeitlichen Verzögerungen führen, sondern berge bei diesem Bauvorhaben auch hohe Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung, wenn Viren und Bakterien, mit denen dort experimentiert werde, aufgrund nichteingehaltener planungsrechtlicher Vorgaben oder Überwachungsmängel in der Bauausführung in die Umwelt gelangten. Diese hochanspruchsvolle Planungsaufgabe erfordere ein interdisziplinäres Planungsteam, das mit den Anforderungen an den späteren Zweck und den damit einhergehenden Gefahren des Labors vertraut sei. U.a. sei daher insbesondere Expertise im Bereich der Versorgungstechnik erforderlich, um zu verhindern, dass mit Viren, Bakterien oder sonstigen Krankheitserregern kontaminierte Luft oder Abwasser etc. nach außen tritt. Der Projekterfolg hänge von der Zusammenarbeit und Koordinierung dieses Planungsteams ab. Wie bei jeder anderen Leistung seien hier die Betriebsstruktur, die Unternehmensleitung, Qualitätssicherung, Fehlerkultur, der Umgang mit Mitarbeitern und die Persönlichkeiten der beteiligten Akteure entscheidend. Die Antragsgegnerin habe daher bewusst solche Bewerber ausgewählt, die mit der Planung von Laboren und medizinwissenschaftlichen Einrichtungen eigene umfangreiche Erfahrungen vorweisen können. Das zu beauftragende Büro solle nicht nur einzelne Personen mit entsprechenden Erfahrungen beschäftigen, sondern auch durch eigene Unternehmensleistungen in der Vergangenheit nachweisen können, dass durch die gesamte Betriebsorganisation und die Struktur des Unternehmens gewährleistet sei, dass auch bei Ausfall, Austausch oder Weggang von einzelnen Personen erfolgreich Leistungen erbracht werden könnten. Diese Anforderungen seien aufgrund der gestellten anspruchsvollen Bauaufgabe angemessen. Da die persönlichen beruflichen Erfahrungen des vorgestellten Projektteams erst in der zweiten Stufe im Rahmen des Präsentationsgesprächs bewertet werden, wäre es darüber hinaus verfahrensfehlerhaft, wenn solche persönlichen Erfahrungen bereits im Teilnahmewettbewerb berücksichtigt werden dürften.
Des Weiteren bestreitet die Antragsgegnerin die Angaben der Antragstellerin zu den im Bewerbungsbogen anzugebenden Mindestumsätzen im Bereich der Planung von medizin- oder labortechnischen Anlagen und zweifelt ebenfalls daran, dass die Antragstellerin die Mindestanforderungen an die Anzahl der Beschäftigten mit einer bestimmten Ausbildung und Berufserfahrung erfülle.
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.
Nachdem alle Verfahrensbeteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, ergeht die Entscheidung gemäß § 166 Abs. 1 S. 3, 1. Alt. GWB nach Lage der Akten.
Durch Verfügung des Vorsitzenden vom 16. April 2024 wurde die Entscheidungsfrist bis zum 26. April 2024 einschließlich verlängert.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bestehen keine Bedenken. Allerdings ist der Antrag unbegründet. Denn die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit der Bewerber wirksame Eignungsanforderungen aufgestellt (dazu unter 1.), die die Antragstellerin nicht vollständig erfüllt (dazu unter 2.). Die Antragstellerin wurde daher zu Recht mangels Eignung ausgeschlossen (dazu unter 3.). Auf weitere etwaige Ausschlussgründe kommt es daher nicht an (dazu unter 4.).
1. Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit der Bewerber zwei Anforderungen aufgestellt. Erstens sollten “zwei mit der Bauaufgabe und der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare realisierte Referenzprojekte gem. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV” vorgestellt werden und zweitens sollte das “Projektteam” mit “Name, Ausbildung/Studienabschluss, Berufserfahrung” vorgestellt werden. Diese Kriterien sind vergaberechtskonform:
Bei dem ersten Kriterium handelt es sich – wie aus dem Hinweis auf § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV deutlich wird – um eine unternehmensbezogene Anforderung. Diesen Bezug auf das Bewerberunternehmen selbst hat die Antragsgegnerin noch weiter dadurch konkretisiert, dass sie ausdrücklich verlangt hat, dass die betreffenden Referenzprojekte “dem/der Bewerbenden eindeutig zuzuordnen sein” müssen und “Referenzprojekte des Nachunternehmens […] nicht zugelassen” sind. Das zweite Kriterium betrifft die bei der Leistungserbringung eingesetzten technischen Fachkräfte und beruht auf § 46 Abs. 3 Nr. 2 VgV.
Wie in § 122 Abs. 4 S. 2 GWB gefordert, hat die Antragsgegnerin diese beiden Eignungskriterien und die zu deren Beleg vorzulegenden Nachweise in der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens genannt. Da die ausgeschriebenen Leistungen die technischen Planungsleistungen für den Neubau eines Laborgebäudes (Fachplanung der Technischen Ausrüstung, Anl.-Gr. 7.1) für ein medizinisches Forschungsinstitut mit Projektkosten in der KG 473 von ca. 3,6 Mio. Euro betreffen, stehen die an die vorzulegenden Referenzen gestellten Anforderungen (“mindestens ein Referenzprojekt mit Projektkosten in der KG 473 (…) von mindestens 3,5 Mio. Euro. Mindestens ein Referenzprojekt aus dem Labor- bzw. Krankenhausbau”) mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung (§ 122 Abs. 4 S. 1 GWB, § 75 Abs. 4 VgV). Dasselbe gilt für die an das Projektteam gestellten Anforderungen (Studienabschluss der Fachrichtung Technische Ausrüstung oder in naturwissenschaftlichen Fachrichtungen mit 5 bzw. 10 Jahren Berufserfahrung im Bereich der Fachplanung Technische Ausrüstung in der Anlagengruppe 7.1.). Angesichts des voraussichtlichen wertmäßigen Umfangs dieses Projekts (KG 473 ca. 3,6 Mio. Euro netto, KG 200-700 ca. 80 Mio. Euro), der erwarteten Projektdauer von ca. 75 Monaten und vor allem der Komplexität des konkreten Bauvorhabens (mit Laborflächen der Kategorie BSL 2 und 3 nach GenTG und den damit einhergehenden gesetzlichen Sicherheitsanforderungen zum Schutz der Gesundheit und Umwelt, mikrobiologischen Laboren mit entsprechenden Zusatzräumen, Gefahrstofflagern im Zusammenhang mit der Erforschung, Untersuchung etc. von Bakterien und Viren, der Anforderung, den Neubau in die bestehende Liegenschaft bei laufendem Betrieb mit beengten Platzverhältnissen zu integrieren, sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen technischen Anlagen und Sicherheitsanforderungen) sind die hier gestellten Anforderungen an die entsprechenden Erfahrungen mit vergleichbaren Leistungen auch angemessen i.S.d. § 122 Abs. 4 S. 1 GWB, § 75 Abs. 4 VgV.
Abgesehen davon ist die Antragstellerin der Wirksamkeit der aufgestellten Eignungskriterien und der vorzulegenden Eignungsbelege/-Nachweise nicht entgegengetreten und hat diese nicht gerügt.
2. Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann. Die Antragsgegnerin hat ihren Beurteilungsspielraum nicht verletzt als sie zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen deren berufliche Leistungsfähigkeit nicht hinreichend belegen.
Für ihr eigenes Unternehmen hat die Antragstellerin keine Referenzen vorgelegt, sondern zwei Projekte der […] AG. Die Antragstellerin meint, dass diese Referenzprojekte ihr selbst zuzurechnen seien, weil sie mehrere Mitarbeiter der […] AG übernommen habe und zwei Mitarbeiter davon, die an zumindest einem der beiden Referenzaufträge mitgearbeitet oder als Projektleiter betreut hätten, beim streitgegenständlichen Auftrag als Projektleiter und stellvertretender Projektleiter einsetzen wolle.
Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass technische Planungsleistungen wie sie hier ausgeschrieben sind, eine personenbezogene Komponente aufweisen, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird. Ein Auftraggeber kann daher beurteilungsfehlerfrei zu dem Schluss kommen, dass ein Bewerber geeignet ist, wenn er Personen, die Referenzaufträge ausgeführt haben, auch für den ausgeschriebenen Auftrag einsetzen will (vgl. 2. VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2022, VK 2-137/21; VK Südbayern, Beschluss vom 17. März 2015, Z3-3-3194-1-56-12/14; VK Sachsen, Beschluss vom 5. Mai 2014, 1/SVK/010-14; vgl. auch – für hier nicht vorliegende Projektsteuerungsleistungen – VK Südbayern, Beschluss vom 25. Februar 2021, 3194.Z3-3_01-20-47). Dass die berufliche Leistungsfähigkeit des einzusetzenden Projektteams für den Leistungserfolg wichtig ist, sieht nicht nur die Antragstellerin, sondern auch die Antragsgegnerin so, und hat daher nicht nur unternehmensbezogene Eignungsanforderungen, sondern auch Anforderungen an die Ausbildung und Berufserfahrung des Projektteams aufgestellt. Dies zeigt jedoch nicht nur, dass die Antragsgegnerin auf die persönlichen Fähigkeiten des einzusetzenden Personals Wert legt, sondern dass es ihr hierüber hinaus für die Frage, ob ein Bewerber über die für den ausgeschriebenen Auftrag erforderliche Eignung verfügt, ebenfalls wichtig ist, dass alle personellen und technischen Kapazitäten des Auftragnehmers “hinter” dem aus zwei Personen bestehenden Projektteam bereits in vergleichbaren Projekten eingesetzt wurden (die Antragsgegnerin nennt hier u.a. die Koordinierung des interdisziplinären Projektteams, Qualitätssicherung und Fehlerkultur sowie die Fähigkeit des Unternehmens, gerade auch bei Ausfall oder Weggang von einzelnen Personen die ausgeschriebenen Leistungen weiterhin erfolgreich erbringen zu können). Wie bereits oben unter 1. aufgezeigt, ist dies angesichts der besonderen Komplexität des streitgegenständlichen Auftrags nicht zu beanstanden.
Alle diese auf andere Unternehmensressourcen zugreifenden Leistungen, die bei technischen Planungsleistungen wie sie hier ausgeschrieben sind, außerhalb der eigentlichen Tätigkeit des Projektleiters und seines Stellvertreters anfallen, hat die Antragstellerin ausweislich der von ihr vorgelegten Referenzen jedoch nicht schon einmal selbst, sondern ein anderes Unternehmen, die […] AG, erbracht. Angesichts der in Art und Umfang besonderen Komplexität des streitgegenständlichen Bauvorhabens und der zu erbringenden fachplanerischen Leistungen der Leistungsphasen 2 bis 9 ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Übernahme einzelner Personen, die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten schon einmal mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung der Antragstellerin selbst belegt, den streitgegenständlichen Auftrag ordnungsgemäß auszuführen. Die Antragstellerin hat sich insoweit insbesondere auf die Fähigkeiten von zwei Personen berufen, des Projektleiters und seines Stellvertreters. Bereits von der Personenanzahl her hat die Antragsgegnerin zu Recht bezweifelt, dass diese zwei Personen alle Fähigkeiten mitbringen können, die die Abwicklung eines solchen Planungsauftrags wie hier ausgeschrieben erfordern. Die zu beauftragenden Leistungsphasen 2 bis 9 umfassen nicht nur planerische Tätigkeiten, sondern auch Arbeiten im Bereich der Auftragsvergabe und Bauüberwachung. Doch selbst wenn man die konkreten Fähigkeiten dieser beiden Personen berücksichtigt, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. In welchem Umfang (vor allem in welchen Leistungsphasen) der von der Antragstellerin vorgesehene Projektleiter in den beiden genannten Referenzprojekten (damals noch als Mitarbeiter der […] AG) tätig war, ist unter den Verfahrensbeteiligten streitig. Auch wenn man allein auf das Vorbringen der Antragstellerin selbst abstellt, ist die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin nicht fehlerhaft. Denn nach dem Vortrag der Antragstellerin hat der für die stellvertretende Projektleitung vorgesehene Mitarbeiter nur an einem der beiden Referenzprojekte mitgearbeitet und das auch nur in wenigen Leistungsphasen (3 bis 6). Der vorgesehene Projektleiter war zwar an beiden Referenzprojekten beteiligt und dies immerhin in den Leistungsphasen 2 bis 8, in einem der Referenzprojekte war er jedoch nur Bauleiter und auch als Projektleiter des anderen Referenzprojekts einer weiteren Person unterstellt und konnte nur im Rahmen des damaligen Projektteams eigene Führungserfahrungen sammeln. Das Gesamtbudget hatte der vorgesehene Projektleiter in den Referenzaufträgen ebenfalls nicht zu verantworten. Der für diese Aufgabe bei der […] AG verantwortliche Mitarbeiter, der ebenfalls die Personalführung innegehabt hatte, wurde von der Antragstellerin unstreitig nicht übernommen. Der von der Antragstellerin vorgesehene Projektleiter hatte im Referenzauftrag außerdem alle weiteren Aufgaben nicht wahrgenommen, die in betriebsorganisatorischer Hinsicht solche Aufträge ausmachen (s.o.). Im Nachprüfungsverfahren beruft sich die Antragstellerin auf einen weiteren ehemaligen Mitarbeiter der […] AG, der inzwischen für die Antragstellerin tätig sei. Auch dieser Mitarbeiter hat daher über seine Tätigkeit als Projektleiter hinaus in den Referenzaufträgen keine Leistungen erbracht und mithin keine entsprechenden Erfahrungen erworben. Schließlich hat die Antragstellerin in den letzten Jahren zwar mehrere weitere Mitarbeiter der […] AG übernommen. Es ist jedoch vertretbar, dass angesichts der Komplexität des streitgegenständlichen Bauvorhabens die Übernahme einzelner Mitarbeiter nicht mit den betriebsorganisatorischen Fähigkeiten gleichzusetzen ist, die ein Unternehmen erwirbt, wenn es selbst einen vergleichbaren Auftrag ausgeführt hat. Wie die Antragsgegnerin nachvollziehbar aufgezeigt hat, kommt es bei so komplexen und anspruchsvollen Planungsaufgaben wie hier u.a. auf koordinierende Fähigkeiten, Qualitätssicherungsmaßnahmen und Betriebsstrukturen an, die gerade auch unabhängig von einzelnen Personen den Projekterfolg gewährleisten können. Für die erfolgreiche Ausführung solcher Leistungen kommt es zudem auf den Einsatz technischer und sächlicher Betriebsmittel an. Dies erfolgte in den Referenzaufträgen nicht durch die Antragstellerin, sondern die […] AG. Die Antragstellerin verweist im Nachprüfungsverfahren diesbezüglich zwar auf ihre eigene Konzernstruktur mit mehreren tausend Mitarbeitern, dass sie u.a. Leistungen gemäß der HOAI erbringe sowie (im Zusammenhang mit den geforderten Umsatzangaben) auf mehrere in den letzten Jahren von ihrem Unternehmen erbrachten Referenzprojekte ([…]). Außerdem hat sie eine Liste mit Referenzen aus dem Jahr 2021 vorgelegt. Es ist jedoch bereits in rechtlicher Hinsicht fraglich, ob solche von einem Unternehmen nachträglich benannten Referenzen, die bisher nicht ausreichende Eignungsbelege ergänzen sollen, überhaupt berücksichtigt werden dürfen, oder ob es sich hierbei nicht um eine unzulässige Nachbesserung handelt (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 28. März 2018, Verg 42/17 m.w.N.). Unabhängig davon reichen die Angaben der Antragstellerin nicht für die Prüfung aus, ob die von der Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht gestellten Anforderungen (Projektkosten von mindestens 3,5 Mio. Euro in der KG 473, Abschluss der Leistungsphase 8, Labor- bzw. Krankenhausbau) zumindest in einer der vorzulegenden Referenzen erfüllt sind. Da die Antragstellerin diese Referenzen nicht bereits mit ihrer Bewerbung vorgelegt hat, ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist. Auch das nachträgliche Vorbringen der Antragstellerin zu ihrer eigenen beruflichen Leistungsfähigkeit kann daher deren Eignung in der hier (neben der personellen zusätzlich) geforderten unternehmensbezogenen Hinsicht nicht belegen. Wie bereits aufgezeigt, sind die vorgelegten Referenzen (der […] AG) insoweit ebenfalls nicht tauglich.
3. Da sie nicht alle wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen erfüllt, wurde die Antragstellerin zu Recht mangels Eignung gemäß § 42 Abs. 1 VgV i.V.m. § 122 Abs. 1 GWB ausgeschlossen. Hätte die Antragsgegnerin wie die Antragstellerin meint, ihre Eignungsprüfung auf die persönlichen Fähigkeiten des eingesetzten Projektteams beschränkt, hätte sie in rechtswidriger Weise nicht alle aufgestellten Eignungsanforderungen geprüft und damit ihren Beurteilungsspielraum verletzt (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2019, Verg 36/18). Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin auf die von ihr aufgestellte unternehmensbezogene Eignungskomponente gar nicht verzichten will, hätte ein solcher Verzicht auf eine wirksam aufgestellte Eignungsanforderung zudem die anderen Bewerber, die (wie hier ausweislich der Vergabeakte der Antragsgegnerin) die Eignungsanforderungen erfüllen, vergaberechtswidrig diskriminiert.
Dem steht auch nicht die von der Antragstellerin zitierte Vergaberechtsprechung entgegen:
• Die 2. VK Bund hat die Zurechnung von Fremdreferenzen bejaht, nachdem festgestellt worden war, dass es dem Auftraggeber “in erster Linie” auf die Fähigkeit des eingesetzten Personals ankam (Beschluss vom 27. Januar 2022, VK 2-137/21). Dieser Beschluss ist jedoch nicht auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt übertragbar. Denn erstens ging es in dem von der 2. VK Bund zu entscheidenden Sachverhalt nicht um komplexe Leistungen der Fachplanung der Technischen Ausrüstung Medizin- oder labortechnische Anlagen, sondern um Wartungsleistungen an elektronischen Abrechnungs- und Kassensystemen. Verfahrensgegenstand waren also deutlich weniger komplexe und anspruchsvolle Leistungen. Zweitens unterscheidet sich das streitgegenständliche Vergabeverfahren hiervon in dem wesentlichen Aspekt, dass die Antragsgegnerin ausdrücklich nicht nur persönliche Fähigkeiten des einzusetzenden Projektleiters und dessen Stellvertreters gefordert hat, sondern auch darüberhinausgehende unternehmensbezogene Erfahrungen mit vergleichbaren Leistungen.
• Die VK Südbayern hat zwar in ihrer Entscheidung vom 17. März 2015 (Az. Z3-3-3194-1-5612/14) betont, dass Referenzen bei VOF-Verfahren in erster Linie personengebunden sind, auch wenn diese in Form von Büroreferenzen gefordert wurden, weil solche Leistungen einen ganz persönlichen Charakter aufweisen würden. Da jedoch in dem von der VK Südbayern zu entscheidenden Fall – wie hier – nicht nur persönliche Referenzen der Projektleitung gefordert worden, sondern auch Büroreferenzen, betonte die VK Südbayern, dass auch der Büroreferenz “eine eigenständige Bedeutung zu verleihen” sei.
Entscheidungserheblich für die Zurechnung der Referenzprojekte eines anderen Unternehmens war für die VK Südbayern daher nicht nur, dass der vorgesehene Projektleiter und dessen Stellvertreterin dieselben Personen waren, die auch die Referenzobjekte betreut hatten. Vielmehr war auch das sonstige Projektteam weitgehend mit den Personen identisch, die für die Referenzaufträge zuständig gewesen waren, außerdem war das Unternehmen, das die Referenzaufträge ausgeführt hatte, “mit allen Projekten und Referenzen” auf das Unternehmen, das sich nun auf diese Referenzen berufen wollte, überführt worden. Unter diesen Prämissen stellte die VK Südbayern fest, dass “nur dann sichergestellt werden [kann], dass neben den Projektleitern auch das Architekturbüro als Organisationseinheit den zu vergebenden Auftrag ebenso zuverlässig und fachkundig bearbeitet wie das referenzgebende Vorgängerbüro”. Maßgeblich für die Zurechenbarkeit der Referenzprojekte eines anderen Unternehmens war hier also nicht nur die Übernahme des Projektteams dieses Unternehmens, sondern auch die Übernahme der entsprechenden “Organisationseinheit”. So eine Übernahme (zumindest der wesentlichen) Organisationsstruktur der […] AG, die die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzleistungen erbracht hatte, liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin trägt zwar (von der […] AG bestritten) vor, sie hätte einen “wesentlichen Betriebsteil der Labortechnik” der […] AG übernommen. Doch selbst wenn man dies zugunsten der Antragstellerin so unterstellen wollte, fehlt für eine Zurechnung der Referenzen der […] AG i.S.d. dieser Entscheidung der VK Südbayern die über den vorgesehenen Einsatz von Projektleiter und Stellvertreter hinaus erforderliche “weitgehende Identität” zwischen den Personen, die bei der […] AG für die Referenzaufträge zuständig waren, und denen, die den verfahrensgegenständlichen Auftrag ausführen sollen. Abgesehen davon hatte die VK Südbayern nicht über die hier entscheidungserhebliche Frage zu entscheiden, ob ein Auftraggeber seinen Prognosespielraum verletzt, wenn er Fremdreferenzen nicht zugunsten eines anderen Unternehmens berücksichtigt; der bayerische Auftraggeber hatte sich anders als hier die Antragsgegnerin dafür entschieden, die Fremdreferenzen zugunsten des Zuschlagsdestinatärs zu werten.
• In ihrem Beschluss vom 25. Februar 2021 stellte die VK Südbayern für die Zurechenbarkeit von Referenzleistungen, die von anderen Unternehmen erbracht wurden, maßgeblich auf die Kontinuität der wesentlichen Führungskräfte und Mitarbeiter ab (Az. 3194.Z3-3_01-20-47). Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 17. April 2019 (Az. Verg 36/18) stellte die VK Südbayern fest, dass Auftragsgegenstand beim OLG komplexe Brückenbauarbeiten gewesen seien, bei denen es “in ganz anderem Maße als bei Projektsteuerungsarbeiten auf eine funktionierende Unternehmensorganisation” ankomme, und betonte, dass die Kontinuität der wesentlichen Führungskräfte und Mitarbeiter der Referenzaufträge “zumindest” bei der Vergabe von Projektsteuerungsleistungen ausreiche. Auf die hier ausgeschriebenen Planungsleistungen, die ein besonderes und anspruchsvolles Bauvorhaben betreffen, ist daher auch diese Entscheidung nicht ohne Weiteres übertragbar. Abgesehen davon ging es auch in dieser Entscheidung der VK Südbayern nicht um die Frage, ob ein Auftraggeber beurteilungsfehlerhaft handelt, wenn er (wie hier die Antragsgegnerin) Fremdreferenzen nicht einem anderen Unternehmen zurechnet, sondern um die anders gerichtete Entscheidung, solche Referenzen anerkennen zu dürfen. Dass nur eine solche Entscheidung des Auftraggebers beurteilungsfehlerfrei wäre und sein Ermessen insoweit auf Null reduziert ist, geht aus diesem Beschluss der VK Südbayern nicht hervor und brauchte von dieser Vergabekammer auch nicht entschieden zu werden.
• Dasselbe gilt für die Übertragbarkeit des Beschlusses der VK Sachsen vom 5. Mai 2014 (Az. 1/SVK/010-14). Die VK Sachsen vertritt zwar die Auffassung, dass sich ein Unternehmen auf Referenzen, die für einen früheren Arbeitgeber erbracht wurden, berufen kann, wenn die ausgeschriebenen Leistungen einen ganz persönlichen Charakter aufweisen und der Mitarbeiter, der die Referenzleistungen erbracht hatte, inzwischen von dem anderen Unternehmen, das sich auf die Referenz beruft, übernommen wurde. Allerdings umfasste der ausgeschriebene Auftrag keine Planungsleistungen für ein vergleichbar anspruchsvolles Bauvorhaben wie hier und auch die VK Sachsen brauchte sich nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob nur die Entscheidung des Auftraggebers beurteilungsfehlerfrei gewesen wäre, die Zurechnung der Fremdreferenzen zuzulassen oder ob der Auftraggeber ebenso vergaberechtskonform hätte entscheiden können, die Fremdreferenzen zugunsten des Bieters, der sich jetzt auf diese beruft, nicht anzuerkennen (so wie es hier die Antragsgegnerin getan hat).
Der hier vertretenen Auffassung steht auch nicht § 47 VgV entgegen. Dass es sich hier nicht um einen Fall der Eignungsleihe handelt, sieht auch die Antragstellerin so. Doch auch sonst kann § 47 VgV kein allgemeiner vergaberechtlicher Grundsatz dergestalt entnommen werden, dass es für die Bejahung der “einschlägigen beruflichen Erfahrung” eines Bewerbers oder Bieters allein auf die Personen ankommt, die die ausgeschriebene Leistung erbringen werden. Denn § 47 VgV regelt nicht die Inanspruchnahme von Personen, sondern von “Kapazitäten”. Im vorliegenden Fall kann sich die Antragstellerin mithilfe der vorgelegten Referenzen jedoch allenfalls hinsichtlich der personengebundenen Eignungskomponente, die die Antragsgegnerin gefordert hat, auf die Mitarbeiter eines anderen Unternehmens berufen. Die zum Beleg der Eignung ebenfalls geforderten Kapazitäten in Gestalt der unternehmensbezogenen Eignungskomponente konnte die Antragstellerin jedoch nicht belegen (s.o.).
Aus demselben Grund bestehen gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Eignung der Antragstellerin zu verneinen, auch keine europarechtlichen Bedenken (die Antragstellerin beruft sich insoweit auf die in Art. 21 AUEV und Art. 15 Abs. 1, 2 lit. g) und Abs. 3 RL 2006/123/EG geregelten EU-Freizügigkeiten). Denn die Antragsgegnerin hat hier nicht daran gezweifelt, dass die von der Antragstellerin benannten Personen durch den Wechsel ihres Beschäftigungsunternehmens ihre beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten behalten haben. Maßgeblich ist hier, inwieweit sich ein Unternehmen auf Erfahrungen und Fähigkeiten berufen kann, die es selbst nicht gemacht hat.
4. Da die Antragsgegnerin die Antragstellerin bereits zu Recht ausgeschlossen hat, weil die Antragstellerin nicht ihre berufliche Leistungsfähigkeit nachgewiesen hat, kommt es nicht darauf an, wie ihre Angaben zu Umsatz und Mitarbeiteranzahl vergaberechtlich zu beurteilen sind.