Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

VOB/B für Einsteiger

von Thomas Ax

Werkvertrag und AGB

Das Vertragsrecht ist allgemein im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Das BGB unterscheidet eine Reihe von unterschiedlichen Vertragsarten, z.B. Kaufvertrag, Dienstvertrag, Werkvertrag. Jeder Bauleistungsvertrag ist ein Werkvertrag nach §§ 631 bis 651 BGB. Wenn die VOB/B als Vertragsgrundlage vereinbart wird, handelt es sich hierbei um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) nach § 305 BGB. Die VOB/B hebelt also das BGB nicht aus, sondern ergänzt das BGB um bauspezifische Regelungen. Außerdem ändert die VOB/B einige Regelungen des BGB unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse bei Baumaßnahmen. Es ist deshalb übrigens eigentlich falsch, zwischen „BGB-Vertrag“ und „VOB-Vertrag“ zu unterscheiden. Richtig wäre „BGB-Vertrag“ und „BGB-Vertrag mit VOB als Vertragsbestandteil“. Zugegebenermaßen ist die übliche Unterscheidung nach BGB- und VOB-Vertrag umgangssprachlich einfacher.

AGB und Inhaltskontrolle

Gemäß § 307 BGB unterliegen AGBs der Inhaltskontrolle. Das bedeutet, dass im Streitfall überprüft wird, ob einzelne Klauseln in AGBs unwirksam sind, weil sie den Vertragspartner des Verwenders der AGB, also desjenigen, der die AGB zum Vertragsbestandteil gemacht hat, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Sonderstellung der VOB

Für die VOB enthält das BGB nun aber eine Sonderregelung. Nach § 310 BGB entfällt die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, wenn die VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist. Diese Bestimmung des BGB bedeutet aber auch, dass die VOB/B der Inhaltskontrolle zu unterwerfen ist, sobald eine einzige Klausel der VOB/B verändert wird. Das hat bereits der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 22.01.2004 (Aktenzeichen VII ZR 419/02) so entschieden:

„Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führt dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist. Es kommt nicht darauf an, welches Gewicht der Eingriff hat.“

Dieses BGH-Urteil war der Grund dafür, dass inzwischen im BGB festgehalten ist, dass die Inhaltskontrolle nur entfällt, wenn die VOB/B ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist.

Beim Aufstellen von Vergabeunterlagen bei Ausschreibungen, zumindest bestehend aus Besonderen Vertragsbedingungen und der Leistungsbeschreibung, muss der Auftraggeber – und damit auch der für den Auftraggeber tätige Architekt oder Ingenieur – darauf achten, dass keine unzulässigen Änderungen der VOB/B vorgenommen werden. Das würde im Rechtsstreit dazu führen, dass im Zuge der Inhaltskontrolle alle Klauseln, die den Auftraggeber bevorteilen, entfallen und durch die entsprechenden Bestimmungen des BGB ersetzt werden. Alle Klauseln aber, die dem Vertragspartner, also dem Auftragnehmer, einen Vorteil einräumen, bleiben bestehen.

Der umgekehrte Fall liegt vor, wenn ein Auftragnehmer von sich aus einem Auftraggeber ein Angebot unterbreitet und darin die VOB/B als Vertragsbestandteil festlegt. Dann ist der Auftragnehmer der Verwender der AGB VOB/B. Wenn in diesem Fall der Auftragnehmer einzelne Klauseln der VOB/B verändert, wird sich das im Fall eines Rechtsstreits im Zuge der dann durchzuführenden Inhaltskontrolle zu seinen Ungunsten auswirken.

Zulässige Abweichungen von der VOB/B

Darf denn dann überhaupt von einer Klausel der VOB/B abgewichen werden?

Die Antwort lautet ja. Alle Klauseln der VOB/B, bei denen die VOB/B ausdrücklich sagt, dass abweichende Regelungen zulässig sind, dürfen selbstverständlich geändert werden. Die VOB/B empfiehlt bei einigen Klauseln sogar ausdrücklich, dass die Vertragsparteien etwas vereinbaren sollen. Nur wenn sie das unterlassen, greift die VOB/B mit einer eigenen Regelung ein. Ein Beispiel hierfür ist die Vereinbarung einer Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Die VOB/B sagt in § 13 Abs. 4 ausdrücklich: „Ist für Mängelansprüche keine Verjährungsfrist im Vertrag vereinbart, so beträgt sie für Bauwerke 4 Jahre …“ Also ist es selbst verständlich zulässig, eine Verjährungsfrist von z.B. fünf Jahren zu vereinbaren.

Nur dürfen die anderen Regelungen zur Regelung von Mängelansprüchen nach § 13 VOB/B, bei denen nicht der ausdrückliche Hinweis auf zulässige andere Vereinbarungen zu finden ist, nicht verändert werden.

Auswirkungen auf die Gestaltung der Vergabeunterlagen

In den Vergabeunterlagen ist vorzuschreiben, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) und die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C) Bestandteile des Vertrags werden. Das gilt auch für etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen und etwaige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen, soweit sie Bestandteile des Vertrags werden sollen. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen bleiben grundsätzlich unverändert. Sie können von Auftraggebern, die ständig Bauleistungen vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch Zusätzliche Vertragsbedingungen ergänzt werden. Diese dürfen den Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht widersprechen. Für die Erfordernisse des Einzelfalles sind die Allgemeinen Vertragsbedingungen und etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen durch Besondere Vertragsbedingungen zu ergänzen. In diesen sollen sich Abweichungen von den Allgemeinen Vertragsbedingungen auf die Fälle beschränken, in denen dort besondere Vereinbarungen ausdrücklich vorgesehen sind und auch nur soweit es die Eigenart der Leistung und ihre Ausführung erfordern. Die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen bleiben grundsätzlich unverändert. 2Sie können von Auftraggebern, die ständig Bauleistungen vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen ergänzt werden. 3Für die Erfordernisse des Einzelfalles sind Ergänzungen und Änderungen in der Leistungsbeschreibung festzulegen.

In den Zusätzlichen Vertragsbedingungen oder in den Besonderen Vertragsbedingungen sollen, soweit erforderlich, folgende Punkte geregelt werden:

a)           Unterlagen (§ 8b Absatz 3; § 3 Absatz 5 und 6 VOB/B),

b)           Benutzung von Lager- und Arbeitsplätzen, Zufahrtswegen, Anschlussgleisen, Wasser- und Energieanschlüssen (§ 4 Absatz 4 VOB/B),

c)           Weitervergabe an Nachunternehmen (§ 4 Absatz 8 VOB/B),

d)           Ausführungsfristen (§ 9; § 5 VOB/B),

e)           Haftung (§ 10 Absatz 2 VOB/B),

f)            Vertragsstrafen und Beschleunigungsvergütungen (§ 9a; § 11 VOB/B),

g)           Abnahme (§ 12 VOB/B),

h)           Vertragsart (§§ 4, 4a), Abrechnung (§ 14 VOB/B),

i)            Stundenlohnarbeiten (§ 15 VOB/B),

j)            Zahlungen, Vorauszahlungen (§ 16 VOB/B),

k)           Sicherheitsleistung (§ 9c; § 17 VOB/B),

l)            Gerichtsstand (§ 18 Absatz 1 VOB/B),

m)         Lohn- und Gehaltsnebenkosten,

n)           Änderung der Vertragspreise (§ 9d).

Im Einzelfall erforderliche besondere Vereinbarungen über die Mängelansprüche sowie deren Verjährung (§ 9b; § 13 Absatz 1, 4 und 7 VOB/B) und über die Verteilung der Gefahr bei Schäden, die durch Hochwasser, Sturmfluten, Grundwasser, Wind, Schnee, Eis und dergleichen entstehen können (§ 7 VOB/B), sind in den Besonderen Vertragsbedingungen zu treffen. Sind für bestimmte Bauleistungen gleichgelagerte Voraussetzungen im Sinne von § 9b gegeben, so dürfen die besonderen Vereinbarungen auch in Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen vorgesehen werden.

VOB und Verbraucher

Eine Besonderheit stellen Verträge zwischen einem Auftragnehmer und einem Verbraucher dar. In § 310 Abs. 3 BGB wird festgelegt, dass die Inhaltskontrolle bei Verbraucherverträgen nur dann entfällt, wenn die VOB/B durch den Verbraucher als AGB verwendet, also zum Vertragsbestandteil gemacht wird.

Das ist logischerweise immer der Fall, wenn ein Verbraucher Bauleistungen ausschreibt und in den Vergabeunterlagen vorgibt, dass die VOB/B Vertragsbestandteil sein soll.

Bei einem Verbraucher, der die VOB üblicherweise nicht kennen muss, ist es aber zwingend erforderlich, dass der für ihn ausschreibende Architekt oder Ingenieur seinen Auftraggeber über die Vor- und Nachteile, die sich aus der VOB/B (und auch VOB/C!) für ihn ergeben, aufklärt. Der Verbraucher muss dann entscheiden, ob er die VOB als Vertragsbestandteil vorgeben will oder nicht. Diese Entscheidung darf dem Verbraucher seinem Architekten oder Ingenieur nicht vorenthalten, indem er einfach von sich aus die VOB/B in den Vergabeunterlagen vorgibt. Das kann zu Haftungsansprüchen des Auftraggebers gegenüber seinem Architekten/Ingenieur führen!

Wer ist nun ein Verbraucher? Das definiert § 13 BGB. Danach ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Nach dieser Definition ist also z.B. auch ein Architekt Verbraucher, wenn er privat sein eigenes Haus neu- oder umbaut. Betrifft der Neu- oder Umbau dagegen sein Büro, steht das im Zusammenhang mit seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit und damit ist er in dem Fall kein Verbraucher.

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