Ax Vergaberecht

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Wann liegt eine Fertigstellung vor?

von Thomas Ax

Wann eine Fertigstellung im Sinne des § 14 Nr. 3 VOB/B vorliegt, muss unter Berücksichtigung des mit dieser Regelung verfolgten Zweckes ermittelt werden. Sie liegt vor, wenn der Auftragnehmer die vertraglichen Leistungen erbracht hat. Ihr steht gleich, wenn er weitere Vertragsleistungen, die in eine Schlussrechnung einzustellen wären, nicht mehr erbringen muss, etwa weil der Vertrag gekündigt worden ist, die Leistung unmöglich geworden ist, der Auftragnehmer keine weiteren Leistungen mehr erbringen will oder der Auftraggeber keine weiteren Leistungen mehr verlangt, so dass ein Abrechnungsverhältnis entsteht.

Die Abnahme der Bauleistungen ist ein Indiz für die Fertigstellung; denn regelmäßig erfolgt eine Abnahme, weil die Leistungen im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht sind. In diesem Fall steht der Annahme einer Fertigstellung im Sinne des § 14 Nr. 3 VOB/B regelmäßig nichts im Wege. Der Auftragnehmer ist berechtigt, die gesamte abgenommene Leistung in Rechnung zu stellen. Wegen der Mängel oder der Restleistungen hat der Auftraggeber ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB.

Gleiches gilt grundsätzlich auch, wenn die Abnahme erfolgt ist, obwohl wesentliche Restleistungen fehlen; denn mit der Abnahme löst der Auftraggeber in einem VOB-Vertrag die Fälligkeit der Werklohnforderung aus, sobald ihm die Schlussrechnung gestellt wird und die Prüffrist abgelaufen ist. Er akzeptiert die gesamte Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht und muss es daher hinnehmen, dass auch noch nicht erbrachte Teilleistungen in die Schlussrechnung eingestellt werden. Er ist durch das Leistungsverweigerungsrecht ausreichend geschützt.

Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen die Umstände ergeben, dass der Auftragnehmer trotz der erfolgten Abnahme nicht berechtigt ist, die noch nicht erbrachten Restleistungen in die Schlussrechnung einzustellen. Solche Umstände können sich aus dem Gewicht der noch fehlenden Teilleistungen oder aus den Bauumständen ergeben. Ist das der Fall, liegt eine Fertigstellung der Gesamtleistung im Sinne von § 14 Nr. 3 VOB/B noch nicht vor. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Abnahme der gesamten Leistungen nicht in Wahrheit eine Teilabnahme der erbrachten Leistungen ist. Das wird häufig angenommen werden können. Es liegt in aller Regel fern, dass der Auftraggeber eine noch nicht erbrachte wesentliche Teilleistung abnehmen will, so dass die erklärte Abnahme nicht auf die bereits erbrachte Leistung beschränkt ist. Liegt eine solche Teilabnahme vor, so ist der Auftragnehmer berechtigt, diese Leistung mit einer Teilschlussrechnung abzurechnen, so dass insofern eine Fertigstellung im Sinne des § 14 Nr. 3 VOB/B vorliegt. In der Teilschlussrechnung können und müssen die bisher erbrachten Leistungen und die berechenbaren vergütungsgleichen Ansprüche abgerechnet werden. Abschlagszahlungen können für den teilweise abgenommenen Teil nicht mehr verlangt werden. Eine Teilabnahme kann auch dann angenommen werden, wenn sie für Leistungen erklärt wird, die nicht in sich abgeschlossen sind. § 12 Nr. 2 VOB/B regelt, dass die Teilabnahme zwingend zu erfolgen hat, wenn dies für in sich abgeschlossene Leistungen verlangt wird. Diese Regelung schließt nicht aus, dass die Parteien sich darüber verständigen, nicht in sich abgeschlossene Leistungen abzunehmen.

BGH, Urteil vom 20.08.2009 – VII ZR 205/07