Ax Vergaberecht

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Wegen der Schwierigkeit des Vergaberechts ist die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht nur ausnahmsweise bei ungewöhnlichen Konstellationen als notwendig zu erachten

von Thomas Ax

Nach § 182 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 und 2 Satz 2 VwVfG hat der unterlegene Beteiligte die Rechtsanwaltskosten des Gegners zu tragen, wenn die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war. Wegen der Schwierigkeit des Vergaberechts, der kontradiktorischen Ausgestaltung des Nachprüfungsverfahrens und der Eilbedürftigkeit des Vortrags in Vergabesachen ist die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht nur ausnahmsweise bei ungewöhnlichen Konstellationen als notwendig zu erachten. Vielmehr erfordert die Entscheidung über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen eine differenzierende Betrachtung des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 26.09.2006 – X ZB 14/06, Rn 61). Dies gilt auch für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Auftraggeber. Bei der Prüfung ist darauf abzustellen, ob der Beteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O., OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2020 – Verg 36/19 -). Hierfür können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch persönliche Umstände, wie die sachliche und personelle Ausstattung der Beteiligten maßgeblich sein, zudem fließt der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung ein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.06.2020 – Verg 43/18 m.w.N.). Für den öffentlichen Auftraggeber gilt, dass dann, wenn das Nachprüfungsverfahren schwerpunktmäßig auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen zum Gegenstand hat, für ihn im Regelfall keine Notwendigkeit besteht, anwaltlichen Beistand hinzuzuziehen. Denn in seinem originären Aufgabenbereich muss der Auftraggeber sich die notwendige Sach- und Rechtskenntnis grundsätzlich selbst verschaffen (OLG München, Beschluss vom 11.06.2008 – Verg 6/08 -).

Bsp.:

(OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2021 – 19 Verg 4/21)
„In dem vorliegenden Vergabenachprüfungsverfahren haben die Parteien neben der Frage, wer Auftraggeber für die zu vergebenden Rohbauarbeiten sein sollte, über die Anforderungen an die Versendung der Mitteilung nach § 134 GWB in Textform und über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Antragstellerin aus dem Vergabeverfahren gestritten, nachdem diese erst nach Angebotsabgabe für verschiedene Leistungen Nachunternehmer benannt hatte. Diese Streitpunkte gehen insgesamt über einfach gelagerte, auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen hinaus. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner als akademisches Forschungsinstitut nur über eine sehr schlanke Administration ohne eigene Rechtsabteilung und ohne Mitarbeiter mit für ein Nachprüfungsverfahren zureichenden vergaberechtlichen oder prozessualen Kenntnissen verfügt und der für die Durchführung des Vergabeverfahrens an den in Vergabesachen erfahrenen ### erteilte Dienstleistungsauftrag auf das eigentliche Vergabeverfahren beschränkt war. Die Feststellung der Vergabekammer, die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Vergabenachprüfungsverfahren durch den Auftraggeber für notwendig zu erklären, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.“