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Widersprüchliche Preisangaben im Angebot führen zum Ausschluss

von Thomas Ax

Widersprüchliche Preisangaben im Angebot können nach Auffassung der VK Nordbayern nicht durch Auslegung oder Aufklärung beseitigt werden

„Das Angebot der Beigeladenen war gemäß §§ 16a Abs. 2 Satz 2, 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Beigeladene hat widersprüchliche Preisangaben gemacht und damit nicht die geforderten Preise angegeben. „Angebote mit zweifelhaften, d. h. unklaren oder widersprüchlichen Preisangaben, [sind] Angeboten mit fehlenden Preisangaben gleichzusetzen.“ (Opitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar Band 2, 3. Aufl. 2019, noch zu VOB/A-EU § 16 a.F., Rn. 111 m.w.N.). Die Beigeladene hat unstreitig im Formblatt 213.H unter Ziff. 2.1 0,00 Euro eingetragen.

 

Gleichzeitig hat sie im Wartungsvertragsformular die jährlichen Wartungskosten mit x.xxx,xx Euro beziffert. Nach ihren Angaben wollte sie die Wartungskosten zu keinem Zeitpunkt mit 0,00 Euro angeben, sondern x.xxx,xx Euro vergütet haben. … Korrekterweise hätte die Beigeladene auch im Formblatt 213.H den Betrag von x.xxx,xx Euro eintragen müssen. Bei Auslegung der Vergabeunterlagen gemäß § 133, 157 BGB war für einen durchschnittlichen Bieter erkennbar, dass im Formblatt 213.H dieser Betrag einzutragen war. Die Vergabeunterlagen waren insofern eindeutig genug formuliert, sodass auch eine Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen mehrdeutiger Vergabeunterlagen nicht angezeigt ist.
Der Beigeladenen mag insofern zuzugestehen sein, dass die Vergabestelle durch die gesamten Vergabeunterlagen hindurch die relevanten Begrifflichkeiten, wie zum Beispiel „Wartung“, „Inspektion“ und „Instandhaltung“, nicht durchgehend konsequent mit ihrer exakten Bedeutung verwendet. Jedoch stellte die Vergabestelle unter Ziff. 2.1 im Formblatt 213.H erkennbar auf die Kosten des Wartungsvertrags ab.

Ausschreibungsgegenständlich war nur ein einziger von den Bietern auszufüllender Musterwartungsvertrag. Ein weiterer Vertrag, gesondert über die Instandhaltung der Thekenanlage, wird in den Vergabeunterlagen nicht erwähnt. Lediglich bei „andere Instandsetzungsarbeiten“ wird in Ziff. 2.3 des Mustervertrags über die Wartung und Inspektion der Abschluss eines gesonderten Vertrags unter Umständen in Aussicht gestellt, wobei jedoch bereits unmittelbar anschließend darauf hingewiesen wird, dass nach dem Willen der Vergabestelle ein Rechtsanspruch auf Übertragung der Leistungen nicht bestehe, wodurch sich gerade zeigt, dass diese Leistungen hier nicht weiter relevant sein sollten.

Ein durchschnittlicher Bieter hätte erkennen müssen, dass mit dem Begriff „Instandhaltungsvertrag“ unter Ziff. 2.1 nur der Wartungsvertrag gemeint sein konnte. Die Behauptung der Beigeladenen, dort hätte ausdrücklich nicht der Preis aus dem Wartungsvertrag angegeben werden dürfen, vermag nicht zu überzeugen. Die Beigeladene versteift sich insoweit auf die enorm enge Definition des Begriffs „Instandhaltung“, während sie die restlichen Vergabeunterlagen außer Acht lässt. Dem kann so nicht gefolgt werden.
Es erscheint nicht schlüssig, warum die Vergabestelle einen Preis für Instandhaltungsarbeiten oder allgemein für noch weitere zu erbringende, jedoch weder nach Art noch Umfang absehbare Leistungen mit einem konkreten Betrag bepreist hätte haben wollen. Ebenfalls erscheint es nicht schlüssig, dass unter Ziff. 2.1 überhaupt keine Angaben hätten gemacht werden sollen, wobei die Beigeladene sich insofern ohnehin selbst widerspricht, weil sie ja tatsächlich eine Angabe von 0,00 Euro gemacht hat und somit offenbar davon ausging, dass (irgend)ein Betrag anzugeben gewesen war. Die Preisangabe von 0,00 Euro ergibt hier selbst unter Zugrundelegung der Argumentation der Beigeladenen keinen Sinn, da sie laut ihrer eigenen Aussage zu keinem Zeitpunkt gewillt war, irgendwelche Leistungen umsonst zu erbringen. Nichts Anderes drückt die Preisangabe von 0,00 Euro aber aus.“

Auch eine Gesamtschau der weiteren Vergabeunterlagen ergebe keine andere Möglichkeit der Auslegung der Vergabeunterlagen. Sowohl aus dem Leistungsverzeichnis als auch aus den Formblättern 211 EU und 242.H sei zu erkennen gewesen, „dass die Vergabestelle immer nur auf genau den einen Musterwartungsvertrag und die dort aufgeführten Leistungen abstellte.“ „Auch wenn die Vergabestelle an einigen Stellen von einem einheitlichen Angebot spricht und an derer Stelle von zwei Angeboten“, so sei doch klar zu erkennen gewesen, „welche Kosten wo einzutragen waren, insbesondere auch deshalb, weil im Formblatt 213.H die Kosten einerseits für die Thekenanlage und andererseits für den Instandhaltungsvertrag direkt untereinander, jeweils gesondert zu nennen waren.“
„Dass die jährliche Vergütungssumme anzugeben war“, ergebe sich schon aus Ziff. 2.1 des Formblattes selbst. „Dass hingegen lediglich für die Preiswertung die Kosten für 4 Jahre zugrunde gelegt werden würden, war ohne weitere Schwierigkeiten aus den Vergabeunterlagen ersichtlich, sodass eindeutig war, dass der jährliche Betrag angegeben werden sollte.“

Eine Auslegung der divergierenden Preisangaben dahingehend, dass tatsächlich nur der Betrag von x.xxx,xx Euro gemeint war, sei hier nicht möglich.
„“Von einer zulässigen Klarstellung des Angebotsinhalts ist auszugehen, wenn der tatsächlich gemeinte (richtige) Preis durch Auslegung des Angebotsinhalts gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Voraussetzung hierfür ist, dass sich eindeutig und zweifelsfrei aus den Angebotsunterlagen ergibt, dass ein ganz bestimmter Einheitspreis gewollt war. Für den öffentlichen Auftraggeber muss dies offenkundig und unschwer festzustellen sein. Sind Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter erforderlich, sind diese Anforderungen nicht erfüllt. Anderenfalls hätte es der Bieter in der Hand, den angebotenen Preis nachträglich gegen einen anderen auszutauschen.“ (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., noch zu § 16 VOB/A a.F., Rn. 60)

Sowohl die Preisangabe 0,00 Euro als auch die Preisangabe x.xxx,xx Euro sind für sich gesehen eindeutig. Einmal erklärt die Beigeladene, sie wolle die gemäß Wartungsvertrag geschuldeten Leistungen umsonst erbringen, einmal erklärt sie, sie berechne hierfür x.xxx,xx Euro. Die Angabe eines Preises von 0,00 Euro stellt die Angabe eines bestimmten Preises dar und ist als solche ebenso wenig der Auslegung zugänglich wie die Angabe von x.xxx,xx Euro.
Es steht der Beigeladenen grundsätzlich frei, welchen Preis sie für welche Leistungen verlangt. Sie ist in ihrer Kalkulation frei, muss sich umgekehrt aber auch an ihren Angaben festhalten lassen. Sie darf Leistungen für 0,00 Euro anbieten. Diese Erklärung hat die Vergabestelle genauso ernst zu nehmen wie die Erklärung „x.xxx,xx Euro“. Die Auslegung der von den Bietern abgegebenen Angebote kann immer nur nach dem objektiven Empfängerhorizont erfolgen, nicht aber einer Vergabestelle die Kompetenz einräumen, zu entscheiden, welche für sich gesehen eindeutigen Angaben eines Bieters sie als solche anerkennt und welche nicht.

Aus diesen Gründen geht auch die Argumentationen der Vergabestelle, es habe sich bei der Angabe von 0,00 Euro wohl nur um einen Platzhalter gehandelt, erkennbar ins Leere.“
Die widersprüchlichen Preisangaben seien auch nicht einer Aufklärung durch die Vergabestelle zugänglich.
„Der Tatbestand des § 15 VOB/A-EU, der eine Angebotsaufklärung in engen Grenzen erlaubt, darf schon aus telelogischen Gründen bei widersprüchlichen Preisangaben nicht einschlägig sein, da dies nachträgliche Manipulationsmöglichkeiten und eröffnen und so den Wettbewerbsgrundsatz verletzen könnte (s. Beck’scher Vergaberechtskommentar, a.a.O, m.w.N.). Gerade diese Manipulationsgefahr könnte sich in Vergabeverfahren wie dem vorliegenden manifestieren, wenn es einem Bieter nach Mitteilung des Submissionsergebnisses von der Vergabestelle im Rahmen der Aufklärung freigestellt würde, zu sagen, welchen der unterschiedlichen Preise er als gültigen habe abgeben wollen. Dieser könnte dann ausgehend von den von den Mitbietern gebotenen Preisen auswählen, welcher der unterschiedlichen Preisangaben er Gültigkeit verschaffen wollte. Daher hätte eine Aufklärung bereits aus diesen Gründen hier nicht stattfinden dürfen.“

Die Folge des Ausschlusses des Angebots der Beigeladenen sei nach all dem zwingend gewesen.
„§§ 16a Abs. 2 Satz 2, 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU lässt der Vergabestelle keinen Ermessensspielraum, § 16a Abs. 2 Satz 3 VOB/A-EU ist hier nicht einschlägig, da es sich nicht um eine unwesentliche Position handelt.
Da hier die Vergabestelle die Angabe der Wartungskosten sowohl im Mustervertrag als auch im Formblatt 213.H gefordert und die Beigeladene widersprüchliche Angaben gemacht hat, war sie zwingend auszuschließen. Es handelt sich beim Formblatt 213.H nicht bloß um ein nachrichtliches Anschreiben. Das Formblatt dient im Gegenteil als „Deckblatt“ des jeweiligen eingereichten Angebots der Zusammenfassung der Angebotsdetails und ist insoweit jedenfalls nicht als bloß nachrichtliches Beiwerk zum Angebot im Sinne eines rechtlichen Nullums zu verstehen, dem keinerlei eigene Bedeutung zuzumessen ist.

Letztlich verfängt auch das Argument der Vergabestelle, dass sie laut den Vergabeunterlagen einen Ausschluss nur bei fehlender Wertbarkeit des Mustervertrags als solchem angekündigt hat, nicht. Der Text im Formblatt 242.H ist insofern schon nicht geeignet, diese Ansicht zu begründen, da dort lediglich angekündigt wird, ein Angebot, das bezüglich des Teils „Instandhaltung“ nicht wertbar ist, insgesamt auszuschließen. Dies lässt aber weder den Schluss zu, dass bei Wertbarkeit des Instandhaltungsteils allein die dort gemachten Angaben maßgeblich sein sollen, noch, dass von einschlägigen gesetzlichen Vorschriften abgewichen werden soll.“

VK Nordbayern, Beschluss vom 31.01.2020 – RMF-SG21-3194-4-52