Ax Vergaberecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-vergaberecht.de

Woran Vergabeverfahren scheitern (3) – vergaberechtswidrige Zuschlagskriterien und -bewertungssysteme

von Thomas Ax

Gemäß § 127 Abs. 1 GWB wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, wobei Grundlage eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers ist, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
Der öffentliche Auftraggeber hat die Bewertung selbst vorzunehmen; die Wertungsentscheidung ist nicht delegierbar, die an ihr beteiligten Personen müssen Vertreter des öffentlichen Auftraggebers sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 44). Diese haben zu prüfen, inwieweit die Angebote die in der Bewertungsmatrix aufgestellte Anforderung erfüllen (Senat, a. a. O. Rn. 48).

Welche Anforderungen die Bewertungsmatrix aufstellt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2019, VII-Verg 10/19; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe erforderliche Fachwissen verfügt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 41 – Lkw-Mautsystem III; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 49).

Bei der Bewertung kommt dem öffentlichen Auftraggeber systemimmanent ein Beurteilungsspielraum zu (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 46). Es handelt sich um eine individuelle Wertungsentscheidung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 46), die naturgemäß immer eine subjektive Note hat, da sie auf dem Hintergrund und auf der Erfahrung der betreffenden Persönlichkeit beruht (OLG München, Beschluss vom 25. September 2014, Verg 9/14, ZfBR 2015, 195, 198).

Diese muss allerdings in sich und in Relation zu den übrigen Angeboten nachvollziehbar sein. Es muss klar sein, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VgV). Die Bewertungsentscheidungen ist darauhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen). Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde (OLG Düsseldorf, 2. Kartellsenat, Beschluss vom 13. Juni 2018, 2 U 7/16, BeckRS 2018, 15885 Rn. 104); die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 44), insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen). Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.