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Ein vorbefasstes Unternehmen darf nicht den Zuschlag erhalten

Ein vorbefasstes Unternehmen darf nicht den Zuschlag erhalten

von Thomas Ax

Relevant ist jede vorbereitende Tätigkeit, die geeignet ist, das Vergabeverfahren zu beeinflussen. Ein Vertragsverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und der Firma ist nicht erforderlich. Es reicht jede sonstige Tätigkeit im Vorfeld und jede Unterstützungshandlung im Vorfeld. Ausreichend ist ein tatsächliches Tätigwerden, wobei es ausreicht, dass das Unternehmen die Umstände der Vergabe zu seinen Gunsten beeinflusst haben kann.

Besonders schwerwiegend ist der Verstoß, wenn der Auftrag auf das Leistungsspektrum des Unternehmens zugeschnitten wäre, weil dieses bei der Erarbeitung der Auftragsunterlagen mitgewirkt hat (Völlink in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, § 7 VgV, Rn. 5; Baumann/Mutschler-Siebert in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 7 VgV, Rn. 1, 12 u. 15; Mager in Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2 (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2019, § 7 VgV, Rn. 5 ff.).

Der Ausschluss des vorbefassten Unternehmens ist indes Ultima Ratio; zuvor sind verhältnismäßige mildere wettbewerbssichernde Maßnahmen zu ergreifen (Völlink in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, UVgO § 5 Rn. 4; Baumann/Mutschler-Siebert in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 7 VgV, Rn. 1 u. 13).

Oft ergreifen Auftraggeber zwar wettbewerbssichernde Maßnahmen in der Form, als sie die anderen angefragten Firmen sowohl schriftlich über den Aufgabenumfang informieren, als auch mit diesen Begehungen durchführen. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht ausreichend, wenn die bestimmte Firma aufgrund des Zuschnitts der Aufgaben Vorteile hat, während die anderen Firmen unter den Vorgaben der mit der bestimmten Firma vorab vorgeschlagenen Maßnahmen von einer endgültigen Angebotsabgabe abgesehen hätten.

VergabePraxis: Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bieters geeignete Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge verlangen

VergabePraxis: Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bieters geeignete Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge verlangen

von Thomas Ax

Nach § 46 Abs. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass der Bieter über die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie ausreichende Erfahrungen verfügt, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können.

Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bieters geeignete Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge verlangen.

Soweit gefordert wird, dass sich die Referenz über eine Leistung verhalten muss, die mit der zu vergebenden Leistung “vergleichbar” ist, liegt ein Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz nicht vor (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2018, 13 Verg 8/17, BeckRS 2018, 18361 Rn. 31). Bei dem Begriff “vergleichbare Leistung” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der aus der maßgeblichen objektiven Sicht eines mit solchen Ausschreibungen vertrauten Bieterkreises auszulegen ist (§§ 133, 157 BGB). Dabei bedeutet die Formulierung “vergleichbar” bereits nach allgemeinen Sprachgebrauch, dass die referenzierten Leistungen mit der ausgeschriebenen Leistung nicht “gleich” oder gar “identisch” sein müssen, sondern ausreichend ist, dass sie in Bezug auf ihren Umfang und ihre Komplexität in technischer oder organisatorischer Art einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad aufweisen müssen (ebenso OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8. April 2014, 11 Verg 1/14, NZBau 2015, 51 Rn. 58). Dabei ist aus Sicht der angesprochenen Bieterkreise offenkundig, dass Bezugspunkt der Vergleichsbetrachtung nur der konkret ausgeschriebene Auftrag sein kann und zwar so wie er in der Bekanntmachung kurz beschrieben und in den weiteren Vergabeunterlagen konkretisiert ist. Hierfür spricht bereits § 46 Abs. 1 VgV. Die Referenzen dienen als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Bieters. Anhand von Referenzen will der Auftraggeber feststellen, ob der potentielle Auftragnehmer Erfahrungen auf dem Gebiet der nachgefragten Leistung hat und ob er in der Lage sein wird, den Auftrag auch tatsächlich auszuführen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 9. Juli 2010, 11 Verg 5/10, BeckRS 2010, 19010, unter II.2.). Dafür muss die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet (OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2018, 13 Verg 8/17, BeckRS 2018, 18361 Rn. 31; OLG München, Beschluss vom 12. November 2012, Verg 23/12, BeckRS 2012, 23578, unter II.B.1.b.cc.; Goldbrunner in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 46 Rn. 14). Dies erfordert einen Vergleich zwischen der referenzierten und der ausgeschriebenen Leistung. Dabei ist nicht allein auf die Beschreibung des Auftrags in der Auftragsbekanntmachung abzustellen, sondern auch auf die den Auftrag konkretisierenden Ausführungen in den Vergabeunterlagen, denn anderenfalls kann nicht festgestellt werden, ob beide Leistungen vergleichbar sind. Darin liegt kein Widerspruch zu dem in § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB normierten Grundsatz, wonach sämtliche Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen sind (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 – Verg 24/18, NZBau 2019, 64 Rn. 30). Die genannte Vorschrift verlangt nur, dass das Eignungskriterium selbst in der Bekanntmachung aufgeführt wird. Ein potenzieller Bieter ersieht so bereits aus der Bekanntmachung, dass der Nachweis einer vergleichbaren Referenzleistung gefordert ist; damit ist dem Zweck des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB genügt. Sinn und Zweck der Bekanntmachung ist es, Interessenten auf das Vergabeverfahren aufmerksam zu machen und sie in knapper Form über dessen wesentlichen Inhalt und die insoweit grundsätzlich bestehenden Anforderungen zu informieren. Eine vollständige Entscheidungsgrundlage soll und kann die Bekanntmachung nicht bieten. Für seine abschließende Entscheidung, ob er ein Angebot abgibt, muss sich ein potenzieller Bieter ohnehin mit den Vergabeunterlagen befassen, da nur diese ein vollständiges Bild über die ausgeschriebene Leistung vermitteln. Es ist daher vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Bieter in Bezug auf die geforderte Referenz eines “vergleichbaren” Dienstleistungsauftrags eine nähere Beschreibung der Leistung erst im Zusammenhang mit den Auftragsunterlagen entnehmen kann (OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2018, 13 Verg 8/17, BeckRS 2018, 18361 Rn. 36) und sich damit die an die Referenz zu stellenden Anforderungen auch aus der Auftragsbeschreibung ergeben (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8. April 2014, 11 Verg 1/14, NZBau 2015, 51 Rn. 77).

Das Bayerische Oberste Landesgericht verlangt bei der Forderung einer vergleichbaren Referenzleistung, dass diese der “ausgeschriebenen Leistung” so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet (BayObLG, Beschluss vom 9. November 2021, Verg 5/21, NZBau 2022, 308 Rn. 82). Vergleichsmaßstab ist folglich auch hier der konkrete Auftrag, so wie er sich aus der Bekanntmachung und den übrigen Vergabeunterlagen ergibt. Nur wenn der öffentliche Auftraggeber sicherstellen möchte, dass der Bieter “exakt die zu beschaffende Leistung” schon einmal früher erfolgreich durchgeführt hat, reicht die Forderung nach einer “vergleichbaren” Referenzleistung in der Bekanntmachung nicht aus, sondern es sind – so das Bayerische Oberste Landesgericht – entsprechende konkretisierende Vorgaben in der Bekanntmachung festzulegen.

Die Entscheidung des Kammergerichts vom 10. Mai 2022, Verg 2/22, enthält ebenfalls keinerlei Ausführungen dazu, ob Bezugspunkt für eine Vergleichsbetrachtung zwischen der ausgeschriebenen und der referenzierten Leistung allein die Angaben in der Bekanntmachung sein dürfen oder ob eine Konkretisierung des ausgeschriebenen Auftrags in den Vergabeunterlagen zulässig ist. Der Entscheidung ist nur zu entnehmen, dass bei der Eignungsprüfung allein auf die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und Nachweise abzustellen ist (NZBau 2023, 69 Rn. 19).
Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2019 – Verg 52/18, NZBau 2020, 258 Rn. 32).

Der Auftraggeber überschreitet danach seinen Beurteilungsspielraum, wenn er ausdrücklich benannte Eignungskriterien unberücksichtigt lässt und Bieter, die die Eignungsanforderungen nicht erfüllen, nicht zwingend wegen fehlender Eignung ausschließt (Senatsbeschlüsse vom 17. September 2019 – Verg 36/18, NZBau 2019, 737 Rn 36; vom 2. Januar 2006 – Verg 93/05; BeckRS 2006, 2917, und vom 18. Juli 2001 – Verg 16/01, BeckRS 2001, 17504; Stolz in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 42 Rn 8).

Fordert er ausdrücklich Referenzen über “vergleichbare” Aufträge, so darf er wegen des Gebots der Gleichbehandlung und der Transparenz nur solche Referenzen berücksichtigen, die vergleichbare Leistungen nachweisen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 8. April 2014, 11 Verg 1/14, NZBau 2015, 51 Rn. 57; OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Juni 2012, 1 Verg 2/12, NZBau 2012, 724, 275).
Die Referenzen dienen – wie bereits vorstehend ausgeführt – als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Bieters, wofür die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln muss, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet. Dies bedingt zwingend, dass die Geeignetheit einer Referenz nur dann gegeben ist, wenn jedenfalls ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zwischen der referenzierten und der ausgeschriebenen Leistung besteht, wobei zu den Kernelementen auch der Leistungsumfang gehört (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21, ZfBR 2022, 295, 299, 300).

Zwar kann ein öffentlicher Auftraggeber auch bei einer fehlerhaften Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht zur Erteilung des Zuschlags gezwungen werden, da ein Kontrahierungszwang seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit zuwiderlaufen würde (BGH, Beschluss vom 20. März 2014, X ZB 18/13, NZBau 2014, 310 Rn. 20; Senatsbeschluss vom 17. April 2019 – Verg 36/18, NZBau 2019, 737 Rn. 63).

Der Vergabestelle steht bei der Entscheidung über den Zuschlag ein Wertungsspielraum zu und die Nachprüfungsorgane dürfen sich nicht an die Stelle des Auftraggebers setzen. Nur in Ausnahmefällen, in denen unter Beachtung aller Beurteilungsspielräume die Erteilung des Zuschlags an den Antragsteller die einzige rechtmäßige Entscheidung ist, kann die Anweisung an die Vergabestelle in Betracht kommen, dem Antragsteller den Zuschlag zu erteilen (Senatsbeschlüsse vom 17. April 2019 – Verg 36/18, NZBau 2019, 737 Rn. 63, vom 28. November 2018 – Verg 35/18, BeckRS 2018, 46756 Rn. 40, und vom 27. April 2005 – Verg 10/05; OLG Celle, Beschluss vom 10. Januar 2008, 13 Verg 11/07; OLG Naumburg, Beschluss vom 13. Oktober 2006, 1 Verg 7/06; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, GWB § 168 Rn. 14 m.w.N.).

RügePraxis: Der rügende Bieter muss – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen

RügePraxis: Der rügende Bieter muss - wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht - zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen

von Thomas Ax

An den Inhalt von Rügen sind im Allgemeinen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Der rügende Bieter muss aber – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 – Verg 9/21; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16. Februar 2012 – Verg W 1/12). Eine Rüge “ins Blaue hinein” liegt dann nicht vor, wenn der Bieter unter Nutzung seiner Branchen- und Marktkenntnis und unter Bezugnahme auf konkrete Umstände das Wertungsergebnis anzweifelt (VK Sachsen, Beschluss vom 17. März 2022 – 1/SVK/041-21).

Sie muss Indizien für die von ihr diesbezüglich vermuteten Vergaberechtsverstöße nennen, welche die Vergabekammer als ausreichend ansieht, um den Vortrag nicht als reine Vermutung “ins Blaue hinein” anzusehen.

RügePraxis: Die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB wird nur ausgelöst, wenn der Antragsteller eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende (nicht nur zu vermutende) positive Kenntnis nicht lediglich von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen (Tatsachenkenntnis), sondern aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen hat

RügePraxis: Die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB wird nur ausgelöst, wenn der Antragsteller eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende (nicht nur zu vermutende) positive Kenntnis nicht lediglich von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen (Tatsachenkenntnis), sondern aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen hat

von Thomas Ax

Nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat.

Die Rügeobliegenheit dieser Vorschrift wird nur ausgelöst, wenn der Antragsteller eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende (nicht nur zu vermutende) positive Kenntnis nicht lediglich von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen (Tatsachenkenntnis), sondern aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen hat (OLG Dresden, Beschluss vom 23. April 2009 – WVerg 11/08). Bloße Vermutungen und selbst grob fahrlässige Unkenntnis genügen nicht. Die positive Kenntnis muss mithin zwei Komponenten umfassen. Die Rügeobliegenheit entsteht jedoch nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem das Unternehmen Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung sicher nachweisbaren Vergabefehler erlangt.

Ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der aufgrund laienhafter rechtlicher Wertung des individuellen Bewerbers/Bieters den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen ergibt und es bei vernünftiger Betrachtung dann gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. August 2000 – Verg 9/00).

Neben der tatsächlichen Kenntnis ist zusätzlich die rechtliche Kenntnis, dass ein Vergaberechtsverstoß vorliegt, erforderlich.

Von einer Kenntnis vom Vergaberechtsverstoß kann regelmäßig nur gesprochen werden, wenn dem Bieter bestimmte Tatsachen bekannt sind, die bei vernünftiger Würdigung einen Mangel des Vergabeverfahrens darstellen. Ist hierfür eine rechtliche Wertung erforderlich, muss diese jedenfalls nach der gängigen praktischen Handhabung oder bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre zur Annahme eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften führen (vgl. OLG Dresden a. a. O.). Dabei besteht die Rügeobliegenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Vergabefehler erlangt. Ausreichend ist vielmehr das sichere Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (OLG Düsseldorf Beschluss vom 22. August 2000 – Verg 9/00; OLG Celle, Beschluss vom 5. Juli 2007 – 13 Verg 8/07).

Gemäß § 187 Abs. 1 ZPO wird der Tag, an dem ein Unternehmen die positive Kenntnis von einem Vergabeverstoß erlangt, nicht mitgezählt. Der erste von 10 Tagen ist also der auf die Kenntniserlangung nachfolgende Tag, und zwar auch dann, wenn es sich um einen Samstag, einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag handelt (Summa in: jurisPK, § 160 GWB, Rn. 288). Die Frist endet mit Ablauf des 10. Tages.

OLG Rostock zu der Frage, dass eine privatrechtlich organisierte Wohnungsbaugesellschaft Auftraggeberin i. S. des Vergaberechts sein kann und dies insbesondere gilt, wenn ihr wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge übertragen sind und die Gemeinde sämtliche Geschäftsanteile innehat

OLG Rostock zu der Frage, dass eine privatrechtlich organisierte Wohnungsbaugesellschaft Auftraggeberin i. S. des Vergaberechts sein kann und dies insbesondere gilt, wenn ihr wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge übertragen sind und die Gemeinde sämtliche Geschäftsanteile innehat

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine privatrechtlich organisierte Wohnungsbaugesellschaft kann Auftraggeberin i. S. des Vergaberechts sein. Dies gilt insbesondere, wenn ihr wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge übertragen sind und die Gemeinde sämtliche Geschäftsanteile innehat.
2. Der Auftrag der städtischen Wohnungsbaugesellschaft gegenüber einem Dienstleister zur Vorbereitung des Glasfasernetzausbaus von der Netzebene 3 auf die Netzebene 4 durch anlasslose und damit nicht bedarfsabhängige Herstellung der Leitungen vom Glasfaseranschlusspunkt bis zum Etagenverteiler kann ein Auftrag i. S. des Vergaberechts zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession sein, der über die bloße Ausgestaltung der Duldungspflicht nach § 145 Abs. 1 TKG hinausgeht. Er erfordert danach im Unterschwellenbereich wenigstens die Durchführung eines transparenten, diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens.
3. Im Unterschwellenbereich besteht die Möglichkeit auch nach Zuschlagserteilung im Falle einer sog. de-facto-Vergabe im Wege der einstweiligen Verfügung den Primärrechtsanspruch auf Durchführung eines diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens vorläufig zu sichern, wenn hinreichende Anhaltspunkte für ein willkürliches Verhalten des öffentlichen Auftraggebers dargetan und glaubhaft gemacht sind.
4. Ein Fall der Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung scheidet aus, wenn dem Antragsteller zuvor notwendige Unterlagen nicht vorlagen und ihm dies aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners nicht vorzuwerfen ist.
OLG Rostock, Urteil vom 13.03.2024 – 2 U 10/23

Gründe:

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

In Ergänzung dazu ist im Berufungsverfahren unstreitig, dass die Verfügungsbeklagte Ende März 2021 Vereinbarungen mit der … GmbH (im Folgenden: …) traf. Diese enthielten u. a. folgende Regelungen:

“Ich [die Verfügungsbeklagte] beauftrage die … mit der Errichtung einer Zuführung von der Grundstücksgrenze bis zum Gf-AP (Grundstücksnetz) sowie dem Bau des Gf-AP in dem jeweiligen Gebäude (vgl. Anlage “Gebäude- und Preisübersicht”). Die Installation erfolgt unentgeltlich.

Ich beauftrage die … mit der Vorbereitung eines Gebäudenetzes bis in die Wohnung/den Geschäftsraum des jeweiligen Gebäudes meiner Liegenschaft (vgl. Anlage “Gebäude- und Preisübersicht”). Der Ausbau erfolgt danach bedarfsgetrieben. Die Installation bei Bedarf erfolgt unentgeltlich.”

“Die … und der Vertragspartner [die Verfügungsbeklagte] vereinbaren auf Basis des Auftrags zur Errichtung eines lichtwellenleiterbasierten Grundstücks- und/oder Gebäudenetzes (Glasfasernetz)”(in der Folge “Errichtungsauftrag”) in den vertragsgegenständlichen Liegenschaften und den Gebäuden ein Glasfasernetz zu errichten, zu betreiben, instand zu halten und an das Glasfasernetz der… anzuschließen.

[…]

Das Grundstücksnetz ( Netzebene 3) wird im Gf-AP abgeschlossen; eine Faser wird von der … durchgespleißt.

Das Gebäudenetz wird vom Gf-AP bis zum Etagenverteiler vorbereitet. Bei Auftrag eines Kunden bzw. Mieter wird die Glasfaser vom Etagenverteiler in die Wohnung verlegt und die Gf-TA in der Wohnung bzw. im Geschäftsraum gesetzt.

[…]

Der … wird gestattet, die über dieses Glasfasernetz angebotenen Dienste und Dienstleistungen gegenüber den Mietern des Vertragspartners mit in der Branche üblichen Vertriebsmaßnahmen in den Gebäuden zu vermarkten.”

Hinsichtlich der weitergehenden Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunden (Anlage AST 23 und AST 25) Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25.07.2023 (Az.: 6 HK O 12/23) abgeändert. Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monate, zu vollziehen an einem ihrer Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. Mitbewerber der Antragstellerin ohne vorherige Durchführung eines öffentlichen Auswahlverfahrens mit der Errichtung und dem Betrieb einer GlasfaserNetzinfrastruktur in der Netzebene 4 zur Versorgung der im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden und/oder von der Antragsgegnerin verwalteten Gebäude mit Telekommunikationsdiensten zu beauftragen und/oder beauftragen zu lassen;

2. Mitbewerbern der Antragstellerin aufgrund einer Beauftragung nach Ziffer 1. die Errichtung und den Betrieb einer Glasfaser-Netzinfrastruktur in der Netzebene 4 zu gestatten und/oder zu gestatten zu lassen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Zurückweisung der Berufung.

Von der weitergehenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.

II.

Auf die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung war die angefochtene Entscheidung im tenorierten Umfang abzuändern; im Übrigen blieb das weitergehende Rechtsmittel ohne Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO liegen vor.

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Verfügungsklägerin. Ein einfacherer und gleich effektiver Weg steht nicht zur Verfügung. Soweit die Verfügungsbeklagte im Termin vor dem Senat erklärt hat, mit der Verfügungsklägerin eine vergleichbare Vereinbarung schließen zu wollen, wie sie diese mit der … geschlossen hat, ist dies nicht gleich effektiv, um ihre Rechte zu wahren. Die Klagepartei hat deutlich gemacht, dass ihr Ziel in der Sicherung ihrer Wettbewerbschancen besteht. Wenn sich die Verfügungsbeklagte dazu entscheidet, ihre Wohnungen insgesamt mit Glasfaser auszustatten und einen eigenen Auftrag über die Herstellung der Netzebene 4 zu vergeben, ist es verständlich, dass die Klagepartei ein Interesse hat, diesen einen Auftrag im Zuge eines fairen Verfahrens zu erhalten. Wie sie zutreffend herausgestellt hat, ist es nicht gleichwertig, wenn ihr lediglich ein paralleler Ausbau der Glasfaser gestattet wird. Zutreffend weist sie daraufhin, dass kein Mieter in seiner Wohnung parallel zwei Anschlüsse nutzen würde und er sich im Zweifel für die Nutzung des zu erst gelegten Anschlusses entscheidet. Die Doppelstrukturen wären zudem für beide Wettbewerber unwirtschaftlich. Zudem ist auch nicht gesichert, dass überall hinreichende Kapazität für Doppelstrukturen bestehen.

Auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist im tenorierten Umfang begründet.

Verfügungsanspruch (zu a.) und ein Verfügungsgrund (zu b.) liegen vor.

a. Der Verfügungsanspruch der Klagepartei gerichtet auf Unterlassung der Beauftragung und des Vollzugs einer rechtswidrig erfolgten Beauftragung folgt aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 1ff. VgG M-V sowie aus §§ 1004 Abs. 1, 2 (analog), 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG.

(1) Unter umfassender Würdigung des wechselseitigen Vorbringens spricht die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verfügungsklagepartei gegenüber der Verfügungsbeklagten ein Anspruch auf künftige Unterlassung zusteht, soweit die Verfügungsbeklagte beabsichtigt, einen Auftrag zum Ausbau der von ihr verwalteten Wohnungen zu erteilen. Unabhängig davon, ob die Schwellenwertgrenze nach § 106 GWB erreicht ist oder der Auftrag von der Bereichsausnahme nach § 149 Nr. 8 GWB erfasst sein sollte, wird die Verfügungsbeklagte ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen haben.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist in vorläufiger Würdigung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der §§ 1ff. VgG M-V eröffnet ist. Gemäß § 1 Abs. 2 VgG M-V bei gelten die Bestimmungen des Vergabegesetzes für das Land, die Landkreise, Ämter und Gemeinden (Kommunen) sowie für sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes oder des Landrates als untere staatliche Verwaltungsbehörde unterstehen. Der Begriff der Gemeinden ist dabei nicht lediglich formal auf die Tätigkeiten der Gebietskörperschaften beschränkt. Dies ergibt aus einer an Sinn und Zweck der Regelungen orientierten Auslegung.

Ausweislich der vom Senat herangezogenen Gesetzesbegründung sollte das Gesetz die sog. klassischen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des euopäischen Vergaberechts erfassen (vgl. LtDrs. 5/4190, S. 13). Nicht erfasst werden sollten lediglich die Zuwendungsempfänger, sofern sie nicht durch anderweitige gesetzliche Regelungen (etwa das Kartellvergaberecht) zur Anwendung vergaberechtlicher Bestimmungen verpflichtet sind und die Sparkassen, für die bereits damals für den sogenannten Oberschwellenbereich Einigkeit bestand, dass sie nicht als öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nummer 2 GWB anzusehen sind. Mithin wollte der Gesetzgeber den sachlichen Anwendungsbereich mit den Vorgaben des GWB grundsätzlich in Gleichlauf bringen. Nach § 98 Nr. 2 S. 1 GWB (i. d. F. vom 24.04.2009, gültig bis 29.06.2013) waren öffentliche Auftraggeber andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter Nummer 1 oder 3 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der Neuregelung in § 99 Abs. 2 GWB.

Hierzu hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Rostock bereits mit Beschluss vom 2. Oktober 2019 (Az. 17 Verg 3/19) die maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet, nach denen bei einem privatrechtlich organisierten städtischen Wohnungsbauunternehmen von einem öffentlichen Auftraggeber auszugehen ist. Auf die maßgeblichen Erwägungen nimmt der Senat Bezug (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 2. Oktober 2019, a. a. O., Rn. 61ff.). Diese Kriterien sind bei der Verfügungsbeklagten nach vorläufiger Betrachtung erfüllt. Insbesondere ist derzeit davon auszugehen, dass die Verfügungsbeklagte eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art erfüllt. Der von der Verfügungbeklagten verfolgte Zweck besteht in der sicheren und sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung. Sie darf dazu Wohnbauten errichten, betreuen, bewirtschaften und verwalten. Sie kann außerdem die hiermit im Zusammenhang stehenden Aufgaben und Maßnahmen des Städtebaus und der Infrastruktur durchführen und hierzu Grundstücke erwerben, übernehmen, belasten, bebauen und veräußern sowie Erbbaurechte bestellen. Zur Unterstützung der kommunalen Siedlungspolitik gehört auch die Bereitstellung von Flächen und Mieträumen zur gewerblichen Nutzung, insbesondere zur Sicherstellung der Nahversorgung der Bevölkerung in Wohngebieten. Als Aufgaben der Daseinsvorsorge kann sie in ihrem Wohnraumumfeld Gemeinschaftsanlagen und Folgeeinrichtungen sowie soziale, wirtschaftliche und kulturelle Einrichtungen und Dienstleistungen vorhalten.

Danach entspricht es dem typischen Bild heutiger kommunaler Wohnungsgesellschaften, dass die Verfügungsbeklagte die Aufgabe der sozialen Wohnraumversorgung mit der Tätigkeit eines nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten agierenden Wohnungsunternehmens verbindet (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2016 – 6 Verg 4/16; VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.12.2017 – VK 1-24/17). Das ändert nichts daran, dass die im Allgemeininteresse liegende besondere Aufgabe der sozialen Wohnraumförderung eine solche nichtgewerblicher Art ist. Die Verbindung ihrer im Allgemeininteresse liegenden nichtgewerblichen Aufgabe mit einer auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit ermöglicht es den kommunalen Wohnungsunternehmen regelmäßig erst, die ihnen als besondere Pflicht obliegende Aufgabe der sozial verträglichen Wohnraumversorgung effizient und kostensparend zu erfüllen (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.). Im Übrigen geht der Senat nach den Umständen des Falls unter Berücksichtigung der Bedeutung der sozialen Wohnraumversorgung und der aktuellen öffentlichen Debatte davon aus, dass die Gewinnerzielung der Verfügungsbeklagten für den kommunalen Alleingesellschafter ein “nice to have” ist, eine fehlende Gewinnerzielung ihren Fortbestand aber nicht ernstlich in Zweifel ziehen würde. Auf dieser Grundlage ist dann aber gerade nicht sicher festzustellen, die Verfügungsbeklagte werde sich bei der Vergabe allein von wirtschaftlichen Gesichtspunkten leiten lassen.

Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, allein wegen ihrer privatrechtlichen Organisation formal nicht dem Gesetz zu unterfallen, ist nicht zu folgen. Sie steht offenkundig mit dem gesetzgeberischen Ziel in Widerspruch, für die Marktteilnehmer die Möglichkeiten eines fairen Wettbewerbs zu eröffnen. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass eine Gemeinde, die ihre Wohnungswirtschaft nicht ausgegliedert, sondern als rechtlich unselbstständigen Eigenbetrieb verwaltet, den Regelungen unterliegt, während eine andere, die ihren Bestand ausgegliedert hat und gleichsam regional den Markt beherrscht, allein deswegen hiervon befreit wäre.

Mithin hätte die Verfügungsbeklagte in jedem Fall ein Auswahlverfahren durchführen müssen. Dadurch hat sie gesetzlichen Vorschriften zuwider gehandelt, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Der Verstoß war aufgrund der herausragenden Stellung der Verfügungsbeklagten im lokalen Wohnungsmarkt (rund 2.400 Wohnungen bei 13.500 Einwohnern) geeignet, insbesondere die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Durch die de facto-Vergabe hat sie nämlich jedweden Wettbewerb ausgeschlossen.

Die Verfügungsklägerin, als aktivlegitimierte Mitberwerberin, hat dies und die damit behauptete Beauftragung der … GmbH durch die Verträge aus März 2022 (Anlage AST 23 und 25) hinreichend glaubhaft gemacht.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird weitergehend auf die Hinweise in der Terminsverfügung des Senates vom 19.02.2024 Bezug genommen. Nach dem Wortlaut und Gesamtzusammenhang der beigebrachten Vertragsurkunden, deren Inhalt im Berufungsverfahren bereits deswegen zu berücksichtigen war, weil der Abschluss dieser Vereinbarungen und ihr Wortlaut unstreitig sind, hat die Verfügungsbeklagte die … damit zumindest über ihre Duldungspflicht hinaus mit dem Glasfaserausbau auf Netzebene 4 in ihren Liegenschaften beauftragt.

Soweit die Verfügungsbeklagte in ihrer Stellungnahme vom 07.03.2023 behauptet, es handele sich um eine bloße Falschbezeichnung, hat sie diese Behauptung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Sie hat insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass auch der für die … handelnde Mitarbeiter einer Fehlvorstellung unterlag. Der Senat geht überdies davon aus, dass es sich in Bezug auf den Einwand der “falsa demonstratio” um eine bloße Schutzbehauptung handelt.

(2) In der Folge steht der Verfügungsklägerin hier voraussichtlich ausnahmsweise ein Anspruch auf Unterlassung der künftigen Beauftragung ohne Durchführung eines fairen Auswahlverfahrens sowie ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Vollzugs der bereits geschlossenen Vereinbarung zu.

Soweit regelmäßig vertreten wird, dass ein primärer Rechtsschutz im unterschwellen Bereich nach Abschluss des Verfahrens durch Zuschlag ausgeschlossen ist, greift dies vorliegend nicht, da die Verfügungsbeklagte willkürlich gehandelt hat.

Nach zutreffender Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist die unterschiedliche Ausgestaltung des Vergaberechtsschutzes für Aufträge oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – BvR 1160/03, NZBau 2006, 791 (796)). Deswegen begegnet es auch keinen Bedenken, dass Verträge nach Zuschlagserteilung im Unterschwellenbereich grundsätzlich nicht nach § 135 GWB (analog) nichtig sind und regelmäßig nicht davon auszugehen ist, dass die Anforderungen der Sittenwidrigkeit i. S. d. § 138 BGB bspw. wegen eines kollusiven Zusammenwirkens erfüllt sind. Betroffene Mitbewerber sind daher regelmäßig auf den sekundär Rechtsschutz zu verweisen, soweit das Verfahren beendet und der Zuschlag erteilt ist.

Allerdings hat jede staatliche Stelle bei ihrem Handeln, unabhängig von der Handlungsform und dem betroffenen Lebensbereich, die in dem Gleichheitssatz niedergelegte Gerechtigkeitsvorstellung zu beachten. Dieses Handeln ist anders als die in freiheitlicher Selbstbestimmung erfolgende Tätigkeit eines Privaten stets dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine willkürliche Ungleichbehandlung kann dem Gemeinwohl nicht dienen.

Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen. Darüber hinaus kann die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Aufgrund dieser Selbstbindung kann den Verdingungsordnungen als den verwaltungsinternen Regelungen über Verfahren und Kriterien der Vergabe eine mittelbare Außenwirkung zukommen. Jeder Mitbewerber muss eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Eine Abweichung von solchen Vorgaben kann eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten. Insofern verfügt jeder Mitbewerber über ein subjektives Recht, für das effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 1160/03 -, BVerfGE 116, 135-163, Rn. 64 – 65).

Nach Auffassung des Senats lässt sich daraus ableiten, dass im Falle einer willkürlichen de facto Vergabe dem betroffenen Mitbewerber die Chance eröffnet werden muss, zumindest den weiteren Vollzug des Vertrages zu verhindern und auf die anschließende Durchführung eines fairen Verfahrens hinzuwirken.

Die Verfügungsbeklagte handelte vorliegend willkürlich. Ein Fall der Willkür ist anzunehmen, wenn der Auftraggeber ohne sachliche Erwägungen den Auftrag einem Dritten erteilt, ohne überhaupt Mitbewerbern eine Chance zu geben, Angebote einzureichen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verfügungsbeklagte aus sachlichen Erwägungen von einem Vergabeverfahren abgesehen hat. Vielmehr sprechen die Indizien dafür, dass sie auf Weisung ihres Alleingesellschafters, der Stadt …, hier einseitig die Mitbewerberin der Verfügungsklägerin bevorzugen wollte. Dafür spricht der Umstand, dass die Stadt … bereits im November 2020 im Stadtboten einseitig für die Leistungen der … GmbH geworben hat (Anlage AST 8). Darin wird u. a. ausgeführt, dass durch die Leistungen der … 8.100 Haushalte die Möglichkeit erhalten, an das Glasfasernetz angeschlossen zu werden und dass die … mit einem Angebot an die Stadt herangetreten war. Die Verfügungsbeklagte wird zu 100 % durch die Stadt … kontrolliert. Danach spricht vieles Dafür, dass die Stadt bereits damals eine Kooperation zwischen der … und der Verfügungsbeklagten angestrebt hat, denn bei rund 13.500 Einwohnern und 8.100 Haushalten ist davon auszugehen, dass der signifikante Anteil der 2.400 von der Verfügungsbeklagten verwalteten Wohnungen hiervon profitieren sollten. Darüber hinaus spricht das Prozessverhalten der Verfügungsbeklagten für ein willkürliches Vorgehen. Sie hat nur unvollständig zum Inhalt der Verträge vorgetragen und den Abschluss der Zusatzvereinbarung zunächst gänzlich verschwiegen. Bestärkt wird der gewonnene Eindruck zudem durch das Informationsverhalten der Stadt …, die gesondert durch die Verfügungsklägerin gerichtlich auf Herausgabe der Vertragsunterlagen in Anspruch genommen werden musste. Dies sind in der vorläufigen Gesamtschau hinreichende Indizien dafür, dass ein Wettbewerber unter Aussschluss eines anderen bevorzugt werden sollte.

Aufgrund dessen steht der Verfügungsklägerin nicht nur ein Anspruch auf Unterlassung der künftigen Vergabe ohne Auswahlverfahren zu; sie kann zugleich verlangen, dass künftige Verträge, die dieses Gebot missachten, nicht vollzogen werden. Zugleich kann sie mit Blick auf den bereits geschlossenen Vertrag zumindest verlangen, dass die Verfügungsbeklagte den weiteren Vollzug des Vertrages unterbindet. Es ist nicht ersichtlich, dass dies aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen wäre.

(3) Soweit die Klagepartei mit ihrem Antrag zugleich auch begehrt hat, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, den Betrieb bereits hergestellter Glasfaserleitungen zu untersagen, war die Berufung zurückzuweisen. Die erfolgten Anordnungen genügen zur Erreichung des Sicherungsziels aus. Eine weitergehende Anordnung wäre unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Netzbetreibers und der von einer solchen Anordnung sonst mittelbar betroffenen Nutzer unverhältnismäßig.

c. Ein Verfügungsgrund liegt vor. Dies ist dann der Fall, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Dies ist vorliegend der Fall. Die weitere Umsetzung der vertraglichen Abrede mit der … würde dazu führen, dass bereits vor Abschluss eines etwaigen neuen Vergabeverfahrens die Wohnungen faktisch ausgestattet sind, sodass damit der Anspruch der Verfügungsklägerin auf Durchführung eines diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens vereitelt werden könnte.

Die notwendige Dringlichkeit, die nach § 12 Abs. 1 UWG sogar vermutet wird, ist nicht aufgrund des Verhaltens der Verfügungsklägerin widerlegt.

(1) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen hat, insbesondere weil er nach Eintritt der Gefährdung seines Rechts lange Zeit mit einem Antrag zugewartet oder das Verfügungsverfahren nicht zügig betrieben hat. Der Gedanke der Selbstwiderlegung wurde in Ansehung der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung im Wettbewerbsrecht entwickelt, ist aber als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzuerkennen (KG NJWRR 2001, 1201; OLG Köln BeckRS 1999, 30065637; OLG Dresden BeckRS 2018, 3662; BeckOK ZPO/Mayer, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 935 Rn. 16; Musielak/Voit/Huber, 20. Aufl. 2023, ZPO § 940 Rn. 4).

Eine späte Antragstellung ist dann schädlich, wenn dem Gläubiger die Gefährdung seiner Rechtstellung bekannt war oder aus grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb (sich aufdrängende Vermutung: OLG München BeckRS 2001, 30229435; greifbare Hinweise: KG BeckRS 2015, 11082). Allein deren Erkennbarkeit genügt nicht, insbesondere besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Marktbeobachtung (OLG Köln GRUR-RR 2003, 187; OLG Hamburg BeckRS 1999, 3636), anders, wenn hierzu Anlass hätte gesehen werden müssen (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2012, 146).

(2) Von diesen Maßstäben ausgehend reichen die Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil nicht aus, um eine Selbstwiderlegung durch langes Zuwarten anzunehmen. Insoweit kann nicht allein auf den Inhalt der E-Mails vom 12.10.2022 und 01.11.2022 (AG 4 und AG 6) abgestellt werden. Aufgrund des Aushangs im Herbst 2022 war allenfalls die Vermutung für eine Beauftragung der … begründet, mehr aber auch nicht. Insbesondere wegen der in § 145 Abs.1 TKG statuierten Duldungspflicht begründet der tatsächliche Netzausbau der Netzebene 4 keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme eines wettbewerbswidrigen Vertragsschlusses der Verfügungsbeklagten mit der …. Angesichts dessen bestand weder die positive Kenntnis von einem wettbewerbswidrigen Verhalten der Verfügungsbeklagten auf seiten der Verfügungsklägerin noch die grob fahrlässige Unkenntnis.

Letzteres liegt bereits deswegen nicht vor, weil die Verfügungsklägerin das zu diesem Zeitpunkt Mögliche getan. Sie hat die Verfügungsbeklagte mit ihrer Vermutung konfrontiert und im Gespräch vom 08.11.2022 die wahrheitswidrige Aussage erhalten hat, es gäbe keine Beauftragung der ….

Überdies kommt eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit nur dann in Betracht, wenn ein früheres Vorgehen im Wege einer einstweiligen Verfügung Erfolg versprechend gewesen wäre. Ein Zuwarten ist folglich nur dann vorwerfbar, wenn der Antragsteller über die erforderlichen Glaubhaftmachungsmittel verfügt oder zumutbare Möglichkeiten sich diese zu beschaffen über längere Zeit nicht nutzt. Dem Antragsteller ist nicht zuzumuten, auf ungenügender Tatsachengrundlage und mit ungenügenden Glaubhaftmachungsmitteln einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einzureichen. Gleichsam muss er sich erforderliche Glaubhaftmachungsmittel mit der gebotenen Eile beschaffen (Harte-Bavendamm/HenningBodewig/Retzer, 5. Aufl. 2021, UWG § 12 Rn. 81). Entsprechend den Feststellungen des Landgerichts zum Verfügungsgrund war der Aushang vom Herbst 2022 für sich genommen nicht ausreichend zur Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs, ebenso wenig war der parallele Beginn der Netzausbauarbeiten geeignet, den Anspruch glaubhaft zu machen.

Vielmehr war die Verfügungsklägerin erst aufgrund der mit Schriftsatz vom 09.02.2024 übermittelten Vertragsurkunden in der Lage den Verfügungsanspruch glaubhaft zu machen, die sie erst am 07.02.204 nach Durchführung entsprechender Verwaltungsstreitverfahren erhalten hat.

3. Klarzustellen ist, dass es der Verfügungsbeklagten nach dem Inhalt dieser Anordnungen künftig nicht verwehrt ist, Eingriffe im Rahmen ihrer aus § 145 Abs. 1 TKG folgenden Duldungspflicht hinzunehmen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Entscheidung ist nicht mit der Revision angreifbar, § 542 Abs. 2 S.1 ZPO.

Die Entscheidung über Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 51 GKG und soweit der Beschluss des Landgerichts abgeändert wurde auf § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG.

Die Verfügungsklägerin verfolgt Ansprüche nach dem Lauterkeitsrecht. Maßgeblich für die Bestimmung des Streitwertes ist, wie idR, das wirtschaftliche Interesse des Klägers oder Antragstellers im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Anspruch (BGH GRUR 1990, 1052 (1053); KG GRUR-RR 2021, 96 Rn. 3; OLG Frankfurt a.?M. WRP 2021, 1338 Rn. 8). Der Umfang dieses Interesses hängt – wie grds. bei allen Unterlassungsansprüchen im gewerblichen Rechtsschutz – insbes. von der Gefährlichkeit der zu verbietenden Handlung (“Angriffsfaktor”) ab, die anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen ist, und von den weiteren Umständen.

Das Begehren der Verfügungsklägerin ist darauf gerichtet, ihre Marktzugangschance durch Beteiligung an einem Auswahlverfahren zu wahren und letztlich den Zuschlag zu erhalten sowie die bestehende Situation bis zur Entscheidung in einer Hauptsache “einzufrieren“.

Der Senat orientiert sich deswegen bei der Streitwertbemessung am Rechtsgedanken des § 50 Abs. 2 GKG. Danach beträgt der Streitwert in Verfahren nach dem GWB 5 Prozent der Bruttoauftragssumme (so auch OLG München, Beschluss vom 19. Juni 2017 – 21 W 314/17 -; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 4. Dezember 2008, 12 U 91/08; Saarländisches OLG, Beschluss vom 25. Januar 2010, 1 W 333/09; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. August 2010, 2 W 37/10; OLG Köln, Beschluss vom 9. Dezember 2010, 11 W 66/10; Schleswig-Holsteinische OLG, Urteil vom 9. April 2010, 1 U 27/10).

Berechnungsgrundlage ist grundsätzlich der Angebotspreis des Antragstellers und zwar auch dann, wenn Ziel des Antrags nicht die Erteilung des Zuschlags auf das eigene Angebot ist, sondern die Untersagung des Zuschlags auf andere Angebote und/oder die Korrektur geltend gemachter Fehler im Vergabeverfahren. Vorliegend liegen zwar keine entgeltlichen Angebote vor. Allerdings lässt sich der Bruttowert des Auftrags nach Maßgabe der Ausführungen der Verfügungsklägerin schätzen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Betreiber für einen Anschluss entweder ein Bereitstellungsentgelt von einem Konkurrenten für die Mitbenutzung seines Netzes oder ein Entgelt aufgrund eines Endkundenvertrages erzielen kann. Am lukrativsten dürfte letzteres sein, sodass ausschließlich darauf abzustellen ist.

Die Verfügungsbeklagte verfügt über ca 2.300 Wohneinheiten. Die Klagepartei wollte sich in Bezug auf diesen Bestand ihre Chancen sichern, sodass es unerheblich ist, ob zwischenzeitlich ein Ausbau in einzelnen Wohnungen stattfand.

Ausgehend von den Angaben der Verfügungsklägerin zu den erzielbaren Umsätzen je Wohnung schätz der Senat den Wert des zu vergebenden Auftrags auf mindestens 1.1 Mio. Euro. Mihtin war der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren auf 55.000 Euro festzusetzen und insoweit auch die erstinstanzliche Entscheidung über den Streitwert abzuändern.

VK Südbayern zu der Frage, dass es für das Vorliegen einer Mischkalkulation nicht zwingend notwendig ist, dass der Auftraggeber eine Konnexität zwischen ab- und aufgepreisten Preispositionen nachweist

VK Südbayern zu der Frage, dass es für das Vorliegen einer Mischkalkulation nicht zwingend notwendig ist, dass der Auftraggeber eine Konnexität zwischen ab- und aufgepreisten Preispositionen nachweist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der öffentliche Auftraggeber kann auch dann in eine Preisprüfung eintreten, wenn zwar die sog. Aufgreifschwelle nicht erreicht ist, das Angebot aber aus anderen Gründen konkreten Anlass zur Preisprüfung gibt. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall für eine Preisprüfung, kann diese Entscheidung nur daraufhin geprüft werden, ob sie gegen das Willkürverbot verstößt.
2. Es ist einem Bieter nicht schlechthin verwehrt, einzelne Positionen unter seinen Kosten anzubieten. Dies bedeutet aber nicht, dass der Bieter seine zu deckenden Gesamtkosten nach Belieben einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen darf.
3. Eine Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen, indiziert eine Preisverlagerung. Kann der Bieter die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertigt dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält und daher auszuschließen ist.
4. Es ist für das Vorliegen einer Mischkalkulation nicht zwingend notwendig, dass der Auftraggeber eine Konnexität zwischen ab- und aufgepreisten Preispositionen nachweist, allerdings muss für den Eintritt der Indizwirkung wenigstens ein logischer Zusammenhang zwischen den Positionen bestehen, der über eine reine Zufälligkeit hinausgeht.
5. Bei Leistungsverzeichnissen mit mehreren hundert Positionen wird jeder Bieter mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer oder mehreren Positionen einmal den günstigsten und auch den teuersten Preis im Vergleich aller Bieter anbieten, so dass allein das Vorhandensein von Positionen mit niedrigen und hohen Ansätzen an beliebigen Stellen des Leistungsverzeichnisses noch keine Mischkalkulation mit der Folge der Beweislastumkehr indiziert.
VK Südbayern, Beschluss vom 06.02.2024 – 3194.Z3-3_01-23-58
 
Gründe:

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 27.07.2023, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, schrieb die Antragsgegnerin einen Bauauftrag über Baumeisterarbeiten im Wege eines offenen Verfahrens aus. Zuschlagskriterium war gemäß Ziffer II.2.5) der Bekanntmachung der Preis.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene reichten innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ein. Am 31.08.2023 erfolgte die Angebotsöffnung. Das Angebot der Antragstellerin lag auf Rang 1, das der Beigeladenen auf Rang 5.

Mit Schreiben vom 01.09.2023 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, alle fehlenden Produktangaben, die in der Eigenerklärung zur Eignung genannten Betätigungen und Nachweise für benannte Unterauftragnehmer, die Aufgliederung der Einheitspreise sowie die Kalkulation sämtlicher Nachunternehmerleistungen vorzulegen sowie die vorgesehenen Unterauftragnehmer für einige Arbeiten zu benennen. Mit Schreiben vom 07.09.2023 legte die Antragstellerin das Formblatt 235 mit Benennung der vorgesehenen Nachunternehmer vor.

Mit Schreiben vom 15.09.2023 setzte die Antragsgegnerin die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass ihr Angebot wegen fehlender Referenznachweise für den Nachunternehmer ausgeschlossen werde. Mit Schreiben vom 25.09.2023 beanstandete die Antragstellerin, dass eine Eignungsprüfung der Unterauftragsnehmer nur zulässig sei, wenn sich der Bieter dieser zur Eignungsleihe bediene, was die Antragstellerin hier nicht tue. Die Antragsgegnerin half der Rüge der Antragstellerin ab, indem sie den Angebotsausschluss mit Schreiben vom 06.10.2023 zurück nahm und die Antragstellerin zur Aufklärung aufforderte. Die Antragsgegnerin verlangte die Urkalkulation für 82 Leistungspositionen und forderte unter anderem Aufklärung bezüglich der Kalkulation und Preisgestaltung aller Positionen für welche die Urkalkulation angefordert wurde.

Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.10.2023 nach und reichte ihre Urkalkulation ein. Zudem rügte sie die Preisaufklärung.

Mit Schreiben vom 20.10.2023 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur vertieften Preisaufklärung mit 14 einzelnen Fragestellungen auf, welche sich aus der vorherigen Preisaufklärung ergeben hätten. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.10.2023 nach. Mit Schreiben vom 16.11.2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot wegen unzulässiger Mischkalkulation ausgeschlossen werde.

Mit Schreiben vom 21.11.2023 rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots. Die Zulagepositionen müssten nur zusammen mit der Hauptleistung kostendeckend sein, zudem seien sie vergleichbar, so dass ähnliche Preise zu erwarten waren. Die Antragstellerin habe keine spekulative Kostenverschiebung vorgenommen und eine Unterdeckung von einzelnen Positionen angesichts des Gesamtangebots falle nicht ins Gewicht.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.11.2023 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die Eignungsprüfung der Antragsgegnerin könne insgesamt fehlerhaft sein, da zwar der Angebotsausschluss der Antragstellerin wegen fehlender Eignung der Nachunternehmer zurückgenommen worden sei, es jedoch nicht auszuschließen sei, dass weitere Bieter mit einem wirtschaftlicheren Angebot als das der Beigeladenen mit dieser vergaberechtswidrigen Begründung ausgeschlossen worden seien.

Auch habe die Antragsgegnerin keinen Beweis für ihre Behauptung, dass eine Mischkalkulation vorliege und die Antragstellerin Kosten für die Leistung in eine andere Position verschoben habe. Die Antragstellerin verschiebe keine Kosten in eine andere Position. Soweit teilweise Personalkosten einzelner Positionen nicht explizit einkalkuliert worden seien, liege dies daran, dass entweder ihr eigener Polier oder der Polier der Nachunternehmer diese Arbeiten ausführen würde und dieser sowieso auf der Baustelle anwesend sei. Mit der Erläuterung ihrer Kalkulation zu den angefragten Positionen habe die Antragstellerin die Indizwirkung erschüttert. Für die Erschütterung der Indizwirkung könne es nicht erforderlich sein, dass der Auftraggeber diese Erläuterung auch glaube. Zudem habe die Antragsgegnerin zu den ungewöhnlich niedrigen Positionen keine Positionen benannt, in welche diese Kosten verschoben worden seien. Die Antragstellerin habe auch die Mitwirkung bei der Preisaufklärung nicht verweigert, sondern zu den sehr detaillierten Fragen der Antragsgegnerin ihre Kalkulationsannahmen und die ihrer Nachunternehmer erläutert.

Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass die Antragsgegnerin auch keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte vorgetragen habe, dass ein spekulatives Angebot der Antragstellerin vorliege, bei dem der Antragsgegnerin unter Umständen eine erhebliche Übervorteilung drohe. Allein eine mögliche Mengenmehrung und damit höhere Kosten in einer Position reichten nicht aus, um eine Preisspekulation annehmen zu können.

Ferner sei der Angebotspreis der Antragstellerin auch nicht ungewöhnlich niedrig, das Angebot der fünftplatzierten Beigeladenen liege lediglich ca. 9% über dem Angebot der Antragstellerin. Auch die Summe aller der Antragstellerin unterstellten angeblich unauskömmlichen Preise betrage lediglich 0,36% des Gesamtpreises des Angebots. Eine Prognoseentscheidung für ein unauskömmliches Angebot bei einer Unterdeckung fehle zudem in der Vergabedokumentation.

Die Antragstellerin beantragt

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen und sie wird verpflichtet, den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurückzunehmen und deren Angebot zu werten.

2. Hilfsweise: Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren “H83 Grundschule D. O., E-302 Baumeisterarbeiten” (Referenznummer der Bekanntmachung: 2023/S. 146-467656) in den Stand vor Wertung der eingereichten Angebote zurückzuversetzen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.

4. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird gem. § 182 Abs. 4 GWB für notwendig erklärt.

5. Ferner beantragen wir Akteneinsicht gemäß § 165 GWB in die Vergabeakten der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin beantragt

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.

Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass das Vorbringen der Antragstellerin zu den möglichen Ausschlussgründen anderer Angebote nicht zu einer subjektiven Rechtsverletzung der Antragstellerin führe und damit unzulässig sei.

Auch sei eine Angebotsprüfung nicht nur beim Erreichen der Aufgreifschwelle geboten, sondern auch bei Vorliegen anderer Auffälligkeiten. Hier seien im Angebot der Antragstellerin im Vergleich zu anderen Angeboten mehrere Leistungspositionen um ein Vielfaches höher bepreist gewesen, während andere damit zusammenhängende Leistungspositionen deutlich niedriger bepreist gewesen seien. Dies indiziere eine Preisverlagerung und damit eine unzulässige Mischkalkulation. Es hätten offensichtliche Kalkulationsfehler vorgelegen, welche die Antragsgegnerin aufgeklärt habe. In der Aufklärung habe die Antragsgegnerin der Antragstellerin transparente und eindeutige Aufklärungsfragen gestellt, die Antworten der Antragstellerin seien jedoch nicht ausreichend gewesen, die Zweifel der Antragsgegnerin zu beseitigen. Der Bieter müsse im Rahmen der Aufklärung das Indiz der Preisverlagerung in andere Positionen erschüttern, sonst könne er ausgeschlossen werden. Hier habe die Antragstellerin die Vermutung nicht wiederlegen können, so dass sie ausgeschlossen wurde. Insbesondere habe die Antragstellerin Kosten, die bei Einzelpositionen anfallen in die Baustellenallgemeinkosten verschoben, indem sie behauptet habe, dass diese Leistungen vom Polier ausgeführt würden. Die Antragstellerin selbst habe erklärt, dass sie in mehreren Positionen die geforderten Preise nicht in der entsprechenden Position ausgewiesen habe, sondern die Personalkosten teilweise entgegen der Vorgaben der Vergabeunterlagen als Personalkosten des Poliers in die Gemeinkosten eingerechnet habe. Ferner habe die Antragstellerin auch für die Preise ihrer Nachunternehmer einzustehen, da sie sich diese zu eigen gemacht habe.

Weiter trägt die Antragsgegnerin vor, dass auch einzelne spekulativ überhöhte Preise zum Ausschluss des Angebots führen könnten, wenn dies zur realen Gefahr führe, dass beim Eintritt nicht gänzlich fernliegender Umstände eine Übervorteilung des Auftraggebers drohe. Die Antragstellerin habe den Anschein der spekulativ erhöhten Preise nicht ausgeräumt, so dass die Antragsgegnerin durch die höheren Baustellenvorhaltungskosten bei einer längeren Bauzeit erhebliche Nachteile habe. Bei diversen anderen Positionen stehe zudem zu befürchten, dass die Antragstellerin darauf spekuliere, die jeweils höheren Positionen in größerem Umfang abrechnen zu können.

In einzelnen Positionen ergebe sich teilweise die Befürchtung der unangemessen niedrigen Preise aus dem direkten Vergleich mit anderen Angeboten, was von der Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung nicht zur Zufriedenheit der Antragsgegnerin aufgeklärt werden konnte. Auch handle es sich dabei nicht um marginale Beträge, da diese Leistungen hauptsächlich durch Nachunternehmer ausgeführt würden, so dass jeweils auf den Anteil an der einzelnen Nachunternehmerleistung abzustellen sei. Der Wegfall eines Nachunternehmers auf Grund von Unauskömmlichkeit stelle eine große Gefahr für die zuverlässige und rechtzeitige Durchführung des Bauvorhabens dar.

Mit Beiladungsbeschluss vom 11.12.2023 wurde die Beigeladene beigeladen. Die Beigeladene stellte keine Anträge und äußerte sich auch nicht zur Sache.

In der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2024 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Zunächst erteilte die Vergabekammer den Hinweis, dass der Vortrag der Antragstellerin zum Ausschluss anderer Bieter nicht von der Antragsbefugnis der Antragstellerin umfasst sei, sie könne nur Verletzungen in eigenen Rechten geltend machen. Sodann erörterten die Verfahrensbeteiligten die Rechtslage zur Mischkalkulation, insbesondere in Bezug auf die Indizwirkung und den Umgang mit Bagatellpositionen. Im Anschluss wurden die streitigen Positionen im Einzelnen erörtert.

Mit rechtlichem Hinweis vom 08.02.2024 teilte die Vergabekammer mit, dass sie sich im Nachgang der mündlichen Verhandlung erneut ausführlich mit den eingereichten Unterlagen beschäftigt habe und nun darauf hinweise, dass sich fast alle im Ausschlussschreiben vom 16.11.2023 erwähnten Positionen auf Leistungen beziehen würden, die durch Nachunternehmer ausgeführt werden sollen. Nach Auffassung der Vergabekammer sei jedoch in den ausgetauschten Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung diskutiert worden, ob diese Arbeiten vom Polier der Antragstellerin selbst, welche diesen in ihre Baustellengemeinkosten einkalkuliert hat, ausgeführt werden. Die Parteien erhielten daher im Nachgang zur mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme und Erläuterung ausschließlich zu den aufgeworfenen Punkten der Mischkalkulation bei Nachunternehmerleistungen sowie zu der Frage der Kalkulation des Poliers.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 20.02.2024 trägt die Antragstellerin vor, dass eine Kostenverschiebung durch Mischkalkulation nicht vorliege, da es durch die Übernahme der Nachunternehmer-Angebotspreise nicht zu einer Kostenverschiebung durch den Bieter kommen könne. Auch ohne die Übernahme von Nachunternehmer-Angebotspreisen handle es sich nicht um eine Mischkalkulation der Antragstellerin, weil sie keine Kosten einer Leistungsposition in die Kalkulation einer anderen Leistungsposition verschoben habe, die Übernahme einzelner Arbeiten durch einen Polier bewirke kalkulatorisch kein Plus an Kosten.

Auch sei die Preisaufklärung der Antragstellerin ordnungsgemäß und widerspruchsfrei erfolgt.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 20.02.2024 trägt die Antragsgegnerin vor, dass das Angebot der Antragstellerin aufgrund des Verdachts der Mischkalkulation auszuschließen gewesen sei. Dass sich dieser Verdacht im größten Teil auf Nachunternehmerleistungen beziehe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 17. April 2019 (Verg 13/18) sei hier nicht anwendbar, da der Sachverhalt nicht vergleichbar sei. Eine Mischkalkulation könne nicht nur zu Mehrkosten führen, sondern auch zu unzumutbaren Bauzeitrisiken für die Antragsgegnerin, die aufgrund steigender Schülerzahlen eine rasche Versorgung mit einem neuen Schulgebäude sicherstellen müsse. Die Antragstellerin habe im Rahmen der Aufklärung nicht hinreichend vorgetragen, um eine Wiederlegung der indizierten Mischkalkulation zu ermöglichen. Ferner bestätige die Antragstellerin durch ihren Vortrag, dass sie Preise nicht in der im Angebot geforderten Position angegeben, sondern im Preis anderer Leistungen einkalkuliert habe. Die Verletzung zwingender Preisvorgaben bilde einen selbständigen Ausschlussgrund und sei daher auch aus diesem Grund auszuschließen gewesen.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet, da die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin vergaberechtswidrig vom Verfahren ausgeschlossen hat und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt wurde.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1.1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3 GWB. Die Antragsgegnerin ist Auftraggeber gemäß §§ 9899 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.

1.2. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die durchgeführte Preisaufklärung und den darauffolgenden Ausschluss ihres Angebots aufgrund einer vermeintlichen Mischkalkulation geltend gemacht.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass nicht auszuschließen sei, dass die Antragsgegnerin auch die anderen drei Bieter, welche auf den Rangstufen vor der Beigeladenen gelegen hätten, mit einer vergaberechtswidrigen Begründung ausgeschlossen habe, ist die Antragstellerin diesbezüglich nicht antragsbefugt. Es besteht keine Möglichkeit, dass die Antragstellerin, die auf dem ersten Rang gelegen hat, durch einen vergaberechtswidrigen Ausschluss von Bietern, die in der Rangfolge nach ihr kommen, in ihren eigenen Rechten verletzt sein kann.

1.3. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB entgegen, da die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots mit Schreiben vom 21.11.2023 rechtzeitig gegenüber der Antragsgegnerin gerügt hat. Zudem hat die Antragstellerin die Durchführung der Preisaufklärung bei einem geringen Preisabstand zum nächsthöheren Angebot mit Schreiben vom 13.10.2023 rechtzeitig gerügt, nachdem sie am 06.10.2023 zur Aufklärung von der Antragsgegnerin aufgefordert wurde.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

2.1. Dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin einer Preisprüfung nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 VOB/A i.V.m. § 15 EU Abs. 1 VOB/A unterzogen hat und dazu insbesondere auch die Urkalkulation zu bestimmten Preisen angefordert hat, ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

Die Antragstellerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Preisabstand zwischen ihrem Angebot und dem der Beigeladenen unterhalb der Aufgreifschwellen liegt, denn der Preisabstand zwischen den Angeboten erreicht keine 10% und damit auch nicht den niedrigeren der insoweit vertretenen Schwellenwerte (vgl. zum Meinungsstand BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – X ZB 10/16 m.w.N.), der von Teilen der Rechtsprechung und Literatur bei Bauvergaben für zutreffend gehalten wird und auch im VHB Bayern als maßgeblicher Schwellenwert genannt ist. Allerdings geben die in der Rechtsprechung der Vergabesenate anerkannten Aufgreifschwellen nur Auskunft darüber, wann der öffentliche Auftraggeber zu einer Prüfung der Angemessenheit der Preise verpflichtet ist. Sie beantworten nicht die Frage, wann der öffentliche Auftraggeber Preise auch ohne entsprechende Verpflichtung auf ihre Angemessenheit prüfen darf.

Der preisliche Abstand zwischen Angeboten ist nicht zwingend der einzige Bezugspunkt für die Entscheidung der Frage, ob in eine Preisprüfung eingetreten werden soll. Da die Preisprüfung in erster Linie dem haushaltsrechtlich begründeten Interesse des öffentlichen Auftraggebers und der Öffentlichkeit an der jeweils wirtschaftlichsten Beschaffung dient (siehe BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – X ZB 10/16), kann es dem Auftraggeber nicht verwehrt sein, in eine Preisprüfung auch dann einzutreten, wenn zwar eine Aufgreifschwelle nicht erreicht ist, aber das Angebot aus anderen Gründen konkreten Anlass zur Preisprüfung gibt. Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall für eine Preisprüfung, kann diese Entscheidung von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur daraufhin geprüft werden, ob sie gegen das Willkürverbot verstößt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.05.2021 – Verg 13/21).

Der öffentliche Auftraggeber prüft die Angemessenheit der Angebote in der Regel zunächst anhand der mit dem Angebot eingereichten Unterlagen. In einem nächsten Schritt kann er sich zusätzlich von den Bietern die entsprechenden Formblätter vorlegen lassen, die ein Hilfsmittel zur Preisprüfung darstellen, wie etwa die Aufgliederung der Einheitspreise, falls deren Anforderung in den Vergabeunterlagen vorbehalten war. Ein weiteres Hilfsmittel zur Überprüfung der Angemessenheit der Preise ist der Preisspiegel, der eine Gegenüberstellung aller Preise enthält, die von den verschiedenen Bietern in ihren Angeboten eingereicht wurden.

Gemessen daran ist gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Angebotspreis der Antragstellerin zu prüfen und dazu neben dem bereits angeforderten Formblatt 223 zur Aufgliederung der Einheitspreise auch die Urkalkulation für 82 Leistungspositionen anzufordern, nichts einzuwenden, insbesondere war diese Entscheidung nicht willkürlich. Es lagen objektive Anhaltspunkte vor, nach denen die Antragsgegnerin die auffälligen Einzelpreise der Antragstellerin aufklären durfte.

Die Antragsgegnerin gab in ihrem Aufklärungsverlangen vom 13.10.2024 an, dass diverse Position ungewöhnlich niedrig seien und daher zweifelhaft sei, dass diese Positionen mit den angebotenen Preisen auskömmlich und ordnungsgemäß ausgeführt werden könnten. Zudem führte die Antragsgegnerin auf Grund der Antworten auf ihr Aufklärungsverlangen vom 13.10.2023 mit Schreiben vom 20.10.2023 eine weitere, vertiefte Aufklärung zu 14 Themenkomplexen durch, bei denen sie aufgrund der spezifischen Angebotsstruktur der Antragstellerin eine Mischkalkulation beziehungsweise spekulative Preise vermutete. Dies ist zunächst nicht zu beanstanden, da sich die Antragsgegnerin insoweit insbesondere darauf stützen konnte, dass die Antragstellerin mehrfach Leistungspositionen mit extrem niedrigen Preisangaben versehen und teilweise sogar nur wenige Cent für eine Position aufgerufen hat. Aus dem von der Antragsgegnerin erstellten Preisspiegel war gut zu erkennen, dass die übrigen Bieter diese Positionen deutlich teurer angeboten hatten, da darin unter anderem die niedrigsten Angebote farblich markiert wurden und der Preisabstand zum günstigsten Angebot bei allen anderen Bietern mit einer Prozentangabe ausgewiesen wurde.

2.2. Der von der Antragsgegnerin erklärte Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen einer unzulässigen Mischkalkulation oder wegen eines unlauteren Spekulationsangebots ist vergaberechtlich nicht haltbar. Großteils handelt es sich zudem bei den von der Antragsgegnerin aufgeführten Preispositionen um Bagatellpositionen.

Grundsätzlich ist es einem Bieter nicht schlechthin verwehrt, einzelne Positionen unter seinen Kosten anzubieten. Dies bedeutet aber nicht, dass der Bieter seine zu deckenden Gesamtkosten nach Belieben einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen dürfte. Öffentliche Auftraggeber haben grundsätzlich ein Interesse daran, dass die Preise durchweg korrekt angegeben werden, denn Zahlungspflichten der Auftraggeber können durch Verlagerung einzelner Preisbestandteile manipuliert werden. Verlagert der Bieter die für einzelne Positionen seines Leistungsverzeichnisses eigentlich vorgesehenen Preise ganz oder teilweise in andere Positionen, greift § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A daher grundsätzlich ein (BGH, Urteil vom 19.06.2018, X ZR 100/16). Aus welchen Gründen ein Bieter in seinem Angebot Einheitspreise für bestimmte Leistungspositionen auf andere Leistungspositionen verteilt, ob er beispielsweise auf Mengenverschiebungen spekuliert oder besonders hohe anfängliche Abschlagszahlungen auslösen will, ist demgegenüber nicht entscheidend (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.04.2019 – Verg 13/18 m.w.N.).

Eine Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen, indiziert eine solche Preisverlagerung. Kann der Bieter die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertigt dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält und daher auszuschließen ist (BGH, Urteil vom 19.06.2018, X ZR 100/16). Liegt ein solches Indiz für eine Preisverlagerung vor, muss die Vergabestelle dem Bieter die Möglichkeit einräumen, den Verdacht der Mischkalkulation auszuräumen. Dabei muss sich die Vergabestelle bei der Aufklärung jedoch nicht mit jeder beliebigen Erklärung des Bieters zufriedengeben. Zwar kommt der Erklärung eines Bieters, wonach seine Preise der tatsächlichen Kalkulation entsprechen, erhebliches Gewicht zu. Liegen jedoch konkrete Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vor, ist die Vergabestelle nicht gezwungen, sich mit einer solchen Auskunft zufrieden zu geben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.08.2005, 11 Verg 7/05; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.01.2018, Verg 3/17).

Übernimmt allerdings ein Bieter nur die von einem Subunternehmer geforderten Preise, so stellen diese die von ihm geforderten Preise dar und es fehlt an der Vermutung von Preisverlagerungen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.08.2005, 11 Verg 7/05). Von erheblichem Gewicht ist ferner, wenn die nach außen deklarierten Einheitspreise in den privaten Kalkulationsgrundlagen ihre Entsprechung finden (OLG Thüringen, Beschluss vom 23.01.2006, 9 Verg 8/05).

2.1.1. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.01.1 (Baustelle einrichten), 01.01.2 (Baustelle vorhalten, Rohbau) und 01.01.3 (Baustelle vorhalten, Ausbau) auszuschließen. Insbesondere liegen die Indizien für eine Beweislastumkehr bei einer Mischkalkulation nicht vor und die Antragsgegnerin hat keine hinreichenden Erwägungen für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung des öffentlichen Auftraggebers durch ein Spekulationsangebot dokumentiert.

2.2.1.1. Vorliegend indizieren die von der Antragstellerin angebotenen Preise für die Leistungspositionen 01.01.1 (Baustelle einrichten), 01.01.2 (Baustelle vorhalten, Rohbau) und 01.01.3 (Baustelle vorhalten, Ausbau) nach den dargestellten Grundsätzen bereits keine Mischkalkulation, welche zur Beweislastumkehr führen würde. Die Antragsgegnerin blieb damit beweisbelastet für eine unzulässige Mischkalkulation der Antragstellerin hinsichtlich dieser Leistungspositionen.

Es ist für das Vorliegen einer Mischkalkulation zwar nicht zwingend notwendig, dass der öffentliche Auftraggeber eine Konnexität zwischen ab- und aufgepreisten Preispositionen nachweist, allerdings muss für den Eintritt der Indizwirkung wenigstens ein logischer Zusammenhang zwischen den Positionen bestehen, der über eine reine Zufälligkeit hinausgeht. Bei Leistungsverzeichnissen mit mehreren hundert Positionen wird jeder Bieter mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer oder mehreren Positionen einmal den günstigsten und auch den teuersten Preis im Vergleich aller Bieter anbieten, so dass allein das Vorhandensein von Positionen mit niedrigen und hohen Ansätzen an beliebigen Stellen des Leistungsverzeichnisses noch keine Mischkalkulation mit der Folge der Beweislastumkehr indiziert. Andernfalls könnte eine Vergabestelle auf Grund rein zufälliger, als Ausdruck der Kalkulationsfreiheit wohl in jedem Angebot vorkommenden Unterschiede bei den Einheitspreisen, sich willkürlich beliebige hohe und niedrige Einheitspreise in einem Angebot herausgreifen und eine Aufklärung über eine angebliche Mischkalkulation mit dem scharfen Schwert der Beweislastumkehr und des drohenden Angebotsausschlusses verlangen.

Die Antragsgegnerin hat daher richtigerweise bei ihrem Aufklärungsverlangen an die Antragstellerin hinsichtlich des günstigen Einheitspreises bei der Leistungsposition 01.01.1 (Baustelle einrichten) auf korrespondierende Preispositionen im Bereich der Baustelleneinrichtung abgestellt, die möglicherweise für Aufpreisungen im Rahmen einer Mischkalkulation herangezogen worden sind.

Die Antragstellerin hat bei der Leistungsposition 01.01.1 (Baustelle einrichten) einen erheblich niedrigeren Preis angeboten als alle anderen Bieter und war sogar günstiger als die ortsansässige Beigeladene, die in dieser Position den zweitniedrigsten Preis angegeben hat. Soweit die Antragsgegnerin jedoch vorträgt, dass dem auffällig hohe Einheitspreise in den Vorhaltepositionen 01.01.2 und 01.01.3 gegenüberstehen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Antragstellerin bietet in der Position 01.01.2 einen Preis an, der unter dem Mittelpreis des Preisspiegels und weit unter dem bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin liegt. In der Position 01.01.3 bietet die Antragstellerin zwar einen deutlich über dem Mittelpreis liegenden Einheitspreis an, der jedoch recht genau den Wert des bepreisten Leistungsverzeichnisses trifft.

Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass das bepreiste Leistungsverzeichnis lediglich ein Instrument zur Kostenkontrolle sei und die dort angesetzten Einheitspreise nicht für die Frage herangezogen werden könnten, ob die von den Bietern angebotenen Preise auskömmlich wären, kann dem nicht ganz gefolgt werden. Das bepreiste Leistungsverzeichnis ist laut amtlicher Begründung der HOAI ein Element der Kostenermittlung sowie der Kostenkontrolle. In Leistungsphase 6 sind die Kosten auf Grundlage der vom Planer bepreisten Leistungsverzeichnisse zu ermitteln und dieses mit der Kostenberechnung zu vergleichen. Anschließend sind in Leistungsphase 7 die Ausschreibungsergebnisse mit den vom Planer bepreisten Leistungsverzeichnissen oder der Kostenberechnung zu vergleichen. Dem bepreisten Leistungsverzeichnis kommt damit eine signifikante Bedeutung bereits im Rahmen der Kostenermittlung zu. Es wird in der Regel auf Grundlage von Erfahrungswerten aus vergleichbaren Projekten, der Marktkenntnis des Planers sowie von Einheitspreisstatistiken aus entsprechenden Baudatenbanken erstellt. Außerdem sind insbesondere regionale, jahreszeitliche, konjunkturelle, aber auch besondere Bedingungen des Standortes einzubeziehen. Mit einem bepreisten Leistungsverzeichnis sollen letztlich noch vor Einholung von konkreten Angeboten Angebotspreise simuliert werden (vgl. Beck HOAI, Seifert/Fuchs, 3. Auflage 2022, HOAI § 34 Rn. 233 f.).

Das bepreiste Leistungsverzeichnis beinhaltet auf Grund der sorgfältig ermittelten Einheitspreise durchaus auch neben der reinen Kostenermittlung und Kostenkontrolle eine Möglichkeit, die Angemessenheit von einzelnen Preispositionen in Angeboten von Bietern zu überprüfen.

Es hätte daher wenigstens einer Erklärung der Antragsgegnerin bedurft, warum sie die von der Antragstellerin in den Positionen 01.01.2 und 01.01.3 angebotenen Einheitspreise, welche niedriger oder in etwa gleich dem Ansatz im bepreisten Leistungsverzeichnis ausfallen, als so auffällig überhöht bezeichnet, dass sie zusammen mit dem geringen Preis für die Baustelleneinrichtung eine Mischkalkulation annimmt. Allein daraus, dass die Antragstellerin in diesen beiden Positionen nicht ebenfalls unter den günstigeren Angeboten im Quervergleich der Bieter zu liegen kam, kann der Anschein der Mischkalkulation mit der Folge der Beweislast der Antragstellerin für das Fehlen einer solchen Mischkalkulation nicht hergeleitet werden. Dies gilt umso mehr, wenn das von der Antragsgegnerin beauftragte Planungsbüro bei der Aufstellung des bepreisten Leistungsverzeichnisses, welches ein Datum von wenigen Tagen vor der Veröffentlichung der Ausschreibung trägt, von weit höheren oder gleich hohen Angebotspreisen für die beiden Positionen ausgegangen ist, welche die Antragsgegnerin nun als auffällig überhöht bezeichnet.

Bei der Frage, inwieweit die Antragstellerin bei der Position der Baustellenvorhaltungen, insbesondere während der Rohbauphase, im Vergleich zu dem Angebot der Beigeladenen gegebenenfalls überhöhte Preise anbietet, muss die Antragsgegnerin hier die durchaus auffällige Aufgliederung der Einheitspreise der Beigeladenen zu den Vorhaltepositionen für die Baustelleneinrichtung ebenfalls kritisch beachten. Die Beigeladene hat bei der Aufgliederung der Einheitspreise hier ausschließlich Gerätekosten angegeben und keinerlei Lohn- oder Stoffkosten kalkuliert. Die Angabe von Lohn- und Stoffkosten durch die Antragstellerin in den Vorhaltepositionen wurde jedoch bisher von der Antragsgegnerin nicht bemängelt, so dass davon auszugehen ist, dass in diesen Positionen durchaus auch Lohn- und Stoffkosten anfallen.

2.1.1.2. Die Antragstellerin hat die Kontrolle der Baustromverteiler fälschlicherweise in die Position 01.01.2 (Baustelle vorhalten, Rohbau) einbezogen, obwohl diese Leistungen von einem anderen Gewerk in einem separaten Los erbracht werden. Dieser Kalkulationsfehler betrifft jedoch einen angesichts der Auftragssumme so geringen Bagatellbetrag, dass hierauf ein Ausschluss nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen unrichtiger Preisangaben nicht gestützt werden kann.

Öffentliche Auftraggeber haben ein durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A geschütztes Interesse daran, dass die Preise durchweg korrekt angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.2018 – X ZR 100/16). Nach dieser Regelung müssen die Angebote die geforderten Preise enthalten. Versteht der Bieter die Vorgaben des eindeutigen Leistungsverzeichnisses falsch und gibt daher den deutlich höheren Preis einer Leistung an, die nach dem Leistungsverzeichnis gar nicht zu erbringen ist, enthält sein Angebot nicht den geforderten Preis.

Das Leistungsverzeichnis war bezüglich der Baustromverteiler und insbesondere deren monatlicher Wartung eindeutig. Unter der Beschreibung zu Position 01.01.1 (Baustelle einrichten) wird in der textlichen Erläuterung klargestellt, dass der Baustromanschluss durch den Auftragnehmer des Gewerks “Baustrom und Baubeleuchtung” erfolgt, sowie dass die Baustromverteilungen monatlich geprüft werden und die Auftragnehmer des Gewerks “Baumeisterarbeiten” dafür lediglich den Zugang zu den Verteilungen gewährleisten müssen. Die Antragstellerin hätte daher die Kosten für die Vorhaltung eines eigenen Kranstromverteilers nicht in der Position 01.01.2 kalkulieren dürfen. Allerdings betragen die einkalkulierten Kosten für die Vorhaltung des Baustromverteilers nach der Angabe der Antragstellerin nur 75,00 € pro Woche und damit 4.125 Euro über die für die Position 01.01.2 angegebene Vorhaltezeit. Dies ist angesichts des Gesamtvolumens der Baumaßnahme von ca. 3,5 Mio. Euro (netto) ein Bagatellbetrag von 0,12% des Auftragswertes.

Wenn man jedoch die Diskussion jeder Minimalposition unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Kalkulation bei absolut geringfügigen Missverständnissen über die in eine Position einzukalkulierenden Kosten eröffnet, so führt dies zu der Möglichkeit, dass vermutlich jeder missliebige Bieter ausgeschlossen werden könnte, da die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass vergleichbare Unstimmigkeiten bei anderen Angeboten ebenso bestehen, welche jedoch gar nicht oder nicht derart detailliert überprüft werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06).

Dies gilt umso mehr, als dass gerade in dieser Position die Beigeladene in der Aufgliederung der Einheitspreise keinerlei Lohn- oder Stoffkosten angegeben hat und diesbezüglich keine Aufklärung erfolgte, obwohl diese Angaben bei der Antragstellerin nicht beanstandet wurden. Auch wenn der Antragsgegnerin hier keine diskriminierende Absicht unterstellt wird, da die Preisaufklärung bei der Antragstellerin im Rahmen des Verdachts zur einer Mischkalkulation erfolgt ist, wofür es in diesen Positionen im Angebot der Beigeladenen keinerlei Anhaltspunkte gegeben hat, so zeigt sich hier dennoch deutlich die Gefahr, dass die unterschiedliche Prüfungstiefe bei Bagatellpositionen zu unbilligen Ergebnissen führen kann und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot nicht mehr gewahrt bleiben.

Ein vergleichbarer Rechtsgedanke liegt auch dem § 16a EU VOB/A zu Grunde, wonach es grundsätzlich nicht mehr als ohne weiteres den Ausschluss des betreffenden Angebots gebietende Vergaberechtswidrigkeit angesehen werden kann, wenn in einem Vergabeverfahren für Bauleistungen Erklärungen oder ein Preis in einer einzelnen unwesentlichen Position fehlen. Sinn und Zweck dieser liberalisierenden Novellierung der Vergaberegelungen war, im Interesse eines umfassenden Wettbewerbs den Ausschluss von Angeboten aus vielfach nur formalen Gründen zu verhindern und die Anzahl der am Wettbewerb teilnehmenden Angebote nicht unnötig zu reduzieren (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.2018 – X ZR 100/16)).

2.1.1.3. Die Antragstellerin hat die Aufklärung zu den Positionen 01.01.1 (Baustelle einrichten), 01.01.2 (Baustelle vorhalten, Rohbau) und 01.01.3 (Baustelle vorhalten, Ausbau) nicht verweigert. Vielmehr hat sie hierzu die Urkalkulation eingereicht. Dass die Antragstellerin die mit Schreiben vom 20.10.2023 gestellte Frage, warum die Position 01.01.1 so günstig angeboten wurde, nur unzureichend beantwortet hat, ist nicht der Antragstellerin anzulasten. Die Fragestellung der Antragsgegnerin zielte auf einen Vergleich mit den Angeboten der Mitbewerber ab, welchen die Antragstellerin bereits aus der Natur des Geheimwettbewerbs nicht leisten kann. Die Frage, warum sie günstiger anbieten könne als ihre Mitbewerber, könnte von der Antragstellerin nur beantwortet werden, wenn diese nicht nur die konkreten Einheitspreise, sondern auch die der Kalkulation ihrer Mitbewerber zugrunde liegenden Details kennen würde. Da der Antragsgegnerin die Urkalkulation der Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, wäre es ihr auch möglich gewesen deutlich konkretere Aufklärungsfragen zu stellen, wie sie es auch für die Positionen 01.01.2 und 01.01.3 getan hat.

2.1.1.4. Soweit sich die Antragsgegnerin für den Ausschluss des Angebots der Beigeladen in den Positionen 01.01.1 (Baustelle einrichten), 01.01.2 (Baustelle vorhalten, Rohbau) und 01.01.3 (Baustelle vorhalten, Ausbau) darauf beruft, dass es sich hierbei um ein Spekulationsangebot handelt und die Antragstellerin von einer Verlängerung der Vorhaltedauer profitieren würde, hat die Antragsgegnerin keine konkreten Anhaltspunkte für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung der Antragsgegnerin vorgetragen. Ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kommt daher nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 19.06.2018 – X ZR 100/16) nur dann in Betracht, wenn die spekulative Preisangabe bei Eintritt bestimmter, zumindest nicht gänzlich fernliegender Umstände dazu führen kann, dass das Ziel verfehlt wird, im Wettbewerb das günstigste Angebot hervorzubringen, und dem zu einem verantwortungsvollen Einsatz der Haushaltsmittel verpflichteten Auftraggeber nicht mehr zugemutet werden kann, sich auf ein derartiges Angebot einzulassen. Bei einer Bauzeitüberschreitung von ca. 26 Wochen in der Ausbauphase wäre der preisliche Vorteil der Antragstellerin durch den günstigeren Einheitspreis bei der Baustelleneinrichtung durch die höheren Vorhaltekosten gegenüber der Beigeladenen wieder aufgezehrt. Hierzu hat die Antragsgegnerin jedoch bisher keine konkreten Erwägungen dokumentiert, die einen Ausschluss wegen eines Spekulationsangebotes hinsichtlich der Positionen 01.01.1 (Baustelle einrichten), 01.01.2 (Baustelle vorhalten, Rohbau) und 01.01.3 (Baustelle vorhalten, Ausbau) stützen würden.

Bei diesen Erwägungen wäre ebenfalls zu berücksichtigen, ob das Angebot der Beigeladenen, das zu den Vorhaltepositionen 01.01.2 und 01.01.3 in der Aufgliederung der Einheitspreise keinerlei Lohn- oder Stoffkosten ausweist, überhaupt als Vergleichspunkt für einen Vergleich als wirtschaftlichstes Angebot geeignet ist.

2.2.2. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.01.20 (Seitenschutz), 01.01.21 (Seitenschutz vorhalten, Rohbau) und 01.01.22 (Seitenschutz vorhalten, Ausbau) auszuschließen. Es liegen zwar die Indizien für eine Mischkalkulation vor und die Antragstellerin konnte diese nicht ausräumen, jedoch handelt es sich dabei um Bagatellbeträge und die Antragsgegnerin hat keine hinreichenden Erwägungen für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung des öffentlichen Auftraggebers durch ein Spekulationsangebot dokumentiert.

2.2.2.1. Die von der Antragstellerin angebotenen Preise für die Leistungspositionen 01.01.20 (Seitenschutz), 01.01.21 (Seitenschutz vorhalten, Rohbau) und 01.01.22 (Seitenschutz vorhalten, Ausbau) indizieren nach den oben dargestellten Grundsätzen eine Mischkalkulation der Antragstellerin.

Die Antragstellerin gibt den Einheitspreis für die Errichtung des Seitenschutzes in Position 01.01.20 mit ungefähr einem halben Euro pro laufendem Meter an, während alle anderen Bieter, einschließlich der Beigeladenen, dafür einen deutlich höheren Betrag, hauptsächlich zwischen ungefähr 13 Euro und 19 Euro pro laufendem Meter ansetzen. In der Rohbauphase bietet die Antragstellerin die Vorhaltung des Seitenschutzes für nur einen Cent pro laufendem Meter und damit ebenfalls den günstigsten Einheitspreis aller Angebote an. In der Ausbauphase dagegen verlangt sie einen deutlich höheren Betrag pro laufendem Meter und den höchsten Einheitspreis von allen Angeboten.

Diese auffällige Angebotsstruktur, bei der die Antragstellerin in drei korrelierenden Positionen zweimal mit erheblichem Abstand den günstigsten Preis anbietet und in der dritten Position einen auffällig hohen Preis, indiziert eine Mischkalkulation. Die Beweislast für die Darlegung einer ordnungsgemäßen Kalkulation dieser Preise lag daher bei der Antragstellerin.

2.2.2.2. Der Antragstellerin ist die Entkräftung des Indizes, dass sie in den Leistungspositionen 01.01.20 (Seitenschutz), 01.01.21 (Seitenschutz vorhalten, Rohbau) und 01.01.22 (Seitenschutz vorhalten, Ausbau) keine Verschiebung der Kosten vorgenommen hat, nicht gelungen.

Auf das Aufklärungsverlangen der Antragsgegnerin bezüglich der geringen Kosten für Lohn und Material in der Position 01.01.20 (Seitenschutz) teilte die Antragstellerin mit, dass ihr Polier, der auf der Baustelle vor Ort und daher im Mittellohn enthalten sei, diese Arbeiten ausführe und nur hin und wieder Hilfe von einem anderen Arbeiter erhalte. Gleiches gelte für die Position 01.01.21, auch hier würde der Polier, dessen Kosten bereits im Mittellohn enthalten sind, die notwendigen Ausbesserungsarbeiten während der Rohbauphase ausführen. Während der Ausbauphase dagegen sei der Polier nicht mehr vor Ort, so dass hier für die Überprüfung und Wartung des Seitenschutzes Lohnkosten und erhöhte Stoffkosten anfielen, da bei Beschädigungen die Verursacher nicht mehr ermittelt werden könnten. Ausführungen zu den Materialkosten des Seitenschutzes für die Positionen 01.01.20 und 01.01.21 machte die Antragstellerin nicht.

Die Antragsgegnerin hielt diese Ausführungen der Antragstellerin nicht für plausibel und das Indiz der unzulässigen Mischkalkulation damit für nicht entkräftet. Diese Einschätzung ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere erscheint sie hinsichtlich der Frage, ob diese Arbeiten nebenbei vom Polier zu leisten seien, nicht willkürlich und setzt sich mit dem Vortrag der Antragstellerin ausführlich auseinander.

Grundsätzlich hat die Antragstellerin die Kosten für ihren eigenen Polier richtigerweise in die Baustellengemeinkosten einkalkuliert und im Umlagekalkulationsverfahren auf die einzelnen Positionen verteilt. Fraglich ist jedoch einerseits, inwieweit der Polier neben seinen eigentlichen Aufgaben, die unstreitig nicht zu einer bestimmten Position im Leistungsverzeichnis gehören und daher in die Baustellengemeinkosten einzubeziehen waren, auch noch Arbeiten aus Positionen des Leistungsverzeichnisses erledigen kann und wie andererseits diese Arbeitsleistung dann in der jeweiligen Position im Leistungsverzeichnis zu kalkulieren wäre. Letzteres braucht hier nicht entschieden werden, da bereits nicht plausibel von der Antragstellerin dargestellt wurde, dass die Arbeiten in Position 01.01.20 tatsächlich hauptsächlich vom Polier ausgeführt werden können.

Hinsichtlich der Position 01.01.21 (Seitenschutz vorhalten, Rohbau) wären die Ausführungen der Antragstellerin angesichts der Cent-Preise, welche auch die anderen Bieter für diese Position aufgerufen haben, vielleicht noch plausibel. Es erscheint nicht völlig unmöglich, dass der Polier etwaige notwendige Erhaltungsmaßnahmen im kleinen Stil hier nebenbei problemlos miterledigen kann. Bezüglich der Ausführungen der Antragstellerin in ihrer Angebotsaufklärung vom 31.10.2023 jedoch, dass auch die Errichtung des Seitenschutzes nach Position 01.01.20 nebenbei vom Polier durchgeführt wird, hat die Antragstellerin lediglich sehr oberflächlich angegeben, dass auch diese Arbeiten vom Polier nebenbei – ggf. unter gelegentlicher Mithilfe eines weiteren Mitarbeiters – ausgeführt werden sollen. Aus der Kalkulation der Beigeladenen ergibt sich für die Errichtung eines Meters Seitenschutz ein Zeitaufwand von einer Viertelstunde. Da der Einheitspreis der Beigeladenen in dieser Position mit dem Großteil der von den anderen Bietern angebotenen Preise vergleichbar ist, dürfte dieser Ansatz realistisch sein. Mit den Zahlen der Beigeladenen ergäben sich daher allein für den Aufbau des Seitenschutzes von den im Leistungsverzeichnis geforderten 450m fast 14 Personentage (mit je acht Arbeitsstunden), welche überwiegend nebenbei vom Polier zu leisten wären. Die Beurteilung der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin mit ihren knappen Ausführungen im Aufklärungsschreiben vom 31.10.2023 nicht überzeugend darstellen konnte, dass diese sicherheitsrelevanten Aufgaben zeitnah tatsächlich alleine vom Polier geleistet werden können, ist damit nicht zu beanstanden.

2.2.2.3. Die Antragstellerin hat das Indiz für eine Mischkalkulation in den Leistungspositionen 01.01.20 (Seitenschutz), 01.01.21 (Seitenschutz vorhalten, Rohbau) und 01.01.22 (Seitenschutz vorhalten, Ausbau) nicht entkräften können, allerdings betrifft die auffällige Kalkulation einen angesichts der Auftragssumme so geringen Bagatellbetrag, dass hierauf ein Ausschluss nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben nicht gestützt werden kann (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06). Die von der Antragstellerin für diese drei Positionen angegebenen Gesamtpreise betragen insgesamt rund 0,2% der gesamten Angebotssumme. Selbst wenn man die insgesamt deutlich höheren Preise der Beigeladenen zum Vergleich heranzieht oder die den Preisen der Beigeladenen in diesen drei Positionen insgesamt etwa entsprechenden Mittelpreise aller Angebote, würde es sich bei den auffälligen Positionen nur um 0,33% der Angebotssumme der Antragstellerin handeln.

2.2.2.4. Soweit sich die Antragsgegnerin für den Ausschluss des Angebots der Beigeladen in den Positionen 01.01.20 (Seitenschutz), 01.01.21 (Seitenschutz vorhalten, Rohbau) und 01.01.22 (Seitenschutz vorhalten, Ausbau) darauf beruft, dass es sich hierbei um ein Spekulationsangebot handelt und die Antragstellerin von einer Verlängerung der Vorhaltedauer während der Ausbauphase profitieren würde, hat die Antragsgegnerin keine konkreten Anhaltspunkte für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung der Antragsgegnerin vorgetragen. Diese ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich, denn selbst bei einer Verdoppelung der Vorhaltezeit in der Ausbauphase (Position 01.01.22) wäre das Angebot der Antragstellerin für diese drei Positionen noch günstiger als das Angebot der Beigeladenen.

2.2.3. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Positionen 01.03.1 (Bodenaushub Auffüllungen HB B und C, Abfuhr), 01.03.2 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 1.1 LVGBT), 01.03.3 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 1.2 LVGBT) und 01.03.4 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 2 LVGBT) auszuschließen. Es handelt sich bei diesen Positionen um von der Antragstellerin übernommene Preise aus einem Nachunternehmerangebot, so dass die Indizwirkung für eine Mischkalkulation nicht greift und die Antragsgegnerin konnte weder hinreichende Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation des Nachunternehmers vorbringen noch hat sie Erwägungen für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung des öffentlichen Auftraggebers durch ein Spekulationsangebot dokumentiert.

2.2.3.1. Vorliegend indizieren die von der Antragstellerin angebotenen Preise für die Leistungspositionen 01.03.1 (Bodenaushub Auffüllungen HB B und C, Abfuhr), 01.03.2 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 1.1 LVGBT), 01.03.3 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 1.2 LVGBT) und 01.03.4 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 2 LVGBT) nach den oben dargestellten Grundsätzen des BGH zwar eine Mischkalkulation, welche in der Regel zur Beweislastumkehr führen würde. Es handelt sich jedoch bei den von der Antragsgegnerin als auffällig identifizierte Positionen um Leistungen, welche die Antragstellerin von einem Nachunternehmer ausführen lässt, was sie bereits mit Abgabe des Angebots der Antragsgegnerin offengelegt hat. Übernimmt ein Bieter bei Nachunternehmerleistungen die vom Nachunternehmer angebotenen Preise, so stellen diese die von ihm geforderten Preise dar und es fehlt an der Vermutung von Preisverlagerungen (OLG München, Beschluss vom 17.04.2019 – Verg 13/18).

Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass auch bei der Übernahme der Angebotspreise eines Nachunternehmers die Gefahr der Mischkalkulation durch den Nachunternehmer besteht und damit, insbesondere bei Aufträgen in denen ein erheblicher Anteil der Arbeiten von Nachunternehmern ausgeführt wird, ein Risiko für den öffentlichen Auftraggeber besteht, nicht die tatsächlich geforderten Preise und damit vergleichbare Angebote zu erhalten, ist dem zu entgegnen, dass mit der Übernahme von Nachunternehmerpreisen lediglich die Indizwirkung für eine Mischkalkulation und die damit einhergehende Beweislastumkehr entfällt. Der öffentliche Auftraggeber hat jedoch weiterhin die Möglichkeit, im Rahmen von weiteren und tiefgehenderen Aufklärungen zu den auffälligen Nachunternehmerleistungen, konkrete Anhaltspunkte für eine unzulässige Mischkalkulation zu ermitteln und den diesbezüglichen Verdacht zu erhärten.

Stehen daher Nachunternehmerleistungen im Verdacht einer unzulässigen Mischkalkulation, hat der öffentliche Auftraggeber zuerst aufzuklären, ob den auffälligen Preisen ein unverändertes Angebot eines Nachunternehmers zu Grunde liegt und sich dieses gegebenenfalls vorlegen zu lassen. Daneben kann er trotzdem in die weitere Angebotsaufklärung der auffälligen Preise eintreten und vom Bieter, welcher vergaberechtlich für seinen Nachunternehmer einzustehen hat (vgl. VK Bund, Beschluss vom 19.10.2023 – VK 2-78/23), schlüssige Erklärungen für die auffällige Preisgestaltung verlangen und diese bewerten.

Es liegen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragstellerin entgegen ihren Ausführungen die von ihrem Nachunternehmer übermittelten Preise nicht unverändert übernommen hätte. Zwar hat sie das Angebot des Nachunternehmers für die Positionen 01.03.1 bis 01.03.4 nicht vorgelegt, war dazu aber auch von der Antragsgegnerin nicht explizit aufgefordert worden. In ihrer Urkalkulation hat sie für diese Positionen lediglich das Angebot ihres Nachunternehmer eingestellt und keine weiteren kalkulatorischen Posten ausgewiesen, abgesehen von den im Formblatt 221 ermittelten und in der Urkalkulation auch ausgewiesenen Zuschlägen für Nachunternehmerleistungen. Für die unveränderte Übernahme der Preise spricht jedenfalls, dass die Antragstellerin einen Kommafehler des Nachunternehmers ebenfalls übernommen hat und in der Position 01.03.4 einen um den Faktor 10 niedrigeren Preis als vom Nachunternehmer gewollt übernommen hat.

Die Antragstellerin hat auch die gestellten Aufklärungsfragen an ihren Nachunternehmer weitergereicht und die Antworten übermittelt. Die Bewertung der Antworten durch die Antragsgegnerin ist jedoch nicht nachvollziehbar. Soweit die Antragsgegnerin auf die Urkalkulation der Antragstellerin Bezug nimmt, verkennt sie, dass gerade bei Nachunternehmerleistungen in der Urkalkulation in der Regel nur die Angebote der Nachunternehmer aufgeführt werden und gerade keine eigene Kalkulation erfolgt. Daher weist die Urkalkulation bei Nachunternehmerleistungen häufig nicht dieselbe Detailtiefe auf wie bei Leistungen, die der Bieter selbst ausführt und daher die Kalkulationsgrundlagen ausführlicher und kleinteiliger angeben kann. Soweit die Antragsgegnerin daher in ihrer Begründung zum Ausschluss vom 16.11.2023 moniert, dass in der Position 01.03.2 in der Urkalkulation keine detaillierte Gegenrechnung zu den in Position 01.03.1 eingepreisten Kippgebühren erfolgt, ist dies schlicht der Tatsache geschuldet, dass die Nachunternehmerleistungen in der Urkalkulation nur summarisch mit der vom Nachunternehmer angebotenen Summe für diese Position aufgeführt werden. Die Antragsgegnerin moniert auch, dass die Antragstellerin bzw. ihr Nachunternehmer in der Aufgliederung der Einheitspreise nicht schlüssig dargestellt habe, wie die Kippgebühren gegen gerechnet werden. Da es sich jedoch bei der Position 01.03.2 nach dem Leistungsverzeichnis um eine reine Zulageposition handelt, weil die Antragsgegnerin damit gerechnet hat, dass diese quasi nur höhere Kippgebühren als die Grundposition enthält, wäre zu Gunsten der Antragstellerin bzw. ihres Nachunternehmers zu berücksichtigen, dass die von ihr gewählte Entsorgung vielmehr keine Zulage sondern eine Alternative darstellt und daher in dem von der Antragsgegnerin gewählten Schema nur schwer abzubilden ist. Die Antragsgegnerin hätte hier vielmehr in der Aufklärung anfragen müssen, wie sich der Gesamtpreis für die Entsorgung der Schadstoffklasse bis einschließlich Z1.1 LVGBT zusammensetzt, um die Angemessenheit des Preises prüfen zu können.

Hierbei ist ebenfalls zu beachten, dass die Beigeladene in der Aufgliederung der Einheitspreise für die fraglichen Leistungspositionen 01.03.1 bis 01.03.2 lediglich Gerätekosten angegeben hat, was jedoch nicht zu vergleichbaren kritischen Nachfragen zur Grundlage der Kalkulation geführt hat, wie bei der Antragstellerin.

Das Vorbringen der Antragstellerin, dass ihr Nachunternehmer lediglich eine geringere Menge an Aushub in aktuellen Projekten weiter verwerten könne und daher das leicht belastete Material wiederverwerte, welches weniger anfällt und teurer zu deponieren ist, ist auch nicht ohne weitere Erklärung als unplausibel zu qualifizieren. Dieses Vorgehen kann durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein, insbesondere da einige der eingereichten Angebote gar keine Wiederverwertung zu enthalten scheinen und auch das bepreiste Leistungsverzeichnis von einer vollständigen Deponierung des Bodenaushubs ausgeht. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass der Preis für die Position 01.03.1 des bepreisten Leistungsverzeichnisses, welches wohl von einer Deponierung des Materials ausgeht, ziemlich genau dem von der Antragstellerin bzw. ihrem Nachunternehmer ebenfalls angesetzten Einheitspreis für eine Deponierung entspricht. Für eine Verlagerung von Kosten aus der Position 01.03.02 in die Position 01.03.01 besteht jedenfalls allein auf Grund des Einheitspreises in der Position 01.03.01 weder nach dem bepreisten LV noch nach den von anderen Bietern eingereichten Angeboten, die für die Position 01.03.01 entweder einen Einheitspreis von ca. 5 Euro (wohl der Preis bei Wiederverwertung des Materials) oder aber einen Preis zwischen 23 und 32 Euro aufrufen, kein hinreichender Verdacht.

Darüber hinaus bietet die Antragstellerin bzw. ihr Nachunternehmer tatsächlich für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z1.1. LVGBT einen Gesamtpreis aus Grundposition 01.03.1 und Zulage 01.03.2 an, der um etwa die angegebenen Stoffkosten aus der Grundposition 01.03.1 in der Aufgliederung der Einheitspreise niedriger ist als der Gesamtpreis von zwei weiteren Bietern (Platzziffer 11 und 13), die einen vergleichbaren Grundpreis und wohl keine Widerverwertung bei der Zulagenposition 01.03.2 kalkulieren.

2.2.3.2. Soweit sich die Antragsgegnerin für den Ausschluss des Angebots der Beigeladen in den Leistungspositionen 01.03.1 (Bodenaushub Auffüllungen HB B und C, Abfuhr), 01.03.2 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 1.1 LVGBT), 01.03.3 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 1.2 LVGBT) und 01.03.4 (Zulage für die Schadstoffklasse bis einschließlich Z 2 LVGBT) darauf beruft, dass es sich hierbei um ein Spekulationsangebot handelt, hat die Antragsgegnerin keine konkreten Anhaltspunkte für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung der Antragsgegnerin vorgetragen bzw. dokumentiert.

2.2.4. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in der Leistungsposition 01.04.13 (Zulage für geneigte Oberfläche) auszuschließen. Ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Mischkalkulation ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine Mischkalkulation indizieren würden, da es bereits an korrespondierenden Aufpreisungen zu dieser Position fehlt. Da diese Position eine Zulage zu den Positionen 01.04.9 (Ortbeton Streifenfundament) und 01.04.12 (Ortbeton Einzelfundament) darstellt, wo lediglich die Oberseite nicht waagerecht sondern geneigt herzustellen ist, wären dies die korrespondierenden Positionen für eine auffällige Preisgestaltung. Diesbezüglich hat die Antragsgegnerin jedoch keine ungewöhnlichen Preise in den korrespondierenden Positionen festgestellt.

Die Antragstellerin konnte zudem in ihrer Aufklärung den geringen Preis auch erklären, indem sie angab, dass es nach der Kalkulation ihres Nachunternehmers keinen Unterschied mache, ob eine Oberfläche waagerecht oder geneigt herzustellen wäre. Nach Angaben des Nachunternehmers wäre der Aufwand in etwa derselbe, so dass er keine Zulage für diese Position beanspruche. Dies belegt die Antragstellerin durch die Einreichung ihrer Urkalkulation und dem eingereichten Angebot dieses Nachunternehmers, aus denen sich die geringe Zulage ergibt und die unverändert übernommen wurde. Ein derartiges Angebot ohne weitere Indizien der Kostenverschiebung steht einem Bieter im Rahmen seiner Kalkulationsfreiheit zu.

2.2.5. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.04.14 (Schalungen der Fundamentaussparungen bis 2.000cm2), 01.04.15 (Schalungen der Fundamentaussparungen bis 4.000cm2) und 01.04.16 (Schalungen der Fundamentaussparungen bis 8.000cm2) auszuschließen. Es liegen zwar die Indizien für eine Mischkalkulation vor, jedoch hat sich die Antragsgegnerin weder hinreichend mit den gegebenen Erklärungen auseinandergesetzt noch beachtet, dass es sich angesichts des Gesamtangebots um Bagatellpositionen handelt.

Die Angebotsstruktur der drei korrelierenden Positionen weist Auffälligkeiten auf, die für Auf- und Abpreisungen sprechen. Die Position 01.04.14 (Schalungen der Fundamentaussparungen bis 2.000cm2) wurde von der Antragstellerin erheblich teurer angeboten als bei den anderen Bietern, dafür waren die Positionen 01.04.15 (Schalungen der Fundamentaussparungen bis 4.000cm2) und 01.04.16 (Schalungen der Fundamentaussparungen bis 8.000cm2) deutlich günstiger. Bezüglich dieser Auffälligkeit hat die Antragsgegnerin Aufklärung verlangt und die Antragstellerin hat erklärt, dass der Text des Leistungsverzeichnisses der Position 01.04.14, insbesondere die Menge von nur einem Quadratmeter als geschätzte Menge darauf schließen ließen, dass es sich um extrem kleine Aussparungen handle. Dafür sei der Lohnaufwand sehr hoch und die eingesetzten Materialien könnten nicht wiederverwendet werden. Dagegen mache es ab einer gewissen Größenordnung der Aussparungen keinen Unterschied mehr im Aufwand und das eingesetzte Material könne ganz oder teilweise wiederverwertet werden. Die Antragstellerin legte auch zu diesen Positionen das Angebot ihres Nachunternehmers vor, aus welchem sich die angesetzten Preise ergaben.

Die Beurteilung der Antragsgegnerin der Aufklärung ist nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin geht weder in ihrem Ausschlussschreiben noch in der sonstigen Vergabedokumentation oder den eingereichten Schriftsätzen darauf ein, dass für die Position 01.04.14 ausschließlich eine sehr kleine Menge im Leistungsverzeichnis gefordert war und daher der Lohnaufwand hierfür verhältnismäßig hoch ist. Sie berücksichtigt auch nicht, dass die Urkalkulation für Nachunternehmerleistungen in der Regel nur den angebotenen Preis des Nachunternehmers enthält. Soweit die Antragsgegnerin darauf abzielt, dass die spekulative Bepreisung die Planer dazu zwingen würde, im Zweifel größere Aussparungen als notwendig herstellen zu lassen, kann dem nicht gefolgt werden, da mit der geschätzten Mengenangabe in der Regel die Anzahl der notwendigen kleinen Aussparungen größtenteils abgedeckt sein sollte. Es ist der Antragsgegnerin selbst zuzuschreiben, wenn sie gerade auf Grund falscher Mengenangaben im Leistungsverzeichnis auf Grund der angegebenen geringen Mengen hierfür teurere Angebote erhält und dann größere Mengen bräuchte. Die Antragstellerin durfte bei der Kalkulation von der angegebenen Menge ausgehen und auf Grund der angegebenen Mengen und Maße von einem verhältnismäßig hohen Lohn und Materialaufwand ausgehen. Die Antragstellerin weißt diesbezüglich zu Recht darauf hin, dass für die kleinen Aussparungen auch nur ein Bruchteil des für einen Quadratmeter anzugebenen Einheitspreis gezahlt werden müsse. Dass die anderen Bieter hier ggf. mit größeren Flächen und damit weniger Zeit und Materialaufwand für die Schalung kalkuliert haben, mag daran liegen, dass das Leistungsverzeichnis hier keine genaueren Vorgaben macht, wie kleinteilig die Fundamentaussparungen sein werden. Die Überlegung der Antragstellerin bzw. ihres Nachunternehmers, dass es sich um relativ kleine Aussparungen handeln dürfte, da nur ein Quadratmeter als Gesamtmenge angegeben wurde, ist daher auch naheliegend.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass die Materialkosten für größere Aussparungen ebenfalls niedriger seien, da hier das Material wiederverwertet werden könne und der Aufwand ab einer gewissen Größe an Aussparung nicht mehr steige, hat die Antragsgegnerin ebenfalls nicht vollständig berücksichtigt. Es ist durchaus mathematisch nachvollziehbar, dass bei einer Aussparung, für die nach Grundrissfläche abgerechnet wird, der Materialaufwand für die Schalung sich ab einer gewissen Größe der herzustellenden Schalung nicht mehr signifikant erhöht, da das dafür benötigte Material nicht linear mit der Grundrissfläche ansteigt. Die deutlich größeren Materialstücke bei größeren Aussparungen können auch bei einer nicht schadenfreien Ausschalung damit auch wahrscheinlicher bei anderen Arbeiten Verwendung finden als kleine Reststücke von 10cm oder 25cm Länge. Zudem hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es inzwischen auch Schalungsmaterial gebe, welches wiederverwendbar sei.

Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation bei einer derartigen Bagatellposition ist zudem unzulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06). Es handelt sich bei der Position 01.04.14 um eine Leistung, die im bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin mit nicht einmal 100 Euro ausgewiesen ist.

2.2.6. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.04.97 (Zulage Stützenschalung auf Brüstung Höhe ca. 85cm) und 01.04.80 (Zulage Stützenschalung auf Aufkantung Fluchtbalkon Höhe bis ca. 50cm) auszuschließen. Insbesondere liegen die Indizien für eine Beweislastumkehr bei einer Mischkalkulation nicht vor. Ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Mischkalkulation ist die Antragsgegnerin damit nicht ordnungsgemäß nachgekommen.

Bei den von der Antragsgegnerin aufgeklärten Positionen 01.04.79 und 01.04.80 liegen bereits keine Indizien für eine Mischkalkulation vor, da es an Auf- und Abpreisungen in korrelierenden Positionen fehlt, so dass die Antragstellerin nicht beweisbelastet dafür ist, den Anschein einer Mischkalkulation zu widerlegen. Vielmehr liegt lediglich der Position 01.04.79 ein sehr niedriger Einheitspreis zugrunde. Entsprechende Aufpreisungen in der Grundposition oder einer vergleichbaren Zulagenposition sind dagegen nicht ersichtlich. Zudem ist auch nach dem bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragstellerin die Position 01.04.80 mit einem erheblich höheren Einheitspreis ausgezeichnet als die Position 01.04.79. Dies wiederum stützt die Aussage der Antragstellerin bzw. ihres Nachunternehmers, dass für die Position 01.04.80 ein erheblich höherer Aufwand anfällt. Die von den übrigen Bietern dazu eingereichten Angebote lassen keine eindeutige Tendenz erkennen und verlangen teilweise für beide Positionen dieselben Einheitspreise, teilweise für die Position 01.04.80 höhere und teilweise niedrigere Einheitspreise als für die Position 01.04.79.

Soweit sich die Antragsgegnerin für den Ausschluss des Angebots der Beigeladen in den Positionen 01.04.79 und 01.04.80 darauf beruft, dass es sich hierbei um ein Spekulationsangebot handelt, hat die Antragsgegnerin keine konkreten Anhaltspunkte für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung der Antragsgegnerin vorgetragen oder dokumentiert. Da es sich um völlig unterschiedliche, fest geplante Leistungen an unterschiedlichen Orten des Bauwerks handelt, kann die Antragstellerin weder einfach die teurere Leistung abrechnen noch ist mit erheblichen Mengenänderungen bei den Fassaden- oder Außenstützen zu rechnen.

2.2.7. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.04.94 bis 01.04.100 auszuschließen. Es lassen sich zwar in diesen korrelierenden Positionen auffällige Preisgestaltungen feststellen, allerdings hat sich die Antragsgegegnerin in ihrer Aufklärung nicht konsequent auf alle erhöhten Positionen berufen, so dass bereits kein ordnungsgemäßes Aufklärungsverlangen für die Positionen 01.04.99 und 01.04.100 vorlag. Zudem hat die Antragsgegnerin auch in diesem Punkt nicht berücksichtigt, dass es sich um eine Nachunternehmerleistung handelt, für die die Antragstellerin ein konkretes Angebot des Nachunternehmers vorgelegt und unverändert übernommen hat. Ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Mischkalkulation ist die Antragsgegnerin damit nicht ordnungsgemäß nachgekommen.

Die Angebotsstruktur in den Leistungspositionen 01.04.94 bis 01.04.100 könnte durchaus eine Mischkalkulation indizieren, da die Leistungspositionen 01.04.94 bis 01.04.97 als Zulagen zur Grundposition nur mit dem symbolischen Betrag von einem Cent bepreist wurden, die Zulage für die Leistungspositionen 01.04.98 bis 01.04.100 dagegen jeweils den höchsten Preis aller Angebote aufruft und zumindest für die Positionen 01.04.99 und 01.04.100 auch weit über den Einzelpreisen des bepreisten Leistungsverzeichnisses liegt. Allerdings hat sich die Antragsgegnerin lediglich in ihrer Überschrift auf diese sechs Positionen bezogen, in den konkreten Aufklärungsfragen dagegen gibt sie nur die Leistungsposition 01.04.98 (Zulage Deckenschalung Aufzugsschacht) als außergewöhnlich hoch an. Gerade diese lag einerseits sogar etwas unterhalb der Annahme des bepreisten Leistungsverzeichnisses für die Position und beinhaltet zudem eine Leistung die lediglich für eine sehr geringe Gesamtmenge zu erbringen ist, welche stark von anderen Leistungen abgegrenzt werden kann und für die auch kein Raum ist, auf eine signifikante Mengenmehrung zu spekulieren, da es sich um die Zulage für die Deckenschalung von Aufzugsschächten handelt.

Eine etwaige Verschiebung von Preisen für die Positionen 01.04.94 bis 01.04.97, welche hohe Mengenansätze haben und für die damit im Mittelpreis über 16.000 Euro und im bepreisten Leistungsverzeichnis über 35.000 Euro als Gesamtbetrag veranschlagt sind, in die Positionen 01.04.98 bis 01.04.100 mit den niedrigen Mengenansätzen und einem Gesamtbetrag von ungefähr 1.400 Euro im Mittelpreis bzw.1.800 Euro im bepreisten Leistungsverzeichnis erscheint nicht plausibel.

Soweit die Antragsgegnerin ihre Aufklärungsfrage zu Position 01.04.98 auf den angegebenen Zeitaufwand präzisiert hat, ist die Antragstellerin hier eine fundierte und auf das konkrete Aufklärungsverlangen eingehende Antwort schuldig geblieben. Auf konkrete Aufklärungsfragen müsste sich die Antragsgegnerin zur Aufklärung einer unzulässigen Mischkalkulation nicht mit pauschalen Behauptungen abspeisen lassen. Allerdings ist es bereits auf Grund der stark unterschiedlichen Mengenansätze unplausibel, dass Preisbestandteile aus den korrespondierenden Positionen 01.04.94 bis 01.04.97 in die Position 01.04.98 verschoben wurden.

Zudem ist der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation bei einer derartigen Bagatellposition unzulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06).

2.2.8. Das Angebot der Antragstellerin ist auch nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.04.122 (Zulage Körnung 0/16mm) und 01.04.123 (Zulage Körnung0/8mm) auszuschließen. Die Antragsgegnerin hat zudem keine hinreichenden Erwägungen für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung des öffentlichen Auftraggebers durch ein Spekulationsangebot dokumentiert.

Bei den Leistungspositionen 01.04.122 (Zulage Körnung 0/16mm) und 01.04.123 (Zulage Körnung0/8mm) handelt es sich um korrelierende Positionen, bei denen eine auffällige Angebotsstruktur durch ein sehr günstiges Angebot in der Leistungsposition 01.04.122 (Zulage Körnung 0/16mm) und ein auffällig hohes Angebot in der Leistungsposition 01.04.123 (Zulage Körnung0/8mm) vorliegt. Die Antragstellerin hat einmal den günstigsten Preis aller Bieter und einmal den höchsten Preis aller Bieter angeboten. Die Antragstellerin hat erklärt, dass diese Leistungen von einem Nachunternehmer ausgeführt werden und das Angebot des Nachunternehmers vorgelegt und unverändert, nur mit den angegebenen Zuschlägen in ihr Angebot übernommen. Die Antragsgegnerin bleibt daher darlegungs- und beweispflichtig für eine Mischkalkulation im Angebot der Antragstellerin.

Die Antragstellerin erklärt in ihrem Aufklärungsschreiben, dass sie bereits grundsätzlich bei stark bewehrten Bauteilen mit einer Betonkörnung von 0/16mm kalkuliert, so dass der weitere Zuschlag in der Position 01.04.122 ein reiner “Angstzuschlag” ist, der insbesondere eventuell zusätzlich geforderte Bauteile mit 0/16mm Körnung abdecken soll. Der hohe Preis bei der Position 01.04.123 ergebe sich daraus, dass hier mit erheblich höheren Stoffkosten durch Mindermengenzuschläge zu rechnen sei und die Einbringung des Betons durch den üblicherweise hohen Bewehrungsgehalt der Bauteile für den dieser verwendet würde, deutlich aufwändiger sei, was sich in den Lohnkosten der Zuschlagsposition wiederspiegle.

2.8.1. Die Antragsgegnerin ist der Frage nicht nachgegangen, ob die Antragstellerin für die Positionen mit stark bewehrten Bauteilen grundsätzlich bereits eine Betonkörnung von 0/16mm anbieten durfte oder ob sie diesbezüglich gegen eindeutige Vorgaben des Leistungsverzeichnisses verstoßen hat. Der Vergabekammer sind bei der Durchsicht der Vergabeunterlagen keine expliziten gegenteiligen Vorgaben aufgefallen. Sollte die Antragsgegnerin der Auffassung sein, dass diesbezügliche Kalkulationsvorgaben vorliegen, insbesondere aus der Erläuterung der Position 01.04.22 muss die Antragsgegnerin bei einer erneuten Überprüfung des Angebots der Antragstellerin explizit einen Verstoß gegen die Kalkulationsvorgaben des Leistungsverzeichnisses prüfen und darlegen.

2.8.2. Die Erläuterungen der Antragstellerin für die Position 01.04.123 erscheinen nicht unplausibel. Die dort angegebene Menge und der Text der Position lassen darauf schließen, dass für diese Betonkörnung nur geringe Mengen anfallen, welche nach der internen Kalkulation der Antragstellerin häufig auch mit einem Mindermengenzuschlag den Preis verteuern. Die Ausführungen der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin dann gerade das Gegenteil auf der Baustelle versuche, nämlich trotzdem einen ganzen Transporter dieses Materials zu bestellen und andere als die von der Antragsgegnerin angewiesenen Bauteile ebenfalls mit dem teureren Beton abzurechnen, sind spekulativ und gerade nach dem Vortrag der Antragstellerin, dass sie die Mehrkosten für die Anlieferung von kleinen Mengen in den Preis eingerechnet habe, eine bloße, unbelegte Befürchtung der Antragsgegnerin.

2.8.3. Die Antragsgegnerin hat bezüglich des hohen Preises für die Position 01.04.123 die für das Vorliegen eines Spekulationsangebots notwendige nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Übervorteilung des öffentlichen Auftraggebers nicht hinreichend dargelegt. Der vorliegend hoch angesetzte Preis für die in geringen Mengen benötigte Position 01.04.123 führt auch bei einer Verdoppelung der nachgefragten Menge nur zu einer marginalen Mehrbelastung des öffentlichen Auftraggebers, da die Position nur 0,07% des Gesamtauftragsvolumens im Angebot der Antragstellerin ausmacht. Auf Grund des preislichen Abstands zum Angebot der Beigeladenen müsste die Antragsgegnerin diese Position in der hundertfachen Menge zur im Leistungsverzeichnis angegeben Menge abrufen, um den Preisabstand zum Angebot der Beigeladenen aufzuholen. Das erscheint der Vergabekammer nicht sehr wahrscheinlich, so dass die Möglichkeit der Übervorteilung des öffentlichen Auftraggebers auf Grund dieser Position eher fernliegt.

2.2.9. Das Angebot der Antragstellerin ist auch nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in der Leistungsposition 01.04.126 (Dreikantleisten 6/6/8) auszuschließen, da es sich hier um eine Bagatellposition handelt. Die Antragsgegnerin hat zudem keine hinreichenden Erwägungen für eine nicht ganz fernliegende Übervorteilung des öffentlichen Auftraggebers durch ein Spekulationsangebot vorgetragen oder dokumentiert.

Die Antragstellerin lässt diese Leistung von einem Nachunternehmer durchführen und hat das entsprechende Angebot des Nachunternehmers im Rahmen der Aufklärung vorgelegt. Sie hat die vom Nachunternehmer angebotenen Preise unverändert übernommen und nur die allgemeinen Zuschläge aus dem Formblatt 121 für Nachunternehmerleistungen hinzugerechnet. Aus dem Aufklärungsschreiben der Antragstellerin ergibt sich, dass ihr Nachunternehmer die Standardleisten der Position 01.04.126 kostenlos von seiner Mietschalungsfirma erhält und daher den gewährten Vorteil in seinem Angebot weitergibt. Weiterhin habe er keine Lohnkosten kalkuliert, da er intern das Einsetzen der Standardleisten nicht als eigenständigen und besonderen Aufwand rechne. Soweit die Antragsgegnerin hier eine Mischkalkulation und ein Verschieben dieser Kosten in andere Kosten vermutet, sind die korrespondierenden Positionen 01.04.127 und 01.04.128 nicht überhöht und der Vortrag der Antragstellerin bzw. ihres Nachunternehmers weisen eher darauf hin, dass dieser Aufwand in den jeweiligen Schalungspositionen kalkuliert ist.

Dies könnte ein Verstoß gegen die Kalkulationsvorgaben oder sogar eine Mischkalkulation darstellen, allerdings handelt es sich um eine Bagatellposition, welche im bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin mit ca. 1.600 Euro angegeben ist, wovon wiederum nur ein Bruchteil auf die Lohnkosten entfällt. Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation bei einer derartigen Bagatellposition ist unzulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06).

2.2.10. Das Angebot der Antragstellerin ist auch nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in der Leistungsposition 01.05.7 (Betonstabstahl für Zulagen) auszuschließen, da es sich hier um eine Bagatellposition handelt.

Die Antragstellerin lässt diese Leistung von einem Nachunternehmer durchführen und hat das entsprechende Angebot des Nachunternehmers im Rahmen der Aufklärung vorgelegt. Sie hat die vom Nachunternehmer angebotenen Preise unverändert übernommen und nur die allgemeinen Zuschläge aus dem Formblatt 121 für Nachunternehmerleistungen hinzugerechnet. Aus dem Aufklärungsschreiben der Antragstellerin ergibt sich, dass ihr Nachunternehmer die Arbeitsleistung von seinem Polier ausführen lässt, welcher in der Mittellohnberechnung des Nachunternehmers enthalten ist, weshalb keine zusätzlichen Kosten anfielen. Die Materialkosten seien so niedrig, da auf Grund der kleinen ausgeschriebenen Menge von insgesamt einer Tonne davon auszugehen sei, dass pro Bewehrungsabschnitt nur ein paar Kilogramm Betonstabstahl einzubauen wäre. Diese geringfügige Menge könnte der Nachunternehmer aus Restmaterialien von anderen Bauvorhaben bestreiten, die er nie entsorge, sondern wiederverwende.

Die Frage, ob ein Polier eines Nachunternehmers, der in die einzelnen Positionen des Angebots des Nachunternehmers eingepreist ist, überhaupt eine Mischkalkulation darstellen kann, wenn er weitere zu bepreisende Positionen des Leistungsverzeichnisses ausführt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Es handelt sich in jedem Fall um eine Bagatellposition, welche im bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin mit ca. 1.600 Euro und im Mittelpreis der Angebote mit knapp 1.500 Euro angesetzt war. Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation bei einer derartigen Bagatellposition ist unzulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06).

In dieser Position zeigt sich auch im konkreten Sachverhalt wieder die Gefahr, wenn derartige Bagatellpositionen herangezogen werden, um einen Angebotsausschluss wegen einer Mischkalkulation zu begründen. Bei dem in dieser Position ebenfalls auffällig günstigen Angebotspreis der Beigeladen, der nur etwa ein Fünftel der im Mittelpreis oder dem bepreisten Leistungsverzeichnis angenommenen Angebotssumme entspricht, wurde von der Antragsgegnerin keine Angebotsaufklärung durchgeführt, obwohl hier ebenfalls auffällige Abweichungen zu den übrigen Angeboten und dem bepreisten Leistungsverzeichnis sowie im Formblatt 223 zu den Zeitansätzen und Materialkosten für die diversen Betonstabstahlpositionen vorliegen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine genauere Prüfung des Preises der Beigeladenen in dieser Position ähnliche Ungereimtheiten in der Kalkulation aufgedeckt hätte.

2.2.11. Das Angebot der Antragstellerin ist auch nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.05.29 (Verankerung in Injektionstechnik d=10 mm), 01.05.30 (Verankerung in Injektionstechnik d=12 mm), 01.05.31 (Verankerung in Injektionstechnik d=14 mm) und 01.05.32 (Verankerung in Injektionstechnik d=16 mm) auszuschließen, da es sich hier um eine Bagatellposition handelt.

Die Antragstellerin lässt diese Leistung von einem Nachunternehmer durchführen und hat das entsprechende Angebot des Nachunternehmers im Rahmen der Aufklärung vorgelegt. Sie hat die vom Nachunternehmer angebotenen Preise unverändert übernommen und nur die allgemeinen Zuschläge aus dem Formblatt 121 für Nachunternehmerleistungen hinzugerechnet. Aus dem Aufklärungsschreiben der Antragstellerin ergibt sich, dass ihr Nachunternehmer die Arbeitsleistung von seinem Polier ausführen lässt, welcher in der Mittellohnberechnung des Nachunternehmers enthalten ist, weshalb keine zusätzlichen Kosten anfielen. Die Materialkosten seien so niedrig, da der Nachunternehmer noch Injektionsmaterial aus seinem Jahresbudget übrig habe und daher die Materialkosten sehr niedrig habe ansetzen können.

Die Frage, ob ein Polier eines Nachunternehmers, der in die einzelnen Positionen des Angebots des Nachunternehmers eingepreist ist, überhaupt eine Mischkalkulation darstellen kann, wenn er weitere zu bepreisende Positionen des Leistungsverzeichnisses ausführt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Es handelt sich in jedem Fall um eine Bagatellposition, welche im bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin mit etwas über 4.000 Euro und im Mittelpreis der Angebote mit knapp 2.750 Euro angesetzt war. Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation bei einer derartigen Bagatellposition ist unzulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06).

2.2.12. Das Angebot der Antragstellerin ist auch nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.06.2 (Zulage Wandabschluss oben Deckenauflager und Attika), 01.06.3. (Zulage Wandabschluss oben Deckenauflager) und 01.06.4 (Zulage Wandabschluss unten) auszuschließen, da bereits keine Indizien für eine Mischkalkulation bestehen und es sich zudem um eine Bagatellposition handelt.

Die Antragstellerin lässt diese Leistung von einem Nachunternehmer durchführen. Der Nachunternehmer der Antragstellerin hat in der Angebotsaufklärung aufgeführt, dass sich bei diesen Positionen für ihn keine Mehraufwendungen zur Grundposition ergeben.

Preispositionen, in welchen die Antragstellerin übermäßig teuer anbietet, sind im Kapitel 01.06. “Stahlbetonfertigteile”, die vollständig ein einziger Nachunternehmer ausführt, der auch keine Leistungen außerhalb dieses Kapitels durchführt. Eine Kostenverschiebung des Nachunternehmers hätte daher in diesem Kapitel erfolgen müssen. Aus dem Preisspiegel ergibt sich jedoch vielmehr, dass die Antragstellerin bzw. ihr Nachunternehmer für dieses Kapitel insgesamt durchgehend recht günstig kalkuliert hat und auch den günstigsten Gesamtpreis für das Kapitel 01.06 anbieten konnte. Andere Bieter sind jedoch teilweise in diesem Kapitel nur unwesentlich teurer und es finden sich zwei weitere Angebote, die im Kapitel 01.06 weniger als 20% teurer sind als die Antragstellerin.

Zudem handelt es sich um Bagatellpositionen, welche im bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin mit etwas über 8.750 Euro und im Mittelpreis der Angebote mit knapp 3.500 Euro angesetzt waren. Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation bei einer derartigen Bagatellposition ist unzulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.05.2006 – Verg 10/06). Sogar im Vergleich zur Gesamtangebotssumme des Kapitel 01.06. handelt es sich bei den drei Positionen nur um 1,5% des Angebots der Antragstellerin bzw. ihres Nachunternehmers, wenn man den Mittelpreis für diese Positionen ansetzt.

Auch hier zeigt sich wieder die unterschiedliche Aufklärung zwischen den Angeboten der Antragstellerin und der Beigeladenen. Die Beigeladene hat in diesen drei Positionen in der Aufgliederung der Einheitspreise keinerlei Zeitansätze oder Lohnkosten ausgewiesen. Dies wurde jedoch von der Antragsgegnerin nicht weiter aufgeklärt. Bei einer vergleichbaren Aufklärungstiefe in den Bagatellpositionen kann nicht ausgeschlossen werden, dass wohl auch im Angebot der Beigeladenen kleinere Unregelmäßigkeiten zu Tage getreten wären.

2.2.13. Das Angebot der Antragstellerin ist auch nicht nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen fehlender oder unrichtiger Preisangaben in den Leistungspositionen 01.06.41 bis 01.06.53 betreffend die Balkonfertigteile auszuschließen, da bereits keine Indizien für eine Mischkalkulation bestehen.

Soweit die Antragsgegnerin hier in ihrem Schriftsatz vom 08.12.2023 vorträgt, dass die geometrisch und hinsichtlich der Einbausituation identischen Positionen 01.06.41 und 01.06.44, 01.06.42 und 01.06.45, 01.06.46, 01.06.47, 01.06.49 und 01.06.50, sowie 01.06.48, 01.06.51 und 01.06.53 für das Liefern und Montieren von Balkonfertigteilen jeweils auffällig unterschiedlich bepreist seien, ist diese Aussage bereits nicht nachvollziehbar.

Die Positionen 01.06.46, 01.06.47, 01.06.49, 01.06.50 und 01.06.51 hat die Antragstellerin bzw. ihr Nachunternehmer gleich bepreist. Lediglich die Position 01.06.48, von der ein Stück zu liefern ist, ist ungefähr 200 Euro teurer angeboten worden, was die Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung mit einem Übertragungsfehler des Nachunternehmers erklärt. Interessanterweise unterscheidet sich auch im bepreisten Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin gerade die Position 01.06.48 von den gleich bepreisten Positionen 01.06.46, 01.06.47, 01.06.49 und 01.06.50.

Die Positionen 01.06.41 und 01.06.44 sowie 01.06.42 und 01.06.45 unterscheiden sich im Übrigen auch bei der Beigeladenen voneinander.

Die Vergabekammer vermag daher keine objektiven Anhaltspunkte für eine Preisverschiebung oder überhaupt nur für eine auffällige Preisgestaltung im Angebot der Antragstellerin zu diesen Positionen erkennen.

2.3. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A auszuschließen, da die Antragsgegnerin nicht den Gesamtpreis des Angebots ihren Erwägungen zur Ausschlussentscheidung zu Grunde gelegt hat.

Bei der Beurteilung, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot vorliegt, ist auf den Gesamtpreis des Angebots abzustellen. Ein Angebot kann nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, weil einzelne Positionen darin zu Preisen angeboten sind, welche die diesbezüglichen Kosten nicht vollständig decken. Das Interesse des Auftraggebers an einwandfreier Ausführung und Haftung für die Gewährleistungsansprüche wird grundsätzlich nicht dadurch gefährdet, dass bestimmte Einzelpositionen “zu billig” angeboten werden, sondern dass der Auftragnehmer infolge eines zu geringen Gesamtpreises in Schwierigkeiten gerät (BGH Urteil vom 19.06.2018 – X ZR 100/16).

Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin auf Grund unauskömmlicher Preise in den Positionen 01.03.4 (Zulage für Schadstoffklasse bis einschließlich U2 LVGBT), 01.04.1 (Betonüberwachung), 01.04.13 (Zulage für geneigte Oberfläche), 01.04.57 (Zulage Ausbildung Stützenkopf), 01.04.80 (Zulage Stützenschalung auf Aufkantung Fluchtbalkon), 01.04.94 (Zulage Deckenschalung waagrecht über Treppenlauf), 01.04.95 (Zulage Deckenschalung waagrecht Außenbereich über Außentreppen), 01.04.96 (Zulage Deckenschalung waagrecht über Balkonfertigteil), 01.04.97 (Zulage Deckenschalung, außerhalb Bodenplatten/Decken), 01.04.126 (Dreikantleisten 6/6/8) 01.06.2 (Zulage Wandabschluss oben), 01.06.3 (Zulage Wandabschluss oben), 01.06.4 (Zulage Wandabschluss unten), 01.05.29 (Verankerung in Injektionstechnik d=10 mm), 01.05.30 (Verankerung in Injektionstechnik d=12 mm), 01.05.31 (Verankerung in Injektionstechnik d=14 mm) und 01.05.32 (Verankerung in Injektionstechnik d=16 mm) nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A auszuschließen, nicht auf willkürlichen oder sachwidrigen Erwägungen beruhe, ist dem nach den vorgenannten Grundsätzen nicht zuzustimmen. Die Antragsgegnerin stellte weder in ihrer Ausschlussentscheidung vom 16.11.2023 noch im Schriftsatz vom 08.12.2023 auf einen unauskömmlichen Gesamtpreis des Angebots ab, sondern lediglich auf mehrere Einzelpositionen, welche nach ihrer Ansicht für die in der jeweiligen Position geforderten Leistung nicht kostendeckend seien. Die Vergabekammer konnte auch in der eingereichten Vergabedokumentation keine Erwägungen der Antragsgegnerin finden, die sich mit der Auskömmlichkeit des Gesamtangebots befassten. Die Antragsgegnerin hat es damit schlicht unterlassen den Gesamtpreis überhaupt auf seine Auskömmlichkeit zu überprüfen und ihre Prüfung der Auskömmlichkeit lediglich auf einzelne Preispositionen des Angebots beschränkt. Dies ist jedoch per se unzulässig.

Daran ändert auch der Vortrag der Antragsgegnerin nichts, dass es sich bei den einzelnen Positionen um jeweils unauskömmliche Angebote von Unterauftragnehmern handle, so dass ein Risiko für einen Ausfall des Unterauftragnehmers bestünde. Selbst wenn bei einer Preisprüfung allein auf ein Angebot eines Unterauftragnehmers abgestellt werden könnte, was die Vergabekammer nicht für zulässig erachtet, hätte es die Antragsgegnerin auch hier versäumt, die jeweiligen Gesamtpreise der unterschiedlichen Unterauftragnehmer zu bewerten anstatt einzelne Preispositionen.

Die Antragstellerin ist durch den vergaberechtswidrigen Ausschluss ihres Angebots in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragsgegnerin.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die konkrete Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Antragsgegnerin ist als Gemeinde von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da die Antragstellerin als mittelständisches Unternehmen nicht über das zur zweckentsprechenden Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens notwendige rechtskundige Personal verfügt. Zudem sind die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sehr komplex und speziell und greifen Fragen der Beweislast auf, so dass von einem durchschnittlichen Bieter nicht erwartet werden kann, diese ohne Hinzuziehung eines spezialisierten Rechtsanwalts zu durchdringen.

Auch wenn die Beigeladene keine Anträge gestellt hat, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt und sich insbesondere auch nicht auf Seiten der Antragstellerin am Verfahren beteiligt. Eventuell angefallene Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung bei der Beigeladenen sind daher nicht erstattungsfähig. Die Beigeladene hatte im Nachprüfungsverfahren keinen Verfahrensbevollmächtigten benannt, so dass über die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auch nicht zu entscheiden war.

VK Rheinland zu der Frage, dass für eine fristgemäße Rüge deren Zugang beim Auftraggeber relevant ist und nicht deren Absendung

VK Rheinland zu der Frage, dass für eine fristgemäße Rüge deren Zugang beim Auftraggeber relevant ist und nicht deren Absendung

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Rüge ist eine zwingend von den Vergabekammern von Amts wegen zu beachtende Sachentscheidungsvoraussetzung. Ohne vorherige Rüge ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig.
2. Für eine den Anforderungen des § 160 GWB genügende Rüge ist erforderlich, dass aus ihr für den Auftraggeber unmissverständlich hervorgeht, welches Verhalten als Vergaberechtsverstoß angesehen wird und inwiefern der Bieter vom Auftraggeber Abhilfe verlangt.
3. Für eine fristgemäße Rüge ist deren Zugang beim Auftraggeber relevant und nicht deren Absendung. Der “O.K.”-Vermerk auf dem Sendebericht ist jedenfalls dann irrelevant, wenn der Empfänger den Zugang substantiiert bestreitet.
4. Der Rügende trägt das Risiko, dass die Rüge nicht bzw. nicht vollständig zugeht. Er ist dafür darlegungs- und beweispflichtig.
VK Rheinland, Beschluss vom 23.07.2024 – VK 28/24

Gründe:

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 06.03.2024 schrieb die Antragsgegnerin unter der Vergabenummer: … landschaftsgärtnerische Arbeiten an … in C. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union im offenen Verfahren europaweit aus. Die Arbeiten umfassen gemäß Ziffer 5.1 der Bekanntmachung Landschaftsbauarbeiten, Wegebau und Bepflanzung. Einziges Zuschlagskriterium ist gemäß Ziffer 5.1.10 der Bekanntmachung der Preis.

Die Antragstellerin gab fristgerecht ein Angebot ab.

Mit Schreiben vom 09.05.2024 wurde die Antragstellerin von der Antragsgegnerin aufgefordert, hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit zur Durchführung der Maßnahme eine Bestätigung ihrer Bank oder ihres Steuerberaters vorzulegen, um Anhaltspunkte für eine fehlende Bonität zu entkräften. Hierauf reagierte die Antragstellerin, indem sie einen Auszug aus ihrem Präqualifikationsnachweis vom 15.01.2024 vorlegte, der Umsätze aus den Jahren 2020 bis 2022 enthielt. Weiterhin legte sie eine aktuelle Auskunft der Creditreform vom 30.01.2024 vor. Außerdem wurde die Antragstellerin seitens der Antragsgegnerin aufgefordert, ihren für die Position “Baustelleneinrichtung” angebotenen Einheitspreis näher zu erläutern. Daraufhin legte die Antragstellerin ihre Vorkalkulation für das Einrichten, Vorhalten und Räumen der Baustelle vor und erklärte, es handele sich um Kosten, die während der Bauzeit geschätzt anfielen und nicht in die Leistungspositionen einkalkuliert werden könnten. Weiterhin bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin im Rahmen der Angebotsaufklärung zwecks Eignungsprüfung um Vorlage dreier Referenzprojekte, die mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar seien. Die Antragstellerin legte drei Referenzprojekte vor.

Mit Informationsschreiben vom 29.05.2024 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 134GWB darüber, dass ihr Angebot auszuschließen sei, weil zum einen keine ausreichende Aufklärung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit erfolgt sei, zum anderen entgegen der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses die Kosten für Vorhalten, Unterhalten und Betreiben der Geräte, Anlagen und Einrichtungen einschl. Mieten, Pacht, Gebühren und dgl. in der Position 1.1 kalkuliert worden seien und außerdem die vorgelegten Referenzprojekte nicht mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar seien. Der Zuschlag solle frühestens am 04.06.2024 auf das Angebot der Fa. G. erteilt werden.

Die Antragstellerin rügte dies mittels Einwurf-Schreiben, welches vom 07.06.2024 datiert. Das Schreiben umfasst insgesamt fünf Seiten. Der Briefumschlag des Schreibens ist mit dem Frankierstempel der Deutschen Post mit Datum “07.06.24” sowie dem Eingangsstempel der C. mit Datum “13. Juni 2024” versehen. In dem Rügeschreiben trägt die Antragstellerin vor, dass der Ausschluss ihres Angebots vergaberechtswidrig sei. Die Anforderung, welche Unterlagen zum Nachweis der finanziellen/wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hätten vorgelegt werden müssen bzw. dass sie dies im Einzelnen von der Bank oder dem Steuerberater hätte bestätigen lassen müssen, sei von der Antragsgegnerin nicht ausreichend bestimmt formuliert worden. Die Kosten für das Vorhalten, Unterhalten und Betreiben der Geräte, Anlagen und Einrichtungen einschl. Mieten, Pacht, Gebühren und dgl. sei zu Recht in der Position 1.1 einkalkuliert worden, da diese während der Bauzeit geschätzt anfielen und nicht in die einzelnen Leistungspositionen hätten einkalkuliert werden können. Auch könne nicht alleine aus der fehlenden Vergleichbarkeit der Referenzprojekte mit der ausgeschriebenen Leistung auf die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin geschlossen werden. Schließlich sei der von der Antragsgegnerin genannte beabsichtigte Zuschlagstermin rechtswidrig, da dieser nicht die 15-Tagesfrist des § 134Abs. 2 GWB einhalte.

Die Antragstellerin hat ihr Rügeschreiben nicht nur per Deutscher Post versandt, sondern es auch per Fax an die von der Antragsgegnerin in der Bekanntmachung sowie dem § 134-er Informationsschreiben benannte Fax-Nummer geschickt. Der von der Antragstellerin vorgelegte Fax “Sendebericht” enthält u.a. folgende Angaben:

“DATUM/UHRZEIT 07/06 11:59

FAX-NR./NAME … [Anm.: Fax-Nr. von VK anonymisiert]

Ü.-DAUER 00:02:22

SEITE(N) 05

ÜBERTR OK

MODUS Standard

ECM”


Dieses Fax ist nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Dokumenten nur unvollständig bei ihr eingegangen. Vollständig eingegangen ist nur die erste Seite des Schreibens, aus der sich ergibt, dass es sich um eine Rüge handelt, welche Baumaßnahme betroffen ist, welcher Bieter die Rüge einlegt, wer dessen Verfahrensbevollmächtigter ist und dass der Rüge ein Absageschreiben nach § 134 GWB vom 29.05.2024 vorangegangen ist. Auf der zweiten Seite findet sich in der Mitte lediglich ein Satzfragment (= “ausreichende finanzielle”) sowie folgender Satz:

“2. Des Weiteren begründen Sie den Ausschluss des Angebotes damit, dass Kosten für Vorhalten, Unterhalten und Betreiben der Geräte, Anlagen und Einrichtungen einschl. Mieten, Pacht, Gebühren und dgl. in der Position 1.1 einkalkuliert worden sind und nicht in die einzelnen Leistungspositionen.”

Die dritte Seite ist praktisch komplett leer, die weiteren Seiten, insbesondere auch die fünfte Seite mit der Unterschrift, fehlen völlig.

Das von der Antragsgegnerin vorgelegten Fax-Protokoll enthält die Meldung

“Übertragung nicht abgeschlossen (3 Seite(n) empfangen)”

Am 07.06.2024 reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag mittels Telefax bei der Vergabekammer ein. Der Fax-Ausdruck trägt das Datum 07.06.2024 und die Uhrzeit 14:44.

Die Antragstellerin beantragt darin,

1.Einsicht in die Vergabeakte,

2.das Vergabeverfahren in den Stand vor Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin zurückzuversetzen und

3.den Zuschlag an die Antragstellerin zu erteilen.

Zur Begründung ihrer Anträge wiederholt die Antragstellerin die bereits in ihrer Rüge vorgebrachten Argumente. In weiteren Schriftsätzen vom 28.06.2024, 04.07.2024 und 16.07.2024 führt sie zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags wie folgt ergänzend aus:

Das Telefax mit der Rüge sei am 07.06.2024 um 11:59 Uhr mit fünf Seiten an die Antragsgegnerin übermittelt worden. Werde die Übermittlung eines Telefaxes wie hier mit einem “OK”-Vermerk quittiert, bedeute dies, dass die Datenübermittlung jedenfalls soweit einwandfrei bis zum Empfängergerät erfolgt sei, dass die voreingestellte sogenannte Fehlerquote – werksseitig sei regelmäßig ein Wert von 10% voreingestellt – nicht überschritten worden sei. Selbst wenn eine Fehlerquote bis an die 10% erreicht worden sei, so hätte dies allenfalls dazu führen können, dass einzelne Buchstaben über die Seite verteilt Fehler aufgewiesen hätten. Insbesondere sei es ausgeschlossen, dass ganze Seiten fehlten oder ganz überwiegende Textzeilen einer Seite nicht übermittelt würden. Daher müsse der Datenverlust im Herrschaftsbereich der Antragsgegnerin eingetreten sein. Hierfür sei die Antragstellerin nicht verantwortlich. Für den Zugang komme es lediglich darauf an, ob die Daten zu dem Empfangsgerät, hier also dem Server der Antragsgegnerin übermittelt worden seien, nicht dagegen ob ein übermitteltes Telefax beim Empfänger ausgedruckt werde. Letztlich sei auch der Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer mit demselben Faxgerät störungsfrei und einwandfrei übermittelt worden, auch ansonsten seien bisher keine Störungen des Geräts aufgetreten. Bemerkenswert sei auch, dass es angeblich in zwei parallellaufenden Verfahren der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin zu vergleichbaren Fehlern bei der Übermittlung eines Rügeschreibens per Telefax gekommen sein solle.

Bieter seien aufgrund zwingend einzuhaltender Fristen regelmäßig auf eine Übermittlung einer Rüge per Telefax angewiesen. Wenn der Bieter alles ihm Mögliche unternehme, um eine rechtzeitige Rüge zu übermitteln, so müsse für die Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages nach Auftreten eines technischen Fehlers der Grundsatz von Treu und Glauben berücksichtigt werden. Die Antragsgegnerin habe im Vergabeverfahren, durch das zwischen Bieter und Vergabestelle eine Art vorvertragliches Vertrauensverhältnis entstehe, eine Pflicht zur Fairness, Kooperation und Rücksichtnahme. Dies ergebe sich auch aus der Entscheidung OLG Celle vom 19.08.2008 – 8 U 80/07. Eine mögliche Unvollständigkeit der Übermittlung des Rügeschreibens hätte die Antragsgegnerin den Verfahrensbevollmächtigen der Antragstellerin sofort anzeigen müssen, da aus der Seite 1 des übermittelten Rügeschreibens klar erkennbar gewesen sei, von wem und für welchen Bieter das Rügeschreiben verfasst war, wie die Vertreter der Antragstellerin zu erreichen sind und um welches Vergabeverfahren es sich handelt. Die Antragsgegnerin habe eine solche Anzeige unterlassen und die Meldung über die unvollständig eingegangene Rüge bereits drei Minuten nach Empfang der Nachricht bzw. des Telefaxes im Hause weitergeleitet, ohne den Bieter hierüber in Kenntnis zu setzen. Im Übrigen sei auch nicht klar, ob sich die Fehlermeldung “Übertragung nicht vollständig abgeschlossen (3 Seite(n) empfangen)” auf den ursprünglichen Empfang der Nachricht auf dem Server oder alleine auf die Weiterverarbeitung der eingegangenen Daten in Form der Weiterleitung beziehe.

Mit Schriftsatz vom 18.06.2024, ergänzt durch Schriftsätze vom 04.07.2024 und 09.07.2024 nahm die Antragsgegnerin zum Nachprüfungsantrag Stellung und beantragt,

1.den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2.der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, da die Antragstellerin ihrer Rügepflicht aus § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht fristgereicht nachgekommen sei. Die Rüge hätte vor Beantragung des Nachprüfungsverfahrens am 07.06.2024 bei der Antragsgegnerin eingegangen sein müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, vielmehr seien von der per Telefax vom 07.06.2024, 11:59 Uhr übermittelten Rüge die Seiten 2 und 3 bis auf Bruchstücke leer, die Seiten 4 und 5 hätten komplett gefehlt. Daraus lasse sich der behauptete Vergaberechtsverstoß nicht ableiten, es fehle an dessen hinreichender Darlegung. Aus den systemseitigen Angaben der Server der Stadt C. ergebe sich, dass der Status als “Übertragung nicht abgeschlossen” vermerkt worden sei. Bei diesem Vermerk handele es sich um einen Vermerk, den das Empfangssystem automatisch hinzufüge, wenn die Übertragung nicht abgeschlossen wurde. Seit Inbetriebnahme des Servers zum Empfang von Faxsendungen durch das Referat Vergabedienste der C. habe es keine Betriebsstörungen oder unvollständige Übermittlungen gegeben. Gerade der Umstand, dass die Übermittlungsstörungen nur bei Faxen vom Gerät des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aufträten, spreche für einen nicht behobenen Fehler an dessen Faxgerät. Der seitens der Antragstellerin vorgelegte Fax-Sendebericht sei nicht aussagekräftig und kein Nachweis für eine ordnungsgemäße und inhaltlich vollständige Übersendung. Durch die Vorlage eines Sendeprotokolls werde der Beweis des Zugangs eines Telefax-Schreibens nicht geführt, was bereits in den Entscheidungen BGH IBR 2011, 733; OLG Frankfurt, IBR 2010, 267; OLG Celle, IBR 2008, 615 gerichtlich geklärt sei. Der Sendebericht sage nur etwas darüber aus, ob eine Verbindung zwischen dem Fax-Gerät des Versenders und dem des Empfängers zustande gekommen sei, nicht jedoch, dass und welche Daten tatsächlich übermittelt worden seien. Dies sei auch vom OLG Frankfurt, IBR 2022, 542 so gesehen worden. Darlegungs- und beweisbelastet für den ordnungsgemäßen und inhaltlich vollständigen Zugang der Rüge sei die Antragstellerin.

Eine Rüge könne formfrei erhoben werden, die Nutzung des Telefaxes sei nicht die einzige Option. Um den zeitlichen Konflikt zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag zu lösen, hätte die Rüge unproblematisch (zusätzlich) per Bote, per Mail oder über das besondere elektronische Behördenpostfach erhoben werden können.

Es habe keine Pflicht der Antragsgegnerin bestanden, die fehlerhafte Übermittlung gegenüber der Antragstellerin oder ihren Verfahrensbevollmächtigten anzuzeigen. Die von der Antragstellerin angeführte Entscheidung des OLG Celle vom 19.08.2008 – 8 U 80/07 sei nicht auf den hiesigen Fall übertragbar. Denn in dortigem Fall seien Versender und Empfänger durch Vertrag verbunden und daher in höherem Maß zu gegenseitiger Rücksicht verpflichtet gewesen. Im Übrigen sei der Rechtsgedanke vorvertraglicher Beziehungen aus dem Zivilrecht auf das Vergaberecht nicht übertragbar. Denn das Vergaberecht verbiete der Vergabestelle an mehreren Stellen nicht nur ausdrücklich, einen Bieter auf Fehler hinzuweisen, sondern verpflichte diese gleichzeitig, den betreffenden Bieter ohne Hinweis unmittelbar auszuschließen. Der Bieter habe in eigener Verantwortung für die Fehlerfreiheit seiner Angaben zu sorgen. Dies gelte umso mehr, als dieser – wie hier – anwaltlich vertreten sei. Es wäre der Antragstellerin ein Leichtes gewesen, sich selbst über den Eingang der Rüge und deren Vollständigkeit zu versichern.

Der Nachprüfungsantrag sei auch nicht begründet. Die Antragstellerin habe die von der Antragsgegnerin geforderten Unterlagen zu ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit nicht fristgerecht vorgelegt. Auch habe sie Leistungen, die auf die Einheitspreise der jeweiligen Bauleistung umzulegen waren, in die Baustelleneinrichtung eingepreist, damit eine unzulässige Preisverlagerung vorgenommen und somit nicht die in der Leistungsbeschreibung geforderten Preise benannt. Auch habe die Antragstellerin die geforderte Eignung nicht nachgewiesen, da sie Referenzen vorgelegt habe, die mit der ausgeschriebenen Leistung nicht vergleichbar seien.

Die Vergabekammer hat die Verfahrensbeteiligten in einem rechtlichen Hinweis vom 20.06.2024 auf ihre vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage sowie auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage gem. § 166 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 und 3 GWB hingewiesen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze, der Verfahrensakte sowie der Vergabeunterlagen verwiesen.

II.

1. Die Vergabekammer Rheinland ist gemäß §§ 155156 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.V.m. § 2 Abs. 2 der Verordnung über Einrichtung und Zuständigkeit der Vergabekammern NRW (Zuständigkeitsverordnung Vergabekammern NRW – VK ZuStV NRW) vom 02.12.2014 (SGV.NRW.630), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.11.2018 (GV.NRW.S.639) für die Entscheidung zuständig.

2. Die Antragsgegnerin hat als öffentlicher Auftraggeber i.S.v. § 99 Nr. 1 GWB Landschaftsbauarbeiten im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme, d.h. einen Bauauftrag i.S.v. § 103 Abs. 3 GWB ausgeschrieben, dessen geschätzter Gesamtauftragswert den Schwellenwert nach § § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Artikel 4 der RL 2014/24/EU in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung [= 5.538.000,- Euro (netto) ] eindeutig überschreitet.

3. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Es fehlt an der erforderlichen, dem Nachprüfungsantrag vorausgehenden Rüge des vermeintlichen Vergaberechtsverstoßes gegenüber der Antragsgegnerin.

Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 – 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag nur zulässig, wenn der vermeintliche Vergaberechtsverstoß gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber gerügt wurde. Die Rüge ist zwingend vor der Einreichung des Nachprüfungsantrags zu erheben (vgl. Hofmann in: Müller-Wrede (Hrsg.), GWB Kommentar, 2. Aufl. 2023, § 160 GWB, Rn. 42). Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dem Auftraggeber vor Antragseinreichung noch einmal die Möglichkeit zu geben, den geltend gemachten Vergaberechtsverstößen von selbst abzuhelfen und so ein verzögerndes Vergabenachprüfungsverfahren zu vermeiden (vgl. Hofmann, a.a.O., Rn. 38). Die Rüge ist eine zwingend von den Vergabekammern von Amts wegen zu beachtende Sachentscheidungsvoraussetzung. Ohne vorherige Rüge ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig und allein deswegen abzulehnen (vgl. Hofmann, a.a.O., § 160 GWB, Rn. 42).

Vorliegend datiert das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 07.06.2024. Es wurde per Einwurf-Einschreiben an die Antragsgegnerin gesandt. Eingegangen bei der Antragsgegnerin ist das Schreiben laut Eingangsstempel auf dem Briefumschlag am 13.06.2024, mithin nach der Einreichung des Nachprüfungsantrages bei der Vergabekammer, welche am 07.06.2024 erfolgt ist. Zwar trägt der Frankierstempel der Deutschen Post das Datum 07.06.2024. Allerdings muss bei Briefpost mit einer regelmäßigen Postlaufzeit von ein bis zwei Werktagen nach Einlieferung ausgegangen werden, wobei als Werktag auch der Samstag angesehen wird (vgl. § 2 Nr. 3 Post-Universaldienstleistungsverordnung). Da es sich bei dem 07.06.2024 um einen Freitag handelt, konnte die Antragstellerin nicht davon ausgehen, dass der Brief vor dem 08.06.2024 (= Samstag) bzw. 10.06.2025 (= Montag) bei der Antragsgegnerin eingehen würde. Im Übrigen sind selbst überdurchschnittlich lange Postlaufzeiten der Risikosphäre des Antragstellers zuzurechnen (vgl. Horn/Hofmann in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, GWB 4. Teil, Hrs. Burgi/Dreher/Opitz, 4. Aufl. 2022, § 160 Rn. 78). Eine Rüge, die erst beim Auftraggeber eingeht, nachdem bereits ein Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht wurde, ist nicht geeignet, eine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Nachprüfungsantrag zu schaffen.

Allerdings hatte die Antragstellerin das Rügeschreiben bereits am 07.06.2024 um 11:59 Uhr vorab per Telefax an die Antragsgegnerin gesandt, mithin vor Einreichung des Nachprüfungsantrages bei der Vergabekammer am 07.06.2024 um 14:44 Uhr. Dies war zulässig. Eine besondere Form für die Rüge ist nicht vorgeschrieben. Sie kann z.B. auch mündlich, per E-Mail oder Telefax oder auf anderen elektronischen Kommunikationswegen gestellt werden (vgl. Hofmann, a.a.O., § 160 GWB, Rn. 51). Allerdings ist für eine den Anforderungen des § 160 GWB genügende Rüge erforderlich, dass aus ihr für den Auftraggeber unmissverständlich hervorgeht, welches Verhalten als Vergaberechtsverstoß angesehen wird und inwiefern der Bieter vom Auftraggeber Abhilfe verlangt (vgl. Hofmann, a.a.O., § 160 GWB, Rn. 52; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 07.12.2011 – Verg 81/11; OLG Celle, Beschluss v. 30.09.2010 – 13 Verg 10/10). Auch müssen schriftliche oder fernschriftliche Rügen unterschrieben sein, damit der Auftraggeber erkennen kann, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, und dass die Rüge von dem Unternehmer oder einer vertretungsberechtigten Person stammt (vgl. Wiese in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 160 GWB, Rn. 144). Beides war aus dem bei der Antragsgegnerin per Fax eingegangenen Rügeschreiben der Antragstellerin nicht der Fall. Das Rügeschreiben ist nur fragmentarisch eingegangen. Vollständig angekommen ist nur die erste Seite, aus der weder hervorging, welches Verhalten die Antragstellerin als Vergaberechtsverstoß ansieht noch inwiefern die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Abhilfe verlangt. Die Seite 2 enthielt nur eine kurze Textzeile und die Seite 3 praktisch keinen Text. Das am 07.06.2024 bei der Antragsgegnerin eingegangene Fax erfüllt somit nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge, sondern erst das per Einwurf-Einschreiben übersandte und bei der Antragsgegnerin nach Einlegung des Nachprüfungsantrags eingegangene Rügeschreiben. Damit ist der Nachprüfungsantrag unzulässig Dem steht auch nicht der Einwand der Antragstellerin entgegen, die unvollständige Übermittlung bzw. der nur fragmentarische Ausdruck sei der Risikosphäre der Antragsgegnerin zuzurechnen, da sie, die Antragstellerin, alles für eine ordnungsgemäße Übermittlung Mögliche getan habe und ihr Fax-Sendebericht einen “O.K.”-Vermerk enthalte.

Da die Rüge gegenüber dem Auftraggeber zu erheben ist, ist für eine fristgemäße Rüge deren Zugang beim Auftraggeber relevant und nicht deren Absendung. Somit ist der “O.K.”-Vermerk auf dem Sendebericht der Antragstellerin irrelevant, da er nur eine Aussage dazu trifft, dass das Fax abgesandt wurde (vgl. BHG, Beschluss v. 21.07.2011 – IX ZR 148/10). Dies gilt zumindest dann, wenn der Empfänger den Zugang substantiiert bestreitet (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 05.03.2010 – 19 U 213/09, und vom 31.03.2021 – 29 U 178/20). Maßgeblich für den Zugangszeitpunkt ist § 130 BGB, der zwar grundsätzlich nur für Willenserklärungen gilt, auf Rügen jedoch entsprechend angewendet wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 07.12.2011 – Verg 81/11). Danach gilt eine Rüge als zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. Hofmann, a.a.O., Rn. 55; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 07.12.2011 – Verg 81/11). Dabei trägt der Rügende das Risiko, dass die Rüge nicht bzw. nicht vollständig zugeht (siehe zur vergleichbaren Problematik beim Zugang von Willenserklärungen: Einsele in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, BGB § 130, Rn. 16; Florian Faust in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil, EGBGB, 4. Aufl. 2021, § 130 BGB, Rn. 80). Vorliegend hat die Antragsgegnerin durch Vorlage des Fehlerberichts ihres Servers dargelegt, dass die Übermittlung des von der Antragstellerin versandten Faxes nicht vollständig erfolgt ist. Damit hat die Antragsgegnerin den Zugang des vollständigen Rügeschreibens substantiiert bestritten. Die dafür darlegungs- und beweispflichtige Antragstellerin konnte den Zugang nicht nachweisen.

Es trifft auch nicht zu, dass die Antragstellerin keine andere Möglichkeit gehabt hätte, das Rügeschreiben an die Antragsgegnerin zu übermitteln bzw. dessen korrekte Übermittlung festzustellen. So kommunizieren Behörden, Anwälte und Gerichte heute zunehmend über den sicheren Übermittlungsweg des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP), die Antragsgegnerin z.B. über das besondere elektronische Behördenpostfach. Eine andere Übermittlungsform wäre die Übermittlung per E-Mail an die Antragsgegnerin gewesen. Schließlich wäre auch eine Rüge per Boten-/Kurierdienst-Überbringung möglich gewesen.

Zudem ist festzuhalten, dass die Antragstellerin, obwohl ihr durch das § 134-er Schreiben der Antragsgegnerin bereits am 29.05.2024 bekannt war, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll, die Rüge erst am Freitag, den 07.06.2024 übersandt hat. Es stellt sich hier schon allgemein die Frage, ob diese Zeitdauer zur Rügeerstellung erforderlich war, zumal der Ausschluss ihres Angebots ganz überwiegend aus denselben Gründen erfolgte wie in dem zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Parallelverfahren VK 26/24-B. Sie hätte auf die Argumentation in diesem Parallelverfahren zurückgreifen können, im Übrigens sind rechtliche Ausführungen des Rügenden oder die Subsumption unter eine vergaberechtliche Norm für eine Rüge [zunächst] ohnehin nicht erforderlich (vgl. Hofmann, a.a.O., § 160 GWB, Rn. 53). Weiterhin hat die Antragstellerin die Rüge erst an einem Tag erhoben, an dem die von der Antragsgegnerin benannte Frist für die beabsichtigte Zuschlagserteilung bereits abgelaufen war, so dass eine besondere Eilbedürftigkeit aus dieser Sicht nicht vorlag. Zumindest hätte die Antragstellerin, wenn sie schon so knapp vor Einreichung des Nachprüfungsantrags die Rüge übermittelt, bei der Antragsgegnerin zur eigenen Absicherung nachfragen sollen, ob die Rüge auch vollständig eingegangen ist bzw. eine Empfangsbestätigung verlangen sollen. Der Vergabekammer ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass z.B. Antragsteller bei knappen Fristen einen Nachprüfungsantrag vorab telefonisch ankündigen bzw. nachfragen, ob der Nachprüfungsantrag eingegangen ist.

Der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch nicht der Einwand der Antragstellerin entgegen, die Antragsgegnerin hätte die Antragstellerin aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben auf den unvollständigen Eingang des Faxes hinweisen müssen. Dabei kann offenbleiben, ob dieser Grundsatz im Vergabeverfahren Anwendung findet, da jedenfalls kein Verstoß der Antragsgegnerin gegen diesen Grundsatz erkannt werden kann.

Das Fax wurde von der Antragstellerin am 07.06.2024, d.h. einem Freitag, um 11:59 Uhr an die Antragsgegnerin gesandt. Die Antragstellerin konnte nicht davon ausgehen, dass ein Fax am Freitagnachmittag noch auf seine Vollständigkeit bzw. seinen Inhalt hin geprüft wird und ihr Rückmeldung gegeben wird. So gilt auch für Briefpost, dass ein nach Geschäftsschluss in den Briefkasten eingeworfener Brief erst am nächsten Morgen bzw. mit Wiederbeginn der Geschäftsstunden zugeht (vgl. Wiese a.a.O., 160 GWB, Rn. 122; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 07.12.2011 – Verg 81/11) und letztlich auch dann erst geprüft werden kann. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin aufgrund des anhängigen Parallelverfahrens und die bis zu diesem Zeitpunkt ausgebliebene Reaktion der Antragsgegnerin auf die Rüge der Antragstellerin in diesem Verfahren unsicher geworden sein müsste, ob ihre Rüge die Antragsgegnerin überhaupt per Fax erreicht hat. Dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin mutwillig über den unvollständigen Eingang ihres Faxes im Unklaren gelassen hätte, ist eine reine Behauptung der Antragstellerin. Im Übrigen muss sich die Antragstellerin, wenn sie sich selbst auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen will, entgegenhalten lassen, dass auch sie gegen diesen Grundsatz verstoßen haben dürfte, wenn sie der Antragsgegnerin in ihrem Rügeschreiben eine Frist von nur ca. 2,5 Stunden zur Rügeabhilfe setzt.

III.

Da der Nachprüfungsantrag unzulässig ist, konnte die Vergabekammer gemäß § 166 Abs. 1 S. 3 GWB ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Im rechtlichen Hinweis der Vergabekammer vom 20.06.2024 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Vergabekammer von der Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage Gebrauch zu machen beabsichtigt.

Aufgrund der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags war über dessen Begründetheit nicht mehr zu entscheiden.

IV.

Akteneinsicht war der Antragstellerin nicht zu gewähren. Der nach § 165 Abs. 1 GWB bestehende Anspruch auf Einsichtnahme in die Vergabeakten wird durch den Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens begrenzt und besteht nur bezüglich entscheidungsrelevanter Aktenbestandteile, sofern andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht existieren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.09.2017 – Verg 19/17; OLG Brandenburg, Beschluss v. 16.02.2012 – Verg W 1/12). Vorliegend kam es entscheidungserheblich darauf an, ob die Rüge der Antragstellerin vor Stellung des Nachprüfungsantrages beim Auftraggeber eingegangen ist. Alle zur Beantwortung dieser Frage erforderlichen Unterlagen waren den Schriftsätzen der Antragsgegnerin bzw. dem rechtlichen Hinweis der Vergabekammer als Anlagen beigefügt, so dass es einer Akteneinsicht nicht bedurfte.

V.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 182 GWB.

Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) sind gem. § 182 Abs. 3 S. 1 GWB von der Antragstellerin zu tragen, weil sie im Verfahren unterlegen ist.

Die Pflicht zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin folgt aus § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.

Gemäß § 182 Abs. 1 S. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammern Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich gem. § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i.V.m. § 9 Abs. 1 Verwaltungskostengesetz in der am 14.08.2013 geltenden Fassung nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes der Nachprüfung. Der Gebührenrahmen wurde vom Gesetzgeber in § 182 Abs. 2 GWB für den Regelfall auf 2.500,- Euro bis 50.000,- Euro festgesetzt. Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührenstaffel erarbeitet, die die Vergabekammern des Landes Nordrhein-Westfalen im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung übernommen haben (vgl. Damaske in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, Kommentar, 2016, § 182, Rn. 25).

Danach orientiert sich die Gebühr der Vergabekammer an der Bruttoangebotssumme des Angebots des Antragstellers als dem für die Bewertung maßgeblichen wirtschaftlichen Interesse am Nachprüfungsverfahren. Vorliegend beläuft sich die Bruttoangebotssumme der Antragstellerin auf … Euro. Bei Anwendung der o.g. Gebührenstaffel führt dies zu einer Gebühr in Höhe von … Euro. Da die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgte und sich dadurch der Verwaltungsaufwand reduziert hat, wird diese Gebühr gem. § 182 Abs. 3 S. 6 GWB aus Billigkeitsgründen um 25% reduziert, so dass eine Gebühr in Höhe von … Euro verbleibt.

VI.

(…)

Zulassung von Nebenangeboten?

Zulassung von Nebenangeboten?

von Thomas Ax

Für nationale Bauverfahren gilt: Nebenangebote sind grundsätzlich zugelassen, sie können jedoch ausnahmsweise ausgeschlossen werden. Auch hier besteht ausnahmsweise die Möglichkeit, dass sie mit der Abgabe eines Hauptangebots verknüpft werden.

Die Möglichkeit der Verknüpfung der Abgabe eines Nebenangebotes mit der Abgabe eines Hauptangebots kann dazu beitragen, sicherzustellen, dass überhaupt ein der Leistungsbeschreibung entsprechendes Angebot eingeht.

Es steht im Ermessen des AG, ob er Nebenangebote zulässt. Für die Annahme eines Ermessens spricht, dass für den AG ein Mehraufwand mit der Zulassung von Nebenangeboten verbunden ist.

Preis als alleiniges Zuschlagskriterium

Auch wenn einziges Zuschlagskriterium der Preis ist, wird das Ermessen des AG nicht eingeschränkt. Sowohl für EU- als auch für nationale Verfahren ist die Zulassung von Nebenangeboten auch wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, ausdrücklich möglich. Indem der Gesetzgeber diese Möglichkeit mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergModG) gesetzlich normiert hat, weicht er ausdrücklich von der bisherigen Rechtsprechung des BGH ab.

Nebenangebote, die mit Hauptangeboten nicht vergleichbar sind, dürfen bei der Vergabeentscheidung nicht berücksichtigt werden, wenn der Preis das einzige Unterscheidungsmerkmal ist.

– Daher gilt: Werden Nebenangebote zugelassen und ist der Preis das alleinige Zuschlagskriterium, ist im besonderen Maße darauf zu achten, dass Mindestanforderungen vorgegeben werden. Die Mindestanforderungen müssen so erschöpfend und eindeutig sein, dass die Haupt- und Nebenangebote quantitativ und qualitativ vergleichbar sind. Der Preis ist anderenfalls kein für Haupt- und Nebenangebote gleichermaßen anwendbares Kriterium mehr.

Zulassung von Nebenangeboten

EU-Verfahren Bei der Zulassung von Nebenangeboten in EU-Verfahren sind sowohl Mindestanforderungen, als auch Zuschlagskriterien zu benennen.

Mindestanforderungen

Lässt der AG bei EU-Verfahren Nebenangebote zu, muss er zwingend Mindestanforderungen bestimmen und in den Ausschreibungsunterlagen benennen. Dies dient der Herstellung von Transparenz, welche die Gleichbehandlung der Bieter gewährleisten soll. Darüber hinaus soll die Zulassung von Nebenangeboten die Innovationskraft fördern.

Dieser gesetzgeberischen Intention entsprechend sind grundsätzlich Mindestanforderungen zweckmäßig, die Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen (teilweise, z.B. im Straßen- und Brückenbau sind die

Mindestanforderungen jedoch vorgegeben). Die Mindestanforderungen sind diskriminierungsfrei zu wählen. Es wird empfohlen, die Mindestanforderungen für Nebenangebote ausdrücklich und unzweideutig in den Vergabeunterlagen hervorzuheben. Jedenfalls müssen die Mindestanforderungen für den sachkundigen Bieter aus der Gesamtheit der Vergabeunterlagen eindeutig erkennbar sein.

Beispiele: Möglich ist z.B. die Bezugnahme auf Vertragsbedingungen, technische Vorschriften und Richtlinien mit konkretem Projektbezug, gewerkbezogene Angaben, quantifizierbare Angaben (z.B. Qualität (z.B. bestimmte Materialeigenschaften, Menge der zulässigen Emissionen), Bauzeit).

Es existieren keine verbindlichen Vorgaben, wie detailliert Mindestanforderungen zu formulieren sind. Dies ist letztlich anhand des Einzelfalls zu beurteilen. Es sind alle wesentlichen Aspekte zu regeln. Empfohlen wird daher, Mindestanforderungen für jedes der vom Auftrag umfassten Gewerke zu formulieren. Dem AG steht hinsichtlich der Konkretisierung im Einzelfall ein Einschätzungsspielraum zu:

– Möglich ist das Formulieren von Positiv- und Negativkriterien (etwa als Ausschnitt der für Hauptangebote geltenden Vorgaben oder Ausnahmen von den für Hauptangebote geltenden Anforderungen („muss mindestens … erfüllen“ bzw. „darf… nicht überschreiten“)), – materielle leistungsbezogene Mindestanforderungen (differenziert nach unverzichtbaren Bestandteilen und Nebenleistungen des zu vergebenden Auftrags; „muss… beinhalten/erfüllen“ bzw. „kann/soll… beinhalten/erfüllen“)

– Schließlich kann sich der AG bei der Formulierung von Mindestanforderungen an der Formulierung einer funktionalen Leistungsbeschreibung (Gebäude einer bestimmten Größe, für einen bestimmten Zweck, mit bestimmten Merkmalen) orientieren.

Keinesfalls ausreichend ist:

– Die bloße Forderung nach „gleichwertiger“ Leistung ohne weitere qualitative Angaben, da diese jedenfalls keine dem Transparenzgebot entsprechende Wertung zulässt.

– Zwar darf der Begriff „gleichwertig“ durchaus verwendet werden, allerdings nur unter Hinzuziehung einer klaren Definition, worauf sich die Gleichwertigkeit bezieht und in welcher Hinsicht das Nebenangebot gleichwertig sein muss.

– Der ausschließliche Rückgriff auf die Anforderungen, die das LV des AG zum Amtsentwurf macht. Das LV betrifft nur Anforderungen, die an Hauptangebote gestellt werden. Sinn eines Nebenangebotes ist definitionsgemäß jedoch gerade die Abweichung vom Hauptangebot.

– Sind die Mindestanforderungen nicht hinreichend bestimmt, sind alle Nebenangebote von der Wertung auszuschließen.

Zuschlagskriterien

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. In EU-Verfahren bemisst sich diese Wirtschaftlichkeit anhand der Zuschlagskriterien. Die Wertung darf ausschließlich anhand von Zuschlagskriterien vorgenommen werden, welche in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen benannt werden. Erforderlich ist nicht nur die Aufzählung von Zuschlagskriterien, sondern darüber hinaus auch eine inhaltliche Konkretisierung selbiger durch Angabe von Unterkriterien und die Gewichtung der Zuschlagskriterien zueinander. Die Zuschlagskriterien bedürfen zwingend einer inhaltlichen Verknüpfung mit dem Auftragsgegenstand. Das bedeutet, sie dürfen nicht willkürlich festgelegt werden, sondern müssen mit der konkret ausgeschriebenen Leistung in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen.

Darüber hinaus sind sie so zu wählen, dass sie sowohl auf Hauptangebote als auch auf Nebenangebote anwendbar sind. Die Zuschlagskriterien können neben dem Preis und Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigen.

Regelbeispiele auf welche sich die Zuschlagskriterien beziehen dürfen sind insbesondere die Qualität, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften; Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder Kundendienst und technische Hilfe sowie Ausführungsfrist. Die Wahl von Zuschlagskriterien ist stark einzelfallabhängig. Die vorstehende Aufzählung dient lediglich als Orientierung. Die Auswahl der einzelnen Kriterien erfolgt immer bezogen auf die konkret zu vergebende Leistung. Der Auftraggeber bestimmt bei jeder einzelnen Auftragsvergabe, welche Gesichtspunkte in seiner Lage und für seine Ziele und Bestrebungen ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis (Zweck-Mittel-Relation) kennzeichnen. Das geschieht durch die Wahl von Zuschlagskriterien sowie Unterkategorien und Festlegung ihrer Gewichtung zueinander.

Die Gewichtung sollte so gewählt werden, dass kein Kriterium zu einem bloßen „Pro-Forma-Kriterium“ degradiert wird und andererseits sollten Kriterien nicht überproportional ins Gewicht fallen. Es wird daher in der Regel eine Gewichtung (abgesehen vom Preis) von grundsätzlich mind. 5 % und max. 30 % empfohlen. Dies schließt eine höhere oder niedrigere Gewichtung (z.B. des technischen Werts) im Einzelfall ausdrücklich nicht aus.

Beispiele: Preis (Angebotskosten iSv. Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung von Folgekosten (Unterhaltungs-, Betriebskosten, Lebenszykluskosten)), technische Produkteigenschaften, Qualität des Konzepts des Bieters, Berufserfahrung des Leiters (wenn zur Vermeidung von störungsbedingten Kosten erforderlich), Bonuspunkte für das Überbieten der Mindestanforderungen hinsichtlich Schadstoff- und Lärmreduzierung der Maschinen, Baulogistik.

Die Zuschlagskriterien werden unter der Prämisse aufgestellt, eine transparente und objektivierte Vergleichbarkeit der Nebenangebote herzustellen. Vorrangig soll dem potentiellen Bieter ermöglicht werden, zu verstehen, worauf es bei der Angebotsabgabe ankommt.

Hierbei hilft insbesondere eine nachvollziehbare und inhaltlich begründete Untergliederung von Oberkriterien. Außerdem bietet es sich an, sehr allgemeine Kriterien wie „Plausibilität“ oder „schlüssiges Konzept“ näher zu erläutern.

Die präzise Benennung von Zuschlagskriterien bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen dient dazu, voneinander abweichende Nebenangebote schematisch und transparent bewerten zu können.

Ein durch die Benennung präziser Zuschlagskriterien möglicher Mehraufwand bei der Angebotserstellung wird zum einen durch eine Zeitersparnis und mehr Rechtssicherheit bei der Angebotswertung, als auch dadurch aufgewogen, dass der Bieterseite durch die hergestellte Transparenz kommuniziert wird, dass die gewählten Zuschlagskriterien vergleichbar und somit objektiv bewertbar sind. Soweit es sich anbietet kann zur Herstellung von Transparenz neben der Benennung präziser Zuschlagskriterien überdies eine Möglichkeit benannt werden, wie der Bieter die Erfüllung dieses Zuschlagskriteriums nachweisen kann.

Nationale Verfahren

Für nationale Verfahren gelten die soeben genannten Anforderungen nicht in gleicher Weise. Mindestanforderungen sind nicht zwingend zu benennen. Vielmehr wird unterstellt: Jedes Unternehmen, das sich geeignet fühlt, einen ausgeschriebenen Auftrag auszuführen, ist imstande auf der Grundlage der aus den Vergabeunterlagen ersichtlichen sachlich-technischen Anforderungen an die gewünschte Leistung ein Nebenangebot auszuarbeiten, wenn der AG dafür einen pauschalen Rahmen dergestalt vorgibt, dass ein Nebenangebot alle Leistungen umfassen muss, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind.

Gleichwohl hat auch der AG eines nationalen Verfahrens die Möglichkeit Mindestanforderungen zu bestimmen. Insbesondere darf die fehlende Pflicht zur Formulierung von Mindestanforderungen in den Vergabeunterlagen nicht zu dem Trugschluss führen, dass der AG einen Auftrag willkürlich vergeben dürfe. Vielmehr muss auch er eine rechtliche Vergleichbarkeit der Angebote inklusive der Nebenangebote erzeugen, indem er, wenn auch nur intern, einen Bewertungsmaßstab aufstellt. Sofern dies nicht durch Mindestanforderungen erfolgt, ist auf die qualitative (Erfüllung des Leistungsprogrammes, bezogen auf den gesamten Zeitraum des Projektes) und quantitative (selber Leistungsumfang, wie gefordert?) Vergleichbarkeit des Nebenangebotes mit der geforderten Leistung abzustellen.

Auch wenn die Formulierung von Zuschlagskriterien in der VOB/A nicht ausdrücklich vorgesehen ist, sollte sowohl bei der nationalen Vergabe von Bauleistungen (und ebenso auch von Liefer- und Dienstleistungen) Zuschlagskriterien benannt werden. Der Zuschlag soll auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Entsprechend dieser Gesichtspunkte sollten Zuschlagskriterien zu benannt werden.

Für nationale Verfahren gilt:

o Soweit freiwillig Mindestanforderungen aufgestellt werden muss deren Erfüllung mit Angebotsabgabe nachgewiesen werden.

o Soweit keine Mindestanforderungen benannt werden oder nicht hinsichtlich aller ausgeschriebenen Gewerke, ist mit Angebotsabgabe die Gleichwertigkeit des Nebenangebots mit dem Leistungsverzeichnis nachzuweisen.

„Nebenangebote müssen die geforderten [bei EU-Verfahren obligatorisch, bei nationalen Verfahren optional] Mindestanforderungen erfüllen. Im Übrigen [also soweit bei nationalen Verfahren keine Mindestanforderungen aufgestellt wurden] müssen sie im Vergleich zur Leistungsbeschreibung qualitativ und quantitativ gleichwertig sein. Die Erfüllung der Mindestanforderungen bzw. die Gleichwertigkeit ist mit Angebotsabgabe nachzuweisen.“

Darlegungspflicht bzgl. Mindestanforderungen bzw. Gleichwertigkeit

Grundsätzliche Pflicht des Bieters

Es gilt: ein Nebenangebot ist vom Bieter inhaltlich so auszugestalten, dass der AG dieses ohne weiteres prüfen und werten kann. Hierzu hat der Bieter das Nebenangebot eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Hinsichtlich der Darlegungstiefe sollte sich der Bieter an der Leistungsbeschreibung des AG orientieren und deren Niveau zumindest nicht unterschreiten. Die Leistungsangaben des Bieters müssen somit hinsichtlich des Inhalts und der Eindeutigkeit den Anforderungen genügen, die die VOB/A bzw. UVgO im umgekehrten Fall an den AG für die Ausarbeitung und Aufstellung einer Leistungsbeschreibung stellt.

Dabei geht es nicht um eine objektive Beweisführung. Unterlagen von dritter Seite (anerkannte Prüfberichte, Zulassungen oder Sachverständigengutachten) müssen nicht zwingend vorgelegt werden.

Abhängig vom konkreten Beschaffungsvorhaben können unter anderem folgende Angaben erforderlich werden:

– Darstellung der Vollständigkeit des Nebenangebotes

– Hervorhebung der Abweichungen vom Amtsentwurf, soweit vorhanden

– Technische Ausführbarkeit (wenn Leistung nicht in ATV oder Vergabeunterlagen geregelt ist)

– Erfüllung der einschlägigen technischen Vorschriften

– Kein Verstoß des Nebenangebotes gegen zwingende Vorgaben der Vergabeunterlagen

– Wirtschaftlichkeit des Nebenangebotes (Nebenangebote sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme)).

– Angemessenheit des Preises in Relation zu der vom Bieter abweichend angebotenen Leistung

– Ermittlung der wertungserheblichen Vor- und Nachteile des Nebenangebotes gegenüber dem Amtsentwurf

– Erfüllung der Mindestanforderungen, bei nationalen Bauvergaben ggf. auch Gleichwertigkeit mit dem Amtsentwurf

– Zweckdienlichkeit der abweichend vorgeschlagenen Lösung

Nachforschung durch den Auftraggeber

Weist der Bieter die Erfüllung der Mindestanforderungen, bzw. (bei nationalen Bauvergaben) ggf. auch der Gleichwertigkeit nicht mit dem Nebenangebot nach, so besteht im Regelfall keine umfassende Prüfpflicht des AG. Zur Ermittlung der Erfüllung der Mindestanforderungen, bzw. ggf. der Gleichwertigkeit sind Nachforschungen nur im Rahmen der verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten und innerhalb der zeitlichen Grenzen der Zuschlags- und Angebotsbindungsfrist anzustellen.

Zu diesem Zweck darf der AG nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von einem Bieter Aufklärung verlangen, um sich z.B. über die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen und über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen), zu unterrichten. Relevante Informationen die der Vergabestelle unabhängig vom Angebot bekannt sind dürfen verwandt werden.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den Nachweis über die Erfüllung der Mindestanforderungen, bzw. ggf. der Gleichwertigkeit nachträglich zur Angebotsabgabe zu erbringen. Ein Nebenangebot ist zunächst einmal lediglich dann zwingend auszuschließen, wenn die Abweichung vom Amtsentwurf nicht eindeutig im Angebot bezeichnet ist, nicht jedoch, wenn die Mindestanforderungen, bzw. ggf. die Gleichwertigkeit nicht zu diesem Zeitpunkt nachgewiesen werden.

Es gibt jedoch Fälle, in denen das Fehlen von Angaben nicht heilbar ist und das Angebot daher zwingend auszuschließen ist. Nicht heilbar ist das Fehlen von Angaben, welche wertungsrelevant sind. Hiernach führt das Fehlen einer wertungsrelevanten Angabe zwingend zum Angebotsausschluss. In diesen Fällen entfällt damit auch die entsprechende Nachforschungspflicht des AG.

Dies können z.B. fehlende geforderte Fabrikats-, Erzeugnis-, Typenangaben oder der Angebotspreis sein. Das Fehlen von Fabrikats-, Erzeugnis-, oder Typenangaben ist jedoch ausnahmsweise dann nicht wertungsrelevant und kann folglich nachgeholt werden, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist. Die vorstehenden Grundsätze gelten für Haupt- wie Nebenangebote.

Außerdem darf auch dann nicht nachgeforscht werden, wenn zwar Nachweise vorgelegt wurden, diese jedoch fehlerhaft/unzureichend sind (z.B. nicht ausgefüllte Formblätter). Die Nachforderungspflicht des AG dient lediglich dazu, fehlende Unterlagen zu erhalten, nicht jedoch dazu, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, erfolgte Ausführungen nachzubessern und fehlerhafte Angaben zu ersetzen, um sein Angebot dadurch zuschlagsfähig zu machen.

Risiko der Annahmefähigkeit

Bestimmtheitsgrundsatz

Darüber hinaus muss das Angebot dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen, also mit einem bloßen ‚Ja‘ angenommen werden können. Ein Nebenangebot muss zu diesem Zweck alle Daten enthalten, die nötig sind, damit der AG sich ein klares Bild über den Inhalt verschaffen und so gewährleisten kann, dass das Angebot nicht ‚manipuliert‘ werden kann. Dies setzt eine vollständige, übersichtliche und nachvollziehbare Präsentation der Angebote durch die Bieter unter Berücksichtigung der speziellen subjektiven Anforderungen und vorhersehbaren möglichen Bedenken und Einwände des AG voraus. Dies umfasst preisliche Auswirkungen des Nebenangebotes, neben dem Angebotspreis auch die Betriebs- und Folgekosten. Fehlen in einem Nebenangebot solche Daten oder sind sie derart allgemein gehalten, dass ein Vergleich mit anderen Angeboten nicht möglich ist, so ist das Nebenangebot auszuschließen. Darüber hinaus sind auch bedingte Nebenangebote, deren Bedingungseintritt vom Bieter abhängig ist, unzulässig. Aus den vorgenannten Gründen empfiehlt es sich, auch bei nationalen Vergaben klare Mindestanforderungen zu benennen.

Zur deutlichen Klarstellung: Nebenangebote müssen ebenso eindeutig sein, wie Hauptangebote. Während sich der Bieter bei der Abgabe eines Hauptangebotes auf die Eindeutigkeit des Amtsentwurfes verlassen kann, übernimmt er bei der Erstellung eines Nebenangebotes selbst das Risiko, dass sein Angebot annahmefähig ist. Auch Nebenangebote werden nicht nachverhandelt und nur im auch für Hauptangebote zulässigen Rahmen aufgeklärt.

Prüfung und Wertung von Nebenangeboten

Bei der Wertung von zulässigen Nebenangeboten ist im Vergleich zur Prüfung von Hauptangeboten ein weiterer Prüfungsschritt erforderlich. Abhängig davon, ob es sich um ein EU-Verfahren oder ein nationales Verfahren mit der Angabe von Mindestanforderungen oder um ein nationales Verfahren ohne die Angabe von (hinreichenden, gewerkbezogenen) Mindestanforderungen handelt, geht der Wirtschaftlichkeitsprüfung in einem ersten Schritt die Prüfung der Erfüllung der Mindestanforderungen, bzw. ggf. der Gleichwertigkeit voraus.

Erfüllung der Mindestanforderungen (EU-Verfahren (ausnahmsweise nationale Verfahren))

Nebenangebote bei EU-Verfahren, welche die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sind zwingend auszuschließen. Gleiches gilt für nationale Verfahren, für welche freiwillig Mindestanforderungen formuliert werden. Die entsprechende Rechtsfolge: Der AG darf Nebenangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, nicht werten.

Gleichwertigkeitsprüfung (nationale Verfahren) Werden bei nationalen Verfahren keine (hinreichenden) Mindestanforderungen in Bezug auf die Angaben in den Vergabeordnungen formuliert, findet zwingend eine Gleichwertigkeitsprüfung statt. Die Gleichwertigkeit muss soweit das Nebenangebot von geforderten technischen Spezifikationen abweicht in Hinblick auf das geforderte Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit bestehen. Kriterien für die Beurteilung der Gleichwertigkeit sind Qualität und Quantität (z.B. in technischer, wirtschaftlicher, terminlicher, gegebenenfalls gestalterischer usw. Hinsicht). Ob nach diesen Kriterien Gleichwertigkeit vorliegt ist nicht in Bezug auf jede einzelne Leistungsposition, sondern in Bezug auf das ‚Gesamtpaket‘ zu beurteilen.

Zur Beurteilung der qualitativen Gleichwertigkeit ist zu prüfen, ob mit dem Nebenangebot der Zweck, den der AG mittels der nachgefragten Leistung erreichen will, erreicht werden kann. Dieser Zweck muss ggf. durch Auslegung der Leistungsbeschreibung bestimmt werden. Es ist nicht nur die Qualität im Rahmen des Herstellungsprozesses zu bewerten, sondern auch, inwieweit die Leistung aus dem Nebenangebot während der kalkulierten Lebens- und Nutzungsdauer des Bauwerks unterschiedliche Auswirkungen hat (z.B. störungsanfälliger, größerer Wartungsaufwand, höherer Verschleiß, frühere Renovierungsbedürftigkeit). Die Prüfung der qualitativen Gleichwertigkeit ist insbesondere deswegen problematisch, da es vielfach schwierig sein dürfte, das Erfolgsrisiko (z.B. wirkliche Tauglichkeit des Nebenangebotes, Vereinbarkeit mit Folgegewerken, Folgekostenanfälligkeit und Nachtragsrisiko) einzuschätzen.

Aus diesem Grund wird auch bei nationalen Vergaben empfohlen, konkrete Mindestanforderungen für Nebenangebote zu formulieren und sich hierbei, soweit erforderlich, auf konkrete Aspekte des LV als zwingende Voraussetzung festzulegen. Je konkreter die Mindestanforderungen formuliert sind, desto einfacher lassen sie sich feststellen. Durch etwas mehr Aufwand in der Phase der Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen kann mithin in der Prüfungsphase der Zeitaufwand für die Prüfung von Nebenangeboten verringert und rechtssicherer gestaltet werden.

Die quantitative Gleichwertigkeit beurteilt sich nach dem geforderten Leistungsumfang. Quantitative Gleichwertigkeit fehlt, wenn das Angebot einen deutlich reduzierten Leistungsumfang (Abmagerungsangebot) enthält (z.B. die nach der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Mengensätze werden unterschritten.) Es liegt hingegen kein abgemagertes Nebenangebot vor, wenn erkennbar Überkapazitäten gefordert werden, und ein Bieter daraufhin nicht diese Überkapazität anbietet, sondern den geschuldeten Erfolg mit einem geringeren Aufwand. Fehlt es bei dem Nebenangebot nach diesen Kriterien bereits an der Erfüllung der Mindestanforderungen, bzw. ggf. der Gleichwertigkeit, kommt es auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht mehr an. Das Nebenangebot ist zwingend auszuschließen.

Wirtschaftlichkeitsprüfung

Sind die Mindestanforderungen, bzw. ggf. die Gleichwertigkeit erfüllt, schließt sich der, auch für den Vergleich von Hauptangeboten, erforderliche Schritt der Wirtschaftlichkeitsprüfung an. Den Zuschlag erhält das Nebenangebot, wenn es trotz (oder wegen) der Abweichungen vom LV am wirtschaftlichsten ist. Die Wertung erfolgt anhand der ‚Zuschlagskriterien‘, welche bereits bei der Ausschreibung mitsamt ihrer Gewichtung anzugeben sind.

In diesem Zusammenhang zeigt sich die Relevanz der Formulierung „aussagekräftiger Zuschlagskriterien“ bei der Erstellung der Vergabeunterlagen. Die Zuschlagskriterien dienen dazu, das Qualitätsniveau von Nebenangeboten und ihren technischen-funktionellen und sonstigen sachlichen Wert über die Mindestanforderungen hinaus nachvollziehbar und überprüfbar mit dem nach dem Amtsvorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen. Auf dieser Basis soll das wirtschaftlichste Angebot ermittelt und dabei gegebenenfalls auch eingeschätzt werden, ob ein preislich günstigeres Nebenangebot mit einem solchen Abstand hinter der Qualität eines dem Amtsvorschlag entsprechenden Hauptangebots zurückbleibt, dass es nicht als das wirtschaftlichste Angebot bewertet werden kann.

Für nationale Verfahren wird der Zuschlag auf das Angebot erteilt, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Die Benennung der Zuschlagskriterien schafft Transparenz und macht die Wertung für den öffentlichen AG leichter handhabbar.

AxVergaberecht und AxHochbaurecht berät Schlitz bei Vergabe der Bauleistungen für Freibad Schlitz, BA 3 (2024/2025) – Sanierung Sozial- und Funktionsgebäude / Energetische Ertüchtigung Freibad

AxVergaberecht und AxHochbaurecht berät Schlitz bei Vergabe der Bauleistungen für Freibad Schlitz, BA 3 (2024/2025) – Sanierung Sozial- und Funktionsgebäude / Energetische Ertüchtigung Freibad

Freibad Schlitz, BA 3 (2024/2025) – Sanierung Sozial- und Funktionsgebäude / Energetische Ertüchtigung Freibad

LOS 20:  Roh- und Ausbaugewerke Sozial- und Funktionsgebäude

LOS 21:  Verkehrs- und Außenanlagen Sozial- und Funktionsgebäude

LOS 22:  Photovoltaikanlage Dachfläche Sozial- und Funktionsgebäude

LOS 23:  Wärmepumpe, Heizung, Lüftung, Elektrotechnik

AxVergaberecht berät Verbandsgemeindeverwaltung Maxdorf bei der Vergabe folgender Leistungen Thermische Bauphysik, Schallschutz / Bauakustik (SCHALL), Brandschutz (BRAND) sowie Freianlagenplanung

AxVergaberecht berät Verbandsgemeindeverwaltung Maxdorf bei der Vergabe folgender Leistungen Thermische Bauphysik (THERM), vgl. HOAI 2021; Schallschutz / Bauakustik (SCHALL), vgl. HOAI 2021; Brandschutz (BRAND), vgl. AHO Heft Nr. 17; Freianlagenplanung, vgl. HOAI 2021

Die Haidwaldschule Maxdorf erhält einen Erweiterungsneubau. Hierfür wurde im Jahr 2023 ein Planungswettbewerb entschieden. Es ist beabsichtigt vier Verfahren für die Vergabe folgender Leistungen durchzuführen:

  1. Thermische Bauphysik (THERM), vgl. HOAI 2021
  2. Schallschutz / Bauakustik (SCHALL), vgl. HOAI 2021
  3. Brandschutz (BRAND), vgl. AHO Heft Nr. 17
  4. Freianlagenplanung, vgl. HOAI 2021