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Zur Gewährleistung der Ex-Post-Transparenz im oberschwelligen Vergabeverfahren ist § 39 VgV – Duplicate – [#20266]

Umfasst das Anordnungsrecht des Auftraggebers bauzeitliche Anordnungen?

von Thomas Ax 

Ob das Anordnungsrecht des Auftraggebers bauzeitliche Anordnungen umfasst, ist ungeklärt. Der Bundesgerichtshof hat zwar in einigen Entscheidungen in obiter dicta ausgeführt, eine bauzeitändernde Anordnung könne Ansprüche nach § 2 Abs. 5 VOB/B auslösen (Urteil vom 21.03.1968 – VII ZR 84/67; Urteil vom 21.12.1970 – VII ZR 184/69; Urteil vom 27.06.1985 – VII ZR 23/84), doch existiert wohl keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, in welchen Fällen eine wirksame bauzeitändernde Anordnung anzunehmen ist. Kniffka (Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 167) hat zuletzt seine noch in der Vorauflage vertretene Auffassung, das Anordnungsrecht erfasse auch die zeitliche Komponente von Planungsänderungen, nunmehr geändert und verneint ein Anordnungsrecht des Auftraggebers im Hinblick auf die Bauzeit. Diese sei vielmehr bei geänderten Verhältnissen in ergänzender Vertragsauslegung anzupassen.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings mehrfach angenommen worden, dass ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B gegeben ist, wenn der Auftraggeber die Verschiebung der vorgegebenen Bauzeit, insbesondere des Baubeginns, anordnet (KG, Urteil vom 29.01.2019 – 21 U 122/18; OLG Hamm, Urteil vom 14.04.2005 – 21 U 133/04; OLG Brandenburg, Urteil vom 25.06.2020 – 12 U 59/19). Eine Anordnung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B ist schon in der Mitteilung des Bestellers an den Unternehmer gesehen worden, dieser könne erst zu einer späteren Zeit auf der Baustelle arbeiten (KG, Urteil vom 29.01.2019 – 21 U 122/18). Teilweise wird als Voraussetzung gefordert, dass die Gründe für diese Anordnung im Risikobereich des Auftraggebers liegen (KG, Urteil vom 22.06.2018 – 7 U 111/17; OLG Braunschweig, Urteil vom 02.11.2000 – 8 U 201/99). Das OLG Hamm (Urteil vom 12.04.2011 – 24 U 29/09) hat ausgeführt, von einer leistungsbestimmenden Anordnung könne nur dann ausgegangen werden, wenn ein entsprechender rechtsgeschäftlicher Wille des Auftraggebers feststellbar ist, die vertraglichen Grundlagen insoweit zu ändern. Ein solcher Wille komme dann nicht in Betracht, wenn der Vertrag aufgrund von Leistungsstörungen notwendigerweise anders ausgeführt werden müsse. Entscheidend sei bei jedem einzelnen Eingriff in den Bauablauf, inwieweit ein Wille des Auftraggebers bestehe, infolge geänderter Umstände Änderungen im zeitlichen Ablauf als neuen Gegenstand der vertraglichen Leistung anzuordnen. Hierbei komme es entscheidend darauf an, in welchem Maß der Auftraggeber Einfluss auf die verändernden Umstände gehabt habe. Soweit ändernde Umstände nicht der Sphäre des Auftraggebers zuzurechnen seien, sei ein für eine vertragsändernde Anordnung erforderlicher rechtsgeschäftlicher Wille nicht erkennbar. Von einem rechtsgeschäftlichen Anordnungswillen könne allenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Auftraggeber mit neuen Bauzeitenplänen auf Störungen reagiert habe, die er selbst zu vertreten habe.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt jedoch als Anordnung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B nur eine Erklärung in Frage, die die vertragliche Leistungspflicht erweitert, die also eine neue Verbindlichkeit des Auftragnehmers begründen soll. § 2 Abs. 5 VOB/B ist deshalb nicht anzuwenden, wenn eine Leistungsänderung bereits vom vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist, etwa weil ein bestimmter vertraglicher Erfolg auf ein erkennbar nicht vollständiges Leistungsverzeichnis angeboten worden ist (BGH, Urteil vom 09.04.1992 – VII ZR 129/91). Zudem kann allein der Umstand, dass eine Störung des Vertrags wegen der Verzögerung der Bauausführung vorliegt, nicht als Anordnung gewertet werden und daher nicht zu Ansprüchen nach § 2 Abs. 5 VOB/B führen (BGH, Versäumnisurteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17; Urteil vom 20.04.2017 – VII ZR 194/13).

Nach dieser Maßgabe liegt in dem Aufstellen eines Bauablaufplans, bei dessen Einhaltung die Leistung nach dem vertraglich bestimmten Endtermin fertigzustellen ist, keine Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B. Der vertragliche Leistungsumfang, der zu erbringen ist, liegt in der vollständigen Herstellung des Werks. Diese wird auch dann geschuldet, wenn der vereinbarte Fertigstellungstermin nicht eingehalten werden kann, egal worauf die Verzögerung beruhte. Daneben sind die Regelungen zu beachten, die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B zum Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmen getroffen werden. Hierzu gehören insbesondere Bauzeitenpläne (Ingenstau/ Korbion/Oppler, VOB, 22. Aufl., B § 4 Abs. 1, Rn. 13). Deren Erstellen oder Anpassen nach Vertragsabschluss im Verlauf der Bauausführung führt nicht zu einer Erweiterung, sondern nur zu einer Konkretisierung der vertraglichen Leistungspflicht des Auftragnehmers. Wenn gleichzeitig eine Verlängerung der Ausführungsfrist nach § 6 Abs. 2 VOB/B gewährt wird, ist nicht ersichtlich, dass eine Anordnung getroffen wird, die die Leistungspflicht erweitern soll.

Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung schon in der Mitteilung des Bestellers, der Unternehmer könne nicht zur vereinbarten Zeit leisten, eine Anordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B liegen soll (KG, Urteil vom 29.01.2019 – 21 U 122/18, m.w.N.), steht dies im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Kann allein der Umstand, dass eine Störung des Vertrags wegen der Verzögerung der Bauausführung vorliegt, nicht als Anordnung gewertet werden und daher nicht zu Ansprüchen nach § 2 Abs. 5 VOB/B führen (BGH, Versäumnisurteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17), kann sich die Rechtslage nicht dadurch verändern, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer die Störung des Vertrags mitteilt.

Der Ansicht des OLG Hamm (Urteil vom 12.04.2011 – 24 U 29/09), das die Auslegung als Anordnung davon abhängig machen will, ob der Auftraggeber mit neuen Bauzeitenplänen auf Störungen reagiert, die er selbst zu vertreten hat, ist nicht zu folgen. Die nach dem Empfängerhorizont vorzunehmende Auslegung eines Verhaltens als Willenserklärung kann nicht maßgeblich davon abhängen, wer objektiv den Anlass für das Verhalten zu vertreten hat, da häufig auch hierüber Streit bestehen wird. Zudem ist für den Auftragnehmer als Erklärungsempfänger gar nicht ohne Weiteres erkennbar, ob die ändernden Umstände der Sphäre des Auftraggebers zuzurechnen sind. Schließlich ist für die Willensbildung des Auftraggebers auch aus der Sicht des Auftragnehmers regelmäßig nicht relevant, ob er die Ursache für die Verschiebung der Bauzeit selbst zu verantworten hat oder nicht.

Die im Zusammenhang mit Bauzeitenänderungen häufig zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur verzögerten Vergabe vermag die Annahme, Bauzeitenpläne enthielten eine Anordnung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B und begründeten daher einen Anspruch auf eine Anpassung der Vergütung, nicht zu rechtfertigen. Der Bundesgerichtshof stützt den Anspruch des Auftragnehmers auf eine Mehrvergütung bei verzögerter Vergabe nicht auf eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung von § 2 Abs. 5 VOB/B. Vielmehr nimmt er in diesen Fällen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass schon bei Vertragsabschluss die im Vertrag genannten Ausführungsfristen aus tatsächlichen Gründen gegenstandslos sind, eine ergänzende Vertragsauslegung vor, um die bestehende Vertragslücke zu füllen. In diesem von den Besonderheiten des Vergabeverfahrens geprägten Rahmen zieht er für die Anpassung des Vergütungsanspruchs die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B heran (BGH, Urteil vom 11.05.2009 – VII ZR 11/08).

Vgl dazu auch OLG Dresden, Urteil vom 13.12.2023 – 13 U 378/23

Zur Gewährleistung der Ex-Post-Transparenz im oberschwelligen Vergabeverfahren ist § 39 VgV

Zur Gewährleistung der Ex-Post-Transparenz im oberschwelligen Vergabeverfahren ist § 39 VgV

von Thomas Ax

Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB sind öffentliche Aufträge und Konzessionen im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren zu vergeben.

„Das Transparenzgebot verpflichtet den Auftraggeber zu offenem, erkennbarem und nachvollziehbarem Beschaffungsverhalten. Hierdurch sind Anforderungen an die Gestaltung des Beschaffungsverhaltens selbst kombiniert mit solchen an die Kommunikation dieses Verhaltens. Diese Grundmaxime durchzieht das gesamte Vergabeverfahren und soll im Wesentlichen die Gefahr einer Günstlingswirtschaft oder willkürlichen Entscheidung des Auftraggebers ausschließen.“1

Zentrale Vorschrift zur Gewährleistung der Ex-Post-Transparenz im oberschwelligen Vergabeverfahren ist § 39 VgV. Danach hat der öffentliche Auftraggeber spätestens 30 Tage nach der Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder nach dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung eine Vergabebekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zu veröffentlichen (vgl. § 39 Abs. 1 VgV).2 Nach § 39 Abs. 4 Satz 1 VgV umfasst diese Vergabebekanntmachung jedoch nur die abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen, nicht aber die auf ihrer Grundlage vergebenen Einzelaufträge.

Die Literatur führt hierzu insgesamt aus:
„Die nachträgliche Bekanntmachung der Auftragsvergabe und der Ergebnisse des Vergabeverfahrens dient der sog. Ex-post-Transparenz. Sie erlaubt Marktteilnehmern zum einen, anhand der Wettbewerbsergebnisse die eigene Positionierung mit Blick auf den künftigen Wettbewerb zu überprüfen. Sie ermöglicht zum anderen in begrenztem Umfang eine nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verfahrens. Auch wenn die Rechtsschutzmöglichkeiten für nicht berücksichtigte Bieter nach dem Zuschlag stark limitiert sind, kann die Information, wer den Zuschlag erhalten hat oder zu welchem Preis der Auftrag erteilt wurde, in Einzelfällen auch im Nachhinein Abhilfemaßnahmen eröffnen. Das gilt insbesondere bei Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, bei denen der Zuschlag innerhalb des Zeitfensters des § 135 Abs. 2 GWB auch nachträglich noch angegriffen werden kann. Darüber hinaus kann die Information über die Auftragsvergabe unrechtmäßig übergangenen Bietern die Geltendmachung von Schadensersatz erleichtern. Die nachträgliche Bekanntmachung ermöglicht auch den Aufsichtsbehörden, bis zu einem gewissen Grad die Rechtmäßigkeit der Vergabepraxis nachzuvollziehen und ggf. wettbewerbswidrige Praktiken aufzudecken. Die Ex-post-Transparenz hat damit insgesamt eine wichtige disziplinierende Funktion zur Sicherung des Vergabewettbewerbs.“3

Dies einschränkend, sieht § 39 Abs. 6 VgV demgegenüber abschließende und eng auszulegende4 Ausnahmetatbestände vor, wonach der öffentliche Auftraggeber im Einzelfall nicht verpflichtet ist, einzelne Angaben zu veröffentlichen. Dies ist dann möglich, wenn deren Veröffentlichung den Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, den berechtigten geschäftlichen Interessen eines Unternehmens schaden oder den lauteren Wettbewerb zwischen Unternehmen beeinträchtigen würde.

Zur Auslegung dieser Ausnahmetatbestände führt die Literatur aus:
„Angaben, deren Veröffentlichung den Gesetzesvollzug behindern würde, müssen unterbleiben (Nr. 1). Dabei handelt es sich um Angaben, deren Weitergabe nach gesetzlichen Vorschriften verboten ist (z. B. nach dem GWB, dem UWG oder aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben).“5
In Betracht kommen hierbei ausschließlich Gesetze, deren Zielrichtung die Untersagung der Weitergabe von Informationen ist.6 Inwieweit das Datenschutzrecht zu Einschränkungen führt, hängt von der Art der Daten (insbesondere personenbezogene Daten) ab und von einer eventuellen wirksamen Einwilligung. „Nicht in die Bekanntmachung aufzunehmen sind ferner Angaben, deren Veröffentlichung dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen würde (Nr. 2). Nr. 2 ist ein Auffangtatbestand zu Nr. 1 und betrifft Informationen, deren Geheimhaltung nach dem Gesetz vorgeschrieben oder aus sonstigen Gründen (z. B. projektbezogen) geboten ist (etwa bei militärischen oder sonstigen, dem Geheimnisschutz unterliegenden Beschaffungen).
Die Veröffentlichung muss ferner unterbleiben, wenn die Angaben berechtigte geschäftliche Interessen eines Unternehmens schädigen würden (Nr. 3). Darunter fallen vor allem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Auftragnehmers. Informationen, die einen Rückschluss auf die Kalkulation oder Produktions- und Verfahrensabläufe des Auftragnehmers zulassen und deren Bekanntwerden seine Wettbewerbsposition gegenüber Wettbewerbern nachteilig beeinflussen können, dürfen nicht weitergegeben werden. Diese Regelung steht in engem Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 S. 2 VgV, wonach der Auftraggeber verpflichtet ist, die Angebote und deren Anlagen auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens vertraulich zu behandeln.
Angaben, deren Veröffentlichung den lauteren Wettbewerb zwischen Unternehmen beeinträchtigen würde, dürfen ebenfalls nicht gemeldet werden (Nr. 4). Der Auftraggeber muss solche Informationen zurückhalten, deren Veröffentlichung einzelnen Unternehmen Wettbewerbsvorteile bei künftigen Vergaben einbringen können. Ausreichend ist, dass solche Angaben geeignet sind, die Wettbewerbssituation zu beeinträchtigen. Die Veröffentlichung sollte daher so abstrakt gehalten sein, dass sich daraus keine Rückschlüsse auf technische und kaufmännische Konzepte sowie Wettbewerbsstrategien und Marktstellung des erfolgreichen Bieters ableiten lassen.“7

Für die Erbringung von anderen besonderen Leistungen8, worunter beispielsweise rechtliche Beratungen fallen, regelt § 66 Abs. 3 VgV davon abweichend:
Der öffentliche Auftraggeber, der einen Auftrag zur Erbringung von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen vergeben hat, teilt die Ergebnisse des Vergabeverfahrens mit. Er kann die Vergabebekanntmachungen quartalsweise bündeln. In diesem Fall versendet er die Zusammenstellung spätestens 30 Tage nach Quartalsende.

1 Dörr, a.a.O., § 97 GWB Rn. 31 [Hervorhebungen diesseits].
2 Die Vergabebekanntmachung ist verpflichtend nach dem Muster „DE Standardformular 3 – Bekanntmachung vergebener Aufträge“ zu erstellen, abrufbar unter: https://simap.ted.europa.eu/documents/10184/49051/t02_de.pdf. Veröffentlichte Vergabebekanntmachungen können im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (Tenders Electronic Daily) eingesehen werden, abrufbar unter:
TED-Startseite – TED Tenders Electronic Daily (europa.eu). Ein direkter Link zu allen Bekanntmachungen vergebener Aufträge von zentralen Regierungsbehörden findet sich unter: Suchergebnis – TED Tenders Electronic Daily (europa.eu).
3 Krohn, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar (Band 2), 3. Auflage 2019, § 39 VgV Rn. 10 f.
4 Völlink, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 39 VgV Rn. 9.
5 Völlink, a.a.O., § 39 VgV Rn. 10 mwN [Hervorhebungen diesseits; UWG = Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb].
6 Franzius, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 39 VgV Rn. 26.
7 Völlink, a.a.O., § 39 VgV Rn. 10, 11, 12 mwN [Hervorhebungen diesseits].
8 Vergleiche zum Begriff der besonderen Leistungen näher etwa Kraus, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 130 GWB Rn. 10 ff.

VergabePrax – Von der Redaktion

VergabePrax - Von der Redaktion

Das Vergaberecht ist ein sehr komplexes Rechtsgebiet. Es verändert sich fast täglich. Oberschwellenvergaben und Unterschwellenvergaben, VgV und VOB und UVgO… und dann auch noch die aktuellen Gesetzesänderungen… Kaum ein anderes Rechtsgebiet entwickelt sich so dynamisch und ist so komplex wie das Vergaberecht. Umso wichtiger ist es für alle VergabepraktikerInnen, ihr Wissen immer wieder aufzufrischen und up to date zu halten. Wir bringen Ihre vergaberechtlichen Kenntnisse auf den neuesten Stand und machen Sie so fit für Ihre aktuell anstehenden Auftragsvergaben! Behalten Sie mit uns den Überblick, um Beschaffungsverfahren erfolgreich und rechtssicher durchführen zu können. Unsere Beiträge gehen gezielt auf die Bedürfnisse unserer LeserInnen ein. Aktuelle Rechtsprechung und Praxisprobleme werden in jedem Heft thematisiert. Das aktuelle Heft 12 ist wieder besonders praxisorientiert ausgerichtet und wendet sich ausdrücklich auch an LeserInnen ohne juristische Ausbildung.

Und nun endlich Weihnachten!

Alle Jahre wieder – wenn ein Auftraggeber beispielsweise im Jahr 2021 am 23. Dezember kurz vor 18 Uhr eine Vorabinformation versendet hat, konnte die Frist, innerhalb derer unterlegene Bieter (erstens) die Zuschlagserteilung an einen Dritten rügen mussten, dann (zweitens) einen Nachprüfungsantrag erstellen mussten und dieser (drittens) von der Vergabekammer übermittelt werden muss (§ 169 Abs. 1 Satz 1 GWB) auf vier Werktage verkürzt werden.
Im Beschluss vom 5. November 2014 (VII Verg 20/14) hatte das OLG Düsseldorf einen Sachverhalt zu beurteilen, bei dem der Auftraggeber am Donnerstag vor Karfreitag (Gründonnerstag) am späten Nachmittag die Vorabinformation versandt hatte. Ähnlich der Beschluss vom 5. Oktober 2016 (VII-Verg 24/16). Auch hier ging es wieder um Ostern und die Vergabestelle hatte die Vorabinformation so versendet, dass dem unterlegenen Bieter für die Überprüfung und Entschließung, ob ein Nachprüfungsantrag eingereicht werden soll, sowie für die Abfassung des Nachprüfungsantrags anstelle von zehn Tagen faktisch nur vier Tage verblieben sind. Die Vergabekammer Südbayern hatte nun in einem Beschluss vom 4. August 2022 (3194.Z3-3_01-22-1) über einen Sachverhalt zu befinden, in dem der Auftraggeber die Mitteilung nach § 134 GWB am Nachmittag des 23.12.2021 versendet und den Zuschlagstermin auf Montag, den 03.01.2022 gelegt hatte. Das OLG München sieht jedenfalls bei fünf Werktagen keine unzulässige Fristverkürzung (Beschluss vom 30.11.2015, Verg 07/15). Gänzlich anders sieht das das OLG Rostock im Beschluss vom 7. November 2018 (17 Verg 2/18). Die Rechtsprechung ist nicht ganz einheitlich. Reichen 4,5 Werktage aus oder müssen es doch 5 Werktage sein? Im Zweifel ja!

Machen Sie sich doch nicht unnötig Streß!

Ein frohes und friedliches Weihnachtsfest sowie Gesundheit und Erfolg im neuen Jahr!
Ihre Redaktion

VORSPRUNG durch Knowhow aus der PRAXIS für die PRAXIS

VergabePrax mit Beiträgen zum aktuellen Vergaberecht

Kurz belichtet – Bieterfragen sind bieteröffentlich zu beantworten VK Nordbayern, Beschluss vom 11.09.2024 – RMF-SG21-3194-9-18

Kurz belichtet - Bieterfragen sind bieteröffentlich zu beantworten VK Nordbayern, Beschluss vom 11.09.2024 - RMF-SG21-3194-9-18

vorgestellt von Thomas Ax

Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot resultiert grundsätzlich die Verpflichtung, Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen. Mitteilungsbedürftig sind damit insbesondere Bieterfragen, die zu einer Änderung der Vergabeunterlagen führen oder solche Antworten, die Auswirkungen auf die Kalkulation der Angebote haben. Das Absehen von der Übermittlung der Antworten an die anderen Bieter stellt vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Ausnahme dar, die nur unter bestimmten Umständen angenommen werden kann. Die ausschließlich private Beantwortung der Fragen des rügenden Bieters verletzt diesen in seinen Rechten, da es ist nicht auszuschließen ist, dass die anderen Bieter bei Erhalt dieser Informationen ihre Angebote so verändert hätten, dass sich dies zugunsten des rügenden Bieters ausgewirkt hätte. Eine ursprünglich eindeutige Leistungsbeschreibung kann nachträglich intransparent werden, wenn die Antworten auf gestellte Bieterfragen der Leistungsbeschreibung widersprechen. 

Kurz belichtet – Kleinreferenzen reichen nicht für Großauftrag OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.04.2022 – Verg 35/21

Kurz belichtet - Kleinreferenzen reichen nicht für Großauftrag OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.04.2022 - Verg 35/21

vorgestellt von Thomas Ax

Ob die Summe vorgelegter Referenzen für Teilleistungen eine Qualifikation für die ausgeschriebene Gesamtleistung begründen kann, hängt zum einen von der ausgeschriebenen Leistung und zum anderen von den konkret vorgelegten Einzelqualifikationen ab. Im Einzelfall können mehrere sog. Kleinreferenzen, die sich über mehrere kleine und lediglich Teilbereiche umfassende, verhältnismäßig kurzzeitige Aufträge verhalten, nicht mit komplexen Großaufträgen zu vergleichen sein. 

Kurz belichtet – Zum Rechtsschutz von Postdienstleistern EuGH, Urteil vom 24.10.2024 – Rs. C-476/23

Kurz belichtet - Zum Rechtsschutz von Postdienstleistern EuGH, Urteil vom 24.10.2024 - Rs. C-476/23

vorgestellt von Thomas Ax

Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/67/EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Postdiensteanbieter, der mit dem Anbieter des Universalpostdiensts in Wettbewerb steht, eine nicht an ihn gerichtete Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde, mit der diese die dem Anbieter des Universalpostdiensts entstandenen Nettokosten berechnet und feststellt, dass diese Kosten eine unverhältnismäßige finanzielle Belastung darstellen, nicht vor einer unabhängigen Stelle anfechten kann. 

Zur Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB

Zur Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB

von Thomas Ax

Das antragstellende Unternehmen muss für die Antragsbefugnis einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegen, also diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 – X ZB 14/06).

Mangelhafte Referenzen sind keine fehlenden Unterlagen

Mangelhafte Referenzen sind keine fehlenden Unterlagen

von Thomas Ax

Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber kann insoweit auch Mindestanforderungen festlegen. Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers kann der öffentliche Auftraggeber Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, verlangen. Der öffentliche Auftraggeber kann einen Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, die mit dem Angebot vorzulegen waren, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, es sei denn, er hat eine Nachforderung ganz oder teilweise ausgeschlossen. Unternehmensbezogene Unterlagen wie Referenzen “fehlen”, wenn sie (körperlich) nicht im Angebot enthalten sind, nicht rechtzeitig vorgelegt wurden oder in formaler Hinsicht mangelhaft sind. Ein inhaltlicher Mangel der Referenzen stellt kein physisches Fehlen von Unterlagen dar.

Eignungskriterien müssen gemäß § 122 Abs. 4 GWB, § 6 EU Abs. 2 Satz 3 VOB/A mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber kann insoweit auch Mindestanforderungen (vgl. Art. 58 Abs. 5 Vergaberichtlinie 2014/24/EU) festlegen. Bei der Festlegung der Anforderungen an die Referenzen hat der öffentliche Auftraggeber wie bei der Festlegung weiterer Eignungsanforderungen einen Entscheidungsspielraum (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Juni 2023, Verg 48/22). Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 6a EU Nr. 3 a) VOB/A Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, verlangen. Die Voraussetzungen für eine zulässige Nachforderung von Unterlagen ergeben sich aus § 16a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EU VOB/A. Der öffentliche Auftraggeber kann danach unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, die mit dem Angebot vorzulegen waren, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, es sei denn, er hat von seinem Recht aus § 16a Abs. 3 EU VOB/A Gebrauch- gemacht und eine Nachforderung ganz oder teilweise ausgeschlossen.

Unternehmensbezogene Unterlagen wie Referenzen “fehlen”, wenn sie (körperlich) nicht im Angebot enthalten sind, nicht rechtzeitig vorgelegt wurden oder in formaler Hinsicht mangelhaft sind (vgl. Dittmann in: Röwekamp/Kus/Marx/Port7JPrieß, Kommentar zur VgV, 2. Aufl. 2022, § 56 VgV Rn. 30).
Der Begriff des Korrigierens in § 16a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EU VOB/A ist entsprechend der zugrundeliegenden europäischen Vergaberichtlinie 2014/24/EU eng auszulegen. Diese erlaubt in Art. 56 Abs. 3 keine Korrektur einmal eingereichter, materiell unzureichender unternehmensbezogener Unterlagen. Die Vergaberichtlinie spricht nur davon, dass unvollständige, fehlerhafte oder nicht vorhandene Unterlagen übermittelt, ergänzt, erläutert oder vervollständigt werden können. Eine Korrektur einmal eingereichter, fehlerhafter Unterlagen sieht die Richtlinie nicht vor (vgl. Steck in: ZiekowNöllink, Vergaberecht, § 16a VOB/A-EU Rn. 15; zur VgV: Dittmann in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 56 Rn. 32; ständige Rechtsprechung zur Nachbesserung: OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 8. Juni 2022, Verg 19/22; vom 28. März 2018, Verg 42/17 sowie 27. November 2013, Verg 20/13). Im Rahmen der Nachforderungsregeln ist die zulässige nachträgliche Vorlage einer “fehlenden” Unterlage von dem Fall zu trennen, dass ein Bieter seinem Angebot. zwar sämtliche geforderten Unterlagen physisch beigefügt hat, diese Unterlagen aber in materieller Hinsicht nicht die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers erfüllen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zwar wie gefordert dem Angebot Referenzen beigefügt werden, diese aber nach der Prüfung durch den Auftraggeber dazu führen, dass der Bieter mangels entsprechender Fachkunde ungeeignet ist. Würde man dem Bieter das Nachreichen weiterer neu zu prüfenden Referenzen ermöglichen, käme dies einer inhaltlichen Nachbesserung seines Angebots gleich, die von Sinn und Zweck der Nachforderungs- und Nachreichungsmöglichkeit nicht gedeckt ist (vgl. Dittmann in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 56 Rn. 32; Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 8. Aufl. 2022, § 16a VOB/A Rn. 20; von Wietersheim in: Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl. 2023, § 16a VOB/A, Rn. 21). Nachbesserungen des Angebotsinhalts sind vergaberechtlich unzulässig, weil sie den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz widersprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. September 2017 – C-223/16). Möglich ist damit nur die Behebung offensichtlicher Unrichtigkeiten, also das Korrigieren von Schreibfehlern, Übertragungsfehlern oder das Erläutern unklarer oder widersprüchlicher Angaben (vgl. Steck in: ZiekowNöllink, Vergaberecht, § 16a VOB/A-EU Rn. 15). Jede weitere Vorlage “passender” Referenzen stellt eine über eine zulässige Aufklärung des Angebots hinausgehende im offenen und nicht offenen Verfahren gemäß § 15 EU Abs. 3 VOB/A unzulässige Nachverhandlung zur Änderung des ursprünglichen Angebots dar. Die Möglichkeit einer Nachforderung scheidet demnach aus, wenn ein Nachweis oder eine geforderte Erklärung nicht körperlich fehlen, sondern lediglich inhaltlich hinter dem Geforderten zurückbleiben. Eine Berücksichtigung nachträglich eingereichter ausgetauschter – Referenzen ist daher nicht zulässig.

Unterlagen, die lediglich inhaltlich unzureichend sind, aber körperlich vorliegen, unterfallen nicht der Nachforderungsregelung. Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter beziehungsweise Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen. Es kommt nicht darauf an, wie die einzelne Bewerberin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bieterkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt.

Gesamtvergabe ist und bleibt die Ausnahme, ist und bleibt aber bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen möglich

Gesamtvergabe ist und bleibt die Ausnahme, ist und bleibt aber bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen möglich

von Thomas Ax

Der öffentliche Auftraggeber hat sich, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründen nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen. Technische Gründe sind solche, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen (hier verneint). Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden ist, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen. Bei seiner Entscheidung hat der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum. Der Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen unterliegt insofern allein, ob die Entscheidung auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Dabei müssen die für eine Gesamtlosvergabe angeführten Gründe auf den konkreten Auftrag bezogen und tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein. Eine nachträgliche Heilung von Dokumentationsmängeln ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert.

Ist eine Fachlosbildung möglich, weil für diese Leistungen ein eigener Markt besteht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2016, Verg 6/16 Rn. 44), kommt eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht. Der gesetzliche Regelfall ist die losweise Vergabe, sie ist grundsätzlich vorrangig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 27 mwNachw.).

Der öffentliche Auftraggeber hat sich daher, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründen nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 27 mwNachw.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18, Rn. 72).

Der Maßstab der rechtlichen Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen ist allerdings beschränkt. Bei seiner Entscheidung hat der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18 Rn. 60).

Der Kontrolle unterliegt insofern allein, ob die Entscheidung auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18, Rn. 60; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18, Rn. 7). Dabei müssen die für eine Gesamtlosvergabe angeführten Gründe auf den konkreten Auftrag bezogen und tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein.

Technische Gründe müssen im Auftrag selbst begründet sein und damit im Zusammenhang stehen. Sie liegen vor, wenn bei getrennten Ausschreibungen das – nicht durch die inhaltliche Gestaltung der Vergabeunterlagen vermeidbare – Risiko besteht, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11).

Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden ist, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen. Denn ein gewisses Maß an Aufwand, der sich auch als wirtschaftlich negativer Effekt darstellen lässt, wird vom Gesetzgeber im Hinblick auf die Förderung mittelständischer Unternehmen in Verbindung mit dem aus einer Losvergabe resultierenden Koordinierungsaufwand und der Einbindung zusätzlicher personaler Ressourcen beim öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich in Kauf genommen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016, Verg 47/15, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18, Rn. 48).

Der mit einer Losvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsmehraufwand sowie die Vermeidung von Gewährleistungsschnittstellen können eine Gesamtvergabe für sich allein nicht rechtfertigen. Es handelt sich dabei um einen Losvergaben immanenten und damit typischerweise verbundenen Mehraufwand, der nach dem Gesetzeszweck in Kauf zu nehmen ist.

Eine nachträgliche Heilung ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert (Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 47 und vom 23. März 2011, VII-Verg 63/10).

Korrektur fehlerhafter Vergabeunterlagen auch nach Submission möglich und geboten

Korrektur fehlerhafter Vergabeunterlagen auch nach Submission möglich und geboten

von Thomas Ax

Ein öffentlicher Auftraggeber kann grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt hat. Eine bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt. Gleiches gilt für die Aufhebung einzelner Verfahrensabschnitte des Vergabeverfahrens (horizontale Teilaufhebung), durch die das Vergabeverfahren in einen bestimmten Verfahrensstand zurückversetzt wird.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine (Teil-)Aufhebung und Zurückversetzung des Vergabeverfahrens auch nach Abgabe der Angebote und sogar nach Öffnung der Angebote möglich und vergaberechtlich nicht ausgeschlossen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen, hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (wie etwa § 63 VgV oder § 17 Abs. 1 VOB/A EU) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Vielmehr bleibt es der Vergabestelle grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 6 GWB), aber nicht darauf, dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt (BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – X ZB 18/13, NZBau 2014, 310; BGH, Urt. v. 05.11.2002 – X ZR 232/00, NZBau 2003, 168 = VergabeR 2003, 163). Bei der rechtlichen Überprüfung einer vollständigen oder auch nur teilweisen Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist zwischen der Wirksamkeit und der Rechtmäßigkeit der (Teil-) Aufhebungsentscheidung öffentlicher Auftraggeber zu unterscheiden (Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 24).

Während eine von den Vergabe- und Vertragsordnungen gedeckte und somit rechtmäßige Aufhebung (wie etwa nach § 63 VgV oder § 17 Abs. 1 VOBA EU) zur Folge hat, dass die Aufhebung keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens begründet, kann dem Bieter im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung ein auf die Erstattung des negativen Interesses gerichteter Schadensersatzanspruch zustehen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – X ZB 18/13, NZBau 2014, 310; BGH, Urt. v. 09.06.2011 – X ZR 143/10, NZBau 2011, 498 Rn 16- Rettungsdienstleistungen II; Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 24).

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Aufhebung eines Vergabeverfahrens wirksam ist. Ein öffentlicher Auftraggeber kann grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt hat. Dies ist Folge der Vertragsfreiheit, die auch für im Wege öffentlicher Ausschreibungen vergebene Aufträge gilt. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt (BGH, Urt. v. 18.02.2003, X ZB 43/02 – juris Tz. 14; BGH, Urt. v. 05.11.2002, X ZR 232/00 – juris Tz. 19; BGH, Urt. v. 08.09.1998, X ZR 48/97 – juris Rn. 32; Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 25; Senat, Beschl. v. 10.11.2010, VII-Verg 28/10 – juris Rn. 42; Beschl. v. 08.07.2009, VII-Verg 13/09 – juris Rn. 21; Beschl. v. 22.07.2005, VII-Verg 37/05 – juris Rn. 21; Beschl. v. 16.02.2005, VII-Verg 72/04 – juris Rn. 22). Eine bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus. Zwar ist richtig, dass ein transparenter Wettbewerb wegen der damit verbundenen Manipulationsgefahr nicht mit einer im Belieben des Auftraggebers stehenden Wiederholung der Angebotsabgabe zu vereinbaren ist. Es steht aber gerade nicht im Belieben öffentlicher Auftraggeber, vor oder nach Submission den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Angebote einzuräumen. Dies unterliegt vielmehr uneingeschränkt der Kontrolle der Nachprüfungsinstanzen (Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 23; Senat, Beschl. v. 05.01.2011, VII-Verg 46/10 – juris Rn. 30).

Gleiches gilt für die Aufhebung einzelner Verfahrensabschnitte des Vergabeverfahrens (horizontale Teilaufhebung), durch die das Vergabeverfahren in einen bestimmten Verfahrensstand zurückversetzt wird (vgl. Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 25; Herrmann, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 63 VgV Rn 11). Wie die Vergabenachprüfungsinstanzen (vgl. § 168 Abs. 1 S. 1 GWB) darf auch die Vergabestelle selbst das Vergabeverfahren in einen bestimmten Stand zurückversetzen.