von Thomas Ax
Werden Bauleistungen gewerkeweise als Einzelvergaben vergeben, erfordert das die Durchführung einer Vielzahl von Ausschreibungen. Dies bedingt einen hohen Aufwand des Auftraggebers zur präzisen Definition der Leistungsschnittstellen und der Koordination der verschiedenen Einzelunternehmer.
Hier besteht die Chance der GU-Vergabe darin, den Aufwand des Auftraggebers in die Definition und Kontrolle der Schnittstellen zwischen den einzelnen Gewerken zu reduzieren. Je zahlreicher die Schnittstellen sind und je komplexer ihre Definition und je schwächer umgekehrt die Bauherrenkompetenz des Auftraggebers ist, desto stärker sprechen die Argumente für eine GU-Vergabe.
Insbesondere, wenn der Bauherr über nicht genügend qualifiziertes Personal verfügt, erscheint eine GU-Vergabe sinnvoll, da der personelle Aufwand für die Koordination der einzelnen Gewerke und deren Schnittstellen auf den GU verlagert wird und damit Managementaufwand beim Auftraggeber entfällt. Öffentliche Auftraggeber sollten bei Großprojekten nicht verpflichtet sein, die Planungs- und Bauleistungen in Losen zu vergeben.
Für die Begründung müssen Gründe vorliegen, die über solche Schwierigkeiten hinausgehen, die typischerweise mit jeder losweisen Ausschreibung verbunden sind. Allein die Angabe, die Vergabe an einen Generalunternehmer würde den Auftraggeber von der Koordinierung entlasten oder hätte den Vorzug, nur einen Vertragspartner zu haben, oder die einfachere Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen reichen nicht aus, um die Vergabe an einen Generalunternehmer zu begründen.
Nach § 97 Abs. 4 S. 1 bis 3 GWB – dessen Inhalt von § 5 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 bis 3 EU VOB/A wiederholt wird – sind Leistungen in Losen zu vergeben und kann hiervon nur dann abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bereits vor Inkrafttreten war zum Schutz des Mittelstands die Aufteilung von Aufträgen in Teil- und Fachlose vorgesehen. Es sollten die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen werden. Mit der 2009 eingeführten Regelung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sollten der aus Sicht des Mittelstands zunehmenden Praxis der Bündelung von Auftragsvergaben entgegengewirkt und die Mittelstandsklausel in ihrer Wirkung verstärkt werden. Deshalb sollte von dem Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden können (BT-Drucksache 16/10117, S. 15). Dieses klare Regel-/Ausnahmeverhältnis bedeutet allerdings entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen, hier von der Antragstellerin zitierten Auffassung (Antweiler in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 97 Abs. 4 GWB Rn. 51; wohl auch Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 95) nicht, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. § 97 Abs. 4 GWB ist im Kontext der primären Ziele des Vergaberechts auszulegen, zu denen insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung gehört. Dabei sind auch die weiteren Grundsätze des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) sowie die vom Gesetzgeber in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele (Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte) im Blick zu behalten. Allerdings ergibt sich aus der klaren Wertung des Gesetzgebers, dass es nicht ausreicht, wenn der Auftraggeber anerkennenswerte Gründe für die Gesamtvergabe vorbringen kann; auch vermag die Entlastung des Auftraggebers von typischerweise mit einer losweisen Vergabe verbundenen Koordinierungsaufgaben oder sonstigem organisatorischem Mehraufwand für sich allein ein Absehen von einer Losvergabe nicht zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18 -, Rn. 68-73, juris; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18 -, Rn. 55-62, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 27-29, juris, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21 -, Rn. 99, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 – 15 Verg 2/22 -, Rn. 57-58, juris). Wortlaut, Systematik und Zweck des Gesetzes gebieten kein abweichendes Verständnis des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB. Auch den Materialien zum Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790) ist hierfür nichts zu entnehmen. Der Gesetzgeber wollte der – empfundenen – Praxis der Auftragsbündelung entgegenwirken, also die tatsächliche Wirkung der Mittelstandsklausel verstärken und Auftraggeber zur Dokumentation der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verpflichten (vgl. BT-Drucksache 16/10117, S. 15). Die Rechtsprechung hatte demgegenüber bereits unter Geltung des § 97 Abs. 3 GWB a.F. strenge Maßstäbe angelegt und ist von dem Regel-/Ausnahmeverhältnis ausgegangen. Dass der Gesetzgeber auch diese Maßstäbe ändern wollte, ist weder dem Wortlaut noch der Begründung der Gesetzesänderung zu entnehmen. Dementsprechend hat die vergaberechtliche Rechtsprechung auch unter Geltung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB hieran festgehalten.
Ein anderer Maßstab folgt auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 BwBBG eine Gesamtvergabe in Abweichung von § 97 Abs. 4 GWB bereits dann zulässt, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe dies (nur) „rechtfertigen“. Zwar ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, es handele sich um einen niedrigeren Maßstab als das „Erfordern“ nach § 97 Abs. 4 S. 3 GWB (BT-Drucksache 20/2353, S. 15). Dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, ein Erfordern könne nur bei objektiv zwingenden Gründen – also dem maximalen Grad – bejaht werden. Ohnehin könnte eine entsprechende Annahme des aktuellen Gesetzgebers das Verständnis des § 97 Abs. 4 GWB nicht ändern. Angesichts der gefestigten Rechtsprechung hätte der Gesetzgeber es vielmehr in der Hand gehabt, den Maßstab durch Änderung des § 97 Abs. 4 GWB anzupassen. Macht er das nicht, war dies offenbar nicht gewollt und besteht kein Anlass, die einheitliche Linie der Rechtsprechung zu ändern.
Ist die Entscheidung somit Ergebnis einer Abwägung, ist die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Zielerreichung keine Wagnisse und Risiken eingehen muss und einen sicheren Weg wählen darf (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 29, juris) oder die Gesamtvergabe – wie sie meint – nicht mit einem sicheren Weg begründet werden darf (so auch Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 97 GWB Rn. 94 a.E.), in dieser Allgemeinheit im erstgenannten Sinn zu beantworten. Eigenständige Bedeutung kommt dem indes nicht zu. Jedenfalls bei konkreten und erheblichen Risiken der Fachlosvergabe kann der Auftraggeber nicht gezwungen sein, sehenden Auges diesen Weg zu beschreiten. Andererseits ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die Gesamtvergabe nicht mit jeglichen, ggf. fernliegenden Risiken begründet werden kann („sicherster Weg“). Das Gewicht des einzelnen Risikos ist nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß – nach den oben dargestellten Grundsätzen – im Einzelfall zu bestimmen.
Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. jeweils zur Fachlosaufteilung OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18 -, Rn. 68-73, juris; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18 -, Rn. 55-62, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 27-29, juris, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21 -, Rn. 99, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 – 15 Verg 2/22 -, Rn. 57-58, juris). Die Entscheidung des Auftraggebers über die Gesamtvergabe ist deshalb von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Den Nachprüfungsinstanzen ist es im Umkehrschluss verwehrt, die Entscheidung des Auftraggebers durch eine eigene Beurteilung zu ersetzen, solange sie nicht auf eine einzige Entscheidungsmöglichkeit verdichtet ist. Soweit das Kammergericht (Beschluss vom 26. März 2019 – Verg 16/16 -, Rn. 26, juris) – worauf die Antragstellerin verweist – in einem obiter dictum (a.a.O. Rn. 27 a.E.) und damit nicht im Sinn des § 179 Abs. 2 GWB zur Vorlage veranlassend die Auffassung vertreten hat, anders als bei Teillosen bestehe bei Fachlosen kein Beurteilungsspielraum und sei die Entscheidung des Auftraggebers uneingeschränkt nachprüfbar, folgt der Senat dem nicht. Gründe für die Unterscheidung zwischen Teil- und Fachlosen sind nicht zu erkennen. Vielmehr ist an der bereits zuvor begründeten Rechtsprechung festzuhalten.
Unter technischen und wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sind solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen. Dabei sind technische Gründe alle Aspekte, die zu einem vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsprofil in einem unauflöslichen Zusammenhang stehen. Dies kann auch bei komplexen, miteinander verflochtenen Dienstleistungen der Fall sein oder wenn die Aufteilung in Fachlose unverhältnismäßige Kostennachteile mit sich bringen oder zu einer starken Verzögerung des Vorhabens führen würde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21 -, Rn. 100, juris). Wirtschaftliche Gründe können auch darin liegen, dass es sich um ein eilbedürftiges Vorhaben wie die Fertigstellung eines Bauabschnitts einer vielbefahrenen Autobahn handelt. Weil es sich um auftragsbezogene Besonderheiten handelt, kann die mit einer Gesamtvergabe verbundene Straffung und Beschleunigung der Abläufe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 28, juris, dort naheliegende Verzögerung um mehrere Jahre und Folgekosten in Millionenhöhe, in anderen Entscheidungen auch weniger; Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 90).
Durch ein projektspezifisches Risiko- und Chancenmanagement bereits in der Phase der Projektvorbereitung wird die Projektleitung frühzeitig in die Lage versetzt, Risiken zu identifizieren, zu bewerten und durch risikominimierende Maßnahmen zu steuern und zu bewältigen. Da bei GU-Vergaben jedoch bestimmte Ausführungsrisiken auf den GU übertragen werden, kommt es hier in der Praxis häufig zwangsläufig vor Zuschlagserteilung zu einer Risikoallokation. Einhergehend mit seiner gesamtheitlichen Verantwortung für die Bauausführung übernimmt der GU typischerweise wesentliche Bauausführungs- und Koordinationsrisiken. Das umfasst häufig auch die verbindliche Zusage eines Pauschalpreises sowie der Einhaltung eines vertraglich festgelegten Fertigstellungsdatums auf der Grundlage der beschriebenen Leistungen.20 Demgegenüber bleiben bei Angebotsabgabe nicht erkennbare Baugrund- und Bestandsrisiken regelmäßig beim Auftraggeber. Das Risiko für Insolvenzen seiner Nachunternehmer liegt beim GU.
Diese von einer Einzelvergabe abweichende Risikoverteilung bringt auch wesentliche Änderungen der Rolle des Auftraggebers nach einer GU-Vergabe mit sich, derer er sich bewusst sein und die er annehmen muss. Das betrifft z. B. den Bereich der Bauüberwachung. Es ist die alleinige Verantwortung des GU, die Leistungen seiner Nachunternehmer zu überwachen, zu koordinieren und abzunehmen.
Er haftet für ihre Mangelfreiheit und trägt bis zur Abnahme des Bauherrn ihm gegenüber auch das Risiko von Schäden an bereits fertiggestellten Teilleistungen. Die vom Bauherrn direkt durchzuführenden bzw. zu veranlassenden Überwachungstätigkeiten sind bei GU-Vergaben weniger umfangreich als bei Einzelvergaben.
Eine komplette Bauüberwachung i. S. d. Grundleistungen der Leistungsphase 8 HOAI ist nicht erforderlich. Andererseits ist es aber auch nicht zu empfehlen, den GU ganz ohne Überwachung durch den Bauherrn bauen zu lassen. Hier gilt es, passende angepasste (reduzierte) Leistungsbilder mit den Bauüberwachern zu vereinbaren, um die eigenen (internen) Obliegenheiten als fachkundiger Bauherr zu erfüllen und einen qualitativ hochwertigen und termingerechten Bau sicherzustellen. Der Bauherr bzw. sein hierzu extern beauftragter Bauüberwacher kontrolliert nur den GU. Direkte Anordnungen gegenüber Nachunternehmern kann er nicht treffen und er sollte dies aus vertrags- und haftungsrechtlichen Gründen auch unterlassen. In der Praxis gibt es zur GU-Überwachung passende Leistungsbilder, wobei die anteiligen Leistungen zwischen 10 % und 15 % (statt 32 % LPH 8 Objektplanung Gebäude) bewertet werden.
Statt kleinteiliger Überwachung bzw. Koordination der einzelnen Bauleistungen und Termine geht es um Qualitäts- und Terminsicherung in den zentralen Bereichen. Abweichungen vom herkömmlichen Prozess gibt es je nach Ausgestaltung der Vergütungsregelung z. B. auch in den Bereichen der Aufmaß- und Rechnungsprüfung.
Die ganzheitliche Leistungserbringung des GU kann Kosten- und Terminvorteile mit sich bringen, wenn der GU die Bauabläufe weitgehend selbst gestalten kann. Denn der GU ist dann in der Lage, den Bauablauf an seine individuelle Vorgehensweise anzupassen, etwa durch den Standort von Kränen, Lagern, die Koordination von Fahrzeugen, die Abfolge einzelner Bauabschnitte oder den Einsatz vorgefertigter Bauteile.
Die Öffnung des Wettbewerbs für große Systemhaushersteller, die ausschließlich mit eigenen Planern arbeiten, ist im Rahmen des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB kein legitimes Anliegen. Im Übrigen sind diese – anders als bei einer Gesamtvergabe kleine und mittlere Unternehmen – bei einer getrennten Ausschreibung nicht ausgeschlossen. Vielmehr können sie im Wettbewerb eine auf die eigene Bauweise zugeschnittene Planung vorlegen und eine Kostenschätzung abgeben. Richtig ist zwar, dass ein solcher Anbieter größeres Interesse an dem Gesamtauftrag als nur an der Planung haben dürfte, was bei getrennter Ausschreibung nicht sichergestellt wäre. Dies entspricht aber dem vom Gesetzgeber mit § 97 Abs. 4 S. 3 GWB verfolgten Zweck.
Die ökonomischen und terminlichen Vorteile der GU-Vergabe sind noch größer, wenn der GU auch Freiheiten in der Ausführungsplanung hat. Er ist in diesem Fall in der Lage, Bauweisen zu wählen, für die sein Betrieb besonders ausgerichtet ist und/oder für die am Markt Leistungen optimal verfügbar sind sowie Materialien und Technik einzusetzen, mit deren Verwendung er besonders erfahren ist und für die er gute Bezugskonditionen hat. Daher eignen sich GU-Vergaben immer dann besonders, wenn der Auftraggeber seine Qualitätsziele in einer funktionalen Leistungsbeschreibung (z. B. auf Basis einer Leistungsphase 2 plus Leitdetails) oder auch einer Genehmigungsplanung (Leistungsphasen 3, 4) definieren kann. Dies ist insbesondere für Bauprojekte mit einem hohen Grad von Standardisierung möglich.
Dass eine funktionale Leistungsbeschreibung vorliegt und die Vergabe im wettbewerblichen Dialog erfolgen soll, schließt die Aufteilung nicht aus. Zwar wird dies etwa im Zusammenhang mit komplexen IT-, Forschungs-, Beratungs- oder Pilotprojekten sowie sicherheitstechnischen Anlagen in Justizvollzugsanstalten, wenn dadurch die Sicherheit erhöht oder Fehlerquellen und Funktionsbeeinträchtigungen vermieden werden können, als technischer Grund im Sinn des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB diskutiert (vgl. MüKoEuWettbR/Knauff, 4. Aufl. 2022, GWB § 97 Rn. 266, beck-online; Kapellmann/Messerschmidt/Stickler, 8. Aufl. 2023, VOB/A § 5 Rn. 31). Funktionale Vorgaben und ein wettbewerblicher Dialog wären insbesondere bei sukzessiver Ausschreibung erst der Planungsleistungen und danach der Bauleistungen ebenso möglich. Dies gilt ebenso für das Beschaffungsziel, zu dem die Integration als solche wie ausgeführt nicht zählt. Dabei würde auch nicht die Gefahr bestehen, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen. Es ist auch nicht belastbar ausgeführt, eine sukzessive Vorgehensweise sei aus zeitlichen, sich wirtschaftlich auswirkenden Gründen nicht möglich.
Ein klar begrenztes Budget des Auftraggebers und das Bedürfnis hoher Kostensicherheit sprechen für eine GU-Vergabe, denn eine getrennte Beauftragung einzelner Gewerke erlaubt erst zu einem relativ späten Zeitpunkt die Festlegung der Gesamtkosten des Projektes. So stehen etwa bei einer Teil- und Fachlosvergabe die Gesamtbaukosten erst weit nach Beginn der Bauausführung fest. Dadurch wird das Risiko geschaffen, den zuvor gesetzten Kostenrahmen nicht einzuhalten oder mit Qualitätsabstrichen in den später vergebenen Losen reagieren zu müssen. Im Gegensatz dazu kann bei der Gesamtlosvergabe an einen GU bereits bei Zuschlagserteilung und somit vor Baubeginn ein Pauschalpreis vereinbart werden.
Einen Kostenvorteil kann die GU-Vergabe gegenüber der Losvergabe erzielen, wenn der Auftraggeber von Managementleistungen entlastet wird, die er anderenfalls selbst hätte beschaffen müssen (z. B. Teilleistungen der Bauüberwachung LPH 8 HOAI) oder wenn der GU Freiheiten erhält, durch die er sein Know-how für Kosteneinsparungen nutzen kann. Solche sind insbesondere die Freiheiten für den Bauablauf und die Ausführungsplanung.
Die Gefahr der Terminüberschreitung lässt sich durch keine Form der Projektorganisation gänzlich ausschließen. GU-Projekte lassen sich jedoch vielfach zügiger realisieren als Projekte in Losvergabe. Denn durch die Koordination der einzelnen Gewerke kann der GU den Bauablauf an seine Bedürfnisse und Fähigkeiten anpassen. Streitigkeiten über Schlechtleistungen oder Verzögerungen in einzelnen Gewerken behindern wegen der Gesamtverantwortung des GU und seiner Durchgriffsrechte gegenüber Nachunternehmern weniger den Bauablauf. Die Terminfortschreibung bei Störungen und die dazu erforderliche Koordinierung der Gewerke liegen im Verantwortungsbereich des GU.