Ax Vergaberecht

Unterschwellenwert-Vergabe von Planungsleistungen durch bayerische Kommunen

Unterschwellenwert-Vergabe von Planungsleistungen durch bayerische Kommunen

vorgestellt von Thomas Ax 

1Bei der Vergabe von freiberuflichen Dienstleistungen gelten abschließend die nachfolgenden Bestimmungen. 2Förderrechtliche Bestimmungen im Einzelfall bleiben unberührt. 3Dies gilt insbesondere für EU-kofinanzierte Projekte.

Vgl 1.11.1 Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 31. Juli 2018, Az. B3-1512-31-19

Freiberufliche Dienstleistungen sind Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden.

Vgl 1.11.2 Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 31. Juli 2018, Az. B3-1512-31-19

1Aufträge für freiberufliche Dienstleistungen sind grundsätzlich im Wettbewerb und unter Beachtung des Haushaltsgrundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergeben. 2Ein ausreichender Wettbewerb ist gewährleistet, wenn mindestens drei Bewerber aufgefordert werden, ein Angebot in Textform abzugeben, oder unter den Voraussetzungen der Nrn. 1.11.4 bis 1.11.6 eine vereinfachte Vergabe durchgeführt wird. 3Die Auswahl der Bewerber ist ausreichend regional zu streuen und die Bewerber sind regelmäßig zu wechseln. 4Streuung und Wechsel sowie Eignung der Bewerber und die Gründe für die Auswahl des erfolgreichen Bewerbers sind zu dokumentieren.

Vgl 1.11.3 Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 31. Juli 2018, Az. B3-1512-31-19

Aufträge mit einem voraussichtlichen Gesamtwert (einschließlich Nebenkosten) bis 10 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) können unter Beachtung des Haushaltsgrundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit direkt an einen geeigneten Bewerber vergeben werden.

Vgl 1.11.4 Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 31. Juli 2018, Az. B3-1512-31-19

1Aufträge für freiberufliche Dienstleistungen, die nicht unter Nr. 1.11.4 fallen, können unter Beachtung des Haushaltsgrundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in einem Vergabeverfahren mit nur einem geeigneten Bewerber vergeben werden. 2Voraussetzung ist, dass ihr voraussichtlicher Auftragswert je Auftragnehmer 50 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) nicht überschreitet. 3Bei der Ermittlung des voraussichtlichen Auftragswertes ist grundsätzlich die ortsübliche Vergütung zugrunde zu legen. 4Die Auswahl des Bewerbers ist ausreichend regional zu streuen und die Bewerber sind regelmäßig zu wechseln. 5Sofern das eingeholte Angebot den Wert von 50 000 Euro übersteigt oder um mehr als 20 % über dem geschätzten Auftragswert liegt, sind mindestens zwei weitere geeignete Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufzufordern und der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. 6Das Verfahren, insbesondere Streuung und Wechsel sowie Eignung der Bewerber und die Schätzung des Auftragswertes, sind zu dokumentieren. 7Das Verfahren ist unter Wahrung der Vertraulichkeit durchzuführen.

Vgl 1.11.5 Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 31. Juli 2018, Az. B3-1512-31-19

1Freiberufliche Dienstleistungen von Prüfingenieuren und Prüfsachverständigen, deren Gebühren und Honorare verbindlich in der Verordnung über die Prüfingenieure, Prüfämter und Prüfsachverständigen im Bauwesen (PrüfVBau) geregelt sind, können bis zu einem Gesamtauftragswert unterhalb des zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens geltenden EU-Schwellenwertes für Liefer- und Dienstleistungen (ohne Umsatzsteuer) nach Verhandlung mit nur einem geeigneten Bewerber vergeben werden. 2Zusätzliche und/oder besondere Leistungen dürfen einen Anteil von 10 % des Gesamtauftragswertes nicht überschreiten. 3Der Bewerberkreis ist regional zu streuen und regelmäßig zu wechseln und dies ist zu dokumentieren.

Vgl 1.11.6 Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 31. Juli 2018, Az. B3-1512-31-19

1Die Möglichkeit, Planungswettbewerbe durchzuführen, bleibt unberührt. 2Hierfür wird die Richtlinie für Planungswettbewerbe in der durch Bekanntmachung der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 1. Oktober 2013 (AllMBl. S. 404) eingeführten Fassung zur Anwendung empfohlen.

Vgl 1.11.7 Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 31. Juli 2018, Az. B3-1512-31-19

Neu 2024: VergMan ®: Einführung in das Vergaberecht in BaWÜ Lesbare und praxisgerechte Informationen über die rechtlichen Grundlagen, den Ablauf und Inhalt eines Vergabeverfahrens in BaWü

Neu 2024: VergMan ®: Einführung in das Vergaberecht in BaWÜ Lesbare und praxisgerechte Informationen über die rechtlichen Grundlagen, den Ablauf und Inhalt eines Vergabeverfahrens in BaWü

Gliederung

I. Rechtsgrundlagen

EU-Recht
Bundesrecht
Landesrecht

II. Vorarbeiten

Erfassen des Beschaffungsbedarfs

Öffentlicher Auftrag

a) Abgrenzung Bau- (§ 103 Abs. 3 GWB) und Lieferaufträge (§ 103 Abs. 2 GWB)
b) Abgrenzung Bau- (§ 103 Abs. 3 GWB) und Dienstleistungsaufträge (§ 103 Abs. 4 GWB)
c) Abgrenzung zur Konzession

III. Vergabeverfahren

Schätzung des Auftragswertes

a) EU-Verfahren
b) Nationale Verfahren

Losbildung (Vergabe an mehreren Unternehmen)

a) Grundsatz: Losvergabe
b) Ausnahme: Gesamtvergabe

Vorbemerkungen für die Leistungsbeschreibung (Was darf rein, was nicht?)

a)Anforderungen an die Vorbemerkungen
b) Rechtwirkungen der Vorbemerkungen
c) Standort der Vorbemerkungen

Ortstermine

a) Gründe für einen Ortstermin
b) Ankündigung von Ortsterminen

Leistungsbeschreibung

a) Leistungsverzeichnis
b) Vertragliche Vereinbarungen
c) Umweltbezogene Aspekte

„Der öffentliche Vertrag“

a) Vertragsbedingungen (die AGB der öffentlichen Hand)
b) Inhaltskontrolle

Bewerbungsbedingungen (Wie muss man sich bewerben?)

Zulässigkeit von Nebenangeboten (Abweichungen von der Leistungsbeschreibung)

a) EU Verfahren
b) Nationale Verfahren
c) Verknüpfung der Abgabe eines Nebenangebots mit der Abgabe eines Hauptangebots
d) Folgen der Zulassung von Nebenangeboten

Eignungskriterien

Teilnahmewettbewerb: Auswahl von Wettbewerbern

a) Eignungsprüfung
b) Aufforderung zur Angebotsabgabe

(1) Bauverfahren

(2) Verfahren über Liefer- und Dienstleistungen

Zuschlagskriterien

a) EU-Verfahren
b) Nationale Verfahren

IV. Verfahrensarten

Wichtiger Unterschied zwischen EU- und nationalen Vergabeverfahren

Offenes Verfahren/ Öffentliche Ausschreibung

Nicht offenes Verfahren/ Beschränkte Ausschreibung

Verhandlungsverfahren/ Freihändige Vergabe/ Verhandlungsvergabe

Verfahren ohne Vergleichsangebote (Direktauftrag)

Wettbewerblicher Dialog

Innovationspartnerschaft

V. Verfahrensplanung – Fristen

EU-Verfahren

a) Offenes Verfahren
b) Nicht offenes Verfahren
c) Verhandlungsverfahren
d) Wettbewerblicher Dialog / Innovationspartnerschaft

Nationale Verfahren

Frist für Bieterfragen

VI. Verfahrensdurchführung – vor Öffnung der Angebote

Nutzung von Formularen

Bekanntmachung, Teilnahmewettbewerb, Aufforderung zur Angebotsabgabe

a) EU-Verfahren
b) Nationale Verfahren

Kommunikation mit den Bietern/Bewerbern

Änderung der Vergabeunterlagen

a) Änderungen durch den öffentlichen Auftraggeber
b) Änderungen durch den Bieter

VII. Verfahrensdurchführung – nach Öffnung der Angebote

Öffnungstermin, Submissionstermin

a) EU-Verfahren
b) Nationale Bauvergaben

Eignungsprüfung

a) Bindung an Mindestanforderungen
b) Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit Dritter

(1) Bietergemeinschaften

(2) Eignungsleihe

c) Sonstige Erkenntnisse des Auftraggebers
d) Nachweise, Präqualifikation

(1) EU-Verfahren

(2) Nationale Verfahren

(3) Präqualifizierung

Angebotsaufklärung, Urkalkulation

a) Grundsatz: Abgabe eines eindeutigen Angebots
b) Angebotsaufklärung

(1) Unangemessener Angebotspreis

c) Urkalkulation

(1) Besteht eine Pflicht zur Vorlage?

(2) Welchem Zweck dient die Urkalkulation?

Nachreichen von Erklärungen und Nachweisen

a) Kein zwingender Ausschluss des Angebots
b) Zwingender Ausschluss des Angebots

Nachunternehmer: Benennung, Eignung

a) Zulässigkeit der Vergabe an einen Nachunternehmer
b) Eignungsprüfung bzgl. des Nachunternehmers

Verhandlung

a) Grundsätzlich unzulässig
b) Besondere Verfahrensarten

Angebotswertung – Maßstab für die Wertung

a) EU-Verfahren
b) Nationale Verfahren

VIII. Registerabfragen

Gewerbezentralregister

Wettbewerbsregister

Hauptzollamt

Korruptionsregister

Tariftreueregister

IX. Auftragserteilung – Zuschlag

Zeitpunkt der Zuschlagserteilung

a) Zuschlag innerhalb der Bindefrist
b) Zuschlag nach Ablauf der Bindefrist

Informationspflichten gegenüber unterlegenen Bietern

a) Verfahren mit Teilnahmewettbewerb
b) Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb
c) Wartefrist

X. Aufhebung des Vergabeverfahrens

Gründe für eine Aufhebung

Aufhebung ohne Vorliegen von anerkannten Gründen Informationspflicht

XI. Vergabedokumentation

Minimalanforderungen an die Dokumentation

Rechtsfolgen eines Dokumentationsmangels

a) EU-Verfahren
b) Nationale Verfahren

XII. Veröffentlichungspflichten

Nationale Verfahren
EU-Verfahren

XIII. Nachträge

Was sind Nachträge?
Gibt es Nachträge nur bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen?
Wann besteht ein Anspruch auf Nachtragsvergütung?
Wann besteht kein Anspruch auf Nachtragsvergütung?

XIV. Nachprüfungsstelle
EU-Verfahren
Nationale Verfahren

I. Rechtsgrundlagen

Für die Vergabeverfahren gelten abhängig vom Auftragswert und der Art der zu beschaffenden Leistung unterschiedliche Verfahrensregeln. Diese unterschiedlichen Verfahrensregeln sind in und durch abweichende Rechtsgrundlagen normiert. Hinsichtlich des Auftragswerts ist zu unterscheiden zwischen EU-Verfahren (EU-Recht, umgesetzt durch Bundesrecht und gegebenenfalls ergänzt durch Landesrecht) und nationalen Verfahren (Landesrecht), hinsichtlich der Art der zu beschaffenden Leistung zwischen Bauleistungen, Liefer- und (gewerblichen) Dienstleistungen und freiberuflichen Leistungen.

EU-Recht

  • Konzessionsrichtlinie (2014/23/EU) vom 26.02.2014
  • Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit 2009/81/EG vom 13. Juli 2009
  • Richtlinie zur Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge 2007/66/EG vom 11. Dezember 2007
  • Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge (2014/24/EU) vom 26.02.2014
  • Sektorenrichtlinie (2014/25/EU) vom 26.02.2014
  • Verordnung über das gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (2008/213/EG) vom 28. November 2007

Bundesrecht

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Vierter Teil (§§ 97 ff.)
  • Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (KonzVgV)
  • Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (PreisV 30/53)
  • Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung – SektVO)
  • Verordnung zur Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen (VergStatVO)
  • Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV)
  • Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil Abschnitt 2 und 3 (VOB/A)
  • Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit zur Umsetzung der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit – VSVgV)
  • § 141 SGB IX
  • §§ 21 MiLoG, SchwarzArbG, AEntG


Landesrecht

Die Ausschreibung, Vergabe und Abwicklung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der Schwellenwerte richtet sich im Wesentlichen nach den Haushaltsordnungen der jeweiligen öffentlichen Auftraggeber und den auf ihrer Grundlage eingeführten weiteren Vergabevorschriften.

Die Haushaltsordnungen des Landes und der Kommunen verpflichten öffentliche Auftraggeber, bei ihren Beschaffungen grundsätzlich die Öffentliche Ausschreibung oder eine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb zu wählen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen.

Landesgesetze zur Tariftreue und zum Mindestlohn

Am 1. Juli 2013 ist das Landestariftreue- und Mindestlohngesetz in Kraft getreten. Mit dem Gesetz werden Wettbewerbsverzerrungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch den Einsatz von Billigarbeitskräften unterbunden. Durch die Festlegung auf die Zahlung eines Mindestentgelts von derzeit 12,41 Euro (brutto) als Zugangsvoraussetzung zu öffentlichen Aufträgen gilt für alle Unternehmen, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben, die gleiche Ausgangslage. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit zwingt öffentliche Auftraggeber, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen. Wird dieses Angebot dadurch erzielt, dass untertariflich entlohnte Beschäftigte eingesetzt werden, führt dies zu einer Wettbewerbsverzerrung. Sie schadet Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Tariflöhne bezahlen und ebenfalls um den Auftrag konkurrieren. Dadurch werden tarifgebundene Arbeitsplätze in tariftreuen Unternehmen gefährdet.

Eine Servicestelle beim Regierungspräsidium Stuttgart informiert Unternehmen und Arbeitnehmer zum Tariftreuegesetz und stellt Entgeltregelungen aus den relevanten Tarifverträgen zur Verfügung. Über die Servicestelle sind auch Muster für die Abgabe der Tariftreue- und Mindestentgelterklärungen erhältlich, mit denen Auftragnehmer die Einhaltung des LTMG gegenüber dem Auftraggeber dokumentieren.

Logistikzentrum Baden-Württemberg

Die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge regelt die gemeinsame Beschaffung von Bedarfsgegenständen (z.B. Geschäftsbedarf, Kraftfahrzeuge, Büromöbel, Multifunktionsgeräte, Bürogeräte, Druckaufträge, Kraftfahrzeugersatzteile und -zubehör, Standardgeräte der IuK-Technik) durch die Dienststellen des Landes. Einzige gemeinsame Beschaffungsstelle des Landes ist das Logistikzentrum Baden-Württemberg (LZBW).

Landesrechtliche Vorschriften berücksichtigen wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte der Beschaffung

Es existieren ergänzende landesrechtliche Vorschriften, die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beachten sind.

Insbesondere soll sichergestellt werden,

dass kleine und mittelständische Unternehmen besonders berücksichtigt werden,

die Landesverwaltung weitgehend klimaneutral arbeitet,

die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht auf Kosten kommender Generationen verbraucht werden,

die Entwicklungspolitischen Leitlinien für Baden-Württemberg, insbesondere von fair gehandelten Produkten, berücksichtigt werden,

die Leitsätze der Ernährungsstrategie des Landes berücksichtigt werden,

gute und sicher Arbeit für alle Beschäftigten, Chancengleichheit und Gleichstellung von Männern und Frauen im Beruf sowie die soziale Integration von benachteiligten Personen berücksichtigt werden,

insbesondere auch anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Justizvollzugsanstalten am Beschaffungswesen des Landes teilhaben und

Korruption verhindert und bekämpft wird.

Um die Belange des Mittelstandes angemessen zu berücksichtigen, bestehen insbesondere folgende Möglichkeiten:

die Berücksichtigung von kleineren Büroorganisationen und Berufsanfängern bei der Vergabe von Dienstleistungen,

die Aufforderung von kleinen und mittleren Unternehmen zur Angebotsabgabe, soweit die Wahl des Vergabeverfahrens und die Art der zu vergebenden Leistung es zulässt,

bei geeigneten öffentlichen Aufträgen der Abschluss von Rahmenvereinbarungen mit einem oder mehreren Unternehmen,

die Verwendung von funktionalen Leistungsbeschreibungen, um insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit zu geben, neue innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten,

die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Form von Losen,

die Schaffung von Spielraum für innovative kleine und mittlere Unternehmen durch das Zulassen von Nebenangeboten,

ein Hinweis in der Bekanntmachung auf die Möglichkeit, dass kleine und mittlere Unternehmen Gemeinschaften bei der Bewerbung und beim Bieten sowie auftragnehmende Arbeitsgemeinschaften bilden können,

die Anerkennung von Präqualifizierungszertifikaten zur Verringerung des Bürokratieaufwandes,

der Nachweis der Eignung vornehmlich durch Eigenerklärungen oder die Eintragung in ein amtliches Verzeichnis zur Verringerung des Bürokratieaufwandes,

eine sorgfältige Überprüfung von Angeboten hinsichtlich einer realistisch und auskömmlichen Kalkulation, um den Bestand von kleinen und mittleren Unternehmen nicht durch Dumpingangebote zu gefährden,

die Verbesserung der Zahlungsmodalitäten, zum Beispiel durch Vereinbarung von kürzeren Zahlungsfristen,

die Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, die kleinen und mittleren Unternehmen nicht benachteiligen beziehungsweise überfordern, wie zum Beispiel zu hohe Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit,

die Gewährung von ausreichenden Fristen für die Bearbeitung und Abgabe der Angebote.

In der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) wurde die Berücksichtigung sozialer (z.B. ILO-Kernarbeitsnormen) und umweltbezogener  Aspekte im Rahmen der Vergabeverfahren stärker verankert. Mit der novellierten VwV Beschaffung soll der nachhaltigen Beschaffung ein (noch) größeres Gewicht gegeben werden. Dabei heißt Nachhaltigkeit qualitative, innovative, soziale, umweltbezogene und wirtschaftliche Aspekte gleichberechtigt zu berücksichtigen. Bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung unterhalb der EU-Schwellenwerte sind nachhaltige Aspekte zu berücksichtigen soweit mit verhältnismäßigem Aufwand möglich und sachgerecht und sofern ein sachlicher Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht. Sonderregelungen für die Beschaffung von Papier, Lebensmitteln, für den Lärmschutz und die Luftreinhaltung bei der Beschaffung von mobilen Maschinen und Geräten und für IT Beschaffungen (Open-Source-Produkte) sind zu beachten, ebenso wie EU-rechtliche Vorgaben hinsichtlich der Verwendung von Gütezeichen (Label, Siegel, Zertifizierungen).

Koordinierungsgruppe Korruptionsbekämpfung

Servicestelle Landestariftreue- und Mindestlohngesetz, Regierungspräsidium Stuttgart

Vorschriften für Landeseinrichtungen

Gesetz zur Mittelstandsförderung (Landesrecht-BW)

Landeshaushaltsordnung (Landesrecht-BW)

Landestariftreue- und Mindestlohngesetz (Landesrecht-BW)

Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung)

Verhütung und Bekämpfung von Korruption (Landesrecht-BW)

II. Vorarbeiten

Bevor der öffentliche Auftraggeber eine Auftragsvergabe ausschreiben kann, muss er zunächst seinen Beschaffungsbedarf definieren. Dieser hat maßgeblichen Einfluss auf das sich anschließende Vergabeverfahren.

Erfassen des Beschaffungsbedarfs

Ausgangspunkt jedes Vergabeverfahrens ist die Definition des Beschaffungsbedarfs durch den öffentlichen Auftraggeber. Der Beschaffungsbedarf ist diejenige Leistung, welche der öffentliche Auftraggeber erhalten will. Die Leistung ist nach ihrer Art (Bau-/Liefer-/Dienstleistung) zu unterscheiden. Außerdem ist zu bestimmen, welche Mengen und Qualitäten die zu beschaffende Leistung haben soll.

Öffentlicher Auftrag

Öffentliche Aufträge sind Aufträge, die von öffentlichen Auftraggebern im Bereich von Bauleistungen, Liefer- und/oder Dienstleistungen vergeben werden (§ 103 Abs. 1 GWB). Öffentliche Auftraggeber sind Behörden des Bundes, der Länder oder Gemeinden sowie deren Sondervermögen sonstige Körperschaften und Einrichtungen des öffentlichen Rechts, aber auch privatrechtlich organisierte Unternehmen, wenn sie unter dem Einfluss der öffentlichen Hand stehen (§ 99 Nr. 2 GWB). Zudem können Unternehmen und Einrichtungen, aber auch Privatpersonen zur Anwendung von Vergaberecht verpflichtet sein, wenn sie Zuwendungen aus dem öffentlichen Haushalt erhalten (§ 99 Nr. 2 GWB). Durch das große Auftragsvolumen, welches öffentliche Aufträge generieren, kommt öffentlichen Auftraggebern eine erhebliche Nachfragemacht zu. Um diese Nachfragemacht entsprechend der politischen und rechtlichen Zielsetzung zu steuern, ist die öffentliche Auftragsvergabe gesetzlich normiert.

Die durch diese Reglementierung verfolgten Ziele sind insbesondere die Gewährleistung von

– formalisierten, ungehinderten, transparenten und nichtdiskriminierenden wettbewerblichen Vergabeverfahren, welche einen möglichst großen Wettbewerb ermöglichen (Wettbewerbsgrundsatz, Gebot der Transparenz, Gleichbehandlungsgebot),

– Beachtung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei öffentlichen Beschaffungen, wonach dem wirtschaftlichsten Angebot der Zuschlag zu erteilen ist (wobei Wirtschaftlichkeit nicht notwendig mit dem günstigsten Angebot gleichzusetzen ist.),

 – besondere Berücksichtigung mittelständischer Wirtschaftsinteressen, indem die Auftragsvergabe grundsätzlich in Teil- und Fachlose aufzuteilen sind.

a) Abgrenzung Bau- (§ 103 Abs. 3 GWB) und Lieferaufträge (§ 103 Abs. 2 GWB)

Ein Bauauftrag ist ein Vertrag zur Ausführung -ggf. verbunden mit der gleichzeitigen Planung- einer Bauleistung. Ziel ist es, eine bauliche Anlage (ein Bauwerk) zu errichten oder zu ändern. Bauliche Anlagen (Bauwerke) sind mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Dabei muss es sich nicht notwendig um Gebäude handeln. Bauleistungen sind Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird.

Lieferaufträge sind hingegen Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf-, Leasing-, Miet- oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Viele öffentliche Aufträge umfassen Elemente beider Auftragsarten. Die Einordnung des Vertrages in ein Regelungsregime, entweder Bauleistungen oder Lieferleistungen, erfolgt anhand des Schwerpunktes der zu erbringenden Leistung. Dabei bestimmt sich der Hauptgegenstand nicht maßgeblich nach den anteiligen Wertverhältnissen, sondern nach der Bedeutung der einzelnen Leistungen für den Vertrag.

b) Abgrenzung Bau- (§ 103 Abs. 3 GWB) und Dienstleistungsaufträge (§ 103 Abs. 4 GWB)

Bei der Abgrenzung von Bau- und Dienstleistungen ist die Intensität des Substanzeingriffs von entscheidender Bedeutung:

Ausgehend von der Definition des Bauauftrags, dessen Ziel es ist, eine bauliche Anlage zu errichten oder zu ändern muss bei „instandhaltungsmaßnahmen“ zwischen Maßnahmen zur Erhaltung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands (Sollzustands) und der Wiederherstellung des Sollzustands unterschieden werden.

Wird lediglich die Erhaltung des Sollzustands beabsichtigt (Reinigung, Pflege, Wartung, Beseitigung von Verschleißerscheinungen bzw. kleinerer Schäden) liegt ein zu vernachlässigender Substanzeingriff vor. Die Leistung ist als Dienstleistung zu qualifizieren.

Beispiele hierfür sind:

– Die Wartung einer Brandmeldeanlage wie auch die Auswechslung einzelner Brandmelder.

– Untergeordnete Arbeiten zur Ausbesserung.

– Pflege einer vorhandenen Gartenanlage, ohne Neuanpflanzungen und ohne umfangreichere Erdbewegungsarbeiten.

c) Abgrenzung zur Konzession

Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem Dritten über die Beschaffung von Leistungen (§ 103 Abs. 1 GWB). In Abgrenzung zum Auftrag besteht die Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers bei der Konzession nicht vorrangig in der Zahlung eines Entgelts, sondern in der befristeten Überlassung zur Nutzung der baulichen Anlagen oder dem Recht zur Verwertung der zu erbringenden Dienstleistungen, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung eines Entgelts (§ 105 Abs. 1 GWB).

III. Vergabeverfahren

Sind die Vorarbeiten abgeschlossen, kann das ‚eigentliche‘ Vergabeverfahren beginnen.

Schätzung des Auftragswertes

Anhand des vom öffentlichen Auftraggeber definierten Bedarfs ist der Auftragswert zu schätzen. Dieser und die Art der zu beschaffenden Leistung bestimmen das sich anschließend zu beachtende Verfahren.

Der Auftragswert hat Relevanz für

– die Einordnung als EU- oder nationales Verfahren (EU-Schwellenwert),

– darüber hinaus jedoch auch auf die konkrete Art der Ausschreibungsmodalitäten, z.B. als öffentliche oder beschränkte Ausschreibung, bzw. § 5-Verfahren (nationale Wertgrenze).

Bei EU-Verfahren sind bei der Schätzung des Auftragswertes die Werte aller Bau-, Liefer- und Dienstleistungen als auch die Werte der einzelnen Lose zu addieren (§ 3 Abs. 6, 7 VgV). Dies gilt grundsätzlich auch für nationale Verfahren.

a) EU-Verfahren

Erreicht der geschätzte Auftragswert den sogenannten Schwellenwert, welcher sich aus den jeweils einschlägigen EU-Verordnungen ergibt (derzeit: Verordnung (EU) 2019/1828 (klassische Vergaben), Verordnung (EU) 2019/1827 (Konzessionen, Verordnung (EU) 2019/1829 (Sektoren) und Verordnung (EU) 2019/1830 (Verteidigung und Sicherheit)), handelt es sich um ein EU-Verfahren (auch oberschwelliges Verfahren genannt). In diesem Fall findet der 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.V.m. entweder der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV), der VOB/A – EU oder der Sektorenverordnung (SektVO), bzw. in einschlägigen Fällen der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (VSVgV, bzw. VOB/A -VS) Anwendung. Für die Vergabe von Konzessionen ist die Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) anzuwenden.

b) Nationale Verfahren

Wird der Schwellenwert nicht erreicht, handelt es sich um nationale Verfahren (auch unterschwellige Verfahren genannt). In diesem Fall gelten die jeweils landesrechtlichen Vergabegesetze. In den landesrechtlichen Regelungen wird teilweise auf Vorschriften der Bundesebene verwiesen, wodurch auch diese verbindlich für nationale Verfahren werden. Die Regelungen zur Auftragswertschätzung auf der nationalen Ebene treffen dabei keine explizite Aussage zur Addition von Losvolumina.

Der Auftragswert hat für nationale Verfahren Relevanz dafür, ob statt der öffentlichen Ausschreibung eine beschränkte Ausschreibung etc. zulässig ist.

Losbildung (Vergabe an mehreren Unternehmen)

Eine Vergabe kann im Wege der Losvergabe oder unter bestimmten Umständen ausnahmsweise als Gesamtvergabe erfolgen.

a) Grundsatz: Losvergabe

Unabhängig vom Über- bzw. Unterschreiten des europäischen Schwellenwertes hat die Vergabe grundsätzlich nach Losen (Teil- und Fachlos) aufgeteilt zu erfolgen. Dies ergibt sich für EU-Verfahren aus § 97 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB.

– Werden Leistungen mengenmäßig oder räumlich aufgeteilt handelt es sich um Teillose (§ 97 Abs. 4 GWB, vgl. für Bauleistungen § 5 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. VOB/A, vgl. für Liefer- und Dienstleistungen § 22 Abs. 1 UVgO).

– Wird die Leistung getrennt nach Art oder Fachgebiet vergeben, handelt es sich um Fachlose (§ 97 Abs. 4 GWB, vgl. für Bauleistungen § 5 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. VOB/A, vgl. für Liefer- und Dienstleistungen § 22 Abs. 1 UVgO).

– Findet keine Aufteilung nach Losen statt, liegt eine Gesamtvergabe vor.

b) Ausnahme: Gesamtvergabe

Von dem Grundsatz der Losvergabe kann der öffentliche Auftraggeber abweichen, wenn besondere wirtschaftliche oder technische Gründe eine Abweichung „erfordern“. Eine Abweichung ist erforderlich, wenn eine Abwägung der unterschiedlichen zu beachtenden Interessen zeigt, dass die für eine Gesamtvergabe sprechenden Gründe überwiegen.

– Wirtschaftliche Gründe für eine Gesamtvergabe liegen beispielsweise vor, wenn anderenfalls unverhältnismäßige Kostennachteile oder starke Verzögerungen drohen.

– Technische Gründe können vorliegen, wenn eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche sehr schwierig ist, es dem Bauunternehmer aufgrund der Komplexität des Materials nicht zugemutet werden kann, für selbiges zu haften oder es aufgrund technischer Umstände gerade auf die Ausführung durch einen Unternehmer ankommt.

Vorbemerkungen für die Leistungsbeschreibung (Was darf rein, was nicht?)

Die Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung dienen, wie auch die Leistungsbeschreibung selbst, dem Ziel, die zu erbringende Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben (§§ 31 Abs. 1 VgV, 7 Abs. 1 VOB/A, VOB/A EU, § 23 Abs. 1 UVgO). Wie die Vorbemerkungen auszusehen haben, ist nicht gesondert geregelt.

a) Anforderungen an die Vorbemerkungen

Einziger Anhaltspunkt ist die ATV DIN 18299. Sie gibt eine nicht abschließende Aufzählung an Kriterien, welche für die Preiskalkulation relevant sein können und daher vom Auftraggeber einzelfallabhängig spezifiziert werden sollten.

Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis dürfen nur Regelungen technischen Inhalts enthalten, die einheitlich für alle beschriebenen Leistungen – im Baubereich: für alle Titel des Leistungsverzeichnisses – gelten und von Bedeutung sind (Ziff. 4.3.3 VHB). Wiederholungen oder Abweichungen von allgemeinen und zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen sind zu vermeiden.

Beispielhaft sei angeführt:

Verkehrsanbindung der Baustelle, zentraler Ansprechpartner für den Auftragnehmer und allgemeine Verhaltenspflichten. Sofern diese Angaben für alle beschriebenen Leistungen gelten, sind sie in die Vorbemerkungen aufzunehmen (Ziff. 4.3.4 VHB).

Gelten die Besonderheiten nur für einzelne Positionen, sind sie dort zu benennen.

b) Rechtswirkungen der Vorbemerkungen

Vorbemerkungen werden grundsätzlich nicht Vertragsbestandteil. Daher sind in die Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis keine Vertragsbedingungen, Auslegungsregeln für Vertragsbedingungen oder preiswirksamen Umstände (Umstände, welche bei der Kalkulation durch den Bieter zu berücksichtigen sind) aufzunehmen.

c) Standort der Vorbemerkungen

Wo genau die Vorbemerkungen im Leistungsverzeichnis zu verorten sind ist nicht normiert. Es kommt sowohl eine Platzierung am Anfang des Leistungsverzeichnisses oder jeweils als titelbezogene Vorbemerkung im Leistungsverzeichnis in Betracht. Beides ist zulässig und kann im Einzelfall sinnvoll sein. Möglich ist auch Vorbemerkungen für alle zu erbringende Leistungen quasi ‚vor die Klammer zu ziehen‘ und am Anfang des Leistungsverzeichnisses anzuführen und im Weiteren titelbezogen weitere Vorbemerkungen anzufügen.

Ortstermine

Unter Ortsterminen ist die Besichtigung der örtlichen Gegebenheiten des von der Ausschreibung betroffenen Areals zu verstehen. Die Ortsbesichtigung ist grundsätzlich zulässig.

a) Gründe für einen Ortstermin

Die Ortsbesichtigung kann aus Gründen der Komplexität der ausgeschriebenen Leistung oder besonderen Umstände, die bei der Leistungserbringung zu beachten sind (z. B. Arbeiten in sensiblen Bereichen, besondere Materialeinflüsse, enge Zufahrten/enges Arbeitsfeld, schwieriger Baugrund, Bauen/Abbruch im Bestand) sinnvoll sein. Im Einzelfall kann eine Ortsbesichtigung sogar erforderlich sein, um dem Bieter die Abgabe eines wertbaren Angebotes zu ermöglichen.

b) Ankündigung von Ortsterminen

Ortstermine werden allen Bietern schriftlich angekündigt und werden so durchgeführt, dass der Wettbewerbsschutz unter den Bietern gewährt bleibt (getrennte Termine, Sicherstellung der Beantwortung von Bieterfragen bei einem Ortstermin gleichermaßen an alle Bieter, Beachtung von Korruptionspräventionsvorschriften).

Leistungsbeschreibung

Die Leistung ist eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, so dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können (§ 121 Abs. 1 GWB, § 1 Abs. 1 VgV, § 7 VOB/A, VOB/A EU und § 23 Abs. 1 UVgO). Diesem Ziel soll mit der Leistungsbeschreibung nachgekommen werden.

a) Leistungsverzeichnis

Das Leistungsverzeichnis dient ausschließlich dazu, Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen sowie alle die Ausführung der Leistung beeinflussende Umstände zu beschreiben. Hierzu hat der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich ein nach Aufgabe und Teilleistung gegliedertes Leistungsverzeichnis zu erstellen. Abweichend hat der öffentliche Auftraggeber auch die Möglichkeit, eine Leistungsbeschreibung durch Beschreibung der gewünschten Funktion zu formulieren (z. B. Bau eines Hauses mit vorgegebenen Eigenschaften, Lieferung einer Ware mit vorgegebener Eigenschaft).

b) Vertragliche Vereinbarungen

Vertragliche Vereinbarungen sind in den allgemeinen und weiteren besonderen, bzw. zusätzlichen Vertragsbedingungen aufzuführen, nicht jedoch in der Leistungsbeschreibung oder in den Vorbemerkungen dazu.

c) Umweltbezogene Aspekte

In die Leistungsbeschreibung dürfen qualitative, innovative sowie auch soziale und umweltbezogene Aspekte aufgenommen werden (§ 31 Abs. 3 VgV, § 7a Abs. 5 VOB/A, § 7 Abs. 6 VOB/A EU, § 43 Abs. 2 UVgO). Insbesondere zu den umweltbezogenen Aspekten gibt es Handlungshilfen, wie man diese korrekt als Anforderungen im Leistungsverzeichnis abbildet.

„Der öffentliche Vertrag“

Allgemeine Regelungen zum Vertragsrecht sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Das BGB unterscheidet eine Reihe von unterschiedlichen Vertragsarten, z.B. Kaufvertrag, Dienstvertrag, Werkvertrag. Auch öffentliche Aufträge fallen unter diese Vertragsarten.

a) Vertragsbedingungen (die AGB der öffentlichen Hand)

Grundsätzlich werden bei öffentlichen Bauverträgen die Vertragsbedingungen der VOB/B und bei öffentlichen Liefer- oder Dienstleistungen die Vertragsbedingungen der VOL/B in den Vertrag einbezogen. Ist dies der Fall, handelt es sich hierbei um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) nach § 305 BGB. Die Vergabe öffentlicher Aufträge fügt sich mithin in das bestehende Regelungsregime des BGB ein und ergänzt dieses um spezifische Regelungen.

Der öffentliche Auftraggeber hat neben der Bezugnahme auf die Vertragsordnungen die Möglichkeit eigene Vertragsbedingungen zu benennen und diese somit zur Bedingung für die Abgabe eines zulässigen Angebotes zu machen.

b) Inhaltskontrolle

AGB unterliegen grundsätzlich der sogenannten Inhaltskontrolle (§ 307 ff. BGB). Hiernach werden die AGB im Streitfall grundsätzlich einzelfallabhängig überprüft. Benachteiligen sie den Vertragspartner desjenigen, welcher die AGB in den Vertrag eingeführt hat, unangemessen, sind AGB unwirksam. Werden die jeweils geltenden Regelungen der VOB/B vollumfänglich und ohne Änderung zum Gegenstand des Vertrages gemacht, findet ausnahmsweise keine Inhaltskontrolle statt (§ 310 Abs. 2 Satz 3 BGB).

Bewerbungsbedingungen (Wie muss man sich bewerben?)

Bewerbungsbedingungen dienen der Verobjektivierung und Transparenz der Aufstellung und Prüfung von Vergabeunterlagen; sie ermöglichen es, ständig verwendete Standardvorgaben statt ins Anschreiben in allgemeine Bedingungen aufzunehmen. Es ist allein Sache des Auftraggebers zu entscheiden, welche Bestimmungen er in diesen Bedingungen zusammenfasst. Bei den Bewerbungsbedingungen, welche nicht mit den „Vertragsbedingungen“ zu verwechseln sind, handelt es sich mithin um vorformulierte Anforderungen, die Erfordernisse, die Bewerber bei der Angebotsbearbeitung beachten müssen, regeln (z.B. Termine, Benennung der Nachunternehmer). Bewerbungsbedingungen bestimmen das Verhalten der Bieter bei Angebotsabgabe. Sie werden nicht Vertragsgegenstand.

Zulässigkeit von Nebenangeboten (Abweichungen von der Leistungsbeschreibung)

Sinn und Zweck eines Nebenangebots ist es, eine Variante anzubieten, die von der Leistungsbeschreibung des öffentlichen Auftraggebers abweicht. Eine solche inhaltliche Abweichung kann z.B. in technischer oder in kaufmännischer Hinsicht bestehen, indem der Bieter Vertragsbedingungen des Auftraggebers abändert (z.B. anderes Verfahren, andere Materialien, geänderte Ausführungsfristen oder abweichende Haftungsregelungen).

a) EU Verfahren

Grundsätzlich ist die Abgabe von Nebenangeboten ausgeschlossen, sie kann jedoch ausnahmsweise zugelassen und mit der Abgabe eines Hauptangebots verknüpft werden (§§ 35 Abs. 1 VgV, 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A EU).

b) Nationale Verfahren

Nebenangebote sind

– bei Liefer- und Dienstleistungen ebenfalls grundsätzlich ausgeschlossen (§ 25 UVgO);

– bei Bauleistungen hingegen grundsätzlich zugelassen, sie können jedoch ausnahmsweise ausgeschlossen oder mit der Abgabe eines Hauptangebots verknüpft werden (§§ 8 Abs. 2 Nr. 3 a), b) VOB/A).

c) Verknüpfung der Abgabe eines Nebenangebots mit der Abgabe eines Hauptangebots

Die Möglichkeit der Verknüpfung dient der Sicherstellung, dass überhaupt der Leistungsbeschreibung entsprechende Angebote eingehen. Ob ausnahmsweise eine Zulassung, bzw. ein Ausschluss erfolgt, liegt im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Ermessen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass er sich im Einzelfall überlegen kann, ob die Zulassung von Nebenangeboten für die konkrete Ausschreibung Sinn macht oder nicht.

d) Folgen der Zulassung von Nebenangeboten

Sind Nebenangebote zugelassen, muss der öffentliche Auftraggeber bei EU-Verfahren und kann bei nationalen Verfahren Mindestbedingungen festlegen, anhand welcher beurteilt wird, ob ein Nebenangebot für die Wertung zuzulassen, bzw. auszuschließen ist. Erfüllt das Nebenangebot die Mindestbedingungen, ist das Nebenangebot zu werten.

Werden in nationalen Verfahren keine Mindestbedingungen aufgestellt, ist zu prüfen, ob das Nebenangebot mit der eigentlich geforderten Leistung gleichwertig ist. Gleichwertigkeit liegt vor, wenn mit dem Nebenangebot der Zweck, den der Auftraggeber mittels der nachgefragten Leistung erreichen will, erreicht werden kann.

Im Rahmen der allgemeinen Angebotswertung ist das Nebenangebot mit den weiteren Haupt- und/oder zugelassenen Nebenangeboten auf seine Wirtschaftlichkeit hin zu vergleichen. Das wirtschaftlichste Angebot erhält den Zuschlag.

Eignungskriterien

Öffentliche Aufträge sind an fachkundige und leistungsfähige Bieter zu vergeben (§ 122 Abs. 1 GWB).

Bei den vorgenannten Kriterien handelt es sich um sogenannte Eignungskriterien. Zum Nachweis ihrer Eignung können die Aspekte der Befähigung zur Berufsausübung sowie der wirtschaftlichen, finanziellen, technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter durch den öffentlichen Auftraggeber geprüft werden. Die Eignungskriterien müssen immer auf den zu vergebenden Auftrag bezogen sein.

Zudem darf kein Ausschlussgrund vorliegen. Das GWB (§§ 123, 124 GWB), bzw. die jeweils anzuwendenden Verfahrensordnungen, geben die Gründe vor, die zwingend oder fakultativ zum Ausschluss eines Bewerbers/Bieters führen.

Die Eignungsprüfung gliedert sich in einen formellen und einen materiellen Teil.

– Zunächst wird formal geprüft, ob die Bieter alle geforderten Nachweise und Erklärungen vorgelegt haben. Fehlen geforderte Unterlagen gilt für den VOB-Bereich, dass sie unter Fristsetzung vom Bieter nachzufordern (§ 16a VOB/A) sind, für den VOL-Bereich können nachgefordert werden (§ 41 Abs. 2 UVgO). Werden die Unterlagen trotz Nachforderung nicht vorgelegt, sind die betreffenden Bieter vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen.

– In einem zweiten Schritt sind die beigebrachten Nachweise inhaltlich zu prüfen.

Teilnahmewettbewerb: Auswahl von Wettbewerbern

Sowohl in nationalen als auch in europaweiten Verfahren können Teilnahmewettbewerbe durchgeführt werden.

– Sie sind bei europaweiten Vergabeverfahren wie dem nicht offenen-Verfahren, dem Wettbewerblichen Dialog, im Rahmen einer Innovationspartnerschaft und in der Regel beim Verhandlungsverfahren zwingender Verfahrensbestandteil (§§ 119 GWB, § 16 Abs. 1, 4 VgV, § 3EU Nr. 2 VOB/A.

– In nationalen Verfahren kann bei beschränkten Ausschreibungen ein Teilnahmewettbewerb erforderlich sein. Hierbei ist zwischen Verfahren über Bau und solchen über Liefer- und Dienstleistungen zu differenzieren:

o Im VOB-Bereich ist ein vorheriger Teilnahmewettbewerb bei einer beschränkten Ausschreibung nach § 3a Abs. 3 VOB/A notwendig.

o Im Bereich der UVgO-Vergaben ist ebenfalls danach zu differenzieren, unter welchen Voraussetzungen eine beschränkte Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb zulässig ist (§§ 10, 11 UVgO).

Der Teilnahmewettbewerb untergliedert sich in zwei Stufen:

a) Eignungsprüfung

In einem ersten Schritt wird der Auftrag öffentlich bekannt gemacht und die Bieter im Rahmen des folgenden Teilnahmewettbewerbs zunächst nur auf ihre Eignung überprüft. Es werden nur die Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert, die ihre Eignung nachgewiesen haben (vgl. § 42 Abs. 2 VgV, § 16bEU Abs. 3 VOB/A; § 10 Abs. 2 UVgO).

Auch bei einstufigen Verfahren wird grundsätzlich zunächst die Eignung geprüft und dann das Angebot (§ 16b VOB/A, § 31 Abs. 4 UVgO). Bei offenen Verfahren kann der öffentliche Auftraggeber entscheiden, ob er die Eignungsprüfung vor oder nach der Angebotsprüfung durchführt (42 Abs. 3 VgV, § 16bEU Abs. 2 VOB/A).

b) Aufforderung zur Angebotsabgabe

In einem zweiten Schritt wird eine zuvor festgelegte Anzahl an Bietern zur Angebotsabgabe ausgewählt. Diese Auswahl erfolgt anhand einer Bewertung der Eignung der Bieter, soweit diese über die im Rahmen der Eignungsprüfung (a.) zu prüfenden Mindestanforderungen hinausgeht.

Entscheidend ist, welche Bieter die erfolgreiche Durchführung der Leistung aus der ex ante Perspektive in besonders hohem Maß gewährleisten.

(1) Bauverfahren

– Für nationale Verfahren soll die Anzahl der zugelassenen Bieter nicht unter drei liegen (§ 3b Abs. 2 VOB/A).

– Bei EU-Verfahren kann der öffentliche Auftraggeber die Zahl der Bieter im nicht offenen Verfahren auf minimal fünf (§ 3bEU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A) und im Verhandlungsverfahren auf minimal drei (§ 3bEU Abs. 3 Nr. 3 VOB/A), beschränken.

(2) Verfahren über Liefer- und Dienstleistungen

– Für EU-Verfahren eine Begrenzung auf minimal fünf Bieter beim nicht offenen Verfahren und minimal drei Bieter bei den sonstigen Verfahren vorgesehen (§ 51 Abs. 2 VgV).

– Bei nationalen Verfahren darf die Mindestzahl der zu beteiligen Unternehmen grundsätzlich nicht niedriger als drei sein (§ 36 Abs. 2 Satz 1 UVgO).

Zuschlagskriterien

Das wirtschaftlichste Angebot erhält den Zuschlag. Dies gilt sowohl für EU-, als auch für nationale Verfahren. Die Wirtschaftlichkeit wird anhand von Zuschlagskriterien bewertet. Die vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählten Zuschlagskriterien müssen auf den konkreten Auftrag bezogen sein. Zulässige Zuschlagskriterien können neben dem Preis auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte sein (§ 127 Abs. 1 GWB). Zur möglichen Berücksichtigung von umweltbezogenen Kriterien bestehen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten.

a) EU-Verfahren

Bei EU-weiten Vergabeverfahren müssen die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung zwingend bereits in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Zur Präzisierung der Wertung können Unterkriterien gebildet und ebenfalls gewichtet werden.

b) Nationale Verfahren

Für nationale Verfahren ist die Benennung der Zuschlagskriterien ebenfalls ausdrücklich vorgesehen (§ 43 Abs. 6 Satz 1 UVgO; § 16d Abs. 1 Nr. 5, Nr. 7 VOB/A). Bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen muss zudem die Gewichtung angegeben werden.

IV. Verfahrensarten

Je nachdem, ob es sich um ein EU-Verfahren bzw. nationales Verfahren handelt, sind verschiedene Verfahrensarten zu differenzieren. Teilweise kommt es bei den existierenden Verfahrensarten jedoch zu Überschneidungen. Das offene Verfahren bei EU-Vergaben entspricht der öffentlichen Ausschreibung nationaler Verfahren, das nicht offene Verfahren in etwa der beschränkten Ausschreibung, das Verhandlungsverfahren in etwa der freihändigen Vergabe/ Verhandlungsvergabe. Lediglich der bei EU-Verfahren zulässige wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft haben keine Entsprechung bei nationalen Verfahrensarten.

Wichtiger Unterschied zwischen EU- und nationalen Vergabeverfahren

Die öffentliche Ausschreibung und die beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb stehen gleichberechtigt nebeneinander (§ 8 Abs. 2 UVgO, § 3a Abs. 1 VOB/A).

Andere Verfahrensarten stehen nur in gesetzlich definierten Ausnahmefällen zur Verfügung (§ 8 Abs. 3 und 4 UVgO). Bei EU-Verfahren stehen das offene und das nicht offene Verfahren ebenfalls nach Wahl des Auftraggebers gleichrangig nebeneinander (§ 119 Abs. 2 Satz 1GWB). Die übrigen Verfahren sind nur in gesetzlich definierten Ausnahmefällen zulässig (§ 119 Abs. 2 Satz 2 GWB).

Offenes Verfahren/ Öffentliche Ausschreibung

Bei dem offenen Verfahren/der öffentlichen Ausschreibung fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbestimmte Anzahl von Bietern zur Angebotsabgabe auf. Der Bieterkreis wird im Vorhinein mithin nicht begrenzt.

Nicht offenes Verfahren/ Beschränkte Ausschreibung

Das nicht offene Verfahren/die beschränkte Ausschreibung unterscheidet sich vom offenen Verfahren/der öffentlichen Ausschreibung dadurch, dass das Verfahren zweistufig abläuft.

– Zunächst ist für EU-Verfahren stets und für nationale Verfahren unter bestimmten Bedingungen zwingend ein Teilnahmewettbewerb durchzuführen. Hierzu fordert der öffentliche Auftraggeber durch öffentliche Bekanntmachung eine unbestimmte Anzahl an Unternehmen dazu auf, einen Antrag zur Teilnahme am nicht offenen Verfahren/an der beschränkten Ausschreibung zu stellen.

– Im Anschluss an diesen Teilnahmewettbewerb fordert der öffentliche Auftraggeber die im vorangegangenen Teilnahmewettbewerb als geeignet festgestellten Bewerber zur Abgabe eines Angebots auf; ggf. kann der öffentliche Auftraggeber bei Start des Teilnahmewettbewerbs Bedingungen/Verfahren zur Begrenzung des Bieterkreises mit veröffentlichen.

Wird eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt, sind grundsätzlich nur präqualifizierte und ein nicht präqualifiziertes Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern. Gleiches gilt für § 5 Verfahren mit Vergleichsangeboten, sowie freihändige Vergaben/Verhandlungsvergaben.

Das nicht offene Verfahren erfolgt immer mit Teilnahmewettbewerb.

Verhandlungsverfahren/ Freihändige Vergabe/ Verhandlungsvergabe

Unter bestimmten, in den Verfahrensordnungen vorgegebenen Bedingungen kann die Vergabe im Wege des Verhandlungsverfahrens oder der freihändigen Vergabe/ Verhandlungsvergabe, erfolgen. Gründe, die für eine solche Vergabe sprechen, sind insbesondere, wenn die zu erbringende Leistung nicht abschließend durch den öffentlichen Auftraggeber beschrieben werden kann, so dass kein hinreichender Wettbewerb zustande kommen kann oder wenn ein offenes Verfahren/öffentliche Ausschreibung bzw. nicht offenes Verfahren/beschränkte Ausschreibung aufgehoben wurde, da keine wertungsfähigen oder keine wirtschaftlichen Angebote eingereicht wurden oder die Leistung aufgrund ihrer Spezifika oder aufgrund rechtlicher Anforderungen (z. B. Patentinhaber) nur einem sehr begrenzten Kreis von Unternehmen überhaupt zugänglich wären. Dem Verhandlungsverfahren hat in der Regel ebenfalls ein Teilnahmewettbewerb vorauszugehen.

Verfahren ohne Vergleichsangebote (Direktauftrag)

Bis zu einer definierten Wertgrenze für Liefer- und Dienstleistungen bzw. für Bau-, bzw. freiberufliche Dienstleistungen kann ein Auftrag ohne das Einholen von Vergleichsangeboten vergeben werden.

Darüber hinaus ist das Einholen von vergleichsangeboten auch dann entbehrlich, wenn

– eine freihändige Vergabe nach Abschnitt 1 § 3a Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 des Teils A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen zugelassen ist;

– eine Verhandlungsvergabe mit nur einem Unternehmen nach § 12 Absatz 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 4 Nummer 9 bis 14 der Unterschwellenvergabeordnung zugelassen ist;

– die Leistung des beabsichtigten Auftrages im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen erbracht wird (freiberufliche Leistung) und die Vergütung für diese freiberufliche Leistung in ihren wesentlichen Bestandteilen nach Festbeträgen oder unter Einhaltung der Mindestsätze nach einer verbindlichen Gebühren- oder Honorarordnung abgerechnet wird;

– die zu vergebende freiberufliche Leistung nach Art und Umfang, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vor der Vergabe nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, die Einholung von Vergleichsangeboten einen Aufwand für den Auftraggeber oder die Bewerber oder Bieter verursachen würde, der zu dem erreichten Vorteil oder dem Wert der Leistung im Missverhältnis stehen würde und ein relevanter Auftragswert (von z.B. 50 000 Euro nicht überschritten wird.

– Im Übrigen können in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit Interimsverträge über einen Zeitraum, der für die vernünftige Vergabe eines öffentlichen Auftrages vonnöten ist geschlossen werden.

Wettbewerblicher Dialog

Handelt es sich um ein EU-Verfahren und ist der öffentliche Auftraggeber objektiv nicht in der Lage, die technischen Mittel anzugeben, mit denen seine Bedürfnisse und seine Ziele erfüllt werden können und/oder die rechtlichen und/oder finanziellen Konditionen eines Vorhabens anzugeben, hat er die Möglichkeit, das Verfahren des wettbewerblichen Dialogs zu wählen. Dem wettbewerblichen Dialog geht ein Teilnahmewettbewerb voraus. Der öffentliche Auftraggeber formuliert seine Bedürfnisse und Anforderungen in der Bekanntmachung und/oder in einer Beschreibung und tritt mit den ausgewählten Bewerbern in einen Dialog, dessen Ziel es ist, die Mittel, mit denen seine Bedürfnisse am besten erfüllt werden können, zu ermitteln und festzulegen.

Innovationspartnerschaft

Schließlich kann im Rahmen von EU-Verfahren die Innovationspartnerschaft als Vergabeverfahren gewählt werden, wenn der Bedarf an einer innovativen Leistung und dem anschließenden Erwerb dieser Leistung nicht durch bereits auf dem Markt verfügbare Lösungen befriedigt werden kann. Die Innovationspartnerschaft soll dem öffentlichen Auftraggeber ermöglichen, eine langfristige Partnerschaft für die Entwicklung und den anschließenden Kauf neuer, innovativer Leistungen zu begründen, ohne dass ein getrenntes Vergabeverfahren für den Kauf erforderlich ist.

Auch diesem Verfahren geht ein Teilnahmewettbewerb voraus. Der öffentliche Auftraggeber beschreibt in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen die Nachfrage nach der innovativen Leistung. Dabei ist anzugeben, welche Elemente dieser Beschreibung Mindestanforderungen darstellen. Die bereitgestellten Informationen müssen so genau sein, dass die Unternehmen Art und Umfang der geforderten Lösung erkennen und entscheiden können, ob sie eine Teilnahme an dem Verfahren beantragen.

V. Verfahrensplanung – Fristen

Hinsichtlich jeder Vergabe sind bestimmte Fristen zu beachten, die im Einzelnen von der gewählten Verfahrensart abhängen.

Hinsichtlich der bei einem Vergabeverfahren zu beachtenden Fristen ist zum einen zwischen EU- und nationalen Verfahren, den unterschiedlichen Verfahrensarten, als auch zwischen unterschiedlichen Arten von Fristen (Teilnahmefrist, Angebotsfrist, Mindestfrist und regelmäßige Frist zu differenzieren).

– Innerhalb der Teilnahmefrist muss der Teilnahmeantrag eingereicht werden.

– Die Angebotsfrist ist der Zeitraum der dem Bieter zur Erstellung und Einreichung des Angebotes zur Verfügung steht.

 Für beide Fristen gibt es Vorgaben, wie diese regelmäßig, bzw. als Mindestfristen im Ablauf des Vergabeverfahrens zu gewähren sind.

– Die Bindefrist umfasst den Zeitraum, in dem der Bieter an sein Angebot gebunden ist (§ 145 BGB), der Auftraggeber also das Angebot zu den verbindlichen Konditionen bezuschlagen kann. Binde- und Zuschlagsfrist sind daher identisch. Sie beginnen mit Ablauf der Angebotsfrist. Die Bindefrist kann mit Zustimmung der Bieter verlängert werden, wenn entgegen der ursprünglichen Planung keine Zuschlagsentscheidung innerhalb der Frist getroffen werden konnte.

– Die Frist für Bieterfragen bezeichnet den Zeitpunkt, bis zu welchem die Bieter ihre Fragen vorgebracht haben müssen, um hieraus einen Anspruch auf Beantwortung herleiten zu können.

EU-Verfahren

a) Offenes Verfahren

Im offenen Verfahren gilt grundsätzlich eine Angebotsfrist von mindestens 35 Tagen, gerechnet vom Tag nach Absendung der Auftragsbekanntmachung. Die Angebotsfrist von 35 Tagen kann um 5 Tage verkürzt werden, wenn die elektronische Abgabe von Angeboten akzeptiert wird. Erfolgt eine Vorabinformation (§ 38 Abs. 3 VgV) oder liegt besondere Dringlichkeit vor (beschleunigtes Verfahren), kann die Angebotsfrist auf 15 Tage verkürzt werden. Der öffentliche Auftraggeber hat außerdem eine angemessene Bindefrist zu bestimmen. Diese beträgt regelmäßig 60 Tage. Die Bindefrist beginnt mit Ablauf der Angebotsfrist.

b) Nicht offenes Verfahren

Bei dem nicht offenen Verfahren kommt aufgrund der Zweistufigkeit des Verfahrens im Vergleich zum offenen Verfahren noch die Teilnahmefrist hinzu. Der Bewerber hat innerhalb von 30 Tagen gerechnet vom Tag nach Absendung der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung seine Teilnahme an der Ausschreibung kundzutun. Hieran schließt sich eine Angebotsfrist von 30 Tagen, gerechnet vom Tag nach Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe, an. Die Angebotsfrist von 30 Tagen kann um 5 Tage verkürzt werden, wenn die elektronische Abgabe von Angeboten akzeptiert wird. Die Angebotsfrist Frist kann bei Vorabinformation (§ 38 Abs. 3 VgV) außerdem auf 10 Tage verkürzt werden. Bei besonderer Dringlichkeit kann die Teilnahmefrist auf 15 Tage, die Angebotsfrist auf 10 Tage reduziert werden.

Der öffentliche Auftraggeber bestimmt eine angemessene Bindefrist, regelmäßig 60 Tage.

c) Verhandlungsverfahren

Für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gelten grundsätzlich die gleichen Fristen, wie für das nicht offene Verfahren. Für das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gelten im Übrigen keine gesetzlichen Angebots- oder Bindungsfristen.

d) Wettbewerblicher Dialog / Innovationspartnerschaft

Für den wettbewerblichen Dialog und die Innovationspartnerschaft beträgt die Teilnahmefrist mindestens 30 Tage. Es gelten keine gesetzlichen Angebots- oder Bindungsfristen.

Nationale Verfahren

Anders als für EU-Verfahren, gibt es für die nationalen Verfahren grundsätzlich keine festen Teilnahme- und Angebotsfristen. Die Fristen müssen lediglich ausreichend, bzw. angemessen sein.

Die Bewertung über die Angemessenheit der Fristen obliegt dem öffentlichen Auftraggeber. Einzige Vorgabe im Bereich der Bauvergaben ist, dass die  Angebotsfrist auch bei beschleunigten Verfahren nicht unter 10 Tage liegen soll (§ 10 Abs. 1 Satz 1 VOB/A). Die Bindefrist für nationale Bauvergaben soll 30 Tage in der Regel nicht überschreiten (§ 10 Abs. 4 Satz 3 VOB/A).

Frist für Bieterfragen

Erbitten Unternehmen zusätzliche sachdienliche Auskünfte über die Vergabeunterlagen und deren Auslegung, so sind diese Auskünfte allen Unternehmen in gleicher Weise zu erteilen. Ausnahmsweise kann der Auftraggeber eine Frist für Bieterfragen zu bestimmen. Sofern die Frage eine tatsächlich bestehende Unklarheit in den Vergabeunterlagen betrifft, ist die Klärung für die Erstellung aller Angebote erheblich und sollte daher unabhängig von dem Zeitpunkt der Fragestellung geklärt werden. Auf die Möglichkeit der Fristsetzung sollte daher in der Regel verzichtet werden oder von ihr nur bei Vorliegen sachlicher Gründe Gebrauch gemacht werden.

VI. Verfahrensdurchführung – vor Öffnung der Angebote

Nutzung von Formularen

Dem formalisierten Ablauf eines Vergabeverfahrens entspricht es, die Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers in Formblätter zu fassen.

Bekanntmachung, Teilnahmewettbewerb, Aufforderung zur Angebotsabgabe

Sowohl beim offenen Verfahren/ bei öffentlicher Ausschreibung, als auch bei Verfahren mit vorangehendem Teilnahmewettbewerb erfolgt zunächst eine öffentliche Bekanntmachung. Die Bekanntmachung hat alle relevanten Daten des Auftraggebers, sowie Informationen über Art und Umfang der Leistungen zu enthalten.

a) EU-Verfahren

Für EU-Verfahren besteht darüber hinaus die Möglichkeit, eine Vorinformation über eine in gewisser Zeit beabsichtigte Beschaffung durchzuführen. Wird eine Vorinformation veröffentlicht, kann dies Einfluss auf die einzuhaltenden Fristen haben. Für die in ihr anzugebenden Informationen gelten geringere Anforderungen, als bei der Bekanntmachung.

Die Veröffentlichung von EU-Verfahren erfolgt in den vom EU-Gesetzgeber festgelegten Standardformularen und ist dem Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union elektronisch zu übermitteln. Hier werden die Bekanntmachungen dann auch veröffentlicht. Die Übermittlung der Daten zur Veröffentlichung auf der Vergabeplattform erfolgt bei Nutzung des Vergabemanagers automatisch.

b) Nationale Verfahren

Für nationale Verfahren erfolgt die öffentliche Bekanntmachung in Tageszeitungen, amtlichen Veröffentlichungsblättern und auf Internetportalen.

Kommunikation mit den Bietern/Bewerbern

Die Kommunikation mit den Bewerbern/Bietern in EU-Verfahren erfolgt grundsätzlich elektronisch. Sie kann mündlich erfolgen, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, Interessensbestätigungen oder Angebote betrifft und der Inhalt der Kommunikation dokumentiert wird (§ 9 VgV, § 11 EU VOB/A).

Die Kommunikation mit Bewerbern/Bietern in nationalen Verfahren erfolgt nach Festlegung des öffentlichen Auftraggebers, in Textform (§ 126b BGB) mithilfe elektronischer Mittel, auf dem Postweg, durch Telefax oder durch einen anderen geeigneten Weg (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A; § 38 Abs. 1 UVgO).

Bis zum 18. Oktober 2018 waren bei nationalen Verfahren über Bauleistungen schriftliche Angebote zu akzeptieren (§ § 13 Abs. 1 Nummer 1 Satz 1 VOB/A).

In Verfahren über Liefer- und Dienstleistungen akzeptiert der Auftraggeber seit dem 1. Januar 2019 die Einreichung von Teilnahmeanträgen und Angeboten in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 38 Abs. 2 UVgO). Seit dem 1. Januar 2020 sind ausschließlich elektronische Teilnahmeanträge und Angebote in Textform nach § 126b BGB zulässig (§ 38 Abs. 3 Satz 1 UVgO). Änderung der Vergabeunterlagen

a) Änderungen durch den öffentlichen Auftraggeber

Der öffentliche Auftraggeber kann die von ihm herausgegebenen Vergabeunterlagen grundsätzlich im Laufe des Vergabeverfahrens abändern, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht. Er muss diese Änderungen jedoch deutlich kenntlich machen und in der Weise bekannt geben, wie er auch die ursprünglichen Vergabeunterlagen bekannt gegeben hat. Wesentlich ist, dass solche Änderungen allen an dem betreffenden Vergabeverfahren beteiligten Bietern gleichermaßen zugänglich gemacht werden. Außerdem ist, soweit die Änderung der Vergabeunterlagen Einfluss auf die Erstellung der Angebotsunterlagen hat, eine Fristverlängerung für die Angebotsabgabe zu gewähren. Geht eine Änderung so weit, dass die Änderung der Vergabeunterlagen dazu führen könnte, dass sich auch andere, bisher nicht am Verfahren beteiligte Unternehmen für die Vergabe interessieren könnten, ist das Vergabeverfahren mit einer erneuten Bekanntmachung erneut zu beginnen.

b) Änderungen durch den Bieter

Änderungen an den Vergabeunterlagen durch den Bieter sind unzulässig und führen zum Ausschluss des Angebotes (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A sowie VOB/A-EU, § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV, § 42 Abs.1 Nr. 4 UVgO). Eine Änderung liegt bereits dann vor, wenn einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses im Angebot nicht berücksichtigt wurden. Dies gilt jedoch nur für Hauptangebote. Sogenannte Nebenangebote können von den Vergabeunterlagen abweichen, ohne diese unzulässig abzuändern. Ein Nebenangebot ist jedoch als solches deutlich zu kennzeichnen.

VII. Verfahrensdurchführung – nach Öffnung der Angebote

Öffnungstermin, Submissionstermin

Die eingegangenen Angebote sind bis zum Öffnungstermin, welcher nach Ablauf der Angebotsfrist stattfindet verschlossen zu verwahren.

a) EU-Verfahren

Alle Angebote in EU-Verfahren, welche bis zum Ablauf der Angebotsfrist zugegangen sind, sind in einem Öffnungstermin durch zumindest zwei Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers zu öffnen (§ 55 Abs. 2 VgV, bzw. § 14EU Abs. 1 VOB/A). Dies gilt auch für elektronisch abgegebene Angebote. Außerdem hat die Öffnung der Angebote unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist zu erfolgen. Das heißt, die Öffnung muss nicht notwendig unmittelbar nach Ablauf, aber doch sehr zeitnah und ohne vermeidbare Verzögerungen erfolgen.

b) Nationale Bauvergaben

Sind bei nationalen Bauvergaben schriftliche Angebote zugelassen, besteht die Besonderheit, dass ein sogenannter Submissionstermin durchgeführt wird, bei dem die Namen der Bieter und deren Angebotsendsummen verlesen werden § 14a Abs. 1 VOB/A. Bei diesem Termin dürfen nur die Bieter und ihre Bevollmächtigten zugegen sein.

Sind nur elektronische Angebote zugelassen, wird die Öffnung der Angebote von mindestens zwei Vertretern des Auftraggebers gemeinsam an einem Termin (Öffnungstermin) unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist durchgeführt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 VOB/A). Bieter und ihre Bevollmächtigten sind zu diesem Öffnungstermin nicht zugelassen.

Die Öffnung von Angeboten über Liefer- und Dienstleistungen wird von mindestens zwei Vertretern des Auftraggebers gemeinsam durchgeführt und dokumentiert. Bieter sind hierbei nicht zugelassen (§ 40 Abs. 2 UVgO).

Eignungsprüfung

Im Rahmen des Vergabeverfahrens überprüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bieter im Hinblick auf deren Fachkunde Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.

– In EU-Verfahren und nationalen Verfahren über Liefer- und Dienstleistungen wird die Zuverlässigkeit durch das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen geprüft: § 123 ff. GWB; § 31 Abs. 1, § 35 UVgO).

– In nationalen Verfahren über Bauleistungen ist die Zuverlässigkeit positiv festzustellen (§ 16b Abs. 1 VOB/A). Im Ergebnis unterscheiden sich die Prüfungen jedoch nicht. Bei der Eignungsprüfung kommt dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu.

Diesen Beurteilungsspielraum überschreitet er erst, wenn er das vorgeschriebene Verfahren nicht einhält, von einem unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, sachwidrige Erwägungen in seine Entscheidung einbezieht oder wenn er willkürlich handelt; kommt es zu einer Überprüfung der Entscheidung durch die Vergabekammer oder ein Gericht, kann dieses nur überprüfen, ob der öffentliche Auftraggeber diesen Beurteilungsspielraum überschritten hat.

a) Bindung an Mindestanforderungen

Bei der Beurteilung ist der öffentliche Auftraggeber zudem grundsätzlich an die benannten Mindestanforderungen gebunden. Diese kann der Bieter durch Einzelnachweis oder durch Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis erbringen.

b) Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit Dritter

Der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit Dritter sind einige Grenzen gesetzt. Bei nationalen Bauvergabeverfahren gilt grundsätzlich das Gebot der Selbstausführung, weswegen es grundsätzlich auf die eigene Leistungsfähigkeit ankommt; bei EU-Vergabeverfahren kann der Auftraggeber vorschreiben, dass bestimmte kritische Leistungsteile vom Bieter selbst erbracht werden müssen.

(1) Bietergemeinschaften

Tritt eine Bietergemeinschaft auf, muss jedes Mitglied dieser Bietergemeinschaft die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen erfüllen.

(2) Eignungsleihe

Ein Bieter kann sich im Wege der „Eignungsleihe“ der Eignung eines anderen Unternehmers bedienen (mit Ausnahme der Zuverlässigkeit/des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen), wenn der Bieter durch eine Verpflichtungserklärung nachweist, dass er auf die angegebenen Kapazitäten des anderen Unternehmers zurückgreifen kann.

c) Sonstige Erkenntnisse des Auftraggebers

Erhält der öffentliche Auftraggeber im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens Erkenntnisse über eine eingetretene Ungeeignetheit von Bietern kann er diese Bieter auch noch zu diesem Zeitpunkt vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen.

d) Nachweise, Präqualifikation

Die Bieter belegen ihre Eignung durch entsprechende Nachweise und Erklärungen.

(1) EU-Verfahren

Im Bereich der EU-Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen kann der Bieter durch die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) seine Eignung belegen; der öffentliche Auftraggeber fordert dann in der Regel nur noch von dem Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, die entsprechenden Unterlagen, auf die sich die Erklärung bezieht, an. Die Nutzung der EEE stellt lediglich eine Möglichkeit für den Bieter dar, seine Eignung zu belegen. Andere Nachweismöglichkeiten, wie sie auch in nationalen Verfahren bestehen, bleiben parallel/alternativ möglich.

(2) Nationale Verfahren

In nationalen Vergabeverfahren werden Einzelnachweise gefordert (§§ 16b VOB/A, bzw. 16bEU VOB/A).

(3) Präqualifizierung

Die Bieter haben die Möglichkeit, einzelne Nachweise durch ein Testat über eine Präqualifizierung zu ersetzen. Bei dem Nachweis der Eignung durch Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis handelt es sich um eine auftragsunabhängige Leistungsprüfung. Das Vorliegen einer Präqualifikation hindert den öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht daran, ihm bekanntgewordene negative Erkenntnisse bei der Eignungsprüfung zu berücksichtigen. Grundsätzlich nimmt die Präqualifikation die Prüfung der Eignung vorweg. Die Prüfung hierfür erfolgt jedoch auftragsunabhängig. Im Einzelfall können je nach Auftrag zusätzliche auftragsbezogene Einzelnachweise verlangt werden. Des Weiteren soll sich der öffentliche Auftraggeber bei negativen Verdachtsmomenten nicht auf die Präqualifikation verlassen müssen. Dem Bieter ist jedoch auch bei Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis der Eignungsnachweis per Einzelnachweis möglich.

Angebotsaufklärung, Urkalkulation

a) Grundsatz: Abgabe eines eindeutigen Angebots

Es gilt: ein Angebot ist vom Bieter inhaltlich so auszugestalten, dass der öffentliche Auftraggeber dieses ohne weiteres prüfen und werten kann. Das Angebot muss unzweideutig und abschließend sein; dies gilt ebenso für Nebenangebote. Hinsichtlich der Darlegungstiefe sollte sich der Bieter an der Leistungsbeschreibung des öffentlichen Auftraggebers orientieren und deren Niveau zumindest nicht unterschreiten.

b) Angebotsaufklärung

Der öffentliche Auftraggeber darf vom Bieter die sachliche Aufklärung des Angebotsinhalts (Eignung, Ausführungsarten, Bezugsquellen von Stoffen, eingesetzte Materialien) fordern. Dies ist jedoch nur ausnahmsweise in Einzelfällen zulässig, wenn das konkrete Angebot Anlass zur Aufklärung gibt. Die Angebotsaufklärung darf jedoch nicht dazu führen, dass der Bieter hiermit die Möglichkeit erhält, sein Angebot „nachzubessern“ oder in sonstiger Weise zu ändern. Eine Angebotsaufklärung ist auch dann ausgeschlossen, wenn dem Bieter dadurch lediglich die Möglichkeit eingeräumt wird, sich eine von mehreren Möglichkeiten zur Auslegung seines Angebotes auszusuchen.

Grundsätzlich besteht kein Anspruch des Bieters auf Aufklärung des Angebotsinhalts. Allerdings stellt es regelmäßig im Vergleich zum Ausschluss des Angebotes das mildere Mittel dar. Im Einzelfall kann, z.B. wenn dasselbe Problem bei mehreren Bietern besteht, die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers entstehen mit allen und nicht nur einem der Bieter Aufklärungsgespräche zu führen.

(1) Unangemessener Angebotspreis

Für den Fall, dass dem öffentlichen Auftraggeber ein Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint oder die Angemessenheit sich anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung nicht abschließend beurteilen lässt, kann der öffentliche Auftraggeber den Bieter unter Setzung einer angemessenen Frist und unter Benennung konkreter Anhaltspunkte zur Aufklärung der Zweifel auffordern (§ 16d Abs. 1 VOB/A sowie VOB/A EU, § 44 Abs. 1 UVgO, § 60 Abs. 1 VgV). Der Bieter ist hieraufhin verpflichtet, sein Angebot, soweit gefordert (Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen) zu erläutern.

Der öffentliche Auftraggeber hat bei der Beurteilung der Angemessenheit die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens, die gewählten technischen Lösungen oder sonstige besondere Ausführungsbedingungen zu berücksichtigen. Angemessenheit liegt dann nicht vor, wenn die begründete Vermutung besteht, dass der Bieter nicht in der Lage sein wird, seine Leistung vertragsgerecht zu erbringen. Die Vermutung besteht, wenn beispielsweise die Zeitansätze der Lohnkosten pro Leistungseinheit bzw. die Gesamtstundenzahl nicht den bautechnisch erforderlichen Ansätzen entsprechen. Die Vermutung kann nur dadurch widerlegt werden, dass der Bieter nachweist, dass er aus objektbezogenen, sachlich gerechtfertigten Gründen die Ansätze günstiger als die übrigen Bieter kalkulieren konnte.

c) Urkalkulation

Die Urkalkulation bezeichnet die Darlegung der Preisgrundlagen, welche aufgrund der (ursprünglichen) Ausschreibungsunterlagen erstellt wurde.

(1) Besteht eine Pflicht zur Vorlage?

Eine Pflicht zur Vorlage einer Urkalkulation ist in den Verfahrensordnungen nicht ausdrücklich vorgegeben. Erfordert die Aufklärung des Angebotsinhalts hinsichtlich einer möglichen Unangemessenheit der Preise aber die Vorlage der Urkalkulation (zur Nachvollziehbarkeit der Preisansätze), ist diese vom Bieter vorzulegen.

(2) Welchem Zweck dient die Urkalkulation?

Die Urkalkulation gewinnt besondere Bedeutung, wenn durch den Auftragnehmer Vergütungen als Nachträge geltend gemacht werden. Ohne eine nachvollziehbare Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Urkalkulation bzw. einer plausiblen (Nach-)Kalkulation ist ein geltend gemachter Mehrvergütungsanspruch bei Nachträgen i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. § 2 Abs. 6 VOB/B und ebenso § 2 Nr. 3 VOL/B (Leistungsänderungen und zusätzlichen Leistungen) unschlüssig und eine vom Auftragnehmer angestrengte Klage wird keinen Erfolg haben. Ein Rückgriff auf den ortsüblichen Preis ist dem Auftragnehmer verwehrt.

Nachreichen von Erklärungen und Nachweisen

Stellt der Auftraggeber im Rahmen der Eignungs- oder der Angebotsprüfung fest, dass geforderte Erklärungen oder Nachweise fehlen, hat er zu prüfen, ob diese nachzufordern sind.

a) Kein zwingender Ausschluss des Angebots

– Für Bauvergaben gilt: Sofern kein Grund vorliegt, bei dem eine Nachforderung ausgeschlossen ist, weil das Angebot zwingend auszuschließen ist, verlangt der Auftraggeber die fehlenden Unterlagen grundsätzlich nach. Hierzu setzt er dem Bieter eine Frist, diese soll sechs Kalendertagen nicht überschreiten. Diese Frist beginnt mit dem auf die Absendung der Nachforderung durch den Auftraggeber folgenden Tag. Verstreicht die Frist fruchtlos, ist das unvollständige Angebot zwingend auszuschließen (§ 16a VOB/A sowie VOB/A EU). – Für Liefer- und Dienstleistungen gilt: Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, können bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden (§ 41 Abs. 4 UVgO).

b) Zwingender Ausschluss des Angebots

Unvollständige Angebote sind auszuschließen. Allerdings können Unterlagen im Vergabeverfahren teilweise nachgefordert werden.

– Dies ist allerdings unzulässig, wenn es sich bei den fehlenden Angaben um wertungsrelevante Angaben handelt.

– Außerdem darf auch dann nicht nachgefordert werden, wenn zwar Nachweise vorgelegt wurden, diese jedoch unzureichend sind (z.B. nicht ausgefüllte Formblätter). Dies gilt, da die Nachforderungspflicht des Auftraggebers lediglich dazu dient, fehlende Unterlagen zu erhalten, nicht jedoch dazu dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen erfolgte Ausführungen durch bessere zu ersetzen.

Nachunternehmer: Benennung, Eignung

Wenn der Bieter -unter Beachtung der Reichweite des Selbstausführungsgebots die zu vergebenden Leistungen nicht selbst erbringen kann oder wenn der öffentliche Auftraggeber seine Zustimmung erteilt, kann der Bieter als späterer Auftragnehmer auch einen Nachunternehmer mit der Durchführung der Leistungen beauftragen.

a) Zulässigkeit der Vergabe an einen Nachunternehmer

Die Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers zum Einsatz eines Nachunternehmers ist jedenfalls dann zu erteilen, wenn eine Verweigerung unbillig und treuwidrig wäre, beispielsweise dann, wenn der Hauptauftragnehmer einen geeigneten Bewerber vorschlägt (es liegen keine konkreten Gründe vor, die gegen den vorgeschlagenen Nachunternehmer sprechen) und er Gründe anzuführen in der Lage ist, die ihn an einer eigenen Ausführung des Auftrags hindern. Werden Leistungen entgegen vorbenannter Voraussetzungen an Nachunternehmer vergeben, kann der öffentliche Auftraggeber dem Auftragnehmer die Leistungen nach Fristsetzung wieder entziehen. Der Auftragnehmer hat an den Nachunternehmer die Verpflichtungen aus dem vergebenen Vertrag weiterzugeben, die er auch selbst einhalten muss (insb. Tariftreue).

b) Eignungsprüfung bzgl. des Nachunternehmers

Die Eignungsprüfung betrifft unmittelbar nur den Bieter, der das Angebot eingereicht hat und der im Falle der Zuschlagserteilung gegenüber dem Auftraggeber vertraglich zur Ausführung des Auftrags verpflichtet wird. Der Auftraggeber kann die Eignungsprüfung jedoch auf die vom Bieter vorgesehenen Nachunternehmer erstrecken, um sicherzustellen, dass diese die erforderliche Eignung mitbringen.

Verhandlung

a) Grundsätzlich unzulässig

Verhandlungen über eingereichte (Neben-) Angebote sind grundsätzlich unzulässig. Denn mit der Abgabe der Angebote sind die Bieter an ihre Angebote gebunden, eine nachträgliche Änderung würde gegen die Gleichbehandlung der Bieter und die Transparenz des Wettbewerbs verstoßen. Auch fehlerbehaftete Angebote dürfen nicht nachträglich korrigiert werden, da sie hierdurch nachträglich, zum Nachteil der anderen Bieter, in den Auswahlprozess einzubeziehen wären.

b) Besondere Verfahrensarten

Wird hingegen ein Verhandlungsverfahren, bzw. ein wettbewerblicher Dialog oder eine Vergabe im Rahmen einer Innovationspartnerschaft durchgeführt, bei welchen sich der Auftraggeber nach, bzw. im Ausnahmefall bei Verhandlungsverfahren auch ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren Unternehmen über die Auftragsbedingungen zu verhandeln, wird auch nach Angebotsabgabe über das Angebot der Bieter verhandelt. Das Verfahren läuft dabei häufig mehrphasig ab, das bedeutet, es werden zunächst indikative Erst-Angebote eingereicht, die dann nach einer oder ggf. auch mehreren Verhandlungsrunden mit den Bietern in eine letzte Angebotsphase münden. Auf das wirtschaftlichste Angebot von diesen Schluss-Angeboten wird dann der Zuschlag erteilt. Es besteht die Möglichkeit, dass der Auftraggeber sich vorbehält, auch bereits auf die eingehenden indikativen Erst-Angebote ohne weitere Verhandlungsrunden den Zuschlag zu erteilen.

Angebotswertung – Maßstab für die Wertung

Ziel der Angebotswertung ist die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots.

Der Begriff der Wirtschaftlichkeit ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff. Der Auftraggeber hat diesbezüglich einen Beurteilungsspielraum. Kommt der Auftraggeber im Rahmen seiner Wertung zu dem Schluss, dass ein (Neben-) Angebot das wirtschaftlichste ist, ist auf dieses Angebot der Zuschlag zu erteilen (§§ 16dEU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A, 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A, § 58 Abs. 1 VgV, § 43 Abs. 1 und 2 UVgO).

Der Maßstab, anhand dessen der Auftraggeber das wirtschaftlichste Angebot ermittelt, unterscheidet sich danach, ob es sich um ein EU- oder nationales Verfahren handelt:

a) EU-Verfahren

Die Wertung von Angeboten in EU-Verfahren erfolgt anhand der ‚Zuschlagskriterien‘ (§ 58 Abs. 3 VgV, § 16dEU Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 VOB/A), welche bereits bei der Bekanntmachung, bzw. spätestens mit den Vergabeunterlagen mitsamt ihrer Gewichtung anzugeben sind. Deshalb ist es wesentlich, aussagekräftige Zuschlagskriterien bei der Erstellung der Vergabeunterlagen zu benennen. Die Bildung von Unterkriterien zur Ermöglichung einer spezifischeren Wertung kann sinnvoll sein, auch diese sind den Bietern transparent zu machen, ebenso das Wertungssystem. Die Zuschlagskriterien dienen dazu das Qualitätsniveau von Angeboten und ihren technischen-funktionellen und sonstigen sachlichen Wert nachvollziehbar und überprüfbar zu vergleichen. Auf dieser Basis soll das wirtschaftlichste Angebot ermittelt und dabei gegebenenfalls auch eingeschätzt werden, ob ein preislich günstigeres Angebot mit einem solchen Abstand hinter der Qualität eines anderen Angebots zurückbleibt, dass es nicht als das wirtschaftlichste Angebot bewertet werden kann. Die Wertungsentscheidung ist unbedingt nachvollziehbar zu dokumentieren (§§ 20 EU VOB/A, § 8 VgV).

b) Nationale Verfahren

Bei der Wertung der Angebote berücksichtigt der Auftraggeber ausschließlich Kriterien, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind (§ 43 Abs. 5 und 6 UVgO; § 16d Abs. 1 Nr. 5 VOB/A). Berücksichtigungsfähig sind z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Lebenszykluskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist (§ 43 Abs. 2 UVgO, § 16d Abs. 5 lit. 1-c VOB/A).

VIII. Registerabfragen

Unmittelbar vor der Zuschlagsentscheidung sind diverse Registerabfragen durchzuführen:

Hinweis: Das beim Bundeskartellamt neu errichtete bundesweite Wettbewerbsregister löst die Korruptionsregister der Länder und das Gewerbezentralregister ab. Die Abfrage des Wettbewerbsregisters ersetzt damit die Abfragen des bremischen Korruptionsregisters und des Gewerbezentralregisters.

Gewerbezentralregister

Mit der Abfragepflicht beim Wettbewerbsregister seit dem 01.06.2022 entfällt die Pflicht zur Abfrage des Gewerbezentralregisters. Eine Überführung von Daten aus diesem Register in das Wettbewerbsregister ist nicht vorgesehen. Um eine Informationslücke für Auftraggeber zu verhindern, besteht die Möglichkeit, das Gewerbezentralregister auf freiwilliger Basis für drei Jahre bis zum 31.05.2025 abzufragen.

Wettbewerbsregister

Seit dem 01.06.2022 ist von öffentlichen Auftraggebern vor der Vergabe eines Auftrags, dessen Auftragswert EUR 30.000,- erreicht, von Sektorenauftraggebern und Konzessionsgebern ab Erreichen der EU-Schwellenwerte, eine Abfrage beim Wettbewerbsregister durchzuführen (§ 6 WRegG). Das Wettbewerbsregister stellt Auftraggebern Informationen zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen, zu prüfen, ob ein Unternehmen wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte von dem Vergabeverfahren auszuschließen ist.

Hauptzollamt

Der öffentliche Auftraggeber hat die Möglichkeit, sich vor einer Zuschlagsentscheidung über Ermittlungen gegen Bieter/Bewerber wegen des Verdachts der Verletzung verschiedener arbeitsrechtlicher Bestimmungen zu informieren (§ 21 Abs. 1 Satz 5 SchwarzArbG bzw. § 21 Absatz 4 des AentG). Der öffentliche Auftraggeber kann auf diesem Wege aktuelle Informationen erhalten, die im Wettbewerbsregisterauszug noch nicht zu finden sind. Diese Informationen müssen in Bremen vor der Vergabe von Bauaufträgen, ab einem Auftragswert von 30.000,- €, standardmäßig beim Hauptzollamt abgerufen werden. Für alle übrigen Auftragsarten erfolgt die Abfrage nur bei Vorliegen eines begründeten Verdachts.

IX. Auftragserteilung – Zuschlag

Zeitpunkt der Zuschlagserteilung

Das Angebot, welches sich im Rahmen der Wertung als wirtschaftlichstes darstellt, erhält den Zuschlag.

a) Zuschlag innerhalb der Bindefrist

Mit dem Zuschlag kommt der Vertrag zwischen Auftraggeber und Bieter (nunmehr Auftragnehmer) zustande, wenn der Zuschlag innerhalb der Bindefrist erteilt wird. Mit Angebotsabgabe hat der Bieter sich zuvor für einen vom Auftraggeber festgelegten Zeitraum als an sein Angebot gebunden zu erklären (Bindefrist) (§ 18 Abs. 1 VOB/A und VOB/A-EU, § 13 Abs. 1Satz 1 UVgO).

b) Zuschlag nach Ablauf der Bindefrist

Erteilt der Auftraggeber den Zuschlag nicht während dieser Bindefrist oder nimmt der Auftraggeber Modifikationen am Angebot vor, ist der Bieter aufzufordern, sich über die Annahme des Zuschlags zu erklären (§ 18 Abs. 2 VOB/A sowie VOB/A-EU). Er wird also zunächst nicht unmittelbar durch den Zuschlag gebunden.

Eines gesonderten Vertragswerkes zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bedarf es nicht mehr, der Vertrag kommt mit dem Zuschlag zu den in den Vergabeunterlagen genannten Bedingungen zustande.

Informationspflichten gegenüber unterlegenen Bietern

a) Verfahren mit Teilnahmewettbewerb

Bei Verfahren mit Teilnahmewettbewerb sind Bewerber, deren Bewerbung abgelehnt wurde unverzüglich (§ 19EU VOB/A bzw. nach Antrag/Verlangen (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 VgV, § 19 VOB/A, § 46 Abs. 1 Satz 3 UVgO) zu unterrichten.

b) Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb

Außerdem sind Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren (§ 97 Abs. 1 GWB, § 19EU Abs. 2 VOB/A, § 62 VgV, § 19 Abs. 2 VOB/A). Dies gilt auch für Bewerber, denen keine Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt wurde, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist.

c. Wartefrist

In EU-Verfahren darf ein Vertrag grundsätzlich erst 15 Kalendertage nach Absendung dieser Information geschlossen werden (§ 97 Abs. 2 GWB). Wird die Information auf elektronischem Weg oder per Fax versendet, verkürzt sich die Frist auf zehn Kalendertage. Die Frist beginnt am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber. Die Informationspflicht entfällt in Fällen, in denen das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen besonderer Dringlichkeit gerechtfertigt ist (§ 97 Abs. 3 Satz 1 GWB)

X. Aufhebung des Vergabeverfahrens

Das Vergabeverfahren kann nicht nur durch Zuschlag, sondern auch durch Aufhebung beendet werden. Durch eine dieser Möglichkeiten muss das Verfahren jedoch beendet werden. Der Auftraggeber kann nicht einfach untätig bleiben.

Gründe für eine Aufhebung

Die Ausschreibung kann aufgehoben werden, wenn:

  1. kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht,
  2. sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat und dem entsprechend die

Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen,

  1. kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde
  2. andere vergleichbare schwerwiegende Gründe bestehen (§ 17 VOB/A sowie VOB/A-EU, § 48 Abs. 1

UVgO, § 63 VgV).

Das unter Nr. 3 genannte ‚unwirtschaftliche Ergebnis‘ wird in der VOB/A nicht ausdrücklich genannt, lässt sich hier jedoch unter den Tatbestand der „vergleichbaren schwerwiegenden Gründe“ subsumieren.

Aufhebung ohne Vorliegen von anerkannten Gründen

Der Auftraggeber hat jederzeit das Recht, das Verfahren aufzuheben; in der Konsequenz kommt es allerdings darauf an, ob der Auftraggeber hierfür vergaberechtlich anerkannte Gründe für diese Aufhebung geltend machen kann. Wenn dies nicht der Fall ist, kann den Bietern ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen.

Informationspflicht

Erfolgt eine Aufhebung des Vergabeverfahrens muss der Auftraggeber dies den Bietern unter Angabe der Gründe unverzüglich in Textform mitteilen.

XI. Vergabedokumentation

Die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen sind in Textform zu dokumentieren. Hierdurch soll die Vergabeentscheidung dem Bieter nachvollziehbar und kontrollierbar gemacht werden. Diese sogenannte ex-post-Transparenz erfordert, dass die Dokumentation laufend fortgeschrieben wird.

Minimalanforderungen an die Dokumentation

Es bestehen Anforderungen an das Minimum der Dokumentation (§ 8 VgV, §§ 20EU VOB/A, 20 Abs. 1 VOB/A, § 6 UVgO):

1. Daten des Auftraggebers,

2. Art und Umfang der Leistung,

3. Wert des Auftrags,

4. Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und Gründe für ihre Auswahl,

5. Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für die Ablehnung,

6. Gründe für die Ablehnung von ungewöhnlich niedrigen Angeboten,

7. Name des Auftragnehmers und Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf sein Angebot,

8. Anteil der beabsichtigten Weitergabe an Nachunternehmen, soweit bekannt,

9. bei Beschränkter Ausschreibung, Freihändiger Vergabe/ Verhandlungsvergabe Gründe für die Wahl des jeweiligen Verfahrens,

10. Angaben zur losweisen Vergabe,

11. Angaben zu potenziellen Interessenkonflikten

12. gegebenenfalls die Gründe, aus denen der Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags verzichtet hat.

Der Auftraggeber trifft geeignete Maßnahmen, um den Ablauf der mit elektronischen Mitteln durchgeführten Vergabeverfahren zu dokumentieren.

Rechtsfolgen eines Dokumentationsmangels

a) EU-Verfahren

Besteht bei EU-Vergabeverfahren ein Dokumentationsmangel verletzt dies die Rechtsstellung des Bieters in seinem subjektiven Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen (§ 97 Abs. 6 GWB), so dass dieser erfolgreich das Vergabenachprüfungsverfahren betreiben kann. Es ist in aller Regel nicht zulässig, Dokumentationsmängel durch einen nachträglichen Vergabevermerk oder dadurch zu beheben, dass der öffentliche Auftraggeber die entsprechenden Angaben schriftsätzlich oder durch mündlichen Sachvortrag im Vergabenachprüfungsverfahren nachholt.

b) Nationale Verfahren

Für die Überprüfung, ob öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Waren-, Bau- oder Dienstleistungen gegen das dabei einzuhaltende Vergaberecht verstoßen haben und dadurch Unternehmen, die ein Interesse am Auftrag haben, in ihren Rechten verletzt wurden, kann bei Nichterreichen der Schwellenwerte die Rechtsaufsichtsbehörde des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers angerufen werden.

Die Regierungspräsidien sind hierbei zuständige Rechtsaufsichtsbehörde für Stadt- und Landkreise und die Großen Kreisstädte; in dieser Eigenschaft werden die Referate 14 der Regierungspräsidien tätig, soweit für diese Kommunen nicht die jeweilige Fachaufsicht in den Regierungspräsidien zuständig ist. Dort wird die Rechtmäßigkeit in einem formlosen Verfahren geprüft.

XII. Veröffentlichungspflichten

Den Auftraggeber treffen bestimmte ex-ante und ex-post Veröffentlichungspflichten.

Nationale Verfahren

EU-Verfahren

Für alle EU-Verfahren existiert eine ex-post-Veröffentlichungspflicht. Der öffentliche Auftraggeber übermittelt spätestens 30 Tage nach der Vergabe eines öffentlichen Auftrags eine Vergabebekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union (§ 39 Abs. 1 VgV, 18 EU Abs. 4 VOB/A).

XIII. Nachträge

Was sind Nachträge?

Während der Vertragsdurchführung kann sich herausstellen, dass bestimmte Leistungen erforderlich sind, um die beauftragte Leistung/ den beauftragten Erfolg erbringen zu können. Häufig ergibt sich, dass eine der beiden Vertragsparteien diese Umstände im Vergabeverfahren nicht berücksichtigt hat.

Vor allem in der Baupraxis kommt es daher bei vielen Vorhaben zu sogenannten Nachträgen. Ein Nachtrag lässt sich mit folgenden Merkmalen charakterisieren:

– Abweichung der tatsächlich zu erbringenden Leistung vom geforderten Soll, welche

– erst nach Vertragsabschluss gefordert bzw. erkennbar wird und

– eine Forderung des Auftragnehmers auf Vergütung für diese Abweichung beinhaltet.

Gibt es Nachträge nur bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen?

Hintergrund für diese Nachträge bei öffentlichen Aufträgen ist: Der Auftragnehmer ist grundsätzlich, unabhängig von den vertraglichen Vereinbarungen, verpflichtet, zusätzliche Arbeiten mitauszuführen, wenn die Arbeiten erforderlich sind, um den vertraglich vereinbarten Erfolg zu erreichen (§ 2 Abs. 6 VOB/B, § 2 Abs. 1 VOL/B).

Wann besteht ein Anspruch auf Nachtragsvergütung?

Ein Anspruch auf eine mit einem Nachtrag verbundene Anpassung der Vergütung besteht grundsätzlich, wenn die Änderung aus dem vertraglichen Verantwortungsbereich des Auftraggebers stammt (§ 2 Abs. 6 Nr.1 Satz 1 VOB/B, § 2 Abs. 1 VOL/B). Die Gründe, welche zu einem Nachtrag führen, können unterschiedlich sein, z.B.:

– eine fehlerhafte oder lückenhafte Leistungsbeschreibung. Hat der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung erstellt, gehen Unvollständigkeiten oder Fehler grundsätzlich zu seinen Lasten,

– Anordnungen bzw. Eingriffe des Auftraggebers (z.B. Kündigung von Teilleistungen, Forderung nach zusätzlichen Leistungen, Fristenänderungen oder Forderung nach geänderte Leistungen gegenüber der geplanten Ausführung)

– unzureichende Mitwirkung des Auftraggebers (z.B. bei Bereitstellungspflichten von Ausführungsunterlagen)

Wann besteht kein Anspruch auf Nachtragsvergütung?

Resultiert die Nachtragsforderung hingegen aus einem Umstand, welcher aus dem Risikobereich des Auftragnehmers stammt, besteht seinerseits grundsätzlich kein Anspruch auf eine Anpassung der Vergütung (z. B. hat sich der Auftragnehmer bei seiner Kalkulation hinsichtlich Kosten wie Material, Arbeitskraft oder von der Länge der Bauzeit abhängige Kosten (Miete für Gerüst oder Maschinen) geirrt.

XIV. Nachprüfungsstelle

EU-Verfahren

Nachprüfende Stelle, bei EU-Verfahren ist die Vergabekammer bzw. der Vergabesenat des zuständigen OLG. Hinsichtlich der Angebotswertung ist die Entscheidung des AG nur dahingehend zu überprüfen, ob er

– seinen Beurteilungsspielraum erkannt hat (weiß der AG, dass er nicht nur eine bestimmte Entscheidung treffen kann?),

– die Grenzen des Beurteilungsspielraumes eingehalten (hält sich der AG innerhalb der durch die Ausschreibungsunterlagen vorgegebenen Rahmenbedingungen (Mindestanforderungen, Zuschlagskriterien, LV) und

– ist er nicht von sachfremden Erwägungen ausgegangen (hat der AG eine willkürliche Entscheidung getroffen, welche sich nicht sachlich begründen lässt?).

Nationale Verfahren

Eine Überprüfung nationaler Verfahren durch die Vergabekammer/ das Oberlandesgericht findet nicht statt.

BW: Vergabe von Planungsleistungen durch Kommunen des Landes nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

BW: Vergabe von Planungsleistungen durch Kommunen des Landes nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

Architekten- und Ingenieurleistungen sind freiberufliche Dienstleistungen und fallen nicht unter den Begriff der »Bauleistungen« im Sinne von § 1 VOB/A. Bei einem Generalunternehmervertrag gilt die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, und zwar sowohl für die Bauleistungen als auch für die damit verbundenen Planungsleistungen, wie zum Beispiel Ausführungspläne und statische Berechnungen, nicht jedoch für daneben übernommene selbstständige Architekten- und Ingenieurleistungen. Architekten- und Ingenieurleistungen sind hinsichtlich der Entgelte unter Beachtung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung vom 10. Juli 2013 (BGBl. I S. 2276) zu vergeben,

vgl. 3.3 Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen 

Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (VergabeVwV) vom 27. Februar 2019 – Az.: 2-2242.0/21 –

Zur Vergabe freiberuflicher Leistungen wird auf Nummer 8.8 Absatz 1 und 2 VwV Beschaffung (Vergabe freiberuflicher Leistungen) verwiesen. Dem Wettbewerbsgrundsatz bei freiberuflichen Leistungen (§ 50 Satz 1 UVgO) ist Genüge getan, wenn der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich mehrere, in der Regel mindestens drei Unternehmen, zur Abgabe eines Angebots aufgefordert hat,

vgl. 4.2 Freiberufliche Leistungen

Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (VergabeVwV) vom 27. Februar 2019 – Az.: 2-2242.0/21 –

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. April 2019 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich vom 5. April 2016 außer Kraft. Diese Verwaltungsvorschrift tritt mit Ablauf des 31. März 2026 außer Kraft.

vgl. 5 Inkrafttreten, Außerkrafttreten Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (VergabeVwV) vom 27. Februar 2019 – Az.: 2-2242.0/21 –

Unser Vorschlag: Suchverfahren

Phasen:

Ein Suchverfahren muss, anders als beim VgV-Verfahren, nicht strikt in eine Eignungs- und eine Zuschlagsphase getrennt werden. Meist werden Auftraggeber*innen von sich aus den Wettbewerb nur auf drei Bewerber*innen beschränken, deren Eignung ihnen bekannt ist. Beim Suchverfahren gibt es also nur eine Phase, welche eine angepasste Eignungsprüfung umfasst und alle weiteren Kriterien zu Zuschlagskriterien macht.

Verfahrensbeginn

Bedarfsplanung, Aufgabenbeschreibung, Auftragswert:

Voraussetzung für den Beginn eines Vergabeverfahrens ist, dass Auftraggeber*innen ihren Bedarf möglichst gut eingegrenzt haben. Dies stellen sie durch eine „Bedarfsplanung“ sicher. Dabei sollten sie sich an der DIN 18205 „Bedarfsplanung im Bauwesen“ orientieren. Ohne Bedarfsplanung können Auftraggeber*innen grundsätzlich kein Suchverfahren durchführen. Die „Abarbeitung“ der in der Norm aufgeführten Checkliste in einem Umfang, der dem jeweiligen Projekt entspricht, hat die Aufgabenbeschreibung zum Ergebnis. Eine solche Aufgabenbeschreibung sollte mindestens folgende Gliederungspunkte umfassen: Veranlassung, Randbedingungen (z. B. ergänzt durch ein Foto) und wesentliche Ziele. Als Nächstes ermitteln die Auftraggeber*innen den Auftragswert. Damit kommen sie ihrer Pflicht nach § 3 VgV nach. Dabei geht es zunächst darum, dass zu dokumentieren ist, dass der Auftragswert unterhalb des EU-Schwellenwerts liegt. Je näher der Auftragswert dem Schwellenwert kommt, umso genauer ist der Auftragswert zu ermitteln.

Weiter sollten Auftraggeber*innen eine eigene Vorstellung von der Höhe eines angemessenen Honorars entwickeln. Dafür berücksichtigen sie die gewünschte Bearbeitungsintensität. Soweit die Leistungen in der HOAI verordnet sind, ist der Auftragswert HOAI-konform zu ermitteln. Im anderen Fall ist der Stundenaufwand zu schätzen und mit angemessenen Stundensätzen zu multiplizieren. In schwierigen Fällen sollten Honorarsachverständige hinzugezogen werden. Auftraggeber*innen haben eine Prognose anzustellen und zu dokumentieren, dass kein grenzüberschreitendes Interesse an dem Auftrag gegeben ist.

Vergabevermerk:

Der Vergabevermerk ist auch beim Suchverfahren anzuraten (§ 6 UVgO), dokumentiert dieser doch die transparente Vorgehensweise. Im Vergabevermerk werden die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen dokumentiert. Er sollte kurz und prägnant alle wichtigen Informationen enthalten. Entsprechend ist dieser mit Verfahrensbeginn zu starten und zeitnah fortzuschreiben und mit der Vergabe oder Aufhebung (§ 48 UVgO) abzuschließen.

Die Gliederung sollte sich an § 8 Abs. 2 VgV orientieren und Folgendes beinhalten:

− Name und Anschrift des Auftraggebers

− Aufgabenbeschreibung

− Wert des Auftrags

− Namen der berücksichtigten Bewerber und Gründe für ihre Auswahl (Streuung beachten!)

− Darstellung der Verfahrensdurchführung

− Name des erfolgreichen Bewerbers und die Gründe für die Auftragserteilung

− evtl. Gründe, aus denen auf die Auftragsvergabe verzichtet wurde.

In den Bundesländern, in denen es Nachprüfungsbehörden gibt, ergibt sich aus dem Vergabevermerk, ob eventuelle Beanstandungen berechtigt sind.

Verfahrensdurchführung

Bekanntmachung, Auswahl und Aufforderung zum Einreichen von Unterlagen und Angebot:

Auftraggeber*innen können beim Suchverfahren auf eine Bekanntmachung der Vergabeabsicht und eine formelle erste Auswahlphase verzichten. Sie werden mehrere Bewerber*innen ansprechen, deren grundsätzliche Eignung ihnen bekannt ist. Sollten ihnen keine solchen Bewerber*innen bekannt sein, können sie ihre Beschaffungsabsicht auf den üblichen Portalen bekannt machen und eine Auswahlphase vorschalten.

Auftraggeber*innen fordern die von ihnen gewünschten Unterlagen schriftlich an. Dies könnte so erfolgen, dass sie diese Unterlage und die in der Bedarfsplanung erstellte Aufgabenstellung übersenden. Damit sollte den Bewerber*innen klar sein, welche Referenzen sie angeben und im Gespräch präsentieren. Die Übersendung erzeugt die erforderliche Transparenz des Leistungswettbewerbs. Seit 01.01.2021 gilt eine HOAI ohne verbindliche Mindest- und Höchstsätze.

Damit sind Auftraggeber*innen frei, wie sie Honorare anfragen. Sie könnten die HOAI völlig unbeachtet lassen und auch Pauschalen oder Stundensätze abfragen. Dennoch müssen Auftraggeber*innen die Angebote vergleichen und das auch dann, wenn sich bei der Planung später Änderungen ergeben. Das gelingt, wenn sie die Parameter nach § 6 HOAI für das Angebot als zwingend für die Kalkulation vorgeben und nur am Ende Zu- oder Abschläge vom so ermittelten Honorar abfragen.

Die zwingend vorzugebenden Parameter sind: Objekte (§ 11 HOAI), anrechenbare Kosten (§ 4 HOAI), Honorarzone (§ 5 HOAI), Leistungsphasen und deren Bewertung (eventuell auch nur Teilleistungen und deren Bewertung nach üblichen Tabellen) und anzuwendende Honorartafeln. Damit Honorare von Anfang an angemessen sind, sollten Auftraggeber*innen den Mittelsatz als Ausgangspunkt für Zu- und Abschläge vorgeben (ausführlich nachfolgend zum Honorar und zur Angebotsprüfung).

Preis-Leistungsverhältnis:

Grundsätzlich erfolgt eine Vergabe nach dem besten Preis-/Leistungsverhältnis (§ 43 Abs. 2 UVgO). 

Wird das Verhältnis konsequent angewandt, erhalten der Preis und die Leistungsfähigkeit dieselbe Gewichtung, nämlich jeweils 50 %. So kann ein Bewerber einen sehr guten Projektleiter für das Projekt vorsehen, der bei ihm grundsätzlich auch etwas höhere Kosten erzeugt, und dafür seinen Preis entsprechend höher ansetzen, wenn er erwartet, dass ein konkurrierender Bewerber keinen vergleichbaren Projektleiter präsentiert.

Bei der nachfolgend vorgeschlagenen Bewertung der Leistung könnte z. B. der Bewerber ein bis zu 10 % höheres Angebot machen, wenn er erwartet, dass der Auftraggeber ihm beim Kriterium D.1. einen Punkt mehr gibt als seinem Mitbewerber.

Um das beste Preis-/Leistungsverhältnis zu bestimmen, werden zunächst Leistungspunkte L und dann Preispunkte P bestimmt und aus diesen eine Kennzahl Z ermittelt. Damit keine sehr kleinen Kennzahlen Z entstehen, wird ein Faktor 10.000 verwendet.

So ergibt sich die Kennzahl Z wie folgt:

Z = L/P*10.000

Derjenige mit der höchsten Kennzahl Z erhält den Auftrag.

Preispunkte P:

P ist der Angebotspreis in € (nach Preisprüfung, siehe nachfolgend).

Leistungspunkte L:

Für die Leistungspunkte sollte die Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkunde bewertet werden (Unterabschnitt 5 UVgO). Dazu ist es üblich, z. B. Umsatzzahlen und Referenzen zu fordern und zu bewerten. Die in dieser Unterlage vorgeschlagene Bewertung erfolgt mittels Punktesystem ähnlich einer Nutzwertanalyse. Dafür werden die Kriterien mit einer Bewertung von 1 bis 5 versehen und gewichtet. Die Punkte ergeben sich durch Multiplikation von Wichtung und Bewertung.

Auftraggeber*innen ist zu empfehlen, Unterlagen nur in dem Umfang zu fordern, wie es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Dies reduziert den Aufwand der Bewerber*innen für die Zusammenstellung der Unterlagen und den Aufwand der Auftraggeber*innen für die Auswertung.

Zur Absicherung bei späteren Haftungsfällen sollten Auftraggeber*innen bei allen Vergaben eine Eigenerklärung über eine bestehende Haftpflichtversicherung in der gewünschten Höhe verlangen und sich diese vor Auftragserteilung belegen lassen.

Fehlt in der Bewerbung eine gewünschte Erklärung, können Auftraggeber*innen diese nachfordern. Um dem Gleichbehandlungsgebot zu genügen, müssen fehlende Unterlagen bei allen Bewerbern nachgefordert werden. Bewerber*innen, die trotz Nachfrage keine Erklärung abgeben, sollten für die Auftraggeber*innen nicht mehr interessant sein und bei der konkreten Vergabe unberücksichtigt bleiben. Im Verhältnis L/P stellen L die Leistungspunkte dar, die gemäß nachfolgender Liste mit bis zu 500 Punkten bewertet werden.

Zu den Wertungskriterien:

Die unter A 1. erwartete Eigenerklärung der Bewerber*innen wird daraufhin geprüft, ob die geforderten Deckungssummen angegeben sind. Die Wertungsgewichte der Kriterien A 2. bis D werden mit den Bewertungszahlen 1 (schlecht) bis 5 (sehr gut) bewertet und multipliziert. Die so berechneten Punktprodukte (Wertungsgewicht x Bewertungszahl) je Kriterium ergeben die Leistungspunkte L.

Damit Bewerber*innen nicht das schlechteste Personal zum niedrigsten Preis anbieten und dadurch beim Preis-/Leistungsverhältnis uneinholbar gut abschneiden, wird eine Mindestschwelle für die Leistungspunkte (450 von 500 Punkten) definiert.

Derjenige mit der höchsten Kennzahl Z hat das beste Preis-/Leistungsverhältnis bei Einhaltung einer Mindestleistungsfähigkeit und erhält den Auftrag.

Bietergespräche:

Auftraggeber*innen führen mit allen ausgesuchten Bewerber*innen Gespräche. Nur mit solchen Gesprächen können sie eine aktuelle Bewertung des Bewerbers oder der Bewerberin erhalten. Es kann grundsätzlich kein „bekannt und bewährt“ geben, schließlich kann sich bei jedem Bewerber oder jeder Bewerberin die Leistungsfähigkeit jederzeit verändern. Z. B. können besonders qualifizierte Mitarbeiter*innen hinzukommen oder diese verlassen das Unternehmen, Bewerber*innen könnten Qualifizierungsmaßnahmen ergriffen oder ihre Erfahrungen erweitert haben. Durch die Übersendung der Zuschlagskriterien an die Bewerber*innen sind ergänzende Hinweise auf das Gespräch verzichtbar. Bewerber*innen sind über das, was sie erwartet, informiert. Das dient der Transparenz.

Hinweise, wie die Kriterien gewertet werden:

Zu A 1. Haftpflichtversicherung:

Hier akzeptieren Auftraggeber*innen eine Eigenerklärung über die von ihnen vorgegebene Haftpflichtversicherungssumme.

Zu A 2. Umsatzzahlen:

Die Umsatzzahlen zeigen, dass Bewerber*innen auch im vergangenen Jahr ausreichend leistungsfähig waren. Die Bewertung orientiert sich an dem konkreten Umsatz für den vorliegenden Fall. Der angegebene Umsatz U wird auf den zu erwartenden Auftragswert pro Jahr (A) bezogen.

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu B 1. Referenzen:

 

Auftraggeber*innen bewerten die Anzahl der Referenzen der Bewerber*innen, die mit dem vorliegenden Projekt vergleichbar sind. Dabei orientiert sich die Vergleichbarkeit an den Anforderungen aus der Aufgabenbeschreibung.

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu B 2. Überprüfung der Referenzen des Bewerbers:

Die beste Aussage über die Referenzen erhalten Auftraggeber*innen, indem sie die Zufriedenheit der angegebenen Auftraggeber*innen hinterfragen. Die mündliche Aussage sagt mehr aus als formelhafte Bescheinigungen. Auftraggeber*innen bitten die Auftraggeber*innen der Referenz um ihre Bewertung der Erfahrungen mit dem Bewerber und vergeben daraufhin eine eigene Bewertung in Form der üblichen Schulnoten, von 1 für eine sehr gute Leistung bis 6 für eine ungenügende Leistung.

Die Abfrage erfolgt mit folgendem Formular, mit z. B. drei Referenzen:

Zu B 2. Überprüfung der Referenzen des Bewerbers:

Die beste Aussage über die Referenzen erhalten Auftraggeber*innen, indem sie die Zufriedenheit der angegebenen Auftraggeber*innen hinterfragen. Die mündliche Aussage sagt mehr aus als formelhafte Bescheinigungen. Auftraggeber*innen bitten die Auftraggeber*innen der Referenz um ihre Bewertung der Erfahrungen mit dem Bewerber und vergeben daraufhin eine eigene Bewertung in Form der üblichen Schulnoten, von 1 für eine sehr gute Leistung bis 6 für eine ungenügende Leistung.

Die Abfrage erfolgt mit folgendem Formular, mit z. B. drei Referenzen:

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Die Gespräche sollten in einem kurzen Gesprächsvermerk dokumentiert werden.

Zu C 1. Referenzen des Projektleiters / der Projektleiterin:

Auftraggeber*innen bewerten die Anzahl der Referenzen des Projektleiters oder der Projektleiterin, die mit dem vorliegenden Projekt vergleichbar sind. Auch hier orientiert sich die Vergleichbarkeit an den Anforderungen aus der Aufgabenbeschreibung.

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu D 1. Präsentation eines vergleichbaren Projekts:

Die Erfahrung zeigt, dass der Projekterfolg in der Regel unmittelbar mit der Qualität des Projektleiters oder der Projektleiterin zusammenhängt. Die Präsentation soll dem Auftraggeber zeigen, wie der Projektleiter oder die Projektleiterin bei einem vergleichbaren Projekt vorgegangen ist. Dabei wird bewertet, inwieweit und wie kompetent diese auf die Aspekte eingehen, die für das Projekt aus Sicht der Auftraggeber*innen entscheidend sind. Darzustellen ist die Vorgehensweise im Projekt, d. h. es sollte auf die Ausgangssituation, die technische Lösung, den angestrebten und erreichten Projekterfolg, die Projektabwicklung und die Investitions- und Folgekosten eingegangen werden.

Im Grunde ist dieses Kriterium mit einem Einstellungsgespräch vergleichbar, nur dass es den Auftraggeber*innen nicht darum geht, dauerhafte Mitarbeiter*innen einzustellen, sondern Mitarbeiter*innen auf Zeit für ein konkretes Projekt zu gewinnen. Es erfolgt eine Wertung, durchaus mit subjektiven Komponenten (im Sinne von Einschätzungen für den Projekterfolg, nicht im Sinne von willkürlichen persönlichen Präferenzen).

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu D 2. Qualität der vorgelegten Unterlagen:

Auftraggeber*innen bewerten die zur Bewerbung und zum Bietergespräch vorgelegten Unterlagen unter Qualitätsaspekten. Darunter sind Unterlagen zu verstehen, die sich auf die Aspekte der Projektaufgabe beziehen, die anhand der vorgegebenen Struktur gegliedert sind, die nicht zu umfangreich sind und die ein leichtes Auffinden aller Angaben sicherstellen. Die Qualität der von den Bewerber*innen vorgelegten Unterlagen lässt erwarten, dass auch die im Auftragsfall zu erbringenden Ausarbeitungen in gleicher Qualität sind.

Die Wertung der Unterlagen erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zum Honorar und zur Angebotsprüfung:

Auftraggeber*innen weisen die Bewerber*innen zum Honorar darauf hin, dass sie zunächst ein indikatives Angebot erwarten und dieses im Gespräch mit den Bewerber*innen verhandeln und anschließend um ein endgültiges Angebot bitten werden.

Sie weisen die Bieter*innen zudem darauf hin, dass sie die Angebote vergleichbar machen müssen und dass bereits die indikativen Angebote die Kalkulationsvorgaben einzuhalten haben oder das Angebot ausgeschlossen wird. Alle Parameter der HOAI sind vorgegeben, nur am Ende sind Zu- oder Abschläge anzugeben. Nur im Begleitschreiben zum indikativen Angebot sind Nebenangebote (z. B. Hinweise auf geändert angebotene Leistungen) zulässig.

Diese Nebenangebote werden verhandelt und soweit diese geänderten Leistungen interessant sind, erhält jeder der Bewerber*innen die Information, die geänderte Leistung im endgültigen Angebot zu berücksichtigen.

§ 44 UVgO regelt die Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote. § 44 Abs. 1 UVgO lautet:

„Erscheinen der Preis (…) eines Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.“

Bei den hier vorliegenden Planungsleistungen können Auftraggeber*innen auf die Tafelwerte der HOAI als Orientierungswerte zurückgreifen. Honorare außerhalb des Rahmens der Honorartafeln sind unangemessen und damit ungewöhnlich niedrig.

§ 40 Abs. 2 UVgO regelt die Preisprüfung wie folgt:

„Der Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen:

1. die Wirtschaftlichkeit (…) der Erbringung der Dienstleistung,

2. (…) die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen (…) bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt,

3. die Besonderheiten der angebotenen (…) Dienstleistung. (…).“

Demnach prüfen Auftraggeber*innen das Angebot und fordern bei Bedarf Unterlagen, welche zu einer Aufklärung beitragen. Bieter*innen haben also entweder gleich mit dem Angebot, sonst auf Anforderung aufzuklären, warum sie die Leistung besonders günstig anbieten können, warum für sie außergewöhnlich günstige Bedingungen vorliegen oder warum es sonstige Besonderheiten gibt. Bei Planungsleistungen wird es eher selten belastbare Gründe für besonders niedrige Preise geben, weil die Kostenstrukturen bei allen Planenden – jedenfalls im Inland – ähnlich sind.

Dabei geht es bei der Preisprüfung im Wesentlichen um den Schutz der Auftraggeber*innen vor schlechter Leistung. Auftraggeber*innen haben zu beachten, dass eine Preisprüfung bei ungewöhnlich niedrigen Preisen zwingend ist. Auftraggeber*innen schließen Angebote, deren ungewöhnlich niedriger Preis nicht aufgeklärt wird, von der Wertung aus (§ 44 Abs. 3 UVgO).

Vergabe:

Das Angebot, das bei diesem Bewertungsverfahren insgesamt die höchste Kennzahl Z erreicht, erscheint als das beste und erhält den Zuschlag.

Verfahrensabschluss

Nachdem der Bieter oder die Bieterin ermittelt ist, ist mit diesem oder dieser der Vertrag zu schließen. Zuvor sollten die nicht berücksichtigten Bieter*innen informiert werden, dass diese den Auftrag nicht erhalten (§ 46 UVgO). In den Bundesländern, in denen es Nachprüfungsbehörden gibt, sind die in den jeweiligen Gesetzen und Verordnungen genannten Informations- und Wartepflichten zu beachten. Die wesentlichen Gründe, die zur Nichtberücksichtigung geführt haben, sollten genannt werden. Wird nach dieser Unterlage vorgegangen, genügt es, den Bewerber*innen die Matrix mit den an sie vergebenen Punkten mitzuteilen. Eine Bekanntmachung der Vergabe auf Internetportalen oder in Beschafferprofilen ist empfehlenswert (§ 30 UVgO).

Vor der formellen Auftragserteilung fordert der Auftraggeber oder die Auftraggeberin bei dem erfolgreichen Bieter oder der erfolgreichen Bieterin alle Erklärungen als Beleg ab, die bisher nur als Eigenerklärung vorliegen (z. B. tatsächlicher Nachweis der Berufshaftpflichtversicherung in der geforderten Höhe).

Nach § 19 Abs. 4 MiLoG muss der öffentliche Auftraggeber oder die öffentliche Auftraggeberin bei Auftragswerten über 30.000 € (und damit bei Vergaben von Planungsleistungen nach VgV immer) eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150a der Gewerbeordnung einholen. Das kann und sollte der Auftraggeber oder die Auftraggeberin auf dem elektronischen Weg beim Bundesamt für Justiz machen. Bei Planungsleistungen ist die Einhaltung der Mindestlöhne zwar kein relevantes Thema, das Gesetz schreibt die Auskunftseinholung jedoch vor.

Auftraggeber*innen müssen zudem beim Wettbewerbsregister (= Korruptionsregister) beim Bundeskartellamt entsprechend dem Wettbewerbsregistergesetz – WRegG bei Auftragswerten über 30.000 € (§ 6 Abs. 1 WRegG) nachfragen, ob das Unternehmen im Zusammenhang mit den Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 GWB geführt ist. Dies ist nach Registrierung einfach elektronisch möglich. Bei Planungsleistungen ist das erneut nur eine Formalie, aber vorgeschrieben.

Der Vergabevermerk kann mit allen Informationen abgeschlossen werden, wodurch das Vergabeverfahren insgesamt abgeschlossen ist. Der Vergabevermerk ist bis zum Ende der Laufzeit des Vertrags, mindestens aber drei Jahre ab dem Zuschlag, aufzubewahren. Dies auch deshalb, weil es während der Laufzeit des Vertrags zu Änderungen kommen kann, welche nach § 47 UVgO dahingehend zu prüfen sind, ob eine Neuausschreibungspflicht besteht. Dafür wird der Vergabevermerk erneut benötigt.

BW: Vergabe von Planungsleistungen durch Behörden und Betriebe des Landes nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

BW: Vergabe von Planungsleistungen durch Behörden und Betriebe des Landes nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden (siehe Fußnote 2 zu § 50 UVgO), sind unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist ohne Bindung an die übrigen Vorschriften der UVgO so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist, § 50 UVgO. Es sind unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und aus Wettbewerbsgründen eine Markterkundung durchzuführen oder mehrere Vergleichsangebote einzuholen, es sei denn im Einzelfall rechtfertigen die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände, dass nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. Dabei kann sich der Auftraggeber an der Regelung in § 12 Absatz 3 UVgO orientieren.

Die Vorschriften zur Dokumentation von Vergabeverfahren in § 6 UVgO sind auch für den Bereich der Vergabe freiberuflicher Leistungen anzuwenden.

Im Bereich der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg gelten zusätzlich die Richtlinien für die Beteiligung freiberuflich Tätiger an Baumaßnahmen des Landes und des Bundes (RifT). Im Bereich der Straßenbauverwaltung des Verkehrsministeriums gilt zusätzlich das Handbuch für die Vergabe und Ausführung von freiberuflichen Leistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA F-StB).

Im Bereich der Raumplanung, des Städtebaus, der Landschafts- und Freiraumplanung, des Bauwesens oder der Datenverarbeitung kann es sich anbieten, Planungswettbewerbe durchzuführen. Bei Planungsleistungen sind § 69 ff. VgV und § 52 UVgO zu beachten.

Die Ausnahmetatbestände des § 116 Absatz 1 GWB für bestimmte Rechtsdienst-, Forschungs- und Entwicklungsleistungen gelten unterhalb der EU-Schwellenwerte entsprechend, das heißt die Regelungen des Vergaberechts müssen nicht angewandt werden,

vgl. Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung), 8.8 Vergabe freiberuflicher Leistungen

Diese Verwaltungsvorschrift ist von allen Behörden und Betrieben des Landes sowie den landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts anzuwenden, die § 55 der Landeshaushaltsordnung (LHO) unmittelbar (öffentliche Auftraggeber) oder nach § 105 LHO (Auftraggeber) zu beachten haben, soweit sie Mittel des Landeshaushalts bewirtschaften.

Unser Vorschlag: Suchverfahren

Phasen:

Ein Suchverfahren muss, anders als beim VgV-Verfahren, nicht strikt in eine Eignungs- und eine Zuschlagsphase getrennt werden. Meist werden Auftraggeber*innen von sich aus den Wettbewerb nur auf drei Bewerber*innen beschränken, deren Eignung ihnen bekannt ist. Beim Suchverfahren gibt es also nur eine Phase, welche eine angepasste Eignungsprüfung umfasst und alle weiteren Kriterien zu Zuschlagskriterien macht.

Verfahrensbeginn

Bedarfsplanung, Aufgabenbeschreibung, Auftragswert:

Voraussetzung für den Beginn eines Vergabeverfahrens ist, dass Auftraggeber*innen ihren Bedarf möglichst gut eingegrenzt haben. Dies stellen sie durch eine „Bedarfsplanung“ sicher. Dabei sollten sie sich an der DIN 18205 „Bedarfsplanung im Bauwesen“ orientieren. Ohne Bedarfsplanung können Auftraggeber*innen grundsätzlich kein Suchverfahren durchführen. Die „Abarbeitung“ der in der Norm aufgeführten Checkliste in einem Umfang, der dem jeweiligen Projekt entspricht, hat die Aufgabenbeschreibung zum Ergebnis. Eine solche Aufgabenbeschreibung sollte mindestens folgende Gliederungspunkte umfassen: Veranlassung, Randbedingungen (z. B. ergänzt durch ein Foto) und wesentliche Ziele. Als Nächstes ermitteln die Auftraggeber*innen den Auftragswert. Damit kommen sie ihrer Pflicht nach § 3 VgV nach. Dabei geht es zunächst darum, dass zu dokumentieren ist, dass der Auftragswert unterhalb des EU-Schwellenwerts liegt. Je näher der Auftragswert dem Schwellenwert kommt, umso genauer ist der Auftragswert zu ermitteln.

Weiter sollten Auftraggeber*innen eine eigene Vorstellung von der Höhe eines angemessenen Honorars entwickeln. Dafür berücksichtigen sie die gewünschte Bearbeitungsintensität. Soweit die Leistungen in der HOAI verordnet sind, ist der Auftragswert HOAI-konform zu ermitteln. Im anderen Fall ist der Stundenaufwand zu schätzen und mit angemessenen Stundensätzen zu multiplizieren. In schwierigen Fällen sollten Honorarsachverständige hinzugezogen werden. Auftraggeber*innen haben eine Prognose anzustellen und zu dokumentieren, dass kein grenzüberschreitendes Interesse an dem Auftrag gegeben ist.

Vergabevermerk:

Der Vergabevermerk ist auch beim Suchverfahren anzuraten (§ 6 UVgO), dokumentiert dieser doch die transparente Vorgehensweise. Im Vergabevermerk werden die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen dokumentiert. Er sollte kurz und prägnant alle wichtigen Informationen enthalten. Entsprechend ist dieser mit Verfahrensbeginn zu starten und zeitnah fortzuschreiben und mit der Vergabe oder Aufhebung (§ 48 UVgO) abzuschließen.

Die Gliederung sollte sich an § 8 Abs. 2 VgV orientieren und Folgendes beinhalten:

− Name und Anschrift des Auftraggebers

− Aufgabenbeschreibung

− Wert des Auftrags

− Namen der berücksichtigten Bewerber und Gründe für ihre Auswahl (Streuung beachten!)

− Darstellung der Verfahrensdurchführung

− Name des erfolgreichen Bewerbers und die Gründe für die Auftragserteilung

− evtl. Gründe, aus denen auf die Auftragsvergabe verzichtet wurde.

In den Bundesländern, in denen es Nachprüfungsbehörden gibt, ergibt sich aus dem Vergabevermerk, ob eventuelle Beanstandungen berechtigt sind.

Verfahrensdurchführung

Bekanntmachung, Auswahl und Aufforderung zum Einreichen von Unterlagen und Angebot:

Auftraggeber*innen können beim Suchverfahren auf eine Bekanntmachung der Vergabeabsicht und eine formelle erste Auswahlphase verzichten. Sie werden mehrere Bewerber*innen ansprechen, deren grundsätzliche Eignung ihnen bekannt ist. Sollten ihnen keine solchen Bewerber*innen bekannt sein, können sie ihre Beschaffungsabsicht auf den üblichen Portalen bekannt machen und eine Auswahlphase vorschalten.

Auftraggeber*innen fordern die von ihnen gewünschten Unterlagen schriftlich an. Dies könnte so erfolgen, dass sie diese Unterlage und die in der Bedarfsplanung erstellte Aufgabenstellung übersenden. Damit sollte den Bewerber*innen klar sein, welche Referenzen sie angeben und im Gespräch präsentieren. Die Übersendung erzeugt die erforderliche Transparenz des Leistungswettbewerbs. Seit 01.01.2021 gilt eine HOAI ohne verbindliche Mindest- und Höchstsätze.

Damit sind Auftraggeber*innen frei, wie sie Honorare anfragen. Sie könnten die HOAI völlig unbeachtet lassen und auch Pauschalen oder Stundensätze abfragen. Dennoch müssen Auftraggeber*innen die Angebote vergleichen und das auch dann, wenn sich bei der Planung später Änderungen ergeben. Das gelingt, wenn sie die Parameter nach § 6 HOAI für das Angebot als zwingend für die Kalkulation vorgeben und nur am Ende Zu- oder Abschläge vom so ermittelten Honorar abfragen.

Die zwingend vorzugebenden Parameter sind: Objekte (§ 11 HOAI), anrechenbare Kosten (§ 4 HOAI), Honorarzone (§ 5 HOAI), Leistungsphasen und deren Bewertung (eventuell auch nur Teilleistungen und deren Bewertung nach üblichen Tabellen) und anzuwendende Honorartafeln. Damit Honorare von Anfang an angemessen sind, sollten Auftraggeber*innen den Mittelsatz als Ausgangspunkt für Zu- und Abschläge vorgeben (ausführlich nachfolgend zum Honorar und zur Angebotsprüfung).

Preis-Leistungsverhältnis:

Grundsätzlich erfolgt eine Vergabe nach dem besten Preis-/Leistungsverhältnis (§ 43 Abs. 2 UVgO). 

Wird das Verhältnis konsequent angewandt, erhalten der Preis und die Leistungsfähigkeit dieselbe Gewichtung, nämlich jeweils 50 %. So kann ein Bewerber einen sehr guten Projektleiter für das Projekt vorsehen, der bei ihm grundsätzlich auch etwas höhere Kosten erzeugt, und dafür seinen Preis entsprechend höher ansetzen, wenn er erwartet, dass ein konkurrierender Bewerber keinen vergleichbaren Projektleiter präsentiert.

Bei der nachfolgend vorgeschlagenen Bewertung der Leistung könnte z. B. der Bewerber ein bis zu 10 % höheres Angebot machen, wenn er erwartet, dass der Auftraggeber ihm beim Kriterium D.1. einen Punkt mehr gibt als seinem Mitbewerber.

Um das beste Preis-/Leistungsverhältnis zu bestimmen, werden zunächst Leistungspunkte L und dann Preispunkte P bestimmt und aus diesen eine Kennzahl Z ermittelt. Damit keine sehr kleinen Kennzahlen Z entstehen, wird ein Faktor 10.000 verwendet.

So ergibt sich die Kennzahl Z wie folgt:

Z = L/P*10.000

Derjenige mit der höchsten Kennzahl Z erhält den Auftrag.

Preispunkte P:

P ist der Angebotspreis in € (nach Preisprüfung, siehe nachfolgend).

Leistungspunkte L:

Für die Leistungspunkte sollte die Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkunde bewertet werden (Unterabschnitt 5 UVgO). Dazu ist es üblich, z. B. Umsatzzahlen und Referenzen zu fordern und zu bewerten. Die in dieser Unterlage vorgeschlagene Bewertung erfolgt mittels Punktesystem ähnlich einer Nutzwertanalyse. Dafür werden die Kriterien mit einer Bewertung von 1 bis 5 versehen und gewichtet. Die Punkte ergeben sich durch Multiplikation von Wichtung und Bewertung.

Auftraggeber*innen ist zu empfehlen, Unterlagen nur in dem Umfang zu fordern, wie es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Dies reduziert den Aufwand der Bewerber*innen für die Zusammenstellung der Unterlagen und den Aufwand der Auftraggeber*innen für die Auswertung.

Zur Absicherung bei späteren Haftungsfällen sollten Auftraggeber*innen bei allen Vergaben eine Eigenerklärung über eine bestehende Haftpflichtversicherung in der gewünschten Höhe verlangen und sich diese vor Auftragserteilung belegen lassen.

Fehlt in der Bewerbung eine gewünschte Erklärung, können Auftraggeber*innen diese nachfordern. Um dem Gleichbehandlungsgebot zu genügen, müssen fehlende Unterlagen bei allen Bewerbern nachgefordert werden. Bewerber*innen, die trotz Nachfrage keine Erklärung abgeben, sollten für die Auftraggeber*innen nicht mehr interessant sein und bei der konkreten Vergabe unberücksichtigt bleiben. Im Verhältnis L/P stellen L die Leistungspunkte dar, die gemäß nachfolgender Liste mit bis zu 500 Punkten bewertet werden.

Zu den Wertungskriterien:

Die unter A 1. erwartete Eigenerklärung der Bewerber*innen wird daraufhin geprüft, ob die geforderten Deckungssummen angegeben sind. Die Wertungsgewichte der Kriterien A 2. bis D werden mit den Bewertungszahlen 1 (schlecht) bis 5 (sehr gut) bewertet und multipliziert. Die so berechneten Punktprodukte (Wertungsgewicht x Bewertungszahl) je Kriterium ergeben die Leistungspunkte L.

Damit Bewerber*innen nicht das schlechteste Personal zum niedrigsten Preis anbieten und dadurch beim Preis-/Leistungsverhältnis uneinholbar gut abschneiden, wird eine Mindestschwelle für die Leistungspunkte (450 von 500 Punkten) definiert.

Derjenige mit der höchsten Kennzahl Z hat das beste Preis-/Leistungsverhältnis bei Einhaltung einer Mindestleistungsfähigkeit und erhält den Auftrag.

Bietergespräche:

Auftraggeber*innen führen mit allen ausgesuchten Bewerber*innen Gespräche. Nur mit solchen Gesprächen können sie eine aktuelle Bewertung des Bewerbers oder der Bewerberin erhalten. Es kann grundsätzlich kein „bekannt und bewährt“ geben, schließlich kann sich bei jedem Bewerber oder jeder Bewerberin die Leistungsfähigkeit jederzeit verändern. Z. B. können besonders qualifizierte Mitarbeiter*innen hinzukommen oder diese verlassen das Unternehmen, Bewerber*innen könnten Qualifizierungsmaßnahmen ergriffen oder ihre Erfahrungen erweitert haben. Durch die Übersendung der Zuschlagskriterien an die Bewerber*innen sind ergänzende Hinweise auf das Gespräch verzichtbar. Bewerber*innen sind über das, was sie erwartet, informiert. Das dient der Transparenz.

Hinweise, wie die Kriterien gewertet werden:

Zu A 1. Haftpflichtversicherung:

Hier akzeptieren Auftraggeber*innen eine Eigenerklärung über die von ihnen vorgegebene Haftpflichtversicherungssumme.

Zu A 2. Umsatzzahlen:

Die Umsatzzahlen zeigen, dass Bewerber*innen auch im vergangenen Jahr ausreichend leistungsfähig waren. Die Bewertung orientiert sich an dem konkreten Umsatz für den vorliegenden Fall. Der angegebene Umsatz U wird auf den zu erwartenden Auftragswert pro Jahr (A) bezogen.

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu B 1. Referenzen:

 

Auftraggeber*innen bewerten die Anzahl der Referenzen der Bewerber*innen, die mit dem vorliegenden Projekt vergleichbar sind. Dabei orientiert sich die Vergleichbarkeit an den Anforderungen aus der Aufgabenbeschreibung.

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu B 2. Überprüfung der Referenzen des Bewerbers:

Die beste Aussage über die Referenzen erhalten Auftraggeber*innen, indem sie die Zufriedenheit der angegebenen Auftraggeber*innen hinterfragen. Die mündliche Aussage sagt mehr aus als formelhafte Bescheinigungen. Auftraggeber*innen bitten die Auftraggeber*innen der Referenz um ihre Bewertung der Erfahrungen mit dem Bewerber und vergeben daraufhin eine eigene Bewertung in Form der üblichen Schulnoten, von 1 für eine sehr gute Leistung bis 6 für eine ungenügende Leistung.

Die Abfrage erfolgt mit folgendem Formular, mit z. B. drei Referenzen:

Zu B 2. Überprüfung der Referenzen des Bewerbers:

Die beste Aussage über die Referenzen erhalten Auftraggeber*innen, indem sie die Zufriedenheit der angegebenen Auftraggeber*innen hinterfragen. Die mündliche Aussage sagt mehr aus als formelhafte Bescheinigungen. Auftraggeber*innen bitten die Auftraggeber*innen der Referenz um ihre Bewertung der Erfahrungen mit dem Bewerber und vergeben daraufhin eine eigene Bewertung in Form der üblichen Schulnoten, von 1 für eine sehr gute Leistung bis 6 für eine ungenügende Leistung.

Die Abfrage erfolgt mit folgendem Formular, mit z. B. drei Referenzen:

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Die Gespräche sollten in einem kurzen Gesprächsvermerk dokumentiert werden.

Zu C 1. Referenzen des Projektleiters / der Projektleiterin:

Auftraggeber*innen bewerten die Anzahl der Referenzen des Projektleiters oder der Projektleiterin, die mit dem vorliegenden Projekt vergleichbar sind. Auch hier orientiert sich die Vergleichbarkeit an den Anforderungen aus der Aufgabenbeschreibung.

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu D 1. Präsentation eines vergleichbaren Projekts:

Die Erfahrung zeigt, dass der Projekterfolg in der Regel unmittelbar mit der Qualität des Projektleiters oder der Projektleiterin zusammenhängt. Die Präsentation soll dem Auftraggeber zeigen, wie der Projektleiter oder die Projektleiterin bei einem vergleichbaren Projekt vorgegangen ist. Dabei wird bewertet, inwieweit und wie kompetent diese auf die Aspekte eingehen, die für das Projekt aus Sicht der Auftraggeber*innen entscheidend sind. Darzustellen ist die Vorgehensweise im Projekt, d. h. es sollte auf die Ausgangssituation, die technische Lösung, den angestrebten und erreichten Projekterfolg, die Projektabwicklung und die Investitions- und Folgekosten eingegangen werden.

Im Grunde ist dieses Kriterium mit einem Einstellungsgespräch vergleichbar, nur dass es den Auftraggeber*innen nicht darum geht, dauerhafte Mitarbeiter*innen einzustellen, sondern Mitarbeiter*innen auf Zeit für ein konkretes Projekt zu gewinnen. Es erfolgt eine Wertung, durchaus mit subjektiven Komponenten (im Sinne von Einschätzungen für den Projekterfolg, nicht im Sinne von willkürlichen persönlichen Präferenzen).

Die Wertung erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zu D 2. Qualität der vorgelegten Unterlagen:

Auftraggeber*innen bewerten die zur Bewerbung und zum Bietergespräch vorgelegten Unterlagen unter Qualitätsaspekten. Darunter sind Unterlagen zu verstehen, die sich auf die Aspekte der Projektaufgabe beziehen, die anhand der vorgegebenen Struktur gegliedert sind, die nicht zu umfangreich sind und die ein leichtes Auffinden aller Angaben sicherstellen. Die Qualität der von den Bewerber*innen vorgelegten Unterlagen lässt erwarten, dass auch die im Auftragsfall zu erbringenden Ausarbeitungen in gleicher Qualität sind.

Die Wertung der Unterlagen erfolgt nach folgendem Schlüssel:

Zum Honorar und zur Angebotsprüfung:

Auftraggeber*innen weisen die Bewerber*innen zum Honorar darauf hin, dass sie zunächst ein indikatives Angebot erwarten und dieses im Gespräch mit den Bewerber*innen verhandeln und anschließend um ein endgültiges Angebot bitten werden.

Sie weisen die Bieter*innen zudem darauf hin, dass sie die Angebote vergleichbar machen müssen und dass bereits die indikativen Angebote die Kalkulationsvorgaben einzuhalten haben oder das Angebot ausgeschlossen wird. Alle Parameter der HOAI sind vorgegeben, nur am Ende sind Zu- oder Abschläge anzugeben. Nur im Begleitschreiben zum indikativen Angebot sind Nebenangebote (z. B. Hinweise auf geändert angebotene Leistungen) zulässig.

Diese Nebenangebote werden verhandelt und soweit diese geänderten Leistungen interessant sind, erhält jeder der Bewerber*innen die Information, die geänderte Leistung im endgültigen Angebot zu berücksichtigen.

§ 44 UVgO regelt die Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote. § 44 Abs. 1 UVgO lautet:

„Erscheinen der Preis (…) eines Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.“

Bei den hier vorliegenden Planungsleistungen können Auftraggeber*innen auf die Tafelwerte der HOAI als Orientierungswerte zurückgreifen. Honorare außerhalb des Rahmens der Honorartafeln sind unangemessen und damit ungewöhnlich niedrig.

§ 40 Abs. 2 UVgO regelt die Preisprüfung wie folgt:

„Der Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen:

1. die Wirtschaftlichkeit (…) der Erbringung der Dienstleistung,

2. (…) die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen (…) bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt,

3. die Besonderheiten der angebotenen (…) Dienstleistung. (…).“

Demnach prüfen Auftraggeber*innen das Angebot und fordern bei Bedarf Unterlagen, welche zu einer Aufklärung beitragen. Bieter*innen haben also entweder gleich mit dem Angebot, sonst auf Anforderung aufzuklären, warum sie die Leistung besonders günstig anbieten können, warum für sie außergewöhnlich günstige Bedingungen vorliegen oder warum es sonstige Besonderheiten gibt. Bei Planungsleistungen wird es eher selten belastbare Gründe für besonders niedrige Preise geben, weil die Kostenstrukturen bei allen Planenden – jedenfalls im Inland – ähnlich sind.

Dabei geht es bei der Preisprüfung im Wesentlichen um den Schutz der Auftraggeber*innen vor schlechter Leistung. Auftraggeber*innen haben zu beachten, dass eine Preisprüfung bei ungewöhnlich niedrigen Preisen zwingend ist. Auftraggeber*innen schließen Angebote, deren ungewöhnlich niedriger Preis nicht aufgeklärt wird, von der Wertung aus (§ 44 Abs. 3 UVgO).

Vergabe:

Das Angebot, das bei diesem Bewertungsverfahren insgesamt die höchste Kennzahl Z erreicht, erscheint als das beste und erhält den Zuschlag.

Verfahrensabschluss

Nachdem der Bieter oder die Bieterin ermittelt ist, ist mit diesem oder dieser der Vertrag zu schließen. Zuvor sollten die nicht berücksichtigten Bieter*innen informiert werden, dass diese den Auftrag nicht erhalten (§ 46 UVgO). In den Bundesländern, in denen es Nachprüfungsbehörden gibt, sind die in den jeweiligen Gesetzen und Verordnungen genannten Informations- und Wartepflichten zu beachten. Die wesentlichen Gründe, die zur Nichtberücksichtigung geführt haben, sollten genannt werden. Wird nach dieser Unterlage vorgegangen, genügt es, den Bewerber*innen die Matrix mit den an sie vergebenen Punkten mitzuteilen. Eine Bekanntmachung der Vergabe auf Internetportalen oder in Beschafferprofilen ist empfehlenswert (§ 30 UVgO).

Vor der formellen Auftragserteilung fordert der Auftraggeber oder die Auftraggeberin bei dem erfolgreichen Bieter oder der erfolgreichen Bieterin alle Erklärungen als Beleg ab, die bisher nur als Eigenerklärung vorliegen (z. B. tatsächlicher Nachweis der Berufshaftpflichtversicherung in der geforderten Höhe).

Nach § 19 Abs. 4 MiLoG muss der öffentliche Auftraggeber oder die öffentliche Auftraggeberin bei Auftragswerten über 30.000 € (und damit bei Vergaben von Planungsleistungen nach VgV immer) eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nach § 150a der Gewerbeordnung einholen. Das kann und sollte der Auftraggeber oder die Auftraggeberin auf dem elektronischen Weg beim Bundesamt für Justiz machen. Bei Planungsleistungen ist die Einhaltung der Mindestlöhne zwar kein relevantes Thema, das Gesetz schreibt die Auskunftseinholung jedoch vor.

Auftraggeber*innen müssen zudem beim Wettbewerbsregister (= Korruptionsregister) beim Bundeskartellamt entsprechend dem Wettbewerbsregistergesetz – WRegG bei Auftragswerten über 30.000 € (§ 6 Abs. 1 WRegG) nachfragen, ob das Unternehmen im Zusammenhang mit den Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 GWB geführt ist. Dies ist nach Registrierung einfach elektronisch möglich. Bei Planungsleistungen ist das erneut nur eine Formalie, aber vorgeschrieben.

Der Vergabevermerk kann mit allen Informationen abgeschlossen werden, wodurch das Vergabeverfahren insgesamt abgeschlossen ist. Der Vergabevermerk ist bis zum Ende der Laufzeit des Vertrags, mindestens aber drei Jahre ab dem Zuschlag, aufzubewahren. Dies auch deshalb, weil es während der Laufzeit des Vertrags zu Änderungen kommen kann, welche nach § 47 UVgO dahingehend zu prüfen sind, ob eine Neuausschreibungspflicht besteht. Dafür wird der Vergabevermerk erneut benötigt.

Anlage

Neben den in § 8 Absatz 4 UVgO geregelten Voraussetzungen für eine Verhandlungsvergabe ist bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte eine Verhandlungsvergabe auch dann zulässig, wenn der Auftragswert voraussichtlich 50 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) nicht übersteigt.

Im Gegensatz zur Öffentlichen und Beschränkten Ausschreibung kann der Auftraggeber mit den ausgewählten Unternehmen über die von ihnen eingereichten Erstangebote und alle Folgeangebote, mit Ausnahme der endgültigen Angebote, mit dem Ziel verhandeln, die Angebote inhaltlich zu verbessern. Eine Verhandlung ist auch ohne Einreichung eines Erstangebots möglich. Dabei darf über den gesamten Angebotsinhalt und insbesondere über den Preis verhandelt werden mit Ausnahme der vom Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien. Beabsichtigt der Auftraggeber, nach geführten Verhandlungen diese abzuschließen, so unterrichtet er die Bieter und legt eine einheitliche Frist für die Einreichung der endgültigen Angebote, über die nicht mehr verhandelt werden darf, fest. Das Verfahren bei einer Verhandlungsvergabe ist im Übrigen in § 12 UVgO geregelt. Demnach kann der Zuschlag auch ohne zuvor verhandelt zu haben gemäß § 12 Absatz 4 Satz 2 UVgO erteilt werden.

vgl. Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung), 8.3 Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb

Vergabe BW: Erfolgreiche Anrufung der Rechtsaufsichtsbehörden und der Vergabekammer

Vergabe BW: Erfolgreiche Anrufung der Rechtsaufsichtsbehörden und der Vergabekammer

von Thomas Ax

Nationales Vergaberecht

Für die Überprüfung, ob öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Waren-, Bau- oder Dienstleistungen gegen das dabei einzuhaltende Vergaberecht verstoßen haben und dadurch Unternehmen, die ein Interesse am Auftrag haben, in ihren Rechten verletzt wurden, kann bei Nichterreichen der Schwellenwerte die Rechtsaufsichtsbehörde des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers angerufen werden.

Die Regierungspräsidien sind hierbei zuständige Rechtsaufsichtsbehörde für Stadt- und Landkreise und die Großen Kreisstädte; in dieser Eigenschaft werden die Referate 14 der Regierungspräsidien tätig, soweit für diese Kommunen nicht die jeweilige Fachaufsicht in den Regierungspräsidien zuständig ist. Dort wird die Rechtmäßigkeit in einem formlosen Verfahren geprüft.

Europäisches Vergaberecht

Für die Überprüfung, ob öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Waren,- Bau- oder Dienstleistungen oder der Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen gegen das dabei einzuhaltende Vergaberecht verstoßen haben, können bei den sogenannten europaweiten Vergaben die Vergabekammern (siehe Merkblatt mit allgemeinen Hinweisen) angerufen werden. Europaweite Vergabeverfahren liegen vor, wenn die Auftragswerte die von der EU in den Richtlinien festgelegten sogenannten Schwellenwerte erreichen oder übersteigen, auf die § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verweist.

Antragsberechtigt sind ausschließlich Unternehmen, die ein unmittelbares Interesse am Auftrag oder der Konzession haben und geltend machen, durch Vergabeverstöße in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Die Unternehmen erhalten damit die Möglichkeit, ihre subjektiven Rechte in einem eigens dafür geschaffenen Rechtsweg geltend zu machen. Die Vergabekammern können, wenn der Zuschlag noch nicht wirksam erteilt wurde, bei Vorliegen von Rechtsverletzungen Maßnahmen anordnen, bis hin zur Aufhebung von Vergabeverfahren, um diese Rechtsverletzungen zu beseitigen.

Die beim Regierungspräsidium Karlsruhe eingerichtete Vergabekammer ist hierbei für alle öffentlichen Auftraggeber zuständig, die ihren Sitz in Baden-Württemberg haben, ausgenommen solcher Auftraggeber, die dem Bund zuzurechnen sind.

Das in den §§ 155 ff GWB geregelte Verfahren ist gerichtsähnlich ausgestattet. Die Vergabekammern entscheiden in der Regel nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, einem haupt- und einem ehrenamtlichen Beisitzer. Diese üben ihre Tätigkeit im Rahmen der Gesetze unabhängig und in eigener Verantwortung aus. Gegen die Entscheidungen der Vergabekammern kann die unterliegende Partei sofortige Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht Karlsruhe einlegen.

Für die Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, die derjenige Beteiligte zu tragen hat, der unterliegt. Diese Kosten richten sich in erster Linie nach dem Auftragswert und liegen in der Regel zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro. Der Unterliegende hat auch die notwendigen Aufwendungen des oder der anderen obsiegenden Verfahrensbeteiligten zu tragen.

Inhouse-Schulung: Nationale Bauvergabe

Neu im Programm: Inhouse-Schulung: Nationale Bauvergabe

Schulungsleiter

RA Dr. Thomas Ax

Ax berät sowohl Auftraggeber als auch Bieterunternehmen. Ax begleitet seine Mandanten in sämtlichen Phasen des Vergabeverfahrens und vertritt deren Interessen regelmäßig vor den Vergabekammern des Bundes und der Länder und den Vergabesenaten. 

Teilnehmerkreis


Mitarbeiter von Vergabestellen, Bedarfsträger öffentlicher Auftraggeber, die mit der Ausschreibung von Bauleistungen befasst sind, Mitarbeiter von Architektur- und Ingenieurbüros.

Ziel der Schulung

Immer mehr Bauvergaben enden ohne Zuschlagserteilung. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Oft liegt es an fehlerhaften Kostenschätzungen, die eine Aufhebung des Vergabeverfahrens erforderlich machen. Vergabeunterlagen enthalten Fehler, die einer Zuschlagsentscheidung im Wege stehen. Dies gilt erst recht in Fällen, in denen die ausgeschriebenen Baumaßnahmen mit Fördermitteln finanziert werden. Andererseits dürfen von Seiten der Vergabestelle keine unnötigen Hürden aufgebaut werden, die Unternehmen davon abhalten, sich an Bauvergaben zu beteiligen. Anhand von Praxisbeispielen wird im Rahmen der Schulung gezeigt, wie der scheinbare Widerspruch zwischen Vergabe- und Zuwendungsrecht auf der einen und Baupraxis auf der anderen Seite gelöst werden kann. Maßstab sollen dabei Verständlichkeit und Praxisnähe sein.

Themen


1. Das Bauvergaberecht – eine kurze Einführung

  • VOB/A im Kontext der Vergabevorschriften
  • Unterschied zwischen nationalen und EU-weiten Bauvergaben
  • Zuwendungsrecht und Binnenmarktrelevanz


2. Auftragswertschätzung in Zeiten guter Baukonjunktur

  • Auftragswertschätzung – Theorie und Wirklichkeit
  • Schadensersatz – ein unterschätztes Risiko?


3. Vergabevorbereitung – das Fundament einer Ausschreibung

  • Bedarfsermittlung oder die Frage nach dem Ziel
  • Markterkundung – geht das und warum?


4. Was eine gute Vergabeunterlage ausmacht

  • Nachweise – so viel wie nötig, so wenig wie möglich
  • Standardisierung statt Individualisierung!
  • Keine offenen Fragen oder die Bedeutung klarer Handlungsanweisungen
  • Elektronisch oder Schriftform?


5. Von der Prüfung und Wertung

  • Richtigkeit und Vollständigkeitsprüfung
  • Nachfordern von Unterlagen (Umgang mit fehlerhaften Nachweisen und fehlenden Produktbezeichnungen)
  • Vier Stufen der Angebotswertung (Formale Prüfung, Eignungsprüfung, Preisprüfung, Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots)


6. Wer schreibt, der bleibt – Vergabevermerk und Vergabeakte

  • Inhalt und Umfang
  • Beweisfunktion
  • Rückzahlung von Fördermitteln bei unzureichender Dokumentation Interesse?


Anfragen bitte an

Ax Akademie für Vergaberecht und Vertragsrecht
Uferstraße 16
69 151 Neckargemünd

Telefon: +49-6223-8662260
Telefax: +49-6223-8688614
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Die Akademie ist wie folgt besetzt:

Montag bis Mittwoch 08:00 bis 17:00 Uhr
Donnerstag 08:00 bis 18:00 Uhr
Freitag 08:00 bis 13:00 Uhr

Oder nutzen Sie unser Kontaktformular

RA Dr. Thomas Ax

verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung im privaten Baurecht. Neben der Vertretung in gerichtlichen Verfahren berät Ax öffentliche und private Auftraggeber, Architekten und Ingenieure sowie ausführende Unternehmen bei der Umsetzung mittlerer und großer nationaler und internationaler Bauprojekte. Schwerpunkte bilden dabei der Forschungs- und Gesundheitssektor und dort insbesondere der Krankenhausbau sowie kommunale Gebäude sowie das Sanieren von Bestandsgebäuden. Eine Hauptaufgabe liegt in der Projektsteuerung, Projektentwicklung und Bauleitung von Bauvorhaben. Durch die Erfahrung aus über 25 Jahren Baustellentätigkeit und Projektbetreuung besitzt Ax ein fundiertes Wissen über alle Vorgänge in der Abwicklung von Bauvorhaben. Ax berät auch zur Integrierten Projektabwicklung (IPA) mit Mehrparteienverträgen. Ax ist durch zahlreiche Seminare und Veröffentlichungen zum Bauvertrags- und Architektenrecht bekannt.

VergMan ® – Umsetzung von neuen eProcurement-Lösungen

VergMan ® - Umsetzung von neuen eProcurement-Lösungen

Die öffentliche Beschaffung ist grundsätzlich auf Wirtschaftlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Transparenz ausgerichtet. Die aktuellen rechtliche Rahmenbedingungen und die Vergabeverfahren führen in der Praxis allerdings zu wenig Effizienz. Hohe Prozessaufwände entstehen, ohne dass man Wettbewerbskräfte hinreichend aktivieren kann.

Elektronische Marktplätze können hier helfen.

Denn Wettbewerb in Form eines raschen Preis- /Leistungsvergleiches möglichst vieler potentieller Anbieter ist heutzutage online/ digital möglich. Es spricht also viel dafür, dass die aktive Nutzung elektronischer Marktplätze Vorteile gegenüber klassischen Bieterverfahren haben kann.

Die Begriffe „elektronischer Marktplatz“ oder „(Angebots-)Vermittler“ werden im Vergaberecht bisher nicht verwendet. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 u. 10 VRL wird ein „Wirtschaftsteilnehmer, der ein Angebot abgegeben hat“, als „Bieter“ beziehungsweise als „Bewerber“ bezeichnet. Somit fokussiert sich traditionell das Vergaberecht (§ 9 UVgO) auf Wirtschaftsteilnehmer (Unternehmen, die am Markt Leistungen anbieten), Bewerber (Unternehmen, die sich selbst aktiv um die Teilnahme an einem Auftrag be werben oder hierzu aufgefordert werden) oder Bieter (Unternehmen, die ein Angebot abgegeben haben).

Es können drei Typen von elektronischen Marktplätzen unterschieden werden:

1. Elektronische Marktplätze sind tatsächlich reine Vermittler und treten selbst nicht als Vertragspartner zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auf.

2. Elektronische Marktplätze sind selbst der Vertragspartner zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und sind somit Händler der auf dem Marktplatz angebotenen Waren. In diesem Fall handelt es sich strenggenommen um keinen elektronischen Marktplatz, sondern um den Online-Shop eines anbietenden Unternehmens, das dann als Händler auftritt.

3. Mischformen beziehungsweise Hybridformen, wobei ein Teil der Ware direkt beim anbietenden Unternehmen/Drittanbieter und ein Teil (als sogenannte Eigenmarke) über den Marktplatzbetreiber vertrieben wird.

Unternehmen können aus einem Millionen Artikel umfassenden Sortiment bestellen, wie z. B. Büromaterial, IT- sowie Industriebedarf oder Betriebs- und Lagerausstattung. Das Angebot deckt sowohl den allgemeinen Geschäftsbedarf als auch den spezialisierten Fachbedarf bis hin zu exotischen Produktkategorien ab. Über das Standardsortiment hinaus können Unternehmen ihre eigenen Rahmenvertragslieferanten anbinden und ein modulares System von E-Procurement-Funktionen nutzen. Dazu gehören Kataloghosting, personalisierte Sichten und Produktkennzeichnungen, der digitale Freigabeprozess ApproveNow sowie elektronische Schnittstellen zu kundeninternen Systemen.

Eine elektronische Plattform kann Sie dabei unterstützen, die Beschaffung effizient und digital zu gestalten und dabei den Vorschriften des Vergaberechts gerecht zu werden. Direktaufträge können einfach und sicher abgewickelt werden.

Welche Lösung?

Welche ausgesuchte Lösung ist ausschreibungskonform im Sinne des Vergaberechts?

Bei Direktvergaben könnten Beschaffungsverantwortliche beispielsweise den angebotenen Marktplatz mit seinen Artikeln nutzen.

Die Grundsätze der Vergabe gelten für sämtliche Aufträge in regulierten Beschaffungsumgebungen, einschließlich der Beschaffungstätigkeiten, die in die niedrigste Kategorie fallen, den sogenannten Direktaufträgen. Gemäß § 14 UVgO können Leistungen bis zu einem Auftragswert von 1.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) – unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – ohne die Notwendigkeit eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag). Der Auftraggeber sollte jedoch die Möglichkeit nutzen, zwischen den beauftragten Unternehmen zu wechseln. Dies bedeutet, dass erst bei einem Auftragswert von über 1.000 Euro die eigentliche Ausschreibungs- oder Tender-Regulierung greift.

Für Lieferanten mit katalogisierbaren Artikeln, die durch Ausschreibungen gewonnen wurden, wäre das sogenannte Kataloghosting und somit eine Erweiterung des Marktplatzes zum E-Procurement-System möglich. Eine katalogübergreifende Suche, Nutzerverwaltung, Katalogverwaltung, Reportingtools und weitere nützliche Funktionen können die Anwenderfreundlichkeit unterstützen. Bei freihändigen Vergaben ist es möglich, sich mit regionalen Lieferanten zu vernetzen und anzubinden, sodass einfach und schnell Vergleichsangebote eingeholt werden können.

Oberhalb dieser Schwelle ergeben sich allerdings einige (rechtliche) Fragen. So müsste bei einer Ausschreibung ein elektronischer Marktplatz ein Angebot generieren und sich um einen Auftrag bewerben. Das ist nicht realistisch. Ein elektronischer Marktplatz wird genau andersrum durch die Suche eines Einkäufers erst aktiviert. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass elektronische öffentliche Beschaffungsmarktplätze organisatorisch in die öffentliche Beschaffungslandschaft eingebunden werden. Dann könnte ein öffentlicher Auftraggeber Suchanfragen eingeben und selbst aktiv den Marktplatz nutzen. Ganz in diesem Sinne zeichnet sich im internationalen

Kontext (Großbritannien) der Versuch ab, diese Herausforderungen zu lösen, indem der öffentliche Sektor selbst den Aufbau eines elektronischen Beschaffungsmarktplatzes vorantreibt.

Bisher besteht keine Software /System im deutschen öffentlichen Sektor, welches als elektronischer Beschaffungsmarktplatz eingestuft werden kann.

Der Knackpunkt beim Aufbau eines elektronischen öffentlichen Beschaffungsmarktplatzes ist die Vergaberechtskonformität.

Auch die Nutzerfreundlichkeit wird als kritische Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung eines elektronischen Marktplatzes gesehen. Es ist ein Marktplatz nötig, auf dem aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers alle Produkte in einer für den Nutzer freundlichen Suchlogik zusammengestellt sind, auf dem man Körbchen für häufige Bedarfe bilden kann und der versichert, dass vergaberechtliche Anforderungen allzeit erfüllt sind.

Mögliche Schritte

 Anforderungsmanagement – Was wird gebraucht?

 System-/Prozessanalyse – Was lässt mein ERP/SAP zu?

 Business Case und Erfolgsbetrachtung (Chancen – Risiken – Kosten)

 Definition künftiger Sollprozesse und eines Rollenkonzeptes

 Aufsetzen eines eProcurement-Projektes als Erfolgsfaktor

 Systemauswahl im Abgleich zu Zielvorgaben (Anbieter in der Auswahl)

 Schaffung der Voraussetzungen im SAP (Schnittstellen, Datenübertagung, Warengruppenmanagement etc.)

 Verhandlung mit Kataloganbietern

 Implementierung der neuen eProcurement-Lösung inkl. User-Tests

 Change-Management (Kommunikation, Schulungsprogramm, Support etc.)


Erfolgsbetrachtung der neuen eProcurement-Lösung

 Deutlich verbesserte Nutzung durch Sortimentserweiterung

 Mehr User

 Mehr Umsatz über die neue eProcurementlösung

 Abschaffung des teuren Lizenz-Modells – Betriebskosten des Systems gesenkt

 Reduktion der Prozesskosten in der C-Teile-Beschaffung

 Reduktion der Bezugskosten für C-Teile

 Deutlich verbesserte Lieferzeiten

OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Auftragnehmer darf eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären. Das gilt insbesondere dann, wenn sich für ihn aus der Leistungsbeschreibung die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgebend abstellen will (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
2. Reichen die dem Auftragnehmer überlassenen Unterlagen für eine zuverlässige Kalkulation nicht aus, darf er nicht “ins Blaue hinein” und mit der für ihn günstigsten Ausführungsvariante kalkulieren (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
3. Die Regelung des § 2 Abs. 5 VOB/B ist nicht anwendbar, wenn die (vermeintlich) geänderte Leistung bereits vom bestehenden vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist, etwa weil ein bestimmter vertraglicher Erfolg auf eine erkennbar kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung angeboten wurde (Anschluss an BGH, IBR 1992, 349).
4. Die Anordnung einer Änderung des Bauentwurfs kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen. Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das beschriebene Leistungssoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die geforderte Ausführung gehöre zur vertraglichen Leistung und sei mit den vereinbarten Preisen abgegolten.
5. Notwendig ist jedoch, dass der Auftragnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Auftraggeber bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.
6. Muss der Auftragnehmer erkennen, dass der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung anders versteht als er, hat er den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass er bei seiner Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist und durch die vorgesehene Ausführung ein Mehraufwand entstehen wird. Nur dann darf er in der Übergabe geänderter Pläne eine Änderungsanordnung sehen.
OLG Schleswig, Urteil vom 09.12.2022 – 1 U 29/21
vorhergehend:
LG Flensburg, 01.04.2021 – 2 O 373/13
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 247/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns.

Die Beklagte schrieb Rohbauarbeiten für den Neubau eines Schulgebäudes nebst Sporthalle aus (Anlage B 1, AB). Sie erteilte der Klägerin am 06.08.2009 den Auftrag unter Einbeziehung der VOB/B. Die Streithelfer waren planende und die Bauaufsicht führende Architekten. Nach Durchführung der Arbeiten und Abnahme stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung vom 09.11.2010 (Anlage K 1, AB). Nach Streit über die Abrechnung stützte sie sich zuletzt auf die Forderungsaufstellung vom 11.05.2011 (Anlage K 3, AB).

In verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses, zum Beispiel Position 4.1.2.150, war die Herstellung von Stahlbetonunterzügen nach der Statik vorgesehen. In verschiedenen Positionen, zum Beispiel Position 4.2.1.260, war das Mauern tragender Innenwände vorgesehen. In verschiedenen Positionen, unter anderem Position 4.2.1.290, war eine Zulage für das Mauern der letzten Schicht nach Ausschalen der Stahlbetondecke bzw. -balken vorgesehen. Aus der Statik ergab sich, dass es sich bei den Stahlbetonunterzügen überwiegend um nicht tragende obere Wandabschlüsse handeln sollte. Die Klägerin erstellte zunächst die sogenannten Unterzüge als nicht tragende Betonbauteile und stützte sie ab, bis die tragende Wand darunter aufgemauert war. Die Klägerin kündigte in einer Baubesprechung vom 18.11.2009 (Prot. Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) Mehrkosten an. Sie stellte mit Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage K 38.1, AB) eine Behinderungsanzeige und meldete Mehrkosten an. Sie verlangte schließlich eine Mehrvergütung von 250.687,38 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 17, AB und Bl. 588 d. A).

In der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis (S. 4, Anlage B 1, AB) war in einem Bauzeitplan der Beginn der Gesamtbaumaßnahme für die 33. Kalenderwoche 2009 vorgesehen. Die Rohbauarbeiten sollten von August 2009 bis März 2010 ausgeführt werden, der wesentliche Teil der Leistungen bis Dezember 2009. In detaillierten Bauzeitplänen, etwa vom 04.08.2009 und 09.09.2009 (Anlagen K 41.2, K 41.3, Bl. 267 – 268 d. A.) war der Abschluss der Betonarbeiten und der Verblendarbeiten bis Dezember 2010 vorgesehen.

Die Klägerin hat behauptet, bei einem Unterzug handele es sich um eine selbsttragende Konstruktion, die die Last der Decke aufnehme und einen Freiraum überbrücke. Aus dem Leistungsverzeichnis sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich tatsächlich um nicht tragende Balken als oberen Wandabschluss habe handeln sollen. Die Statik habe ihr bei der Erstellung des Angebots nicht vorgelegen. Sie sei erst an 27.08.2009 übergeben worden. Erst durch die Anweisung des Statikers vor Ort habe sich die danach vorgesehene Bauweise ergeben. Im Leistungsverzeichnis (etwa Position 4.2.1.290) sei vorgesehen gewesen, dass zunächst die Decken und die Balken herzustellen und erst dann die tragenden Wände aufzumauern gewesen seien. Sie habe in ihrer Kalkulation zunächst die Herstellung der Unterzüge und deren Notabstützung, dann die Herstellung der Decken vorgesehen. Stattdessen sei die Schalung für die Decken und die Unterzüge in einem Arbeitsgang herzustellen gewesen, was einen Mehraufwand bedeutet habe, da die Schalung länger habe vorgehalten werden müssen und kein Wechsel von einem Bauteil zum anderen möglich gewesen sei. Die Unterzüge hätten bis zur Aushärtung der Wände abgestützt werden müssen. Es habe sich eine bauzeitverlängernde Leistungsminderung ergeben. Unter anderem habe beim Mauern um die Stützen herum gearbeitet werden müssen. Die Arbeiten seien entgegen der Kalkulation in den strengen Winter 2009/10 gerückt.

In den später von der Beklagten übergebenen Bauzeitplänen liege eine Beschleunigungsanordnung gegenüber dem Bauzeitplan aus der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis. Die Beklagte habe eine Fertigstellung der Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 gefordert. Die Rohbauarbeiten seien nunmehr bis zur 51. KW 2009 abzuschließen gewesen. Ihr stehe deswegen eine Mehrvergütung von 51.470,58 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 18, AB) zu.

Die Klägerin hat die Zahlung von 497.132,05 Euro nebst Zinsen und Kosten verlangt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, im Leistungsverzeichnis sei von Stahlbetonunterzügen die Rede, weil die Bewehrung in die Decke einbinde, was bei Balken nicht immer der Fall sei. Es handele sich dabei um den Sprachgebrauch im Betonbau. Die gewünschte Bauweise habe sich neben der Statik auch aus Plänen ergeben. Die Statik habe der Klägerin bei Angebotsabgabe und Beauftragung vorgelegen, was ihr Geschäftsführer eingeräumt habe (Schreiben vom 05.05.2010, Anlage B 14, Bl. 505 – 506 d. A.). Es sei zunächst die Wand zu erstellen, dann die Decke und der Unterzug zu schalen gewesen. Ein zusätzlicher Leistungsaufwand sei nicht angefallen. Die Reihenfolge der Arbeiten ergebe sich auch aus den Bauzeitplänen der Beklagten und der Klägerin (Anlage B 13, Bl. 490 d. A., Anlagen B 16, B 17, Bl. 1039 – 1045 d. A.).

Aus dem Bauzeitplan in der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis ergebe sich, dass der Rohbau bis Dezember 2009 so weit habe abgeschlossen sein sollen, dass die vorgesehenen Folgegewerke hätten tätig werden können. So sei ein Fenstereinbau ohne Verblendmauerwerk nicht möglich, für die Ausbaugewerke sei ein geschlossener Bau notwendig gewesen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 427.021,46 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es, soweit es in der Berufungsinstanz noch darauf ankommt, ausgeführt, wegen der Herstellung der Balken stehe der Klägerin eine Mehrvergütung von 253.596,85 Euro netto zu. Es handele sich um eine geänderte Leistung. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ergebe als Leistungssoll selbsttragende Unterzüge, was sich aus den Ausführungen der Sachverständigen ergebe.

Geplant gewesen seien dagegen Balken. Es komme nicht darauf an, ob bei der Abgabe des Angebots die Statik vorgelegen habe. Das Leistungsverzeichnis sei eindeutig, so dass keine Notwendigkeit bestanden habe, die Statik heranzuziehen, um es zu überprüfen, auch wenn im Leitungsverzeichnis auf die Statik Bezug genommen werde. Das Risiko eines Widerspruches zur Statik trage die Beklagte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen habe das Leistungsverzeichnis eine bestimmte Reihenfolge der Leistungserbringung vorgesehen, wonach zunächst die Unterzüge und dann das Mauerwerk zu erstellen gewesen seien, was sich insbesondere aus den Positionen 4.2.1.290 und 3.2.1.240 ergebe. Dass eine andere Vorgehensweise nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro geführt hätte, sei unerheblich, weil sie dem Inhalt des Leistungsverzeichnisses widersprochen habe.

Wegen einer Beschleunigung des Bauablaufes stehe der Klägerin ein Mehranspruch in Höhe von 44.720,78 Euro netto zu. In den Bauzeitplänen vom 04.08.2009 und 09.09.2009 hätten leistungsändernde Anordnungen gelegen. Nach dem Leistungsverzeichnis seien nur die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 fertigzustellen gewesen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen seien wesentlich die Hülle und das Innenmauerwerk. Nach den Bauzeitplänen habe die Klägerin aber auch das Verblendmauerwerk im Jahr 2009 herstellen sollen. Das sei nicht wesentlich, weil es für Folgegewerke nicht entscheidend gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Herstellung der Unterzüge verstoße die Auslegung des Leistungsverzeichnisses durch das Landgericht gegen die Grundsätze der Auslegung. Der Bauvertrag sei als sinnvolles Ganzes auszulegen, wobei alle Vertragsbestandteile einzubeziehen seien. Bei öffentlichen Vergaben komme es auf den objektiven Bieterhorizont an. Es gebe keinen Lehrsatz, dass Unklarheiten zu Lasten des Erstellers eines Leistungsverzeichnisses gingen.

Widersprüche seien nach Möglichkeit aufzulösen. Es seien die Umstände des Einzelfalls und die konkreten Verhältnisse des Bauwerks zu berücksichtigen. Das Landgericht habe die Angaben in der Statik unberücksichtigt gelassen. Es habe nur Teile des Wortlauts des Leistungsverzeichnisses berücksichtigt. Es habe die Auslegung nicht der Sachverständigen überlassen dürfen. Nach den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen sei bei dem Ausschalen von Wand- und Deckenflächen zum Teil mit erheblichen Zeitverzögerungen zu rechnen gewesen. Im Leistungsverzeichnis sei jeweils Bezug auf die Position in der Statik genommen. Dies sei Bestandteil der Leistungsbeschreibung. Für einen objektiven Bieter, der die Umstände gekannt habe, sei klar gewesen, dass es sich um nichttragende Bauteile handele, wenn tragende Wände darunter zu errichten gewesen seien. Es habe auch keine zu überspannenden Öffnungen gegeben.

Die Zulage sei nur für die letzte Steinschicht unter den Balken vorgesehen gewesen. Eine Änderung des Auftrags habe es nicht gegeben, da die Statik nicht vom Leistungsverzeichnis abgewichen sei und sie nach dem Schreiben vom 05.05.2010 der Klägerin vor Auftragserteilung vorgelegen habe.

Es fehle eine Anordnung zur Beschleunigung der Bauzeit. Diese liege nicht in der Übersendung des Bauzeitplans, denn die Architekten seien nicht berechtigt gewesen, für sie rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. Die Betonarbeiten hätten ohnehin bis Weihnachten 2009 fertiggestellt werden müssen, da sie zu den wesentlichen Teilen des Rohbaus gehört hätten. Die Klägerin habe dagegen vorgetragen, es sei die Fertigstellung der Betonarbeiten entgegen des Vertrages gefordert worden. Der Nachtrag habe nichts mit Verblendarbeiten zu tun.

Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 (Bl. 1400 ff. d. A.) weist die Beklagte ergänzend auf Teile der Leistungsbeschreibung hin. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen heiße es, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handele, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht werde und die Ausschalung von Wänden und Decken zum Teil mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden könne und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen sei (S. 2, Anlage B 1, AB). Die Klägerin habe deswegen nicht mit der Wiederverwendung von Schalungen kalkulieren dürfen.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 gebe es keine Beschleunigungsanordnung. Nach dem Leistungsverzeichnis habe ein Gerüst für die Verblendarbeiten und die nachfolgenden Gewerke für 10 Wochen vorgehalten werden sollen (Pos. 1.2.1.010, Anlage B 1, AB). Die Verblendarbeiten hätten vor der Erstellung des Dachüberstandes beendet sein müssen. Die Zimmererarbeiten hätten nach dem Terminplan im Leistungsverzeichnis im November 2009 beginnen sollen.

Die Streithelfer tragen vor, das Leistungssoll sei nicht geändert worden. Die Leistung sei immer gleich beschrieben gewesen. Die Schalung sei von der Vergütung umfasst gewesen. Es fehle jedenfalls einer Abgrenzung der Mehrkosten zu den Kosten der ohnehin vorzuhaltenden Schalung. Wegen der global-funktionalen Beschreibung der Leistung habe die Klägerin die Statik einsehen müssen.

Der Mehraufwand sei bei einer anderen Reihenfolge der Bauausführung vermeidbar gewesen. Die Klägerin habe sich eigenmächtig für die aufwendigere Bauweise entschieden, entgegen der Vorgaben in der Ausführungsplanung und der Statik. Aus dem Leistungsverzeichnis habe sich diese Reihenfolge nicht ergeben.

Es fehle eine Mehrvergütungsankündigung. Die Klägerin habe gegen ihre Hinweispflicht verstoßen, indem sie nicht auf Mehrkosten hingewiesen habe.

Sie behaupten, die Statik sei der Beklagten mit Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) übersandt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 01.04.2021 – 2 O 373/13 – zu ändern, die Klage in Höhe weiterer 355.407,82 Euro abzuweisen und sie zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen 123.724,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2011.

Die Streithelfer schließen sich dem Antrag der Beklagten an.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 tragen sie vor, die Statik sei nicht Teil der Ausführungsunterlagen gewesen. Erst der Statiker habe darauf hingewiesen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend hätten sein sollen. Einen konkreten Hinweis auf die dadurch längere Standzeit der Schalung habe sie den Architekten spätestens bei der Baubesprechung am 18.11.2022 gegeben. Der Vertreter der Beklagten, Herr B1, habe nur selten an Baubesprechungen teilgenommen. E habe sich von den Streithelfern vertreten lassen. Sie habe die Mitteilung von Mehrkosten in ihrem Schreiben vom 13.04.2010 an die Streithelfer und Herrn B1 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.) dargestellt, in dem es heiße, sie seien schon vor der Ausführung angezeigt worden. In ihrer Antwort vom 13.04.2010 (Anlage BB 7, Bl. 1431 – 1431R d. A.) hätten die Streithelfer die Kenntnis nicht bestritten. Zwar treffe es zu, dass die Betonarbeiten im Jahr 2009 abgeschlossen worden seien, aus dem Schreiben vom 13.04.2010 ergebe sich aber, dass Herr B1 bereits vor den Arbeiten Kenntnis von dem Mehraufwand gehabt habe. Die Beklagte habe von dem Mehraufwand auch Kenntnis erlangt, weil durch die zusätzlichen Abfangungsmaßnahmen ein “Stützenwald” entstanden sei und die Arbeiten länger gedauert hätten.

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs seien die Innenwände nach dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses zunächst ohne die letzte Schicht zu mauern gewesen. Erst später seien die letzten Schichten zu mauern gewesen. Nach den Bauzeitplänen der Parteien seien erst die Innenwände zu mauern gewesen, dann die Stahlbetonarbeiten auszuführen gewesen. Später hätten die Lücken geschlossen werden sollen. Das sei die übliche Reihenfolge. Sie habe darin kein Problem gesehen, weil sie von selbsttragenden Bauteilen ausgegangen sei. Die von ihr gewählte Reihenfolge sei bekannt gewesen. Sie habe mit Schreiben vom 14.04.2010 (Anlage BB 9, Bl. 1436 d. A.) Bedenken gegen das nachträgliche Aufmauern der Wände angemeldet, die von den Streithelfern mit Schreiben vom 15.04.2010 (Anlage BB 10, Bl. 1425 d. A.) zurückgewiesen worden seien.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 sei die Überschrift missverständlich. Sie beschreibe nicht den Inhalt des Nachtrages. Der Hintergrund der Beschleunigung ergebe sich aus dem Gutachten der Sachverständigen vom 21.02.2020, S. 21 – 23. Sie habe die gesamte Leistung erbringen sollen. Der Abbau des Krans bedeute das Ende der Rohbauarbeiten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Sachverständigen K1 und Vernehmung des Zeugen K2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 04.02.2022 (Bl. 1355 – 1360 d. A.) und vom 18.11.2022 (Bl. 1539 – 1546 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache bis auf einen geringen Teil in der Sache erfolgreich.

Der Klägerin steht kein Werklohnanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB wegen der Nachträge 6 und 7 zu.

1. Der Klägerin steht kein Mehrkostenanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B wegen einer Leistungsänderung bei der Herstellung der Unterzüge zu. Sie hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Änderungsanordnung erfolgt ist.

a) Ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B entsteht, wenn sich die Preisgrundlage für eine im Vertrag vorgesehene Leistung ändert, etwa weil die Leistung anders ausgeführt werden soll als ursprünglich vorgesehen (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3, 5, 6, 9). Dagegen liegt ein Fall des § 2 Abs. 6 VOB/B vor, wenn eine vertraglich noch nicht vorgesehene Leistung gefordert wird, der Leistungsinhalt also erweitert wird, ohne dass der bisherige Leistungsinhalt geändert wird (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 8). Das korrespondiert mit den Regelungen in § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B, aus denen sich ergibt, wann der Auftragnehmer Anordnungen des Auftraggebers nachkommen muss, nämlich bei Änderungen des Bauentwurfs und bei Zusatzleistungen, die zur Ausführung der vereinbarten Leistung erforderlich werden (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 1 Abs. 3 VOB/B, Rn. 2, § 1 Abs. 4 VOB/B, Rn. 1, 3).

Ob die von den Streithelfern zitierte Entscheidung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2021, 22 U 245/20) die Vorschriften anders auslegen will, wird nicht deutlich. Jedenfalls wäre eine Revision nicht wegen einer Abweichung von dieser Entscheidung zuzulassen, weil die Entscheidung nicht auf der Auslegung des § 2 Abs. 5, 6 VOB/B beruht. Sie geht vielmehr davon aus, dass die VOB/B in dem zu beurteilenden Fall nicht wirksam in den Vertrag einbezogen war.

Danach ist die Vorschrift des § 2 Abs. 5 VOB/B einschlägig. Denn die Herstellung von Unterzügen war von Anfang an vorgesehen. Es geht allein darum, auf welche Weise sie hergestellt werden sollten.

b) Die Ausführung der Unterzüge, wie die Statik sie vorsah, wich von der Ausführung ab, von der die Klägerin nach dem Leistungsverzeichnis ausgehen durfte. Die Unterzüge sollten danach überwiegend nicht als freitragende Bauteile errichtet werden. Diese Abweichung ist als Änderung des Bauentwurfs i. S. d. § 2 Abs. 5 VOB/B zu werten.

aa) Bei einer öffentlichen Ausschreibung ist der Vertragsinhalt durch die Auslegung der Leistungsbeschreibung zu bestimmen. Eine Änderung der Preisgrundlage kommt nur in Betracht, wenn sich durch einen späteren Eingriff des Auftraggebers der vereinbarte Leistungsinhalt geändert hat (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 5).

(1) Der Inhalt einer öffentlichen Ausschreibung ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei es auf den objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen, mit der angefragten Leistung vertrauten Bieters ankommt (BGH, Beschluss vom 07.01.2014, X ZB 15/13; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.10.2020, 11 Verg 9/20). Nach den allgemeinen Auslegungsgrundlagen ist bei der Auslegung von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen. Es sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger der Erklärung bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren (BGH, Beschluss vom 13.10.2011, VII ZR 222/10). Die Auslegung hat unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der sonstigen Umstände und des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks zu verfolgen (BGH, Urteil vom 30.06.2011, VII ZR 13/10).

(2) Bei der Auslegung ist danach nicht allein auf den Wortlaut der Positionen des Leistungsverzeichnisses und dort allein auf die Bedeutung des Worts “Unterzüge” abzustellen. Die Auslegung hat jedoch von der Bedeutung dieses Wortlauts auszugehen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen ist unter einem Unterzug ein selbsttragendes Bauteil zu verstehen. Konkrete Anhaltspunkte Zweifel an dieser Feststellungen i. S. d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zeigt die Berufung nicht auf.

(3) Die Statik kann nur dann zur Auslegung der Vereinbarung herangezogen werden, wenn sie der Klägerin bei Angebotserstellung bekannt war. Das hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.

Die Statik war nicht Teil der Vergabeunterlagen. Sie ist nicht in den von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Unterlagen enthalten. Bestandteil der Vergabeunterlagen waren einige Zeichnungen, von denen unklar geblieben ist, ob sich aus ihnen ergab, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten.

Das Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) allein ist nicht geeignet, den Beweis zu erbringen, dass die relevanten Teile der Statik übersandt worden sind. In dem Schreiben wird ein Satz statische Unterlagen nach einer Planliste erwähnt, ohne dass deutlich wird, welche Unterlagen das gewesen sind. Es kann sich auch nur um die erwähnten Schalpläne gehandelt haben. Zudem ist aus dem Schreiben allein nicht erkennbar, ob die Unterlagen tatsächlich beilagen.

Im Übrigen wäre die Übergabe zwar vor dem Vertragsschluss, aber nach dem Angebot erfolgt. Grundlage für die Kalkulation konnte die Statik damit nicht mehr werden. Sie wäre für die Auslegung des Leistungsverzeichnisses und damit für das Verständnis des Angebots der Klägerin vom 29.06.2009 unerheblich. Es kommt so auch nicht darauf an, ob sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 05.05.2010 (Anlage B 14, Bl. 504 – 506 d. A.) ergibt, dass ihr die Statik bei Auftragserteilung vorlag.

Auch dann wäre der Preis anzupassen. Es dürfte sogar so sein, dass bei einer Änderungsanordnung vor Vereinbarung einer Leistung nicht § 2 Abs. 5 VOB/B eingreift, sondern der übliche Preis heranzuziehen ist (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3).

(4) Dass in den die Unterzüge betreffenden Positionen des Leistungsverzeichnisses (Pos. 3.1.1.480, 3.1.1.490, 3.1.1.500, 3.1.1.510, 3.1.1.520, 3.1.2.180, 3.1.2.190, 3.1.2.200, 3.1.2.210, 4.1.2.150 – 4.1.2.240, 4.1.2.420, 4.1.2.430) jeweils auf die Statik Bezug genommen wurde, bedeutet nicht, dass die Klägerin sie hätte anfordern müssen. Denn sie musste allein aufgrund dieses Hinweises keinen Anlass zu der Annahme haben, dass sich aus der für die Erstellung des Angebots nicht übergebenen Statik angebotsrelevante Umstände ergaben.

(5) Aus dem weiteren Inhalt der die Unterzüge betreffenden Positionen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich überwiegend nicht um selbsttragende Bauteile handeln sollte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen im Termin vom 04.02.2022 (Prot. S. 3, Bl. 1357 d. A.) sprechen weder die Maße noch die Anzahl der Unterzüge gegen die Annahme, dass selbsttragende Bauteile geplant waren.

(6) Aus dem Umstand, dass im Leistungsverzeichnis auch tragende Innenwände vorgesehen waren (Pos. 3.2.1.210, 3.2.1.270, 4.2.1.260, 4.2.1.320, 4.2.1.360), lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten. Es kann nach den Ausführungen der Sachverständigen bautechnisch Sinn ergeben, zum Schutz des Mauerwerks dieses erst nach Abschluss der Betonarbeiten aufzumauern. Auch müssen lange Unterzüge teilweise unterstützt werden, was auch durch tragende Innenwände möglich ist (Prot. v. 04.02.2022, S. 3, 5, Bl. 1357, 1359 d. A.).

Auch der Wortlaut der Zulagepositionen für das spätere Mauern der letzten Schichten unter der Stahlbetondecke bzw. dem Stahlbetonbalken nach dem Ausschalen der Stahlbetondecke (Pos. 3.2.1.240, 3.2.1.290, 4.2.1.290, 4.2.1.340, 4.2.1.380) weist nicht eindeutig auf nicht selbsttragende Bauteile hin.

Nach den Ausführungen der Sachverständigen wird der Begriff Balken sowohl für selbsttragende als auch für nicht selbsttragende Betonbauteile verwendet (Prot. v. 04.02.2022. S. 5 f., Bl. 1359 f. d. A.).

bb) Auch wenn die Statik von Anfang an die Ausführung der Unterzüge weitgehend als nichttragende Bauteile vorsah, ist in der Ausführung nach der Statik eine andere Ausführung der Leistung zu sehen. Denn der Vertragsinhalt auf der Grundlage der dargestellten Auslegung des Leistungsverzeichnisses sah die Ausführung als tragende Bauteile vor.

Dass die Statik von Anfang an die Ausführung als nichttragende Bauteile vorsah, ist unstreitig. Die Klägerin hat nur bestritten, dass die Statik ihr bei der Erstellung des Angebots vorlag, aber nicht behauptet, dass sie nachfolgend geändert worden wäre. Sie hat nur von der Übergabe einer Nachtragsstatik gesprochen, ohne zu behaupten, dass die Änderung die hier relevante Leistung betraf oder dass sie der Angebotserstellung nachfolgte. Sie ist dem Vortrag der Beklagten, dass die Statik wegen der Ausführung der Unterzüge nie geändert worden ist, nicht entgegengetreten. Sie ist auch den Feststellungen des Landgerichts nicht entgegengetreten, nach denen es einen Widerspruch zwischen der Statik und dem Text des Leistungsverzeichnisses gab. Zumindest hat die Klägerin keinen Beweis für eine nachträgliche Änderung angeboten.

Auch in der Berufungserwiderung macht die Klägerin nur geltend, dass die Statik erst am 27.08.2009 geprüft und ihr auf einer CD mit dem Datum 30.09.2009 übergeben worden sei. Sie bezieht sich dabei auf Statiken, die am 02.09.2008 bzw. 17.03.2009 aufgestellt worden sind (Anlage BB 3, Bl. 1250 – 1251 d. A.), und damit deutlich vor dem Angebot.

c) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Leistungsanordnung erfolgt ist.

aa) Für eine Leistungsanordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B notwendig ist eine rechtsgeschäftliche, mit Vertretungsmacht abgegebene Erklärung, in der der Bauherr die geänderte Bauweise anordnet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.10.2013, 22 U 21/13). Die Anordnung kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen, etwa dadurch, dass der Auftraggeber in Kenntnis geänderter Bedingungen die Arbeiten fortsetzen lässt (Ingenstau/ Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 20). Eine Anordnung kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen (KG, Urteil vom 21.04.2016, 27 U 81/15; Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340). Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das Bausoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die verlangte Ausführung sei vom Bausoll gedeckt (Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340).

Notwendig ist jedoch, wie bei jeder Willenserklärung, dass der Auftraggeber die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers nach dem objektiven Empfängerhorizont als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Bauherrn bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.

bb) Es ist danach nicht ausreichend, dass der Klägerin die Statik übergeben worden ist und sie unstreitig danach bauen sollte. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass aufseiten der Beklagten das Leistungsverzeichnis anders verstanden wurde als aufseiten der Klägerin. Es war für die Klägerin erkennbar, dass die Statik hinsichtlich der Ausführungsart der Unterzüge nie geändert worden war. Sie musste erkennen, dass die Streithelfer den Begriff anders verwendet hatten als er gemeinhin zu verstehen ist.

In dieser Situation musste die Klägerin einem Vertreter der Beklagten deutlich machen, dass sie bei ihrer Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen war und durch die vorgesehene Ausführung nunmehr erheblicher Mehraufwand entstehen werde. Nur dann durfte sie in der Übergabe der Statik oder in dem Zulassen der Fortsetzung der Arbeiten eine Änderungsanordnung sehen.

cc) Inwieweit die Streithelfer von diesen Umständen Kenntnis erhalten haben, kann dahinstehen. Denn sie hatten unstreitig keine Vertretungsmacht für die Beklagte. Sie konnten so keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen für diese abgeben.

Etwaige Kenntnisse der Streithelfer waren der Beklagten nicht analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen. Ein Geschäftsherr muss sich entsprechend § 166 Abs. 1 BGB und mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch die Kenntnis eines Wissensvertreters zurechnen lassen. Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten (BGH, Urteil vom 26.05.2020, VI ZR 186/17).

Die Streithelfer waren nicht in eine solche Art und Weise in die Organisation der Beklagten eingebunden.

Sie waren allein damit betraut, das Bauvorhaben zu planen und zu überwachen, damit die Schulgebäude mangelfrei errichtet werden konnten. Dazu gehörte nicht die Kenntnisnahme und Weiterleitung von Informationen, die zu Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Bauunternehmerin und der Bauherrin führen konnten.

Die Klägerin durfte zudem nicht davon ausgehen, dass die Streithelfer etwaige Kenntnisse von der Problematik an die Beklagte weiterleiten würden. Denn die Streithelfer hatten das Leistungsverzeichnis verfasst und waren damit für die Wahl des missverständlichen Begriffes “Unterzug” verantwortlich. Sie hätten sich bei einer Weiterleitung der Informationen an die Beklagte selbst belastet. Sie zeigten sich auch nicht einsichtig, sondern waren mit der Geltendmachung von Mehrkosten nicht einverstanden. In einer solchen Situation muss sich der Unternehmer an den Bauherrn selbst wenden.

Diese Frage ist ebenso zu beurteilen wie bei der Erteilung eines Bedenkenhinweises nach §§ 13 Abs. 3, 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B. Auch mit einem Bedenkenhinweis muss sich der Unternehmer jedenfalls dann direkt an den Bauherrn wenden, wenn er Bedenken gegen Anordnungen oder Planungen des Architekten selbst hat (BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; OLG Oldenburg, Urteil vom 15.10.1997, 2 U 178/97) oder der Architekt sich der Bedenkenanmeldung durch den Unternehmer verschließt (BGH, Urteil vom 19.01.1989, VII ZR 87/88; BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; Senat, Urteil vom 24.05.2019, 1 U 71/18; OLG Düsseldorf, Baurecht 1995, 244, 245; OLG Celle, Urteil vom 21.10.2004, 14 U 26/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013, 23 U 185/11; Ingenstau/Korbion/Wirth, VOB, 21. Aufl., § 13 Abs. 3 VOB/B, Rn. 78).

Ob der Beklagten ein Planungsverschulden der Streithelfer anzurechnen ist, ist unerheblich, weil die Klägerin nicht Schadensersatz geltend macht, sondern Werklohn.

dd) Auch Herr B1 war nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen für die Beklagte gegenüber der Klägerin bevollmächtigt. Die Klägerin durfte das auch nicht annehmen. In dem von dem Bürgermeister unterschriebenen Auftragsschreiben vom 06.08.2022 (Anlage B 1, AB) wird Herr B1 als Mitarbeiter im Gebäudemanagement bezeichnet. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist mit einer solchen Position regelmäßig nicht verbunden.

Ob Wissen von Herrn B1 der Beklagten analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen wäre, kann offenbleiben.

Denn es steht nicht fest, dass er von den oben bezeichneten Umständen Kenntnis hatte.

ee) Schriftverkehr mit der Beklagten – oder auch nur mit den Streithelfern – aus dem Jahr 2009 legt die Klägerin nicht vor. Als einzige schriftliche Unterlage aus dem fraglichen Zeitraum legt sie das Protokoll der Baubesprechung vom 18.11.2009 (Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) vor, in der Mehrkosten wegen längerer Schalungszeiten angekündigt wurden. Ob das Protokoll einem Vertreter der Beklagten zur Kenntnis gelangt ist, ist unbekannt. Das folgt nicht allein daraus, dass Herr B1 im Verteiler genannt wird.

Nach dem Vortrag der Klägerin sollen Mehrkosten dabei zum ersten Mal zur Sprache gebracht worden sein.

Das wäre erheblich nach dem Beginn der Betonarbeiten gewesen. Auch die Höhe der Mehrkosten wird in dem Protokoll nicht näher dargelegt. Es soll nachfolgend eine erste Kostenzusammenstellung vom 15.12.2009 gegeben haben. Auch eine solche legt die Klägerin nicht vor.

Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf ihr Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.), in dem angeführt wird, der Mehrbedarf und die Gründe dafür seien “Ihnen” vor Ausführung der Arbeiten bekannt gemacht worden. Das Schreiben ist als solches nicht zum Beweis geeignet, weil es unstreitig nach dem Abschluss der Betonarbeiten verfasst worden ist. Ob und auf welche Weise die Vertreter der Beklagten Kenntnis erhalten haben sollen, ergibt sich daraus zudem nicht. Ob die Streithelfer die Darstellung bestritten haben, ist unerheblich. Auf solche vorprozessualen Vorgänge sind die prozessualen Regeln nicht anzuwenden.

ff) Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Termin vom 04.02.2022 (insoweit nicht protokolliert) soll über die Frage gesprochen worden sein, nachdem die Anforderungen aus der Statik bekannt geworden waren. Es ist aber offengeblieben, mit wem gesprochen worden ist und wie genau die Angaben dabei waren.

gg) Es reicht nicht aus, wenn durch den Mehraufwand nunmehr ein “Stützenwald” entstand, oder, dass die Dauer der Arbeiten sich verlängerte. Die Vertreter der Beklagten mussten keine Vorstellung davon haben, auf welche Weise oder mit welchem Aufwand die Klägerin die Unterzüge herstellen wollte. Sie konnten so nicht erkennen, ob sich etwas geändert hatte.

hh) Der Senat ist nach der Aussage des Zeugen K2 nicht überzeugt, dass Vertreter der Beklagten die notwendigen Informationen erhalten haben.

Der Zeuge K2 hat bekundet (Prot. v. 18.11.2022, S. 2 ff., Bl. 1540 ff. d. A.), es sei gegenüber dem bauleitenden Architekten Herrn F1 dargelegt worden, dass es zu Mehrkosten komme. Nach seiner Erinnerung sei Herr B1 auch im Thema gewesen. Herr B1 habe an Baubesprechungen teilgenommen und die Protokolle erhalten. Überwiegend sei mündlich gesprochen worden, es habe aber auch jede Menge Schriftverkehr gegeben. Mehrkosten sei widersprochen worden. Eine genaue Situation könne er nicht mehr erinnern. Das Schreiben vom 13.04.2010 habe er verfasst. Herr F1 habe einmal handschriftlich eine Zahl notiert, die zur Lösungsfindung habe dienen sollen. Das habe aber nicht zu einer Einigung geführt.

Die Aussage ist weder für sich noch im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 13.04.2010 glaubhaft. Es fehlen Realkennzeichen für die Aussage, dass Herr K2 oder ein anderer Vertreter der Klägerin mit Herrn B1 über die Mehrkosten und deren Ursachen gesprochen haben. Herr K2 konnte keine konkrete Situation schildern, in der es zu einem solchen Gespräch gekommen sein soll.

Herr K2 schränkte seine Aussage teilweise dahin ein, dass er aufgrund des Schriftverkehrs davon ausgehe, Herr B1 sei informiert gewesen, Herr B1 sei verschiedentlich auf der Baustelle gewesen und habe das Thema wahrgenommen oder man sei zwar bei Baubesprechungen teilweise in verschiedenen Gruppen über die Baustelle gegangen, er gehe aber davon aus, dass das Thema unter anderem Herrn B1 bekannt gewesen sei (Prot. v. 18.11.2022, S. 2, 3, Bl. 1540, 1541 d. A.). Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass Herr K2 nur aufgrund der auf der Baustelle geführten Gespräche darauf schließt, dass auch Herr B1 informiert gewesen sei. Im Übrigen ist nicht glaubhaft, dass es eine große Anzahl von Schreiben aus dem Jahr 2009 zu dem Problem gab. Die Klägerin hat solche Schreiben, wie gesagt, nicht vorgelegt.

Die Aussage wird nicht dadurch glaubhaft, dass Herr K2 bekundet hat, er habe das Schreiben vom 13.04.2010 verfasst und die darin aufgeführten Punkte seien seinerzeit angesprochen worden. Das ersetzt nicht die fehlende Erinnerung daran, in welcher Situation mit wem ein solches Gespräch geführt worden sein soll.

Ob der Streithelfer Herr F1 einmal mit dem Ziel einer Einigung eine Zahl notiert hat, ist unerheblich. Ihm fehlte jedenfalls die Vertretungsmacht für die Beklagte. Im Übrigen fehlt zu einem solchen Vorgang Vortrag der Klägerin.

d) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht nach den Regelungen des § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Sie hat nicht dargelegt, jedenfalls nicht bewiesen, dass ein Vertreter der Beklagten die geänderte Leistung anerkannt hat oder die geänderte Leistung einem Vertrete der Beklagten unverzüglich angezeigt worden ist.

Das würde wiederum ein Bewusstsein einer geänderten Leistung bei einem Vertreter der Beklagten voraussetzen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

e) Abgesehen von dem fehlenden Anspruchsgrund hat die Klägerin auch die Höhe des Anspruchs nicht plausibel dargelegt.

aa) Ein erheblicher Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass die Klägerin die Schalungen für die Unterzüge nicht mehrmals verwenden konnte, weil die nicht selbsttragenden Unterzüge abgestützt werden mussten. Die Klägerin durfte bei ihrer Kalkulation allerdings nicht von einer mehrfachen Verwendung der Schalung ausgehen.

In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen ist geregelt, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handelt, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht wird und die Ausschalung von Wänden und Decken z. T. mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden kann und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen ist (S. 2, Anlage B1, AB). Die Klägerin musste danach damit rechnen, dass die Schalung länger vorgehalten werden musste, nämlich bis der Statiker das Ausschalen genehmigte.

Es handelt sich dabei nicht vornehmlich um eine technische Frage, sondern um die Auslegung der Vertragsbedingungen. Es ist deswegen nicht erheblich, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 ausgeführt hat, bei normalen Abbindezeiten habe die Schalung öfter verwendet werden können. Ein früheres Ausschalen sei mit Zustimmung des Statikers möglich. Nach der Abbindezeit sei die Zustimmung nicht notwendig (Prot. S. 6 f, Bl. 1543 f. d. A.). Die Sachverständige hat damit nur ein übliches Vorgehen auf einer Baustelle geschildert. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen wurde aber gerade klargestellt, dass mit Zeitverzögerungen zu rechnen war. Die Klägerin hätte deswegen nicht ohne Nachfrage den üblichen Bauablauf ihrer Kalkulation zugrunde legen dürfen. Das gilt auch dann, wenn der Begriff des Raumtragewerks im Betonbau nicht üblich ist (Prot. v. 18.11.2022, S. 7, Bl. 1545 d. A.). Ein solcher erkennbarer Widerspruch hätte erst recht zu der Nachfrage führen müssen, was gemeint war.

Nach der Aussage des Zeugen K2 gibt es sogar einen Anhaltspunkt dafür, dass die von der Klägerin geltend gemachte Problematik ihre Ursache darin hatte, dass sie den Hinweis in den besonderen technischen Vertragsbedingungen nicht beachtet hat. Er hat bekundet, es habe sich herausgestellt, dass die Tragfähigkeit nur durch das Gesamtwerk, nämlich die Unterzüge und das Dach, habe hergestellt werden können (Prot. v. 18.11.2022, S. 4, Bl. 1542 d. A.). Das deutet auf den in den Vertragsbedingungen beschriebenen Umstand, hin, dass die Tragkraft erst nach Fertigstellung und Abbindezeit des gesamten Raumtragewerks erreicht wird.

bb) Ein Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass das Aufmauern der tragenden Wände zwischen der Abfangung der Unterzüge erschwert gewesen sei und sich unter anderem dadurch eine Bauzeitverzögerung ergeben habe. Diese Kosten wären vermeidbar gewesen, wenn vor der Herstellung der Unterzüge die Wände gemauert worden wären. Nach den Ausführungen der Sachverständigen hätte das Vorgehen in anderer Reihenfolge auch bei der Annahme, dass die Klägerin zunächst von freitragenden Bauteilen ausgehen durfte, nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro netto geführt (EGA v. 11.02.2020, S. 14).

Die von der Klägerin gewählte Reihenfolge war nicht im Leistungsverzeichnis vorgeschrieben. Aus ihm ergibt sich keine bestimmte Reihenfolge der Arbeiten. Eher ergibt sich, dass die Wände größtenteils vor der Erstellung der Decken hergestellt werden sollten. Auf die gegenteiligen Ausführungen der Sachverständigen (Prot. v. 12.02.2021, S. 3 f., Bl. 1021 f. d. A.) kommt es nicht an, weil es sich nicht um technische Fragen handelt. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ist eine Rechtsfrage. Es kommt für die Auslegung auch nicht darauf an, ob die Rechtsanwälte der Beklagten im Nachhinein geäußert haben, die Vorgehensweise der Klägerin sei richtig gewesen.

Für die Positionen, die die Herstellung der tragenden Innenwände vorsahen, war jeweils eine Zulage für das spätere Mauern der letzten Schichten vorgesehen (Pos. 3.2.1.210 und 3.2.1.240, 3.2.1.270 und 3.2.1.290, 4.2.1.260 und 4.2.1.290, 4.2.1.320 und 4.2.1.340, 4.2.1.360 und 4.2.1.380 des LV). Bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergab sich daraus, dass die tragende Innenwand bereits mit Ausnahme der letzten Schichten hergestellt sein sollte, bevor die Stahlbetondecke hergestellt wurde, denn sonst hätte es nicht der Beschreibung “später” bedurft, die eine Unterbrechung der Arbeiten nahelegt.

Hätten erst die Decken und danach die Wände hergestellt werden sollen, hätte es keines Zusatzes, der auf eine Unterbrechung der Arbeiten hinweist, bedurft.

Dass das Aufmauern der Wände vor den Betonarbeiten geplant war, ergibt sich aus den Bauzeitplänen. So sah etwa der Plan der Beklagten (Anlage B 13, Bl. 490 d. A.) das Aufmauern von Wänden im Untergeschoss für die 37./38. Kalenderwoche, das Herstellen der Stahlbetondecke jedoch erst für die 38./39. Kalenderwoche vor. Im Erdgeschoss sollte das Aufmauern der Wände in der 40./41. Kalenderwoche erfolgen, das Herstellen der Decken in der 42. Kalenderwoche. Ähnliches ergibt sich aus dem von der Klägerin erstellten Bauzeitplan vom 21.09.2009 (Bl. 1039 ff. d. A.). Danach hätte etwa das Aufmauern der Wände im Untergeschoss bis zur 39. Kalenderwoche dauern sollen, das Herstellen der Decke hätte in der 38./39. Kalenderwoche geschehen sollen. Der Ablauf der Herstellung von Mauerwerk und Decke im Erdgeschoss hätte nicht verändert werden sollen. Außerdem war zu einem späteren Zeitpunkt die Herstellung restlichen Ziegelmauerwerks vorgesehen, wobei es sich um das Aufmauern der letzten Schichten handeln dürfte.

Dieser Auslegung des Leistungsverzeichnisses und der Bauzeitpläne hat die Klägerin in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 ausdrücklich zugestimmt. Soweit sie geltend gemacht hat, die von ihr – danach frei gewählte – Vorgehensweise sei der Beklagten bekannt gewesen, ist das unerheblich.

Abgesehen davon, dass unklar geblieben ist, ob für die Beklagte Vertretungsberechtigte Kenntnis hatten, kann aus dem bloßen Umstand, dass dem Bauherrn eine vom Unternehmer frei gewählte Reihenfolge der Arbeiten bekannt ist, kein Mehrkostenanspruch erwachsen.

Die Klägerin hat auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 nicht dargelegt, welche Mehrkosten entstanden wären, wenn sie zunächst die Wände gemauert hätte, oder, aus welchem Grund eine solche Reihenfolge nicht möglich gewesen sein soll, als ihr die Anforderungen aus der Statik bekannt wurden. Dabei ist von Bedeutung, dass bereits im Untergeschoss der Sporthalle (Titel 3.1.1) Unterzüge vorgesehen waren und aus den Anforderungen der Statik an sie Rückschlüsse für die Ausführung der Unterzüge jedenfalls im Obergeschoss der Sporthalle hätten gezogen werden müssen.

Die Klägerin hat nur geltend gemacht, dass sich die Mehrkosten auf das Mauern der letzten Schichten bezögen. Eine solche Einschränkung geht weder aus dem Nachtrag 6 noch aus ihrem Vortrag in diesem Rechtsstreit hervor. Im Gegenteil geht die Vorbemerkung des Nachtrags (Ziff. 3 der Beschreibung des Mehraufwands, S. 2) offensichtlich von der Herstellung des gesamten unter den Unterzügen angeordneten Mauerwerks aus. Außerdem ist unstreitig, dass die Klägerin die gesamten Wände erst nach der Herstellung der Unterzüge aufgemauert hat. Sie selbst spricht von einem “Stützenwald“, der auf der Baustelle entstanden sei.

2. Mehrkosten nach dem Nachtrag 7 für eine Beschleunigung des Bauablaufes stehen der Klägerin nicht zu.

Tatsächlich ist eine relevante Beschleunigung des Bauablaufes nicht erfolgt. Zumindest fehlt es an einer der Beklagten zurechenbaren Beschleunigungsanordnung.

a) Die Klägerin macht mit dem Nachtrag 7 Mehrkosten dafür geltend, dass die Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 fertigzustellen waren. Das war zwischen den Parteien indes bereits im Vertrag vom 06./20.08.2009 vereinbart worden.

aa) Das dem Vertrag zugrunde liegende Leistungsverzeichnis enthielt in der Vorbemerkung bereits einen groben Bauzeitplan, nach dem die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 beendet sein sollten (S. 4 der Vorbemerkungen, Anlage B 1, AB). Aus dem für die Ausbaugewerke vorgesehenen Leistungsbeginn ist zu erkennen, dass das Bauwerk zu diesem Zeitpunkt bereit für den Einbau der Fenster und ab da geschlossen für den Beginn des Innenausbaus sein musste. Nach den Ausführungen der Sachverständigen (1. EGA v. 11.02.2020, S. 22) ist daraus jedenfalls zu schließen, dass die Betonarbeiten abgeschlossen sein mussten. Die Herstellung der Sohle, der Außenwände sowie der Decken war notwendig, um einen geschlossenen Bau zu erreichen.

bb) Die Überschrift des Nachtrags ist nicht missverständlich. Er enthält das, was mit der Überschrift angekündigt wird, nämlich Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis Dezember 2009, die indes bereits ursprünglich vertraglich geschuldet war. Die beiden Positionen weisen Schalarbeiten und die Zuteilung eines zweiten Poliers jeweils bis zum 18.12.2009 aus. Es ging somit nicht um die Fertigstellung der Betonarbeiten innerhalb eines verkürzten, vor Dezember 2009 endenden Zeitraums. Das entspricht auch dem durchgehenden Vortrag der Klägerin.

Insofern kann sich die Klägerin nicht auf die Ausführungen der Sachverständigen in dem Ergänzungsgutachten vom 11.02.2020 (S. 21 – 23) stützen. Zwar heißt es dort, nach einem geänderten Bauzeitenplan hätten die Betonarbeiten bis Oktober 2009 statt bis Weihnachten fertiggestellt sein sollen.

Der Senat verkennt auch nicht, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 erklärt hat, aufgrund einer Verkürzung des Zeitraums für die Betonarbeiten auf den 04.11.2009 habe schneller gearbeitet werden müssen (Prot. S. 6, Bl. 1544 d. A.). Das entspricht nicht dem Vortrag der Klägerin. Sie hat in dem Nachtrag keine Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis zum 04.11.2009 kalkuliert.

cc) Eine Verkürzung des ursprünglich vertraglich vorgesehenen Leistungszeitraums scheidet auch wegen des in dem in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis enthaltenen Bauzeitplan vorgesehenen Beginns der Zimmerer- und Dacharbeiten im November 2009 aus. Die Klägerin musste erkennen, dass die Wände und Decken bis dahin fertiggestellt sein mussten.

Die Klägerin hatte nach dem Leistungsverzeichnis (Pos. 1.2.1) ein Gerüst für die Folgegewerke nach Erstellung der Rohbauarbeiten zu erstellen. Das Gerüst war unter anderem für Arbeiten am Dach notwendig. Die Aufstellung des Gerüsts setzte voraus, dass der Rohbau bereits stehen musste, jedenfalls die Wände, an denen das Gerüst aufzustellen war.

Der Beginn der Arbeiten an dem Dachstuhl und dem Dach setzt voraus, dass zu diesem Zeitpunkt der Rohbau soweit steht, dass das Dach darauf errichtet werden kann. Auch das setzt die Fertigstellung der Wände und der Decken voraus.

b) Im Übrigen fehlte selbst im Falle einer relevanten Baubeschleunigung für einen Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B eine rechtsgeschäftliche Anordnung eines Vertreters der Beklagten. Die von der Klägerin herangezogenen Bauzeitpläne sind ihr von den Streithelfern übergeben worden. Diese waren nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt.

3. Das Urteil des Landgerichts ist in Höhe von 71.613,64 Euro rechtskräftig geworden. Insoweit hat die Beklagte das Urteil nicht angegriffen. In Höhe von insgesamt 354.997,98 Euro war die Klage abzuweisen. In Höhe der Differenz von 409,84 Euro zu dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 427.021,46 Euro war die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

Der von der Beklagten angegebene Zahlbetrag von 123.724,23 Euro beruht auf einem offensichtlichen Rechenfehler. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man den von der Beklagten angegriffenen Betrag von 355.407,82 Euro von der ursprünglichen Klagesumme von 479.132,05 Euro abzieht. Tatsächlich ist von der Höhe der Verurteilung auszugehen. Der Antrag der Beklagten ist dahin auszulegen, dass sie in erster Linie die Klagabweisung in Höhe von 355.407,82 Euro anstrebt, nicht die Verurteilung zur Zahlung von 123.724,23 Euro.

Im Übrigen käme eine Verurteilung in dieser Höhe nicht in Betracht, weil die Klägerin die teilweise Klageabweisung durch das Landgericht nicht angegriffen hat.

Die Klage ist in Höhe von 301.780,25 Euro brutto (253.596,85 Euro netto) abzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 6 zusteht. Diesen Betrag hat das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt. Das Landgericht hat sich für die Höhe des Betrages auf das Gutachten der Sachverständigen gestützt (Urt. S. 42, 44), die diesen Betrag ermittelt hatte (GA v. 07.03.2017, S. 97). Bei dem vom Landgericht auch genannten Betrag von 253.941,25 Euro netto (Urt. S. 43) handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler.

Die Beklagte ist bei der Berechnung des angegriffenen Betrages von dem letzteren Betrag ausgegangen.

Der Angriff ist daher um 409,84 Euro brutto (344,40 Euro netto) zu hoch. In dieser Höhe ist ihre Berufung unbegründet. Sie war entsprechend zur Zahlung weiteren Werklohns nebst Zinsen zu verurteilen. Wegen der Verurteilung zur Zinszahlung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, das von der Beklagten insoweit nicht angegriffen worden ist.

Die Klage ist in Höhe weiterer 53.217,73 Euro brutto (44.720,78 Euro netto) zurückzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 7 zusteht. Das Landgericht hat diesen Betrag seiner Verurteilung zugrunde gelegt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt.

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (“kann”) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden.
2. Die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen steht der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (Anschluss an BGH, IBR 2007, 530).

BGH, Urteil vom 05.12.2023 – VI ZR 34/22
vorhergehend:
OLG Koblenz, 29.12.2021 – 5 U 1484/21
LG Koblenz, 29.07.2021 – 1 O 363/18

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach ärztlicher Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten vom 5. Juli 2020 im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 mündlich erläutert. Die Klägerin hat den Sachverständigen im Termin als befangen abgelehnt und dies anschließend in einem Schriftsatz begründet. Mit Schreiben vom 18. April 2021 hat der Sachverständige dazu Stellung genommen. Daraufhin hat die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch mit einem neuen Schriftsatz auch darauf gestützt, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 in unangemessener Weise Kritik am Befangenheitsantrag sowie an ihrem Prozessbevollmächtigten und dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung geübt habe. Das Landgericht hat das Gesuch der Klägerin, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht (4. Zivilsenat) den Beschluss des Landgerichts abgeändert und das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Es hat ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob die zunächst geltend gemachten Gründe rechtzeitig angebracht worden seien, da es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Jedoch habe der Sachverständige mit seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 die Grenzen der gebotenen Neutralität und Sachlichkeit überschritten, indem er das Prozessverhalten und die Persönlichkeitsstruktur des Klägervertreters analysiert und negativ bewertet habe.

3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4

Das Berufungsgericht hat – soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant – ausgeführt, dass die Klägerin einen Behandlungsfehler oder eine fehlerhafte Aufklärung nicht nachgewiesen habe. Das Gutachten des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 und das Ergebnis der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vom 4. Februar 2021 seien weiterhin verwertbar. Das Landgericht sei nicht verpflichtet gewesen, ein neues Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, bestehe auch aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Im vorliegenden Fall sei die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke aus dem Prozessverlauf ersichtlich.

5

Ein neues Sachverständigengutachten müsse nicht deshalb eingeholt werden, weil der Sachverständige die Beantwortung entscheidungserheblicher Fragen verweigert habe oder dessen angeblich widersprüchliche Aussagen hätten aufgeklärt werden müssen. Der Sachverständige müsse auch nicht erneut zur Erläuterung seines Gutachtens geladen werden. Ein Behandlungsfehler sei nicht nachgewiesen.

II.

6

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet (§ 412 Abs. 2 ZPO) und seine Entscheidung auf die Ausführungen des abgelehnten Sachverständigen gestützt hat.

7

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (“kann”) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden (vgl. Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8, § 412 Rn. 29; Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 412 Rn. 1; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 406 Rn. 18, § 412 Rn. 2; Berger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 406 Rn. 66; BeckOK ZPO/Scheuch, 50. Ed. 1.9.2023, § 406 Rn. 39; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16, § 412 Rn. 7; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15, § 412 Rn. 3; Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Aufl., § 412 Rn. 2).

8

2. Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel liegen nicht vor.

9

a) Das Berufungsgericht hat nicht annehmen dürfen, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin unzulässig sei.

10

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich sei, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke sei aus dem Prozessverlauf ersichtlich. In ihrer Stellungnahme zum Sachverständigengutachten habe sich die Klägerin noch einige seiner Aussagen zu eigen gemacht und lediglich die fehlerhafte Zugrundelegung eines falschen Sachverhalts gerügt. Als der Sachverständige jedoch bei seinen der Klägerin ungünstigen Feststellungen geblieben sei, sei der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit angebracht worden. Danach sei offensichtlich, dass die Klägerin die ihr unliebsame Folge der Beweisaufnahme dadurch zu umgehen versucht habe, durch die Ablehnung des Sachverständigen die Einholung eines neuen Gutachtens zu erreichen. Diese unzulässige, weil rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik bzw. dieses Ziel ergebe sich schließlich auch aus der Berufungsbegründung, in der die Klägerin mitgeteilt habe, sie hätte ein eigenes Gutachten eingeholt, wenn das Landgericht – statt direkt die Klage abzuweisen – darauf hingewiesen hätte, dass es das Sachverständigengutachten verwerten wolle.

11

bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts widerspricht der Bindungswirkung der im Ablehnungsverfahren getroffenen Entscheidung. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat ein anderer Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Diese Entscheidung unterliegt gemäß § 512, § 406 Abs. 5 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, das an sie gebunden ist.

12

cc) Im Übrigen trägt der Verfahrensablauf nicht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das Prozessverhalten der Klägerin stellt entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts keine rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik dar, um eine unliebsame Folge der Beweisaufnahme zu umgehen, sondern die Wahrnehmung eines prozessualen Rechts. Denn es steht einer Partei frei, vom Ablehnungsrecht (§ 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) in den durch § 406 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO bestimmten zeitlichen Grenzen Gebrauch zu machen.

13

b) Zwar steht die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 12; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15). Die Entscheidung über die Frage der weiteren Verwertbarkeit ist nicht mehr Teil des Ablehnungsverfahrens. Ein Ablehnungsgesuch ist ein einheitlich zu behandelnder Antrag, der entweder insgesamt zurückzuweisen ist oder zur Feststellung der Befangenheit des Abgelehnten führt. Welche Folgen die erfolgreiche Ablehnung insbesondere im Hinblick auf die bisherige Mitwirkung des abgelehnten Sachverständigen hat, ist vom Gericht im Rahmen seiner Entscheidung, welche Beweise noch zu erheben sind, zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 11).

14

aa) Allerdings hat das Berufungsgericht schon keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat.

15

bb) Zudem hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, es bestehe kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen sei.

16

(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe zunächst weder in der Vorbereitung oder in der Begutachtung an sich noch in der schriftlichen Ausarbeitung des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 einen Ablehnungsgrund gesehen. Ein Ablehnungsgesuch sei erst nach der mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 angebracht worden. Zwar habe ein anderer Senat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt. Allerdings habe dieser eindeutig zwischen dem Verhalten des Sachverständigen bei der Begutachtung und seiner anschließenden schriftlichen Stellungnahme vom 18. April 2021 zum Befangenheitsantrag differenziert und ausgesprochen, dass ein Befangenheitsgrund erst mit seiner Stellungnahme gegeben sei. Er habe herausgearbeitet, dass es zum Zeitpunkt des Befangenheitsgesuchs an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Daraus ergebe sich, dass Fehlverhaltensweisen des Sachverständigen bei der Vorbereitung der Begutachtung oder der Begutachtung selbst, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten, hier nicht vorlägen. Es sei folglich nicht rechtsfehlerhaft gewesen, dass das Landgericht das schriftliche Gutachten und dessen mündliche Erläuterung verwertet habe. Die Ausführungen des Sachverständigen hätten vor dem 18. April 2021 gelegen. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre eine Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen nicht mehr hinnehmbar gewesen, weil er sich dem Prozessbevollmächtigten gegenüber unsachlich geäußert habe. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, worauf allein der Befangenheitsgrund im weiteren Schriftsatz der Klägerin gestützt sei, bestehe auch aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei.

17

(2) Aus diesen Erwägungen des Berufungsgerichts ergibt sich zunächst nur, was die Klägerin im Sinne von § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO als Grund, der geeignet gewesen ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (Befangenheitsgrund), geltend gemacht hat und was als Befangenheitsgrund angenommen worden ist. Soweit das Berufungsgericht anschließend meint, es bestehe kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei, beschränkt es sich auf den Hinweis, dass der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren. Das Berufungsgericht verhält sich jedoch nicht näher dazu, ob die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen bereits zuvor beeinträchtigt gewesen sein könnte. Daraus, dass eine (mögliche) Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit sich nicht schon früher offenbart hat, folgt nicht, dass eine solche auch nicht vorgelegen hat. Die zur Befangenheit des Sachverständigen führende Kritik am klägerischen Prozessbevollmächtigten betraf insoweit hier gerade auch dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung, anlässlich derer sich der Sachverständige gutachterlich geäußert hatte. Deshalb ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis bestand, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen könne schon bei seinen mündlichen Ausführungen in der Verhandlung beeinträchtigt gewesen sein.

18

c) Schließlich kann offenbleiben, ob – wie die Revisionserwiderung meint – trotz erfolgreicher Ablehnung eines Sachverständigen die Verwertbarkeit seines Gutachtens auch dann in Betracht kommt, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat. Denn auch dann käme die Verwertung des Gutachtens jedenfalls nur in Betracht, wenn kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei dessen Erstellung (und ggf. Erläuterung) beeinträchtigt gewesen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

19

3. Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

vorgestellt von Thomas Ax

1. Das Schweigen des Auftraggebers auf ein Nachtragsangebot des Auftragnehmers gilt – auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr – nicht als Annahme des Nachtragsangebots.
2. Die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B bemisst sich nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge, wenn sich die Parteien nicht über die Nachtragshöhe einigen können.
3. Der Auftragnehmer muss substanziiert zu den tatsächlich angefallenen Mehrkosten vortragen. Das gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer mit seinem einen Nachunternehmer einen Pauschalpreisvertrag geschlossen hat, der auch andere Arbeiten umfasst.
OLG München, Beschluss vom 03.02.2023 – 28 U 5927/22 Bau
vorhergehend:
OLG München, Beschluss vom 19.12.2022 – 28 U 5927/22 Bau
LG München II, 31.08.2022 – 3 O 860/20 Bau
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 44/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn in Anspruch.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 29.084,11 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v.1.141,90 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (die Klägerin hatte zuletzt die Verurteilung der Beklagten zu einer Zahlung i.H.v. 165.931,97 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.039,50 Euro beantragt).

Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt I. Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Verurteilung der Beklagten, soweit ihrer Klage nicht in erster Instanz stattgegeben wurde, weiter. Wegen der Berufungsrügen der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt II. Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin zuletzt:

1. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgerichts München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere 136.847,97 EUR nebst Zinsen aus 132.507,21 EUR i.H.v. 8%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 20.10.2019, sowie Zinsen aus 4.340,65 Euro i.H.v. 8%-Punkten über den Basiszinssatz ab 18.07.2018 zu zahlen.

2. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgericht München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.897,60 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen der Stellungnahme der Beklagten zur Berufung der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt III. Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 19.12.2022 darauf hingewiesen, dass und warum er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Hierzu ging fristgemäß eine Gegenerklärung der Klägerin vom 16.01.2023 ein.

Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022, Aktenzeichen 3 O 860/20 Bau, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 19.12.2022 Bezug genommen.

Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 16.01.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass.

Hierzu ist Folgendes auszuführen:

1. Vergütung für die Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 (94.714,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in ihrer Gegenerklärung haben die Berufungsrügen der Klägerin, mit denen diese sich dagegen wendet, dass das Landgericht ihr keine Vergütung für Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 zugesprochen hat, keine Aussicht auf Erfolg.

a) Nachdem die Parteien im vorliegenden Fall keinen BGB-Vertrag, sondern einen VOB-Vertrag geschlossen haben, gehen die Ausführungen in der Gegenerklärung, wonach sich die Höhe der Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB an der taxmäßigen Vergütung und in Ermangelung einer solchen an der üblichen Vergütung bemesse, ins Leere.

Die Parteien haben sich durch die Vereinbarung der VOB vertraglich auf die Geltung der Preisanpassungsregelungen der VOB im Falle geänderter und zusätzlicher Leistungen geeinigt.

Ein Rückgriff auf § 632 Abs. 2 BGB scheidet deshalb aus.

b) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach die Klägerin einen Vergütungsanspruch für die Arbeiten aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 gem. § 2 Abs. 6 VOB/B nicht schlüssig dargelegt hat.

aa) Die Klägerin ist für den geltend gemachten Anspruch auf zusätzliche Vergütung darlegungs- und beweispflichtig.

bb) Der Ausgangspunkt, § 2 Abs. 6 VOB/B, lautet:

1. Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt.

2. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren.

cc) Dem klägerischen Sachvortrag ist bereits keine schlüssige Darstellung zu entnehmen, inwiefern es sich bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags überhaupt um im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen – in Abgrenzung zu Arbeiten, welche der Beseitigung eigener Mängel dienten – handelte.

Der diesbezügliche Sachvortrag ist in sich widersprüchlich. Die Klägerin hatte Arbeiten in den 256 Hotelzimmern mit 15. Nachtrag vom 26.07.2018 (Anlage K 09) angeboten. Auf Seite 1 des Nachtrags ist davon die Rede, dass sämtliche von der Klägerin verursachten Mangelpunkte beseitigt werden und sämtliche zusätzlichen Punkte, die nicht unter einen Mangelpunkt fallen, nochmals nachgearbeitet werden.

Unstreitig haben sich die Parteien über die Höhe der Vergütung für die Leistungen der Klägerin in den 256 Hotelzimmern nicht geeinigt. Die Beklagte hat den von der Klägerin erstellten Nachtrag gerade nicht unterzeichnet. Ebenso unstreitig hat die Beklagte die Arbeiten der Klägerin aber ausführen lassen.

In der Schlussrechnung vom 20.12.18 (Anlage K 18) rechnet die Klägerin gegenüber der Beklagten “Besondere Zusatzleistungen für Hotel- und Boardinghaus” ab und zwar lt. Pos. NA 15.01 betreffend “Fremdmängel- und Zusatzleistungen” bzw. “Ausbesserungsarbeiten” in 284 Zimmern mit einem Pauschalpreis pro Zimmer.

Hinsichtlich sämtlicher 284 Zimmer, für deren Bearbeitung die Klägerin Vergütung beansprucht, fehlt es somit an hinreichend substantiiertem Sachvortrag der Klägerin, dem sich entnehmen ließe, dass bzw. inwieweit es sich bei den nun abgerechneten Arbeiten um im Vertrag nicht vorgesehene zusätzliche Leistungen i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B und nicht um die Beseitigung eigener Mängel handelte.

Mit Schriftsatz vom 10.03.2022 (dort Seite 3, 4) trug die Klägerin vor, dass es bei dem 15. Nachtrag um “Verschönerungsarbeiten und Mangelbeseitigungen” gegangen sei und “dass sowohl die Beseitigung von Mängeln als auch zusätzliche Leistungen zusammen abgearbeitet werden und man dafür eine günstigere Pauschale vereinbart” Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.03.2022 ging es bei den mit dem 15. Nachtrag angebotenen Leistungen “nur um weitere Verschönerungarbeiten“, wobei “aber eine Stunde für weitere Mängelbeseitigung auf unsere Kappe geht“.

Demgegenüber wurde mit Schriftsatz vom 25.04.2022 behauptet, dass es nicht um Mängel des Werks der Klägerin gegangen sei, sondern Leistungen aufgrund eines höheren, vom Bauherr geforderten Standards.

Ebenso argumentierte die Klägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 01.08.2022 (dort Seite 2).

Die Beklagte hatte daher auch mehrfach eingewandt, dass es sich bei den Leistungen des 15. Nachtrags teilweise um die Beseitigung der eigenen Mängel der Klägerin gehandelt habe und bestritten, dass der 15. Nachtrag nur Arbeiten umfasst habe, die auf das hohe Qualitätsniveau des Bauherrn zurückzuführen seien, so mit Schriftsatz vom 03.03.2022 (dort Seite 3), Schriftsatz vom 25.05.2022 (dort Seite 2) und im Schriftsatz vom 09.08.2022 unter Verweis auf die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 2).

Schon das Landgericht hatte die Klägerin mit Verfügung vom 03.02.2022 (dort Seite 2 oben) darauf hingewiesen, dass diese die Beweislast für ihre Behauptung trage, dass zusätzlich zur Pauschale Leistungen beauftragt und ausgeführt worden seien. Die Klägerin hat ihren Sachvortrag dennoch nicht derart ergänzt, dass ihm zu entnehmen wäre, inwiefern es bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags um zusätzlich beauftragte Arbeiten und nicht um die Beseitigung eigener Mängel ging.

Soweit die Klägerin in ihrer Schlussrechnung und mit ihrer Klage Vergütung für Arbeiten an mehr als 256 Zimmern geltend macht, dies betrifft 28 Zimmer, hat sie darüber hinaus nicht vorgetragen, welche gegenüber ihrem Nachtragsangebot zusätzlichen Zimmer sie bearbeitet haben will. Der durch die Klägerin vorgelegten Stundenaufstellung nach Bautagesberichten (Anlage 60) bzw. den Bautagesberichten (Anlage K 61) ist dies ebenso wenig zu entnehmen.

dd) Die Beklagte hat das Nachtragsangebot Nr. 15, was die Vergütungsabrede angeht, auch nicht nach dem Grundsatz des § 362 Abs. 1 BGB angenommen.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt IV. 1. a) ausführlich dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass § 362 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Soweit sich die Klägerin in ihrer Gegenerklärung auf ein Urteil des OLG München vom 07.02.2017, Az. 9 U 2987/16 bezieht, welches einen Projektsteuerungsvertrag mit werkvertraglichem Schwerpunkt als Geschäftsbesorgungsvertrag gewertet habe, kann die dortige Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. In dem vom 9. Senat des OLG München entschiedenen Fall ging es um einen Projektsteuerungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter. Diesen Vertrag stufte der 9. Senat nicht als Werkvertrag ein. Demgegenüber geht es bei dem zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits geschlossenen Vertrag über die Ausführung verschiedener Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks und auch bei den Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 ihrem Schwerpunkt nach unzweifelhaft um den Austausch Werkleistung gegen Werklohn.

Der vorliegende Fall ist auch nicht mit dem vom OLG Brandenburg mit Urteil vom 04.10.2012, Az. 12 U 39/12 entschiedenen Fall eines Winterdienstvertrages vergleichbar, der im Hinblick auf die Übernahme der ansonsten dem Eigentümer obliegenden Verkehrssicherungspflicht als Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter qualifiziert wurde. An einer derartigen Übernahme von Pflichten des Auftraggebers fehlt es bei der Ausführung von Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks ersichtlich. Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 mitgeteilten Ansicht fest, dass insbesondere aus der Auftraggeberhaftung für Nachunternehmer in Bezug auf den Mindestlohn nicht folgt, dass der Nachunternehmer, der seinen Arbeitnehmern den Mindestlohn bezahlt, hiermit ein Geschäft des Hauptunternehmers besorgen würde.

Es kann dahingestellt bleiben, ob jeder Werkvertrag auch eine Geschäftsbesorgung beinhaltet. Selbst wenn das so wäre, würde dies einen Vertrag über die Ausführung von Werkleistungen aus dem Bereich des Malerhandwerks seinem eindeutigen Schwerpunkt nach nicht zu einem Geschäftsbesorgungsvertrag machen.

ee) Nachdem die Klägerin bereits das Vorliegen von Zusatzarbeiten i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B nicht substantiiert vorgetragen hat, erfolgen die Ausführungen zur Höhe der Vergütung gem. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B lediglich hilfsweise.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass und warum das Landgericht einen Vergütungsanspruch der Klägerin nach § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B zu Recht verneint hat.

Es kann dabei vorliegend dahingestellt bleiben, ob das zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ergangene Urteil des BGH vom 08.08.2019, Az. VII ZR 34/18, in welchem der BGH eine Abkehr vom Prinzip der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung vorgenommen hat und für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen i.S. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B auf die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge abgestellt hat, auf § 2 Abs. 6 VOB/B übertragbar ist.

Denn die im Falle von zusätzlichen Leistungen vorzunehmende Preisanpassung steht in jedem Fall unter der Prämisse der Wahrung des Äquivalenzprinzips. Es soll vermieden werden, dass keine Vertragspartei durch die zusätzlichen Arbeiten einen nicht gerechtfertigten Vorteil erhält oder einen nicht gerechtfertigten Nachteil erleidet. Genau dies wäre aber der Fall, wenn der Unternehmer, unabhängig davon, ob ihm für die Ausführung der zusätzlichen Arbeiten überhaupt Kosten entstehen, dennoch hierfür einen Vergütungsanspruch realisieren könnte. Für den hier vorliegenden Fall, dass der Unternehmer die zusätzlichen Leistungen durch einen Nachunternehmer ausführen lässt, ist sein Vergütungsanspruch der Höhe nach daher maximal durch die an seinen Nachunternehmer gezahlte Vergütung, evtl. zzgl. Wagnis und Gewinn, begrenzt.

Soweit die Klägerin meint, dass die Kosten der zusätzlichen Leistung für die Preisfindung nicht relevant wären, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B, dass dies nicht zutrifft. Im Übrigen sind auch im Rahmen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen, ebenso im Rahmen des § 2 Abs. 5 VOB/B und für ab dem 01.01.2018 abgeschlossene Bauverträge auch im Rahmen des § 650 c Abs. 1 BGB die tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn. Auch der BGH hat in seinem vorgenannten zu § 2 Abs. 3 VOB/B ergangenen Urteil “auf die durch den Einsatz der Nachunternehmer unmittelbar verursachten Kosten” (Tz. 30), die im dortigen Fall, anders als im vorliegenden Fall, unstreitig waren, zurückgegriffen und dies u.a. damit begründet, “dass diese ohne Weiteres ermittelt werden können und insofern eine realistische Bewertung ermöglichen” (Tz. 32).

Das in der Gegenerklärung angeführte Urteil des BGH vom 14.03.2013, Az. VII ZR 142712 ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zum einen erging das Urteil zu § 2 Abs. 5 VOB/B, zum anderen verhält sich das Urteil nicht zu der im vorliegenden Fall vorliegenden Fallkonstellation, dass der Unternehmer die zusätzlichen Arbeiten durch einen Nachunternehmer ausführen lässt.

Nachdem die Klägerin trotz eines Hinweises des Landgerichts nicht zu den ihr für die Ausführung des 15. Nachtrags durch den Nachunternehmer entstandenen Kosten vorgetragen hat, stellt sich die insoweit erfolgte Klageabweisung durch das Landgericht als zutreffend dar.

Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der klägerische Sachvortrag zu den für die Ausführung des 15. Nachtrags entstandenen Kosten bereits in sich widersprüchlich ist. Einerseits behauptet die Klägerin im Schriftsatz vom 05.07.2022 (dort Seite 3), dass ihr nachweisbar Kosten in Höhe von 97.332,48 Euro entstanden seien, von denen sie lediglich 94.714,00 Euro geltend mache.

Andererseits behauptet sie im Schriftsatz vom 01.08.2022, dass es ihr aufgrund des mit ihrer Nachunternehmerin geschlossenen Vertrages und des Abrechnungsverhaltens ihrer Nachunternehmerin eine detaillierte Zuordnung der Arbeiten zu den Leistungspositionen des 15. Nachtrags nicht möglich sei. Trotz des durch das Landgericht erteilten Hinweises vom 22.06.2022 hat die Klägerin weder zu den ihr tatsächlich entstandenen Kosten vorgetragen noch eine Rechnung ihrer Nachunternehmerin bzw. einen Zahlungsbeleg vorgelegt.

ff) Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B.

Nach dieser Vorschrift steht dem Auftragnehmer, der eine Leistung ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abwendung vom Auftrag ausgeführt hat, dann eine Vergütung zu, wenn der Auftraggeber diese nachträglich anerkennt.

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an derartigen eigenmächtigen Leistungen, da die Arbeiten des 15. Nachtrags mit Wissen und Billigung der Beklagten ausgeführt wurden und sich die Parteien lediglich nicht über die Vergütung geeinigt hatten.

gg) Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten Auffassung fest, wonach sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht aus Bereicherungsrecht ergibt.

Rechtsgrund für eine etwaige Vergütung, hätte die Klägerin substantiiert das Vorliegen von Zusatzarbeiten und ihr durch den Einsatz des Nachunternehmers vorgetragene Kosten vorgetragen, wäre der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag. Es liegt somit nicht der Fall vor, dass die Arbeiten des 15. Nachtrags ohne Rechtsgrund erfolgt wären. Indem die Klägerin der Beklagten die Ausführung der Arbeiten angeboten hat und die Beklagte damit einverstanden war, dass die Klägerin die Arbeiten ausführt und die Arbeiten entgegengenommen hat, haben die Parteien einen Rechtsgrund für die Arbeiten der Klägerin geschaffen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung für den Nachtrag geeinigt haben.

Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1481 meint, dass die Beklagte das Nachtragsangebot der Klägerin konkludent angenommen habe, weshalb auch die Preise des Nachtragsangebots gelten würden, überzeugt auch dies nicht. Dem steht im vorliegenden Fall schon entgegen, dass die Parteien, nachdem die Beklagte sich mit der von der Klägerin im 15. Nachtrag geforderten Vergütung nicht einverstanden erklärt hatte, Verhandlungen über die Vergütung geführt hatten, welche jedoch zu keiner Einigung führten. Der Senat verweist hierfür auf das Schreiben der Beklagten vom 20.09.2018 (Anlage K 27) sowie die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 4).

Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung einen möglichen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag in den Raum stellt, verfängt dies ebenso wenig. Die Leistungen der Klägerin auf den 15. Nachtrag erfolgten gerade nicht auftragslos, sondern auf der Grundlage dessen, dass sich die Parteien darüber geeinigt hatten, dass die Klägerin die Arbeiten des 15. Nachtrags ausführt. Der Umstand, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung geeinigt haben, qualifiziert die Ausführung der Arbeiten der Klägerin nicht als auftragslos.

Der Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1482, 1483 ist nicht zu entnehmen, dass der Auftragnehmer, wenn trotz Ankündigung der Mehrkosten eine Preisvereinbarung nicht zustande kommt, bereicherungrechtliche Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen könnte. In Anbetracht der speziellen Vorschriften der VOB/B für die Geltendmachung von Mehr- oder Minderleistungen ist, anders als beim BGB-Vertrag ein Rückgriff auf bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht möglich. (siehe hierzu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1393).

2. Vergütung für die Überarbeitung der Flure (“Beschädigung Flure“, 30.000,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der in ihrer Gegenerklärung vorgebrachten Argumente der Klägerin stellt sich die Entscheidung des Landgerichts, dass der Klägerin die in ihrer Schlussrechnung vom 20.12.2018 (Anlage K 18) auf Seite 6 unter “Leistungsmehrungen zur Pauschale” “Beschädigungen Flure” geltend gemachte Vergütung nicht zuzusprechen sei, als zutreffend dar.

Die Klägerin hat bereits nicht substantiiert zu einer Beauftragung dieser Leistungen vorgetragen.

Ausweislich der Schlussrechnung der Klägerin geht es bei dieser Position um die “Entfernung der Beschädigungen in den Fluren vor Erstellung des Anstrichs“, wobei sich die Klägerin auf eine “Vereinbarung Mail vom 05.02.2018” bezieht.

Das Landgericht hat daher zutreffend gesehen, dass die Parteien im Mai 2018 unstreitig eine Gesamtpauschale vereinbart hatten, von der auch diese Arbeiten umfasst waren.

Ein Beauftragung dieser Leistung zusätzlich zur Gesamtpauschale hat die Klägerin weder dargelegt noch nachgewiesen.

Soweit sich die Klägerin zur Darlegung einer solchen über die Gesamtpauschale hinausgehenden Beauftragung im Schriftsatz vom 14.05.2020 (dort Seite 6) auf eine Verzugsanzeige der Beklagten vom 30.08.2018 (Anlage K 28) bezieht und meint, dass sich hieraus eindeutig eine Aufforderung an die Klägerin ergebe, die Flure auszubessern, überzeugt dies nicht.

Tatsächlich handelt es sich bei der vorgelegten Anlage K 28 um eine an die Klägerin gerichtete E-Mail vom 25.06.2018 mit dem Betreff “Stand Mängelbeseitigung Malerarbeiten“, mit dem die Beklagte der Klägerin ein Verzugsschreiben ihres Bauherrn übermittelt und einen Terminplan für die noch durchzuführenden Arbeiten, u.a. die Reinigung des Flurs und Malerarbeiten. Aus dem Inhalt der vorgelegten Anlage ergibt sich, wie das Landgericht richtig bewertet hat, bereits nicht, ob es sich bei den geforderten Arbeiten um Mängelbeseitigung oder um zusätzliche Malerarbeiten handelt, wobei der Betreff der Anlage eher für Ersteres spricht. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Anlage K 28 jedenfalls nicht zu entnehmen ist, dass die Beklagte die Klägerin einen neuen Auftrag erteilt hätte, Beschädigungen in den Fluren zu beseitigen. Aus der Anlage K 28 ergibt sich gerade nicht, dass die Beklagte mit dieser E-Mail eine neue, von der Gesamtpauschale nicht erfasste Leistung der Klägerin auslösen wollte. Hierfür fehlt es auch an einer näheren Spezifikation dieser Leistung, z.B. welche Flure bearbeitet werden sollten. Von einer zusätzlichen Vergütung für die Leistung ist in der Anlage K 28 ebenso wenig die Rede. Nachdem die Klägerin für die Beauftragung einer Zusatzleistung darlegungs- und beweispflichtig ist, gehen solche Unklarheiten zu ihren Lasten.

Im Übrigen hat die Klägerin auch eine Ausführung der abgerechneten Arbeiten in den Fluren nicht nachgewiesen. Das Landgericht hat sich für diese Bewertung zutreffend auf die Aussage des Zeugen H. bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 17.03.2022 (dort Seite 3) gestützt. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die Flure nach den Arbeiten des Schreiners nachgearbeitet werden sollten, aber dann eine Umstellung auf Tapete erfolgte, so dass es nicht zu einer Ausführung der ursprünglich vorgesehenen Arbeiten der Klägerin kam. Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung meint, dass sich aus der Aussage des Zeugen H. ergebe, dass die Klägerin durchaus dort Arbeiten ausgeführt habe, verfängt dies nicht. Der Äußerung des Zeugen: “Es war so, dass es zunächst auch Ausführungen der Klägerin in den Fluren gab, jedoch waren diese nicht in der Form erfolgt, dass eine Abnahme hätte erfolgen können, daher wurde dann auf die Tapete umgestellt.” ist klar zu entnehmen, dass die durch die Klägerin zunächst in den Fluren ausgeführten Arbeiten nicht abnahmefähig waren. Gleiches gilt für die weitere Äußerung des Zeugen zu dieser Thematik auf Seite 7 unten, Seite 8 oben des Protokolls. Aus den Angaben des Zeugen H. ergibt sich in der Gesamtschau gerade nicht, dass die Klägerin an den Fluren Arbeiten, die über die Beseitigung eigener Mängel hinausgingen, durchgeführt hätte. Hinzu kommt, dass jeglicher substantiierter Sachvortrag der Klägerin dazu fehlt, welche gegenüber dem ursprünglichen Auftrag zusätzlichen Leistungen sie trotz Umstellung des Bauherrn auf Tapete in den Fluren überhaupt noch durchgeführt hat.

Entgegen der in der Gegenerklärung vertretenen Auffassung der Klägerin ergibt sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die Überarbeitung der Flure auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Die Vorschrift regelt einen Vergütungsanspruch für Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag ausführt, die jedoch nachträglich vom Auftraggeber anerkannt werden. Die Vorschrift ist, auch unter Zugrundelegung des eigenen Sachvortrags der Klägerin, wonach ihr für diese Arbeiten ein zusätzlicher Auftrag erteilt worden sei, nicht einschlägig. Im Übrigen hat die Klägerin, wie oben dargelegt, auch die Ausführung der von ihr abgerechneten Arbeiten weder dargelegt noch nachgewiesen.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO 47, 48 GKG bestimmt.

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