Ax Vergaberecht

Sicherstellung der Sanierung, des bedarfsgerechten Ausbaus und des Betriebs kommunaler Gebäude

Sicherstellung der Sanierung, des bedarfsgerechten Ausbaus und des Betriebs kommunaler Gebäude

von Thomas Ax

Wir müssen runter von hohen Investitions- und Instandhaltungs- sowie Bewirtschaftungskosten bei kommunalen Gebäuden. Zugleich müssen Qualitäts- und Terminvorgaben im Lebenszyklus eingehalten werden. Das geht nur mit einer ganzheitlichen Herangehensweise. Die Bewirtschaftung der Liegenschaften umfasst auch bauliche Maßnahmen wie Instandsetzung, Neu- und Umbau. Daraus resultiert eine ganzheitliche Betrachtung der wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Bauinvestitions- und Betriebskosten. Aus der Zusammenfassung von Bau und Bewirtschaftung resultiert eine nachhaltige und ganzheitliche Betrachtung der wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Bauinvestitions- und Betriebskosten mit dem Ziel der wirtschaftlichen und CO²-sparenden Umsetzung.

Zur Verstetigung der Kernaufgaben des Baus und der Instandhaltung der kommunalen Gebäude wird eine Rahmenvereinbarung beauftragt. Ausgeschrieben wird eine Rahmenvereinbarung gem. § 21 VgV über die Ausführung von Ingenieurleistungen nach §§ 49 HOAI (Tragwerksplanung), der Prüfung der Tragwerksplanung, der Energieeffizienzberatung, sommerlicher und winterlicher Wärmeschutz, der Bauakustik, der Raumakustik sowie der Qualitätssicherung der Tragwerksplanung für Neubau, Rückbau, Umbau und Sanierung diverser kommunaler Immobilien.

Die Laufzeit des Rahmenvertrages beträgt als Grundleistung 2 Jahre ab Vertragsschluss, mit zweimaliger Option auf Verlängerung um jeweils 1 Jahr. Sofern die Verlängerung erfolgen soll, erfolgt diese auf schriftliche Mitteilung durch die AG an die AN spätestens 3 Monate vor Ablauf der vorherigen Vertragslaufzeit. Die maximale Vertragslaufzeit innerhalb derer Planungsleistungen abgerufen werden können entspricht den o.g. Laufzeiten.

AxProjects: Integrierte Projektentwicklung

AxProjects: Integrierte Projektentwicklung

Jede Projektentwicklung ist ein Vorhaben, das mit einem 360-Grad-Ansatz geplant und abgesichert werden muss. Wir bieten hierfür einen ganzheitlichen Beratungsansatz und begleiten sie bei der gesamten Projektentwicklung integriert:

Was ist beim Erwerb des Grundstücks oder der Objektgesellschaft zu beachten? 

Wie kann ein optimales Baurecht für die zu realisierende Projektierung geschaffen werden? Wie sind Nachbarschaftsvereinbarungen aufzusetzen, um zukünftige Auseinandersetzungen und insbesondere nachteilige Auswirkungen auf die Realisierung möglichst zu vermeiden? Wie sehen Mietverträge aus, die die aktuelle Rechtsprechung, die optimale Renditeerlangung berücksichtigen und die auch bei der Veräußerung der Immobilie nicht beanstandet werden? Wie sind die rechtlichen Verhältnisse zu aufzusetzen, um einen den Marktstandards entsprechenden (Teil-)Verkauf zu gewährleisten? Welche Anforderungen sind bei der Finanzierung umzusetzen?

AP berät Sie in allen Fragen und Phasen der Projektentwicklung. Wir beraten Sie von der Projektidee, unterstützen Sie bei Ihren Gesprächen mit Städten und Gemeinden, begleiten Sie bei Architektenwettbewerben, unterstützen Sie bei dem Ankauf, der grundstücksrechtlichen Strukturierung, bei dem Abschluss von renditeorientierten Mietverträgen (die auch im Exit keine Nachträge erfordern), bei der Finanzierung und bei dem Verkauf. So können Sie Ihr Projekt unter allen Umständen optimal entwickeln.

Die Projektentwicklung spiegelt das gesamte Beratungsspektrum von AP wider, vom Ankauf über die Finanzierung, Realisierung, Vermietung bis zur Verwertung. Alle Bereiche bilden die Kernkompetenz von AP.

Von der Redaktion

Von der Redaktion

HochbauRecht gehört zu den führenden juristischen Zeitschriften in den Bereichen Bauen, Immobilien und Infrastruktur in Deutschland. Wir vermitteln die notwendigen rechtlichen Informationen für anspruchsvolle Hochbauvorhaben von der Planung über die Realisation bis zur Vermarktung. So schaffen wir – baubegleitend – das rechtssichere Fundament für den wirtschaftlichen Erfolg Ihres Hochbauprojekts. Die Komplexität der Planung und Realisierung großer Hochbauvorhaben ist hoch. Hochbaurechtliches Knowhow ist für den Projekterfolg ebenso unerlässlich wie umfassende Markt- und Praxiskenntnis. Schließlich geht es darum, Konfliktpotenzial präventiv zu erkennen, Streit zu vermeiden und Entscheidungen bereits im Vorfeld des Projektstarts abzusichern. Von uns erhalten Sie fundierte topaktuelle Informationen und praktikable Lösungsansätze mit konkreten Handlungsempfehlungen, die technische, kaufmännische und rechtliche Aspekte eines Bauprojektes einschließen. Wir wünschen hervorragenden Erkenntnisgewinn und gutes Gelingen.

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Oberlandesgericht Hamm, 24 U 48/20, zu der Frage, dass ein Architekt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein kann, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen

Oberlandesgericht Hamm, 24 U 48/20, zu der Frage, dass ein Architekt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein kann, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen

1. Nach § 308 Abs. 1 ZPO besteht eine Antragsbindung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Das Gericht darf nicht mehr (kein „plus“) zusprechen als beantragt und nichts anderes (kein „aliud“) als begehrt. Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO kann durch nachträgliche Genehmigung geheilt werden; beantragt der Kläger, dem mehr zugesprochen wurde, als er im 1. Rechtszug beantragt hatte, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, kann hierin eine prozessual zulässige Genehmigung liegen, da im Sichzueigenmachen der gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßenden Entscheidung eine Anschlussberufung verbunden mit einer – noch in der Berufungsinstanz möglichen – Klageerweiterung zu sehen sein könnte.

2. Ein Architekt kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sein, die Notwendigkeit der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen.

G r ü n d e :

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz infolge einer vor Ausführung eines Bauvorhabens unterlassenen Kampfmittelüberprüfung.

Die Klägerin beabsichtigte, auf dem mit notariellem Kaufvertrag vom 28.06.1980 von ihr erworbenen Grundstück an der A-Straße in B den Neubau einer Studentenwohnanlage zu realisieren. In dem am 29.11.1974 in Kraft getretenen und für diesen Bereich geltenden Bebauungsplan (Anlage B3, Bl. 72 d.A.) findet sich keine Kennzeichnung hinsichtlich etwaiger Kampfmittelverdachtspunkte.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte – damals noch als C GmbH firmierend – auf Grundlage des Architektenvertrages vom 6./09.09.2010 (Anlage K1, Bl. 7-21 d.A.) mit der Erbringung von Architektenleistungen für das Bauvorhaben Studierendenwohnanlage der A-Straße in B (im Folgenden: das Bauvorhaben, Bl. 5 d.A.).

Der Architektenvertrag (Anlage K1, Bl. 7-21 d.A.) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 4 Leistungen des AN

4.1 Der AN ist verpflichtet, für das in § 1 dieses Vertrages genannte Bauvor

haben sämtliche beauftragte Leistungen und die darin enthaltenen und dafür erforderliche Leistungs- bzw. Arbeitsschritte zu erbringen. Er hat dabei alle Pflichten zu erfüllen, die sich aus den beauftragten Leistungsinhalt und -umfang, den vereinbarten Vertragszielen und den Bestandteilen dieses Vertrages ergeben und die für die Herbeiführung der geschuldeten Teilerfolge und des geschuldeten (Gesamt-)Werkerfolges erforderlich sind. Hierbei hat der AN insbesondere die in den Leistungsbeschreibungen (Anlagen 1a bis 1b) genannten Leistungen mangelfrei und vollständig zu erbringen, die als wesentliche Arbeitsschritte selbständigen Teilerfolge des Gesamtwerkerfolgs sind.

4.3 Der AG überträgt dem AN mit Vertragsschluss zunächst als Beauftragungsstufe 1 die Leistungen der Leistungsphasen 1 und 2 (Grundlagenermittlung und Vorplanung).

Die Beauftragung der weiteren Leistungen der Leistungsphasen 3 (Entwurfsplanung) in einer 2. Beauftragungsstufe sowie 4 (Genehmigungsplanung) und 5 (Ausführungsplanung) in einer 3. Beauftragungsstufe sind dem Grunde nach vorgesehen, soweit der AN die Einhaltung der Vertragsziele nach § 3 nachweislich einhalten kann und das Studentenwerk die Refinanzierungszusagen der Fördermittelgeber hierfür jeweils erhält. Sollte der AN die Vertragsziele, insbesondere die gemäß § 3.2 nach Beauftragungsstufe 1 und 2 nicht einhalten, ist der AG berechtigt, vom AN eine Überarbeitung zu verlangen oder diese und die Planungsleistungen der weiteren Leistungsphasen einem anderen Anbieter zu übertragen. Auch besteht kein Anspruch auf Beauftragung der Leistungsphasen 3-5 wenn der AG die Weiterverfolgung des Bauvorhaben[s] aus anderem wichtigem Grunde aufgibt

In der Beauftragung der weiteren Beauftragung 4 (Leistungsphasen 6 und 7 (Vorbereitung der Vergabe und Mitwirkung bei der Vergabe), sowie 5 (Leistungsphase 8 / Objektüberwachung) und 6 (Leistungsphase 9 / Objektbetreuung und Dokumentation) oder einzelner Leistungen oder Teilleistungen ist der AG generell frei. Ein Anspruch des AN auf Beauftragung weiterer, über die ersten 3 Beauftragungsstufen hinausgehende Stufen oder Leistungsphasen oder (Teil-)Leistungen besteht generell nicht. Die Beauftragung dieser weiteren Leistungsphasen an den AN ist aber seitens des AG grundsätzlich beabsichtigt, soweit sich die Wirtschaftlichkeit der Umsetzung der Gesamt- oder einzelner Teilmaßnahmen darstellen lässt. Maßgeblich ist hierbei die Einschätzung des AG.                            …

Weitere Beauftragungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer schriftlichen Mitteilung durch den AG. Der AN verpflichtet sich die weiteren übertragenen Leistungen zu dem gemäß § 9 vereinbarten Honorar [zu] erbringen, sofern sie ihm spätestens 6 Monate nach der Fertigstellung und Freigabe der letztbeauftragten Stufe durch den AG beauftragt werden. Dies gilt auch dann, wenn der AG dem AN nur einzelne Leistungen oder Teilleistungen auf den der Beauftragung vorbehaltenen Leistungsphasen übertragen sollte.

4.5 Die Leistungsphasen beinhalten folgende Leistungsinhalte, die durch die in den Leistungsbeschreibungen (Anlagen 1a bis 1b) genannten Leistungen konkretisiert werden und die als jeweils geschuldeten Teilerfolge vereinbart werden:

(1) Grundlagenermittlung

Ermitteln der Voraussetzungen und Klären aller planerischen, organisatorischen und sonstigen relevanten Rahmenbedingungen für die Lösung der Planungs- und Bauaufgabe.

(2) Vorplanung

Erarbeiten eines Planungskonzeptes in seinen wesentlichen Teilen und Kostenschätzung nach DIN 276, Fassung Dezember 2008, sowie Zusammenfassung der Vorplanungsergebnisse.

§ 5 Pflichten des AN

5.1 Der AN verpflichtet sich, die Interessen des AG wahrzunehmen und seine Leistung vorrangig nach dem vom AG vorgegebenen Anforderungen an die Planung und an die Ausführung unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und den Grundsätzen der Funktionalität und der Wirtschaftlichkeit – auch hinsichtlich der Unterhaltungs- und Betriebskosten in der Nutzungsphase – zu erbringen.

Der AN hat dabei den AG umfassend bauliche und gestalterisch zu beraten und unter Berücksichtigung der Vertragsziele sinnvolle Alternativvorschläge zu unterbreiten.

5.2 Der AN ist verpflichtet, den AG über alle bei der Durchführung seiner Aufgaben wesentlichen Angelegenheiten Umstände unverzüglich schriftlich zu unterrichten.

Auf eventuelle Bedenken hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit der Planungswünsche und der Erfüllung der Planungsvorgaben des AG hat der AN frühzeitig hinzuweisen und Gegenvorschläge zu unterbreiten. Der AN hat sich rechtzeitig zu vergewissern, ob seiner Planung öffentlich-rechtliche Hindernisse und Bedenken entgegenstehen und diese dem AG unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

5.4 Der AN hat den AG über die Notwendigkeit der Einschaltung von Fachingenieuren und Sonderfachleuten (z.B. Baugrund, Statik, Brandschutz, Haustechnik, Bauphysik, vgl. auch Ziff. 7.3 des Vertrages) so rechtzeitig zu beraten und zu informieren, dass die Sonderfachleute ohne Planungsverzögerungen beauftragt werden können. Der AN hat die Leistungen der Sonderfachleute zeitlich zu koordinieren, zu steuern, mit seinen Leistungen abzustimmen und auf Plausibilität und Konformität zu seinen Leistungen zu prüfen. Forderungen und Bedingungen der Fachplaner hat der AN bei seinen Leistungen zu berücksichtigen und in seine Planung einzuarbeiten und dort übersichtlich zu integrieren. Hat der AN Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Leistungen, hat er den AG darauf schriftlich hinzuweisen und einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten.

Der AN hat seine Leistungen vor der Integration der Planungsbeiträge der Fachingenieure und Sonderfachleute…mit den jeweils fachlich Beteiligten abzustimmen und bei Übergabe der genehmigungsfähigen Entwurfslösung und der jeweils ausführungsreifen Planungslösung mit dem AG abzustimmen und zu erörtern.

7.3 Die weiteren erforderlichen Fachingenieuren Sonderfachleute:

Baugrundgutachten

hat der AG noch nicht beauftragt, beabsichtigt dies aber nach Vertragsschluß mit dem AN vorzubereiten. Der Architekt (AN) erhält diesbezüglich ein Vorschlagsrecht für mögliche Wettbewerbsteilnehmer.“

Am 03.09.2010 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit den Leistungsphasen 1 und 2; am 14.10.2011 mit den Leistungsphasen 3 und 4, am 30.03.2012 mit den Leistungsphasen 5-7 und am 31.08.2012 mit den Leistungsphasen 8 und 9.

Die Klägerin holte die gutachterliche Stellungnahme Nr. 1 des Erdbaulabors D vom 03.03.2011 (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.; im Folgenden: Baugrundgutachten) ein.

Die Beklagte stellte den Bauantrag am 09.10.2011, der beim Bauordnungsamt am 28.10.2011 einging. Die Baugenehmigung (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A. = Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) wurde am 19.09.2012 erteilt. Die Beklagte stellte hinsichtlich der Bestandsbauten den Abbruchantrag am 08.05.2012, der am 10.06.2012 genehmigt wurde. Das sich ursprünglich auf dem Grundstück bereits befindliche Haus mit Kellergeschoss sollte seitens der Klägerin zur Vorbereitung des Bauvorhabens abgerissen und eine glatte, plane Fläche hergestellt werden. Der Abriss gehörte nicht zum Leistungsumfang der Beklagten; inwieweit die Beklagte Leistungen im Zusammenhang mit dem Abbruch erbrachte, steht zwischen den Parteien im Streit.

Die Parteien schlossen am 13./21.05.2014 eine Ergänzungsvereinbarung zum Architektenvertrag.

Der Neubau wurde bis Mai 2014 errichtet.

Die Klägerin erhielt in der Folgezeit ein Schreiben der Feuerwehr der Streithelferin vom 12.12.2017 (Anlage K2, Bl. 22-23 d.A.), in welchem ausgeführt wurde, dass die Klägerin es versäumt habe, bei der Planung der Baumaßnahmen einen Antrag auf Luftbildauswertung zu stellen und anlässlich einer anderen Baumaßnahme – der Herstellung einer Busspur – nach der Stellungnahme des Kampfmittelbeseitigungsdienstes der Bezirksregierung Arnsberg vom 10.11.2017 sich Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung und ein spezifischer Hinweis auf eine Bombenblindgänger-Einschlagstelle gemäß dem beigefügten Lageplan ergeben hätten. Mit Schreiben vom 15.03.2018 (Anlage K3, Bl. 24-25 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte zur Äußerung und Mitwirkung an der angekündigten Maßnahme mit dem Hinweis auf, dass nach Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg grundsätzlich keine telefonischen Auskünfte zu Kampfmittelverdachtspunkten erteilt würden. Die Beklagte antwortete mit E-Mail, dass sie im Rahmen ihrer Planungsarbeiten bei dem Bauordnungsamt telefonisch die Auskunft erhalten habe, es handele sich bei dem Grundstück nicht um eine Verdachtsfläche.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte wäre nach § 4 und § 5 des Architektenvertrages und nach dem Nachtrag vom 13./21.05.2014 verpflichtet gewesen, einen Antrag auf Luftbildauswertung zu stellen, um mögliche Verdachtspunkte auf dem Grundstück zu ermitteln. Planung und Baugrunduntersuchung stellten eine Pflicht des Architekten dar, die sich aus verschiedenen Vorschriften ergebe. Zwar liege das Baugrundgutachten vor; die Beklagte könne sich jedoch nicht auf dessen Inhalt berufen, da sie selbst – wie der E-Mail-Verkehr (Anlage K5, Bl. 104-109 d.A.) und die Rechnungsprüfung vom 13.03.2015 (Anlage K7, Bl. 113-120 d.A.) belege – mehrfach Nachträge damit begründet habe, dass das Gutachten nicht ausreichend gewesen sei. Insofern verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie einerseits zur Begründung höherer Ansprüche auf unklare Bodenverhältnisse abstelle, andererseits aber geltend mache, der Boden sei gründlichst und hinlänglich untersucht worden, worauf sie habe vertrauen dürfen. Überdies habe sie, die Klägerin, zu keinem Zeitpunkt eine Kampfmittelsondierung durchführen müssen, da eine solche bei dem bloßen Abbruch des Gebäudes nicht erforderlich sei, was sich auch aus den Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst (Anlage B1, Bl. 42-45, 103 d.A.) ergebe. Das von der Beklagten behauptete Telefonat habe nicht stattgefunden. Die Zeugin E sei gar nicht die zuständige Sachbearbeiterin. Telefonische Auskünfte dürften zu solchen Fragen ohnehin nicht erteilt werden. Außerdem sei kein Aktenvermerk gefertigt worden. Wäre sie, die Klägerin, ordnungsgemäß durch die Beklagte auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Klärung der Kampfmittelfreiheit hingewiesen worden, hätte sie nach dem Grundsatz des beratungskonformen Verhaltens die Kampfmittelüberprüfung durchgeführt.

Die Kosten eines Kampfmittelfundes würden zum großen Teil ihr, der Klägerin, zur Last gelegt. Ihr stehe daher ein Anspruch auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich bereits aus der drohenden Verjährung. Der Schaden sei nicht bezifferbar, da die entsprechenden Prüfungen liefen und ein Kampfmittelfund derzeit nicht ausgeschlossen werden könne.

Die Streithelferin hat gemeint, dass zwar grundsätzlich die Kampfmittelüberprüfung Aufgabe des Bauherrn sei; bediene sich dieser aber eines Architekten, der mit sämtlichen Planungsleistungen beauftragt sei, hafte der Architekt für die Mehrkosten die dadurch entstünden, dass eine Kampfmittelsondierung (zunächst) nicht veranlasst worden sei. Dies räume auch die Beklagte ein, weil sie behaupte, dass ihr Projektleiter, der Zeuge G, sich mit der zuständigen Baubehörde im Hinblick auf einen möglichen Kampfmittelverdacht in Verbindung gesetzt habe, da dieser anderenfalls keine Veranlassung gehabt hätte, dies zu tun. Das von der Beklagtenseite behauptete Telefongespräch habe jedoch nicht stattgefunden. Die Zeugin E hätte auch gar nicht beurteilen können, ob für das fragliche Grundstück ein Kampfmittelverdacht bestehe, weil diese Aufgabe in den Zuständigkeitsbereich der Feuerwehr falle. Ungeachtet dessen sei der Inhalt dieses behaupteten Telefonats nicht hinreichend substantiiert dargetan. Eine solche Frage könne überdies nicht so einfach am Telefon beantwortet werden. Der zuständige Ansprechpartner sei auch nicht die Zeugin E, die im Bauordnungsamt tätig sei, sondern die städtische Feuerwehr gewesen, wie die Beklagte aus dem der Baugenehmigung beigefügten Merkblatt (Anlage E1, Bl. 138-139 d.A.) habe entnehmen können. Diesen Hinweis habe die Beklagte als Sachwalter des Bauherrn nicht beachtet. Ungeachtet dessen handele es sich überdies um Standardwissen eines Architekten und angesichts der Lage – die Entfernung zur Altstadt betrage nur 4 km – sei ohne weiteres mit entsprechenden Blindgängern in dem streitgegenständlichen Bereich zu rechnen gewesen. Richtiger Ansprechpartner sei demgemäß die Feuerwehr gewesen, mit der sich die Beklagte auch nach eigenem Vortrag nicht in Verbindung gesetzt habe. Hätte sich die Beklagte mit ihr, der Streithelferin, in Verbindung gesetzt, hätte sie die Bezirksregierung Arnsberg kontaktiert, welche wiederum mitgeteilt hätte, dass ein Blindgängerverdacht bestehe. Soweit der Bebauungsplan betroffen sei, sei im Zeitpunkt des Erlasses eine Kennzeichnung von Verdachtsflächen noch nicht erforderlich gewesen, da eine solche Verpflichtung als „Soll-Vorschrift“ erst zum 01.07.1987 eingeführt worden sei. Im Jahre 2010 habe es ebenfalls noch keine Erkenntnisse zu etwaigen Blindgängern gegeben, obgleich sie, die Streithelferin, vor dem Hintergrund einer Entscheidung des OVG NRW in alle Bebauungspläne zur Rechtssicherheit den Hinweis darauf aufgenommen habe, dass die der Planung zu Grunde liegenden Vorschriften eingesehen werden könnten, was sich auch aus dem verwaltungsinternen Schreiben (Anlage G2, Bl. 150 d.A.) ersehen lasse. Soweit die Beklagte sich auf das Baugrundgutachten berufe, sei beachtlich, dass hiermit nicht der Zweck verfolgt worden sei, das Baugrundstück auf Kampfmittelfreiheit zu untersuchen. Inzwischen sei zwar die Busspur, die Anlass für den Hinweis der Bezirksregierung Arnsberg gewesen sei, ausgeführt worden; mit der Herstellung der Busspur sei aber keine energetische Einwirkung aufgetreten, so dass diese Maßnahme habe durchgeführt werden können. Indes sei der Gefahrenpunkt noch nicht beseitigt und es könne theoretisch jederzeit zu einer Detonation kommen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden zu ersetzen, der aus der unterlassenen Kampfmittelsondierung bezüglich der Studierendenwohnanlage A-Straße erwächst.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Klägerin keine Ansprüche zustünden. Soweit die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag auf die unterlassene Kampfmittelsondierung abstelle, habe schon keine vertragliche Pflicht zur Kampfmittelsondierung bestanden.

Die Baugenehmigung vom 19.09.2012 (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A.) sei – unstreitig – ohne Auflagen und Bedingungen hinsichtlich einer notwendigen Kampfmittelsondierung erteilt worden und bestätige damit die Kampfmittelfreiheit, da ansonsten mittels Nebenbestimmung angeordnet worden wäre, dass mit dem Beginn der Bauarbeiten erst begonnen werden dürfen, wenn hiergegen seitens der für die Räumung von Kampfmitteln zuständigen Stellen keine Einwände erhoben würden. Überdies fänden sich im Bebauungsplan der Streithelferin keine Hinweise auf etwaige Kampfmittel; derartige Hinweise seien jedoch nach § 9 Abs. 5 BauGB verpflichtend, so dass mithin feststehe, dass keine Erkenntnisse über das Vorhandensein von Kampfmitteln im fraglichen Bereich vorgelegen hätten. Dementsprechend habe sie, die Beklagte, davon ausgehen können, dass eine Kampfmittelüberprüfung bei der Erstellung und Aktualisierung des Bebauungsplanes erfolgt sei, zumal sie sich auf die fernmündlich erteilte Auskunft der Bauaufsichtsbehörde habe verlassen dürfen.

Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin hinsichtlich der Einschaltung von Sonderfachleuten nach § 5 Abs. 4 des Architektenvertrages aufzuklären; Behörden seien nicht als Sonderfachleute anzusehen und bei Sonderfachleuten handele es sich um Fachleute bezüglich Fachplanungen oder Baugrundgutachten und Ähnliches, wie sich unter anderem aus § 7 Abs. 3 des Architektenvertrages ergebe. Soweit solche Sonderfachleute betroffen seien, habe sie ein Baugrundgutachten – unstreitig – eingeholt. Im Rahmen der Begutachtung seien – unstreitig – unter anderem 30 Rammkernsondierungsbohrungen auf der kompletten Fläche durchgeführt worden; deswegen habe sie auch ein berechtigtes Vertrauen auf die Kampfmittelfreiheit bilden können. Sofern die Ergänzungsvereinbarung zum Architektenvertrag betroffen sei, habe dem der erhebliche Mehraufwand im Leistungsbereich der Freianlagen zugrunde gelegen; mit unklaren Bodenverhältnissen habe dies nichts zu tun gehabt.

Auf dem kompletten Baugelände seien im Rahmen des Abbruchs umfangreiche Erd- und Kanalbauarbeiten durchgeführt, das Grundstück in einer Tiefe von 1 m bearbeitet, der Boden ausgetauscht und der neu eingebaute Boden mit schwerem Gerät auf die erforderliche Tragfähigkeit verdichtet worden. Auch seien Kanäle um jeden der 4 Blöcke mit einer Tiefe von ca. 1,3 m erstellt, verfüllt und verdichtet worden. Bei diesen umfangreichen Arbeiten habe es jedoch keinerlei Anzeichen von Kampfmitteln gegeben.

Zudem sei beachtlich, dass sich die Methodik und Genauigkeit entsprechender Untersuchungen in den letzten Jahren geändert habe und zur Zeit der Planung keine Kampfmittelverdachtsfläche vorgelegen habe und damit eine andere Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt nur daraus resultieren könne, dass sich die Untersuchungsmöglichkeiten verbessert hätten. Entsprechende Erkenntnisse oder Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung aus dem 2. Weltkrieg hätten im Zeitpunkt der Planung ohnehin nicht vorgelegen. Beachtlich sei auch, dass die Erschließungsstraßen in der Nachkriegszeit erstellt worden seien und bei der Planung und Errichtung dieser Straßen eine Kampfmittelüberprüfung hätte erfolgen müssen, so dass sie darauf habe vertrauen dürfen, dass eine weitere Kampfmittelüberprüfung nicht erfolgen müsse. Das Bauvorhaben habe sich überdies am südlichen Ende des F-Sees und damit fernab vom Zentrum der Stadt B befunden und die größten Zerstörungen hätten die B Altstadt betroffen.

Eine Verpflichtung zu weitergehenden Erkundigungen ergebe sich nicht aus dem Architektenvertrag, da die Durchführung der Kampfmittelerkundung nicht erforderlich gewesen sei und es sogar ihren Pflichten nach § 5 des Architektenvertrages widersprochen hätte, wenn sie kostenauslösende, aber überflüssige Maßnahmen beauftragt hätte.

Das der Baugenehmigung anliegende Merkblatt sei ihr, der Beklagten, nicht zugeleitet worden; die Baugenehmigung sei von der Baugenehmigungsbehörde direkt an die Klägerin geschickt worden und sie, die Beklagte, habe lediglich von der Klägerin eine Kopie der Baugenehmigung erhalten, der das Informationsblatt nicht beigelegen habe.

Überdies habe sie – überobligatorisch – durch den Zeugen G, ihrem Projektleiter, bei der zuständigen Bauordnungsbehörde an einen datumsmäßig nicht exakt erinnerlichen Telefonat im Herbst 2012 mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Bauordnungsamtes der Streithelferin, der Zeugen E, die auch in der Baugenehmigung (Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) als zuständige Sachbearbeiterin genannt werde und die die Baugenehmigung bearbeitet und bis zur Fertigstellung begleitet habe, telefoniert. Dem Zeugen G sei mitgeteilt worden, dass es sich nicht um eine Verdachtsfläche handele und ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass sich aus den Luftbildern die Vermutung des Einschlags eines Blindgängers ergeben könne. Es habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die telefonisch erteilte Auskunft unrichtig gewesen sei. Ob daher die Bezirksregierung Arnsberg keine telefonischen Auskünfte erteile, sei insofern unbeachtlich. Denn Ansprechpartner für einen Bauherrn sei nicht die Bezirksregierung Arnsberg, sondern die Bauaufsichtsbehörde, was sich zweifelsfrei aus der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigung vom 08.05.2006 (Anlage B1, Bl. 42-45 d.A.; im Folgenden: Richtlinie) ergebe. Denn den örtlichen Ordnungsbehörden sei in der Regel bekannt, wo Kriegshandlungen stattgefunden hätten und eine Kampfmittelbelastung existiere, so dass sie, die Beklagte, die erteilte Auskunft nicht habe hinterfragen müssen. Zu einer Nachfrage bei der Feuerwehr sei sie, die Beklagte, nicht verpflichtet gewesen, da auch die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde eine Behörde der Streithelferin sei. Insofern sei es auch nicht Aufgabe des Bauherrn bzw. des Architekten, die Zuständigkeiten innerhalb der Behörde in Frage zu stellen. Es sei mithin Aufgabe der Streithelferin gewesen, mit Eingang des Antrags auf Erteilung der Baugenehmigung mit den zuständigen Stellen die Frage der Kampfmittelfreiheit abzustimmen. Auch wenn richtig sei, dass der Bauherr bzw. Architekt nicht ohne Klärung der Fragen zu Kampfmitteln los bauen dürfe, habe sie auf die ihr erteilte Auskunft vertrauen dürfen. Aber selbst, wenn sie sich bei der Feuerwehr erkundigt hätte, wäre ihr auch dort mitgeteilt worden, dass keine Kampfmittelverdachtsflächen vorlägen.

Eine Bombenblindgänger-Verdachtsüberprüfung sei überdies nicht erforderlich und nicht beabsichtigt. Aber selbst, wenn dies erforderlich und beabsichtigt sei, sei es rechtlich und tatsächlich nicht möglich, die Klägerin mit derartigen Kosten zu belassen, da die Kosten der Kampfmittelbeseitigung zulasten der öffentlichen Hand gingen, was sich auch aus der Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf auf deren Homepage vom 02.11.2017 (Anlage BLD1, Bl. 91-92 d.A.) ersehen lasse. Die mit der Kampfmittelerkundung einhergehenden Kosten seien solche, die der Klägerin ohnehin entstanden wären, da gerade keine Mehrkosten deswegen anfielen, weil das Grundstück teilweise überbaut sei und davon auszugehen sei, dass die Verdachtsflächen auch kostengünstig ohne Rückbaumaßnahmen überprüfbar seien. Ungeachtet dessen hätte die Klägerin bereits beim Abriss entsprechende Kosten tragen müssen.

Aber selbst eine entsprechende Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach unterstellt, sei der Klägerin ein derart überwiegendes Mitverschulden anzulasten, dass ein Anspruch nicht bestünde, da die Klägerin bereits bei Beantragung der Abrissgenehmigung eine Kampfmittelanfrage hätte stellen und im Rahmen der eigenständig durchgeführten vorherigen Abbrucharbeiten selbst eine Kampfmittelsondierung hätte durchführen lassen müssen. Dies sei ein weiterer Gesichtspunkt, aufgrund dessen sie, die Beklagte, davon habe ausgehen dürfen, dass der Boden kampfmittelfrei sei.

Überdies bestehe kein Feststellungsinteresse.

Das Landgericht hat nach Einholung einer amtlichen Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg, Kampfmittelbeseitigungsdienst, vom 21.11.2019 (Bl. 163-164 d.A.) zur Frage, ob auch im Jahr 2012 bereits ein Blindgängerverdacht festgestellt worden wäre, der Klage vollumfänglich mit der Maßgabe stattgegeben, dass sich die Feststellung nicht auf die unterlassene Kampfmittelsondierung, sondern auf die unterlassene Kampfmittelüberprüfung beziehe. Der Antrag sei zunächst dahingehend auszulegen gewesen, dass es nicht um die unterlassene Kampfmittelsondierung, sondern um eine unterlassene Kampfmittelüberprüfung gehe. Das Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verjährung und der Sachverhalt sei noch nicht abgeschlossen, weil der Gefahrenpunkt weiterhin bestehe und selbst bei Abschluss der durchgeführten Bauarbeiten an der Bushaltestelle die Klägerin als Grundstückseigentümer weitere Maßnahmen zur Sondierung ergreifen müssen.

Die Beklagte habe eine ihr obliegende Pflicht aus dem Architektenvertrag schuldhaft verletzt, da sie keine ausreichende Überprüfung auf möglicherweise vorhandene Kampfmittel vorgenommen habe. Sie sei zu einer derartigen Überprüfung verpflichtet gewesen. Zwar treffe grundsätzlich eine solche Pflicht den Eigentümer bzw. Bauherren als Zustandsstörer gemäß § 18 Abs. 1 OBG NRW. Indes habe die Klägerin diese Pflicht auf die Beklagte als beauftragte Architektin übertragen und die Beklagte habe in § 4 Nr. 1 und 5 des Architektenvertrages diese Verpflichtung ausdrücklich übernommen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen, auch wenn unterstellt werde, dass sie den streitigen Anruf bei der Bauordnungsbehörde der Streithelferin getätigt habe. Denn zuständig für die Kampfmittelbeseitigung seien die örtlichen Ordnungsbehörden; diese würden durch die Kampfmittelbeseitigungsdienste bei den Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf unterstützt. Ansprechpartner für den Bauherren bleibe die örtliche Ordnungsbehörde, mithin nach § 3 OBG NRW die kreisfreien Städte, also die Streithelferin. Diese habe jedoch überzeugend dargetan, dass bei ihr die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde für den Bereich der Kampfmittelbeseitigung zuständig sei. Die Feuerwehr sei von der Beklagten unstreitig nicht kontaktiert worden. Bei der Bauordnungsbehörde und der Feuerwehr handele es sich um zwei unterschiedliche Sonderordnungsbehörden. In der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst (Anlage B1, Bl. 42-45 d.A.) werde lediglich das Innenverhältnis zwischen den Behörden untereinander geregelt, so dass die Richtlinie keinerlei Außenwirkung entfalte. Die Richtlinie bestimme damit auch nicht, dass die Bauaufsichtsbehörden zuständig zur Erteilung von Auskünften gegenüber den Bauherren seien. Gleiches gelte sinngemäß für das der Baugenehmigung beigefügte Merkblatt „Wichtige Informationen zu ihrem Bauvorhaben“; daraus gehe eindeutig hervor, dass der Bauherr sich zur Gefahrenabwehr an die Feuerwehr und gerade nicht an die Bauordnungsbehörde zu wenden habe. Unerheblich sei, ob die Klägerin als Bauherrin dieses Merkblatt an die Beklagte weitergeleitet habe. Als erfahrene Architektin hätte die Beklagte sich nicht auf etwaig erteilte telefonische Auskünfte der Bauordnungsbehörde verlassen dürfen, sondern vielmehr wissen müssen, dass eine Anfrage bei der Bezirksregierung Arnsberg durch die zuständige Ordnungsbehörde erforderlich sei. Gerade für Großprojekte öffentlicher Auftraggeber sei es nicht ungewöhnlich, dass solche Verdachtsflächen bestünden und untersucht werden müssten. Demgemäß komme es auch nicht darauf an, ob es ein Telefonat mit dem beklagtenseits behaupteten Inhalt gegeben habe, zumal unplausibel sei, dass keine schriftlichen Vermerke hinsichtlich dieses Telefonats hätten beigebracht werden können.

Die Beklagte habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Auf das Fehlen von Verdachtsflächen im Bebauungsplan könne sie sich nicht berufen, da die Kennzeichnung solcher Flächen erst ab 1987 erforderlich sei; vorliegend stamme der Bebauungsplan indes aus 1974. Ungeachtet dessen handele es sich bei § 9 Abs. 5 Nr. 3 BauGB um eine Sollvorschrift, sodass keine umfassende Überprüfung aller Bebauungspläne mit der Einführung der Vorschrift habe stattfinden, sondern vielmehr gewonnene Erkenntnisse bei Änderungen der Bebauungspläne hätten berücksichtigt und kenntlich gemacht werden sollen. Dass das Grundstück sich nicht in der Nähe der Altstadt befinde, entlaste die Beklagte ebenfalls nicht, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass in diesem Bereich Blindgänger lägen. Auch der Umstand, dass man bei umfassenden Erdarbeiten nicht auf Blindgänger gestoßen sei, entlaste die Beklagte nicht, da es sich hierbei um Glück bzw. Zufall gehandelt haben könne. Soweit das Baugrundgutachten (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.) betroffen sei, sei beachtlich, dass hierbei der Boden geologisch untersucht werde und auch Altlasten aufgedeckt würden; hierunter fielen jedoch in der Regel keine Blindgänger, da sie nur in einem kleinen Punkt im Boden vorhanden seien, während sich Giftstoffe im ganzen Boden verteilten und durch die chemische Zusammensetzung im Boden ermittelt werden könnten. Ungeachtet dessen werde für das Baugrundgutachten nicht der gesamte Boden gescannt, sondern mithilfe von einzelnen Kernbohrungen an unterschiedlichen Punkten ein Querschnitt der einzelnen Bodenschichten ermittelt.

Die Pflichtverletzung sei auch kausal für den entstandenen Schaden, da nach der amtlichen Auskunft feststehe, dass bei Nachfragen im Jahr 2012 der Verdachtspunkt mitgeteilt worden wäre, da der Verdachtspunkt auf mehreren Luftbildern eindeutig zu erkennen sei und sich die Methodik seither nicht verändert habe.

Dass die Klägerin ohnehin die Kosten der Kampfmittelsondierung zu tragen habe, führe nicht zur Verneinung einer Schadensersatzpflicht. Die Kosten für die eigentliche Entfernung von Blindgängern würden zwar von der öffentlichen Hand übernommen; hiervon seien jedoch nicht die Kosten für vor- und nachbereitenden Maßnahmen umfasst, da diese nach dem Runderlass des Innenministeriums vom 09.11.2007 der Zustandsstörer selbst zu tragen habe. Soweit die Beklagte auf eine Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf (Anlage BLD, Bl. 91 d.A.) abstelle, werde darauf hingewiesen, dass Kosten für vorbereitende Maßnahmen nicht vom Land Nordrhein-Westfalen übernommen würden. Hierin würden Maßnahmen, wie das Abschieben des Bodens bis auf das Niveau von 1945, freie Zufahrtsmöglichkeit für Bagger und Baugeräte, Entfernen des Bewuchses usw. genannt.

Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten. Zwar habe diese die Abbrucharbeiten eigenständig durchgeführt; aus Nr. 4 der Richtlinie ergebe sich indes, dass die Ordnungsbehörden bei Abbrucharbeiten nicht verpflichtet seien, Anträge an den Kampfmittelbeseitigungsdienst zu stellen, da bei derartigen Abbrüchen der zuvor umbaute Raum nicht ausgeweitet werde. Zwar gelte dies im Innenverhältnis zwischen einzelnen Behörden; indes könne hier für die Klägerin nicht anders gelten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, das Landgericht habe gegen § 308 ZPO verstoßen, weil es keinen Feststellungsanspruch hinsichtlich der unterlassenen Kampfmittelsondierung, zu deren Durchführung sie keinesfalls verpflichtet gewesen sei, getroffen habe, sondern unter Überschreitung der Grenzen zulässiger Auslegung einen Feststellungsanspruch hinsichtlich der unterlassenen Kampfmittelüberprüfung tenoriert habe, obgleich kein missverständlicher oder unklar gefasster Antrag vorgelegen habe und das Landgericht verpflichtet gewesen wäre, nach § 139 ZPO auf die Notwendigkeit einer Klarstellung hinzuweisen, zumal die Klägerin selbst nach ihrem, der Beklagten, Vorhalt ihren Antrag nicht umgestellt habe. Insofern hätte das Landgericht den unmissverständlich formulierten und keiner Auslegung zugänglichen Antrag als unbegründet abweisen müssen.

Verkannt habe das Landgericht zudem, dass die der Klägerin obliegende Pflicht, für Kampfmittelfreiheit zu sorgen, nicht auf sie, die Beklagte, übertragen worden sei. In § 4 und § 5 des Architektenvertrages finde sich hierzu nichts. Unzutreffend sei auch, dass der Architekt im Rahmen der Grundlagenermittlung und Vorplanung generell die Aufgabe habe, Bodenrisiken zu ermitteln, da dies nicht zu den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 oder 2 gehöre; vielmehr sei die „Standortanalyse“ als „Besondere Leistung“ umschrieben, die damit explizit beauftragt werden müsse, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Auch das „Erarbeiten und Erstellen von besonderen bauordnungsrechtlichen Nachweisen“ stelle eine besondere Leistung der Leistungsphase 2 der. Die sie treffende Pflicht zur Grundlagenermittlung habe sie durch die Beauftragung und Einholung des Baugrundgutachtens erfüllt. Wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, hätten keine objektiven Anhaltspunkte vorgelegen, die eine Pflicht zur Prüfung ausgelöst hätten. Ungeachtet dessen habe das Landgericht selbst bei Annahme einer entsprechenden Pflicht verkannt, dass sie, die Beklagte, dieser Pflicht durch die fernmündliche Nachfrage bei der Bauordnungsbehörde, der Zeugin E, nachgekommen sei, da der Zeuge G im Herbst 2012 telefonisch von der Zeugin E die Auskunft erhalten habe, dass eine Kampfmittelverdachtsfläche nicht vorliege; ihr entsprechendes Beweisangebot habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft übergangen. Das Landgericht sei offenbar in vorweggenommener Würdigung dem Einwand der Streithelferin gefolgt, dass ein solches Telefonat nicht stattgefunden habe mit dem Hinweis, dass ein Telefonvermerk nicht vorgelegt worden sei, obgleich die Annahme, dass über solche Telefonate stets ein Vermerk erstellt werde, einer tragfähigen Grundlage entbehre.

Fehlerhaft habe das Landgericht zudem angenommen, dass sie, die Beklagte, sich selbst und originär bei der Feuerwehr hätte erkundigen müssen, da die Feuerwehr als Sonderordnungsbehörde eine Behörde der Streithelferin sei und ebenso wie die Bauordnungsbehörde Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren wahrnehme. Da sie, die Beklagte, sich bei der Streithelferin selbst erkundigt habe, sei eine gesonderte Nachfrage bei der Feuerwehr nicht notwendig geworden; ungeachtet dessen verkenne das Landgericht, dass ein Außenstehender den Behördenaufbau nicht kennen müsse und auf die Richtigkeit der erteilten Auskunft habe vertrauen dürfen. Die Frage der Kampfmittelfreiheit sei allein Sache der Behörde, also der Streithelferin, und der Bauherr könne darauf vertrauen, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit seitens der Behörde geklärt worden sei, zumal diese Frage schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans zu beachten sei. Hierbei sei auch beachtlich, dass im Bebauungsplan das Baufeld nicht als Verdachtsfläche gekennzeichnet gewesen sei. Das Landgericht verkenne auch die Bedeutung der Richtlinie; es gehe darum, dass schon aus dem Bebauungsplan folge, dass sich die Behörde auch unter Einbeziehung der Sonderordnungsbehörden um die Kampfmittelfreiheit aus Sicht des Bauherrn bzw. Architekten gekümmert habe.

In der unterlassenen Kontaktaufnahme zu Feuerwehr könne ohnehin keine Pflichtverletzung gesehen werden, da in dem nur an die Klägerin gerichteten Merkblatt, welches sie, die Beklagte gerade nicht erhalten habe, allein die Rede davon sei, dass Kontakt bei „Entfernung gegebenenfalls vorhandener Kampfmittel“ aufzunehmen sei. Eine Kontaktaufnahme erübrige sich aber, wenn schon aus dem Bebauungsplan eine Gefahrenstelle überhaupt nicht ersichtlich sei. Dies gelte hier erst recht, da die Zeugin E bestätigt habe, dass kein Verdacht auf Kampfmittel bestehe.

Aber selbst eine Pflichtverletzung unterstellt, sei von einem fehlenden Verschulden ihrerseits auszugehen, da der Bebauungsplan keine negative Aussage zu Kampfmittelfreiheit treffe, zur Stellung des Baugrundgutachtens Rammkernsondierungen auf dem Baugrundstück durchgeführt worden seien und ein Architekt davon ausgehen dürfe, dass solche Sondierungen nicht ohne Erkundigung zur Kampfmittelbeseitigung durchgeführt würden und die Klägerin selbst den Abriss übernommen und das Baufeld hergerichtet habe. Warum beim Abriss keine Sondierung durchzuführen sei, erschließe sich nicht, da auch dort gleichermaßen tief und mit höheren Erschütterungen auf den Boden eingewirkt werde.

Überdies fehle es an der Kausalität zwischen vermeintlicher Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden, da die Zeugin E die Auskunft erteilt habe, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege; diese Auskunft hätte sie, die Beklagte, auch dann erhalten, wenn sie sich an die Feuerwehr gewandt hätte. Das Landgericht habe insofern die eingeholte amtliche Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg fehlerhaft gewürdigt und unterstellt, dass bei der Bezirksregierung im Jahre 2012 eine Einstufung der Fläche als Kampfmittelverdachtsfläche vorgelegen habe, obgleich sich aus der Auskunft ergebe, dass 2012 eine solche Einstufung gar nicht vorgelegen habe.

Überdies habe das Landgericht fehlerhaft ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Soweit noch unberücksichtigten Beweisangeboten nachzugehen sei, müsse der Senat das Verfahren an das Landgericht zurückverweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Münster vom 26.02.2020 (Aktenzeichen 116 O 19/19) die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster vom 26.02.2020 (Aktenzeichen 116 O 19/19) an das Landgericht Münster zurück zu verweisen und

vorsorglich für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt – unter Neufassung ihres Feststellungsantrags, festzustellen dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden in Form der ihr entstehenden Mehrkosten zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind bzw. entstehen werden, dass die Beklagte vor Ausführung des Bauvorhabens A-Straße es versäumt hat, den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen bzw. darauf hinzuweisen, dass ein solcher Antrag erforderlich sein könnte – sinngemäß

              die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil; sie rügt den neuen Sachvortrag der Beklagten als verspätet und meint, dass kein Verstoß gegen § 308 ZPO vorliege, da sie ihren Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung soweit konkretisiert habe, dass das Landgericht in zulässiger Weise eine Auslegung vorgenommen habe; hätte das Landgericht überdies einen Hinweis gegeben, wäre auch ein sachdienlicher Antrag gestellt worden. Ungeachtet dessen sei die fehlende Kampfmittelüberprüfung auf das Verschulden der Beklagten zurückzuführen, so dass der ursprünglich angekündigte Antrag zwar unpräzise, aber sachlich nicht falsch gewesen wäre.

Bereits bei Einreichung des Bauantrages, welcher vor dem Abbruchantrag gestellt worden sei, hätte die Kampfmittelüberprüfung seitens der Beklagten beantragt werden müssen. Nach dem Architektenvertrag seien alle Leistungsphasen geschuldet gewesen. Die Beklagte habe sie, die Klägerin, nicht über die Problematik aufgeklärt; wäre eine entsprechende Aufklärung erfolgt, hätte sie, die Klägerin, – was sich auch aus der tatsächlichen Vermutung beratungskonformen Handelns ergebe – entsprechend gehandelt.

Eine telefonische Auskunft dahingehend, dass es sich bei dem Grundstück nicht um eine Kampfmittelverdachtsfläche handele, habe die Streithelferin der Beklagten nicht erteilt, zumal hierüber ein Vermerk gefertigt worden wäre. Die Zeugin E sei zudem unzuständig zur Erteilung einer Auskunft gewesen sei. Eine Nachfrage bei der zuständigen Feuerwehr sei nicht erfolgt; dass es sich um eine Verdachtsfläche gehandelt habe, sei als allgemeinkundig anzunehmen, da das Grundstück in der Einflugschneise der Bomber im Zweiten Weltkrieg gelegen habe und B im Zweiten Weltkrieg zu über 90 % zerstört worden sei, so dass ausnahmslos bei jedem neuen Bau die Möglichkeit von Blindgängern zu hinterfragen gewesen sei. Überdies habe sich am Anfang des F-Sees in der Nähe zum Bauprojekt ein bekanntes Gauhaus befunden, das sogar erklärtes Ziel der Alliierten gewesen sei.

Die Pflichtverletzung der Beklagten in Form der fehlenden Aufklärung und Antragstellung sei kausal geworden für die fehlende Kampfmittelüberprüfung. Inzwischen liege die Kalkulation der Gesamtkosten (Anlage K8, Bl. 451 d.A.) hinsichtlich der Nachholung der fehlenden Kampfmittelüberprüfung durch Abbruch des Gebäudeteils vor.

Die Streithelferin meint, dass die behauptete Nachfrage bei der Zeugin E unbeachtlich sei, da diese beim Bauordnungsamt, nicht aber bei der für Auskünfte zur Kampfmittelfreiheit und Kampfmittelverdachtsfällen zuständigen Feuerwehr beschäftigt sei. Ungeachtet dessen habe die Zeugin E eine solche Auskunft auch nicht erteilt.

Der Senat hat die Parteivertreter der Klägerin und den Parteivertreter der Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin E und des Zeugen G in der mündlichen Verhandlung am 18.05.2021. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls vom 18.05.2021 und den die wesentlichen Ergebnisse der persönlichen Anhörungen und der Zeugenvernehmungen zusammenfassenden Vermerk des Berichterstatters vom 18.05.2021 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet und führt allein zur klarstellenden Neufassung des Tenors.

1.

Ob das Landgericht den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag abweichend vom Wortlaut in der vorgenommenen Weise auslegen durfte, kann letztlich dahinstehen, da ein – unterstellter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO – dadurch geheilt worden ist, dass die Klägerin mit ihrem zweitinstanzlichen Prozessverhalten deutlich gemacht hat, dass sie den Antrag jedenfalls nunmehr mit dem vom Landgericht tenorierten Inhalt stellen will.

a)

Nach § 308 Abs. 1 ZPO besteht eine Antragsbindung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Das Gericht darf nicht mehr (kein „plus“) zusprechen als beantragt und nichts anderes (kein „aliud“) als begehrt (vgl. BGH, Urteil vom 07. Dezember 1988 – IVb ZR 23/88 – FamRZ 1989, 483; BGH, Urteil vom 16-11-1989 – I ZR 15/88 – NJW-RR 1990, 997; OLG München, Urteil vom 08. Juni 2004 – 13 U 5690/03 – zitiert nach juris; Elzer, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.12.2020, § 308 ZPO Rn. 14; Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 308 ZPO Rn. 2).

Zutreffend verweist die Beklagte zwar darauf, dass dann, wenn ein Klageantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, dieser im Regelfall keiner Auslegung zugänglich ist. Indes ist bereits zweifehlhaft, ob eine derartige Bestimmtheit vorliegt. Zwar ist der Antrag seinem Wortlaut nach auf das Unterlassen der „Kampfmittelsondierung“ gerichtet. Indes werden Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens nicht allein durch den Wortlaut des Antrags bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519). Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er aus der Klagebegründung, den sonstigen Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519; Elzer, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.03.2021, § 308 ZPO Rn. 5a). Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 08. März 2019 – V ZR 330/17 – NJW-RR 2019, 519; BGH, Versäumnisurteil vom 13. Mai 2016 – V ZR 152/15 – NJW-RR 2016, 1107).

Ob zwischen der beantragten Kampfmittelsondierung und der tenorierten Kampfmittelüberprüfung überhaupt ein wesentlicher Unterschied besteht, ist bereits zweifelhaft. Bei einer Kampfmittelbeseitigung handelt es sich um die Beseitigung von Kampfmitteln, also nach § 1 Abs. 2 der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (Kampfmittelverordnung) vom 12.11.2003, gewahrsamslos gewordener Gegenstände militärischer Herkunft und Teile solcher Gegenstände, die Explosivstoffe enthalten oder aus Explosivstoffen bestehen oder Kampfstoffe enthalten. Nach Ziffer 2.2.3 Satz 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen und Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 Anlage 1 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen überprüft der Kampfmittelbeseitigungsdienst den hinreichenden Indikator der Kampfmittelbelastung durch Erkundung, Detektion und feststellenden Bodeneingriff vor Ort (vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 59. Update Januar 2021, 4. Geeignetheit von Baugrundstücken, § 16 Rn. 44). Die Kampfmitteluntersuchung erfolgt mittels Magnetometern (vgl. Ziffer 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) durch Oberflächendetektion (vgl. Ziffer 2.2.6 Satz 6; 6.2.4 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen), Bohrlochdetektion (Ziffer 6.2.7 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) oder Tiefensondierung über Geomagnetik, Elektromagnetik, Georadar oder Bodenradar, oder aus einer Kombination der vorgenannten Maßnahmen. Insofern mag ein inhaltlicher Unterschied zwischen den Begriffen der Kampfmittelsondierung einerseits und der Kampfmittelüberprüfung andererseits in der Form anzunehmen sein, dass die Kampfmittelsondierung der engere Begriff ist, weil diese durch die oben beschriebenen Detektionsmaßnahmen erfolgt, während die Kampfmittelüberprüfung als Oberbegriff neben der Kampfmitteldetektion nach Ziffer 2.2.3 Satz 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen und Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 Anlage 1 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen auch die Erkundung und den feststellenden Bodeneingriff vor Ort erfasst. Ob damit das Landgericht mehr tenoriert hat als beantragt, kann aber letztlich dahinstehen.

b)

Ist nämlich anzunehmen, dass das Landgericht mehr tenoriert hat als beantragt, ist der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO durch nachträgliche Genehmigung geheilt worden.

Beantragt der Kläger, dem mehr zugesprochen wurde, als er im 1. Rechtszug beantragt hatte, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, so wird durch die darin liegende Genehmigung der Mangel geheilt, denn im Sichzueigenmachen der gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßenden Entscheidung liegt eine – noch in der Berufungsinstanz mögliche – Klageerweiterung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 – VII ZR 174/03 – MDR 2005, 645; Feskorn, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 308 ZPO Rn. 7). Die Klageerweiterung ist nach § 533 ZPO zulässig. Die Voraussetzungen des § 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO liegen vor. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei nicht die beschleunigte Entscheidung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend ist (vgl. Wulf, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.12.2020, § 533 ZPO Rn. 11). Auch die weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit von im Berufungsrechtszug erstmalig geltend gemachten Ansprüchen gemäß § 533 Nr. 2 ZPO liegt vor, denn diese können hier auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat ohnehin nach § 529 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung zu Grunde zu legen hat (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Februar 2019 – 4 U 8/17 – zitiert nach juris).

2.

Für den Senat bestand aber Anlass, nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Stellung eines sachdienlichen Feststellungsantrag anzuregen.

a)

Unstreitig schuldete die Beklagte persönlich weder einer Kampfmittelsondierung noch eine Kampfmittelüberprüfung. Denn hierzu ist ausschließlich der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Die Beklagte ist hierzu weder vertraglich verpflichtet noch in der Lage, da die Durchführung von jeglichen Erkundungsarbeiten nach Kampfmitteln nur speziell geschulten und zugelassenen Fachunternehmen nach §§ 7, 20 SprengG gestattet ist und § 3 der Kampfmittelverordnung das Suchen von Kampfmitteln sowie deren Besitz nur den Stellen gestattet, die durch die Bezirksregierung mit der Beseitigung der Kampfmittel beauftragt sind, hier also nach § 1 Abs. 2 der Kampfmittelverordnung dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst bei den Bezirksregierungen Arnsberg und Düsseldorf. Auch die Klägerin stellt nicht darauf ab, dass die Beklagte die Kampfmittelüberprüfung selbst vorzunehmen hätte, sondern meint, dass die Beklagte den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung hätte stellen bzw. sie jedenfalls über die Notwendigkeit eines derartigen Antrages hätte aufklären müssen.

b)

Diesem Anliegen der Klägerin entspricht die vom Landgericht vorgenommene Auslegung nicht, so dass der Senat auf die Stellung eines sachdienlichen Antrages, der diesem Anliegen der Klägerin entspricht, hinzuwirken hatte. Da hiermit kein Hinweis auf neue, im Vortrag der Parteien noch nicht andeutungsweise enthaltene Klagegründe verbunden war (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01 – NJW-RR 2004, 495; BGH, Urteil vom 27. September 2006 – VIII ZR 19/04 – NJW 2007, 2414 Rn. 22), hat die Klägerin in zulässiger Weise auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihren Feststellungsantrag klarstellend formuliert und klargestellt, dass sie eine Feststellung allein hinsichtlich der Mehrkosten begehrt, die nun auf sie zukommen, weil die Kampfmittelüberprüfung nicht schon vor Erstellung des Neubaus im Jahre 2012 veranlasst worden ist.

3.

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

a)

Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist zu bejahen, da damit eine mögliche Verjährung verhindert werden soll (vgl. OLG München, Urteil vom 06. Dezember 2016 – 28 U 2388/16 Bau – BauR 2017, 1041). Es kommt in Betracht, dass auf die Klägerin als Zustandsstörerin Kosten im Zusammenhang mit der nachträglichen Kampfmittelüberprüfung zukommen werden, da nach Fußnote 1 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 9.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung Erstattung der anfallenden Kosten) bei Vorliegen hinreichend konkreter Anhaltspunkte, dass sich auf einem Grundstück bislang verborgen gebliebene Kampfmittel befinden und von dem Grundstück selbst eine Gefahr ausgeht, der Eigentümer des Grundstücks als Zustandsstörer iSd §§ 14, 18 OBG NRW verantwortlich ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03. Juni 1997 – 5 A 4/96 – zitiert nach juris). Die Klägerin ist als Grundstückseigentümerin Störerin und damit gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Übernahme der entstehenden Kosten verpflichtet, wobei nach Fußnote 1 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 9.11.2007 die Ordnungsbehörde im Ermessenswege darüber entscheidet, wie der Verpflichtung nachzukommen ist.

Beachtlich ist zwar, dass die Kosten der Kampfmittelbeseitigung als solche von der öffentlichen Hand – der örtlichen Ordnungsbehörde (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2015 – 6 K 7535/13 – zitiert nach juris) – getragen werden. Nach Ziffer 2 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 09.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung, Erstattung der anfallenden Kosten) in Verbindung mit §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AKG, 1004 BGB tragen der Bund und die Länder als staatliche Stellen aber nur die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung, d. h. nur die Kosten, die zur Beseitigung einer „unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben” erforderlich sind. Die Gefahrenerforschung wird von den zuständigen Stellen (Land, Kommunen) grundsätzlich kostenfrei wahrgenommen. Die aus der Kampfmittelbeseitigung entstehenden Kosten trägt das Land NRW.

Aber alle die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen werden von § 19 Abs. 2 Ziff. 1 AKG nicht erfasst, sondern sind nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes NRW in Verbindung mit § 1004 BGB von der örtlichen Ordnungsbehörde bzw. vom Grundstückeigentümer auf dessen Kosten zu erledigen. Hier kommen insbesondere die Kosten für den Abbruch bereits erstellter Gebäudeteile und deren Wiederherstellung oder Bohrungen durch die Bodenplatte eines Gebäudes in Betracht.

b)

Dass die Klägerin – gestützt auf ihre eigene Berechnung (Anlage K8, Bl. 451 d.A.) – nunmehr eine Leistungsklage erheben könnte, steht der Zulässigkeit des Feststellungantrags nicht entgegen.

Befindet sich ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Entwicklung, so steht der Umstand, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung eine teilweise Bezifferung möglich ist, der Bejahung des Feststellungsinteresses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise erst nach Abschluss seiner Entwicklung beziffert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14 – zitiert nach juris); der Geschädigte kann zwar hinsichtlich des bereits bezifferbaren Teils des Schadens Leistungsklage und im Übrigen Feststellungsklage erheben (vgl. Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 256 ZPO Rn. 7a). Er muss dies aber nicht.

Ist – wie hier – die Feststellungsklage nach diesen Grundsätzen zulässig erhoben worden, braucht der Kläger auch dann nicht zur Leistungsklage überzugehen, wenn im Laufe des Rechtsstreits der gesamte Schaden bezifferbar wird (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 − VIII ZR 212/08 – NJW 2011, 3361; BGH, Urteil vom 4. 11. 1998 – VIII ZR 248/97 – NJW 1999, 639; Bacher, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.03.2021, § 256 ZPO Rn. 27).

4.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz der der Klägerin entstehenden Mehrkosten, die ihr dadurch entstanden sind bzw. entstehen werden, dass die Beklagte vor Ausführung des Bauvorhabens A-Straße es versäumt hat, den Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen bzw. darauf hinzuweisen, dass ein solcher Antrag erforderlich sein könnte, zu.

a)

Die Planungsleistung der Beklagten ist bereits deswegen mangelhaft, weil ein Kampfmittelverdacht hinsichtlich der mit den Neubauten überbauten Grundstücksflächen besteht.

aa)

Die Beklagte war auch ohne ausdrückliche Vereinbarung im Hinblick auf die Kampfmittelfreiheit verpflichtet, das Problem der Kampfmittelüberprüfung zu berücksichtigen. Insofern kann dahinstehen, ob die Beklagte letztlich für die Leistungsphase 1, in deren Umfang sie unter anderem den Baugrund abzuklären hatte (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 03. März 2010 – 2 U 68/07 – zitiert nach juris), ein Honorar berechnet oder insofern diese Leistungsphase in ihrer Schlussrechnung „auf Null“ gesetzt hat. Denn spätestens mit der Baugenehmigungsantragstellung – Leistungsphase 4 – hätte die Beklagte die Klägerin auf die Nachweispflicht des § 16 BauO NRW a.F. bzw. auf die Notwendigkeit zur Feststellung der Kampfmittelfreiheit durch die zuständige Stelle gemäß den dargestellten gesetzlichen Vorgaben hinweisen müssen.

Denn die Berücksichtigung der Kampfmittelproblematik durch die Beklagte war erforderlich, da dies aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zur sachgerechten Umsetzung des Bauvorhabens aus dem Pflichtenkreis der Klägerin als Bauherrin erforderlich erschienen ist und die Beklagte nicht davon ausgehen konnte, dass die Kampfmittelprüfung bereits stattgefunden hatte. Dies gilt insbesondere deswegen, weil es sich um ein Großprojekt mit zahlreichen Wohnungen handelt und eine große Personenzahl gefährdet sein kann.

(1)

Der Einwand der Beklagten, dass es sich um eine mangels gesonderter Vereinbarung nicht geschuldete „Besondere Leistung“ der Standortanalyse gehandelt habe, verfängt nicht.

Besondere Leistungen sind solche, die erforderlich sind, um besonderen Anforderungen des Auftrags gerecht zu werden, für deren Erfüllung der Katalog der Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, nicht ausreicht (vgl. Wirth, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, 8. Auflage 2013, § 3 HOAI Rn. 46). Zutreffend verweist die Beklagte zwar darauf, dass die Standortanalyse (Ziffer 2.6.1 der Anlage 2 § 3 Abs. 3 in der hier vom 18.08.2009 bis 16.07.2013 geltenden und damit maßgeblichen HOAI 2009, so auch Ziffer 10. 1 LPH 1 Grundlagenermittlung der Anlage 10 zu §§ 34 Abs. 4, 35 Abs. 7 HOAI 2013) eine „Besondere Leistung“ ist. Eine „Standortanalyse“ stellt indes eine betriebswirtschaftliche Aufgabe dar; sie steht im Zusammenhang mit der Standortplanung und Standortsuche (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Zum einen können darunter immobilienwirtschaftliche Untersuchungen zur Frage der Vermarktungsmöglichkeiten durch Verkauf, Vermietung oder Verpachtung an einem angedachten oder noch zu findenden Standort zu verstehen sein; es kann aber auch darum gehen, den idealen Standort für ein Unternehmen herauszufinden (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Dafür müssen zunächst Kriterien für Standortfaktoren gebildet und ein Anforderungsprofil definiert werden (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48). Ist – wie hier – ein Grundstück bereits gefunden, kann analysiert werden, ob dieses den gestellten Anforderungen genügt (vgl. Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, HOAI, 1. Auflage 2016, § 34 HOAI Rn. 48; Seifert/G, in: G/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 2. Auflage 2020, § 34 HOAI Rn. 48).

Hieraus aber folgt, dass es sich bei der Frage der Kampfmittelfreiheit gerade nicht um eine „Standortanalyse“, sondern um die Beurteilung der Frage handelt, ob das bereits ausgewählte Grundstück erst nach Abklärung der Kampfmittelbelastung bebaubar ist; damit aber handelt es sich jedenfalls um eine Grundleistung der Leistungsphase 2. Nach § 5.2 Satz 3 des Architektenvertrages war die Beklagte zudem ausdrücklich verpflichtet, auf Bedenken gegen die Umsetzbarkeit der Planung hinzuweisen.

(2)

Nach den konkreten Umständen bestand die Pflicht des Bauherren und damit der Beklagten, eine Kampfmittelbelastung abklären zu lassen.

Nach § 16 Abs. 1 BauO NRW in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung (im Folgenden a.F., entspricht § 13 Abs. 1 BauO NRW n.F.) muss der Bauherr vor Beginn eines Bauvorhabens die Kampfmittelfreiheit nachweisen. § 16 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW a.F. fordert, dass Baugrundstücke für die jeweiligen baulichen Anlagen entsprechend geeignet sein müssen. Das betrifft neben der Beschaffenheit des Grund und Bodens (vor allem Ungeeignetheit wegen Altlasten, Lage im Überschwemmungsgebiet oder Strahlenbelastung) auch die vorgesehene Nutzung (vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 59. Update Januar 2021, 4. Geeignetheit von Baugrundstücken, § 16 Rn. 44). Auch nach Ziffer 2 Satz 1 der Richtlinie müssen Baugrundstücke im Hinblick auf ihre Kampfmittelfreiheit für bauliche Anlagen geeignet sein.

Die Klägerin hat zweitinstanzlich – unwidersprochen – vorgetragen, dass das Grundstück in der Einflugschneise der Bomber im Zweiten Weltkrieg lag, B im Zweiten Weltkrieg zu über 90 % zerstört wurde und sich überdies am Anfang des F-Sees in der Nähe zum Bauprojekt ein bekanntes Gauhaus befand, dass sogar erklärtes Ziel der Alliierten war. Soweit die Beklagte vorträgt, dass sich das Bauvorhaben am südlichen Ende des F-Sees und damit fernab vom Zentrum der Stadt B befinde und die größten Zerstörungen die B Altstadt betroffen hätten, ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass wegen der erheblichen Mengen an abgeworfenen Bomben im gesamten Stadtgebiet mit Blindgängern zu rechnen ist. Dass nach Kriegsende eine Erschließung durch zwei Straßen erfolgte, führt ebenfalls nicht zur zwingenden Annahme, dass anlässlich der Planung und Errichtung dieser Straße eine Kampfmittelüberprüfung erfolgt war, zumal die festgestellte Bombenblindgängereinschlagsstelle VP #### sich auf dem Gelände, nicht aber auf den Erschließungsstraßen befindet.

(3)

Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Kampfmittelfreiheit bereits geklärt war.

(a)

Aus der Baugenehmigung (Anlage BLD 2, Bl. 93-98 d.A. = Anlage BLD 3, Bl. 171-176 d.A.) konnte die Beklagte nicht entnehmen, dass die Kampfmittelfreiheit im Genehmigungsverfahren geprüft worden war. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte das der Baugenehmigung anliegende Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148 f. d.A.) erhalten hat. Die Baugenehmigung wurde nämlich nach § 63 BauO NRW a.F.  (entspricht § 60 BauO NRW n.F.) erteilt. Nach Ziffer 3 Abs. 2 der Richtlinie wird die Gemeinde gemäß Nr. 16.22 Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung (VV BauO NRW) vom 12. Oktober 2000 (SMBl. NRW. 23210) im Baugenehmigungsverfahren von der Bauaufsichtsbehörde beteiligt. Nach Nr. 16.22 Abs. 2 VV BauO NRW sind allein Baugenehmigungen für Sonderbauten nach § 68 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW, die Bauvorhaben mit nicht unerheblichen Erdeingriffen in Kampfmittelverdachtsflächen betreffen, eine Nebenbestimmung anzufügen, wonach mit dem Beginn der Bauarbeiten erst begonnen werden darf, wenn hiergegen seitens der für die Räumung von Kampfmitteln zuständigen Stellen keine Einwände erhoben werden. Der feststellende Teil der Baugenehmigung, der die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem geltenden Recht bestätigt, bleibt unangetastet, der verfügende Teil, der die sogenannte „Baufreigabe” beinhaltet, wird damit aufschiebend bedingt. Nur bei Sonderbauten erhält der Bauherr damit einen ausdrücklichen Hinweis, da dort die Kampfmittelüberprüfung Teil des Baugenehmigungsverfahrens ist. Vorliegend ist indes kein Sonderbau betroffen, da in der Baugenehmigung auf die Regelung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 68 Abs. 2 BauO NRW abgestellt wird, so dass ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß § 68 BauO NRW durchgeführt worden ist. Nach Nr. 16.22 Abs. 3 VV BauO NRW wird aber im vereinfachten Genehmigungsverfahren § 16 BauO NRW a.F. von der Bauaufsichtsbehörde nicht geprüft.

(b)

Auch die Tatsache, dass im Bebauungsplan keine Hinweise auf eine mögliche Kampfmittelbelastung genannt waren, war nicht aussagekräftig, weil der Bebauungsplan aus dem Jahre 1974 stammte.

Nach Ziffer 3.1 Abs. 3 der Richtlinie ist zwar bei der Aufstellung von Bebauungsplänen der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zu beteiligen; er wertet die Kampfmittelbelastung für die gesamte Fläche aus und teilt das Auswertungsergebnis und das staatliche Handlungserfordernis der Gemeinde mit. Die betroffenen Flächen sollen nach § 9 Abs. 5 BauGB im Bebauungsplan gekennzeichnet werden.

Allerdings stammen die vorgenannten Normen erst auf der Zeit nach Erlass des Bebauungsplans; § 9 Abs. 5 BauGB wurde mit Gesetz vom 08.12.1986 (BGBl. I S. 2191) zum 01.07.1987 neu gefasst und die Richtlinie datiert vom 08.05.2006. Die textlichen Ergänzungen zum Bebauungsplan vom 08.11.2010 (Anlage E2, Bl. 150 d.A.) bezogen sich auf einen gänzlich anderen Punkt, nämlich die Einsichtnahmemöglichkeit in DIN-Vorschriften.

(c)

Auch aus dem Inhalt des Baugrundgutachtens konnte die Beklagte nicht darauf schließen, dass die Frage der Kampfmittelbelastung geklärt war.

Unstreitig hat die Klägerin zwar das Baugrundgutachten vom 03.03.2011 (Anlage B2, Bl. 46-71 d.A.) eingeholt. Indes hat das Landgericht zutreffend darauf verwiesen, dass hiermit Baugrunduntersuchungen durchgeführt und ein Vorbericht zum geotechnischen Gutachten ausgearbeitet werden sollte. Die Zielrichtung des Gutachtens war daher Auskunft über den Aufbau des Baugrunds und dessen bodenmechanische Eigenheiten wie z. B. seine Tragfähigkeit oder sein Setzungsverhalten zu geben und Erkenntnisse zum Grundwasservorkommen sowie der ggf. benötigten Bodenverbesserung zu liefern. Auch die Beklagte hat durch ihren Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass es nicht Auftrag des Geologen ist, die Kampfmittelfreiheit zu untersuchen.

Soweit zur Erstellung des Baugrundgutachtens 30 Rammkernsondierungsbohrungen auf der kompletten Fläche durchgeführt worden sind, konnte die Beklagte aber weder annehmen, dass vor den Rammkernsondierungsbohrungen eine Kampfmittelüberprüfung stattgefunden hatte, noch dass bei den Rammkernsondierungsbohrungen Blindgänger aufgefallen wären, da Kampfmittel –weil sie in der Regel ferromagnetisch sind – mittels Magnetometern (vgl. Ziffer 5 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen) durch Oberflächen- oder Bohrlochdetektion oder Tiefensondierung, nicht aber durch Rammkernsondierungsbohrungen ermittelt werden. Dass anlässlich der Rammkernsondierungsbohrungen keine Detonation ausgelöst worden ist, bietet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass deswegen von einer Kampfmittelfreiheit auszugehen ist, da es ebenso denkbar ist, dass zwar Kampfmittel vorhanden sind, aber aufgrund eines glücklichen Zufalls die durch die Rammkernsondierungsbohrungen bewirkten Erschütterungen nicht zur Detonation geführt haben.

(d)

Dass die Klägerin das Altgebäude samt Keller hatte abreißen lassen, war für die Beklagte ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftig dafür, dass zuvor eine Kampfmittelüberprüfung stattgefunden haben könnte.

Hierbei kann dahinstehen, ob für den Abbruch nach Ziffer 4 der Richtlinie kein Nachweis erforderlich war. § 16 Abs. 1 BauO NRW a.F. verlangt, dass Grundstücke für bauliche Anlagen geeignet sein müssen. Da es gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW a.F. für die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung, und den Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW a.F. der Baugenehmigung bedarf, kommt es allein darauf an, ob mit dem Abbruch ein Erd- oder Bodeneingriff, also eine Maßnahme, bei der in den Boden eingegriffen werden soll, vorliegt. Die Beklagte hat unwidersprochen behauptet, auf dem kompletten Baugelände seien umfangreiche Erd- und Kanalbauarbeiten durchgeführt, das Grundstück in einer Tiefe von 1 m bearbeitet, der Boden ausgetauscht und der neu eingebaute Boden mit schwerem Gerät auf die erforderliche Tragfähigkeit verdichtet worden. Auch seien Kanäle um jeden der 4 Blöcke mit einer Tiefe von ca. 1,3 m erstellt, verfüllt und verdichtet worden.

Ist zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen, dass vor der Ausführung der Abbrucharbeiten der Nachweis der Kampfmittelfreiheit hätte geführt werden müssen, war für die Beklagte jedenfalls unklar, ob eine Überprüfung tatsächlich stattgefunden hat, was erst recht gilt, wenn sie nach eigenem Vortrag die Abbrucharbeiten weder planerisch noch bauüberwachend begleitet hat. Dass bei den vorangehenden Abbrucharbeiten nichts passiert ist, schließt eine Kampfmittelbelastung nicht aus, sondern kann allein einer glücklichen Fügung geschuldet sein.

Gleiches gilt sinngemäß für die in der Vergangenheit nach 1945 und insbesondere im Jahre 1972 ausgeführten Baumaßnahmen auf dem Grundstück, da die hierbei bewirkten Erschütterungen auch aufgrund eines glücklichen Zufalls nicht zur Detonation im Erdboden verbliebener, aber unentdeckt gebliebener Kampfmittel geführt haben könnten.

(e)

Überdies ist die Beklagte auch nach eigenem Vortrag nicht davon ausgegangen, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit geklärt war.

Denn ihr Projektleiter, der Zeuge G, soll nach bestrittenem Vortrag der Beklagten bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Streithelferin, der Zeugin E, telefonisch nachgefragt haben. Eine solche Nachfrage wäre indes entbehrlich gewesen, wenn aus Sicht der Beklagten die Frage der Kampfmittelfreiheit hinreichend geklärt gewesen wäre.

Der Zeuge G hat zudem im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung bekundet, dass sie, die Beklagte, seinerzeit vom Rohbauunternehmen H die Nachfrage erhalten habe, ob Kampfmittelfreiheit bestehe. Die Beklagte habe der Anfrage des Rohbauunternehmen sicherheitshalber nachgehen wollen, so dass er deswegen fernmündlich nachgefragt habe. Damit aber war auch aus Sicht des Zeugen G die Frage der Kampfmittelfreiheit nicht hinreichend sicher geklärt, anderenfalls es keinen Anlass für diese fernmündliche Nachfrage gegeben haben könnte.

bb)

Die Klägerin war hinsichtlich der Notwendigkeit einer Kampfmittelüberprüfung aufklärungsbedürftig.

Ein Hinweis könnte zwar entbehrlich gewesen sein, wenn die Klägerin Kenntnis von der Kampfmittelfreiheitnachweispflicht gehabt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – VII ZR 8/10 – NJW 2011, 1442; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – I-21 U 62/14 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Februar 2011 – I-23 U 218/09 – zitiert nach juris, jeweils zur Bedenkenhinweispflicht).

Eine solche Kenntnis ist indes weder dargetan, noch anderweit erkennbar. Der Parteivertreter der Klägerin, Herr I, hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen, dass der Klägerin bei dem streitgegenständlichen Objekt das Kampfmittelproblem nicht bekannt gewesen sei. Erst in den Jahren hiernach sei die Klägerin anlässlich anderer Bauvorhaben von den jeweils damit betrauten Planungsbüros „vehement“ auf die Erforderlichkeit der Stellung eines Antrags zur Kampfmittelfreiheitsüberprüfung hingewiesen worden.

Zwar hat die Klägerin das Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148-149 d.A.) erhalten. Die hierin enthaltenen Angaben waren zu den Voraussetzungen einer Kampfmittelüberprüfung aber derart wenig aussagekräftig, dass die Klägerin keine gesicherte Kenntnis von der Erforderlichkeit der Kampmittelüberprüfung haben konnte. Im Merkblatt ist lediglich die Rede von „ggf. vorhandener Kampfmittel“, deretwegen „vor Beginn der Ausschachtungsarbeiten Verbindung mit der städtischen Feuerwehr – Abteilung Vorbeugender Brandschutz…aufzunehmen“ sei. Da aber das Merkblatt keine Aussage dazu enthält, ob im Vorfeld eine Abstimmung oder gar der Nachweis der Kampfmittelfreiheit erforderlich ist, vermag der Zugang bei der Klägerin keine Kenntnis von der Kampfmittelnachweispflicht zu begründen. Ungeachtet dessen konnte die Klägerin davon ausgehen, dass sich die Beklagte um die Kampfmittelproblematik kümmern oder ihr zumindest einen Hinweis auf das Erfordernis der Kampfmittelüberprüfung erteilen würde.

cc)

Die Beklagte hat die Klägerin weder über die Relevanz der Kampfmittelüberprüfung beraten noch anderweit das Problem der Kampfmittelfreiheit hinreichend abgeklärt.

(1)

Unstreitig hat die Beklagte die Klägerin nicht auf die Erforderlichkeit der Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung hingewiesen.

(2)

Auch hat die Beklagte das Problem der Kampfmittelfreiheit vor Ausführung der Neubauarbeiten nicht hinreichend geklärt. Die Beklagte hat zwar behauptet, der Zeuge G habe bei der Zeugin E zu einem nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt angerufen und die Zeugin E habe ihm erklärt, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme steht aber fest, dass es ein derartiges Telefonat nicht gegeben hat und damit die Beklagte die Frage der Kampfmittelfreiheit nicht anderweit hinreichend geklärt hat.

Zwar hat der Zeuge G bekundet, dass es im Rahmen der Abwicklung des Bauvorhabens zwischen ihm und der Zeugin E mehrere Telefonate informeller Art zur Abklärung anstehender Fragen gegeben habe. Nachdem nach Hinweis des Rohbauunternehmens die Frage nach der Kampfmittelfreiheit „aufgepoppt“ sei, habe er bei der Bauaufsicht angerufen und dort von der Zeugin E die Erklärung erhalten, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege.

Demgegenüber hat die Zeugin E jedoch bekundet, dass sie sich zwar an ein derartiges Gespräch nicht erinnern und es sein könne, dass es ein Telefonat gegeben habe, in dem die Frage hinsichtlich Kampfmittel aufgeworfen worden sei. Aber sie könne hierzu in einem Telefonat gar keine Aussage machen, so dass sie diesbezüglich keine Auskünfte erteile. Sie verfahre in dieser Weise in den letzten 30 Jahren, in denen sie bei der Streithelferin beschäftigt sei. Wenn sie also jemand anrufe, dann verweise sie den Anrufer an die Feuerwehr. Mehr könne sie hierzu nicht sagen, weil ihr kein Verzeichnis oder Ähnliches vorliege, anhand derer sie eine Kampfmittelbelastung bewerten könne. Hätte es also eine Nachfrage der Beklagten gegeben, hätte sie die Beklagte an die intern zuständige Feuerwehr verwiesen.

Der Senat folgt der glaubhaften Bekundung der Zeugin E. Sie hat zunächst einen nachvollziehbaren und damit plausiblen Grund dafür genannt, weswegen sie grundsätzlich keine entsprechenden Auskünfte am Telefon erteile. Nicht nur sei nach ihrer Aussage die Feuerwehr für die Beantwortung derartiger Fragen zuständig. Vielmehr könne sie auch gar keine verlässliche Auskunft erteilen, weil ihr überhaupt keine entsprechenden aussagekräftigen Unterlagen vorlägen. Auch vor dem Hintergrund einer engen Abstimmung zwischen den Mitarbeitern der Beklagten und ihr hätte sie eine derartige Auskunft weder erteilt noch erteilen können. Für die Richtigkeit ihrer Bekundung streitet auch, dass sie entsprechende Unsicherheiten offen zugegeben und nicht etwa in Abrede gestellt hat, dass es ein derartiges Telefonat gegeben haben kann, in dem die Beklagte die Frage der Kampfmittelbelastung gestellt hat.

Der Umstand, dass der Zeuge G bekundet hat, die Zeugin E habe ihm erklärt, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege, streitet nicht gegen die inhaltliche Richtigkeit ihrer Aussage. Denn die Aussage des Zeugen G weist Plausibilitätsdefizite auf. Nach der Bekundung des Zeugen G sei die Frage der Kampfmittelfreiheit erst aufgrund der Nachfrage des Rohbauunternehmens „aufgepoppt“, weswegen sich die Beklagte veranlasst gesehen habe „sicherheitshalber“ bei der Bauaufsicht nachzufragen. Ist die Beklagte jedoch bis zur Nachfrage des Rohbauunternehmen nach eigenem Vortrag davon ausgegangen, dass entweder keine Kampfmittelproblematik vorliegt oder aber die Frage der Kampfmittelfreiheit bereits geklärt war, ist unplausibel, weswegen sie dann dem Rohbauunternehmen nicht ihre entsprechende Erkenntnis mitgeteilt, sondern – aus ihrer Sicht in unnötiger Weise – weitere Ermittlungen angestellt haben will. Insofern hätte es nahegelegen, dass die Beklagte dem Rohbauunternehmen mitgeteilt hätte, dass die Frage der Kampfmittelfreiheit geklärt war bzw. keine Kampfmittelproblematik vorlag. Denn der Zeuge G hat ausgesagt, dass für ihn die Frage der Kampfmittelfreiheit „eh klar“ gewesen sei. Warum trotz dieser bestehenden Klarheit, dass keine Kampfmittelproblematik gegeben war, gleichwohl weiterer Handlungsbedarf bei der Beklagten gesehen worden ist, erschließt sich mithin nicht. Überdies erscheint wenig nachvollziehbar, dass die Beantwortung der Anfrage des Rohbauunternehmen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es weitere Anfragen hinsichtlich anderer Umstände gegeben hatte – nicht dokumentiert worden ist. Ein Vermerk hinsichtlich des Telefonats ist nach Bekundung des Zeugen G nicht gefertigt worden. Unterlagen, aus denen sich die Beantwortung der Frage nach der Kampfmittelfreiheit ergeben konnte, soll es nach Aussage des Zeugen G nicht geben. Dass also das Rohbauunternehmen gerade vor dem Hintergrund des Umfangs des Bauvorhabens auf eine schriftliche Beantwortung der gestellten Frage nach der Kampfmittelfreiheit verzichtet haben könnte, erscheint kaum lebensnah.

Allein der Umstand, dass es sich bei der Zeugin E um eine Mitarbeiterin der Streithelferin handelt, streitet nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin E.

Da mithin aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme feststeht, dass die Beklagte gerade nicht bei der Zeugin E und damit dem Bauordnungsamt hinsichtlich der Kampfmittelproblematik nachgefragt hat, steht ebenfalls fest, dass die Beklagte die Kampfmittelfreiheit nicht hinreichend abgeklärt hat. Insofern kann auch dahinstehen, ob der von der Beklagten behauptete Anruf überhaupt ausreichend gewesen wäre, um anzunehmen, dass die Beklagte nicht pflichtwidrig oder jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt haben könnte. Da feststeht, dass sich die Beklagte gerade nicht bei der Zeugen E nach der Kampfmittelfreiheit erkundigt hat, bleibt es bei der Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens und dabei, dass sie den ihr nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Beweis (vgl. Lorenz, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, Stand: 01.02.2021, § 280 BGB Rn. 78) des Nichtvertretenmüssens nicht erbracht hat.

b)

Das Unterlassen der Antragstellung bzw. des an die Klägerin zu erteilenden Hinweises auf die Kampfproblematik ist auch schadensursächlich geworden.

aa)

Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin, wenn sie ordnungsgemäß von der Beklagten auf die Pflicht nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW zum Nachweis der Kampfmittelfreiheit hingewiesen worden wäre, einen Antrag auf Kampfmittelüberprüfung vor Beginn der eigentlichen Arbeiten zur Errichtung des Neubaus gestellt hätte. Da die Beklagte eine Hinweispflicht verletzt hat, muss sie darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem Rat nicht gefolgt wäre, sie also keinen Antrag auf Kampfmittelüberprüfung gestellt hätte, so dass es ebenfalls zu dem Schaden gekommen wäre. An einer solchen Darlegung fehlt es. Zudem streitet eine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens für die Klägerin (vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 280 Rn. 149), so dass davon auszugehen ist, dass die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf Überprüfung gestellt hätte, zumal angesichts des erheblichen Umfangs der Neubaumaßnahmen nicht ernsthaft angenommen werden kann, dass die Klägerin das Risiko eingegangen wäre, ohne Abklärung der Kampfmittelproblematik die Gebäude zu errichten und damit die – sich letztlich tatsächlich realisierte – Gefahr in Kauf zu nehmen, im Nachhinein Gebäude teilweise abreißen oder jedenfalls nur mit erheblichem zusätzlichen Aufwand die Kampfmittelüberprüfung durchführen lassen zu können.

Hätte die Beklagte alternativ statt des gebotenen Hinweises selbst den Antrag gestellt, so wäre eine Kampfmittelüberprüfung vor Beginn der Neubauarbeiten erfolgt. Vor diesem Hintergrund kann der Senat es dahinstehen lassen, ob die unterlassene Antragstellung durch die Beklagte oder die unterlassene Hinweiserteilung sich schadensursächlich ausgewirkt hat, weil in beiden Fällen der Schaden adäquat kausal verursacht worden wäre.

Wäre entweder aufgrund des gebotenen Hinweises der Beklagten ein Antrag durch die Klägerin auf Kampfmittelüberprüfung bei der zuständigen Ordnungsbehörde gestellt worden oder aber ein Antrag durch die Beklagte selbst eingereicht worden, hätte die bei der Streithelferin zuständige Abteilung die Angelegenheit an die Bezirksregierung Arnsberg weitergeleitet. Der Einwand der Beklagten, dass im Falle der Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung gerade keine Weiterleitung an die Bezirksregierung Arnsberg erfolgt wäre, verfängt angesichts der feststehenden Umstände nicht. Im Falle einer Antragstellung wäre zunächst die Feuerwehr der Streithelferin mit der Angelegenheit befasst worden. Beachtlich ist hierbei, dass die Feuerwehr, die die Streithelferin gemäß §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz 2 Feuerschutzhilfeleistungsgesetz (FSHG) in der vom 21.02.2004 bis 31.12.2015 geltenden Fassung zu unterhalten hatte, zwar auch Aufgaben der Gefahrenabwehr erfüllte, in Nordrhein-Westfalen indes keine (Sonder-)Ordnungsbehörde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.05.2010 – 11 U 304/09 – BeckRS 2010, 16648; OLG Hamm, Urteil vom 15.06.1988 – 11 U 295/87 – BeckRS 2015, 19436), sondern lediglich eine Untergliederung der Ordnungsbehörde, also der Streithelferin, ist. Insofern wäre ein entsprechender Antrag intern an die Feuerwehr weitergeleitet worden, die dann die Bezirksregierung Arnsberg eingeschaltet hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die Streithelferin es gleichwohl unterlassen hätte, auf einen entsprechend gestellten Antrag hin die Bezirksregierung Arnsberg einzuschalten, sind weder erkennbar noch dargetan. Insbesondere hat die Zeugin E bekundet, dass der intern zuständigen Feuerwehr zwar auch Luftbildaufnahmen vorlägen; indes liege der Feuerwehr nur ein Teil der Luftbildaufnahmen vor, so dass die Feuerwehr gerade wegen des Umstandes, dass ihr nicht sämtliche Luftbildaufnahmen vorliegen, ohne Einschaltung der Bezirksregierung Arnsberg überhaupt nicht verlässlich beurteilen konnte, ob sich ein Blindgängerverdachtspunkt ergeben könnte.

bb)

Soweit die Beklagte behauptet, dass selbst dann, wenn sie sich direkt an die Feuerwehr gewandt hätte, ihr die Feuerwehr die Auskunft erteilt hätte, dass keine Kampfmittelverdachtsfläche vorliege, unterstellt die Beklagte, dass die Feuerwehr ihr eine falsche Auskunft gegeben hätte. Hierfür sind indes keinerlei Umstände erkennbar oder dargetan, zumal aufgrund bestehenden Gesetzesbindung der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3 GG, gerade nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass die Feuerwehr entgegen ihrer Pflicht zur Erteilung einer richtigen Auskunft eine falsche Auskunft erteilt hätte. Denn wie bereits ausgeführt, lag der Feuerwehr nur ein Teil der Luftbildaufnahmen vor, so dass die Annahme, die Feuerwehr hätte gleichwohl auf einer erkannt unsicheren Auswertungsgrundlage eine verbindliche, aber im Ergebnis unzutreffende Auskunft erteilt, einer tragfähigen Grundlage entbehrt.

cc)

Nach der eingeholten amtlichen Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg (Bl. 163-164 d.A.) steht fest, dass bei einer entsprechenden Antragstellung auf Kampfmittelüberprüfung eine Luftbildauswertung vorgenommen worden und auch im Jahre 2012 ein entsprechender Blindgängerverdachtspunkt aufgefallen und das Grundstück deshalb als Verdachtsfläche eingestuft worden wäre. Soweit die Beklagte einwendet, dass auch bei einem rechtzeitigen Hinweis und Stellung eines Antrags auf Kampfmittelüberprüfung angesichts des seinerzeitigen Standes der Technik entsprechende Erkenntnisse oder Hinweise auf eine Kriegsbeeinflussung aus dem 2. Weltkrieg im Zeitpunkt der Planung ohnehin nicht vorgelegen hätten, ist dies durch den Inhalt der amtlichen Auskunft vom 21.11.2019 (Bl. 163-164 d.A.) widerlegt, da sich hiernach die Auswertemethodik und die Qualität der Bilder seit 2012 nicht verändert hätten. Dann aber wären bei entsprechender Antragstellung vor dem Baubeginn entsprechende Sondierungsmaßnahmen veranlasst worden.

c)

Zutreffend hat das Landgericht auch einen Schaden bejaht. Wie bereits ausgeführt, tragen der Bund und die Länder nach Ziffer 2 des Runderlasses des Innenministeriums – 75-54.01- vom 09.11.2007 (Kampfmittelbeseitigung, Erstattung der anfallenden Kosten) in Verbindung mit §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AKG, 1004 BGB nur die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung. Alle die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen werden von § 19 Abs. 2 Ziff. 1 AKG nicht erfasst, sondern sind nach den Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes NRW in Verbindung mit § 1004 BGB vom Grundstückeigentümer auf dessen Kosten zu erledigen. Bezugsebene für die Bewertung der Kampfmittelbelastung nach Ziffer 2 Satz 10 der Technischen Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen ist die Geländeoberkante zum 08.05.1945, woraus folgt, dass zwar diejenigen Kosten, die dadurch entstanden sind oder entstehen, dass nach den Abbrucharbeiten das Gelände über der Bezugsebene entsprechend verfüllt oder verdichtet worden ist, nicht von der Beklagten zu tragen sind. Ersatzfähig sind indes diejenigen Mehrkosten, die gerade dadurch entstanden sind oder entstehen, dass vor dem Beginn der eigentlichen Bauarbeiten kein Antrag auf Kampfmittelüberprüfung gestellt worden ist und deswegen Gebäude entweder teilweise rückgebaut werden müssen oder aber aufgrund der nunmehr bestehenden Bebauung nur mit erheblichem zusätzlichem Aufwand Kampfmittelüberprüfungsarbeiten möglich sind.

d)

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin im Sinne des § 254 BGB ist nicht gegeben.

aa)

Soweit die Beklagte meint, ein Mitverschulden der Klägerin sei deswegen anzunehmen, weil sie vor Vornahme der Abbrucharbeiten verpflichtet gewesen sei, einen entsprechenden Antrag auf Kampfmittelüberprüfung zu stellen, ist beachtlich, dass die Klägerin mit ihren Abbrucharbeiten einen Zustand geschaffen hat, bei dem der Kampfmittelbeseitigungsdienst sogar in deutlich leichterer Weise die Bodensondierung hätte durchführen können. Denn durch den Abriss der vorhandenen Bebauung ist der Zugang zur maßgeblichen Bezugsebene für die Bewertung der Kampfmittelbelastung deutlich erleichtert worden. Erst infolge der Neubebauung ohne vorherige Abklärung der Kampfmittelbelastung ist der Zugang zur Bezugsebene durch die Bebauung erheblich erschwert worden und kann nur noch durch aufwändige Maßnahmen wieder gewährleistet werden, wobei dahinstehen kann, ob ein Abriss des auf dem Blindgängerverdachtspunkt aufstehenden Gebäudes oder ein großräumiger Aufbruch der Bodenplatte des Gebäudes erforderlich sein wird oder aber eine seitliche Ausschachtung neben dem Gebäude mit einer horizontalen Beprobung sich als ausreichend erweisen sollte.

bb)

Ein Mitverschulden kann auch nicht damit begründet werden, dass die Klägerin es nach bestrittenem Vortrag der Beklagten unterlassen hätte, der Beklagten das Merkblatt (Anlage E1, Bl. 148 f. d.A.) zu übermitteln. Wie bereits ausgeführt, war hierin zwar ein allgemeiner Hinweis zu Kampfmittelüberprüfung enthalten; die Angaben zur Erforderlichkeit und Voraussetzungen einer Kampfmittelüberprüfung waren indes – wie bereits gezeigt – wenig aussagekräftig und hätten die Beklagte nicht zwingend auf die Erforderlichkeit einer Kampfmittelüberprüfung hingewiesen.

5.

Der Hilfsantrag der Beklagten auf Aufhebung und Zurückverweisung ist unbegründet. Als wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommen insbesondere Verstöße gegen 286 ZPO in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Februar 2020 – 13 UF 127/17 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Mai 2019 – 2 U 66/18 – zitiert nach juris). Hier ist das Vorbringen der Beklagten so zu verstehen, dass sie meint, das Landgericht habe in vorweggenommener Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des Fehlens entsprechender Vermerke vom behaupteten Gespräch mit der Zeugin E festgestellt, dass es dieses Gespräch nicht gegeben habe. Ob bei unterstellter Richtigkeit des Vortrags der Beklagten von einem Verfahrensfehler auszugehen wäre, ist zweifelhaft, da das Landgericht gerade nicht unterstellt hat, dass es dieses Telefonat nicht gegeben habe, sondern das genaue Gegenteil. Es hat ausdrücklich ausgeführt, dass – den streitigen Anruf als erfolgt unterstellt – die Beklagte ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, weil sie bei der Feuerwehr hätte anrufen müssen. Indes kann dies dahinstehen, da keine aufwändige Beweisaufnahme droht, da vorliegend lediglich zwei Zeugen zu vernehmen waren.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil hat keine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Kurz beleuchtet – Außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers

Kurz beleuchtet - Außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers

Nach bislang richterrechtlich geprägten Grundsätzen, die zwischenzeitlich. Eingang in die seit dem 1. Januar 2018 geltende, hier gemäß Art. 229 § 39 EGBGB noch nicht unmittelbar anwendbare Vorschrift des § 648a BGB gefunden haben, besteht in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 314 BGB ein – eine Vergütungspflicht für nicht erbrachte Leistungen ausschließendes – außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers, wenn der Werkunternehmer Vertragspflichten derart verletzt, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (vgl. nur BGH, NJW 2016, 1945 [1949], Rdnr. 40 mit weiteren Nachweisen; beispielhaft aus dem Schrifttum Joussen/Vygen in: Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Aufl. 2020, vor §§ 8, 9 VOB/B Rdnr. 14).

Unabhängig von § 8 Abs. 3 VOB/B ist der Auftraggeber also nur dann berechtigt, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Vertragspflichten in dem vorbezeichneten Sinn gravierend verletzt.

Ein solcher Sachverhalt kann auch gegeben sein, wenn es zu einer vom Auftragnehmer zu vertretenden ganz beträchtlichen Verzögerung des Bauvorhabens gekommen ist und es dem Auftraggeber bei der gebotenen Gesamtwürdigung nicht zugemutet werden kann, eine weitere Verzögerung durch Nachfristsetzung hinzunehmen oder eine solche von vornherein keinen Erfolg verspricht (BGH, Urteil vom 08. März 2012 –VII ZR 118/10). Eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung ist in Fällen der schwerwiegenden Vertragsverletzung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). Eine fristlose Kündigung ohne Nachfristsetzung ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Auftragnehmer trotz Abmahnungen des Auftraggebers mehrfach und nachhaltig gegen eine Vertragspflicht verstößt und wenn das Verhalten des Auftragnehmers ein hinreichender Anlass für die Annahme ist, dass der Auftragnehmer sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 –VII ZR 140/95). Insbesondere ist der Auftraggeber berechtigt, einen Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags unberechtigt und endgültig verweigert und es deshalb der vertragstreuen Partei nicht zumutbar ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98).

Kurz beleuchtet – Zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung

Kurz beleuchtet - Zur Prüffähigkeit der Schlussrechnung

Prüfbar i. S. d. § 14 Nr. 1 VOB/B ist die Rechnung, wenn sie – ggf. unter Beifügung von Aufmaßen und anderen Unterlagen – nachvollziehbar angibt, welche Massen der Auftragnehmer für welche Positionen berechnet, welche Leistungen mit diesen Positionen gemeint sind und welcher Einheitspreis für sie angesetzt wird. Eine prüffähige Abrechnung setzt voraus, dass der Besteller die Berechtigung der Forderung, gemessen an den vertraglichen Vereinbarungen, überprüfen kann. Die Voraussetzungen, unter denen diese Prüfung möglich ist, hängen von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999, Az. VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867 [1868]). In vielen Fällen sind Aufmaßzeichnungen erforderlich, um dem Auftraggeber die Feststellung zu ermöglichen, worauf sich bestimmte Aufmaßblätter bzw. Aufmaßberechnungen beziehen (vgl. KG, Urteil vom 9. Juni 2009, Az. 21 U 182/0). Die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ist aber kein Selbstzweck, sondern richtet sich danach, in welchem Umfang der Besteller im Einzelfall des Schutzes nach § 14 Nr. 1 VOB/B bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2005, Az. X ZR 191/02, NJW-RR 2005, 1103). Außerdem ist der Teil der Forderung fällig, der prüfbar abgerechnet ist und der nach Abzug der Abschlags- und Vorauszahlungen verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003, Az. VII ZR 288/02, NJW-RR 2004, 445 [446]).

VK Südbayern, Beschluss vom 19.10.2023 3194.Z3-3_01-23-20, zu der Frage, dass auch bei einer Dienstleistungskonzession bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten die Gefahr bestehen kann, dass der Konzessionsnehmer zu den von ihm angebotenen Konditionen die Leistung nur unzureichend erbringt oder zusätzliche Leistungen des Konzessionsgebers fordert

VK Südbayern, Beschluss vom 19.10.2023 3194.Z3-3_01-23-20, zu der Frage, dass auch bei einer Dienstleistungskonzession bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten die Gefahr bestehen kann, dass der Konzessionsnehmer zu den von ihm angebotenen Konditionen die Leistung nur unzureichend erbringt oder zusätzliche Leistungen des Konzessionsgebers fordert

1. Eine Rügepräklusion hinsichtlich der Wahl der falschen Verfahrensart kommt nicht in Betracht, wenn in den Vergabeunterlagen zwar Informationen zur Verfahrenswahl enthalten sind, diese jedoch nicht geeignet sind, der Antragstellerin eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichende Grundlage zu vermitteln, einen Vergaberechtsverstoß betreffend die Wahl der Verfahrensart zu rügen. Um einschätzen zu können, ob der öffentliche Auftraggeber die richtige Verfahrensart gewählt hat, ob insbesondere eine Dienstleistungskonzession in Abgrenzung zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages vorliegt, bedarf es weitergehender Informationen, als dass gegebenenfalls Zuschusszahlungen notwendig werden, sowie der Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen, die den Auftraggeber zu seiner Entscheidung für einen Dienstleistungsauftrag bewogen haben. Fehlen diese, kommt eine Rügepräklusion nicht in Betracht.
2. Es bedarf vor Ausschreibung eines Vergabeverfahrens einer klaren Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers und entsprechenden Ausgestaltung der Vergabeunterlagen auf der Grundlage eines Dienstleistungsauftrages oder einer Dienstleistungskonzession.
3. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit kann eine Überprüfung eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes auch im Rahmen einer Vergabe einer Dienstleistungskonzession gebieten, da auch hier die Gefahr einer letztlich unwirtschaftlichen Beschaffung für den öffentlichen Auftraggeber besteht. Auch bei einer Dienstleistungskonzession kann bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten die Gefahr bestehen, dass der Konzessionsnehmer zu den von ihm angebotenen Konditionen die Leistung nur unzureichend erbringt oder zusätzliche Leistungen des Konzessionsgebers fordert.
4. Der in §
12 Abs. 1 KonzVgV enthaltene Grundsatz der freien Verfahrensgestaltung räumt dem öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit ein, sich ein Recht zur Prüfung der Auskömmlichkeit in entsprechender Anwendung der Regelungen des § 60 VgV in den Vergabeunterlagen vorzubehalten, von dem er dann nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch machen kann.*)
VK Südbayern, Beschluss vom 19.10.2023 – 3194.Z3-3_01-23-20

Gründe:

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 03.06.2020, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter 2020/S …, schrieb die Antragsgegnerin einen Dienstleistungsauftrag über die Errichtung und den Betrieb von Ladeeinrichtungen im öffentlichen Raum (AC- und DC-Ladeeinrichtungen) im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus.

In Abschnitt II.2.4) der Bekanntmachung teilte die Antragsgegnerin folgendes mit:

[…] “Maßstab für die Ausschreibung sind dabei die Vorgaben zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach der Vergabeverordnung (VgV). Dies liegt daran, dass nach Abschluss der Markterkundungsgespräche nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Zahlung der … M… erforderlich wird. Dann kann die zu vergebende Leistung als ein öffentlicher Auftrag (und nicht als Konzession) zu bewerten sein, weil die … M… der obsiegenden Bieterin bzw. dem obsiegenden Bieter einen (ggf. überwiegenden Teil) des wirtschaftlichen Risikos abnimmt. Das Verhandlungsverfahren unterliegt bei der Annahme eines öffentlichen Auftrags höheren Anforderungen als bei einer Konzessionsvergabe.” […]

Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem die Aufforderung zum finalen Angebot vom 20.07.2022. Dies enthielt folgende Formulierungen:

[…] “Ein Zuschuss für die Errichtung und den Betrieb der Ladeinfrastruktur durch die … bleibt optional weiter möglich. (…) Bei der Auftragsbekanntmachung strebte die … M… an, dass für den Auftrag keine Vergütung der Auftraggeberin an die künftige Betreiberin bzw. den künftigen Betreiber gezahlt wird, sondern dass durch die exklusive Zurverfügungstellung des öffentlichen Raumes für den Betrieb der Ladeeinrichtungen ein tragfähiges Geschäftsmodell entsteht. Gleichwohl besteht die Möglichkeit der Zahlung einer Vergütung, soweit diese aus Sicht der künftigen Betreiberin bzw. des künftigen Betreibers notwendig sein sollte. Zur Deckung der Zuschüsse sollten die Fördermittel genutzt werden, die nun nicht mehr zur Verfügung stehen; daneben sicherte die Auftraggeberin sich für diesen Fall weitere Mittel. Soweit die Vergütung durch die Auftraggeberin weniger als 1 Mio. Euro beträgt, bedarf es zum Zuschlag nur einer förmlichen Entscheidung des Stadtrats der … M…. Der hierfür notwendige Prozess wird voraussichtlich innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden können. Soweit der Zuschussbedarf mehr als 1 Mio. Euro beträgt, müssen zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Wie bereits in den Bietergesprächen erläutert, muss der Stadtrat der … M… dann sowohl mit der Höhe des Zuschussbedarfs als auch mit der Entscheidung über den Zuschlag befasst werden. In diesem Fall wird der Zuschlag voraussichtlich erst im 4. Quartal 2022 erteilt werden können.” […]

Die Antragstellerin reichte innerhalb der auf den 21.09.2022 festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein.

Am 05.10.2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sich bei dem Angebot der Antragstellerin ein Aufklärungsbedarf ergeben habe. Sie fragte an, ob das Angebot der Antragstellerin so verstanden werden könne, dass jegliche Zahlungen der Antragsgegnerin in Form eines Betreiberentgeltes an die Antragstellerin ausgeschlossen seien und es zutreffend sei, dass das Betreiberentgelt höchstens null Euro betrage bzw. unter den von der Antragstellerin geschilderten Voraussetzungen ab dem 3. Vertragsjahr an AC-Ladeeinrichtungen auch negativ sein könne. Die Antragstellerin bejahte beide Fragestellungen noch am selben Tag.

Am 23.11.2022 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin um weitere Aufklärung ihres Angebotes. Sie teilte mit, dass sich bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise das Angebot der Antragstellerin als ungewöhnlich niedrig i.S.d. § 60 VgV darstelle und sie daher verpflichtet sei, den Angebotspreis aufzuklären. Hierzu lud die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einem Aufklärungsgespräch ein und teilte ihr im Vorfeld den Gegenstand der Aufklärung mit. Die Antragsgegnerin bat um Erläuterung der aufgeworfenen Aspekte im Rahmen des Aufklärungsgespräches sowie um Zusendung einer schriftlichen Stellungnahme im Anschluss an das Gespräch. Das Aufklärungsgespräch fand am 29.11.2022 statt. Mit Schreiben vom 01.12.2022 reichte die Antragstellerin zwei Stellungnahmen der Mitglieder der Bietergemeinschaft ein. Mit Schreiben vom 05.12.2022 teilte die Antragsgegnerin mit, dass die Stellungnahmen der Antragstellerin nur zum Teil die geforderten Informationen enthielten. Sie wies darauf hin, dass Ausführungen zur DC-Ladeinfrastruktur vollständig fehlten. Zudem wies sie auf weitere aufklärungsbedürftige Punkte hin. Mit Schreiben vom 07.12.2022 reichte die Antragstellerin eine Stellungnahme zum Aufklärungsersuchen ein. Am 14.12.2022 erfolgte dann ein weiteres Aufklärungsersuchen von Seiten der Antragsgegnerin, in dem die Antragsgegnerin die ihrer Auffassung nach weiter aufklärungsbedürftigen Punkte darlegte und um weitere Aufklärung bat. Am 16. und 17.12.2022 gingen die Stellungnahmen der Antragstellerin auf das Aufklärungsersuchen bei der Antragsgegnerin ein.

Nach einer wirtschaftlichen und rechtlichen Prüfung durch die von der Antragsgegnerin beauftragten Wirtschaftsprüfer am 26.01.2023 und 02.02.2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.03.2023 mit, dass ihr Angebot nach § 60 Abs. 3 S. 1 VgV von der Wertung ausgeschlossen werden müsse, da der ungewöhnlich niedrige Preis nicht aufgeklärt werden konnte. Zudem begründete sie ihre Entscheidung.

Mit Schreiben vom 18.03.2023 beanstandete die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes durch die Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig und begründete ihre Rüge.

Mit Schreiben vom 27.03.2023 antwortete die Antragsgegnerin der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.04.2023 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die Antragstellerin wendet sich gegen den Ausschluss ihres Angebots aus dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren. Sie führt aus, dass der Ausschluss vergaberechtswidrig sei, weil die Voraussetzungen, unter denen § 60 Abs. 3 S. 1 VgV einen solchen Ausschluss zulasse, nicht vorlägen bzw. jedenfalls aufgrund der zweigliedrigen Bietergemeinschaft eine Sonderkonstellation gegeben sei, in der das gebundene Ermessen der Antragsgegnerin gegen den Ausschluss spreche. Es sei bereits fraglich, ob die Voraussetzungen einer Aufklärung nach § 60 Abs. 1 VgV gegeben seien. Die Antragsgegnerin stütze sich auf einen ungenügenden Vergleichsmaßstab, indem sie lediglich darauf abstelle, dass die Antragstellerin kein Errichtungs- und/oder Betreiberentgelt von der Antragsgegnerin verlange, ohne den Gesamtrahmen des Auftrages in den Vergleich mit einzubeziehen. Selbst wenn man das Erreichen der Aufgreifschwelle unterstelle, habe die Antragstellerin die Kalkulation ihrer Angebote genügend erläutert und belegt, um der Antragsgegnerin eine Prüfung hinsichtlich der in § 60 Abs. 2 Satz 2 VgV genannten Punkte ebenso zu ermöglichen, wie die Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes als solchem. Auch, soweit die Antragsgegnerin meine, dass Zweifel an der Auskömmlichkeit bestünden, lege sie solche nicht auf der Basis der von der Antragstellerin (bzw. ihrer beiden Mitglieder) vorgelegten Kalkulationen dar, sondern ziehe lediglich deren Verlässlichkeit bzw. die den Kalkulationen zugrundeliegenden Ansätze und Prognosen in Zweifel. In sich seien die Kalkulationen jedoch schlüssig bzw. brächte die Antragsgegnerin keine Schlüssigkeitsbedenken vor. Die Antragsgegnerin werfe der Antragstellerin gleichwohl vor, unzureichend an der Aufklärung mitgewirkt zu haben. Die Antragsgegnerin moniere dabei insbesondere Unterschiede zwischen den Darlegungen und vermeintliche Inkonsistenzen, die für sie Zweifel an der Verlässlichkeit der Darlegungen und Kalkulation begründen. Sie habe im Laufe der Bemühungen der Parteien um eine Klärung jedoch immer wieder nur neue vermeintliche Inkonsistenzen aufgeworfen, ohne jemals konkret festzustellen, dass sich die Angebotshöhe nicht erklären lasse. Die Antragsgegnerin vermeide eine inhaltliche Entscheidung mit formalistischen Argumenten. Auch könnten der Antragstellerin nicht Abweichungen zwischen den Kalkulationen ihrer Mitglieder vorgehalten werden, so lange die Antragsgegnerin keine allgemeinen Kalkulationsvorgaben mache und eine mehrjährige Prognose mit einer Vielzahl variabler Faktoren gefordert sei. Die Antragsgegnerin lege einen unzutreffenden Maßstab an ihre eigene Überzeugungsbildung und in der Folge an die vermeintlichen Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten der Antragstellerin und der Mitglieder der Antragstellerin an. Sie müsse eine objektiv nachvollziehbare Erklärung und Darlegung ausreichen lassen, auch wenn sie sich ggf. selbst nicht überzeugt sehe. Die Antragsgegnerin scheine die Vorgabe in § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV, dass sie das Angebot ablehnen darf, wenn sich die Höhe “nicht zufriedenstellend aufklären” lässt, jedoch als subjektiven Freibrief für jegliche Art von Zweifel misszuverstehen. Die Antragsgegnerin berücksichtige in ihrer Bewertung der Angaben der Antragstellerin nicht die Ungewissheiten der den Kalkulationen zugrundeliegenden tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die Prognoseentscheidungen erforderten, die nicht abschließend richtig oder falsch seien. Außerdem müssten sie dem Umstand Rechnung tragen, dass das wirtschaftliche Umfeld für die ausgeschriebenen Leistungen in einem dynamischen Wandel begriffen sei, der sich auf die Grundlagen der Prognoseentscheidungen auswirke und im Laufe des Verhandlungsverfahrens zu Anpassungen der Kalkulationen und der zugrundeliegenden Parameter führe. Die Antragsgegnerin müsse auch die Tatsache berücksichtigen, dass die Antragstellerin eine Bietergemeinschaft aus zwei erfahrenen Marktteilnehmern mit vielfältigen Referenzen sei, die jeweils beide in der Lage seien, die angebotenen Leistungen zu erbringen und hierfür jeweils einzustehen, sodass an der Nachhaltigkeit des Angebots objektiv keine Zweifel bestehen könnten. Zudem hätte sie den Umstand beachten müssen, dass das Vergabeverfahren sich seit nunmehr mehr als 2 ½ Jahren ziehe, was gerade in dem dynamischen Umfeld zu erheblichen Änderungen führe.

Die Antragstellerin beantragt

1. Es wird festgestellt, dass der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren rechtswidrig ist.

2. Das Vergabeverfahren wird in den Zustand unmittelbar vor der Ausschlussentscheidung am 09.03.2023 zurückversetzt.

3. Die Antragstellerin wird wieder am weiteren Vergabeverfahren beteiligt.

4. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.

5. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor der Vergabekammer durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Die Antragsgegnerin beantragt

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin.

Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unbegründet sei. Der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren der Antragsgegnerin gemäß § 60 Abs. 3 S. 1 VgV sei rechtmäßig. Der Angebotspreis stelle sich als ungewöhnlich niedrig im Sinne von § 60 Abs. 1 VgV dar. Eine Überprüfung der Auskömmlichkeit des Angebots der Antragstellerin sei vorzunehmen gewesen, da die Bietergemeinschaft ein Angebot zum Preis von null Euro abgegeben habe, während das Konkurrenzangebot einen hohen Zuschussbedarf vorgesehen habe. Dadurch lägen die Gesamtpreise der konkurrierenden Angebote so erheblich auseinander, sodass Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots der Antragstellerin entstanden seien. Die Antragsgegnerin kam ihrer Aufklärungspflicht nach, indem sie die Antragstellerin aufgefordert habe, ihre Angaben zu plausibilisieren und die Preise zu erläutern. Die Antragstellerin sei jedoch nicht in der Lage, den Angebotspreis hinreichend zu erläutern, so dass die von der Bietergemeinschaft behauptete Auskömmlichkeit des Angebots wirtschaftlich und rechtlich nicht nachvollziehbar belegt worden sei. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin insgesamt drei Mal die Gelegenheit gegeben, ihre Angaben plausibel zu erklären und darzulegen und habe damit ihre vergaberechtlich vorgesehene Aufklärungspflicht übererfüllt. Insbesondere habe die Antragsgegnerin in ihrem zweiten Schreiben die konkreten Punkte deutlich gemacht, zu denen eine Stellungnahme der Antragstellerin erforderlich gewesen sei. Jedoch seien die Angaben zum Angebotspreis auch nach der dritten Stellungnahme widersprüchlich geblieben und seien während des Aufklärungsverfahrens mehrfach geändert und revidiert worden, ohne dass dafür die Gründe dargelegt wurden. Vor diesem Hintergrund sei die Preisaufklärung erfolglos geblieben, sodass die Bietergemeinschaft vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei.

Mit Schriftsatz vom 17.08.2023 trug die Antragstellerin nach erfolgter Akteneinsicht vor, dass das Vorliegen einer signifikanten Preisdifferenz von der Antragsgegnerin nicht dargelegt worden sei. Auf die Frage, ob ein Zuschuss gefordert wird oder nicht, könne sich die Antragsgegnerin nicht stützen, weil es sich hier nur um einen verhältnismäßig geringen Teil der Gesamtkosten handeln könne, die im Übrigen über die Ladeentgelte finanziert würden. Feststellungen hierzu würden jedoch fehlen. Hinzu käme, dass der Verzicht auf einen Zuschuss ein erklärtes Ziel der Antragsgegnerin gewesen und sie die Möglichkeit, dass ein Zuschuss notwendig werden könnte, nur optional mit in der Ausschreibung berücksichtigt habe, weil nicht sicher gewesen sei, ob ein zwingender Zuschussbedarf bestehen könne. Die Antragsgegnerin habe auch sonst keine Umstände festgestellt, die die Bewertung des Angebots als ungewöhnlich niedrig rechtfertigen. Marktpreise seien nach Ansicht der Antragsgegnerin nicht feststellbar bzw. nicht relevant. Es bestünde sodann nur noch ein wertungsfähiges anderes Angebot. Abweichungen zwischen den Angeboten eigneten sich nicht als Grundlage für eine Aufgreifentscheidung. In jedem Fall hätte eine Ermessensentscheidung getroffen werden müssen. Das sei nicht erfolgt, vielmehr sei die Antragsgegnerin von einem gebundenen Ermessen zum Nachteil der Antragstellerin ausgegangen. Selbst, wenn die Antragsgegnerin zur Preisprüfung berechtigt gewesen wäre, hätte das Ergebnis nicht zum Ausschluss der Antragstellerin führen können. Die Mitarbeiter der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei kämen in ihrer initialen Bewertung zur Feststellung, dass die Angebote rechnerisch auskömmlich seien. Sie hätten sodann festgestellt, dass noch Fragen – insbesondere aus den Unterschieden zwischen den Kalkulationen der Mitglieder der Antragstellerin und aus dem Verlauf der Aufklärungsgespräche geblieben seien. Dass diese Fragen geeignet seien, die Feststellung der positiven Rendite als solche in Zweifel zu ziehen, würden sie aber nicht darlegen. Eine Gefährdung der Ziele des § 60 VgV sei nicht erkennbar und hätte in der auch hier notwendigen Ermessensentscheidung zur Ablehnung (und nicht zur Bejahung) des Ausschlusses führen müssen. Vor dem Hintergrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Empfehlung der verfahrensbegleitenden Rechtsanwälte sei unklar, ob sich die Antragsgegnerin ihres Ermessens(spielraums) überhaupt bewusst gewesen sei. In der vorliegenden 1:1 Situation hätte ein Ausschluss nicht ohne eine Prüfung auch der Kalkulation der einzigen noch verbliebenen Mitbewerberin erfolgen dürfen. Hierauf stütze sich die Antragstellerin jedoch lediglich hilfsweise. Die Antragstellerin sei wieder zum Verfahren zuzulassen.

Mit Schriftsatz vom 29.08.2023 erwiderte die Antragsgegnerin auf den Schriftsatz der Antragstellerin und vertiefte ihre bisherigen Ausführungen.

Mit rechtlichen Hinweis vom 31.08.2023 teilte die Vergabekammer Südbayern mit, dass sie es nach eingehender Prüfung des Nachprüfungsantrags und der beigefügten Unterlagen für wahrscheinlich halte, dass das Vergabeverfahren keinen Dienstleistungsauftrag, sondern eine Dienstleistungskonzession darstelle. Nach der vorläufigen Rechtsauffassung der Vergabekammer trage die von der Antragsgegnerin im Vergabevermerk und in den Vergabeunterlagen angegebene Begründung für einen Dienstleistungsauftrag, nämlich, dass möglicherweise in den Verhandlungsrunden hohe Entgelte an die Betreiber zu zahlen seien, so dass kein wirtschaftliches Risiko beim Betreiber verbleibt, nicht. Die Vergabekammer sei der vorläufigen Rechtsauffassung, dass für den Betreiber der Ladeinfrastruktur auch bei einer Zuzahlung ein ausreichendes wirtschaftliches Risiko verbleibe, nämlich zumindest wie häufig und von welchen Nutzern seine Infrastruktur genutzt werde, mit welchen Mobilitätsanbietern er Verträge schließen könne und zu welchen Konditionen sowie der Preisentwicklung auf dem Strommarkt. Soweit die Antragsgegnerin ausführe, dass bei der Einleitung des Vergabeverfahrens nach der Markterkundung noch nicht klar gewesen sei, ob sich für eine Konzession genügend Marktteilnehmer finden würden oder ob in den Verhandlungsrunden sich herausstellen würde, dass so hohe Zuschüsse gezahlt werden müssten, dass es sich um einen Dienstleistungsauftrag handele, hätte die Antragsgegnerin diese Frage vorab klären müssen und Vergabereife herstellen müssen.

In der mündlichen Verhandlung vom 05.09.2023 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Die Beteiligten erhielten Schriftsatzfrist zu allen Punkten des Nachprüfungsverfahrens.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 25.09.2023 trug die Antragsgegnerin vor, dass sie zurecht ein Verfahren nach der VgV für die hiesige Ausschreibung gewählt habe. Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Verfahrenswahl, der Bekanntmachung, habe die Antragsgegnerin davon ausgehen müssen, dass sich das Verfahren nach der VgV richten müsse, da es sich bei dem Auftrag um einen öffentlichen Auftrag nach § 103 GWB handele. Die Gesamtbewertung der Umstände des Einzelfalls habe ergeben, dass zum Zeitpunkt der Bekanntmachung ein Zuschuss in erheblichem Umfang realistisch gewesen sei. Die Antragsgegnerin führte als Begründung die im Jahr 2019 erfolgten Markterkundungsgespräche und deren Ergebnisse sowie die Erfahrungen aus dem Betrieb der Bestandsladeinfrastruktur an. Die Antragsgegnerin habe sich aufgrund der Ungewissheit, ob dem künftigen Betreiber das Betriebsrisiko abgenommen werde, für das strengere Vergaberechtsregime entschieden. Dabei handele es sich um die VgV. Die Antragsgegnerin verwies in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 21.05.2008, Verg 5/08. Zudem könne die Wahl der Verfahrensart nicht mehr gerügt werden, da sie präkludiert sei. Sie vertiefte zudem ihren Vortrag im Hinblick auf den ihrer Ansicht nach rechtmäßig erfolgten Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach erfolgter Preisprüfung.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 28.09.2023 rügte die Antragstellerin die fehlerhaft gewählte Verfahrensart der Auftrags- statt der Konzessionsvergabe. Zudem rügte die Antragstellerin die Durchführung der Preisprüfung, da eine Konzessionsvergabe vorliege und die Antragsgegnerin nicht berechtigt gewesen sei, “im Zweifel” eine Auftragsvergabe nach der VgV durchzuführen. Der von der Antragsgegnerin ausgeschriebene Gegenstand stelle sich eindeutig als Konzession dar. Wie jetzt deutlich sei, hätte die Antragsgegnerin aber auch nicht “im Zweifel” eine Auftragsausschreibung vornehmen dürfen, weil sie solche “Zweifel” berechtigterweise gar nicht hätte haben können. Dieser Umstand schlage auf die von der Antragsgegnerin zu Lasten der Antragstellerin eingeleitete Preisprüfung gem. § 60 VgV durch. Die Antragstellerin vertiefte zudem ihre bisherigen Ausführungen.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1.1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV. Es kann an dieser Stelle offenbleiben, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Auftrag um einen Dienstleistungsauftrag nach § 103 Abs. 1, 4 GWB oder eine Dienstleistungskonzession nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB handelt, da jedenfalls eine der beiden Verfahrensarten gegeben ist und jedenfalls der höhere der beiden EU-Schwellenwerte, der der Konzession, nach überschlägiger Berechnung durch die Vergabekammer überschritten ist. Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107109 GWB liegt nicht vor.

1.2. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch den ihrer Ansicht nach vergaberechtswidrigen Ausschluss ihres Angebots geltend gemacht.

1.3. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 GWB entgegen. Nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Auftragsbekanntmachung (Nr. 2) bzw. aufgrund der Vergabeunterlagen (Nr. 3) erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Für die Erkennbarkeit nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB gilt ein objektiver Maßstab. Erkennbar sind Verstöße, die vom durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen bereits in tatsächlicher und in laienhaft rechtlicher Hinsicht erkannt werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2020 – Verg 33/20). Dabei ist es erforderlich, dass der geltend gemachte Fehler nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in einer rechtlichen Hinsicht erkennbar ist für den durchschnittlichen Bieter; der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes auffallen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.02.2023 – Verg 6/22.). Nach diesen Grundsätzen liegt eine Erkennbarkeit der Wahl der falschen Verfahrensart nicht vor. Der Antragsgegner hatte ausweislich der Auftragsbekanntmachung vom 03.06.2020 einen Dienstleistungsauftrag ausgeschrieben und begründete dies zwar ausweislich Ziffer II.2.4) der Bekanntmachung wie folgt: […] “Maßstab für die Ausschreibung sind dabei die Vorgaben zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach der Vergabeverordnung (VgV). Dies liegt daran, dass nach Abschluss der Markterkundungsgespräche nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Zahlung der … M… erforderlich wird. Dann kann die zu vergebende Leistung als ein öffentlicher Auftrag (und nicht als Konzession) zu bewerten sein, weil die … M… der obsiegenden Bieterin bzw. dem obsiegenden Bieter einen (ggf. überwiegenden Teil) des wirtschaftlichen Risikos abnimmt. Das Verhandlungsverfahren unterliegt bei der Annahme eines öffentlichen Auftrags höheren Anforderungen als bei einer Konzessionsvergabe.” […] Den weiteren Vergabeunterlagen war zudem in der Allgemeinen Bieterinformation vom 29.05.2020 und 19.08.2020 unter Teil 2 Auftragsgegenstand, B. Angebotsgrundlagen und -bedingungen im Einzelnen, Ziffer IV. Vergütung folgendes zu entnehmen: […] “Die … M… strebt an, dass sie keine Vergütung an die Bieterin bzw. den Bieter zahlt. Sollte sich im Verlauf der Vertragsverhandlungen zeigen, dass eine Vergütungsvereinbarung dennoch erforderlich sein sollte, wird der Vertrag zwischen einem Errichtungs- und einem Betreiberentgelt unterscheiden. Hinzu kämen Sondervergütungen für Leistungen, die zu Vertragsbeginn nicht abschließend absehbar sind.” […] Auf Seite 6 der Allgemeinen Bieterinformation vom 29.05.2020 und 19.08.2020 wurde der Hinweis aus Ziffer II.2.4) der Bekanntmachung wiederholt. Auf Seite 3 und 4 der Aufforderung zum finalen Angebot vom 20.07.2022 war darüber hinaus folgender Hinweis enthalten: […] “Bei der Auftragsbekanntmachung strebte die … M… an, dass für den Auftrag keine Vergütung der Auftraggeberin an die künftige Betreiberin bzw. den künftigen Betreiber gezahlt wird, sondern dass durch die exklusive Zurverfügungstellung des öffentlichen Raumes für den Betrieb der Ladeeinrichtungen ein tragfähiges Geschäftsmodell entsteht. Gleichwohl besteht die Möglichkeit der Zahlung einer Vergütung, soweit diese aus Sicht der künftigen Betreiberin bzw. des künftigen Betreibers notwendig sein sollte.” […] Diese in den Vergabeunterlagen enthaltenen Informationen waren jedoch nicht geeignet, der Antragstellerin eine in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ausreichende Grundlage zu vermitteln, die es ihr ermöglicht hätte, einen Vergabeverstoß betreffend die Wahl der Verfahrensart zu rügen. Um einschätzen zu können, ob der öffentliche Auftraggeber die richtige Verfahrensart gewählt hat, ob insbesondere eine Dienstleistungskonzession in Abgrenzung zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages vorliegt, bedarf es weitergehender Informationen, als dass gegebenenfalls Zuschusszahlungen notwendig werden, sowie der Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen, die den Auftraggeber zu seiner Entscheidung für einen Dienstleistungsauftrag bewogen haben. Diese Umstände sind der Antragstellerin jedoch nur teilweise und auch erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie durch Gewährung der erweiterten Akteneinsicht in die Markterkundungsgespräche offengelegt geworden. Eine Rügepräklusion kommt auf dieser Grundlage nicht in Betracht.

Zudem hat die Antragstellerin fristgerecht nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB am 11.04.2023 einen Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer gestellt, nachdem die Antragsgegnerin ihr am 27.03.2023 mitgeteilt hat, der Rüge der Antragstellerin nicht abhelfen zu wollen.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

Die Erwägungen der Antragsgegnerin, mit denen sie sich gegenwärtig für eine Ausschreibung als Dienstleistungsauftrag und die Anwendung der Vorgaben zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach der VgV entschieden hat, tragen die von der Antragsgegnerin gefundene Entscheidung hinsichtlich der Wahl der Verfahrensart nicht (dazu 2.1.). Sofern die falsche Verfahrensart gewählt wurde, geht dies nicht zwangsläufig mit einer Verletzung der Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 6 GWB einher. Das Ziel des Vergabeverfahrens besteht nicht in einer Beseitigung von Vergaberechtsverstößen von Amts wegen (Antweiler, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 168 Rn. 24). Der Vergaberechtsverstoß muss daher zu einer Rechtverletzung geführt haben, sich demzufolge ausgewirkt haben auf die Rechte des Antragstellers. Vorliegend hat sich die Wahl der Verfahrensart auf die Rechte der Antragstellerin ausgewirkt, da die vorgenommene Preisprüfung zwar grundsätzlich auch bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession für zulässig erachtet wird (dazu 2.2.), die konkret durchgeführte Preisprüfung aber vergaberechtlichen Bedenken begegnet (dazu 2.3.).

2.1. Die Entscheidung der Antragsgegnerin für die Ausschreibung als Dienstleistungsauftrag wird von den zugrundeliegenden Erwägungen nicht getragen. Die Abgrenzung einer Dienstleistungskonzession von einem Dienstleistungsauftrag ist anhand der Vorgaben in § 105 Abs. 2 GWB vorzunehmen. Eine Dienstleistungskonzession unterscheidet sich von einem Dienstleistungsauftrag dadurch, dass die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung entweder ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Ob und inwieweit der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung tatsächlich den Risiken des Marktes ausgesetzt ist und er das Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs von den Umständen des Einzelfalls ab (EuGH, Urteile vom 10.03.2011, C-274/09 -, und vom 10.11.2011, C-348/10 -; BGH, Beschluss vom 08.02.2011, X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 -). Maßgeblich ist, ob der Auftragnehmer das Betriebsrisiko vollständig oder zumindest zu einem wesentlichen Teil trägt. Unter dem Betriebsrisiko ist das Risiko zu verstehen, den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt zu sein, das sich im Risiko der Konkurrenz durch andere Wirtschaftsteilnehmer, dem Risiko eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit derjenigen, die die Bezahlung der erbrachten Dienstleistungen schulden, dem Risiko einer nicht vollständigen Deckung der Betriebsausgaben durch die Einnahmen oder dem Risiko der Haftung für einen Schaden im Zusammenhang mit einem Fehlverhalten bei der Erbringung der Dienstleistung äußern kann. Hingegen sind Risiken, die sich aus einer mangelhaften Betriebsführung oder aus Beurteilungsfehlern des Wirtschaftsteilnehmers ergeben, für die Einordnung eines Vertrags als öffentlicher Dienstleistungsauftrag oder als Dienstleistungskonzession nicht entscheidend, da diese Risiken jedem Vertrag immanent sind, gleichgültig ob es sich dabei um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder um eine Dienstleistungskonzession handelt. Die Zahlung eines Zuschusses hindert grundsätzlich nicht die Annahme einer Dienstleistungskonzession. Soll neben dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung zusätzlich ein Preis gezahlt werden, kann der Vertrag jedoch dann nicht als Dienstleistungskonzession angesehen werden, wenn die zusätzliche Vergütung oder (Aufwands-)Entschädigung ein solches Gewicht hat, dass ihr bei wertender Betrachtung kein bloßer Zuschusscharakter mehr beigemessen werden kann, sondern sich darin zeigt, dass die aus der Erbringung der Dienstleistung möglichen Einkünfte allein ein Entgelt darstellen würden, das weitab von einer äquivalenten Gegenleistung läge (EuGH, Urteile vom 10. März 2011, C-274/09 -, und vom 10. November 2011, C-348/10 -; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011, X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 -; Senatsbeschluss vom 21. Juli 2010 – Verg 19/10).

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, kann die Vergabekammer die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung, dass vorliegend ein Dienstleistungsauftrag auszuschreiben sei, anhand der vorgelegten Dokumentation der Antragsgegnerin nicht nachvollziehen.

Ausweislich der Auftragsbekanntmachung soll eine Dienstleistung ausgeschrieben werden (Ziff. II.1.3 der Bekanntmachung) und Maßstab für die Ausschreibung sollen gemäß Ziffer II.2.4 der Bekanntmachung die Vorgaben zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach der VgV sein. Diese Ausführungen finden sich ebenfalls im Vergabevermerk auf Seite 4. Dass die Antragsgegnerin im hiesigen Nachprüfungsverfahren vom Vorliegen eines Dienstleistungsauftrages ausgeht, bestätigte sie auch noch einmal im Nachprüfungsverfahren. Aus dem Vertragsentwurf des Vertrages über die Errichtung und Betrieb von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge, der als Anlage den Vergabeunterlagen beigefügt ist, sowie den weiteren Vergabeunterlagen, dem vorgelegten Vergabevermerk sowie den Ausführungen der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren ergibt sich indes nicht zweifelsfrei, dass die Antragsgegnerin dem zukünftigen Auftragnehmer zu einem wesentlichen Teil das Betriebsrisiko abnehmen würde, was aber zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Dienstleistungsauftrages ist.

2.1.1. Die Antragsgegnerin hat keine Aussagen, respektive Vertragsklauseln zu einer etwaigen Defizitfinanzierung gegenüber dem zukünftigen Auftragnehmer getroffen. Solche hätten Aufschluss darüber geben können, ob und inwiefern die Antragsgegnerin dem zukünftigen Auftragnehmer das Betriebsrisiko zu einem wesentlichen Teil abnehmen würde, weil dieser dadurch gerade nicht mehr den Risiken des Marktes ausgesetzt wäre.

2.1.2. Ein Anhaltspunkt für die Übernahme eines wesentlichen Teils des Betriebsrisikos durch den Auftraggeber ließe sich auch der eigenen Auftragswertschätzung in Kombination mit der Aussage, in welcher Höhe die Bereitschaft zur Zahlung von Zuschüssen besteht, ableiten. Wenn nämlich die Zuschüsse für sich genommen oder zumindest in der Gesamtschau geeignet wären, das Betriebsrisiko des Bieters zu neutralisieren, würde dies für die Übernahme eines wesentlichen Teils des Betriebsrisikos durch den Auftraggeber sprechen und das gefundene Ergebnis, die Ausschreibung als Dienstleistungsauftrag, stützen. Informationen darüber kann die Vergabekammer der vorgelegten Dokumentation jedoch ebenfalls nicht entnehmen. Aus der Dokumentation geht nicht hervor, von welchem Gesamtauftragswert die Antragsgegnerin ausgeht. Eine eigene Auftragswertschätzung der Antragsgegnerin, die Aufschluss darüber geben könnte, fehlt gänzlich.

Zudem finden sich keine Aussagen darüber, in welcher konkreten Höhe die Antragsgegnerin bereit wäre, Zuschüsse zu zahlen. Zwar hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass sie aufgrund der durch sie im Jahr 2019 durchgeführten Markterkundungsgespräche davon ausgegangen ist, dass Zuschüsse notwendig werden würden. Zusätzlich hat sie mit Schriftsatz vom 25.09.2023 mitgeteilt, dass auch die Erfahrungen aus dem Betrieb der Bestandsladeinfrastruktur für die Annahme eines Zuschusses sprachen. Die im Schriftsatz vom 25.09.2023 getroffene Aussage der Antragsgegnerin, dass […] “ein Zuschuss in einem Umfang, der zu einer Abnahme des Betriebsrisikos führt, realistisch war” […], reicht für sich genommen jedoch nicht aus, da auf der Grundlage dessen keine Entscheidung für oder gegen die Übernahme eines Betriebsrisikos getroffen werden kann. Es handelt sich hierbei schlicht um eine unsubstantiierte Schätzung der Antragsgegnerin, die gerade nicht durch betriebswirtschaftliche Erwägungen unterfüttert wurde. Die Antragsgegnerin hat vielmehr ausdrücklich offengelassen, in welcher Höhe sie bereit wäre, Zuschüsse zu zahlen. Der Vertragsentwurf geht in §§ 28 ff. im Rahmen der Vorschriften zur Vergütung, bestehend aus Errichtungs- und Betreiberentgelt sowie einer Sondervergütung, davon aus, dass diese optional von Seiten des Antragsgegners gewährt werden sollen. Außerdem ist die Passage mit dem Hinweis versehen, dass […] “Ziel der Ausschreibung ist, dass die Errichtung und der Betrieb der Ladeeinrichtungen ohne die Zahlung eines Zuschusses durch die … erfolgt.” […]. Das Offenlassen der genauen Zuschusshöhe eröffnet Vertragsgestaltungen in einem breiten Spektrum von Angeboten ohne Zuschuss und mit vollständigem Betriebsrisiko auf Seiten des zukünftigen Auftragnehmers bis hin zu Angeboten mit derart hohen Zuschüssen, die ein Betriebsrisiko auf Seiten des zukünftigen Auftragnehmers komplett entfallen lassen. Das wirft für die Vergabekammer zum einen die Fragestellung auf, ob überhaupt eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung gegeben ist und die eingegangen Angebote miteinander verglichen werden können, vgl. § 121 Abs. 1 GWB. Die Kalkulationsgrundlagen der eingegangenen Angebote dürften vollkommen verschieden sein. Während der eine Bieter mit hohen Zuschüssen und damit ohne eigenes Betriebsrisiko sein Angebot kalkuliert haben dürfte, rechnet ein anderer Bieter mit weniger oder gar keinem Zuschuss und dürfte dabei das bei ihm bestehende überwiegende Betriebsrisiko entsprechend mit einkalkuliert haben. Zum anderen zweifelt die Vergabekammer die notwendige Vergabereife des vorliegenden Verfahrens an. Eine der Voraussetzungen für die Erfüllung der Vergabereife besteht, jedenfalls bei der Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrages darin, dass die Finanzierung gesichert ist. Die Ausführungen in der Aufforderung zum finalen Angebot vom 20.07.2022 auf Seite 4, dass […] “soweit die Vergütung durch die Auftraggeberin weniger als 1 Mio. Euro beträgt, (…) es zum Zuschlag nur einer förmlichen Entscheidung des Stadtrats der … M… [bedürfe] und […] “soweit der Zuschussbedarf mehr als 1 Mio. Euro beträgt, müssen zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Wie bereits in den Bietergesprächen erläutert, muss der Stadtrat der … M… dann sowohl mit der Höhe des Zuschussbedarfs als auch mit der Entscheidung über den Zuschlag befasst werden.” […] lassen zum einen bezweifeln, dass die Finanzierung eines Dienstleistungsauftrages gesichert ist, da die notwendigen Finanzierungsentscheidungen offen sind. Zum anderen zweifelt die Vergabekammer auf der Grundlage dieser Äußerungen auch die Übernahme des Betriebsrisikos durch die Antragsgegnerin an, da bei einer Zuschusshöhe von 1 Mio. Euro keinesfalls das überwiegende Betriebsrisiko auf Seiten des Auftragnehmers entfallen dürfte und für darüberhinausgehende Zuschussbeträge zunächst zusätzliche Mittel bereitgestellt werden müssten, wobei dies einer Befassung durch den Stadtrat der … M… bedürfte, dessen Ergebnis offen ist.

2.1.3. Auch die weiteren Anmerkungen in den Vergabeunterlagen und Aussagen der Antragsgegnerin geben keinen Aufschluss darüber, ob die Antragsgegnerin das Betriebsrisiko zu einem wesentlichen Anteil übernehmen wird. In der Aufforderung zum finalen Angebot vom 20.07.20222 wird auf Seite 3/4 angemerkt, dass […] “Bei der Auftragsbekanntmachung (…) die … M… [anstrebte], dass für den Auftrag keine Vergütung der Auftraggeberin an die künftige Betreiberin bzw. den künftigen Betreiber gezahlt wird, sondern dass durch die exklusive Zurverfügungstellung des öffentlichen Raumes für den Betrieb der Ladeeinrichtungen ein tragfähiges Geschäftsmodell entsteht.” […] Diese Aussage bestätigte die Antragsgegnerin auch noch einmal in der mündlichen Verhandlung, indem sie vortrug, dass sie von dem gegenwärtigen Modell, bei dem das Betriebsrisiko vollständig bei ihr liege, weg wolle hin zu einem Modell, bei dem sie das Betriebsrisiko nicht mehr übernehme wolle. Beides spricht nach Auffassung der Vergabekammer eher gegen die Annahme, dass die Antragsgegnerin einen wesentlichen Anteil des Betriebsrisikos übernimmt und es sich somit um einen Dienstleistungsauftrag handelt.

2.1.4. Damit ist unklar, durch welchen Vertragspartner das Betriebsrisiko übernommen werden soll. Die Antragsgegnerin durfte sich auf dieser Grundlage nicht im Zweifel für die Verfahrensart des Dienstleistungsauftrages und die Anwendbarkeit der Regelungen der VgV entscheiden.

Die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 21.05.2008, Verg 5/08, in der dieses entschied, dass im Zweifel von einem Dienstleistungsauftrag auszugehen sei, da sonst die Möglichkeit bestünde, dass ein Auftrag, der sich nach Angebotsabgabe als Dienstleistungsauftrag herausstellt, nicht ausgeschrieben und zu Unrecht dem Vergaberecht entzogen worden sei, kann nach Auffassung der Vergabekammer nicht für den hiesigen Fall herangezogen werden. Sie datiert auf einen Zeitraum, in dem öffentliche Dienstleistungskonzessionen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 und damit vom Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen waren. Die tragende Erwägung der Entscheidung greift auf der Grundlage der gegenwärtigen Rechtsprechung nicht mehr durch. Dienstleistungskonzessionen unterliegen heute der Nachprüfung durch die Vergabekammern, sodass eine rechtwirksame Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen sichergestellt ist und sich die drohende Möglichkeit, dass ein Auftrag zu Unrecht dem Vergaberecht entzogen werden kann, gegenwärtig nicht mehr stellt.

Es hätte nach Ansicht der Vergabekammer einer klaren Entscheidung der Antragsgegnerin und entsprechenden Ausgestaltung der Vergabeunterlagen entweder auf der Grundlage eines Dienstleistungsauftrages und der Anwendbarkeit der Regelungen der VgV oder einer Dienstleistungskonzession und der Anwendbarkeit der Regelungen der KonzVgV bedurft. Beide Verfahrensarten sind unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen unterworfen. Während sich die Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrages an den Vorgaben der VgV zu orientieren hat, trifft die KonzVgV Regelungen für die Vergabe von Konzessionen in einem eigens dafür vorgesehenen rechtlichen Rahmen. Eine klare Entscheidung wäre der Antragsgegnerin auch möglich gewesen, denn sie hätte sich beispielsweise entscheiden können, entweder keine oder nur geringe Entgelte an die Betreiber zu zahlen oder einen echten Dienstleistungsauftrag ohne Betriebsrisiko für die Bieter auszuschreiben, indem sie beispielsweise die Investitionen erstattet, entstehende Defizite übernimmt oder Umsatzgarantien verspricht. Die Antragsgegnerin hätte es jedoch nicht den Verhandlungsrunden überlassen dürfen, die Marktlage und damit das einschlägige Vergaberegime herauszufinden.

Die Antragstellerin wurde dadurch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt, denn die Wahl der Verfahrensart hat vorliegend einen entscheidenden Einfluss darauf, ob die durchgeführte Preisprüfung und der darauf erfolgte Ausschluss des Angebots der Antragstellerin rechtmäßig erfolgt ist.

2.2. Die Vergabekammer erachtet die Durchführung einer Auskömmlichkeitsprüfung auch im Rahmen einer Dienstleistungskonzession grundsätzlich für zulässig.

Die Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote ist in der KonzVgV, anders als bei Verfahren der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen, wo in § 60 VgV explizit die Prüfung ungewöhnlich niedriger Preise sowie ein darauf gegründeter Angebotsausschluss geregelt sind, nicht vorgesehen. Allerdings gilt nach § 12 Abs. 1 KonzVgV der Grundsatz der freien Verfahrensgestaltung, der es dem Konzessionsgeber erlaubt, die Bedingungen des Verfahrens frei zu gestalten. Dem Konzessionsgeber steht es nach Ansicht der Vergabekammer frei, sich in den Vergabeunterlagen ein Recht zur Prüfung der Auskömmlichkeit in entsprechender Anwendung der Regelungen des § 60 VgV vorzubehalten, von dem er dann nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch machen kann. Die Regelungen in § 60 VgV über den möglichen Ausschluss von ungewöhnlich niedrigen Angeboten und die damit korrespondierende Prüfungspflicht basieren auf dem Erfahrungswissen, dass niedrige Preise für die öffentlichen Belange von einem bestimmten Niveau an nicht mehr von Nutzen sein, sondern diese umgekehrt sogar gefährden können, weil sie das gesteigerte Risiko einer nicht einwandfreien Ausführung von Bauleistungen einschließlich eines Ausfalls bei der Gewährleistung oder der nicht einwandfreien Lieferung bzw. Erbringung der nachgefragten Dienstleistung und damit einer im Ergebnis unwirtschaftlichen Beschaffung bergen. Geschützt wird dementsprechend in erster Linie das haushaltsrechtlich begründete Interesse des Auftraggebers und der Öffentlichkeit an der jeweils wirtschaftlichsten Beschaffung. Die Berechtigung des Auftraggebers, den Zuschlag auf Angebote, deren geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten mit der Prüfung nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden können, abzulehnen, trägt dem Anliegen des Vergabewettbewerbs Rechnung, die wirtschaftlichste Beschaffung zu realisieren. Unangemessen niedrige Angebotspreise bergen insoweit gesteigerte Risiken, die sich in vielfältiger Weise verwirklichen können. Dies gilt etwa für die in der Rechtsprechung der Vergabesenate angeführte Möglichkeit, dass der Auftragnehmer infolge der zu geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und den Auftrag deshalb nicht vollständig ausführen kann. Der Schutz der öffentlichen Interessen setzt aber nicht erst bei derart gravierenden Gefährdungen ein. Öffentliche Interessen sind in schützenswerter Weise auch dadurch gefährdet, dass der betreffende Anbieter in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen könnte, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit auch nicht vertragsgerecht zu entledigen, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten oder die Ressourcen seines Unternehmens auf besser bezahlte Aufträge zu verlagern, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet (BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16). Bei Dienstleistungskonzessionen, bei denen die Entgelte üblicherweise durch Dritte, nämlich die Nutzer, und nicht durch den Konzessionsgeber, gezahlt werden, besteht zwar für den Konzessionsgeber nicht dieselbe Gefahr durch unauskömmliche Preise wie bei einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag. Jedenfalls kann aber eine vergleichbare Gefahrensituation gegeben sein. Auch bei Dienstleistungskonzessionen kann es bei einem unauskömmlichen Angebot durch den Konzessionsnehmer dazu kommen, dass die nachgefragte Dienstleistung nicht einwandfrei erbracht wird, was sich dann zwar nicht vorrangig in einer Diskrepanz von Leistung des Konzessionsnehmers und Gegenleistung durch den Konzessionsgeber zeigt, aber dennoch im Ergebnis die Gefahr einer unwirtschaftlichen Beschaffung für den öffentlichen Auftraggeber birgt. Der wirtschaftliche Gesamtvorteil ist für den Konzessionsgeber bei Angeboten, die nicht auskömmlich sind, dann nicht mehr gegeben, was gegebenenfalls darin münden kann, dass der Konzessionsgeber den Bürgern nur eine unzureichende Leistungserbringung zur Verfügung stellen kann oder die Leistung im Rahmen eines weiteren Vergabeverfahrens neu ausschreiben müsste und Zeit sowie zusätzliche finanzielle Mittel aufwenden müsste. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, der als allgemeiner vergaberechtlicher Grundsatz auch bei der Vergabe von Konzessionen gilt, gebietet daher die Überprüfung eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes auch bei Dienstleistungskonzessionen.

Da die Antragsgegnerin vorliegend davon ausgegangen ist, einen Dienstleistungsauftrag auszuschreiben, lassen sich den Vergabeunterlagen unweigerlich keine Ausführungen dazu entnehmen, dass sich die Antragsgegnerin ein Recht zur Prüfung der Auskömmlichkeit der Angebote ausbedungen hat.

2.3. Die konkret durchgeführte Preisprüfung begegnet jedoch vergaberechtlichen Bedenken (dazu 2.3.1.), sodass der darauf gegründete Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nicht rechtmäßig war (dazu 2.3.2.) und die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

2.3.1. Für die Vergabekammer ist bereits der von der Antragsgegnerin gewählte Bezugspunkt für die Angemessenheitsprüfung nicht nachvollziehbar. Soweit sie das Angebot eines weiteren Bieters im Verfahren herangezogen hat und im Vergabevermerk angegeben hat, zur Überprüfung der Angemessenheit des Angebots der Antragstellerin verpflichtet gewesen zu sein, da das Angebot der Antragstellerin keinen Zuschuss vorsieht, wohingegen das Angebot eines weiteren Bieters im Verfahren einen immensen Zuschussbedarf vorsieht, handelt es sich hierbei nach Ansicht der Vergabekammer bereits um einen ungeeigneten Bezugspunkt. Wie bereits unter Gliederungspunkt II.2.1.2. dieses Beschlusses ausgeführt, geht die Vergabekammer davon aus, dass es sich bereits um nicht vergleichbare Angebote handelt, da diesen vollkommen unterschiedliche Kalkulationsgrundlagen zugrunde liegen dürften. Während das eine Angebot wohl darauf basiert, das Betriebsrisiko zum überwiegenden Teil zu übernehmen, dürfte das andere Angebot ohne bzw. mit geringem eigenen Betriebsrisiko kalkuliert worden sein. Diese Annahme bestätigt auch die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 25.09.2023. Derart auf unterschiedlichen Grundlagen kalkulierte Angebote und deren Abweichung zueinander sind nach Ansicht der Vergabekammer bereits nicht geeignet, einen brauchbaren Bezugspunkt bei der Frage des Vorliegens eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises zu bilden. Zumal sich hier für die Vergabekammer bereits die Frage aufdrängt, wie der Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin unauskömmlich erscheinen konnte, während dieses doch ihrer eigenen Zielvorgabe in der Ausschreibung entsprach, dass die Errichtung und der Betrieb der Ladeeinrichtungen ohne die Zahlung eines Zuschusses durch sie erfolgt, vgl. Anmerkung auf Seite 36 des Vertragsentwurfes. Weitere Bezugspunkte für die Durchführung der Preisprüfung hat die Antragsgegnerin nicht aufgeführt. Eine eigene Auftragswertschätzung, die herangezogen werden könnte, existiert nicht. Die Antragsgegnerin könnte auch nicht auf die ihr vorliegenden historischen Zahlen für die Bestandsladeinfrastruktur als Bezugspunkt abstellen, da gegenwärtig ein gänzlich anderes Vertragskonstrukt vorliegt, das mit dem ausgeschriebenen Vertrag nicht vergleichbar sein dürfte.

2.3.2. Die Vergabekammer weist der Vollständigkeit halber ergänzend auf nachfolgende Aspekte hin: Selbst wenn man der Antragsgegnerin die Durchführung einer Preisprüfung hinsichtlich des Angebots der Antragstellerin zugestehen wollte und die Preisprüfung nach Ansicht der Vergabekammer auch inhaltlich ordnungsgemäß erfolgt ist, erachtet die Vergabekammer den vorliegend erfolgten Ausschluss des Angebots auf der Grundlage eines ungeschriebenen Ausschlussgrundes für nicht mit den Vorgaben des Vergaberechts vereinbar.

Die Antragsgegnerin dürfte die Preisaufklärung ordnungsgemäß durchgeführt haben. Insbesondere hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin in insgesamt drei Aufklärungsrunden vollumfänglich die Möglichkeit gegeben, den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zu entkräften bzw. beachtliche Gründe dafür aufzuzeigen, dass ihr Angebot dennoch annahmefähig ist. Für die Vergabekammer nachvollziehbar ist die Antragsgegnerin jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufklärung bei dem Mitglied der Bietergemeinschaft, …, in sich widersprüchlich war und der Angebotspreis nicht aufgeklärt werden konnte. So stellt die Antragsgegnerin zutreffend fest, dass die Kosten für den Betrieb, wie sie … in ihren Stellungnahmen darlegt, nicht nachvollziehbar sind. Auch die Feststellungen der Antragsgegnerin in Bezug auf die Nichtnachvollziehbarkeit der Angaben von … zu internen Zinsaufwänden, dem Anteil von Eigenmitteln und Höhe des unterstellten Zinssatzes begegnen keinen vergaberechtlichen Bedenken. Ebenfalls nachvollziehbar für die Vergabekammer ist die Feststellung der Antragsgegnerin, dass die Aufklärungsversuche der Antragstellerin zu ihrem Angebot auch insgesamt widersprüchlich und daher nicht nachvollziehbar waren, so dass der Angebotspreis auch unter diesem Blickwinkel als nicht aufgeklärt durch die Antragsgegnerin eingeschätzt wurde. Bietergemeinschaften geben ein einheitliches Angebot ab. Daraus folgt, wie die Antragsgegnerin zutreffend festgestellt hat, dass im Fall einer Preisaufklärung das einheitliche Angebot auch in sich schlüssig zu erläutern ist. Die Antragsgegnerin hat, für die Vergabekammer nachvollziehbar, festgestellt, dass Abweichungen in den Stellungnahmen der Mitglieder der Bietergemeinschaft vorlagen, die bis zuletzt nicht nachvollziehbar erklärt werden konnten. So hat die Antragsgegnerin berechtigt festgestellt, dass die Antragstellerin Gründe für die erhebliche Abweichung der Kosten für den Betrieb nicht aufklären konnte. Auch hinsichtlich der unterschiedlichen Einnahmen im ersten Jahr hat die Antragsgegnerin zutreffend festgestellt, dass die Unterschiede nicht nachvollziehbar sind und durch die Antragstellerin nicht aufgeklärt werden konnte. Die Vergabekammer kann schlussendlich auch in der durch die Antragsgegnerin getroffenen Feststellung, dass hinsichtlich der Angabe unterschiedlicher Erlöse aus THG-Zertifikaten eine abschließende Aufklärung nicht möglich war, keine vergaberechtlichen Verstöße erkennen.

Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Ermessensentscheidung in Bezug auf den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin dürfte jedoch fehlerhaft sein. § 60 Abs. 3 S. 1 VgV sieht zwar einen Ausschlussgrund für Dienstleistungsaufträge nach der VgV vor. Wie bereits festgestellt, liegen jedoch die Voraussetzungen für die Annahme einer Ausschreibung als Dienstleistungsauftrag nicht vor. Im Konzessionsvergaberecht gibt es keinen geschriebenen Ausschlussgrund für ein ungewöhnlich niedriges Angebot. Die KonzVgV eröffnet dem Konzessionsgeber aber, das Verfahren frei auszugestalten, sodass dem Konzessionsgeber grundsätzlich das Recht aber auch die Pflicht obliegt, einen Ausschlussgrund entsprechend dem in § 60 Abs. 3 S. 1 VgV normierten selber zu regeln, um ein Angebot auf dieser Grundlage vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen. Die Verschriftlichung eines Ausschlussgrundes ist vor dem Hintergrund der Durchbrechung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit in Gestalt der Bezuschlagung des Angebots mit dem wirtschaftlichsten Gesamtvorteil auch zwingend notwendig. Ein Ausschlussgrund, der die Antragsgegnerin zum Ausschluss des Angebots der Antragstellerin aufgrund dessen, dass der ungewöhnlich niedrige Angebotspreis nicht aufgeklärt werden konnte, berechtigte, ist den Vergabeunterlagen nicht zu entnehmen, sodass der Ausschluss nicht rechtmäßig erfolgt ist.

Das Vergabeverfahren ist aufgrund der festgestellten Mängel in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen, da nur hierdurch der Mangel der falschen Verfahrensart behoben werden kann. Die Entscheidung der Vergabekammer konnte dabei auch über das Begehren der Antragstellerin hinausgehen. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 28.09.2023 unter anderem beantragt, dass das Vergabeverfahren in den Zustand unmittelbar vor der Ausschlussentscheidung am 09.03.2023 zurückzuversetzen sei.

Ihrem Sachvortrag ist jedoch zu entnehmen, dass nach ihrer Ansicht der festgestellte Mangel dazu führen müsse, dass das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt, in dem das Verfahren fehlerbehaftet ist, in diesem Umfang zu wiederholen ist bzw. sofern eine Wiederholung des Verfahrens ab dem Zeitpunkt der Mangelhaftigkeit nicht möglich sei, eine Aufhebung des gesamten Verfahrens und eine neue Ausschreibung zu erfolgen habe. Damit gibt sie bereits zu verstehen, dass ihr Begehren über den tatsächlich gestellten Antrag hinausgeht. Zudem ist die Vergabekammer hinsichtlich ihrer Entscheidungsmöglichkeiten zwar an die Rechtsverletzung des Antragstellers gebunden. Bereits bei der Auswahl der geeigneten Maßnahmen ist die Vergabekammer zudem an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Vergabekammer darf aber dem Antragsgegner ein anderes als das im Nachprüfungsantrag des Antragstellers begehrte Verhalten aufgeben, mit ihrer Entscheidung auch hinter den gestellten Anträgen zurückbleiben oder über das Begehren des Antragstellers hinausgehen (Fett, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage, § 168 GWB Rn. 34). Eine Zurückversetzung, wie tenoriert, war geboten.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragsgegnerin.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Eine Ermäßigung der Gebühr aus Gründen der Billigkeit kommt nicht in Betracht.

Die Antragsgegnerin ist als Gemeinde von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da es sich beim Vergaberecht und dem Nachprüfungsverfahren um einen komplexen Problemkreis handelt und die Antragstellerin nicht über die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen personellen Kapazitäten verfügt und daher auf eine vertiefte rechtliche Begleitung im Nachprüfungsverfahren durch einen Anwalt angewiesen war. Die im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen waren jedenfalls hinsichtlich der Wahl der korrekten Verfahrensart, der Durchführung der Preisprüfung im Spannungsfeld Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskonzession sowie des Ausschlusses des Angebots der Antragstellerin, da der ungewöhnlich niedrige Angebotspreis nicht habe aufgeklärt werden können, durchaus komplex und von der Antragstellerin ohne anwaltliche Beratung nicht zu bewältigen.

Rechtsmittelbelehrung



München, 19.10.2023

OLG Brandenburg, Urteil vom 28.11.2023 10 U 2/23, zu der Frage, dass wenn der Ersatzauftrag in einem förmlichen Vergabeverfahren vergeben wird, gewichtige Indizien dafür sprechen, dass der gebildete Preis nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt

OLG Brandenburg, Urteil vom 28.11.2023 10 U 2/23, zu der Frage, dass wenn der Ersatzauftrag in einem förmlichen Vergabeverfahren vergeben wird, gewichtige Indizien dafür sprechen, dass der gebildete Preis nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt

1. Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer mit der Vollendung in Verzug gerät und ihm der Auftraggeber erfolglos eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt. Nach der Kündigung ist er berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen.
2. Die zu ersetzenden Fertigstellungsmehrkosten muss der Auftraggeber nachvollziehbar abrechnen. Der Detaillierungsgrad der Abrechnung bestimmt sich dabei nach den Kontroll- und Informationsinteressen des Auftragnehmers.
3. Der Auftragnehmer kann dem Fertigstellungsmehrkostenanspruch einen etwaigen Verstoß des Auftraggebers gegen die Schadensminderungspflicht entgegenhalten. Dabei kommt insbesondere ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in Betracht.
4. Ein öffentlicher Auftraggeber ist bei der erneuten Beauftragung eines zuvor im Wege eines förmlichen Vergabeverfahrens vergebenen Auftrags unter Schadensminderungsgesichtspunkten regelmäßig nicht zur Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens verpflichtet.
5. Wird der Ersatzauftrag in einem förmlichen Vergabeverfahren vergeben, sprechen gewichtige Indizien dafür, dass der gebildete Preis nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt.
OLG Brandenburg, Urteil vom 28.11.2023 – 10 U 2/23

Gründe

I.

Von der Abfassung tatsächlicher Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte in dem mit der Berufung angegriffenen Umfang zu Recht zur Zahlung von 6.149.07 Euro nebst Zinsen verurteilt.

1. Der Zahlungsanspruch folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 Hs.1 iVm § 5 Abs. 4 der zwischen den Parteien vereinbarten VOB/B 2016. Danach kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer mit der Vollendung in Verzug gerät und ihm der Auftraggeber erfolglos eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt. Nach der Kündigung ist der Auftraggeber berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

a) Die Beklagte befand sich mit der Ausführung der Leistung, der Lieferung und dem Einbau eines Trampolins gemäß Position 1.1.12 des Leistungsverzeichnisses gemäß § 286 BGB in Verzug. Denn der Kläger hat die Beklagte unter anderem mit Schreiben vom 8. November 2018 nach Ablauf des vereinbarten Ausführungsendes am 15. Juni 2018 erfolglos zu Lieferung und Einbau des Trampolins aufgefordert. Soweit die Beklagte vorbringt, dass das vereinbarte Trampolin herstellerseits nicht lieferbar gewesen sei und es daher am Verschulden fehle, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Beschaffung von Lieferanten nicht möglich gewesen sei.

Die gemäß § 5 Abs. 4 VOB/B 2016 erforderliche und angemessene Fristsetzung mit Erklärung, dass der Auftraggeber nach fruchtlosem Ablauf den Vertrag kündigen werde, ist mit Schreiben vom 8. März 2019 erfolgt.

b) Der Kläger hat der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 7. Juni 2019 wirksam gekündigt. Die deshalb zu ersetzenden Fertigstellungsmehrkosten muss der Auftraggeber nachvollziehbar gem. § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B 2016 abrechnen. Der Detaillierungsgrad der Abrechnung bestimmt sich dabei insbesondere nach den Kontroll- und Informationsinteressen des Auftragnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1999 – VII ZR 468/98 -).

Nach diesen Maßstäben ist die Abrechnung vom 10. Januar 2020 (Bl. 53 d.A.) ordnungsgemäß. Zwar ist die Abrechnung nur wenig detailliert, gleichwohl sind die für den Trampolineinbau tatsächlich entstandenen Kosten von 11.194,31 Euro durch die ersatzweise beauftragte Firma ###, die ersparten Kosten aus dem Vertrag mit der Beklagten von 4.450 Euro und die deshalb zu erstattende Differenz von 6.744,31 Euro benannt. Angesichts des nur geringen Umfangs der betroffenen Leistungen und der geringen Komplexität der abgerechneten Positionen ist eine hinreichende Nachvollziehbarkeit noch gegeben.

c) Die Abrechnung vom 10. Januar 2020 ist auch der Höhe nach zutreffend. Der Auftraggeber hat nach Kündigung Anspruch auf Erstattung der durch die Ersatzvornahme entstandenen Mehrkosten der Fertigstellung. Dabei ist der Auftraggeber so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn der ursprüngliche Auftragnehmer das Werk ordnungsgemäß hergestellt hätte. Wird ein Einheitspreisvertrag durch einen Einheitspreisvertrag mit dem Drittunternehmer auf der Basis des ursprünglichen Leistungsverzeichnisses zu Ende geführt, sind zur Ermittlung der in Abzug zu bringenden fiktiven Vergütung des gekündigten Unternehmers für die nicht erbrachten Leistungen dessen vertragliche Einheitspreise mit den vom Drittunternehmer jeweils erbrachten Massen zu multiplizieren. (BeckOK VOB/B/Brüninghaus, 52. Ed. 31.7.2023, VOB/B § 8 Abs. 3 Rn. 27). Der Auftraggeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die als Ersatzvornahme erbrachten Leistungen, der dadurch entstandenen Kosten und der infolge der Kündigung nicht mehr an den Auftragnehmer zu zahlenden Vergütung sowie die Berechnung der sich daraus ergebenen Differenz (Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 8 Rn. 103). Hiernach kann der Kläger die geltend gemachten Kosten auf der Grundlage der Abrechnung der Firma ### vom 31. Dezember 2019 (K 19, Bl. 51 d.A.) ersetzt verlangen.

(1) Die Beklagte hat die abgerechnete Position 01.01.10 der Schlussrechnung der Firma ### “Ausbau ungebundener Tragschicht” und die daraus folgende Vergütung von 274,50 Euro akzeptiert.

(2) Im Hinblick auf die Position “Kunststoff schneiden” 01.01.20 ist die Abrechnung der Firma ### in Höhe von 96 Euro ebenfalls zutreffend. Der Ersatzfähigkeit steht nicht entgegen, dass die Position “Kunststoff schneiden” nicht in dem mit der Beklagten ursprünglich vereinbarten Leistungsverzeichnis enthalten war. Denn der Auftraggeber darf auch solche Leistungen in die Fertigstellungsmehrkostenabrechnung einstellen, die zwar mit dem Auftragnehmer noch nicht vereinbart waren, jedoch vom Auftraggeber gem. § 1 Abs. 3 bzw. § 1 Abs. 4 VOB/B angeordnet worden wären und zu deren Ausführung der Auftragnehmer aufgrund des einseitigen Leistungsanordnungsrechtes des Auftraggebers verpflichtet gewesen wäre (BGH, Urteil vom 25. November 1999 – VII ZR 468/98 -). Das ist vorliegend der Fall.

Nach den von der Beklagten nicht bestrittenen Ausführungen des Werksleiters der Klägerin, Herrn ###, musste wegen des verzögerten Einbaus des Trampolins über das bereits für den Einbau fertiggestellte Loch eine ungebundene Tragschicht und Kunststoffbelag verlegt werden, damit der Schulhof als Pausenhof genutzt werden konnte. Für den dann erfolgten Einbau des Trampolins musste diese Schichten wieder aufgebrochen bzw. abgetragen werden. Diese Arbeiten und Kosten wären nicht erforderlich gewesen, wenn das Trampolin rechtzeitig eingebaut worden wäre. Diese zusätzlichen Tätigkeiten hätte auch die Beklagte ausführen müssen, weil sie auf den nicht fristgerechten Einbau des Trampolins durch die Beklagte zurückzuführen waren.

Gleiches gilt für solche Arbeiten, die deshalb erforderlich geworden sind, weil das Trampolin Hally-Gally andere Abmessungen als das Trampolin Eurotramp aufweist. Auch diese Arbeiten wären nicht erforderlich gewesen, wenn die Beklagte das Trampolin Eurotramp rechtzeitig eingesetzt hätte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind schließlich bei der Abrechnung der Position 01.01.20 nicht nur 12 m, sondern 24 m als Mengenansatz heranzuziehen. Denn der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass der an sich 12 m lange Schnitt auf Grund der Dicke der Einbaustärke des Belages zweimal durchgeführt werden musste.

(3) Die unter Position 01.01.30 “Dränbeton ausbauen” erfolgte Abrechnung von 240 Euro ist von der Beklagten akzeptiert.

(4) Die unter Position 01.01.40 Einbau Trampolin abgerechneten Kosten von 8.235,06 Euro, kann der Kläger von der Beklagten wie geschehen in Höhe der dadurch entstandenen Mehrkosten von 3.785,06 Euro ersetzt verlangen.

Zwar kann die Beklagte einem Fertigstellungsmehrkostenanspruch einen etwaigen Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB grundsätzlich entgegenhalten (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – X ZR 17/97 -, BGHZ 139, 177-190, Rn. 36; OLG Frankfurt, Urteil vom 28. April 2017 – 29 U 166/16 -; KG, Urteil vom 21. Mai 2010 – 6 U 153/08 -; KG, Urteil vom 29. April 2008 – 6 U 17/07 -; BeckOK VOB/B/Brüninghaus, 53. Ed. 1.11.2023, VOB/B § 8 Abs. 3 Rn. 25). Ein solcher Verstoß ist von der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten jedoch nicht dargelegt.

Dabei kommt im Rahmen des Mehrkostenanspruchs insbesondere ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in Betracht. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass der Kläger gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen haben könnte. Zwar sind Bauleistungen zu angemessenen Preisen zu vergeben, so dass etwa ein deutliches Überschreiten des Marktpreises durch den später beauftragten Dritten vom ursprünglichen Auftragnehmer nicht ersetzt werden muss (OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2011 – 1 U 154/10 -). Für eine solche Überschreitung des Marktpreises ist allerdings nichts ersichtlich.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber bei der erneuten Beauftragung eines zuvor im Wege des Vergabeverfahrens vergebenen Auftrags regelmäßig nicht zur Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens unter Schadensminderungsgesichtspunkten geboten ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Juli 2011 – 21 U 76/09 -; NWJS/Vogel, VOB/B, 5. Aufl. 2019, § 8 Rn. 110). Daraus folgt auch, dass wenn – wie vorliegend – der Ersatzauftrag ebenfalls im Wege eines Vergabeverfahrens vergeben worden ist, zumindest gewichtige Indizien dafür sprechen, dass der im Wege des Vergabeverfahrens gebildete Preis nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt. Denn die Vergabeverfahren der VOB/A sind gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 VOB/A (vgl. auch § 2 UVgO) als wettbewerbliche Verfahren durchzuführen, so dass die Zuschlagserteilung nach Durchführung des Vergabeverfahrens auf eine wettbewerbliche Auftragsvergabe hindeutet. Da dieses Wettbewerbsprinzip ein Kernprinzip der öffentlichen Beschaffung darstellt (Hofmann/Lausen in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 2 VOB/A (Stand: 15.09.2022), Rn. 17), müssten daher zumindest Anhaltspunkte dafür ersichtlich sein, dass im Ergebnis des Vergabeverfahrens dennoch ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht eingetreten sein könnte. Solche Anhaltspunkte sind aber weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Ersatzfähigkeit der abgerechneten Kosten für das Trampolin steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin das Trampolin Eurotramp und die Firma ### das nahezu doppelt so teure Trampolin Hally-Gally angeboten hat. Zwar muss sich die Ersatzbeauftragung in den Grenzen des bisherigen Auftrags halten, mithin zu diesem kongruent sein (vgl. BeckOK VOB/B/Brüninghaus, 53. Ed. 1.11.2023, VOB/B § 8 Abs. 3 Rn. 24). Das war jedoch schon deshalb der Fall, weil der Kläger sowohl in dem zur Beauftragung der Beklagten führenden Vergabeverfahren als auch dem folgenden Vergabeverfahren das zu beschaffende Trampolin mit dem Zusatz “z.B.” produktneutral ausgeschrieben hat. Wenn dann wie vorliegend im Wege eines Vergabeverfahrens das deutlich teurere Trampolin bezuschlagt wird, spricht dieser Umstand dafür, dass eben dieses teurere Trampolin im maßgeblichen Zuschlagszeitpunkt das Trampolin ist, das wettbewerblich ausgewählt worden ist. Dabei kann auch offenbleiben, unter welchen Umständen vorliegend eine produktspezifische Ausschreibung beschränkt auf das Trampolin Eurotramp bei der zweiten Ausschreibung – für die Ersatzbeschaffung – zulässig gewesen wäre. Denn eine derartige produktspezifische Ausschreibung (vgl. zu den vergaberechtlichen Anforderungen OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Juli 2021 – 19 Verg 2/21 -; BayObLG, Beschluss vom 25. März 2021 – Verg 4/21 -) beschränkt auf das Trampolin Eurotramp wäre schon deshalb untunlich gewesen, weil es bereits der Beklagten über einen langen Zeitraum nicht gelungen ist, das von ihr angebotene Trampolin Eurotramp zu beschaffen.

Soweit die Beklagte schließlich meint, dass die von der Firma ### abgerechneten Einbaukosten für das Trampolin nicht berücksichtigt werden dürften, steht dem schon entgegen, dass auch die von der Beklagten angebotene Position 1.1.12 des Leistungsverzeichnisses den ebenerdigen Einbau eines Trampolins umfasste und daher auch von ihr diese Kosten zu kalkulieren waren.

(5) Die pauschal abgerechnete Position 01.01.50 “Anarbeitung Fallbereich” kann der Kläger von der Beklagten ersetzt verlangen. Die Beklagte bringt dazu vor, dass bei einer Länge von 12 Metern und einem Einheitspreis von 12 Euro pro Meter nur 144 Euro zu ersetzen seien. Dem steht allerdings entgegen, dass die Position als Pauschalposition ausgeschrieben ist und daher nicht nach den Maßstäben eines Einheitspreisvertrags abgerechnet werden kann. Es ist auch nicht vorgetragen, ob und warum insoweit ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vorliegen könnte.

(6) Soweit die Beklagte die Abrechnung von Stundenlohnarbeiten zu Position 01.01.60 mit 48,5 Stunden für insgesamt 1.205,55 Euro als zu pauschal und daher nicht erstattungsfähig erachtet, trägt das nicht. Zwar sind im ursprünglichen Leistungsverzeichnis unter Position 1.1.70 nur 5 h als Stundenlohnarbeiten vorgesehen. Der Kläger hat allerdings in den Anlagen K 31 f. die von der Firma ### gezeichneten Stundenlohnzettel vorgelegt, auf denen die insoweit abgerechneten Tätigkeiten im Einzelnen aufgeführt sind. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger diesen Stundenlohnzetteln gemäß § 15 Abs. 3 VOB/B rechtzeitig Einwendungen entgegengehalten hat. Daher kann sich die Beklagte als Fachfirma jedenfalls nicht auf einfaches Bestreiten der dort angeführten Stundenlohnarbeiten beschränken.

(7) Die unter Position 01.01.70 Materialkosten erfolgte Abrechnung von 375 Euro ist von der Beklagten akzeptiert.

e) Insgesamt greifen nach dem Vorstehenden die gegen die Abrechnung der Fertigstellungsmehrkosten gerichteten Einwände der Beklagten nicht, so dass die Klage Erfolg und die Berufung keinen Erfolg hat. Dabei ist auch unerheblich, dass der Kläger der Beklagten entgegen § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B 2016 nicht innerhalb der dort vorgesehen Frist von 12 Tagen die Abrechnung übersandt hat (BGH, Urteil vom 25. November 1999 – VII ZR 468/98 -).

2. Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht den Zinsanspruch aus §§ 280, 286, 288 Abs. 2 BGB zugesprochen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Entscheidend ist vorliegend allein die Anwendung bereits geklärter Rechtsfragen im Einzelfall.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 Abs. 1, 49 GKG iVm § 3 ZPO.

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 17 Verg 3/23, zu der Frage, ob wenn die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer – per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden – Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen beabsichtigt, das Kartellvergaberecht Anwendung finden kann

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 17 Verg 3/23, zu der Frage, ob wenn die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer - per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden - Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen beabsichtigt, das Kartellvergaberecht Anwendung finden kann

1. Beabsichtigt die öffentliche Hand im Zusammenhang mit einer – per se nicht dem Vergaberecht unterliegenden – Verpachtung eines Grundstücks zugleich die Beschaffung von Leistungen, kann das Kartellvergaberecht allenfalls dann Anwendung finden, wenn der Wert dieser Leistungen den Schwellenwert übersteigt.
2. Ist der Vergaberechtsweg nicht eröffnet, kann der Vergabesenat das Verfahren entsprechend § 17a GVG in den zuständigen Rechtsweg verweisen, wenn der Antragsteller sein Rechtschutzziel in diesem Rechtsweg weiterverfolgen will und kann (Anschluss an BGH, Beschluss vom 10.12.2019 – XIII ZB 119/19, IBRRS 2020, 0495 = VPR 2020, 73; Beschluss vom 23.01.2012 – X ZB 5/11, IBR 2012, 216 = VPRRS 2012, 0076).
3. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und Zivilrechtsweg erfolgt nach der Form des staatlichen Handelns. Grundrechtsbindungen, die die öffentliche Hand in besonderer Weise treffen, führen nicht zur Einordnung als Verwaltungsstreit (Anschluss BVerwG, Beschluss vom 02.05.2007 – 6 B 10/07 -, IBR 2007, 385 = VPRRS 2007, 0193).
4. Im Fall der Verweisung kommt eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB nicht in Betracht.
OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 – 17 Verg 3/23

Gründe

I.

In Vorbereitung auf die Verpachtung landeseigener (Flurstück 148/1) bzw. im Eigentum der Antragsgegnerin zu 2 (Flurstücke 149/2 und 151) stehender Flächen zum Betrieb eines Campingplatzes am Nordstrand von … mit einer Laufzeit vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2048 veröffentlichte das Nationalparkamt Vorpommern auf seiner Homepage in Abstimmung mit der Antragsgegnerin am 01.02.2023 eine Bekanntmachung. Darin umriss es das Vorhaben, gab Gelegenheit zur Bewerbung und wies auf die im weiteren Verfahren erforderliche Vorlage eines Entwicklungskonzepts und die Nichtgeltung von Vergaberecht hin. Gegenstand der Bekanntmachung waren u.a. ein Rückbauplan, eine Reduzierung der Pachtfläche, die erforderliche Einzäunung, ein Stellplatzplan einschließlich Vorgaben zur Verkehrslenkung und zu Umweltauflagen sowie Vorgaben zur Unterhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen. Dass und mit welchen Einschränkungen der Betrieb eines Campingplatzes auf den im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft liegenden Flächen überhaupt zulässig ist, ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V.

Die Antragstellerin – die den Campingplatz derzeit und bereits seit Jahrzehnten betreibt – reichte eine Bewerbung ein. Nach einem ersten Gespräch wurde sie wie auch andere Bewerber zu einem weiteren Gespräch eingeladen. Vorab erhielt sie eine Aufstellung des Auswahlgremiums (überschrieben mit: “Auswahlgremium für die Bewertung der Interessenbekundungen zur Verpachtung der landeseigenen Campingplatzflächen in … und nachfolgender Ausschreibung und Vergabe der Pachtsache”) und folgende Auflistung der Zuschlagskriterien (Anlage ASt 9):

1. Quantitative Kriterien: 20%

Angebot Pachtpreis

2. Qualitative Kriterien: 80%

a) Vollständigkeit des Konzeptes (35%)

– Abfall, Wasser, Energie

– Arbeitskräfte (z.B. Dauer der Beschäftigung, Art der Entlohnung, Inklusion)

– wirtschaftliche Stabilität

– Regionalität (z.B. Verwendung oder Angebote regionaler Produkte)

– ECO-Camping; mind. 10 Verbesserungen im Zeitraum von 3 Jahren; Zeitplan der Umsetzung

– Verwendung nachhaltiger Materialien

b) Nationalpark und Bildung, familienfreundliche Maßnahmen (15%)

– Gästeinformationen hinsichtlich Verhalten im Nationalpark, Lebensräume

– feste Etablierung von Betreuungs- und Bildungsangeboten

– Mitwirkung im Nationalpark (z.B. Unterstützung der Nationalparkziele), Partnerprojekt, Layout beachten, Unterbringung im Freiwilligenmanagement, nationalparkfreundliche Mediengestaltung)

– Mitwirkung am Nationalpark-Info-Netzwerk

– Mitarbeiterschulungen

c) Stellplatzplan und dazugehörige Parkflächen (10%)

d) Rückbau vorhandener Gebäude (37 Gebäude im Bestand s. Rückseite; 10%)

e) Innovative Ideen (10%)

Mit E-Mail vom 18.08.2023 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, das Bewerberverfahren sei abgeschlossen und ihr Angebot sei auf dem 3. Platz.

Am 06.09.2023 stellte die Antragstellerin Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, zunächst gerichtet nur gegen das Nationalparkamt, später erweitert auf die Antragsgegnerin zu 2. Sie hat die Auffassung vertreten, es handele sich tatsächlich um eine Dienstleistungskonzession, so dass eine EU-weite Ausschreibung habe erfolgen müssen. Es würden zahlreiche pachtuntypische Leistungen verlangt. Im Vordergrund stehe die Einräumung des Rechts zum Angebot von Campingleistungen. Die Antragsgegner würden letztlich Campingdienstleistungen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V beschaffen.

Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt:

1. Ein Nachprüfungsverfahren wird gemäß § 160 Abs. 1 GWB gegen eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet der Antragsgegnerinnen eingeleitet.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch das De-Facto-Vergabeverfahren “Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet des Antragsgegners” in ihren Rechten verletzt ist, dass geschlossene Verträge zwischen den Antragsgegnerinnen und der Beizuladenden oder eventuellen Dritten nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam sind.

3. Die Antragsgegnerinnen sind verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem unionsrechts-konformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.

4. Hilfsweise: Die Kammer wirkt unabhängig von den Anträgen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

6. Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Antragsgegner zu 1 hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die beantragte Akteneinsicht zu verweigern,

3. die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Er hat die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil der Pachtvertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterfalle. Nebenpflichten seien nicht pachtuntypisch und von untergeordneter Bedeutung.

Die Beigeladene ist ebenfalls von der Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens ausgegangen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen und die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter für notwendig erklärt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei nicht zulässig, weil der Vertrag nicht dem Kartellvergaberecht unterfalle. Es handele sich nicht um eine Dienstleistungskonzession, weil für den Pächter kein relevantes Betriebsrisiko im Sinne des § 105 Abs. 2 Satz 2 GWB bestehe. Auch fehle es an einem Beschaffungsbezug. Schwerpunktmäßig gehe es um den Betrieb eines Campingplatzes. Nach dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen stehe für die öffentliche Hand die Geldeinnahme deutlich im Vordergrund. Die Pflichten des Campingplatzbetreibers seien nicht pachtuntypisch und deshalb kein Grund für die Annahme einer Umgehung des Vergaberechts. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 24.10.2023 Bezug genommen.

Gegen den ihr am 24.10.2023 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 06.11.2022 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nichtanwendung des Kartellvergaberechts sei eine Frage der materiellen Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Die Frage sei zudem zu bejahen. Zwar liege mangels Betriebsrisiko keine Dienstleistungskonzession vor, entgegen der Auffassung der Vergabekammer sei jedoch ein klarer Beschaffungsbezug für einen Dienstleistungsauftrag gegeben, weil der Pachtvertrag dem Pächter – auch unter Berücksichtigung der Verordnung über Camping- und Wochenendplätze (CWVO M-V) – zahlreiche pachtuntypische Leistungen auferlege. Dies betreffe etwa die aus dem Zweck der Erhaltung der Dauercampingplätze folgende Betriebspflicht, Rückbauverpflichtungen, Gästeinformationen hinsichtlich des Verhaltens im Nationalpark, die Etablierung von Betreuungs- und Bildungsangeboten, die Mitwirkung im Nationalpark (z.B. Unterstützung der Nationalparkziele, Partnerprojekt, Layout beachten, Unterbringung im Freiwilligenmanagement, nationalparkfreundliche Mediengestaltung), die Mitwirkung am Nationalpark-Info-Netzwerk und Mitarbeiterschulungen. Bei dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen stehe die Geldeinnahme gerade nicht deutlich im Vordergrund, sondern die naturschutzkompatible Nutzung und die Verhinderung der Schließung der Fläche, die künftige Reduzierung der Pachtfläche, den Schutz durch Zäune, einen Stellplatzplan, Verkehrslenkung, Umweltauflagen, Unterhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen. Es gehe um die Einhaltung der Ziele der Nationalparkverordnung und den damit verbundenen Umweltschutz. Die Antragsgegner würden für das Land Mecklenburg-Vorpommern Campingdienstleistungen gem. § 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V beschaffen und seien im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig. Das Betreiben eines Campingplatzes sei dabei auch zweifellos eine öffentliche Aufgabe, weil Campingtourismus für das Land Mecklenburg-Vorpommern eine hohe Bedeutung habe, insbesondere zur Förderung des Fremdenverkehrs. Mit den Verpflichtungen zur Verkehrslenkung, der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht und vor allem mit der Verpflichtung zur Information über den Nationalpark übertrage das Nationalparkamt eigentlich ihm obliegende Aufgaben auf den Betreiber des Campingplatzes, da Umweltbildung nach § 2 Abs. 6 BNatSchG eine Verpflichtung der Behörden des Bundes und der Länder sei.

Hinsichtlich etwaiger Vergabefehler rügt die Antragstellerin im Wesentlichen, die Beigeladene könne die Eignungsanforderungen nicht nachgewiesen haben, es sei eine nicht bekannt gemachte Abschichtung im Teilnehmerkreis vorgenommen worden, die Antragsgegner seien von den bekannt gemachten Zuschlagskriterien abgewichen, im Auswahlverfahren hätten wesentliche Vergabeunterlagen wie eine umfassende Leistungsbeschreibung und ein Vertragsentwurf gefehlt, es seien nicht bekannt gemachte Unterkriterien angewandt worden und das gesamte Verfahren leide an zahlreichen Transparenzmängeln.

Die Antragstellerin meint, im Fall der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags müsse der Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Greifswald, hilfsweise an das Landgericht Stralsund verwiesen werden. Es gehe um das “Ob” des Zuganges zu einer Pachtfläche für 25 Jahre. Dieses “Ob” des Zuganges sei nach der Zwei-Stufen-Theorie dem Verwaltungsrecht unterworfen. Entscheidend sei die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag der Antragstellerin darstelle, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage berufe. Es sei auf den Charakter des Rechtsverhältnisses abzustellen, aus dem der geltend gemachte Anspruch abgeleitet werde. Insoweit stütze sie ihre Zugangsansprüche auf die Pachtfläche zentral auf öffentlich-rechtliche Vorschriften und es bestehe ein Anspruch auf Beteiligung aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot). Der hierzu durchzuführende Ausschreibungs- und Auswahlvorgang sei ein hoheitlicher Vorgang, der öffentlich-rechtlichen Normen der Nationalparkverordnung unterliege. Der streitgegenständliche – öffentlich-rechtliche – Vertrag würde Rechte der Antragstellerin verletzten und wegen ihres grundrechtlichen Teilhabeanspruchs gemäß § 58 Abs. 1 VwVfG zur Wirksamkeit ihrer schriftlichen Zustimmung als betroffene Dritte bedürfen. Im Fall der Verweisung würde sie im entsprechenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht ausführen, dass sie weiter Rechtsschutz im streitgegenständlichen De-Facto-Verfahren begehre und ihre Anträge an die Systematik der VwGO anzupassen seien. Ihr Rechtsschutzbegehren bliebe inhaltlich jedoch das Gleiche: Die Antragsgegner sollten dazu verpflichtet werden, ein ordentliches (Verwaltungs-) Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Beteiligungsrechte der Antragstellerin durchzuführen.

Hinsichtlich des Verlängerungsantrags nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB führt die Antragstellerin aus, selbst wenn der Senat den Nachprüfungsantrag als unzulässig ansehe, sei die aufschiebende Wirkung zu verlängern, um den Erfolg im dann vor dem Verwaltungsgericht zu führenden Verfahren nicht von vornherein zu vereiteln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift und den Schriftsatz vom 13.11.2023 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. Der Beschluss der 3. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Oktober 2023 – 3 VK 5/23 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch das De-Facto-Vergabeverfahren “Vergabe von Campingbetriebsdienstleistungen und weitere Aufgaben im Gebiet des Antragsgegners zu 1 und der Antragsgegnerin zu 2 in ihren Rechten verletzt ist.

3. Den Antragsgegnerinnen wird untersagt, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen.

4. Der Senat verlängert gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer und damit das Zuschlagsverbot bis zur Entscheidung über die Beschwerde.

5. Hilfsweise für den Fall, dass der Senat über den vorstehenden Verlängerungsantrag nicht bis zum Ablauf der Frist des § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB zu entscheiden vermag:

Der Senat verlängert die aufschiebende Wirkung zunächst vorläufig bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB.

6. Hilfsweise: es wird festgestellt, dass geschlossene Verträge zwischen den Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam sind.

7. Den Antragsgegnerinnen werden bei Fortbestehen der Vergabeabsicht aufgegeben, ein unionsrechtskonformes Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats durchzuführen.

8. Hilfsweise: Der Senat wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit hin (vgl. § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB).

9. Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

10. Die Antragsgegnerinnen haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

11. Hilfsweise und vorsorglich für den Fall, dass der Senat der Auffassung der Vergabekammer über die Unzulässigkeit folgen sollte:

Der Senat verweist den Rechtsstreit unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Verwaltungsgericht Greifswald, hilfsweise an das Landgericht Stralsund.

Der Antragsgegner zu 1 beantragt,

die sofortige Beschwerde auf Kosten der Antragstellerin sowie den auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es fehle an einer Beschaffung. Das Betreiben eines Campingplatzes sei keine öffentliche Aufgabe und die Antragsgegner würden sich auch keinen Dienstleister beschaffen, der an ihrer Stelle den Campingplatz betreibe. Vielmehr gebe die Nationalparkverordnung nur den rechtlichen Rahmen für den Pachtvertrag vor. Die angeführten Nebenpflichten seien teilweise bereits nicht pachtuntypisch, im Übrigen insgesamt unbedeutend und nicht prägend im Sinn des § 111 Abs. 4 Nr. 1 GWB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeerwiderung verwiesen.

Die Beigeladene hält die Beschwerde ebenfalls für unbegründet. Hauptgegenstand des Vertrags sei die Pacht. Eine Beschaffung liege nicht vor. Hilfsweise fehle es an der Antragsbefugnis und einer rechtzeitigen Rüge. Die Rechte der Antragstellerin beeinträchtigende Vergaberechtsverstöße lägen ohnehin nicht vor. Die hilfsweise beantragte Verweisung komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die Antragstellerin ihr Rechtschutzziel außerhalb des Vergabenachprüfungsverfahrens gar nicht erreichen könne. Neues Vorbringen gebiete die allein unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie in Betracht kommende Verweisung nicht. Den vermeintlichen Ansprüchen aus öffentlichrechtlichen Erwägungen fehle zudem die erforderliche Anknüpfung zum Vergaberecht. Jedenfalls sei aber eine Eilentscheidung des Vergabesenats im Fall der Verweisung nicht möglich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme verwiesen.

II.

1. Der Senat hat zunächst das Passivrubrum berichtigt. An dem Verfahren vor dem Vergabesenat wie auch vor der Vergabekammer ist nach den §§ 162, 174 GWB der Auftraggeber beteiligt. Auftraggeber kann nach §§ 98, 99 GWB – bei Konzessionen in Verbindung mit § 101 Abs. 1 Nr. 1 GWB – nur ein Rechtsträger sein, nicht aber eine Behörde. Insoweit kann sich das Verfahren nur gegen das Land als Gebietskörperschaft im Sinn des § 99 Nr. 1 GWB richten, nicht aber gegen das Nationalparkamt.

Der so bezeichnete Antragsgegner zu 1 wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsvorschrift des Ministerpräsidenten vom 17. Dezember 2012 – StK 140 – 109.1 – (VV Meckl.-Vorp. Gl. Nr. 100 – 19) im gerichtlichen Verfahren und damit auch vor dem Vergabesenat durch den zuständigen Fachminister vertreten. Eine Weiterübertragung auf nachgeordnete Behörden ist in allgemeiner Form nicht erfolgt, eine Übertragung im Einzelfall ist nicht aufgezeigt.

2. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig (§§ 171, 172 GWB), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Denn der Nachprüfungsantrag ist – wie von der Vergabekammer zutreffend ausgeführt – bereits unzulässig.

a) Nach § 155 GWB ist der Vergaberechtsweg nur eröffnet, wenn es um die Erteilung eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession im Sinn der §§ 97 ff. GWB geht. Als Konzsession sieht die Antragstellerin das angestrebte Vertragsverhältnis mit Blick auf das fehlende Betriebsrisiko zu Recht selbst nicht mehr an. Aber auch ein öffentlicher Auftrag über die Beschaffung von Leistungen im Sinn des § 103 Abs. 1, Abs. 4 GWB liegt nicht vor.

aa) Der Pachtvertrag als solcher ist kein öffentlicher Auftrag. Während in Fällen der Nachfrage durch die öffentliche Hand die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB greift, fehlt es bei einem Auftreten als Anbieter eigener Leistungen – hier als Verpächter – bereits an einer Beschaffung. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht in Zweifel gezogen.

bb) Auch die in Aussicht genommenen zusätzlichen Verpflichtungen des Pächters rechtfertigen eine Einordnung des Vertragsverhältnisses als öffentlicher Auftrag nicht.

Dabei kann ein öffentlicher Auftrag im Zusammenhang mit der Überlassung eines Grundstücks durch einen öffentlichen Auftraggeber ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn der Vertragspartner zugleich Bau- oder andere Verpflichtungen übernehmen soll, an denen die öffentliche Hand ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat. Allerdings liegt auch dann der Beschaffungsvorgang nicht in dem grundstücksbezogenen Geschäft, sondern in dem Auftrag und den mit ihm verfolgten Zielen, deren Verwirklichung die Überlassung des Grundstücks dient. Auch die Verknüpfung der beiden Vorgänge ändert zunächst nichts daran, dass die Verpachtung selbst keine Beschaffung ist (Radu in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 107 GWB (Stand: 15.09.2022), Rn. 16). Die Behandlung des Gesamtauftrags bestimmt sich in diesen Fällen nach § 111 GWB.

Der Senat vermag der Bekanntmachung und dem weiteren Akteninhalt zunächst keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, die Antragsgegner würden den Betrieb des Campingplatzes als eigene Aufgabe im eigenen Interesse ansehen und unter ihrer Aufsicht einem Dienstleister übertragen, also entsprechende Dienstleistungen des Vertragspartners beschaffen wollen. Zwar besteht ein sogar verfassungsrechtlich verbürgtes öffentliches Interesse an Umwelt- und Naturschutz (Art. 20a GG). Auch mag das Land den Tourismus fördern. Dieser allgemeine Befund macht aber den Betrieb gerade dieses Campingplatzes ebensowenig zu einer öffentlichen Aufgabe wie die §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 6 VorpBoddenNatPV M-V und die Auflagen, bei dem Betrieb auch über die gesetzlichen Regelungen hinaus naturschutzrechtliche Belange zu wahren und bestehende Dauercampingplätze teilweise zu erhalten. Erst recht ist der Betrieb des Campingplatzes keine Aufgabe der Daseinsvorsorge.

Die Verringerung der Pacht- und Stellflächen während des laufenden Vertrags ist schon begrifflich keine Leistung des Pächters, sondern eine schlichte Begrenzung des Pachtvertrags.

Den in den Unterlagen zum Ausdruck kommenden Pflichten des Pächters fehlt weitgehend bereits der Beschaffungscharakter. Dies betrifft neben den allgemein formulierten Anforderungen an die wirtschaftliche Stabilität und die eingesetzten Arbeitskräfte insbesondere naturschutzrechtliche Vorgaben. Mit diesen beschaffen die Antragsgegner keine Dienstleistungen eines Auftragnehmers, sondern setzen – soweit sie nicht ohnehin bereits kraft Gesetzes gelten und dem Vertrag nur deklaratorische Bedeutung zukäme – nur die Rahmenbedingungen, unter denen aus ihrer Sicht ein zulässiger Betrieb des Campingplatzes im Naturschutzgebiet gewährleistet ist. Dies betrifft etwa die Gästeinformationen zum Verhalten und zu Lebensräumen im Nationalpark und Mitarbeiterschulungen, aber auch die Planung von Stellplätzen und Parkflächen.

Eine Beschaffung von Bau- und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag kann allenfalls hinsichtlich der Mitwirkung im Nationalpark, fester Bildungsangebote, der Unterbringung im Freiwilligenmanagement, der Einzäunung und des Rückbaus vorhandener Baulichkeiten anzunehmen sein. Konkrete Vorgaben lassen sich der Bekanntmachung und dem weiteren Akteninhalt insoweit indes nicht entnehmen und für die Umweltbildungsangebote hat der Antragsgegner zu 1 in der mündlichen Verhandlung klargestellt, diese würden von Rangern des Nationalparks übernommen. Auf dieser Grundlage kommt diesen Leistungen hinsichtlich des Gesamtvertrags kein prägender Charakter zu und ist nicht ansatzweise ersichtlich, sie könnten ihrerseits im Sinn des § 111 Abs. 3 GWB die Schwellenwerte überschreiten und dem Vergaberecht unterliegen. Dies betrifft insbesondere die mögliche Unterbringung von Freiwilligen etwa im Zusammenhang mit dem Bundesfreiwilligendienst, aber auch den Rückbau von Baulichkeiten, der sich offenbar insbesondere auf drei Kleinstgebäude, Wege und Leitungen bezieht. Dass die vorgelegten Konzepte darüber hinausgehende, den Schwellenwert überschreitende Leistungen enthalten und die Antragsgegner diese beauftragen möchten, macht auch die Antragstellerin nicht geltend.

b) Zwar macht die Antragstellerin zutreffend geltend, das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags sei nicht nur für die Eröffnung des Vergaberechtswegs, sondern auch für die Anwendung materiellen Vergaberechts und damit die Begründetheit relevant. Wie bei anderen doppelrelevanten Tatsachen genügt deshalb für die Zulässigkeit, dass ein Sachverhalt vorgetragen wird, der im Fall seiner Richtigkeit die Zulässigkeit begründete. Ob die vorgetragenen Umstände zutreffen, bleibt dann der Prüfung im Rahmen der Begründetheit vorbehalten. Der Senat hätte dann die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet ist. Eine Verweisung käme nicht in Betracht.

Hier fehlt es aber bereits an einem solchen Sachverhalt. Dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich – wie oben ausgeführt – gerade kein öffentlicher Auftrag entnehmen. Dann aber ist bereits die Zulässigkeit zu verneinen.

3. Angesichts der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags hat der Senat über den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag zu entscheiden und das Verfahren entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Landgericht in Stralsund zu verweisen.

a) Eine Verweisung des nicht statthaften Nachprüfungsantrags durch einen Vergabesenat an das Gericht eines anderen Rechtswegs kommt in entsprechender Anwendung des § 17a GVG grundsätzlich in Betracht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – XIII ZB 119/19 -, Rn. 11; Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -). Gründe der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes erfordern aber nur dann eine Verweisung, wenn der Rechtsuchende sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann. Nur in diesen Fällen hat der Vergabesenat bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg durch eine bindende Verweisung des Verfahrens entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu verhindern, dass eine Rechtsschutzlücke entsteht (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – XIII ZB 119/19 -, Rn. 18).

Hier hat die Antragstellerin ausdrücklich erklärt, ihr Rechtschutzbegehren hilfsweise im Verwaltungs-, höchst hilfsweise im Zivilrechtsweg weiterverfolgen und ggf. die Anträge entsprechend anpassen zu wollen. Ihr geht es darum, dass ein Vertragsschluss zwischen den Antragsgegnern und der Beigeladenen unterbleibt und die Antragsgegner zur Durchführung eines (Verwaltungs-) Vergabeverfahrens verpflichtet werden beziehungsweise die Verpflichtung festgestellt wird. Dies ist grundsätzlich auch im Verwaltungs- oder Zivilprozess möglich. Soweit mit dem Antrag zu 6 hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit des Zuschlags begehrt wird, stellt dies zwar eine Besonderheit des GWB-Vergaberechts dar und kann in dieser Form in einem anderen Rechtsweg nicht erreicht werden. Weil aber die Bedingung noch nicht eingetreten ist, wird auch dieser Hilfsantrag von der Verweisung umfasst, lediglich von der Bindungswirkung ist er ausgenommen (BGH, Urteil vom 12. März 2020 – I ZR 126/18 -, BGHZ 225, 59-90, Rn. 23; Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 17a GVG, Rn. 13a). Schließlich ergibt sich ein Ausschluss der Verweisung auch nicht daraus, dass die Antragstellerin zu den öffentlichrechtlichen Grundlagen ihres vermeintlichen Anspruchs erst mit der Beschwerde vorgetragen hat, weil die Vergabekammer eine Verweisung ohnehin nicht hätte aussprechen können und deshalb kein Anlass zu einem entsprechenden Vorbringen bestand und insoweit die Beschwerde auf neuen Vortrag gestützt werden kann.

b) Eröffnet ist der Zivilrechtsweg (§ 13 GVG), zuständig ist das Landgericht Stralsund (§§ 23, 71 GVG, 29 ZPO).

Die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs hängt davon ab, ob das streitige Rechtsverhältnis dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Für diese Zuordnung ist nicht das Ziel, sondern die Rechtsform staatlichen Handelns maßgeblich. Handelt der Staat privatrechtlich und wird der Vertrag in den Formen des Privatrechts vergeben, so ist grundsätzlich auch die betreffende Streitigkeit privatrechtlicher Natur. Umgekehrt ist prinzipiell der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn sich das staatliche Handeln in den Bahnen des öffentlichen Rechts vollzieht, der Vertrag also in den Formen des öffentlichen Rechts vergeben wird (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -). Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 – GmS-OGB 1/85 -, BGHZ 97, 312-317, BVerwGE 74, 368-373, Rn. 10 – 11). Nicht entscheidend ist dabei der Umstand, ob die öffentliche Hand im Vergabeverfahren öffentlich-rechtlichen Bindungen – etwa aus Art. 3 GG – unterliegt, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten. Ob und in welchem Umfang bei der Auswahl eines Vertragspartners durch die öffentliche Hand eine derartige Bindung besteht, ist keine Frage des Rechtswegs, sondern der zu treffenden Sachentscheidung. Das Zivilrecht wird insoweit als “Basisrecht” von den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bindungen überlagert, über die die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit zu entscheiden haben (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2007 – 6 B 10/07 -, BVerwGE 129, 9-20, Rn. 9).

Auf dieser Grundlage ergibt sich die Eröffnung des Zivilrechtswegs nicht bereits aus einer Selbstbindung des Auftraggebers durch freiwillige Unterwerfung unter vergaberechtliche Grundsätze (dazu Bock in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 40 VgV (Stand: 30.10.2023), Rn. 39 mwNachw.). Eine solche Selbstbindung ist in der Bekanntmachung durch Verweis auf die Nichtgeltung von Vergaberecht ausgeschlossen. Die Einordnung als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit ergibt sich aber nach Maßgabe der dargestellten Grundsätze daraus, dass das angestrebte Vertragsverhältnis dem Privatrecht zuzuordnen ist. Für die Regelung in einem öffentlichrechtlichen Vertrag ist nach den obigen Ausführungen kein Raum. Ob sich also aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot) ein Anspruch der Antragstellerin auf weitergehende und förmliche Beteiligung an der Verteilung des Pachtlands im Naturschutzgebiet ableiten lässt, ist von den Zivilgerichten zu klären. Die sogenannte Zweistufentheorie führt hier zu keiner anderen Beurteilung. Sie besagt nur, dass der Zugang zu einer öffentlichen Leistung wie Subventionen öffentlichrechtlich ausgestaltet sein kann, auch wenn die anschließende Umsetzung privatrechtlich erfolgt. Anders als bei Subventionen geht es hier aber nicht um Leistungen im öffentlichen Interesse (siehe oben) und gibt es keine Anspruchsgrundlage im öffentlichen Recht, die den Zugang regelt und den Streit darüber öffentlichrechtlich erscheinen lässt.

c) Der Senat entscheidet über die Verweisung ohne mündliche Verhandlung (§ 17a Abs. 4 Satz 1 GVG analog). Soweit im Zivilprozess bei Aufhebung des Prozessurteils und gleichzeitiger Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit durch das Berufungsgericht eine mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten wird (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 281 ZPO, Rn. 9, 11, 12), gilt das hier nicht, weil die Vergabekammer eine Verweisung gar nicht hätte aussprechen können und zudem – anders als im Zivilprozess – im Fall der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags eine mündliche Verhandlung nicht zwingend ist (§ 166 Abs. 1 Satz 3 GWB). Zur Frage der Verweisung hat der Senat mit der Eingangsverfügung ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

4. Die Verlängerung der kraft Gesetzes bis zum 21.11.2023 laufenden aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und damit des Zuschlagsverbots nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB kommt nicht in Betracht.

a) Über den Antrag hat der Senat jedenfalls deshalb zu entscheiden, weil er ausdrücklich auch für den Fall der Verweisung gestellt ist (weitergehend wohl OLG Naumburg, Beschluss vom 30. März 2022 – 7 Verg 2/22 -).

b) Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB hat der Senat in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Bei offenem Verfahrensausgang ist darüber hinaus das Beschleunigungsgebot und insbesondere zu beachten, ob gewichtige Belange der Allgemeinheit einen raschen Abschluss des Vergabeverfahrens erfordern (Senat, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 17 Verg 8/18 -; Beschluss vom 3. Februar 2021 – 17 Verg 6/20 -).

Hier fehlt es – wie oben ausgeführt – bereits an der Erfolgsaussicht. Raum, die aufschiebende Wirkung unabhängig davon zu verlängern, besteht nicht. § 173 GWB betrifft nur das während des laufenden Beschwerdeverfahrens und bis zur Entscheidung des Vergabesenats geltende Zuschlagsverbot. Eine solche Endentscheidung hat der Senat aber nicht mehr zu treffen. Für den eröffneten Zivilprozess greift die Regelung nicht. Ein Antragsteller trägt insoweit das Risiko der Wahl des zutreffenden Rechtswegs. Eine Rechtschutzlücke entsteht nicht, weil auch das zivilgerichtliche Verfahren Möglichkeiten des Eilrechtschutzes bietet.

5. a) Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des unselbstständigen Eilverfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB (dazu Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 173 Rn. 74; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 175 GWB (Stand: 21.09.2023), Rn. 91) hat der Senat nicht zu entscheiden, da sie als Teil der Kosten zu behandeln sind, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde (§ 17b Abs. 2 Satz 1 GVG analog). Lediglich die Notwendigkeit der Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter des Antragsgegners zu 1 ist für den Fall auszusprechen, dass durch das Zivilgericht die Erstattung seiner Aufwendungen ausgesprochen wird. Für die Antragstellerin und die Beigeladene ergibt sich die Notwendigkeit – sollte es hierauf nach der Kostenentscheidung ankommen – bereits unmittelbar aus § 175 Abs. 1 Satz 1 GWB.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und das Eilverfahren (dazu Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 173 Rn. 74) ist auf fünf Prozent der Bruttoauftragssumme festzusetzen (§ 50 Abs. 2 GKG). Dabei orientiert sich der Senat an der Laufzeit des angestrebten Vertrags, der jeweiligen Größe der Pachtflächen während dieser Zeit und dem von der Antragstellerin vorgeschlagenen Quadratmeterpreis.

b) Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sind demgegenüber nicht der Endentscheidung vorbehalten, weil es sich insoweit nicht um Kosten aus einem gerichtlichen Verfahren handelt. Die Antragstellerin hat diese Kosten nach dem Rechtsgedanken des § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG zu tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – X ZB 5/11 -), worüber bereits jetzt durch den Senat entschieden werden kann. Die Hinzuziehung anwaltlicher Vertreter durch den Antragsgegner zu 1 und die Beigeladene war notwendig.

OLG Düsseldorf zu der Frage der Geltung des Grundsatzes der Berücksichtigung eines Mitverschuldens auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung

OLG Düsseldorf zu der Frage der Geltung des Grundsatzes der Berücksichtigung eines Mitverschuldens auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Auftragnehmer haftet für Mängel der Leistung gemäß § 13 Nr. 3 VOB/B auch dann, wenn der Mangel auf die Leistungsbeschreibung/Planung des Auftraggebers zurückzuführen ist. Von seiner Haftung kann er sich befreien, wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht hat. Die fehlende Bedenkenanmeldung führt allerdings nicht zu einer alleinigen Haftung des Auftragnehmers, vielmehr gilt der Grundsatz der Berücksichtigung eines Mitverschuldens auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung. Insoweit hat auch beim Nacherfüllungsanspruch eine Abwägung zwischen der Fehlplanung des Auftraggebers und dem unterlassenen Bedenkenhinweis zu erfolgen ( § 254 BGB analog).

2. Für die Frage, welche Maßnahmen der Besteller zur Mängelbeseitigung für erforderlich halten durfte, kommt es auf eine verständige Würdigung eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Bauherrn im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung an, wobei es sich insgesamt um vertretbare Maßnahmen der Schadens- oder Mängelbeseitigung handeln muss. Der Auftragnehmer trägt das Risiko, dass im Rahmen der durch den Auftraggeber veranlassten Mängelbeseitigung auch Maßnahmen getroffen werden, die sich in nachträglicher Bewertung als nicht erforderlich erweisen. Gedanklich ist strikt zu trennen zwischen den hier in Rede stehenden Mängelbeseitigungsarbeiten und dem weiteren Streit über den Erfolg der Mangelbeseitigung.

3. Der Auftragnehmer wird von seiner Einstandspflicht für eine fehlerhafte Ausführung einer Schottertragschicht, die zu Setzungen geführt hat, nicht deshalb befreit, weil eine (den Beteiligten nicht bekannte) weitere Ursache im tieferen Untergrund die aufgetretenen Setzungserscheinungen begünstigt haben kann. Eine solche weitere Ursache führt jedenfalls hier auch nicht deshalb zu einer Mithaftung des Auftraggebers, weil es sich bei einem nicht erkennbaren Baugrundrisiko um seinen Risikobereich und damit seine Verantwortung handeln könnte.

VOB/B § 13 Nr. 3, § 4 Nr. 3; § 254 BGB

OLG Düsseldorf, 21. Zivilsenat, Urteil vom 19.03.2019, I-21 U 118/16

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 06.09.2016 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.757,45 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, 28.166,90 € als Mietausfallschaden “P. K.” an die H. K.. GmbH & Co. KG, O…straße , .. K.., – IBAN: … zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 42 % und die Beklagte zu 58 %.

Die Kosten des Streithelfers zu 1) trägt die Klägerin zu 42 %. Die Kosten der Streithelfer zu 2) bis 7) trägt die Beklagte jeweils zu 58 %. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der vollstreckende Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorfnach Lage der Akten am 26.02.2019durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht S-L, die Richterin am Oberlandesgericht M-E und die Richterin am Landgericht P..

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 06.09.2016 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.757,45 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, 28.166,90 € als Mietausfallschaden “P. K.” an die H. K.. GmbH & Co. KG, O…straße , .. K.., – IBAN: … zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 42 % und die Beklagte zu 58 %.

Die Kosten des Streithelfers zu 1) trägt die Klägerin zu 42 %. Die Kosten der Streithelfer zu 2) bis 7) trägt die Beklagte jeweils zu 58 %. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre Kosten jeweils selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der vollstreckende Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Mangelbeseitigungskosten und Schadensersatz aus einem im Frühjahr 2008 (21.04./08.05.2008) geschlossenen Vertrag.

Die Klägerin war im Jahre 2008 von der Streithelferin zu 7) beauftragt worden, im Containerterminal des K… Hafens ein neues Krangleis mit Unterbau und Pflasterung der angrenzenden Flächen herzustellen. Dieser Auftrag betraf nur den sogenannten Bauabschnitt I, eine 30 Meter lange Strecke, auf der der Kran zunächst nur aufgestellt wurde. Im Bauabschnitt II, der an beide Seiten des Bauabschnitts I anschloss, wurde die Kranbahn dann verlängert. Mit diesen Arbeiten war die Klägerin aber nicht von der Streithelferin zu 7) beauftragt.

Die Klägerin beauftragte ihrerseits die Beklagte am 08.05.2008 auf der Grundlage deren Angebots vom 17.04.2008 sowie des Verhandlungsprotokolls vom 21.04.2008 mit in diesem Zuge u.a. erforderlichen Betonschneide-, Erd- und Abbrucharbeiten. In dem von der Klägerin erstellten und dem vorgenannten Angebot zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis heißt es unter anderem in Z. 1.3.30. wie folgt:

Schottertragschicht 0/45 mm liefern und in den vorgenannten Graben einbauen und verdichten, Einbaustärke 70 cm, Einbaubreite 130 cm, EVN mindestens 120 MN/qm“.

In Z. 1.3.40. heißt es ferner:

              „Feinplanum Gründungsebene, Ev2= 45-60 MN/qm“.

Unter Z. 1.6  des Verhandlungsprotokolls vom 21.04.2008 wurde die Geltung der VOB Teil B und C in neuester Fassung vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten und des genauen Inhalts des Leistungsverzeichnisses sowie des Verhandlungsprotokolls wird auf die als Anlage K  2 zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen (Bl. 20ff.).

Die Beklagte stellte sodann die Schottertragschicht und das Schotterfeinplanum her. Die Arbeiten der Beklagten wurden von der Klägerin abgenommen und bezahlt. Nach Durchführung der vorgenannten Arbeiten durch die Beklagte wurden auf die Schottertragschicht und das Schotterfeinplanum anschließend Betonfertigelemente zur Aufnahme der Gleise der Kranbahn verlegt und die angrenzenden Flächen gepflastert. Diese Arbeiten erfolgten nicht durch die Beklagte.

Nach Inbetriebnahme der Kranbahn zeigten sich Schäden an den Betonschwellen. Überprüfungen ergaben, dass der Untergrund in Teilbereichen bis zu 4 cm abgesackt war. Die Klägerin zeigte der Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 23.07.2009 (Anlage K 3, Bl. 34) Mängel an unter Hinweis darauf, dass diese auf einen nicht ordnungsgemäß verdichteten Untergrund zurückzuführen seien. Zugleich forderte sie die Beklagte zur Beseitigung der Mängel bis zum 31.07.2009 auf und wies darauf hin, dass sie anderenfalls die Mängel auf Kosten der Beklagten beseitigen lasse.

Nachdem die Beklagte die Mängelrüge zurückgewiesen hatte, beauftragte die Klägerin den Streithelfer zu 2) (Geotechnisches Büro N.. M…)  mit der Überprüfung und der Gutachtenerstellung. Der Streithelfer zu 2) erstellte zwei Gutachten vom 19.11.2009 und 27.01.2010 (Anlagen K 4 und 5), in welchen er zu den festgestellten Mängeln, Mangelursachen und Folgeschäden sowie den erforderlichen Sanierungsarbeiten Ausführungen machte. Auf Grundlage dieser Feststellungen wurde im Folgenden die Sanierung ausgeführt. Dabei führte die Beklagte die zu ihrem damaligen Gewerk gehörenden Arbeiten selbst aus. Die Klägerin nahm weitere Vor- und Nacharbeiten entweder selbst vor oder ließ sie durch Drittfirmen ausführen. Die Sanierungsarbeiten dauerten vom 18.09. bis zum 22.10.2009.

Der Erfolg der Sanierung und die Frage, ob nach der Sanierung Mängel vorliegen und welche Ursachen diese haben, ist streitig und Gegenstand des zwischen der  Streithelferin zu 7) und der hiesigen Klägerin bei dem Landgericht Krefeld geführten Parallelverfahrens 5 O 482/13.

Mit Schreiben vom 29.01.2010 (Anlage K 8, Bl. 69) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 47.474,21 € binnen 20 Werktagen auf und setzte unter dem 26.02.2010 eine Nachfrist von zehn Tagen. Grundlage der Schadensberechnung war die als Anlage K 6 (Bl. 65) zur Akte gereichte Kostenaufstellung der Klägerin. Die Streithelferin zu 7) nahm die Klägerin mit Schreiben vom 11.03.2010 (Anlage K 10, Bl. 72f.) auf Zahlung eines Mietausfalls in Höhe von 37.555,86 € in Anspruch. Dieses Schreiben leitete die Klägerin am 18.03.2010 (Anlage K 11, Bl. 74) an die Beklagte weiter und forderte die Zahlung der Gesamtforderung bis zum 01.04.2010.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Arbeiten der Beklagten mangelhaft seien. Die Schottertragschicht habe nicht der geforderten Stärke von 0,67 m entsprochen. So habe die Schotterschicht meist nur eine Dicke zwischen 0,3 m und 0,33 m gehabt. An der Übergangsstelle von Bauabschnitt 1 zu Bauabschnitt 2 habe diese sogar null aufgewiesen. Ferner habe die Beklagte minderwertiges und ungeeignetes Material eingebaut, das andere Materialeigenschaften, eine unzureichende Gleichmäßigkeit und eine unzureichende Bruchfestigkeit besessen habe. Zudem habe die Beklagte die vorzunehmenden Verdichtungskontrollen nicht ausreichend durchgeführt. Dies sei ursächlich für die aufgetretenen Setzungen sowie für die an den Betonschwellen entstandenen Schäden gewesen. Ferner sei es hierdurch auch zu einer zusätzlichen Setzung der Kranbahnschwellen gekommen. Die von der Beklagten behaupteten Planungsfehler habe es ebenso wenig gegeben wie eine Bedenkenanzeige der Beklagten. Etwaige weitere Ursachen für die Setzungen seien für ihren Zahlungsanspruch unerheblich, da sie lediglich den Nacherfüllungsaufwand geltend mache. Dieser bestehe unabhängig von weiteren denkbaren Ursachen.

Für die Sanierung seien ihr Kosten von insgesamt 47.447,21 € netto entstanden, diese Kosten beträfen ausschließlich die Mängelbeseitigung. Ferner sei der Streithelferin zu 7) ein Mietausfallschaden in Höhe von 37.555,86 € während der Mängelbeseitigungsarbeiten entstanden. Der Kran habe an 34 Kalendertagen nicht genutzt werden können, weshalb der Streithelferin zu 7) insofern Mieteinnahmen in dieser Höhe entgangen seien.

Ursache für die streitgegenständlichen Setzungen seien ausschließlich die Ausführungsfehler der Beklagten, dagegen nicht eine etwaige ungenügende bauvorbereitende Baugrunduntersuchung, mangelhafte Planung oder Missachtung einer angeblichen Bedenkenanmeldung durch sie. Hätte die Beklagte entsprechend der Vorgaben des Zeugen M… die Verdichtungskontrollen durchgeführt, hätte sie Veranlassung gehabt, eine Bodenprüfung durchzuführen und einen Bodenaustausch vorzunehmen.

Die Streithelfer zu 2) – 6) haben sich ebenfalls im Wesentlichen darauf berufen, dass es nicht nur bei der Erstausführung der Beklagten zu erheblichen Ausführungsfehlern gekommen sei, sondern auch die Leistungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Sanierung mangelhaft gewesen seien. Der Ausführungsmangel sei zumindest mitursächlich für die Setzungen gewesen. Die Streithelferin zu 7) hat geltend gemacht, die Beklagte habe mangelhaftes Material verbaut; der von den Streithelfern zu 2) – 6) vorgegebene Bodenaustausch sei unzureichend gewesen; diese hätte eine Prüf- und Hinweispflicht getroffen, die bei Annahme ungeprüfter Werte verletzt sei; jedenfalls hätten sowohl die Klägerin als auch die Streithelfer zu 2) – 6) die präzisen Werte für die Radlasten spätestens im September 2008 gekannt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. ihr 47.447,21 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen,

2. weitere 37.555,86 € als Mietausfallschaden „P..-K…“ an die H… K… GmbH & Co.KG, O…straße , ..K…., Konto-Nr. …..zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Streithelfer zu 2) bis 7) haben sich diesen Anträgen angeschlossen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Streithelfer zu 1) hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte hat behauptet, dass sie für etwaige Mängel oder Schäden nicht verantwortlich sei. Ursache der Setzungen seien die ungenügende bauvorbereitende Baugrunduntersuchung, die entsprechend mangelhafte Planung sowie die Missachtung ihrer schriftlichen Bedenkenanmeldung gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B betreffend die Drainage gewesen. Mangels frühzeitiger Baugrunduntersuchung durch die Klägerin sei nicht erkennbar gewesen, dass sich unterhalb des Grundplanumniveaus eine Lehmlinse im Boden befunden habe. Dies habe auch während der Bauausführung nicht festgestellt werden können. Sie habe ohne Kenntnis dieses Umstandes die Arbeiten begonnen. Die auftragsgemäß geforderten Werte für die Verdichtung seien deutlich überschritten worden. Auch sei der eingebrachte Baustoff vertragsgerecht und geeignet gewesen, insbesondere habe das angelieferte und verbaute Material den vertraglichen Vorgaben und den erforderlichen bauphysikalischen Eigenschaften entsprochen. Schadensursächlich sei im Übrigen ein anderer Umstand gewesen, nämlich dass die Klägerin angeordnet habe, dass Drainagerohre seitlich der Krangleisschwellen in einem Abstand von jeweils 3 Meter eingebaut werden sollten, die als Entwässerung dienen sollten. Dies habe sie für bedenklich gehalten und deswegen entsprechend Meldung gemacht. Auch sei als Mitursache zu berücksichtigen, dass die Betonschwellen im ersten Bauabschnitt versetzt angeordnet worden seien, im zweiten Bauabschnitt mittig. Jedenfalls wäre der Schaden nicht entstanden, wenn die Klägerin ihre Bedenken nicht ignoriert hätte.

Soweit es die geltend gemachten Kosten anbelange, handele es sich zu einem erheblichen Teil um Sowiesokosten, die bei frühzeitiger Bodenuntersuchung und korrekter Planung der Klägerin ohnehin entstanden wären. Die geltend gemachte Kranmiete sei weder üblich noch angemessen. Ihr selbst seien im Rahmen der von ihr ausgeführten Sanierungsarbeiten Kosten in Höhe von 17.300,20 € entstanden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung zweier schriftlicher Sachverständigengutachten sowie einer ergänzenden mündlichen Anhörung des Sachverständigen gemäß Beweisbeschlüssen vom 30.08.2011, 18.03.2013, 30.08.2013 sowie 18.02.2016, wegen deren konkreten Inhalts auf Bl. 214 ff., Bl. 734 ff., Bl. 873 und Bl. 1443 ff. verwiesen wird. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F… vom 29.09.2012 (Bl. 407 ff.), das Sitzungsprotokoll vom 14.05.2013 (Bl. 773 ff.), das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. Fe… vom 10.07.2015 (Bl. 1092 ff.) und das Sitzungsprotokoll vom 14.04.2016 (Bl. 1495 ff.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 06.09.2016 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Klägerin habe bereits dem Grunde nach keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz von Sanierungskosten in Höhe von 47.447,21 €, und zwar weder als Schadensersatz aus § 13 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B noch als Aufwendungsersatz aus § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich nicht fest, dass die Arbeiten der Beklagten mangelhaft gewesen seien. Die beweisbelastete Klägerin habe nicht bewiesen, dass die von der Beklagten nachverdichtete Baugrundsohle nicht die geforderte Tragfähigkeit aufgewiesen habe. Der Sachverständige Dr. F…. habe hierzu keine Aussage mehr treffen können, weil eine später festgestellte unzureichende Tragfähigkeit keinen Rückschluss auf die ursprüngliche Situation zulasse; durch Wassereinwirkung könne sich dieser Zustand verändert haben.

Ferner sei nicht bewiesen, dass das von der Beklagten eingebaute RC-Material mangelhaft und ungeeignet gewesen sei. Vielmehr habe der Sachverständige Dr. F…. angeführt, dass das Material für die Verwendung geeignet gewesen sei; eine  geringfügige Überschreitung des zulässigen Feinkornanteils falle nicht ins Gewicht; im Übrigen habe die Materialzusammensetzung allenfalls untergeordnete Bedeutung; dass ein anderes Material als ausgeschrieben verwandt worden sei, sei insoweit ohne Einfluss. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich auch nicht feststellen, dass die Schottertragschicht nicht ausreichend verdichtet gewesen sei. Dies habe der Sachverständige Dr. F…. nicht sicher feststellen können, weil die Tragschicht durch den nachträglichen Einbau der Drainage vermutlich wieder aufgelockert worden sei.

Zwar ergebe sich nach den Ausführungen des Sachverständigen, dass die eingebrachte Schotterschicht nicht stark genug gewesen sei, was einen wesentlichen Mangel begründen würde. Allerdings sehe das Gericht den Beweis dennoch als nicht geführt an, weil die Feststellungen des Sachverständigen sich auf einen Zeitpunkt nach der Sanierung bezogen hätten. Eine weitere Aufklärung sei nicht erforderlich. Der Mangel müsse nämlich auch zu einem Schaden an der baulichen Anlage geführt haben. Es fehle insoweit an der Ursächlichkeit der zu geringen Schotterschicht für den eingetretenen Schaden. Die Beweisaufnahme habe diese Kausalität nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben. Zwar habe der Sachverständige Dr. F…. angegeben, dass eine Ursache für die eingetretenen Verschiebungen in der ungleichen Ausführung der Tragschicht liege. Wegen der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. lasse sich diese Kausalität aber nicht mit der entsprechenden Sicherheit feststellen. Der Sachverständige Dr. Fe…. habe nämlich angeführt, dass die in Auftrag gegebenen und ausgeschriebenen Leistungen nicht geeignet gewesen seien, eine Vertikalverschiebung zuverlässig zu verhindern. Der Sachverständige Dr. Fe…. habe in diesem Zusammenhang überzeugend ausgeführt, dass der ursprünglich entsprechend dem Auftrag vom 08.05.2008 vorgesehene Bodenaustausch, der Unterbau und die Krangleiskonstruktion die Setzungen nicht verhindert hätten. Durch die von der Klägerin am 08.05.2008 in Auftrag gegebenen und zuvor ausgeschriebenen Leistungen seien bereits kein ausreichend tiefer Bodenaustausch oder andere baugrundstabilisierende Maßnahmen beauftragt worden. Aus diesem Grunde hätten auch bei vertragsgerechter Ausführung der beauftragten Leistungen durch die Beklagte die Setzungen, die insbesondere auf den tiefen Baugrund zurückzuführen seien, nicht verhindert werden können. Insofern stehe fest, dass es auch dann, wenn die Beklagte die Schottertragschicht vertragsgemäß entsprechend den Vorgaben des von der Klägerin erstellten Leistungsverzeichnisses erbracht hätte, zu Verformungen und Setzungen gekommen wäre. Insofern sei es auch ohne Belang, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. nicht auszuschließen sei, dass das verwandte Material nicht der Ausschreibung entsprochen habe.

Eine Haftung der Beklagten sei selbst dann ausgeschlossen, wenn man dennoch eine Mitursächlichkeit der unzureichenden Schottertragschicht annehme und ein Verschulden der Beklagten bejahe. Jedenfalls sei eine Haftung der Beklagten wegen eines überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin ausgeschlossen, da diese als das Leistungsverzeichnis erstellendes Fachunternehmen für den nicht ausreichend tiefen Bauaushub und die fehlenden ausreichenden bodenstabilisierenden Maßnahmen verantwortlich sei. Eine Haftung der Beklagten für den Mietausfallschaden bestehe ebenfalls nicht. Dabei könne dahinstehen, ob die Klägerin zur Geltendmachung des Anspruches der Streithelferin zu 7) berechtigt sei. Denn auch dieser Anspruch scheitere daran, dass kein Mangel nachgewiesen sei, jedenfalls dessen Kausalität nicht festgestellt werden könne und letztlich ein haftungsausschließendes Mitverschulden der Klägerin vorliege.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.

Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe die Feststellungen des Sachverständigen Dr. F…. falsch gewertet. Dieser habe ausgeführt, dass eine unzureichende Tragfähigkeit vorliege, diese aber von drainagebedingten Wasseransammlungen unterhalb der Anschlusssohle negativ beeinträchtigt sein könne. Dies könne die Beklagte nicht entlasten, da diese Drainage Teil ihrer Leistungen gewesen sei. Das Schreiben der Beklagten vom 30.04.2008 (Bl. 124) habe sie nicht erhalten. Ferner habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die von der Beklagten eingebauten Materialien ein unterschiedliches Korngerüst aufgewiesen hätten und schon deshalb mangelhaft gewesen seien, weil sie nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprochen hätten. Soweit das Landgericht angenommen habe, die unzureichende Schottertragschicht sei erst nach Durchführung der Sanierungsarbeiten vorgefunden worden, sei dies nicht richtig. Der Sachverständige habe bei seinen Ausführungen auf die Dokumentation der Streithelferin zu 2) vom 19.11.2009 und die dort enthaltenen Fotos Bezug genommen. Diese Fotos stammten aber nicht vom 19.11.2009, was in der Tat nach den Sanierungsarbeiten gewesen wäre, sondern bereits vom 24.09.2009, als Schürfe zur Entnahme von Probenmaterial erstellt worden seien. Die Beweisaufnahme habe entsprechend ergeben, dass die Beklagte eine zu geringe Schottertragschicht hergestellt habe. Ferner stimme es nicht, dass es Voraussetzung für ihren Anspruch sei, dass ein schuldhaft verursachter Schaden an der baulichen Anlage eingetreten sei. Voraussetzung sei allein ein Mangel, für den ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik ausreichend sei. Hier bestehe ein Mangel schon darin, dass die Tragschicht zu dünn und nicht durchgängig aus dem vorgegebenen Schotter errichtet worden sei. Ob dieser Mangel für die Setzungen (allein) ursächlich gewesen sei, sei hingegen unerheblich. Da der Anspruch verschuldensunabhängig sei, komme auch ein überwiegendes Mitverschulden ihrerseits nicht in Betracht. Das Landgericht hätte weiter zur Höhe Beweis erheben müssen, wobei die Voraussetzungen des §§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorlägen. Zur Beseitigung der Schäden seien 47.447,21 € erforderlich gewesen. Hierdurch seien die festgestellten Schäden beseitigt worden.

Auch den Mietausfallschaden habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft nicht zuerkannt. Die unzureichende Dicke der Schottertragschicht sei jedenfalls für das Absacken der Kranschienen mitursächlich und schuldhaft von der Beklagten verursacht worden. Zum zu ersetzenden Schaden zähle auch der Mietausfall. Wegen des Ausfalls des Krans (34 Kalendertage) seien der Streithelferin zu 7) Mietausfälle in Höhe von 37.555,86 € entstanden.

Die Klägerin beantragt,

              das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 06.09.2016, Az. 12 U 33/10,

              aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

  1. ihr 47.447,21 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem

              Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen,

  1. weitere 37.555,86 € als Mietausfallschaden „P… K…“ an die H… K… GmbH & Co. KG, O…straße , .. Krefeld, – IBAN….– zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2010 zu zahlen.

Die Streithelfer zu 2) bis 7) schließen sich dem Antrag der Klägerin an.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe zutreffend die Haftung dem Grunde nach verneint. Der Sachverständige Dr. F…. habe eine unzureichende Tragfähigkeit der von ihr eingebrachten Schottertragschicht nicht bejaht, sondern mitgeteilt, dass diese durch drainagebedingte Wasseransammlungen negativ beeinträchtigt worden sei. Hierfür sei sie nicht verantwortlich. Sie habe zudem Bedenken angemeldet. Sie habe kein mangelhaftes Material verwandt. Eine eventuell geringfügige Überschreitung des zulässigen Feinkornanteils sei nicht relevant. Das Abflachen der Schottertragschicht zum Bauabschnitt 2 hin habe der Sachverständige nicht auf die Ursprungsleistung der Beklagten zurückführen können. Der Sachverständige habe wegen der erfolgten Sanierung die Verhältnisse nicht mehr selbst feststellen können. Außerdem habe der Sachverständige in seiner Anhörung klargestellt, dass die Fotos sich auf den Zustand nach der Sanierung bezogen hätten. Dass die Fotos den Zustand vor der Sanierung zeigten, werde bestritten. Zudem müsse der Sachverständige seine Feststellungen selbst vor Ort treffen und nicht anhand irgendwelcher Fotos. Unzureichende Tragfähigkeitskontrollen könnten ihr nicht vorgeworfen werden. Sie habe bereits erstinstanzlich umfassend zu den vom Streithelfer zu 1) durchgeführten Untersuchungen vorgetragen gehabt. Im Übrigen sei ein eventueller Mangel nicht kausal für den geltend gemachten Schaden. Vielmehr seien die von der Klägerin in Auftrag gegebenen und ausgeschriebenen Leistungen von Anfang an nicht geeignet gewesen, die eingetretenen Setzungen und Vertikalverschiebungen zu verhindern. Die Ursache für die ersten Setzungen sowie die nach der im Jahr 2009 erfolgten Sanierung eingetretenen neuen Setzungen liege in den tieferen Bodenschichten unterhalb des Aushubbereichs. So befänden sich im Lasteneintragungsbereich der Kranbahn Zwischenlagen und Linsen, deren Setzungspotential nur bei einem mehrere Meter tiefen Bodenaushub hätte beseitigt werden können. Insgesamt seien bei der Planung die Horizontallasten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nur so sei zu erklären, dass nach der Sanierung der gleiche Verformungsvorgang zu beobachten gewesen sei.

Hinsichtlich der ihr selbst im Rahmen der Sanierung entstandenen Kosten in Höhe von 17.300,20 € (Aufstellung Bl. 2047i) erkläre sie in Höhe des der Klägerin anzulastenden Mitverschuldensanteils die Aufrechnung.

Der Senat hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 13.06.2017, das Gutachten des Sachverständigen Dr. Fe…. vom 06.06.2018 und seine Anhörung am 11.12.2018.

In dem auf den 26.02.2019 bestimmten Verhandlungstermin ist die Beklagte säumig geblieben. Der Klägervertreter hat beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Zahlungsansprüche in Höhe von 20.757,45 € (Antrag zu 1) sowie weiterer 28.166,90 € (Antrag zu 2).

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 20.757,45 € aus § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VOB/B (wegen des Vertragsschlusses der Parteien im Jahr 2008 in der in diesem Jahr geltenden Fassung, die auch im Folgenden jeweils gemeint ist).

Die Parteien haben einen Werkvertrag geschlossen, wonach die Beklagte für die Klägerin im Bauabschnitt I Erd-, Betonschneide- und Abbrucharbeiten ausführen und nachträglich eine Drainage einbringen sollte. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart.

1.1

Das Werk der Beklagten war mangelhaft. Ein Werk ist gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit aufweist und den anerkannten Regeln der Technik entspricht bzw., wenn keine Beschaffenheit vereinbart ist, die nach dem Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit aufweist, sonst sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach Art des Werkes verlangen kann. Vorliegend ergeben sich die Mängel der Leistung der Beklagten aus der fehlerhaften Drainage, einer unzureichenden Tragfähigkeitsuntersuchung sowie einer zu geringen Schottertragschicht. Im Einzelnen:

1.1.1

Die Mangelhaftigkeit der Drainage folgt aus ihrer Ausführung als Querdrainage. Aufgrund dieser Querdrainage wurde Wasser in den zur Erzielung der notwendigen Tragfähigkeit verdichteten Untergrund geleitet mit der Folge, dass die Stabilität des Bodens geschwächt wurde. Hierdurch eignete sich das Werk der Beklagten nicht für die vorausgesetzte und übliche Verwendung, nämlich dazu, das Wasser sicher abzuleiten. Zusätzlich führte dies auch dazu, dass die von der Beklagten ausgeführten Erdarbeiten nicht die erforderliche dauerhafte Stabilität und Tragfähigkeit aufweisen konnten. Dies haben beide Sachverständige in ihren Gutachten bestätigt (Dr. F….: Bl. 440; Dr. Fe….: Bl. 1111).

Die Beklagte kann sich diesem Mangel gegenüber auch nicht darauf berufen, dass ihr die Ausführung der Drainage als Querdrainage von der Klägerin vorgegeben wurde. Gemäß § 13 Nr. 3 VOB/B setzt eine Haftung des Auftragnehmers voraus, dass das Werk des Unternehmers mangelhaft ist. Der Unternehmer haftet, dem Grundsatz der verschuldensunabhängigen Mängelhaftung folgend, auch dann, wenn der Mangel auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist. Sodann wird als Ausnahme von diesem Grundsatz der Befreiungstatbestand formuliert (BGH, Urteil vom 14. März 1996 – VII ZR 34/95, BGHZ 132, 189, 192; BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – VII ZR 45/04, BauR 2005, 1314, 1316 = NZBau 2005, 456 = ZfBR 2005, 667; Kapellmann/Messerschmidt-Weyer, VOB, § 13 Rdn. 59). Der Auftragnehmer haftet nicht, wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht hat. Der Auftragnehmer haftet demnach trotz eines Mangels seiner Leistung nicht, wenn er Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitgeteilt hat. Diese Regelungen in § 13 Nr. 3 und § 4 Nr. 3 VOB/B sind eine Konkretisierung von Treu und Glauben, die über den Anwendungsbereich der VOB/B hinaus im Grundsatz auch für den Bauvertrag gelten (vergleiche: Urteil des Senats vom 24. März 2015 – I-21 U 62/14 –, BGH, Urteil vom 08.11-2007 – VII ZR 183/05 –, BGHZ 174, 110-126; BGH, Urteil vom 29.9.2011 – VII ZR 87/11, alle zitiert nach juris).

Die Beklagte hat nicht beweisen können, dass sie ihrer Pflicht aus § 13 Nr. 3 VOB/B zur Prüfung und Bedenkenanmeldung nachgekommen ist. Da der Beklagten bereits nach ihrem eigenen Vortrag (berechtigte) Bedenken gegen die Art der Ausführung gekommen sind, war sie verpflichtet, diese bei der Klägerin anzumelden. Soweit die Beklagte behauptet, dass sie der Klägerin die schriftliche Bedenkenanzeige wie Blatt 124 der Akte übergeben habe, hat sie den Zugang dieses Schriftstücks nicht beweisen können (zur Beweislast vgl. BGH, Urteil vom 04.06.1973 VII ZR 112/71, BGH, Urteil vom 29.11.1973 VII ZR 179 / 71, Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 20. Auflage, Teil B § 4 Abs. 3, Rn. 20).

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Klägerin eine schriftliche Bedenkenanzeige zugegangen ist. Bereits der Geschäftsführer der Beklagten hat in seiner Anhörung nicht bestätigen können, dass eine schriftliche Bedenkenanzeige unmittelbar übergeben wurde. Er hat vielmehr ausgeführt, dass es zunächst zu einem Gespräche zwischen ihm und der Zeugin S… als Bauleiterin der Klägerin gekommen sei. Er habe der Zeugin S… gegenüber erklärt, dass er die vorgegebene Verlegung der Drainagerohre für fachlich nicht in Ordnung halte. Er habe sie darauf hingewiesen, dass durch die nachträgliche Verlegung der Rohre der Untergrund wieder aufgelockert werde und auch das Ableiten des Wassers in dieser Form fehlerhaft sei. Frau S… habe dennoch an der vorgegebenen Ausführungsart festgehalten. Am gleichen Abend habe er die vorgelegte schriftliche Bedenkenmitteilung verfasst und per Post abgeschickt. Er habe diese nicht persönlich abgegeben. Der Zeuge D… hat in seiner Aussage ein derartiges Gespräch auf der Baustelle bestätigt, zur Versendung der schriftlichen Bedenkenanzeige konnte er aus eigener Wahrnehmung aber keine Angaben machen. Die Zeugin S… hatte keine sicheren Erinnerungen an den Vorgang und konnte weder bestätigen noch ausschließen, dass es eine Bedenkenmitteilung gegeben hat. Der Zeuge L… gab an, dass ihm als Polier der Klägerin nichts von einer solchen Bedenkenmitteilung bekannt geworden sei. Der Zeuge S…. konnte zur Frage der Bedenkenanmeldung keine Angaben machen. Insgesamt waren die Aussagen der Zeugen daher zu der maßgeblichen Frage, ob der Klägerin eine schriftliche Bedenkenanzeige zugegangen ist, unergiebig. Die Beklagte ist insoweit beweisfällig geblieben.

Der Zugang einer solchen schriftlichen Bedenkenanzeige war vorliegend aber erforderlich, da ausweislich der Darlegungen des Geschäftsführers der Beklagten und des Zeugen D… die Bauleiterin der Klägerin trotz mündlichen Hinweises auf die Bedenken auf der Ausführung der Drainage bestanden haben soll, ohne hierfür eine Erklärung zu geben. In diesem Fall muss der Unternehmer noch einmal eindrücklich auf bestehende Gefahren und die Folgen der Nichtbeachtung der Bedenken hinweisen, insbesondere auch durch eine schriftliche Anzeige, damit dem Bauherrn diese Gefahren konkret vor Augen geführt werden.

Die fehlende Bedenkenanmeldung führt bezüglich dieser Mangelursache (fehlerhafte Drainage) allerdings nicht zu einer alleinigen Haftung der Beklagten. Der Grundsatz der Berücksichtigung eines Mitverschuldens gilt auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung (BGH, Urteil vom 18.12.1980 – VII ZR 43/80 –, zitiert nach juris). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1.4.1 verwiesen.

1.1.2

Die Leistung der Beklagten ist weiter wegen der unzureichenden Tragfähigkeit der Ausschachtungssohle als mangelhaft anzusehen.

Nach den Feststellungen der Sachverständigen ist davon auszugehen, dass der Untergrund für das zu erstellende Gewerk nicht hinreichend tragfähig war. So hat der Sachverständige Dr. F…. ausgeführt, dass eine Ursache für die Setzungen Probleme im Untergrund gewesen seien. Das vom Sachverständigenbüro M… erstellte Baugrundgutachten sei zunächst in Ordnung gewesen, da es den gültigen Standards entsprochen habe. Die Ausführungsplanung habe sich daher hieran ausrichten dürfen. Die mangelnde Tragfähigkeit des Unterbodens bei Antreffen von Kies / Sand könne optisch nicht immer erkannt werden und letztlich nur durch auf der Grabensohle ausgeführte Plattendruckversuche festgestellt werden. Verdichtungskontrollen auf der Schottertragschicht seien nicht geeignet, belastbare Erkenntnisse über die Tragfähigkeit des Untergrunds zu liefern.

Die Beklagte hat diese von ihr geschuldeten Untersuchungen nicht ausreichend durchgeführt. Ausweislich der Stellungnahme des Büros M… vom 28.04.2008 (Bl. 400) können nur zwei von der Beklagten ausgeführte Tragfähigkeitsuntersuchungen auf der Grabensohle nachvollzogen werden, welche beide im Anfangsbereich der Grube durchgeführt wurden. In dem von den Senkungen besonders betroffenen Bereich haben danach keinerlei Untersuchungen stattgefunden. Weitere Versuche wurden von der Beklagten zwar pauschal behauptet, aber auch auf den ausdrücklichen Hinweis des Senats nicht substantiiert dargelegt. Die Beklagte ist damit ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass bei einer solchen Untersuchung jedenfalls die unmittelbar an die Sohle angrenzende Lehmlinse, welche im Rahmen der ersten Sanierung bearbeitet wurde, hätte entdeckt werden können.

Ein Mitverschuldensanteil der Klägerin ist hinsichtlich dieses Mangels nicht ersichtlich.

1.1.3

Bezüglich der Dicke der Schottertragschicht ist der Senat davon überzeugt, dass die Beklagte im östlichen Bereich im Übergang zum 2. Bauabschnitt zu wenig Schotter eingebracht hatte.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen schuldete die Beklagte den Einbau einer 0,70 m starken Schotterschicht. Tatsächlich kamen in vielen Bereichen nur bis zu ca. 0,40 m zur Ausführung, im östlichen Übergangsbereich zum zweiten Bauabschnitt lief die Schotterschicht auf einer Länge von 1,5 bis 2 m auf 0 m aus.

Der Senat stützt seine Feststellungen auf die Aussagen der sachverständigen Zeugen M… und Plate sowie das Gutachten des Sachverständigen Dr. F….. Die Zeugen M… und Plate haben die von ihnen anlässlich der Sanierung durchgeführten Untersuchungen in den als Anlage K 4 (Bl. 35ff.) bzw. St 2 (Bl. 542ff.) vorgelegten Privatgutachten festgehalten. Auf diese Untersuchungen hat der Zeuge M… in seiner Vernehmung vom13.06.2017 (Bl. 1910ff.) Bezug genommen und ausgeführt, dass anlässlich der Sanierung Untersuchungen des alten Untergrunds durchgeführt worden seien. Bei diesen Untersuchungen hätten er und sein Mitarbeiter bei zwei unterschiedlichen Schürfen im mittleren Bereich des Bauabschnitts Mächtigkeiten des RC Materials von 38-41 cm bzw. von 35 cm festgestellt. Im Rahmen der Ausschachtungsarbeiten sei dann im Übergang zum 2. Bauabschnitt auf einer Seite festgestellt worden, dass dort keine Schotterschicht vorhanden gewesen sei. Der Zeuge Plate hat diese Angaben in seiner Aussage bestätigt. Er habe die Werte der ersten zwei Schürfe nicht selbst ermittelt, diese aber so mitgeteilt bekommen. Das Auslaufen der Schotterschicht an der östlichen Seite könne er selbst bestätigen. Am westlichen Ende habe die Schotterschicht demgegenüber ca. 0,7 m betragen. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen glaubhaften Angaben der Zeugen zu zweifeln. Diese haben ihre Angaben unter Bezugnahme auf die im Rahmen der Sanierung gefertigten Lichtbilder überzeugend erläutert. Der Sachverständige Dr. F…. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 29.09.2012 (Bl. 407ff.) die vorherigen schriftlichen Ausführungen der Zeugen als überzeugend und anhand der Dokumentation für nachvollziehbar erklärt. Es kann daher festgestellt werden, dass die Beklagte in erheblichen Teilen des Bauabschnitts eine zu dünne Schotterschicht eingebaut hatte.

Auch hinsichtlich dieses Mangels ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein Mitverschulden der Klägerin.

1.2

Eine Frist zur Mangelbeseitigung (§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) wurde mit Schreiben vom 23.07.2009 (Anlage K 3) gesetzt. Nach Fristablauf sind Mangelbeseitigungsarbeiten durchgeführt worden, wobei die Beklagte die in ihren Bereich fallenden Arbeiten selbst ausgeführt hat. Damit hat sie deutlich gemacht, dass sie nicht willens und in der Lage war, die weiteren durchgeführten Arbeiten selbst zu übernehmen.

1.3

Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten sind in Höhe von 35.413,75 € als erforderlich anzusehen.

Die Mangelbeseitigung erforderte vorliegend den kompletten Rück- und Neubau des Krangleises inklusive Drainage. Die Klägerin hat die ihr hierfür entstanden Eigen- und Fremdkosten in der als Anlage K 6 (Bl. 1849 f.) vorgelegten Aufstellung beziffert. Gegen die Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Kosten kann nicht eingewandt werden, dass die aufgewandten Kosten nicht zur nachhaltigen Mangelbeseitigung geeignet waren, da diese bei weiteren Schäden im tieferen Untergrund letztlich noch einmal aufgewandt werden müssten. Erforderlich sind die Maßnahmen und die hieraus resultierenden Kosten, die der Besteller bei verständiger Würdigung im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung für erforderlich halten durfte, wobei es sich insgesamt um vertretbare Maßnahmen der Schadens- oder Mängelbeseitigung handeln muss. Der Auftragnehmer trägt das Risiko, dass im Rahmen der durch den Auftraggeber veranlassten Mängelbeseitigung auch Maßnahmen getroffen werden, die sich in nachträglicher Bewertung als nicht erforderlich erweisen. Erstattungsfähig sind hiernach auch die diejenigen Kosten, die für eine erfolglose oder sich später als unverhältnismäßig teuer herausstellende Mängelbeseitigung aufgewendet wurden (vergleiche Urteil des Senats vom 07. Juni 2011 – I-21 U 100/10 –, zitiert nach juris; Ingenstau/Korbion-Wirth, VOB, 20. Auflage, Teil B, § 13 Abs. 5 Rn. 239). Für die Bewertung ist von der Sicht ex ante ausgehen. Vorliegend hat die Klägerin ein Sachverständigengutachten zur Frage der Ursache der Setzungen eingeholt. Da sie sich nach diesem gerichtet hat, durfte sie die entsprechenden Aufwendungen auch für erforderlich halten, zumal die Beklagte selbst an den Arbeiten ebenfalls beteiligt war.

Gedanklich ist daher strikt zu trennen zwischen den hier in Rede stehenden Arbeiten und dem weiteren Streit über den Erfolg der Mangelbeseitigung. Hier stehen zunächst nur die Mängel des Ausgangswerkes in Rede sowie die Kosten, die zu deren Beseitigung erforderlich waren bzw. von der Klägerin für erforderlich gehalten werden durften. Die Klägerin kann daher diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die für die Mangelbeseitigung an der Drainage und der Schotterschicht sowie zur Herstellung eines tragfähigen Untergrundes erforderlich waren.

Zur Höhe der erforderlichen Kosten im Einzelnen:

1.3.1

Die unter Ziffer 1.1 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten in Höhe von insgesamt 431,72 € (385,70 € (Bl. 1852) + 46,02 € (Bl. 1853f.)) für die allgemeine Baustelleneinrichtung werden in voller Höhe berücksichtigt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. eine Vielzahl von Kürzungen an den insgesamt geltend gemachten Kosten vorzunehmen sind und der Sachverständige deshalb eine anteilige Kürzung auch der für die Baustelleneinrichtung angesetzten Kosten vornehmen will. Aus der Art der vorgenommenen Kürzungen kann vorliegend aber nicht gefolgert werden, dass die Klägerin gravierende zusätzliche Arbeiten im Verhältnis zur Mangelbeseitigung hat ausführen lassen. Vielmehr beruhen die Kürzungen im Wesentlichen auf überhöhten Massen oder zu hohen Einheitspreisen. Die Baustelleneinrichtung selbst war für die Mangelbeseitigung mithin erforderlich.

1.3.2

Von den unter Ziffer 1.2 der Anlage K 6 (Demontage Gleisschwellen / Schienen) abgerechneten Positionen ist ein Gesamtbetrag in Höhe von 6.941,76 € als erforderlich anzusehen.

Dieser Betrag errechnet sich aus den Kosten für einen Hydraulikkran in Höhe von 756,- € netto (Rechnung Bl. 1864), den Kosten für eine Vibrationsplatte in Höhe von 45,15 € (Rechnung Bl. 1866) sowie anteiligen Kosten in Höhe von 6.140,61 € aus der Rechnung der Firma G… (Bl. 1855). Die Beklagte hat die Kosten für Kran und Vibrationsplatte bereits nicht substantiiert bestritten. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die mit Rechnung der Firma G… abgerechneten Kosten in Höhe von 6.140,61 € erforderlich und angemessen sind. Der Senat legt entsprechend der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. folgende Rechnungspositionen zu Grunde:

Ziffer

Änderung gegenüber der Rechnung

Betrag

1.01

 

1.582,35 €

1.02

 

78,33 €

1.03

Nicht erforderliche Leistung

1.04

39,4 m zu 15,94 €/m

628,04 €

1.05

 

765,16 €

1.06

 

765,16 €

1.07

8 Schwellen zu 76,- €

608,00 €

1.08

39,4 m zu 32,71 €/m

1.288,77 €

1.09

Einheitspreis 141,60 €

424,80 €

   

6.140,61 €


Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 06.06.2018 sowie seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 11.12.2018 (Bl. 2197) überzeugend ausgeführt, dass die Arbeiten in diesem Umfang zur Mangelbeseitigung erforderlich waren. Zu den Ziffern 1.01 und 1.02 der Rechnung hat er die Leistungen der Baustelleneinrichtung sowie der Herstellung von Trennschnitten als erforderlich angesehen und die Preise für angemessen erachtet. Einwendungen wurden von den Parteien hierzu nicht erhoben. Zur Ziffer 1.03 hat der Sachverständige ausgeführt, dass ein Schälen von Schienenstößen nur dann als erforderlich anzusehen wäre, wenn die unter Ziffer 1.02 abgerechneten Trennschnitte tatsächlich am Schienenstoß ausgeführt worden seien. Dies sei weder erkennbar noch plausibel. Dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten, die Position war daher zu kürzen. Hinsichtlich der Position 1.04 hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass für den Ausbau der alten Schienen nur eine Länge von 39,4 m statt der abgerechneten 48,7 m erforderlich gewesen sei. Für die Sanierung des ursprünglich 30 m langen Bauabschnitts sei der Ausbau von insgesamt 8 Schwellen mit einer Länge von je 4,8 Metern (insgesamt 38,4 m) erforderlich gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass in dem Bauabschnitt selbst 6 Schwellen mit einer Länge von 28,8 Metern (6 * 4,8 m) gelegen hätten. Für einen ordnungsgemäßen Anschluss an die angrenzenden Abschnitte sei der Ausbau jeweils einer weiteren Schwelle in den Anschlussbereichen erforderlich. Daher ergebe sich die Gesamtmenge von 8 Schwellen und damit eine Länge von 38,4 Metern. Darüber hinaus sei in beiden Übergangsbereichen ein Aufschlag von je 0,5 Metern gerechtfertigt, da die Schiene jeweils einige Dezimeter auf der liegen bleibenden Schwelle zu trennen gewesen sei. Insgesamt ergebe sich daher der von ihm angesetzte Wert von 39,4 Metern. Weitergehende Aufschläge seien nicht gerechtfertigt, der abgerechnete Preis von 15,94 €/m sei angemessen. Die Klägerin ist diesen Ausführungen des Sachverständigen nicht entgegen getreten. Die unter den Ziffern 1.05 und 1.06 abgerechneten Leistungen hat der Sachverständige unter der Prämisse als erforderlich angesehen, dass der Kranbetrieb fortgeführt worden sei. Hierfür habe er auf den Fotos Anhaltspunkte gesehen und die Kosten dementsprechend berücksichtigt. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Hinsichtlich der Ziffern 1.07 und 1.08 ist der Senat aus den Gründen wie zur Ziffer 1.04 den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. gefolgt und hat eine Anzahl von 8 Schwellen bzw. eine Länge von nur 39,4 Metern angesetzt. Zum Preis der unter Ziffer 1.07 abgerechneten Leistung hat der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, dass der abgerechnete Preis von 208,49 € pro Stück für das Aufnehmen und Verlegen der vorhandenen Schienen in keinem Verhältnis zu dem bei der Herstellung des Bauabschnitts von der Klägerin angebotenen Preis von 225,99 € pro Stück für Lieferung und Einbau neuer Schienen stehe. In seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige von diesem früheren Preis der Klägerin (225,99 €) Materialkosten (150,- €) in Abzug gebracht und dadurch einen Preis von 76,- € pro Stück für das Verlegen der alten Schienen ermittelt. Für die Ziffer 1.09 hat der Sachverständige den Einheitspreis nur bis zu einem Betrag von 141,60 € als noch angemessen angesehen. Einwendungen wurden hierzu nicht erhoben.

1.3.3

Für die unter Ziffer 2.1 der Anlage K 6 abgerechneten Eigenleistungen setzt der Senat einen Betrag in Höhe von 252,64 € an.

Die Klägerin hat nicht beweisen können, dass die von ihr geltend gemachten Arbeiten zur Herstellung der Sauberkeitsschicht die von ihr angesetzten Kosten in Höhe von 604,32 € (322,88 € + 281,44 €) verursacht haben. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierzu ausgeführt, dass die Herstellung der Sauberkeitsschicht zwar erforderlich gewesen sei, dafür aber ein Zeitaufwand von 4 Stunden beim Einsatz von zwei Mitarbeitern ausgereicht hätte. Die Stundensätze seien mit nur 35,56 € und 27,60 € anzusetzen, da die Stundensätze der Klägerin überhöht seien. Es sei darüber hinaus nicht erforderlich gewesen, neben einem Werkspolier einen Spezialbaufacharbeiter für diese Arbeiten abzustellen. Ausreichend sei der Einsatz eines Fachwerkers gewesen. Insgesamt ergebe sich daher für diese Arbeiten eine berechtigte Forderung in Höhe von 252,64 € (142,24 € + 110,40 €). Die Klägerin hat gegen diese Ausführungen keine Einwendungen erhoben. Der Senat schließt sich daher diesen überzeugenden Ausführungen an.

Die Klägerin hat weiter nicht beweisen können, dass die mit einem Betrag in Höhe von 944,25 € (504,50 € + 439,75 €) abgerechneten Betonsanierungsarbeiten erforderlich gewesen sind. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierzu ausgeführt, dass er den Umfang etwaiger Sanierungsarbeiten anhand der Aktenlage nicht beurteilen könne. Es sei zwar grundsätzlich vorstellbar, dass durch Demontage und Wiedereinbau Schäden an den Schwellen auftreten könnten. Dies sei aber nicht abstrakt zu beurteilen. Daher könne die Position nicht als erforderlich angesehen werden. Die Klägerin hat hierzu keine weitere Stellungnahme abgegeben; der Senat konnte diese Position daher nicht berücksichtigen.

1.3.4

Für die unter Ziffer 2.2 der Anlage K 6 abgerechneten Fremdleistungen setzt der Senat einen Betrag in Höhe von insgesamt 7.175,17 € an. Dieser Betrag setzt sich aus den folgenden Einzelpositionen zusammen:

 

Betrag

Beleg

Stahlbetonplatte, HSB Bau

2.421,32 €

Bl. 1870

Beton Sauberkeitsschicht

316,25 €

Bl. 1872

Beton Bodenplatte

2.691,00 €

Bl. 1873

Entwässerungssiebe

101,92 €

Bl. 1879

Drainagewinkel

58,64 €

Bl. 1880

Baustahlmatten

1.473,72 €

Bl. 1881ff.

4 Baustahlmatten

112,32 €

Bl. 1884

 

7.175,17 €

 


Der Sachverständige hat die abgerechneten Leistungen sämtlich als erforderlich angesehen und die Kosten als angemessen erachtet. Substantiierte Einwendungen wurden von den Parteien hierzu nicht erhoben. Soweit der Sachverständige die Rechnung der J… K… KG vom 23.10.2009 (Bl. 1873) mit einem Betrag von 2.591,00 € angesetzt hat, beruht dies ersichtlich auf der schlecht lesbaren Kopie. Von der Klägerin vorgetragen ist ein Betrag von 2.691,00 €, welcher sich auch als Summe der Einzelpositionen ergibt.

1.3.5

Die unter Ziffer 2.3 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten in Höhe von 508,76 € (Bl. 1885) für die Verlegung eines Fundamenterders wurden von der Beklagten nicht substantiiert bestritten und sind als erforderliche Mängelbeseitigungskosten zu berücksichtigen.

1.3.6

Die unter Ziffer 2.4 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten in Höhe von 320,45 € (Bl. 1889) für die Herstellung von Sollrissfugen hat der Sachverständige Dr. Fe…. in seinem Gutachten als erforderlich bestätigt. Einwendungen gegen diese Feststellungen des Sachverständigen hat die Beklagte nicht erhoben. Die Kosten werden daher berücksichtigt.

1.3.7

Für die unter Ziffer 2.5 der Anlage K 6 abgerechneten Pflasterarbeiten sind Kosten in Höhe von 10.196,18 € als für die Mangelbeseitigung erforderlich anzusehen.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass von den mit der Rechnung der Firma S… & V… abgerechneten Kosten in Höhe von 18.448,02 (Bl. 1891 ff.) ein Anteil von 10.196,18 € für die durchgeführte Mängelbeseitigung erforderlich war. Der Senat legt entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Fe…. folgende Rechnungspositionen zu Grunde:

Ziffer

Änderung gegenüber der Rechnung

Betrag

01

Nicht erforderlich

0,- €

02

76,80 lfm zu 9,80 €/m

752,64 €

03

76,80 lfm zu 9,60 €/m

737,28 €

04

84,80 lfm zu 5,60 €/m

474,88 €

05

 

119,20 €

06

 

15,60 €

07

 

103,20 €

08

Zusätzliche Leistung

0,- €

09

76,80 lfm zu 29,- €/m

2.227,20 €

10

115,20 m² zu 13,80 €/m²

115,20 m² zu 6,90 €/m²

2.384,64 €

11

Nicht erforderlich

0,- €

12

78 lfm zu 20,83 €/m

1.624,74 €

13/14

115,20 m² zu 15,25 €/m²

1.756,80 €

15

Nicht erforderlich

0,- €

16

Nicht erforderlich

0,- €

   

10.196,18 €


Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 06.06.2018 sowie seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 11.12.2018 (Bl. 2197) überzeugend ausgeführt, dass die Arbeiten in diesem Umfang zur Mangelbeseitigung erforderlich waren.

Die unter Ziffer 01 der Rechnung S… & V…. abgerechnete Räumung der Bearbeitungsfläche kann insgesamt keine Berücksichtigung finden. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat in seinem schriftlichen Gutachten zutreffend darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit einer solchen Räumung nicht nachvollziehbar sei. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des von der Klägerin dargelegten Bauablaufs. Danach begann die Firma S… & V…. erst nach den von der Beklagten und der Klägerin selbst ausgeführten Eigenleistungen sowie dem Einbau des Kranbahngleises. Insoweit wird Bezug genommen auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018. Aus welchem Grund zu diesem Zeitpunkt eine gesondert abzurechnende Räumung erforderlich gewesen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Insoweit könnte es sich dann allenfalls um verbliebene Materialien der Vorarbeiten gehandelt haben, welche von den beteiligten Unternehmen hätten entfernt werden müssen.

Zu den in den Ziffern 02 bis 04 vorgenommenen Kürzungen hat der Sachverständige insbesondere im Rahmen seiner mündlichen Anhörungen seine Berechnungen nachvollziehbar erläutert. Danach genügte für die Sanierung der Drainage die Bearbeitung einer Länge von insgesamt 76,80 m für zwei Drainagerohre. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, auf beiden Seiten sei für jedes Rohr ein zusätzlicher Übergangsbereich von 75 cm zu berücksichtigen und daher eine Mehrlänge von 3 m zu berechnen, hat der Sachverständige dies für überflüssig erachtet. Unter Bezugnahme auf die seiner Ansicht nach auszutauschenden 8 Schwellen (= 38,4 m, s.o. Ziffer 1.4.2) erläutert er, dass insoweit bereits an jedem Ende eine Schwellenlänge im Bereich des Übergangs zusätzlich berücksichtigt worden sei. Der engere Sanierungsbereich habe nur die Länge von 6 Schwellen betroffen, dies gelte auch für die Drainage. Die Erforderlichkeit der zusätzlichen Schwellen habe darauf beruht, dass bei einer Bodensanierung nicht exakt bis an eine Grenze herangearbeitet werden könne. Werde der Boden bis zum Ende einer Schwelle ausgehoben, sacke zwangsläufig die angrenzende Schwelle ab und müsse ebenfalls ausgebaut werden. Die Länge dieser zusätzlichen Schwelle genüge aber dann problemlos, um die parallel verlaufenden Drainagen ordnungsgemäß einzubauen. Ein weiterer Übergangsbereich sei nicht erforderlich, die abgerechneten 3 zusätzlichen Meter seien daher nicht zu berücksichtigen. Für die Position 04 (Rohre) seien ebenfalls nur die 3 m zu kürzen. Soweit die Position damit umfangreicher ausfalle als die Positionen 02 und 03, beruhe dies auf den Querverbindungen der Drainageleitungen zum Gleis. Der Senat schließt sich dieser umfassend erläuterten Begründung des Sachverständigen an.

Zu den Ziffern 05 bis 07 hat der Sachverständige die Leistungen als erforderlich und die Preise als üblich angesehen. Demgegenüber handle es sich bei den unter Ziffer 08 abgerechneten Kosten um eine zusätzliche und damit nicht erforderliche Leistung. Einwendungen hierzu wurden von den Parteien nicht erhoben. Die Ziffer 09 hat der Sachverständige sowohl hinsichtlich der Masse als auch hinsichtlich des Einheitspreises gekürzt. Die vorgenommene Kürzung der Masse beruht auf den gleichen Erwägungen wie zu den Ziffern 02 und 03. Als Preis hat der Sachverständige maximal 29,- € für üblich erachtet.

Für die unter Ziffer 10 der Rechnung abgerechnete Herstellung einer Tragschicht hatte der Sachverständige Dr. Fe…. in seinem schriftlichen Gutachten eine Fläche von nur 115,20 m² statt der abgerechneten 291,27 m² angesetzt. Während die Klägerin für die Berechnung von einer Länge von 39,90 m und einer Breite von 7,3 m (2 * 1,5 m Beton sowie 1,3 + 3 m Pflaster) ausging, legte der Sachverständige eine Länge von 38,40 m sowie eine Breite von nur 3 m für den gepflasterten Bereich zugrunde. Hinsichtlich der Berechnung der anzusetzenden Länge nimmt der Senat erneut Bezug auf die Ausführungen zu den Ziffern 02 und 03 dieser Rechnung. Die Frage der richtigen Breite wurde mit den Parteien ausführlich im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen erörtert. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierbei ausgeführt, dass grundsätzlich eine entsprechende Tragschicht erforderlich gewesen sei. Entgegen seinen schriftlichen Ausführungen sei eine solche Tragschicht auch im Bereich der Betonschwellen zu berücksichtigen. Diese sei aber in einer unterschiedlichen Stärke ausgeführt worden und habe nur im Bereich der Pflasterfläche eine Tiefe von 40 cm aufweisen können. Die neben dem Krangleis jeweils befindlichen Betonschwellen hätten bereits selbst eine größere Tiefe als das Pflaster gehabt, so dass in diesen Bereichen nur eine Tragschicht von 20 cm erforderlich gewesen sei. Für die Pflasterflächen sei maximal eine Breite von 3 m zu berücksichtigen. Er könne bereits im Ausgangspunkt nicht verstehen, aus welchem Grund die Klägerin auf der einen Seite 1,3 m und auf der anderen Seite 3 m berücksichtigt wissen wolle. Seiner Ansicht nach sei von der in der Mitte liegenden Schiene auszugehen. Anschließend an die jeweils 1,5 m breiten Betonschwellen sei dann noch ein Bereich von bis zu 1,5 m der Pflasterung von der Sanierung betroffen gewesen. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung der herzustellenden Baugrube und der hierfür erforderlichen Böschung. Für die Herstellung einer Tragschicht sei daher nur eine Breite von 6 m zu berücksichtigen,  wobei im Bereich der Betonschwellen nur eine 20 cm tiefe Schicht erforderlich gewesen sei. Für die anzusetzende Vergütung ist der Senat daher von einer 3 m breiten und 38,40 m langen Fläche (115,20 m²) mit einem Einbau von 40 cm und einer entsprechend großen Fläche mit nur 20 cm ausgegangen. Dementsprechend hat der Senat für die Fläche unterhalb der Betonschwellen einen reduzierten Einheitspreis von nur 6,90 €/m² angesetzt. Insgesamt ergibt sich für diese Position ein angemessener Preis von 2.384,64 €.

Den unter Ziffer 11 abgerechneten Abtransport von 4 lfm Betonkantsteinen hat der Sachverständige als nicht erforderlich angesehen, da diese Restmengen nicht nachvollziehbar abzugrenzen seien. Die unter Ziffer 12 abgerechnete Neulieferung von entsprechenden Steinen sei erforderlich gewesen, es habe aber eine Menge von 78 lfm genügt. Zu diesen Kürzungen hat die Klägerin nicht substantiiert Stellung genommen, der Senat ist daher den Feststellungen des Sachverständigen gefolgt.

Zu den verbleibenden Positionen 13 bis 16 betreffend alte und neue Pflastersteine hat der Sachverständige ausgeführt, dass nur die Arbeiten der Positionen 13 und 14 zu berücksichtigen seien, dann aber mit der insgesamt anzusetzenden Pflasterfläche von 115,20 m². Für die Berechnung der Fläche wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Zur Begründung hat der Sachverständige ausgeführt, dass allein durch die Sanierung kein Austausch der Pflastersteine erforderlich geworden sei. Etwaige Beschädigungen der alten Steine seien durch andere Ursachen entstanden. Als für die Sanierung erforderlich könne daher nur der Wiedereinbau der alten Steine angesehen werden. Hierfür sei ein Preis von 15,25 €/m² als noch angemessen anzusehen. Insgesamt ergibt sich daher für die Positionen 13 und 14 ein Preis von 1.756,80 €. Die Positionen 15 und 16 können keine Berücksichtigung finden.

1.3.8

Als im Rahmen der Mangelbeseitigung erforderliche Kosten sind weiter die Sachverständigenkosten des Büros M… in Höhe von insgesamt 9.217,30 € zu berücksichtigen (Ziffer 3.1 der Anlage K 6).

Die mit Rechnungen vom 19.11.2009 (Bl. 1898) bzw. 27.01.2010 (Bl. 1897) abgerechneten Kosten in Höhe von 7.057,30 € bzw. 2.160,- € sind im Wesentlichen für Maßnahmen der Bodenuntersuchung, die Ermittlung der Schadensursache, die Untersuchung des ausgebauten RC-Materials, die Erstellung eines Gutachtens sowie verschiedene Überprüfungen der Tragfähigkeit im Rahmen der Sanierung angefallen. Es handelt sich daher grundsätzlich um im Rahmen der Mangelbeseitigung erforderliche und erstattungsfähige Kosten. Soweit die Beklagte gegen die konkret angefallenen Kosten einwendet, dass die Anzahl der (Last-) Plattendruckversuche überhöht und die Untersuchung des ausgebauten RC-Materials unnötig gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin durfte sich insoweit auf die Vorgaben des von ihr eingeschalteten Privatsachverständigen verlassen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 03.11.2017 (Bl. 2048 ff.)

Anteilige Kürzungen an dieser Position sind nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Fe…. nicht vorzunehmen, da sie in keinem Zusammenhang mit denjenigen Arbeiten stehen, welche der Sachverständige Dr. Fe…. als nicht im Rahmen der Mangelbeseitigung erforderlich angesehen hat.

1.3.9

Die unter Ziffer 4.1 der Anlage K 6 abgerechneten Kosten der Bauoberleitung sind in Höhe von 369,77 € zu berücksichtigen. Der Senat hat insoweit die nach den obigen Ausführungen berechtigten Forderungen zu den Ziffern 1.1 bis 2.5 der Anlage K 6 (25.826,68 €) ins Verhältnis gesetzt zu den insoweit geltend gemachten Kosten (37.716,91 €). Die Kürzung der unter Ziffer 4.1 abgerechneten Kosten (540,- €) erfolgte entsprechend.

1.3.10

Insgesamt ergibt sich daher ein Betrag in Höhe von 35.413,75 € wie folgt:

Ziffer 1.1

431,72 €

Ziffer 1.2

6.941,76 €

Ziffer 2.1

252,64 €

Ziffer 2.2

7.175,17 €

Ziffer 2.3

508,76 €

Ziffer 2.4

320,45 €

Ziffer 2.5

10.196,18 €

Ziffer 3.1

9.217,30 €

Ziffer 4.1

369,77 €

 

35.413,75 €


Die Klägerin kann sich gegenüber den vorgenommenen Kürzungen nicht auf das zu ihren Gunsten bestehende Prognoserisiko berufen. Als Fachunternehmen, das die Arbeiten zunächst selbst ausgeführt hatte, kann sich die Klägerin nicht auf die fehlende Erkennbarkeit überhöhter Preise oder unnötiger Leistungen berufen. Vielmehr obliegt es dem Auftraggeber im Rahmen der Nachbesserung, die durchzuführenden Arbeiten sowie die beauftragten Unternehmen sorgfältig auszuwählen.

Hinsichtlich der von den Kürzungen betroffenen Positionen ist davon auszugehen, dass die Klägerin deren (teilweise) Unangemessenheit hätte erkennen können.

1.4

Der Anspruch der Klägerin ist um einen Mitverschuldensanteil in Höhe von 25 % zu kürzen, so dass ein Anspruch in Höhe von 26.560,31 € (75 % von 35.413,75 €) verbleibt.

1.4.1

Ein der Klägerin anzulastendes Mitverschulden ergibt sich aufgrund der fehlerhaft geplanten Drainage. Für die Haftung hinsichtlich dieses Mangels sind dabei die Fehlplanung der Klägerin und der unterlasse Bedenkenhinweis gegeneinander abzuwägen.

Hierfür ist die Regelung des § 254 BGB jedenfalls analog auch beim Nacherfüllungsanspruch zu berücksichtigen. Zwar gilt § 254 BGB unmittelbar nur für die Leistung von Schadensersatz. Als Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens ist er aber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch auf die werkvertragliche Nachbesserung anzuwenden. Insoweit muss sich der Auftraggeber den Umständen nach angemessen an den Mängelbeseitigungskosten beteiligen (BGH, Urteil vom 22. März 1984 – VII ZR 50/82 –, BGHZ 90, 344-354; BGH, Urteil vom 26.02.1981, VII ZR 287/79, NJW 1981, 1448, 1449 m.w.N.). Haften mehrere Unternehmer für Mängel ihrer Gewerke, welche nur einheitlich beseitigt werden können, haften sie insoweit als Gesamtschuldner (vergleiche BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – VII ZR 126/02 –, BGHZ 155, 265-273, zitiert nach juris; Ingenstau/Korbion-Wirth, 20. Auflage, Teil B § 13 Abs. 5 Rn. 378). Dies führt letztlich dazu, dass bei einer Mitverantwortlichkeit der Klägerin für den Mangel deren Verursachungsbeitrag (wie bei einem Gesamtschuldnerausgleich) der Beklagten gutzubringen ist. Dieser Grundsatz der Berücksichtigung eines Mitverschuldens gilt auch im Fall einer unterlassenen Bedenkenanmeldung (BGH, Urteil vom 18.12.1980 – VII ZR 43/80 –, zitiert nach juris). Grundsätzlich besteht die Tendenz, den Verursachungsbeitrag einer vermeidbaren Fehlplanung des Architekten schwerwiegender zu bewerten, als den „bloß“ unterlassenen Bedenkenhinweis des Auftragnehmers. Auch hat es der Bundesgerichtshof für möglich gehalten, dass das Gewicht des Planungsfehlers im Verhältnis zum Ausführungsfehler eines Bauunternehmers derart überwiegen könne, dass der Mitverschuldensanteil des Bauunternehmers ganz zurücktrete (BGH, Urteil vom 19.12.1968, VII ZR 23 / 66). Der BGH hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass die Verletzung von Prüf- und Hinweispflicht nicht bagatellisiert werden darf, weil diese in der Regel eine gewichtige Ursache für den Schaden am Bauwerk darstellen (BGH, Urteil vom 27.11.2008, VII ZR 206 / 06, BGH, Urteil vom 24.02.2005, VII ZR 328 / 03). Andererseits kann sich der Auftragnehmer bei unterlassenem Hinweis auf das mitwirkendes Verschulden des Auftraggebers und/oder seines Erfüllungsgehilfen dann nicht berufen, wenn er den fehlerhaften Plan ausführt, obwohl er erkennt, dass der Planungsfehler mit Sicherheit zu einem Mangel des Bauwerks führen muss. Auch dies gebietet der hier in der Grundlage maßgebende Gedanke von Treu und Glauben (so BGH NJW 1973, 518, BGHZ 90,344). (vergleiche Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 20. Auflage, Teil B § 4 Abs. 3, Rn. 84, 85).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sind die Verursachungsbeiträge der Parteien auf den Mangel der Drainage bezogen als gleichwertig anzusehen. Die fehlerhafte Planung der Klägerin stellt zunächst die grundlegende Ursache des Mangels dar. Die Beklagte als ausführendes Unternehmen hat aber wiederum aufgrund ihrer eigenen Fachkenntnis erkannt, dass die Art der Ausführung die gesamte Gründung in Gefahr bringen kann. Daher stellt es auch ein erhebliches Versäumnis dar, dieses nicht mitzuteilen. Hinsichtlich der weiteren von der Beklagten zu vertretenden Mängel ist ein Mitverschulden der Klägerin nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Mängel konnten die Sachverständigen keine eindeutigen Angaben machen. So hat der Sachverständige Dr. F…. in seinem Gutachten ausgeführt, dass sämtliche Mängel die Tragfähigkeit des Untergrunds für den Kran beeinträchtigt haben. Eine genaue Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge könne er nicht vornehmen, er sehe aber das Hauptproblem in dem fehlerhaften Drainagesystem. Der Senat folgt dieser Einschätzung des Sachverständigen. Es ist insbesondere nachvollziehbar, dass die dauerhaft fehlerhafte Ableitung von Niederschlagswasser zu einer Aufweichung des Bodens und damit einer Schwächung der Tragfähigkeit führt. Unter Anwendung des § 287 ZPO werden daher die Mängel in der Form gewichtet, dass dem Drainagemangel ein Verursachungsbeitrag von 50 % und den beiden anderen Mängeln, nämlich Schottertragschicht und fehlende Tragfähigkeitsuntersuchungen, ein Verursachungsbeitrag von jeweils 25 % zugeschrieben wird. Damit hat die Klägerin aufgrund ihres hälftigen Mitverschuldens für den Drainagemangel einen Anteil von 25 % an den Gesamtkosten zu tragen.

1.4.2

Eine weitere Kürzung der Ansprüche ist nicht wegen etwaiger zusätzlicher Probleme  im tieferen Untergrund gerechtfertigt.

Der Senat verkennt nicht, dass nach Ansicht der Sachverständigen eine weitere Ursache im tieferen Untergrund die aufgetretenen Setzungserscheinungen begünstigt haben kann. Hierfür spricht, dass auch nach der erfolgten Sanierung erneut Probleme aufgetreten sind. Dieser Umstand ändert aber nichts an der grundsätzlichen Haftung der Beklagten für die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Arbeiten bzw. die hierfür aufgewandten Kosten. Zum Zeitpunkt der durchgeführten Sanierung war den Beteiligten nicht bekannt, dass ein weiteres Problem im tieferen Untergrund bestehen könnte. Wie bereits ausgeführt, durfte sich die Klägerin daher aufgrund der von ihr veranlassten Untersuchungen darauf verlassen, dass die erkennbaren Mängel des Werks der Beklagten für die aufgetretenen Setzungen verantwortlich waren. Auch der später tätige gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. F…. hat – in Kenntnis möglicher weiterer Ursachen – als wesentliche (Mit-) Ursachen der Setzung die Art der Ausführung der Drainage und die fehlerhafte Ausführung der Schottertragschicht (Bl. 447 und 449) angesehen.

Letztlich bedarf die Frage der Kausalität der Mängel für die eingetreten Setzungen aber auch keiner abschließenden Entscheidung. Unabhängig vom Eintritt eines solchen Schadens war die Beklagte zur Beseitigung der von ihr verursachten Mängel verpflichtet. Diese Haftung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass im tieferen Baugrund ein zusätzliches und von allen Beteiligten zunächst nicht erkennbares weiteres Risiko bestand. Der Klägerin kann nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Fe…. insoweit kein Verschulden vorgeworfen werden. So hat der Sachverständige zwar ausgeführt, dass nach den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen die Planung von Anfang an nicht geeignet gewesen sei, die Setzungen zu verhindern. Gleichzeitig haben die Sachverständigen aber festgestellt, dass das Baugrundgutachten M… aus dem Jahr 2008 ordnungsgemäß erstellt worden war und das darauf gründende Leistungsverzeichnis entsprechend nicht zu beanstanden war.

Eine Mithaftung der Klägerin ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei einem nicht erkennbaren Baugrundrisiko um ihren Risikobereich und damit ihre Verantwortung handeln könnte. Unabhängig davon, ob dies im vorliegenden Fall so zu werten wäre, waren die Probleme im tieferen Baugrund nicht ursächlich für die von der Beklagten verursachten Mängel und die zur Mangelbeseitigung durchgeführten Maßnahmen. Eine andere Bewertung könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn bereits bei der ersten Sanierung die weitergehenden Probleme bekannt und mit behoben worden wären. Dies war aber nicht der Fall, ohne dass dies der Klägerin vorgeworfen werden könnte. Ein Grund, die Klägerin in einem weitergehenden Umfang an den Kosten der ersten Sanierung zu beteiligen, liegt damit nicht vor.

1.5

Der Anspruch der Klägerin ist in Höhe von 5.802,86 € im Wege des Vorteilsausgleichs zu kürzen

1.5.1

Der Beklagten sind im Rahmen der von ihr durchgeführten Sanierungsarbeiten als erforderlich anzusehende Kosten in Höhe von 16.290,42 € entstanden.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass von den mit der Anlage BB 4 (Bl. 2047i) abgerechneten Kosten in Höhe von 17.300,20 € ein Anteil von 16.290,42 € für die durchgeführte Mängelbeseitigung erforderlich war. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat die von der Beklagten abgerechneten Leistungen überwiegend für erforderlich erachtet und die Preise nicht beanstandet. Der Senat geht daher insoweit nur auf die problematischen Punkte ein.

Der Sachverständige hat die für die Planumsverdichtung anzusetzende Fläche mit überzeugender Begründung auf 105 m² reduziert. Die Beklagte hat ihre diesbezüglichen Einwendungen im Rahmen der mündlichen Anhörung fallen lassen. Für diese Position wurde daher nur ein Betrag von 220,50 € (statt 242,76 €, Differenz: 22,26 €) angesetzt. Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten die Kosten um 300,- € für den An- und Abtransport des Minibaggers gekürzt hat, folgt der Senat dieser Begründung nicht. Der Geschäftsführer der Beklagten hat im Rahmen der mündlichen Sachverständigenanhörung überzeugend geschildert, dass die zuletzt senkrecht ausgeführte Tieferschachtung nur durch einen in die Baugrube hineinfahrenden Minibagger hätte ausgeführt werden können. Der Sachverständige Dr. Fe…. hat hierzu zwar nachvollziehbar ausgeführt, dass diese Art der senkrechten Ausschachtung im konkreten Fall nicht fachgerecht gewesen sei und vielmehr mit dem vorhandenen Bagger eine von der Seite ausgeführte Ausschachtung mit Böschung richtig gewesen wäre. Gleichzeitig hat der Sachverständige aber die Behauptung der Beklagten bestätigt, dass bei diesem Vorgehen die Baugrube zusätzlich hätte vergrößert werden müssen, mithin erhebliche Zusatzkosten entstanden wären. Vor diesem Hintergrund ist eine Kürzung der für den Einsatz des Minibaggers angefallenen Kosten nicht gerechtfertigt. Auch hinsichtlich der im schriftlichen Gutachten wegen der unklaren Kubatur als fraglich bezeichneten Positionen für die Tieferschachtung besteht nach der Anhörung kein Anlass für eine Kürzung. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Ergänzungsfrage die der angesetzten Kubatur zugrundeliegenden Maße dargelegt. Diesen ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Der Sachverständige wiederum hat die Angaben für plausibel erachtet, auch wenn er deren Richtigkeit nicht mehr überprüfen konnte. Vor diesem Hintergrund hätte es der Klägerin oblegen, die von der Beklagten behaupteten Maße substantiiert zu bestreiten. Die Positionen Nachverdichtung des Kiesplanums (180,- €), Baggerstillstand (290,- €), Anlieferung Split (184,32 €) sowie Anlieferung Beton fein (333,20 €) hat der Sachverständige mit überzeugenden Begründungen als nicht erforderlich angesehen. Die Nachverdichtung des Kiesplanums sei nicht erforderlich, da in der vorherigen Position bereits das Verdichten des einzubauenden Kieses enthalten sei. Der Anlass für den Baggerstillstand sei nicht hinreichend nachzuvollziehen und daher nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Anlieferung von Split bzw. Beton könne er anhand der Abrechnung nicht zuordnen, wo diese Mengen eingebaut worden seien sollen. Zu einem denkbaren Einbau unterhalb der Kranbahnschwellen würden die abgerechneten Mengen nicht passen. Daher könnten diese Positionen keiner konkreten Mangelbeseitigungsmaßnahme zugeordnet werden. Gegen diese Feststellungen des Sachverständigen hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben, insbesondere keine weitergehenden Erläuterungen zu den Positionen abgegeben.

Unter Berücksichtigung der dargestellten Kürzungen des Sachverständigen in Höhe von 1.009,78 € (22,26 € + 180,- € + 290,- € + 184,32 € + 333,20 €) ergeben sich daher zu berücksichtigende Kosten der Beklagten in Höhe von 16.290,42 €.

1.5.2

In Höhe von 2.307,- € handelt es sich um von der Klägerin zu 100 % zu tragende Sowieso-Kosten. Hierbei handelt es sich um diejenigen Kosten, welche für die im Verhältnis zur ursprünglichen Sohle erfolgte Tieferschachtung angefallen sind. In diesem Zusammenhang sind Kosten in Höhe von 300,- € für den An- und Abtransport des Minibaggers, 177,- € bzw. 486,- € für die aufgenommenen 30m³ Lehmboden sowie 1.344,- € für den eingebauten Schotter angefallen, insgesamt 2.307,- €. Weitere Sowieso-Kosten sind weder ersichtlich noch von der Beklagten substantiiert dargelegt.

Hinsichtlich der restlichen Sanierungskosten in Höhe von 13.983,42 € haftet die Klägerin mit dem ihr anzulastenden Anteil von 25 %. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Dies entspricht einem Betrag von 3.495,86 €.

Insgesamt ergibt sich daher der vorzunehmender Vorteilsausgleich in Höhe von 5.802,86 €.

1.6

Es verbleibt daher ein berechtigter Anspruch der Klägerin in Höhe von 20.757,45 € (26.560,31 € – 5.802,86 €).

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weiter ein Anspruch auf Zahlung von 28.166,90 € als Schadensersatz an die Streithelferin zu 7) aus § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B zu.

2.1

Die Klage ist auch insoweit zulässig. Insbesondere ist die Klägerin zur Geltendmachung des Mietausfallschadens der Streithelferin zu 7) im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft berechtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine gewillkürte Prozessstandschaft eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung voraus. Ein solches ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage hat, und kann auch wirtschaftlicher Natur sein (BGH, Urteil vom 23. September 1992 – I ZR 251/90; BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – VII ZR 34/93; BGH, Urteil vom 10. November 1999 – VIII ZR 78/98; BGH, Urteil vom 13. November 2001 – X ZR 134/00; BGH, Urteil vom 13. Februar 2008 – VIII ZR 105/07; BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 124/11; BGH, Urteil vom 11. Mai 2016 – XII ZR 147/14). Vorliegend ist die Streithelferin zu 7) dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Außerdem hat sie sich dem Antrag gerichtet auf Zahlung an sie angeschlossen und die Klägerin jedenfalls damit zur Geltendmachung ermächtigt. Ein Interesse der Klägerin ist ebenfalls gegeben, da sie sich einem entsprechenden Anspruch der Streithelferin zu 7) ausgesetzt sieht.

2.2

Hinsichtlich des Vorliegens von Mängeln der Werkleistung wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1 Bezug genommen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen waren die Mängel mitursächlich für die Setzung des Gleises. Unabhängig davon handelt es sich bei dem geltend gemachten Mietausfall um denjenigen Zeitraum, welchen die Mangelbeseitigung in Anspruch genommen hat. Die Mangelbeseitigung wäre vorliegend – wie ausgeführt – aber auch unabhängig vom Eintritt des tatsächlichen Schadens erforderlich gewesen. Der Beklagten ist jedenfalls fahrlässiges Verhalten hinsichtlich der festgestellten Mängel vorzuwerfen. Im Wege der Drittschadensliquidation kann die Klägerin daher den Mietausfall der Streithelferin zu 7) geltend machen. Die Klägerin hat hierzu schlüssig dargelegt, dass der auf dem fraglichen Gleis eingesetzte Peiner-Kran sowie die zugehörige Fläche im Zeitraum der Sanierungsarbeiten tatsächlich vermietet gewesen seien und die Nutzung des Krans für den Zeitraum vom 18.09.2009 bis zum 22.10.2009 (35 Kalendertage) nicht möglich gewesen sei. Den errechneten Mietausfall in Höhe von 37.555,86 € hat die Klägerin anhand der mit der Mieterin vereinbarten Jahresmieten nachvollziehbar errechnet (vgl. Bl. 1960) und die entsprechende Erstattung durch Vorlage von Gutschriften (Bl. 1970 ff.) belegt. Der Anspruch der Klägerin ist um den Anteil ihres Mitverschuldens (25 %) zu kürzen, so dass sich ein berechtigter Anspruch in Höhe von 28.166,90 € ergibt.

Auf eine Haftungsbegrenzung wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 VOB/B kann sich die Beklagte nicht berufen. Diese hat durch den Einbau der zu dünnen Schottertragschicht jedenfalls gegen die vertraglichen Regelungen verstoßen (§ 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 b VOB/B). Die zu dünne Schottertragschicht, der Einbau der Drainage und die fehlenden Lastdruckversuche stellen zudem Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Technik dar (§ 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 2 a VOB/B).

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1 und 2, 288 Abs. 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, ist nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert wird auf 84.603,07 EUR festgesetzt.

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