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KanalBauVergabe

KanalBauVergabe

VK München u.a. zu der Frage, ob für den maßgeblichen Zugangszeitpunkt eines Angebots über Leistungen des Kanalbaus auf die Abrufbarkeit (bzw. Öffnungsmöglichkeit) der Angebotsdatei durch den Auftraggeber oder auf den vollständigen Upload der übermittelten Angebotsdaten auf den Server der genutzten Vergabeplattform abzustellen ist

vorgestellt von Thomas Ax

Ist der Schlusstermin für den Eingang der Angebote mit einem Datum und z.B. 10:00 Uhr Ortszeit angegeben, endet die Angebotsfrist “Punkt” 10 Uhr, d.h. um 10:00:00 Uhr, und nicht erst um 10:00:59 Uhr, d.h. mit Umspringen der Uhr auf 10:01(:00) Uhr (VK Bund, Beschluss vom 26.10.2016 – VK 1-92/16).

Ist der Schlusstermin für den Eingang der Angebote mit einem Datum und z.B. 10:00 Uhr Ortszeit angegeben, endet die Angebotsfrist “Punkt” 10 Uhr, d.h. um 10:00:00 Uhr, und nicht erst um 10:00:59 Uhr, d.h. mit Umspringen der Uhr auf 10:01(:00) Uhr (VK Bund, Beschluss vom 26.10.2016 – VK 1-92/16).

Bei einer Angebotsabgabe mit elektronischen Mitteln über eine eVergabeplattform ist für den maßgeblichen Zugangszeitpunkt eines Angebots nicht auf die Abrufbarkeit (bzw. Öffnungsmöglichkeit) der Angebotsdatei durch den Auftraggeber abzustellen, sondern auf den vollständigen Upload der übermittelten Angebotsdaten auf den Server der von der Antragsgegnerin genutzten Vergabeplattform.

Verzögerungen durch Bearbeitungsschritte der bereits eingegangenen Angebotsdaten wie Verschlüsselung und Umspeichern in den gesicherten Auftraggeberbereich auf der eVergabeplattform führen nicht zu einer faktischen Verkürzung der Angebotsfrist.

§ 312i Abs. 1 Satz 2 BGB ist für den Zugang des Angebots in einem elektronisch durchgeführten Vergabeverfahren nicht entsprechend anzuwenden.

Der Betreiber der eVergabeplattform ist auch hinsichtlich des Empfang der Angebotsdaten als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers nach § 278 BGB anzusehen.

Vergabekammer München, Beschluss v. 15.11.2021 – 3194.Z3-3_01-21-20

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin schrieb Leistungen des Kanalbaus, Wasserleitungsbaus, sowie Trassen für Lichtwellenleiter und Straßenbau in den Stadtteilen R…/ U… der Stadt P… im offenen Verfahren EUweit nach den Bestimmungen der VOB/A aus (Suppl. ABI. 2021/S …). In der Auftragsbekanntmachung vom 10.02.2021 wurde der Schlusstermin für den Eingang der Angebote auf den 11.03.2021, 10:00 Uhr bestimmt. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis.

2

Die Antragstellerin hat am 11.03.2021 ein Angebot abgegeben, für welches die Angebotsabgabe im System der Vergabeplattform mit 10:00:03 Uhr verzeichnet wurde. Dieses Angebot war preislich das Günstigste.

3

Mit Schreiben vom 19.03.2021 rügte die Antragstellerin das Submissionsergebnis, in welchem ihr Angebot als verspätet eingegangen geführt wurde, und gab an, dass die früheren Upload-Versuche auf Grund der Dateigröße von der Vergabeplattform zurückgewiesen worden seien. Die Vergabeunterlagen hätten jedoch keine Größenbeschränkung für die hochzuladenden Dateien enthalten. Auch bedeute die Abgabefrist 10:00 Uhr, dass erst der Eingang um 10:01 Uhr verspätet sei.

4

Am 22.03.2021 stellte die Antragsgegnerin eine Nachfrage an die Vergabeplattform, ob dieser für die Zeit des 11.03.2021 zwischen 09:30 Uhr und 10:00 Uhr Schwierigkeiten beim Hochladen von Daten bekannt seien und baten um Stellungnahme zu den Aktivitäten der Antragstellerin auf der Plattform in diesem Zeitraum sowie zu möglichen Problemen beim Upload von Daten. Mit Schreiben vom 23.03.2021 antwortete die Vergabeplattform, dass ihr zum fraglichen Zeitpunkt keine Probleme bekannt seien oder gemeldet worden wären, auch nicht von der Antragstellerin. Ferner gäbe es keine Größenbeschränkung für Angebotsdateien, der erste und einzige Zeitpunkt eines Eingangs eines Angebots der Antragstellerin sei in der Datenbank in ihrem System am 11.03.2021 um 10:00:03 Uhr vermerkt worden.

5

Mit Schreiben vom 26.03.2021 wurde die Antragstellerin gemäß § 134 GWB darüber informiert, dass ihr Angebot von der Wertung ausgeschlossen werde, da es nach Ablauf der Angebotsfrist eingegangen sei.

6

Nachdem der Rüge der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 01.04.2021 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

7

Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei.

8

Die Antragstellerin habe um 09:34 Uhr erstmals versucht ihr Angebot mit einer Dateigröße von 160 MB auf die Vergabeplattform hochzuladen. Dieser erste Versuch sei jedoch gescheitert, die Vergabeplattform habe die Fehlermeldung ausgegeben, dass die Datei zu groß sei. Danach habe man das Leistungsverzeichnis in drei Teile aufgeteilt und eine neue ZIP-Datei mit 160 MB erstellt und um 09:53 Uhr einen zweiten Versuch gestartet die Datei auf die Vergabeplattform hochzuladen. Auch dieser Versuch sei gescheitert und von der Vergabeplattform erneut mit der Fehlermeldung, dass die Datei zu groß sei, zurückgewiesen worden. Laut Log der Firewall der Antragstellerin sei diese Datei um 09:57 auf dem Vergabeportal eingegangen, denn nur bei vollständiger Übertragung, wenn alle Datenpakete von der empfangenden Stelle quittiert worden seien, würde von der Firewall der Antragstellerin wie hier der Status mit „OK“ vermerkt.

9

Um 09:59 Uhr sei ein dritter Versuch erfolgt, hierfür habe man eine Datei mit einer Größe von etwa 32 MB erstellt. Die Firewall der Antragstellerin habe den Zugang auf der Vergabeplattform um 10:00:08 Uhr vermerkt. Der Zugang sei damit fristgerecht erfolgt.

10

Die Antragstellerin trägt vor, dass in der Bekanntmachung unter Ziffer IV.2.2) zum Schlusstermin für den Eingang der Angebote nur der Tag und als Zeitpunkt „Ortszeit:10:00 Uhr“ angegeben gewesen sei. Eine Vorgabe, dass die Angebote um Punkt 10:00 Uhr und 00 Sekunden eingegangen sein müssten, sei damit nicht erfolgt. Aus Sicht eines objektiven Bieters wäre damit erst ein Angebot, das um 10:01 Uhr einging, verspätet gewesen.

11

Zudem seien in den Vergabeunterlagen und der Auftragsbekanntmachung keinerlei Hinweise zu Beschränkungen bei den hochzuladenden Dateien enthalten gewesen. Über etwaige notwendige technische Parameter hätte die Antragsgegnerin jedoch gem. § 11a EU Abs. 3 Nr. 2 VOB/A die Bieter informieren müssen, da gerade im Bereich der Vergabe von Bauleistungen umfangreiche Unterlagen mit der Angebotsabgabe einzureichen seien. Entsprechende technische Einschränkungen seien der Antragstellerin auch aus den bisherigen Angebotsabgaben über dieses Vergabeportal nicht bekannt, so dass etwaige auf solchen technischen Einschränkungen beruhende Fehler nicht mehr dem Übermittlungsrisiko des Bieters zuzuordnen seien.

12

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 28.10.2021 nahm die Antragstellerin zu der Frage Stellung, zu welchem Zeitpunkt das Angebot zugegangen ist und damit als abgegeben zählt. Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass für den Zugang die zivilrechtlichen Grundsätze zur Abgabe einer Willenserklärung zugrunde zu legen seien. Gemäß § 130 BGB werde eine empfangsbedürftige Willenserklärung mit Zugang wirksam. Zugegangen sei eine Willenserklärung, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt sei und nach gewöhnlichen Umständen damit zu rechnen sei, dass sie zur Kenntnis genommen werden könne. Gemäß § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB sei für den Zugang entscheidend, dass der Empfänger unter gewöhnlichen Umständen die Erklärung abrufen könne. Die Beweisaufnahme habe gezeigt, dass das Angebot der Antragsgegnerin fristgerecht zugegangen sei und etwaige Verzögerungen nicht der Antragstellerin zugewiesen werden können. Der Upload der 32 MB großen Datei sei von der Antragstellerin um 09:59:35 Uhr gestartet worden und vor 10:00:00 Uhr vollständig auf den Servern der Antragsgegnerin eingegangen, da die Verarbeitung auf der Plattform nach Ende des Uploads bei einem Test der sachverständigen Zeugin mit einer etwa gleich großen Datei 7 Sekunden gedauert hätte. Unter Zugrundelegung der Ausführungen der sachverständigen Zeugin stehe daher fest, dass das Angebot der Antragstellerin, die Bestzeit aus dem Testsystem zugrunde gelegt, spätestens um 09:59:56 Uhr (= 10:00:03 Uhr abzüglich 7 Sekunden) die Firewall der Vergabeplattform passiert haben müsse und auf dem Webserver gespeichert worden sei. Damit sei das Angebot der Antragstellerin in den Machtbereich der Antragsgegnerin gelangt und damit zugegangen. Auf die weiteren Verarbeitungsschritte nach dem mit dem Speichern auf dem Webserver abgeschlossenen Upload käme es nicht an, insbesondere seien die Verschlüsselung und die Einstellung in die Datenbank zur Angebotseröffnung nicht mehr der Sphäre der Antragstellerin zuzuordnen.

13

Die Antragstellerin beantragt

1. Ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs. 1 GWB wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften bei der Ausschreibung der Antragsgegnerin zur Vergabe des Auftrags „Bauarbeiten Kanal-WV-LWL- Straße R…/U…“, gemäß Bekanntmachung vom 10.02.2021, Suppl. Zum EU-ABl. 2021/S …, wird eingeleitet.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurückzunehmen und die Angebotswertung unter Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen.

3. Hilfsweise: Der Antragsgegnerin wird untersagt, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen.

4. Der Antragstellerin wird Akteneinsicht gewährt.

5. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin.

6. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

14

Die Antragsgegnerin beantragt

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragsgegnerin trägt die Antragstellerin.

3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.

15

Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass der Ausschluss gerechtfertigt gewesen sei, da das Angebot der Antragstellerin um 10:00:03 Uhr verspätet eingegangen sei, die Frist sei um 10:00:00 Uhr abgelaufen. Die Vergabeplattform habe keine Größenbeschränkung für Dateien und könne die von der Antragstellerin behauptete Fehlermeldung nicht ausgeben. Wenn ein Bieter eine Angebotsdatei mit einer Dateigröße von knapp 32 MB in der allerletzten Minute vor dem Ablauf der Angebotsfrist auf die Vergabeplattform hoch lädt, dann müsse er damit rechnen, dass die Übertragungsdauer mehr als eine Minute betragen kann.

16

Auch der „OK“ Vermerk im Firewall-Log der Antragstellerin für den zweiten Versuch, das Angebot hochzuladen, sei kein Nachweis des früheren Zugangs der Daten auf der Vergabeplattform, sondern belege lediglich, dass ein Datenpaket mit einer Gesamtgröße von 160 MB die Firewall der Antragstellerin passiert habe. Der Betreiber der Vergabeplattform selbst habe dazu auf Nachfrage der Antragsgegnerin angeben, dass der Status „OK“ aus dem Firewall-Log der Antragstellerin nicht nachvollzogen werden könne, er sei jedenfalls keine Rückmeldung der Vergabeplattform und scheine ein interner Vermerk der Netzwerkarchitektur der Antragstellerin zu sein.

17

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 02.11.2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie nach der mündlichen Verhandlung der Auffassung sei, dass es den von der Antragstellerin behaupteten ersten Abgabeversuch gegen 09:34 Uhr nie gegeben habe. Damit habe die Antragstellerin erst gegen 09:57 Uhr den ersten Abgabeversuch gestartet. Die im Nachprüfungsantrag getroffenen Aussagen zum Abgabeversuch um 09:34 Uhr und den vermeintlichen Fehlermeldungen sollten wohl dazu dienen, den Eindruck zu vermeiden, die Antragstellerin habe ihre Obliegenheiten verletzt und erst zu spät mit der Angebotsabgabe begonnen. Der OK-Vermerk der Firewall der Antragstellerin belege jedoch lediglich, dass diese Daten die Sphäre der Antragstellerin verlassen hätten, nicht jedoch, dass sie ordnungsgemäß und vollständig bei der Vergabeplattform angekommen seien und dort hätten weiterverarbeitet werden können. Die von der Antragstellerin behauptete angezeigte Fehlermeldung, dass die übertragene Datenmenge zu groß sei, sei im System gar nicht angelegt und könne daher so gar nicht ausgegeben worden sein.

18

Der Zugang eines Angebots richte sich nach § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB zudem nicht nach dem Eingang einer Datei auf irgendwelchen Servern von Providern, die ein Unternehmer benutzt, um elektronischen Geschäftsverkehr abzuwickeln. Auch wenn der Provider unstreitig als Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB anzusehen sei, käme es darauf jedoch gar nicht entscheidend an. Diese Erfüllungsgehilfen seien nicht mit einer Empfangsvollmacht dergestalt ausgestattet, dass der Zugang der Willenserklärung auf ihren Servern dem Unternehmer i.S.d. § 166 BGB zugerechnet werden könne. Sie fungierten als rein technische Boten, sodass der Zugang jedweder Bestellungserklärung erst mit der Kenntnisnahmemöglichkeit des Unternehmers angenommen werden kann. Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass der Unternehmer seine Serviceprovider selbst ausgewählt habe und die bestellenden Kunden keine andere Möglichkeit hätten, als diese Provider zu benutzen. Rechtlich streng zu unterscheiden sei die Frage des Zugangs in den Machtbereich von der Frage einer schuldhaften Zugangsvereitelung. Die herrschende Meinung sieht ganz klar vor, dass die abrufbare Speicherung den maßgeblichen Zugangszeitpunkt darstellt. Eben dieser Zeitpunkt werde von der Plattform völlig korrekt als Zugangszeitpunkt mit einem Zeitstempel versehen. Um die Anforderungen des § 10 VgV an die elektronischen Mittel erfüllen zu können, schreibe der öffentliche Auftraggeber zudem die Regel vor, dass die Bieter eine bestimmte Plattform verwenden müssten und dass die Angebote verschlüsselt zu übermitteln seien. Die Verschlüsselung solle den vorfristigen Zugriff auf die Angebote einerseits ausschließen und andererseits den ausschließlich berechtigten Zugriff sicherstellen. Der Auftraggeber habe also gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 VgV die Kompetenz, diese Vorgaben den Bietern innerhalb des Vergabeverfahrens zu machen. Mit der Verschlüsselung erfüllten die Bieter lediglich eine Vorgabe des Auftraggebers, wenn dieser vorschreibe, dass Angebote ausschließlich in elektronischer Form über eine vorgegebene Plattform einzureichen seien. Die Vorgabe der Verschlüsselung durch die Plattform sei hier lediglich ein „Service“ für die Bieter, da die Verschlüsselung quasi „automatisch“ für die Bieter mit erledigt werde, ohne dass die Bieter dies eigenhändig bewerkstelligen müssten, was die meisten Bieter auch technisch überfordern dürfte.

19

Mit Beiladungsbeschluss vom 14.04.2021 wurde die Beigeladene beigeladen.

20

Die Beigeladene beantragt

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen wird für notwendig erklärt.

3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen werden der Antragstellerin aufgegeben.

4. Es wird beantragt der Beigeladenen Akteneinsicht nach § 165 GWB zu gewähren.

21

Die Beigeladene trägt vor, dass das Angebot der Antragstellerin zu spät eingegangen sei und deshalb zwingend ausgeschlossen werden musste. Aus der objektiven Empfängerperspektive könne die Vorgabe, wonach um 10:00 Uhr das Angebot spätestens einzureichen war, keinesfalls dahingehend interpretiert werden, dass auch ein Angebotseingang um 10:00:03 Uhr noch fristgerecht wäre. Die Vorgabe 10:00 Uhr bezeichne präzise einen Zeitpunkt und nicht einen Zeitraum von 10:00:00 Uhr bis 10:00:59 Uhr.

22

Zudem sei es der Antragstellerin selbst zuzuschreiben, wenn sie sehr große Dateien mit 160 MB erst wenige Minuten vor Ende der Angebotsfrist beginnt hoch zu laden. Auch bei schnellem Internetzugang sei nicht ausgeschlossen, dass es bei der Übertragung solch großer Datenmengen zu Problemen kommen könne, dass Verbindungen abbrechen oder eine Übertragung unvollständig oder gar nicht vollzogen werden könne.

23

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 02.11.2021 erklärte die Beigeladene, dass die nach § 54 Satz 1 VgV notwendige Kennzeichnung des elektronisch übermittelten Angebots durch die Vergabeplattform bei der Angebotsabgabe automatisch mit ausgeführt werde. Damit seien Datum und Uhrzeit des Datenempfangs durch den qualifizierten Zeitstempel genau bestimmbar und könnten manipulationssicher bestätigen, dass bestimmte Daten zum angegebenen Zeitpunkt vorgelegen hätten und das elektronische Dokument danach nicht mehr verändert worden sei. Zudem könnten Verzögerungen im Datenübertragungsprozess immer passieren, was sich die Antragstellerin hier zurechnen lassen müsse, da sie durch eine geordnete und rechtzeitige Übertragung hätte sicherstellen müssen, dass ihr Angebot verschlüsselt und öffnungsbereit bei der Vergabestelle vorliegt.

24

Mit rechtlichem Hinweis vom 16.06.2021 teilte die Vergabekammer mit, dass sie nach derzeitiger Rechtsauffassung davon ausgehe, dass es der Antragsgegnerin obliege darzulegen, dass das verspätete Hochladen des Angebots auf einem Nutzungsfehler und nicht auf einer Fehlfunktion der Vergabeplattform beruhe, sie sei gehalten dem Vortrag der Antragstellerin konkret und ausführlich entgegenzutreten. Dieser Aufforderung kam die Antragsgegnerin nach. Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin ergaben sich weitere Fragen für die Vergabekammer. Mit Schreiben vom 17.08.2021 forderte sie die Antragstellerin daher auf, zu bestimmten technischen Punkten Stellung zu nehmen. Die Aufklärung seitens der Antragstellerin erfolgte fristgerecht. Dennoch konnten nicht alle Fragen der Vergabekammer abschließend geklärt werden, weshalb die sachverständige Zeugin S., eine Mitarbeitern der Vergabeplattform, zur mündlichen Verhandlung geladen wurde.

25

In der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2021 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert und die geladene sachverständige Zeugin vernommen. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme.

26

Insbesondere wurde erörtert, zu welchem Zeitpunkt, das im dritten Versuch erfolgreich hochgeladene Angebot der Antragstellerin tatsächlich im Machtbereich der Antragsgegnerin eingegangen sei. Dabei wurde diskutiert, inwiefern die Vergabeplattform Erfüllungsgehilfe der Antragsgegnerin sei und ob der vollständige Zugang auf der Vergabeplattform deshalb maßgeblich für den Zeitpunkt des Zugangs sei, und nicht der Zeitpunkt, ab welchem die Antragsgegnerin Zugriff darauf habe. Die sachverständige Zeugin sagte aus, dass sie dazu einen Test auf ihrem Testsystem durchgeführt habe. Der Upload einer 32 MB Zip-Datei habe 4 Sekunden gedauert, die Verschlüsselung 1 Sekunde und die Bereitstellung der Datei im Sicherheitsbereich der Anwendung, worauf auch die Antragsgegnerin Zugriff habe, hätte 6 Sekunden gedauert. Insgesamt habe der Vorgang also 11 Sekunden gedauert. Die Vergabeplattform würde den Zeitpunkt des Zugangs aus praktischen Gründen erst dann verzeichnen, wenn das Angebot im Sicherheitsbereich der Anwendung bereitgestellt wurde und nicht schon nach dem Hochladen der Datei. Die sachverständige Zeugin bestätigte ferner, dass der Beginn des dritten Versuchs der Antragstellerin, das Angebot hochzuladen auf der Vergabeplattform, mit einem Eintrag aus dem Log der Vergabeplattform um 09:59:35 Uhr übereinstimmen könnte. Eine genaue Zuordnung, ob dieser Eintrag tatsächlich mit den Aktivitäten der Antragstellerin übereinstimmt und Angaben zum genauen Zeitpunkt, wann der Upload des Angebots abgeschlossen war, seien nicht mehr möglich. Darüber könnten lediglich die Prozesslogs Auskunft geben, diese lägen aber für den fraglichen Zeitpunkt nicht mehr vor, da sie routinemäßig nach fünf bis sieben Tagen gelöscht würden.

27

Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang auf Akteneinsicht sowie im Falle einer Verfahrenseinstellung auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.

28

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

29

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

30

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.

31

Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 5.350.000 Euro erheblich.

32

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.

33

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

34

Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

35

Die Antragsgegnerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch ihre Rüge und die Stellung dieses Nachprüfungsantrags geltend gemacht.

36

Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 GWB entgegen, da die Antragstellerin insbesondere innerhalb von 10 Tagen nach der Submission und dem dortigen Vermerk eines verspäteten Angebots gegenüber dem Auftraggeber die vermeintliche Verspätung der Angebotsabgabe gerügt hat.

37

1. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

38

Das Angebot der Antragstellerin ist nicht gem. § 16EU Nr. 1 VOB/A auszuschließen, da davon auszugehen ist, dass der wohl um 09:59:35 Uhr dritte Versuch der Angebotsabgabe rechtzeitig bei der Antragsgegnerin eingegangen ist. Auf Grund der Darstellung der sachverständigen Zeugin über den Ablauf der Angebotsabgabe muss die Vergabekammer davon ausgehen, dass der vollständige Upload und die Verschlüsselung des Angebots noch vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgten. Lediglich das notwendige Ablegen des verschlüsselten Angebots im Bereich der Antragsgegnerin auf dem Vergabesystem war erst knapp drei Sekunden nach Ablauf der Angebotsfrist abgeschlossen. Diese Bereitstellung im Bereich der Antragsgegnerin ist für eine Angebotseröffnung zwar notwendig, fällt aber hinsichtlich eines rechtzeitigen Zugangs des Angebots nicht mehr in die Risikosphäre der Antragstellerin.

39

2.1. Der Schlusstermin für den Eingang der Angebote war in der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer IV. 2.2.) mit 11.02.2021 und 10:00 Uhr Ortszeit angegeben. Damit endete die Angebotsfrist „Schlag“ bzw. „Punkt“ 10 Uhr, d.h. um 10:00:00 Uhr, und nicht erst um 10:00:59 Uhr, d.h. mit Umspringen der Uhr auf 10:01(:00) Uhr. Dies ergibt sich entsprechend §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont der Bieter. Danach ist eine Fristangabe wie hier das Ende der Angebotsfrist ein bestimmter Zeitpunkt im Sinne eines Schlusspunktes oder Termins, dessen Eintritt vorliegend den rechtzeitigen Eingang vom verspäteten Eingang eines Angebots trennt. Dieser Zeitpunkt bedarf daher einer genauen Bezeichnung, bis wann genau ein Angebotseingang noch rechtzeitig ist. Mit Bezeichnung dieses Zeitpunktes mit „10:00 Uhr“ im vorliegenden Verfahren ist dies aus Sicht eines objektiven Betrachters nur so zu verstehen, dass die Angebotsfrist bei Erreichen der Uhrzeit von „Punkt“ 10 Uhr endet (vgl. VK Bund, Beschluss vom 26.10.2016 – VK 1-92/16).

40

2.2. Für den maßgeblichen Zugangszeitpunkt des Angebots der Antragstellerin war nicht auf die Abrufbarkeit der Angebotsdatei durch die Antragsgegnerin abzustellen, sondern auf den vollständigen Upload der Angebotsdatei auf den Server der von der Antragsgegnerin genutzten Vergabeplattform.

41

2.2.1. Der Argumentation der Antragsgegnerin, es sei entsprechend § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB für den Zugang des Angebots in einem elektronisch durchgeführten Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt abzustellen, wenn die Parteien das Angebot unter gewöhnlichen Umständen abrufen können, kann nicht gefolgt werden.

42

Der § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB regelt die allgemeinen Pflichten im elektronischen Rechtsverkehr und knüpft die Frage des Zugangs an die Frage der Abrufbarkeit der Datei. Der Gesetzgeber hat damit Art. 11 Abs. 1, 2. Spiegelstrich der RL 2000/31/EG (e-commerce Richtlinie) umgesetzt. Im Bereich der e-commerce Richtlinie wird der Zugang erst mit der Möglichkeit, eine eingegangene Datei abzurufen, angenommen.

43

Diese Festlegung, die der Gesetzgeber im BGB für den Zugang von elektronischen Bestellungen getroffen hat, kann auf die Angebotsabgabe im Vergaberecht nicht übertragen werden. Die Konstellation bei einer Bestellung im elektronischen Rechtsverkehr, für die der § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB anwendbar ist, ist bereits nicht mit der Konstellation bei einer Vergabe vergleichbar, bei der der öffentliche Auftraggeber Leistungen ausschreibt und nicht eine Bestellung entgegennimmt und selbst eine Leistung erbringt. Auch die RL 2000/31/EG überschreibt den Artikel 11 ausdrücklich mit „Abgabe einer Bestellung“ und begrenzt ihn in Absatz 1 auf den Fall einer Bestellung.

44

Auch die drastische Rechtsfolge des zwingenden Ausschlusses eines verspäteten Angebots gem. § 16EU Nr. 1 VOB/A spricht gegen eine entsprechende Anwendung von § 312i Abs. 1 Satz 2 BGB. Während der Zeitpunkt einer Bestellung und der dazu gehörigen Empfangsbestätigung insbesondere für die Dokumentation der Vorgänge von Bedeutung ist und technisch bedingte Verzögerungen im Sekundenbereich regelmäßig keine rechtlichen Nachteile für eine der Parteien nach sich ziehen, ist dies im Vergaberecht völlig anders. Hier ist ein Angebot, das eine Sekunde vor Ablauf der Angebotsfrist eingeht, wertbar, während ein Angebot das eine Sekunde nach Ablauf der Angebotsfrist eingeht zwingend auszuschließen ist. Minimale technisch bedingte Verzögerungen können hier über Wertbarkeit oder Ausschluss entscheiden.

45

2.2.2. Ein Zugang eines Angebots nach § 130 BGB setzt den Übergang des Angebots in den Machtbereich des Empfängers und dessen Möglichkeit voraus, unter normalen Umständen Kenntnis von dem Angebot erlangen zu können. Der Erklärungsempfänger trägt damit die Gefahren seines Organisations- und Machtbereichs, also das Risiko, dass eine Erklärung an ihn nicht weitergeleitet wird, dagegen muss der Erklärende neben den Risiken aus seiner Sphäre und den Transportrisiken sicherstellen, dass die Erklärung dem Empfänger so nahegebracht wird, dass es nur noch am Empfänger liegt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Im Vergaberecht zielen die Regelungen der § 10 Abs. 1 Nr. 2, § 54 Satz 1 und § 55 Abs. 1 VgV gerade darauf ab, dass eine Kenntnisnahme vom Inhalt der elektronisch abgegebenen Angebote grundsätzlich erst nach Ablauf der Angebotsfrist für den Auftraggeber möglich sein darf. Ein direktes Abstellen auf die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Angebotsinhalt wäre im Vergaberecht daher nicht zielführend, da diese stets erst nach Ablauf der Angebotsfrist gegeben sein darf.

46

Für den Zugang eines Angebots auf einer Vergabeplattform ist daher auf den Eingang im Organisations- und Verantwortungsbereich des Auftraggebers abzustellen. Damit erfolgte der Zugang der Angebotsdatei der Antragstellerin im vorliegenden Fall mit dem vollständigen Upload der Datei auf dem Server des Vergabeportals und dem Auslösen des Vorgangs „Angebot verschlüsseln und im jeweiligen Auftraggeberbereich auf dem Vergabeportal ablegen“. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin die Möglichkeit, dass die von ihr verwendete Plattform die notwendigen Schritte zur Bereitstellung des verschlüsselten Angebots im Bereich der Antragsgegnerin ausführt. Die Antragstellerin hat auf diese Vorgänge keinerlei Einfluss mehr.

47

Im Falle der Verwendung elektronischer Mittel sind Interessenbekundungen, Interessenbestätigungen, Teilnahmeanträge oder Angebote dem Auftraggeber bereits „übermittelt“, wenn der Auftraggeber den Inhalt der Unterlagen lesen, speichern oder ausdrucken, das heißt dauerhaft wiedergeben und reproduzieren kann (Koch in Beck‘scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2019, VgV § 53 Rn. 12). Wenn der öffentliche Auftraggeber sich einer elektronischen Plattform bedient und den Bietern vorgibt, dass Angebote, Teilnahmeanträge, Interessensbekundungen und Interessensbestätigungen dort einzustellen sind, so genügt für den Zugang bereits das rechtzeitige Einstellen auf der Plattform, und zwar unabhängig davon, ob der öffentliche Auftraggeber die Erklärung ausdruckt oder auf seinem Computer speichert, unabhängig davon, ob er vom Inhalt der Erklärung Kenntnis nimmt und auch unabhängig davon, ob die Plattform auf seinen Servern befindlich ist oder an ganz anderer Stelle. Entscheidend ist, dass eine Lesbarkeit, Reproduzierbarkeit und Speicher- oder Ausdrucksmöglichkeit bei dem Empfänger gegeben ist (Verfürth in Kulartz/ Kus/ Marx/ Portz/ Prieß, VgV, 1. Aufl. 2017, § 53 VgV Rn. 7).

48

Die sachverständige Zeugin S. führte in ihrem Schreiben vom 01.10.2021 und der mündlichen Verhandlung aus, wie die Angebotsabgabe auf der im streitgegenständlichen Fall verwendeten Vergabeplattform erfolgt. Für die Abgabe eines Angebots muss ein Bieter in seinem Bereich der Vergabeplattform auf die Schaltfläche „Angebot anlegen“ klicken. Im Internetbrowser des Nutzers öffnet sich daraufhin ein Fenster, in dem ihm die auf seinem persönlichen Rechner lokal gespeicherten Dateien angezeigt werden. In diesem Fenster kann der Nutzer die hochzuladende Angebotsdatei auswählen und einen Titel vergeben. Hat er dies getan, kann er auf die Schaltfläche „Angebot hochladen, verschlüsseln und abgeben“ klicken. Mit dem Klick auf diese Schaltfläche startet der Bieter das Hochladen der Datei („Upload“) von seinem persönlichen Rechner auf die Plattform.

49

Mit dem Klick auf die Schaltfläche „Angebot hochladen, verschlüsseln und abgeben“ startet ein Bieter damit eine Vorgangskette, die sich aus mehreren Übertragungs- und Verarbeitungsschritten zusammensetzt. Im ersten Schritt lädt ein Bieter sein Angebot hoch, anschließend wird das erfolgreich hochgeladene Angebot auf der Plattform verschlüsselt und zuletzt als verschlüsseltes Angebot in den Bereich des Auftraggebers eingestellt.

50

Für den Zugang auf der Vergabeplattform der Antragsgegnerin kam es damit darauf an, dass das Angebot erstmals vollständig hochgeladen war, da ab diesem Zeitpunkt die Anwendungen der Vergabeplattform auf das abgegebene Angebot zugreifen konnten, die das Angebot dann verschlüsselten und anschließend in dem persönlichen Bereich der Antragsgegnerin speicherten, wo diese es sehen und nach Ablauf der Angebotsfrist auch öffnen konnte.

51

Damit war Lesbarkeit und Speichermöglichkeit bezüglich der Angebotsdatei der Antragstellerin für die Vergabeplattform als Erfüllungsgehilfen und Empfangsvertreter der Antragsgegnerin gegeben, da die Datei auf einem ihrer Sphäre zuzurechnendem Medium dauerhaft zur Verfügung stand. Zumindest die weiteren Schritte zur Einstellung des (verschlüsselten) Angebots in die Datenbank zur Angebotsöffnung sind nicht mehr der Sphäre der Antragstellerin zuzuordnen. Ein zur Bereitstellung und Verwahrung eines abgegebenen Angebots notwendiges „Umspeichern“ nach vollständigem Eingang auf der Vergabeplattform liegt ausschließlich in der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers, der zu dieser Zeit bereits über die Vergabeplattform als seinen Erfüllungsgehilfen auf die Daten des abgegebenen (verschlüsselten) Angebots zugreifen kann.

52

Würde die im streitgegenständlichen Verfahren verwendete Vergabeplattform den Bietern nicht eine komfortable Lösung anbieten, mit einem Klick alles hochzuladen und abzugeben, sondern müsste das Hochladen und ggf. Verschlüsseln des Angebots vom Bieter vor einem zusätzlichen eigenen „Klick“ auf einen Button zur Abgabe des bereits hochgeladenen und ggf. verschlüsselten Angebots erfolgen, so läge die danach notwendige Zeit, der Umspeicherung zur Bereitstellung der Daten von wenigen Sekunden in den Bereich des Auftraggebers ebenfalls allein in dem Verantwortungsbereich des öffentlichen Auftraggebers.

53

2.2.3. Das Angebot der Antragstellerin ist auch als rechtzeitig eingereicht anzusehen, da es der Antragstellerin nicht zum Nachteil gereichen darf, dass der genaue Zeitpunkt des vollständigen Uploads von der Vergabeplattform nicht gespeichert wurde bzw. die entsprechenden Logfiles nicht mehr vorhanden sind.

54

Der § 10 Abs. 1 Nr. 1 VgV ordnet für die Dokumentation des Datenempfangs ausdrücklich an, dass die verwendeten elektronischen Mittel gewährleisten müssen, dass Uhrzeit und Tag des Datenempfangs genau zu bestimmen sind. Die von der Antragsgegnerin verwendete Vergabeplattform speichert jedoch nicht den Zeitpunkt des Datenempfangs, sondern ausschließlich den Zeitpunkt, in welchem das hochgeladene Angebot nach einer anschließenden Verschlüsselung in den Bereich des Auftraggebers eingestellt wurde.

55

Aus den Ausführungen der sachverständigen Zeugin in der mündlichen Verhandlung kann jedoch geschlossen werden, dass das Angebot der Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor 10:00 Uhr und damit rechtzeitig vor Ende der Angebotsfrist vollständig hochgeladen worden ist. Bei einem Versuch auf dem Testsystem der Vergabeplattform, welchen die sachverständige Zeugin durchgeführt hat, hat der Upload einer 32 MB großen Zip-Datei ungefähr vier Sekunden gedauert, die Verschlüsselung dieser Datei eine Sekunde und die Bereitstellung der verschlüsselten Angebotsdatei im sicheren Auftraggeberbereich der Anwendung sechs Sekunden. Es ist daher davon auszugehen, dass auch bei der Angebotsabgabe der Antragstellerin die Bereitstellung auf dem stärker frequentierten Live-System der Vergabeplattform mindestens sechs Sekunden gedauert hat und danach den Zeitstempel 10:00:03 Uhr erhalten hat. Aus diesen Informationen kann geschlossen werden, dass das Angebot der Antragstellerin noch wenige Sekunden vor Ablauf der Angebotsfrist vollständig hochgeladen worden war und damit der Antragsgegnerin rechtzeitig zugegangen ist.

56

2.2.4 Die Vergabekammer Südbayern weist zudem darauf hin, dass die Antragsgegnerin – wenn sie die Annahme vertritt, dass ein Angebot ihr erst zugegangen ist, wenn es fertig verschlüsselt und im sicheren Auftraggeberbereich der Vergabeplattform abgelegt ist – nach § 11 Abs. 3 VgV darauf hinweisen hätte müssen, dass die Angebotsfrist nicht bis zur letzten Sekunde ausgeschöpft werden darf, da nach dem vollständigen Upload des elektronischen Angebots mit einem Zeitraum von einigen Sekunden für das Verschlüsseln und Ablegen gerechnet werden muss.

57

1. Kosten des Verfahrens

58

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegenddie Antragstellerin.

59

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

60

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.

61

Die Antragsgegnerinist als Gemeinde von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.

62

Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.

63

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.

64

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da das Vergaberecht eine überdurchschnittlich komplizierte Materie ist. Als mittelständisches Unternehmen verfügt die Antragstellerin über kein zur zweckentsprechenden Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens rechtskundiges Personal, insbesondere wenn es wie im streitgegenständlichen Verfahren um Detailfragen zum Zugang eines elektronischen Angebots geht.

65

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Vor diesem Hintergrund hat die bisherige Rechtsprechung der Vergabesenate die Beigeladene kostenrechtlich nur dann wie eine Antragstellerin oder eine Antragsgegnerin behandelt, wenn sie die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem sie sich an dem Verfahren beteiligt (BGH, Beschluss vom 26.09.2006, Az.: X ZB 14/06). Die Beigeladenehat sich im streitgegenständlichen Verfahren zwar durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag und die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt, hierdurch hat sie das gegenständliche Verfahren auch wesentlich gefördert, sich jedoch nicht mit demselben Rechtsschutzziel wie die obsiegende Antragstellerin am Verfahren beteiligt. Die Vergabekammer erachtet daher die Aufwendungen der Beigeladenen nicht als erstattungsfähig.

Schwerpunktheft 8 zum Thema Kanalbau

Schwerpunktheft 8 zum Thema Kanalbau

Sehr geehrte Damen und Herren,

freuen Sie sich auf unser Schwerpunktheft 8 zum Thema Kanalbau. Der Kanalbau ist ein Teilbereich des Tiefbaus und beschäftigt sich im Fokus mit der Herstellung und Instandhaltung von Abwasserleitungen und -kanälen im öffentlichen und privaten Bereich. Für die Bauausführung unterscheiden wir zwischen Oberflächenentwässerung (offene Kanäle) und erdbedeckten Leitungen oder Kanälen. Der Kanalbau grenzt sich dabei vom Erdbau, dem Rohrleitungsbau und dem Tunnelbau ab. Unter Kanalbau wird im Allgemeinen der Bau von geschlossenen, unterirdisch verlegten Entwässerungsrohrleitungen für die Schmutz- und Regenwasserableitung verstanden. Besondere Tiefen, enge Bebauung und fragile Ökosysteme erfordern dabei technisches Knowhow und Fingerspitzengefühl von den Fachleuten.

In der Bevölkerung werden die Rolle und die Wichtigkeit des Kanalbaus für das Wohl der Allgemeinheit meist unterschätzt. Bereits 1985 wurde vom damals zuständigen Bundesministerium des Innern deutlich gemacht, dass der dauerhaften Dichtheit von Kanälen und Leitungen bei der Abwasserableitung erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse. Die Reinhaltung von Boden und Grundwasser wäre nach Möglichkeit sowohl mit technischen und organisatorischen Maßnahmen als auch durch verbesserte Rechtsgrundlagen für den Vollzug zukünftig zu gewährleisten.

Auch die DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. hat dieses Projekt erkannt und weitere Maßnahmen ergriffen. Eine Umfrage der DWA bei Städten und Gemeinden hat die Tragweite des Problems der undichten Kanäle deutlich gemacht. Das bedeutet eine nicht bezifferbare Verunreinigung von Grundwasser und Boden durch die Schadstoffe aus versickern dem Abwasser. Noch problematischer ist die Exfiltration von gefährlichen Stoffen in Industriegebieten. Andererseits werden durch undichte Kanäle große Mengen von Grundwasser als Fremdwasser unnötigerweise der Kläranlage zugeführt.

Es liegt also im Interesse aller, ein gleichbleibend hohes Niveau des Kanalbaus zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurde beispielweise die RAL-Gütesicherung nach RAL-GZ 961 „Kanalbau“ eingeführt, um eine bessere Überwachung der Unternehmen und eine Qualitätssteigerung zu erreichen. Die rechtlichen Problemstellungen im Zusammenhang mit dem Kanalbau sind vielfältig. Hier bieten wir mit Fachbeiträgen die entsprechende Orientierungshilfe und einen aktuellen Überblick.

Ihre Redaktion

VORSPRUNG durch Knowhow
aus der PRAXIS für die PRAXIS

Vergabe Planungsleistung Generalplaner LP 5-9 der HOAI – Neubau KiTa Hergershausen erfolgreich gestartet

Vergabe Planungsleistung Generalplaner LP 5-9 der HOAI – Neubau KiTa Hergershausen erfolgreich gestartet

Die Gemeinde Babenhausen plant eine erdgeschossige 6-gruppige Kindertagesstätte in dem Stadtteil Hergershausen. Die 6-Gruppen teilen sich derzeit in 4 Gruppen Ü3-Kinder und 2 Gruppen U3-Kinder auf. Für die Maßnahme steht ein Grundstück mit ca. 3.889 m2 zur Verfügung.

Die ausgeschriebene Leistung umfasst die Leistungsphasen 5-9:

– Objektplanung inkl. Inneneinrichtungsplanung gem. §34 ff. HOAI
– Freianlagenplanung gem. §38 ff. HOAI
– Tragwerksplanung gem. §49 ff. HOAI
– Planung der technischen Ausrüstung §55ff. HOAI
– Besondere Leistungen Objektplanung inkl. Inneneinrichtungsplanung gem. §34 ff. HOAI Leistungsphase 9 Objektbetreuung:
– Erstellen einer Gebäudebestandsdokumentation,
– Erstellen eines Instandhaltungskonzepts

Nach der Beauftragung ist von einem direkten Projektstart auszugehen.

Erweiterung der CMS Grundschule Tauberbischofsheim – Vergabe der Objektplanungsleistungen Leistungsphasen 2 bis 8 erfolgreich gestartet

Erweiterung der CMS Grundschule Tauberbischofsheim – Vergabe der Objektplanungsleistungen Leistungsphasen 2 bis 8 erfolgreich gestartet

Den Gegenstand des Verfahrens bilden Objektplanungsleistungen Leistungsphasen 2 bis 8 für das Vorhaben:

Erweiterung der Christian-Morgenstern-Schule – Grundschule (durch Aufstockung bzw. Anbau) und Sanierung des bestehenden Gebäudes für eine 1-zügige Ganztagesschule, mit der Option auf Zweizügigkeit zu erweitern.

Es erfolgt eine stufenweise Beauftragung:

Leistungsphasen 2-4

Leistungsphasen 5-8

Leistungsphase 9 gesondert

Teilnahmebedingungen sind wie folgt:

1)Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister

Bewerber- oder Bietergemeinschaften sind zugelassen, jedoch mit der Vorgabe, dass eine durchgängige Projektleitung, einschließlich Bauleitung in gleichbleibender, personeller Besetzung zu gewährleisten ist.

Aus Gründen der Qualitätssicherung ist die Vergabe der Leistungsphase 8 an Nachunternehmer nicht gewünscht.

2)Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit

Im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bewerber stellt die Stadt TBB Anforderungen, die sicherstellen, dass die Bewerber über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziel-len Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügen. Zu diesem Zweck verlangt die Stadt TBB einen Mindestjahresumsatz der letzten 5 Jahre: durchschnittlich > 300.000,00 EUR/a.

Die Bestätigung eines Versicherers, dass für den Beauftragungsfall die Versicherung zugesagt wird, sollte als Nachweis ausreichend sein.

(2.000.000,00 EUR Personen- und 2.000.000,00 EUR sonstige Schäden, bzw. nach Bedarf)

3)Technische und berufliche Leistungsfähigkeit

Referenzen:

Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers fordert die Stadt TBB die Vorlage geeigneter Referenzen über früher ausgeführte vergleichbare Dienstleistungsaufträge in Form einer Liste der erbrachten wesentlichen Dienstleistungen mit Angabe des Werts, des Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers Dienstleistungsaufträge sind vergleichbar: Nutzungsart nicht nur Grundschulen, sondern Gebäude für Bildungseinrichtungen im weiteren Sinn, einzelne Leistungsphasen, die nicht im Grundschulbau nachgewiesen werden können, können mit alternativen Projekten nachgewiesen werden, mindestens 2 Projekte mit Fertigstellung der Projekte in den letzten 8 Jahren.

Technische Fachkräfte:

Abfrage der vorgesehenen technischen Fachkräfte

-> Qualifikation des Projektteams (bis zu 3 Beteiligte)

Studien- und Ausbildungsnachweise:

Bestätigung der Berufszulassung durch eine Architektenkammer

Beschäftigtenzahl:

geforderter Beschäftigtenzahl der letzten 5 Jahre: durchschnittlich mindestens 3

Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge:

Tag: 14/08/2023

Ortszeit: 11:00

Lesen Sie Heft 08/23 der HochbauRecht – gerade erschienen

Lesen Sie Heft 08/23 der HochbauRecht – gerade erschienen

Von der Redaktion

Sie bauen – Wir informieren
 

Gebäude (Büro-/ Geschäftshäuser und Wohngebäude, Fabrikanlagen, Kraftwerk etc.) und Bauwerke für alle Facetten der Infrastruktur sind langlebig, benötigen aber auch eine längere Errichtungsphase.

Bauen ist auch deshalb ein zeitintensives teures Geschäft.

Die Projekte sind gekennzeichnet durch außergewöhnlich viele Beteiligte, viele Risiken, viele Schnittstellen und damit auch viele Konflikte, die unvermeidlich auftreten und möglichst einvernehmlich, notfalls aber auch streitig, aber dann möglichst effizient gelöst werden müssen.

Unsere Fachbeiträge schaffen Rechtssicherheit.

Sie helfen nicht nur bei Vergaben und Verträgen in allen Projektphasen.

Sie beschreiben und erläutern auch Strategien zum rechtlichen wie geschäftlichen Erfolg.

Unsere AutorInnen sind sehr gut ausgebildete AnwältInnen im Baurecht, die auch Technik und Zusammenhänge verstehen.

Diese nirgends mehr als im Bauwesen gefragte Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit zeigt sich in einer verständigen Kommunikation und im rechtssicheren Umgang mit Ingenieuren, Architekten, Behörden, Kaufleuten, Lieferanten und Finanzierungsexperten. Sie kennen die Situation aller Baubeteiligten aus langjähriger Praxis und haben die dafür typischen Rechtsfragen schon vielfältig geprüft, dazu beraten und darüber prozessiert. Sie verstehen die Probleme ihrer MandantInnen und kennen die Wege zur Lösung.

Die fachlichen Beiträge unserer AutorInnen gehen dabei über rein baurechtliche Fragestellungen hinaus.

Typische Problemkreise einer Baumaßnahme werden kompetent vom Vertrag bis zum Nachtrag in den Blick genommen:

Verträge zwischen Arbeitsgemeinschaften und Projektträgern,

Grundstücksverträge,

Investitions- und Erschließungsvereinbarungen,

Management-Verträge oder

Architekten- und Ingenieurverträge.

Darüber hinaus betrachten wir benachbarte Fragestellungen wie dem Bauplanungs-/ Bauordnungsrecht und dem Umweltrecht (Baulärm, Nachbarrecht, Bodenschutz).

Wir prägen die Fachliteratur zum VOB/B-Vertrag sowie dem BGB-Bauvertragsrecht.

Wir freuen uns auf Ihr Feedback und wünschen eine angenehme Lektüre.

Ihre Redaktion

VORSPRUNG durch Knowhow
aus der PRAXIS für die PRAXIS

Öffentliches Baurecht – kurz belichtet

Öffentliches Baurecht – kurz belichtet

von Thomas Ax

Gehört eine am Ortsrand liegende Freifläche zum Siedlungsbereich?

BVerwG, Urteil vom 25.04.2023 – 4 CN 5.21

1. Ob eine diesseits der äußeren Grenzen der Ortslage belegene Freifläche dem Siedlungsbereich zuzuordnen ist und folglich im Wege des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB überplant werden kann, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung unter Beachtung siedlungsstruktureller Gegebenheiten.

2. § 13a BauGB umfasst über eine quantitative Vermehrung baulicher Nutzungsmöglichkeiten hinaus auch eine qualitative Entwicklung des Siedlungsbereichs, etwa durch Einbeziehung und Bewahrung von Grünflächen.

Doppelhaus muss Doppelhaus bleiben

VGH Bayern, Beschluss vom 27.06.2023 – 1 CS 23.583

1. Der Nachbarschutz bei Doppelhäusern im unbeplanten Innenbereich richtet sich nach dem Rücksichtnahmegebot. Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen den maßgeblichen Rahmen bilden, fügt sich ein grenzständiges Vorhaben grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, wenn es unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäudeteil ein Doppelhaus zu bilden.

2. Ein Doppelhaus ist anzunehmen, wenn zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden und beide Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden.

Kein Abwehranspruch gegen MFH in von EFH geprägtem Baugebiet

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.06.2023 – 10 S 17/23

1. Die Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung ist kein objektives Beanstandungsverfahren. Vielmehr sind nur solche Beeinträchtigungen des Nachbarn zu prüfen, die drittschützende Normen verletzen.

2. Der Gebietserhaltungsanspruch begründet kein Abwehrrecht gegen Mehrfamilienhäuser in einem bisher durch Einfamilienhäuser mit Gärten geprägten Wohngebiet.

3. Auch Gründe des Nachbarschutzes rechtfertigen es nicht, den Gebietserhaltungsanspruch der Sache nach systemwidrig auf Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung zu erweitern.

4. Das Nachbarrechtsgesetz regelt nur die privatrechtlichen Beziehungen der Grundstücksnachbarn untereinander. Öffentlich-rechtliche Vorschriften werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

Verwirkung bauaufsichtlicher Befugnisse nur im Ausnahmefall

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.06.2023 – 10 N 22/23

1. Bauaufsichtliche Befugnisse können regelmäßig nicht verwirken.

2. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt es der Bauaufsichtsbehörde lediglich, systemlos (bzw. planlos) oder willkürlich vorzugehen. Entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Sie ist insbesondere nicht gehalten, eine Beseitigungsanordnung nur dann zu erlassen, wenn sie zuvor ermittelt hat, ob in dem Gebiet andere vergleichbare Baurechtsverstöße vorliegen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es nicht, ein Einschreiten generell von derartigen Ermittlungen abhängig zu machen. Ebenso wenig bedarf es der vorherigen Festlegung einer Prioritätenfolge, wenn die Behörde gegen andere Fälle alsbald nach Bekanntwerden einschreitet.

Bordelle sind keine Vergnügungsstätten, sondern Gewerbebetriebe

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 30.06.2023 – 1 LA 112/22

1. Zur Auslegung einer Festsetzung in einem Bebauungsplan, die durch Regelbeispiele konkretisiert wird.

2. Bordelle und bordellartige Betriebe sind bauplanungsrechtlich keine Vergnügungsstätten, sondern als Gewerbebetriebe zu behandeln (Anschluss u. a. an BVerwG, Beschluss vom 05.06.2014 – 4 BN 8.14, IBRRS 2014, 2906).

Kaufvertrag ist keine Duldung einer baurechtswidrigen Nutzung

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.07.2023 – 7 A 1049/22

Mit dem Abschluss des Kaufvertrags als privatem Rechtsgeschäft gibt die Baubehörde nicht zu erkennen, dass sie sich auf Dauer mit der Existenz einer formell illegalen Nutzung abfinden wird.

LG Ravensburg zu der Frage, ob der Bauherr oder der GU ohne Auftrag erbrachte Erdarbeiten bezahlen muss

LG Ravensburg zu der Frage, ob der Bauherr oder der GU ohne Auftrag erbrachte Erdarbeiten bezahlen muss

vorgestellt von Thomas Ax

Zum Dreipersonenverhältnis zwischen Bauherrn, Generalunternehmer und Unternehmer. Schließt der Unternehmer weder mit dem Generalunternehmer noch mit dem Bauherrn einen Werkvertrag (hier: über den Aushub und Abtransport von Erde), kann er vom Bauherrn dafür nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB eine Vergütung verlangen. Der Unternehmer, der mit dem Generalunternehmer nicht in vertraglicher Verbindung steht, von diesem nicht zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten herangezogen wird und diesem keine Leistungen erbringen will, erbringt ein Geschäft für den Bauherrn und ist nicht nur Geschäftsführungsgehilfe des Generalunternehmers. Für die pflichtwidrige Ausführung der Geschäftsführung durch den Geschäftsführer als Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 677, 280 BGB ist der Geschäftsherr darlegungs- und beweispflichtig.
LG Ravensburg, Urteil vom 24.05.2023 – 5 O 296/22

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Vergütung für Erdaushub- und Transportarbeiten.

Die Klägerin ist ein Unternehmen für Abbruch, Bagger- und Fuhrarbeiten. Die Beklagte, deren Prokuristin die Zeugin ### ist, ist ein Immobilienbauunternehmen und hatte das Grundstück ### in ### erworben, ein Hanggrundstück. Darauf wollte sie ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung bauen und beauftragte mit der Errichtung eines glasdichten Rohbaus mit Ausbaugewerken und Ingenieursleistungen die ### GmbH (im Folgenden: ###) als Generalunternehmerin mit Bauvertrag vom 28.12.2021; dieser Bauvertrag führt Erdbauarbeiten als Leistungsgegenstand nicht explizit auf.

Mit dem Abbruch der Altimmobilie beauftragte die Beklagte die Klägerin, dieser Auftrag wurde abgewickelt und bezahlt und ist nicht streitgegenständlich.

Der Geschäftsführer der ###, der Zeuge ###, fragte bei der Klägerin, die wegen eines anderen Bauvorhabens in geschäftlicher Verbindung standen, wegen Erdaushubarbeiten für das Bauvorhaben ### an. Weil diese nicht Bescheid wusste, erkundigte sich der Zeuge ### daraufhin mit Mail vom 21.07.2022 bei der Beklagten (Anlage B 1). Die Beklagte teilte dem Zeugen ### mit, dass Aushubarbeiten bislang nicht angefragt worden seien und man davon ausgehe, dass die ### dies machen werde (Anlage B 1).

Am 04.09.2022 übersandte der Zeuge ### der Klägerin per Mail Unterlagen zum Bauvorhaben (Anlage B 2), weitere am 14.09.2022 (Anlage B 3). Ob darunter auch der geologische Kurzbericht der ### gewesen ist, das die Beklagte in Auftrag gegeben hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin übersandte der Beklagten per Mail vom 13.09.2022 ein Angebot vom 10.09.2022; angeboten wurde u.a. der Aushub und Erdarbeiten nach Einheitspreisen (Anlage K 1). Am gleichen Tag teilte die Beklagte der Klägerin per Mail mit, dass eine Beauftragung durch die ### erfolge, und leitete dieses Mail auch an den Zeugen ### weiter (Anlage B 4). Einen Auftrag bestätigte die Beklagte ausdrücklich nicht. Ob ein Auftrag auf andere Weise zustande gekommen sei, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 14.09.2022 gab es einen Baustellentermin, bei dem die Klägerin, die Zeugin ### und der Zeuge ### anwesend waren. Daraufhin führte die Klägerin bis zum 01.10.2022 Erdaushubarbeiten aus und fuhr den Aushub ab; sie lieferte 52,55 t Kies. Bezüglich der Abfuhrmengen wird auf die Lieferscheine und Fahrtnachweise in den Anlagen K 11 bis K 39 verwiesen. Eine Absicherung des erstellten Hanges erfolgte nicht. Über die Mangelhaftigkeit der Erdaushubarbeiten herrscht zwischen den Parteien Streit.

Mit Rechnung vom 02.10.2022 stellte die Klägerin ihre Leistungen der Beklagten in Rechnung (Anlage K 2). Die Beklagte widersprach der Rechnung und verwies auf die ### als Auftraggeberin der Aushubarbeiten. Die Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 21.10.2022 (Anlage K 3) mit Frist bis 03.11.2022 (Anlage K 3) war vergeblich.

Am 27.10.2022 fand ein weiterer Ortstermin statt, bei dem u.a. die Klägerin, deren Verfahrensbevollmächtigte, der Zeuge ### und die Zeugin ### für die Beklagte anwesend waren. Dort wurde über die Rechnungstellung und die Aushubarbeiten gesprochen. Das Ergebnis des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

Weitere Korrespondenz zwischen den Parteien blieb erfolglos.

Die Beklagte kündigte den GU-Vertrag mit der ### Ende 2022.

Mit Mail vom 16.01.2023 forderte das Landratsamt ### die Einstellung sämtlicher Bauarbeiten, soweit nicht die Hangabsicherung betroffen ist (Anlage B 5).

Die Klägerin trägt vor:

Die Beklagte habe sie mit Erdaushub- und Fahrleistungen beauftragt. Das Angebot vom 10.09.2022 sei mündlich angenommen worden. Ein Vertrag mit der ### habe nicht bestanden. Die ### habe von der Beklagten auch nur einen Auftrag für den Neubau erhalten, der mit der Baugrundsohle beginne. Mit der ### habe sie in keinem vertraglichen Kontakt gestanden, für sie sei klar, dass die Beauftragung durch die Beklagte erfolge. Das Angebot sei auch nicht auf die ### umgeschrieben worden, auch sei derartiges nicht gefordert worden. Jedenfalls durch die Anweisungen der Zeugin ### zur Art und Weise der Baggerarbeiten und der Lagerfläche für den Aushub bei der Baubesprechung vom 14.09.2022 sei der Auftrag mündlich angenommen worden.

Sie habe nur mit der Beklagten in rechtsgeschäftlicher Beziehung gestanden. Mit der ### habe sie keine Abreden getroffen. Am 27.10.2022 sei auch keine Absprache mit der ### getroffen worden.

Zu Hangsicherungsmaßnahmen sei sie nicht verpflichtet gewesen. Dazu bedürfe es seines Spezialunternehmens. Die notwendigen Unterlagen hätten ihr nicht vorgelegen, insbesondere nicht der geologische Kurzbericht. Dieses Gutachten würde Hangsicherungsmaßnahmen vorsehen, dafür hätte die Beklagte sorgen müssen.

Sie habe nicht zu viel ausgegraben. Frau F. habe den Aushub und das Abfahren von mehr als 500 m3 angewiesen. Die Menge von insgesamt 1.150 m3 sei auch bestätigt worden. Diese Arbeiten seien auftragsgemäß ausgeführt worden. Sie sei ausschließlich zum Abtransport mit Deponiegebühren verpflichtet gewesen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 34.654,97 nebst Zinsen in Höhe von 9% über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2022 zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von Euro 1.626,49 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2022 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Sie habe ein Auftrag zum Erdaushub und Abtransport von Erde nicht erteilt, auch nicht mündlich.

Es handele sich nicht um einen Fuhrvertrag, sondern um einen Bauvertrag. Abgenommen habe sie die Arbeiten nicht. Die Klägerin habe von der ### das geologische Gutachten und Aushubpläne erhalten.

Am 27.10.2022 hätten sich die Parteien darauf geeinigt, dass die Rechnung auf die ### umgestellt werden solle, diese sei damit einverstanden. Die Erdaushubarbeiten seien mangelhaft ausgeführt. Der Aushub sei nicht gemäß den Anforderungen des geologischen Gutachtens erfolgt, die Böschungswinkel seien zu steil, die Böschung in Richtung Hang sei zu hoch. Es habe Einsturzgefahr bestanden. Ein Aushub über 500 m3 sei nicht belegt, ein Entsorgungskonzept für diese Menge habe nicht bestanden. Belege über die abgefahrenen Mengen seien nicht vorgelegt worden. Die Forderung der Höhe nach bestreite sie ebenfalls.

Gesetzliche Ansprüche bestünden nicht. Die Klägerin habe aufgrund eines ausdrücklichen Auftrags gehandelt, so ihr eigener Vortrag, und damit auch mit Rechtsgrund.

Zum Parteivortrag im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter samt Anlagen verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2023 sind die Parteien angehört und die Zeugen ###, ###, ### und ### vernommen worden. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 21.04.2023 verwiesen (Bl. 79 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Ein Vertrag über die Erdaushubarbeiten und die Lieferung mit Kies ist zwar mit der Beklagten nicht zustande gekommen, auch nicht mit der ###. Die Klägerin kann aber von der Beklagten aus Gesetz (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) Aufwendungsersatz in Höhe der geltend gemachten Vergütung verlangen.

Dass die Beklagte aus Gesetz haften könnte, darauf hat das Gericht die Parteien von Anfang des Rechtsstreits an hingewiesen. Diese Anspruchsgrundlage bzw. Sachverhalt ist auch vom Streitgegenstand umfasst.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht aus Vertrag (§§ 631 f. BGB) eine Vergütung für den Erdaushub und die Abfuhr der Erdmengen verlangen.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre das Zustandekommen eines Vertrages zwischen den Parteien. Ein Vertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Solche liegen hier weder in ausdrücklicher Form noch in sonstiger – konkludenter – Weise vor. Dies steht nach der Beweisaufnahme mit Anhörung der Parteien und Vernehmung der Zeugen ###, ###, ### und ### zur Überzeugung des Gerichts fest.

Die Angaben der Zeugen waren glaubhaft, die Zeugen glaubwürdig. Sie haben die Vorgänge so geschildert, wie sie diese in Erinnerung hatten. Anhaltspunkte für unwahren Angaben waren nicht erkennbar, dies auch nicht vor dem Hintergrund, dass die Zeugen zum Teil auf der einen oder anderen Seite des Rechtsstreits standen und der Streitgegenstand auch für sie, etwa die ###, Bedeutung haben könnte. Die sich zum Teil widersprechenden Angaben der Parteien selbst stehen dem nicht entgegen.

a) Die ### durch den Geschäftsführer ### hat den Erdaushub bei der Klägerin angefragt. Um ein Angebot, das die essentalia negotii enthält, handelt es sich dabei aber nicht, sondern nur um eine invitatio ad offerendum der ###.

b) Die Klägerin stellte der Beklagte sodann unter dem 10.09.2022 ein schriftliches Angebot für Erdaushubarbeiten und den Abtransport. Hierbei handelt es sich um einen auf Vertragsschluss gerichtetes Angebot.

c) Dieses Angebot hat die Beklagte nicht angenommen, sondern vielmehr abgelehnt.

aa) Mit Mail vom 13.09.2022 und dem dortigen Verweis auf die ### als Auftraggeber hat die Beklagte erkennbar (§§ 133, 157 BGB) die Beauftragung verweigert. Dieses Verhalten ist auch nachvollziehbar, schließlich ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die ### als ihr Generalunternehmer für diese Leistungen zuständig ist.

bb) Wegen der unverzüglichen Antwort vom 13.09.2022 auf das per Mail vom 13.09.2022 übersandten Angebot der Klägerin liegt auch keine Annahme gemäß § 362 HGB vor.

Nach § 362 Abs. 1 S. 1 HGB 1 ist ein Kaufmann, geht ihm, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von jemand zu, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, verpflichtet, unverzüglich zu antworten; sein Schweigen gilt als Annahme des Antrags.

Hier hat die Beklagte, vertreten durch die Prokuristin F., unverzüglich reagiert und eine Auftragserteilung abgelehnt.

cc) Auch hat die Beklagte das Angebot der Klägerin nicht konkludent angenommen.

Eine konkludente Annahme würde ein Verhalten oder eine Erklärung der Beklagten voraussetzen, aus denen aus objektiver Empfängersicht eine Annahmeerklärung verstanden werden kann und muss (§§ 133, 157 BGB).

Ob ein solches Verhalten in Anweisungen des Auftraggebers zur Bauausführung bzw. hier der Zeugin ### auf der Baustelle bezüglich der Art und Weise der Baggerarbeiten überhaupt gesehen werden kann, kann hier dahinstehen. Denn die Zeugin ### hat hier schon gar keine Anweisungen dahingehend erteilt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Zeugin ### gerade keine Anweisungen erteilt hat; Anweisungen erteilt hat der Zeuge ###. Dies hat auch der Zeuge ###, der Baggerfahrer, bestätigen können; die Klägerin hat selbst zu einer Übergabe von Plänen durch den Zeugen ### ausgeführt. Weil die ### als GU beauftragt worden ist, hatte die Beklagte auch gar keine Veranlassung, derartige Anweisungen zu erteilen. Die Zeugin ### verfügt(e) auch nicht über das (Fach)Wissen, um derartige Anweisungen zu erteilen.

Ein sonstiges Verhalten oder Erklärungen der Beklagten, die auf eine Annahmeerklärung schließen lassen könnten, ist nicht erkennbar, im Gegenteil: solche liegen nicht vor. Insbesondere das bloße Dulden bzw. Gewährenlassen der Baggerarbeiten rechtfertigt keine Annahme des Vertrages. Die Beklagte ging davon aus, dass nicht sie die Auftraggeberin der Erdaushubarbeiten sein sollte. Das war für die Klägerin, jedenfalls einem objektiven Empfänger (§§ 133, 157 BGB), auch so erkennbar und ließ keine andere Deutung des Verhaltens zu: Auf das Angebot der Klägerin vom 10.09.2022 hatte die Beklagte ausdrücklich erklärt, dass nicht sie den Aushub beauftragt, sondern dass dies die ### tue bzw. tun solle. Deshalb konnte und durfte die Klägerin weitere Handlungen der Beklagten nicht als Annahmeerklärung verstehen.

Es liegt auch kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten dahingehend vor, dass sie einerseits die Beauftragung ablehnt, sich aber andererseits wie ein Auftraggeber verhält, mit der Folge, dass sich die Beklagte gem. § 242 BGB als Auftraggeber behandeln lassen müsste. Denn an einem derart widersprüchlichen Verhalten der Beklagten fehlt es hier gerade. Die Beklagte hat von Anfang an gegenüber der Klägerin kommuniziert, die Erdaushubarbeiten nicht zu beauftragen, und insoweit auf die ### verwiesen. Anweisungen hinsichtlich der Ausführung der Erdarbeiten hat sie gerade nicht erteilt.

Die Beklagte hat der Klägerin auch keine Zusage dahingehend erteilt, dass sie auch die Erdaushubarbeiten ausführen solle.

dd) Auch aus dem Prozessverhalten der Beklagten kann eine Vertragsannahme nicht abgeleitet werden. Zwar macht die Beklagte den fehlenden Vertragsschluss geltend und beruft sich auf die Mangelhaftigkeit des Werkes, was aber einen Vertrag voraussetzen würde. Als Vertragsannahme taugen die prozessualen Erklärungen aber nicht.

d) Dass sich die Parteien im Rahmen der Abbrucharbeiten über die Beauftragung der Erdaushubarbeiten geeinigt hätten, steht ebenso nicht fest, vielmehr das Gegenteil: Zu einer derartigen Abrede kam es gerade nicht. Dies wird bestätigt durch den von der Beklagtenseite nachvollziehbar geschilderten Verständnishorizont: Die Beklagte ging davon aus, dass die ### als Generalunternehmer auch für den Erdaushub zuständig ist; einen Grund, der Klägerin die Beauftragung der Erdaushubarbeiten zuzusagen, gab es nicht.

e) Mangels vertraglicher Beziehung zwischen den Parteien kommt es auch auf einen etwaigen Inhalt eines Werkerfolges, die Frage der Abnahme und der Mangelhaftigkeit nicht weiter an.

2. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB Ersatz von Aufwendungen verlangen. Die streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin stellen ein auch fremdes Geschäft für die Beklagte dar, das die Klägerin im Interesse und mit Willen der Beklagten vorgenommen hat. Deshalb ist die Beklagte nach § 670 BGB zum Aufwendungsersatz verpflichtet.

a) Mit dem Ausbaggern der Baugrube und dem Abtransport und Entsorgen des Erdaushubes sowie die Lieferung von Kies hat die Klägerin auch ein Geschäft für die Beklagte besorgt.

Ansprüche aus GoA setzen ein Geschäft für einen anderen voraus. Das erfordert eine Geschäftsbesorgung, mit der der Geschäftsführer jedenfalls auch in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen eingreift, und er dies mit Wissen und Wollen, also mit Fremdgeschäftsführungswillen tut (BGH NJW 2000, 72 f. mit Nachw.).

aa) Hier liegt ein auch fremdes Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen vor.

Ein objektiv fremdes Geschäft ist ein solches, das die Rechtsordnung nach Inhalt, Natur und / oder Erscheinungsbild des Geschäftes einem anderen Rechts- und Interessenkreis als dem des Handelnden zuordnet, d.h. deren Vornahme nach den rechtlichen Regeln einem anderen als dem Geschäftsführer obliegt oder gar vorgehalten ist und damit in dessen Rechts- und Interessenkreis eingreift (BGH NJW 2018, 2714 zu Rn. 20). In diesem Fall wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet (BGH NJW 2012, 1647 zu Rn. 16).

Ein auch-fremdes Geschäft besorgt der Geschäftsführer, wenn die Übernahme zugleich im eigenen und im Interesse eines anderen liegt, das heißt, wenn er ein objektiv auch fremdes Geschäft mit besorgt. Das ist der Fall, wenn das Geschäft nach seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Handelnden, sondern auch dem anderen zugutekommt bzw. dessen Rechts- und Interessenkreis zuzuordnen ist (BGH NJW 2021, 2023 zu Rn. 54). Auch in diesem Fall wird der Fremdgeschäftsführungswille grundsätzlich vermutet (BGH NJW 2009, 2590 zu Rn. 18 mit Nachw.).

Der Aushub von Erde und dessen Abfuhr sowie das Anliefern von Kies stellt ein Geschäft dar, das im Pflichten- und Interessenkreis der Beklagten liegt. Die Beklagte war und ist die Bauherrin des Bauvorhabens ### und Eigentümerin des Grundstückes. Alle Arbeiten, die die Errichtung des Neubaus betreffen, sind ihrem Interessenkreis zuzuordnen.

Ob diese Arbeiten auch den Interessenkreis der ### betreffen, kann dahinstehen. Wäre die ### der Beklagten gegenüber zur Vornahme der Erdaushubarbeiten verpflichtet gewesen, so wäre die Klägerin auch in der Interessensphäre der ### tätig geworden. Dafür käme es auf den Inhalt des GU-Vertrages zwischen der ### und der Beklagten an. In diesem sind die Erdaushubarbeiten ausdrücklich nicht aufgeführt, so die übereinstimmenden Angaben des Zeugen ### und des Beklagten-Geschäftsführers ###. Ob sich durch die Beschreibung des Werkerfolges in dem – in diesem Verfahren nicht vorgelegten – GU-Bauvertrag ergibt, dass davon auch die Erdaushubarbeiten umfasst sind, kann aber dahinstehen. Denn dies würde nichts daran ändern, dass die Klägerin auch im Interessenkreis der Beklagten tätig geworden ist.

bb) Die Klägerin war auch der ### nicht zur Vornahme der Erdaushubarbeiten verpflichtet.

Selbst wenn der Geschäftsführer einem Dritten gegenüber zur Geschäftsbesorgung verpflichtet ist, kann eine GoA vorliegen (BGH NJW 2009, 2590 zu Rn. 17). Auch in diesem Fall wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet (BGHZ 143, 9, 14; BGH NJW-RR 2008, 683 zu Rn. 18). In derartigen Fällen scheidet ein Rückgriff auf die GoA nur dann aus, wenn ein wirksamer Vertrag mit dem Dritten vorliegt und / oder der Handelnde als dessen Erfüllungsgehilfen tätig wird (BGH NJW 2021, 1818 zu Rn. 39).

Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auch die ### die Klägerin nicht mit Erdaushubarbeiten beauftragt hat. Zwar hat die ### durch den Zeugen ### bei der Klägerin die Erdaushubarbeiten angefragt. Die Klägerin hat der ### aber bereits kein Angebot auf Vertragsschluss unterbreitet. Die ### hat der Klägerin gegenüber keine Erklärung abgegeben, die auf eine Vertragsannahme schließen lassen könnte. Die Übergabe von Planunterlagen und die Übergabe der eingeholten Unbedenklichkeitsbescheinigung lässt nicht auf eine rechtsgeschäftliche Erklärung auf Abschluss eines Bauvertrages schließen. Die ### wollte auch die Erdaushubarbeiten gar nicht bei der Klägerin in Auftrag geben. Sie war der Meinung, dass dies in ihrem GU-Vertrag nicht enthalten ist. Davon ist auch die Klägerin ausgegangen und hat davon ausgehen dürfen, dass die ### nicht Auftraggeberin der Aushubarbeiten ist, sie hatte der ### schließlich kein konkretes Vertragsangebot unterbreitet, vielmehr auf die Anfrage des Zeugen ### der Beklagten ein Vertragsangebot unterbreitet. Auch hat die ### bzw. der Zeuge ### zu keiner Zeit zugesagt, die Rechnung für die Erdaushubarbeiten bezahlen zu wollen.

Ob die Beklagte irrtümlich davon ausgegangen ist, dass ein Vertrag zwischen der ### und der Klägerin bestanden habe, ist nicht entscheidungserheblich.

cc) Die Klägerin handelte auch mit Fremdgeschäftsführungswille. Auch für die Beklagte erkennbar handelte die Klägerin mit Fremdgeschäftsführungswille und nicht ausschließlich mit Eigengeschäftsführungswille, sondern auch für die Beklagte.

Dass die Klägerin in der irrtümlichen Annahme eines wirksamen Vertrages mit der Beklagten handelte, steht nicht entgegen. Selbst die irrtümliche Annahme einer eigenen Verpflichtung schließt die GoA nicht aus (BGH, Urteil vom 24. September 1987 – VII ZR 306/86 -, BGHZ 101, 393 – 400; BGH NJW 2015, 1020 zu Rn. 6 mit Nachw.; OLG Hamm NJW-RR 1991, 1303 mit Nachw.). Insbesondere steht der Schutzzweck der Vorschriften, aus denen hier die Unwirksamkeit des Vertrages erfolgt, nicht entgegen.

b) Die Geschäftsführung geschah auch ohne Auftrag. Weder der Beklagten noch einem Dritten gegenüber war die Klägerin zur Durchführung der Erdaushubarbeiten und der Kieslieferung berechtigt und verpflichtet.

c) Die Geschäftsführung der Klägerin geschah im Interesse und Willen der Beklagten.

Aufwendungsersatz nach § 683 S. 1 BGB wie ein Beauftragter kann der Geschäftsführer nur verlangen, wenn die Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht.

aa) Einwendungen gegen die Lieferung von Kies hat die Beklagte mit Substanz nicht erhoben.

bb) Die Erdaushubarbeiten entsprachen grundsätzlich dem Interesse und Willen der Beklagten.

Die Beklagte hat zwar einer Beauftragung widersprochen. Dem steht aber nicht entgegen, dass die Arbeiten in ihrem Interesse und mit ihrem Willen erfolgten. Die Beklagte war an einem Baufortschritt interessiert, und insoweit entsprachen die Arbeiten auch ihrem Interesse und Willen. Sie war bei dem Ortstermin vom 14.09.2022 mit anwesend und hat den Baubeginn begleitet, ohne dem zu widersprechen; sie hat den Erdaushub und Abtransport gebilligt. Dass die Kostentragung nicht ihrem Willen entsprach, ändert daran nichts, da Gegenstand der Prüfung, ob die Geschäftsbesorgung dem Interesse und Wille des Geschäftsherrn entspricht, die Geschäftsbesorgung ist und nicht die gesetzliche Rechtsfolge davon, der Aufwendungsersatz.

Die Art und Weise der Bauausführung bzw. die Frage, ob die Aushubarbeiten fachgerecht ausgeführt worden sind, betreffen nicht die Frage, ob die Geschäftsbesorgung dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entsprechen, sondern sind allenfalls für die Frage einer Pflichtverletzung relevant (vgl. unten).

d) Die Beklagte ist damit nach § 683 S. 1 BGB zum Ersatz von Aufwendungen wie ein Beauftragter verpflichtet. Gehört die Geschäftsbesorgung zu der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, so ist die übliche Vergütung für die Arbeitsleistung und Dienst geschuldet (st. Rspr., BGH NJW-RR 2005, 1426, 1428; BGH NJW 1971, 609, 612; OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. Dezember 2015 – 13 U 110/13 -: soweit der Vertragspreis nicht niedriger ist; Werner/Pastor Rn. 2400; BeckOGK/Thole, 1.3.2023, BGB § 683 Rn. 45 mit Nachw.).

aa) Die Klägerin kann für die Kieslieferung die Zahlung von 861,82 Euro zzgl. Mehrwertsteuer verlangen.

Die Klägerin verlangt eine Vergütung für die Lieferung von 52,55 t Wandkies. Die Erbringung dieser Leistung ist durch die Anlage K 8 belegt.

Konkrete Einwendungen gegen die Höhe des Preises hat die – bauerfahrene – Beklagte nicht erhoben.

bb) Die Klägerin kann für den Aushub, Abtransport und Entsorgung von 1.150 m3 Erde die Zahlung von 28.060 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer verlangen.

Die Klägerin hat 1.150 m3 Erdmaterial ausgebaggert, abtransportiert und entsorgt. Dies wird zum einen durch die vorlegten Lieferscheine aus den Anlagen K 11 ff. belegt; die Zeuge ### und ### haben die Menge überschlägig überprüft und ebenso bestätigen können. Zum anderen ist die Beklagte den substantiierten Darlegungen der Klägerin in der Replik zu den Mengen sodann auch nicht mehr entgegengetreten, so dass die Menge letztlich unstreitig ist.

Konkrete Einwendungen gegen die Höhe der Preise, je Menge nach Deponielieferschein, hat die bauerfahrene Beklagte nicht erhoben.

cc) Weiter kann die Klägerin die Zahlung von 200 Euro für die Baustelleneinrichtung zuzüglich Mehrwertsteuer verlangen. Substantiierte Einwendungen dagegen hat die Beklagten nicht geltend gemacht.

3. Zinsen schuldet die Beklagte gemäß § 286 Abs. 1 BGB seit der Ablehnung der Beklagten auf die Mahnung vom 21.10.2022 (Anlage K 3).

Geschuldet sind aber nur 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, weil die Vergütungsansprüche aus GoA keine Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB darstellen (BGH NJW 2018, 458 zu Rn. 46 zu §§ 812 ff. BGB; Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl. 2023, § 286 Rn. 27n aE.). Darauf beruht die Klageabweisung im Übrigen.

Die nach Verzugseintritt entstandenen Kosten durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes und dessen Tätigwerden seit dem 27.10.2022 sind nach §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 3 S. 1 BGB zu erstatten.

Zinsen daraus sind mit Ablauf der im Schreiben vom 28.11.2022 (Anlage K 6) gesetzten Nachfrist geschuldet (§ 286 Abs. 1 BGB). Insoweit sind nur 5 Prozentpunkte Zinsen geschuldet, weil es sich auch insoweit um keine Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB handelt. Darauf beruht die Klageabweisung im Übrigen.

4. Gegenansprüche aus schuldhafter Pflichtverletzung aus §§ 677, 280 BGB, welche die Beklagte im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden könnten, hat die Beklagte nicht.

§ 280 BGB ist auch auf das gesetzliche Schuldverhältnis der GoA anzuwenden (Grüneberg / Retzlaff, 82. Aufl. 2023, § 677 Rn. 13; Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl. 2023, § 280 Rn. 9; BeckOGK/Thole, 1.3.2023, BGB § 677 Rn. 167 ff.).

Voraussetzung für eine Haftung der Klägerin wäre, dass diese die Geschäftsführung pflichtwidrig ausgeführt hat, und damit ein Verstoß gegen die Pflicht zur ordentlichen Ausführung. Das wäre der Fall, wenn die Klägerin die Baugrube entsprechend bestimmten Vorgaben herzustellen hätte. Das steht hier aber gerade nicht fest. Den erforderlichen Beweis hat die Beklagte nicht erbringen können.

Die Klägerin hat den geologischen Kurzbericht der ### vom 23.05.2022 nicht erhalten. Zwar hat der Zeuge ### der Klägerin ausweislich der Mails vom 04.09.2022 und vom 14.09.2022 (Anlagen B 2 f.) Unterlagen übersandt. Das Kurzgutachten war darin aber nicht enthalten. Dies hat der Zeuge ### auch nachvollziehbar und überzeugend dahingehend erklärt, dass er das Anhängen der Datei an das Mail vergessen hätte. Dies wird auch durch die Aussage des Zeugen ###, dem Baggerfahrer, bestätigt, dem kein Gutachten vorgelegen habe. Die Behauptung des Beklagtengeschäftsführers, die Unterlagen seien der Klägerin übergeben worden, wird durch nichts bestätigt.

Konkrete Vorgaben an die Erstellung der Baugrube hatte die Klägerin also nicht. Dass die Baugrube nicht entsprechend den übergebenen Plänen hergestellt worden ist, ist weder erkennbar noch wurde dies von der Beklagten geltend gemacht. Dass die Baugrube möglicherweise nicht fachgerecht hergestellt worden ist, weil der Böschungswinkel zu steil und die Böschung in Richtung Hang zu hoch sei und die Baugrube nicht den Anforderungen des geologischen Kurzberichts entspricht, kann der Klägerin deshalb nicht angelastet werden.

Ausweislich des Angebotes der Klägerin vom 10.09.2022 war auch für die Beklagte deutlich erkennbar, dass nur der Erdaushub und der Abtransport von Erde ausgeführt wird, dagegen kein bestimmter Verbau. So verweist das Angebot auf ein “Gutachten bauseits”, womit klargestellt ist, dass die Herstellung entsprechend dem Gutachten vom Auftraggeber zu erfolgen hat.

Dass der Klägerin bestimmte Vorgaben zur Erstellung der Baugrube gemacht worden seien, die von der tatsächlichen Ausführung abweichen und sie die Geschäftsbesorgung insoweit pflichtwidrig ausgeführt hätte, steht auch nicht fest.

§§ 677 ff. BGB kennen auch keine Fortführungspflicht, der Geschäftsführer kann die Ausführung jederzeit beenden (BeckOGK/Thole, 1.3.2023, BGB § 677 Rn. 162, 162.1). Die Klägerin hat die Geschäftsbesorgung beendet und schuldet damit keine weiteren Arbeiten wie etwa die Anpassung des Böschungswinkels oder der Böschungshöhe oder eine Hangsicherung oder ähnliches.

Es lässt sich damit auch nicht feststellen, ob der Beklagten (Verbau)Kosten erspart geblieben wären, wenn die Klägerin den Erdaushub anders ausgeführt hätte.

Darüber hinaus hat die Beklagte einen konkreten in Geld bezifferten Gegenanspruch aus einer vermeintlichen fachwidrigen Ausführung auch nicht geltend gemacht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über den Streitwert hat ihre Grundlage in § 3 ZPO.

Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 15.05.2023 vereinzelt Neues vorträgt, erfolgt dies nach Schluss der mündlichen Verhandlung. Eine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO besteht nicht.

OLG Brandenburg zur Frage des Nachweises einer Verzögerungsentschädigung gemäß § 642 BGB iVm § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B

OLG Brandenburg zur Frage des Nachweises einer Verzögerungsentschädigung gemäß § 642 BGB iVm § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B

vorgestellt von Thomas Ax

Zum Nachweis einer Verzögerungsentschädigung gemäß § 642 BGB iVm § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B genügt es nicht, die Verzögerung und die Stillstandszeit für Mannschaft und Gerät und die Vorhaltekosten darzustellen. Vielmehr muss konkret vorgetragen werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt. Macht ein Auftragnehmer einen Anspruch auf Entschädigung wegen Bauzeitverzögerung geltend, so kann für die Darlegung des nachweislich entstandenen Schadens bzw. der angemessenen Entschädigung eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung erforderlich sein. Dafür muss der Anspruchsteller zunächst den bauvertraglich vereinbarten Bauablauf, dann die genaue Behinderung und schließlich deren konkrete Auswirkungen auf seine Leistungen darlegen.
OLG Brandenburg, Urteil vom 20.07.2023 – 10 U 14/23

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Vergütung von Baumfällarbeiten.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin nach einer Ausschreibung mit Zuschlagsschreiben vom 9. Februar 2017 (K 1, Bl. 290 d.A., K 2, Bl. 298 d.A.) mit der Durchführung von Fällarbeiten zur Baufeldfreimachung im Rahmen des Ausbaus der B101 zwischen (“Ort 01”) und (“Ort 02”) zu einer Auftragssumme von 9.596,20 Euro. Das Angebot der Klägerin enthielt im Hinblick auf die vorgesehene Verwertung von gefällten Bäumen durch die Klägerin teilweise negative Preise, da die Klägerin aus der Verwertung weitere Einnahmen erzielen konnte. Vertragsbestandteil sind die Baubeschreibung, das Blankett-Leistungsverzeichnis, die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau, die ZVB/E-StB 2014 und die Weiteren Besonderen Vertragsbedingungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K2 (Angebot, Bl. 298 ff. d.A.), K3 (Baubeschreibung, Bl. 305 ff. d.A.), K4 (Leistungsverzeichnis, B.. 334 ff. d.A.), K5 (ZVB, Bl. 358 ff. d.A.), und K6 (Besondere Vertragsbedingungen, Bl. 369 ff. d.A.), Bezug genommen.

Ausweislich der Baubeschreibung war Auftragsgegenstand die Baufeldfreimachung der B 101 zwischen (“Ort 01”) und (“Ort 02”) mit folgenden Hauptleistungen (Bl. 309 d.A.):

“Ca. 1.300 m2 Waldfläche abholzen

Ca. 160 St Straßenbäume Fällen D = 10 bis 30 cm

Ca. 50 St Straßenbäume fällen D = 30 bis 50 cm

Ca. 5.000 St Waldbäume fällen D = 10 bis 30 cm

Ca. 650 St Waldbäume fällen D = 30 bis 50 cm”

Unter Gliederungspunkt 3.1.2. der Baubeschreibung heißt es:

“Für die Absicherung der Fällarbeiten ist bei Bedarf eine Verkehrssicherung an Arbeitsstellen von kürzerer Dauer nach RSA-Regelplan C I/5 vorgesehen. Eine transportable Lichtsignalanlage für Engstelle und Verkehrsabhängigkeit, Typ C mit einer Energieversorgung nach Wahl des AN ist erforderlich. Diese Anlage ist bei Bedarf kurzfristig auf “Rot-Rot-Betrieb” zu schalten, wenn Fällarbeiten in dem unmittelbar angrenzenden Straßenseitenraum vorgenommen werden.”

Das Langtext Leistungsverzeichnis weist die Positionen 05.00 “Straßenbäume fällen” und unter 05.01 “Waldflächen abholzen” aus (Bl. 309 ff. d.A.). Dabei ist in den Unterpositionen zu 05.00 “Straßenbäume fällen” teilweise vorgesehen, dass die Baumkrone und der Stamm stufenweise abzutragen sind. In den Unterpositionen zu 05.01 Waldflächen ist dagegen ein stufenweises Abtragen nicht vorgesehen, dort können die Bäume mit einem Schlag gefällt werden. Darüber hinaus ist bei den Waldbäumen, die also in einem Schnitt gefällt werden können, überwiegend vereinbart, dass das geschlagene Holz der Verwertung nach Wahl des AN zuzuführen ist, – also von diesem auch weiterveräußert werden kann. In der Vorbemerkung zu Position 05.00 “Straßenbäume fällen” des Leistungsverzeichnisses, heißt es:

“Fällung Südseite im Bereich der Mulde für die spätere Anlage eines Amphibienschutzzaunes”

Das wird konkretisiert unter Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung (Bl. 311 d.A.):

“Dazu kommen Straßenbäume, die für die Anlage eines Amphibien- und Reptilienschutzzaunes gefällt werden müssen. Dies sind ca. 160 Bäume mit einem Durchmesser bis zu 30 cm und ca. 50 Bäume mit einem Durchmesser von 30 cm bis 50 cm. Die Details sind den entsprechenden Leistungspositionen zu entnehmen”.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 zeigte die Klägerin Mehr- und Minderkosten an (Bl. 500 d.A., K 33). Zudem müssten im Leistungsverzeichnis nicht enthaltene Bäume mit einem Stammdurchmesser von 0,5 bis 0,75 m gefällt werden, von denen sie 28 Stück gefällt habe.

Im Lauf der gegenständlichen Arbeiten sind Aufmaße erstellt worden, die neben der Menge der gefällten Bäume jeweils die Ordnungsziffern zumindest einer Leistungsverzeichnis-Position und deren Kurzbezeichnung enthielten und wegen deren genauen Inhalts auf Anlage 2 K13-K17, Bl. 430 ff. d.A. Bezug genommen wird.

Die Klägerin unterbreitete der Beklagten zudem mehrfach 4 Nachtragsangebote (K 31 Bl. 497 d.A.; K 25 Bl. 484 d.A.).

Die Beklagte nahm die Leistungen der Klägerin am 19. April 2017 ab (K 7, Bl. 375 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 übersandte die Klägerin eine Schlussrechnung über einen Betrag von 915.099,49 Euro (K 8, Bl. 379 ff. d.A). Die Beklagte prüfte die Schlussrechnung und ermittelte eine Gesamtleistung von 171.304,50 Euro und einen offenen Schlussrechnungsbetrag von 16.710,91 Euro, welchen die Beklagte auch zahlte.

Die Klägerin forderte die Beklagte zur Zahlung restlicher 714.471,85 Euro auf, wobei die Berechtigung eines Großteils der Forderung von der Antwort auf die Frage abhing, ob die Klägerin Anspruch auf Ausgleich entgangener Verwertungserlöse hat und ob Gutschriften bei Mengenmehrungen weiter gewährt werden müssen. Nachdem der 11. Senat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts diese Frage in einem Parallelrechtsstreit verneint hat (OLG Brandenburg, Urteil vom 22. Januar 2020 – 11 U 153/18 -; nachgehend BGH, 10. Juni 2021, VII ZR 71/20, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen sowie OLG Brandenburg, Urteil vom 25. September 2020 – 11 U 35/18 -; BGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – VII ZR 157/20 -), macht die Klägerin nunmehr noch 136.363,03 Euro geltend, die Vergütung für die Fällung bestimmter Bäume (89.824,84 Euro), den Gemeinkostenausgleich (Mehr- und Mindermengen 5.436,878 Euro), Ansprüche wegen einer Baubehinderung beim Grundstück ### (5.333,24 Euro), fehlende Baufreiheit beim Grundstück ### (6.369,54 Euro) und die Vergütung von gefällten Bäumen mit 0,5 bis 0,75 m Durchmesser (offener Rest: 7.626,64 Euro).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sie die vorstehend aufgeführten Positionen ersetzt verlangen könne. Sie trägt hierzu vor:

Die Klägerin habe bei den Positionen 5.00.0002-0006 Leistungsverzeichnis (Straßenbäume fällen) erheblich mehr Bäume gefällt, als beglichen worden seien und könne deshalb die Zahlung weiterer 89.824,84 Euro verlangen. Dabei verteilten sich die Mehrmengen wie in der folgenden Tabelle angeführt:

“Leistungsverzeichnis: Vordersatz LV / Tatsächliche Menge / Mehrmenge

05.00.0002: 4 / 33 / 29

05.00.0003: 75 / 262 / 187

05.00.0004: 81 / 459 / 378

05.00.0005: 33 / 155 / 122

05.00.0006: 12 / 43 / 31″

Die Erbringung dieser Leistungen ergebe sich aus den gegengezeichneten Aufmaßblättern. Da diese Aufmaßblätter nicht nur die Anzahl der gefällten Bäume, sondern auch die jeweilige Position des Leistungsverzeichnisses anführten (K 13 ff, Bl. 430 ff. d.A.), die nunmehr der Abrechnung zu Grunde gelegt würden, enthielten diese Aufmaßblätter auch eine bindende Vereinbarung zwischen den Parteien. Diese habe zum Inhalt, dass die gefällten Bäume jeweils unter den Positionen des Leistungsverzeichnisses abzurechnen seien, die auf den Aufmaßblättern genannt seien. Es handele sich bei den, den Leistungsverzeichnis-Positionen 05.00 “Straßenbäume fällen”, zugerechneten Bäumen auch tatsächlich um die dort vorgesehenen Straßenbäume. Es habe sich nämlich während der Arbeiten herausgestellt, dass eine Vielzahl weiterer Bäume als in den Ausschreibungsunterlagen angeführt als Straßenbäume abschnittsweise hätten abgetragen werden müssen, weil deren Fällung in einem Stück in Straßennähe nicht zulässig gewesen sei. Das belege etwa das von der Klägerin eingeholte Privatgutachten ### (K 35, Bl. 580 ff. d.A.). Danach sei auch im Bereich der “Waldbäume” ein abschnittsweises Abtragen erforderlich geworden, weil diese überwiegend den erforderlichen Abstand von 6 Metern zum Straßenrand nicht einhielten, so dass es sich tatsächlich um Straßenbäume im Sinne des Leistungsverzeichnisses gehandelt habe. Das habe die Klägerin in ihrem Schreiben vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 d.A.) auch ausgeführt und die Beklagte ausdrücklich bestätigt. Soweit der Gutachter ### meine, dass alle Bäume südlich der Straße “Straßenbäume” seien und alle Bäume nördlich “Waldbäume”, füge sich das ebenfalls in die Abrechnung der Klägerin ein. Denn ausweislich der Aufmaßblätter seien die gegenständlichen Bäume allesamt auf der Südseite der Straße abschnittsweise gefällt worden.

Neben den vorstehenden Mehrmengen seien in anderen Leistungsverzeichnis-Positionen erhebliche Mindermengen – insbesondere eine deutlich verringerte Anzahl gefällter Waldbäume – zu verzeichnen gewesen – korrespondierend zu den Mehrmengen in den Positionen 05.00 -, die vorstehend dargestellt worden sind. Anhand der Vorkalkulation ergebe sich ein Betrag von 5.436,88 Euro, der nicht durch Mehrmengen ausgeglichen werde. Hinsichtlich der Berechnung wird auf Bl. 281 f. d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, dass sie beim Grundstück ### einen Betrag von 5.333,24 Euro wegen Baubehinderung gemäß § 642 BGB verlangen könne. Die Klägerin habe der Beklagten am 22. Februar 20217 mitgeteilt, dass das zu beräumende Grundstück ### vom Eigentümer nicht freigegeben worden sei (K 23, Bl. 480 d.A.). Die Baustelle habe daher beräumt werden müssen, um den eingesetzten Harvester kostenschonend anderweitig einzusetzen. Der Höhe nach ergebe sich die Forderung aus der Vorkalkulation in Verbindung mit dem erforderlichen Ab- und Antransport in Höhe von insgesamt 5.333,24 Euro (Bl. 285 d.A.).

Eine weitere Baubehinderung hat die Klägerin am Grundstück ### geltend gemacht. Dort habe die (Eigentümer Grundstück ###) am 24. Februar 20217 ein Betreten des Grundstücks untersagt. Das habe dazu geführt, dass die Klägerin ihre Geräte nutzlos habe vorhalten müssen. Daher stehe ihr ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 6.369,45 Euro zu (Bl. 287 d.A.).

Zudem hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass sie für das Fällen von Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5-0,75 m, die im Leistungsverzeichnis unstreitig nicht vorgesehen seien, wegen Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B insgesamt weitere 7.626,64 Euro verlangen könne (Bl. 288 d.A.).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 136.363,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 2. September 2017 an die Klägerin zu zahlen sowie

die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.194,90 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sie der Klägerin nichts mehr schulde. Die klägerische Forderung für die Fällung weiterer “Straßenbäume” bestehe nicht. Die Klägerin habe die Baumfällungen im Untertitel 05.00 “Straßenbäume” mit einem deutlich höheren Einheitspreis als im Untertitel 05.01 “Waldflächen abholzen” angeboten. Die Klägerin habe jedoch nunmehr ohne Berechtigung solche Bäume, die dem Untertitel “Waldflächen” unterfielen, den für die Beklagte deutlich höhere Preise auslösenden “Straßenbäumen” zugeordnet. Dadurch verschiebe sich der Schwerpunkt der Baumfällungen in den Bereich, der keine negativen Einzelpreise aufweise. Damit entferne sich die Klägerin von dem allein maßgeblichen Leistungsverzeichnis. Eine Vergütung über die geprüfte Schlussrechnung hinaus komme daher nicht in Betracht. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte, dass die als Straßenbaum abgerechneten Bäume tatsächlich stufenweise abgetragen worden sind.

Zudem habe die Klägerin die streitgegenständlichen Bäume auch ohne Weiteres am Stück fällen können, wenn sie, wie in der Baubeschreibung vorgesehen, beide Fahrspuren gesperrt hätte. Die erforderliche Sperrung der Straße sei kurzfristig jeweils möglich gewesen. Daher seien auch die Ausführungen des Privatgutachters der Klägerin unerheblich, weil eine Vollsperrung ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

Das Aufmaß lasse keine Einordnung der aufgemessenen Leistungen zu Positionen des Leistungsverzeichnisses zu, sondern nur über tatsächliche Fragen, wie etwa den Umfang der Bäume. Eine Bestätigung der Einordnung der streitgegenständlichen Bäume als “Straßenbäume” habe die Beklagte auf das Schreiben der Klägerin vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 ff. d.A.) gerade nicht getätigt.

Einen Gemeinkostenausgleich habe die Beklagte bereits vorgenommen, ein weitergehender Zahlungsanspruch bestehe dazu nicht, zumal es dabei lediglich um die spiegelbildliche Nachvollziehung der zu den “Straßenbäumen” von der Klägerin falsch zugeordneten Positionen gehe.

Der Klägerin stehe auch wegen des Grundstücks ### kein weitergehender Anspruch zu, das ab dem 22. Februar 2017 vollständig zugänglich gewesen sei. Im Übrigen werde auch bestritten, dass ein vorheriges Betreten des Grundstücks nicht möglich gewesen sei. Es fehle auch deshalb bereits an den Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach, da die Klägerin in einem anderen Bereich der Baustelle hätte weiterarbeiten können. Zudem habe die Klägerin per Mail vom 17. Februar 2017 auf die Geltendmachung von Mehrkosten wegen des Grundstücks ### verzichtet (Bl. 544 d.A.). Auch der Höhe nach sei der Anspruch nicht nachvollziehbar begründet.

Hinsichtlich der Baubehinderung beim Grundstück ### stehe der Klägerin schon deshalb kein Anspruch zu, weil nicht ersichtlich sei, dass der Klägerin die geltend gemachten Kosten entstanden sein könnten. Der bloße Verweis auf Anlagen der Klageschrift reiche hierzu nicht aus. Auch habe die Klägerin die Geräte in anderen Bereichen der Baustelle einsetzen können.

Das Erbringen der Leistungen “Fällung von Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5-0,75 m” werde nicht in Abrede gestellt. Der Anspruch werde aber über die bereits beglichenen 2.333,07 Euro hinaus der Höhe nach bestritten. Die Beklagte habe 70,02 Euro pro Baum vergütet, weil die Vergütung anhand der Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung zu erfolgen hatte. Soweit dies in der jüngeren Rechtsprechung teilweise anders gesehen werde und eine Ableitung des Preises nach den tatsächlichen Kosten und nicht nach der Vorkalkulation erfolgen solle (Bl. 622 d.A.), teile die Beklagte diese Auffassung nicht.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 590,67 Euro zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit für die Berufung von Bedeutung, hat es seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf höhere Vergütung für die Fällung der streitgegenständlichen Bäume als sogenannte Straßenbäume in Höhe von noch 89.233,81 Euro zu. Für diese Bäume sei die Fällung zum Einheitspreis für “Waldbäume” vereinbart gewesen, diese sei auch bereits vergütet worden. Der höhere Preis sei im Leistungsverzeichnis nur für Bäume an der Südseite im Bereich der Mulde vereinbart gewesen, das sei für die streitgegenständlichen Bäume nicht der Fall. Die Zuordnung von Bäumen zu den Positionen 05.00 als Straßenbäume ergebe sich auch nicht dadurch, dass die Klägerin diese stufenweise gefällt habe. Die Beklagte habe auch kein abschnittsweises Abtragen der Bäume angeordnet.

Auch § 2 Abs. 5 VOB/B stütze den Anspruch nicht. Die danach erforderliche Änderung des Bauentwurfs habe nicht vorgelegen, da keine Anordnung der Beklagten vorgetragen sei. Soweit die Klägerin geltend mache, die Bäume hätten nicht unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs mit nur einem Fällschnitt gefällt werden können, so übersehe sie, dass die Entscheidung, ob der Straßenverkehr unter Inkaufnahme höherer Fällkosten aufrechterhalten werden sollte oder zur Beibehaltung der Kosten auch für einen längeren Zeitraum gesperrt werden würde, der Beklagten oblegen hätte.

Der Anspruch folge auch nicht daraus, dass die Klägerin unterzeichnete Aufmaßblätter vorgelegt habe, in denen bei den streitgegenständlichen Bäumen die Leistungsverzeichnis-Positionen für Straßenbäume eingetragen gewesen seien. Denn das gemeinsame Aufmaß führe nicht dazu, dass die Zuordnung zu einer bestimmten Leistungsposition verbindlich festgelegt werde. Dessen beweisrechtliche Bedeutung erschöpfe sich in tatsächlicher Hinsicht auf den Nachweis erbrachter Massen.

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf einen Gemeinkostenausgleich Minder- und Mehrmengen ebenfalls nicht zu. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass es zu Mindermengen gekommen sei. Diese berechne die Klägerin daraus, dass aus ihrer Sicht weniger Bäume als Waldbäume abgerechnet werden konnten, weil diese richtigerweise als Straßenbäume abzurechnen gewesen seien. Da die Klägerin mit dieser Auslegung hinsichtlich der Mehrmenge keinen Erfolg habe, bestehe auch keine entscheidungserhebliche Mindermenge.

Ansprüche wegen einer Baubehinderung beim Grundstück ### bestünden nicht. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 642 Abs. 1 BGB und § 304 BGB vorliegen sollten, sei eine Schadensschätzung mangels greifbarer Anhaltspunkte nicht möglich.

Auch hinsichtlich vermeintlich fehlender Baufreiheit beim Grundstück ### fehle es an ausreichendem schriftsätzlichen Vortrag dazu, wie sich die geltend gemachten Kosten im Einzelnen zusammensetzten.

Schließlich stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf restliche Vergütung von Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5 bis 0,75 m in Höhe von 7.626,64 Euro zu. Die Vergütung für Zusatzleistungen bestimme sich gem. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB / B nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Zu fragen sei, welchen Maßstab die Parteien zur Bestimmung des neuen Einheitspreises vertraglich zu Grunde gelegt hätten, wenn sie seinerzeit vorhergesehen hätten, dass sie sich nicht auf einen neuen Einheitspreis für die relevanten Mehrmengen einigen können. Danach sei der von der Beklagten zugestandene und gezahlte Einheitspreis von 70,02 Euro nicht zu beanstanden. Die darüber hinaus geforderte Vergütung sei nicht nachvollziehbar. Die Klägerin gehe bei den Kosten für den Bagger mit Spezialschere von Kosten von 345,60 Euro (K 34, Bl. 503 d.A.) für die dickeren Bäume statt 267,80 Euro (Anlage K22, Bl. 475 d.A.) in der Kalkulation für die dünneren Bäume aus und setze einen Zeitaufwand pro Baum von 0,333 Stunden statt 0,05 Stunden an. Diese Ansätze seien jedoch weder plausibel noch sonst erläutert.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren mit Ausnahme des Ersatzes erstinstanzlicher ebenfalls geforderter Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt.

Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sei schon angesichts eines unerledigten Tatbestandsberichtigungsverfahrens fehlerhaft. Außerdem habe das Landgericht ein Überraschungsurteil verkündet, da es seine Entscheidung neu und überraschend auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 VOB/B gestützt habe.

Hinsichtlich der Forderung von weiteren 89.233,81 Euro für die Fällung von Straßenbäumen handele es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht um eine irgend geartete Leistungsänderung, sondern allein um den beim Einheitspreisvertrag üblichen Vorgang von Mehrmengen. Entscheidend sei, dass sich die Abrechnungsposition “Straßenbaum” erhöht habe. Der klägerische Anspruch folge aus § 631 BGB. Die Klägerin habe mehrfach die Überschreitung der Mengenansätze des Leistungsverzeichnisses zu Position 05.00 angezeigt. Die tatsächlichen Mengen seien durch die Aufmaße K13-K17 samt der Zuordnung zu den jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses nachgewiesen. Diese seien auch hinreichend aussagekräftig, so dass das einfache Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend sei.

Auch gehe die Auffassung des Landgerichts fehl, es habe an einer Anordnung zum abschnittsweisen Abtragen der gegenständlichen Bäume gefehlt. Die Arbeiten seien konstant im Beisein von Mitarbeitern der Beklagten erfolgt. Die Arbeiten seien aber auch im vermuteten Einverständnis mit der Beklagten erfolgt, da das stufenweise Abtragen der Bäume – also Behandlung als Straßenbäume – aus Sicherheitsgründen in der Nähe der Straße erforderlich gewesen sei.

Darüber hinaus habe das Landgericht fehlerhaft nicht geprüft, ob eine Vergütung nicht unter GoA-Gesichtspunkten gemäß § 2 Abs. 8 VOB/B zuzusprechen gewesen sei.

Die Klägerin könne auch einen Gemeinkostenausgleich in Höhe von 5.436,88 Euro verlangen. Die Abrechnungsmenge der abschnittsweise abzutragenden Bäume habe sich erhöht und die Abrechnungsmenge der mit einem Fällschnitt zu fällenden Bäume habe sich verringert.

Im Hinblick auf das Grundstück ### seien Voraussetzungen des § 642 BGB erfüllt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehle es nicht an Vortrag zur konkreten Höhe, insbesondere zu Schadensminderungsbemühungen etwa durch Weg- und Wiederzurückbringen der Geräte anstatt deren nutzlosem Vorhalten auf der Baustelle. Zwar entspreche es ständiger Rechtsprechung, dass ein Unternehmer flexibel auf den Bauverlauf reagieren müsse und gegebenenfalls seine Produktionsmittel von der Baustelle wieder abziehen müsse. Die Klägerin habe jedoch im Einzelnen dargelegt – auch anhand der Vorkalkulation in Anlagen K26-K32, Bl. 488 ff. d.A. -, dass das Wegfahren des Harvesters von der Baustelle deutlich günstiger als dessen Verbleib gewesen sei.

Auch zum Grundstück ### habe die Klägerin entgegen der landgerichtlichen Auffassung mehr als erforderlich zur Höhe der Vorhaltekosten vorgetragen. Sie habe in der Anspruchsbegründung, S. 19, in Verbindung mit der Nachtragskalkulation (K 32, Bl. 499 d.A.) im Einzelnen dargelegt, dass der Arbeitszug sechs Stunden stillgestanden habe. Damit hätten bei den Nachträgen jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung zur Verfügung gestanden

Hinsichtlich der gefällten Bäume mit einem Durchmesser von 0,5 bis 0,75 m sei unstreitig, dass es sich um eine Zusatzleistung gehandelt habe, also um eine nicht im Leistungsverzeichnis vereinbarte Leistung. Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des BGH (Az. VII 34/18) betreffe dagegen Fälle der Überschreitung des Mengenansatzes und sei daher nicht übertragbar. Auch die weiteren vom Landgericht herangezogenen Entscheidungen beträfen allesamt vorliegend nicht einschlägige Fragen von Mehrmengen. Auch im Übrigen sei die Höhe des Nachtrags durch die Nachtragskalkulation in Anlage K 31 hinreichend belegt. Die Klägerin müsse Gutschriften aus anderen Leistungsverzeichnispositionen nicht in die Kalkulation einfließen lassen. Auch lägen die Voraussetzungen für eine gerichtliche Schätzung ohne Weiteres vor.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Landgerichtes Cottbus vom 24. August 2022, Az. 6 O 196/21, wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 135.772,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 2. September 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Landgericht habe zutreffend entschieden, dass für die Fällung der gegenständlichen Bäume der Einheitspreis für Waldbäume vereinbart gewesen und dieser bereits beglichen sei. Die Auslegungsbemühungen der Klägerin zum Inhalt des Leistungsverzeichnisses gingen dagegen fehl, wonach es sich dann um Straßenbäume handele, wenn eine Fällung nur durch abschnittsweises Abtragen möglich sei. Dem stehe Nr. 05.00 des Leistungsverzeichnisses entgegen, wonach es sich um Straßenbäume handele, bei denen einzukalkulieren sei, dass Äste teilweise über die Fahrbahn ragten. Daher müssten Straßenbäume in der Nähe einer Straße stehen.

Konkrete Mengenminderungen und Mengenmehrungen habe die Klägerin nicht angezeigt. Die Aufmaße K13-K17 (Bl. 430 ff. d.A.) seien unergiebig, da ihnen keine Aussage dazu entnommen werden könne, ob eine Leistung vertragsgemäß oder einer bestimmten Positionsnummer zuzuordnen sei. Ihnen könne daher kein Anerkenntnis entnommen werden. Auch scheitere ein irgend gearteter Indizwert der Aufmaße daran, dass diese zwar unterzeichnet, aber nicht gemeinsam aufgenommen worden sein. Auch der handschriftliche Vermerk der Beklagten auf einem Schreiben der Klägerin vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 d.A.) habe keine bestätigende Wirkung

Ein Anspruch auf Gemeinkostenausgleich scheitere daran, dass ausweislich der vorstehenden Ausführungen keine Mehr- bzw. Mindermengen angefallen seien.

Das Landgericht habe hinsichtlich des Grundstücks ### zutreffend entschieden, dass es jedenfalls an schlüssigem Vortrag zum Anspruch der Höhe nach fehle. Das Gericht sei auch nicht gehalten, aus Anlagen, die nicht einmal für die hier gegenständlichen Fragen in Bezug genommen worden seien, rechnerische Grundlagen für die Schadensschätzung zusammenzusuchen. Im Übrigen habe die Klägerin jederzeit Ausweicharbeiten an anderen Stellen durchführen können, so dass der Anspruch schon dem Grunde nach nicht bestehe.

Auch hinsichtlich des Grundstücks ### sei jedenfalls der Höhe nach kein Anknüpfungspunkt vorgetragen, der eine Schadensschätzung ermögliche.

Wegen der gefällten Bäume mit einem Durchmesser von 0,5 – 0,75 m handele es sich um zusätzliche Leistungen nach § 2 Abs. 6 VOB/B. Zutreffend habe das Landgericht Cottbus die aus der Entscheidung des BGH (VII ZR 34/18) resultierenden Grundsätze – mithin, dass es beim Fehlen einer vertraglichen Grundlage auf die tatsächlich erforderlichen Kosten ankomme – auch hier angewandt. Dabei sei der Verwertungserlös zu berücksichtigen

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dabei ist unerheblich, dass die vorliegende Sache keine Streitigkeit aus einem Bauvertrag im Sinne von § 72 a Abs. 1 Nr. 2 GVG darstellt, so dass auch erstinstanzlich keine Zuständigkeit der den Rechtsstreit entscheidenden Baukammer begründet war. Denn Baumfällarbeiten sind keine Bauarbeiten und zwar auch dann nicht, wenn sie wie vorliegend mit Rodungsarbeiten einhergehen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. September 2021 – 1 AR 37/21 (SA Z). Allerdings haben die Parteien diesen Umstand nicht gerügt und zudem bedeuten Fehler bei der Anwendung des Geschäftsverteilungsplanes grundsätzlich nur einen Eingriff in das Prozessgrundrecht auf den gesetzlichen Richter, wenn sie auf Willkür beruhen, also eine Zuständigkeitsentscheidung objektiv nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist (OLG Dresden, Urteil vom 11. Februar 2020 – 4 U 1676/19 -). Hierfür ist nichts ersichtlich.

Die Berufung ist unbegründet, weil das Landgericht die zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemachten Ansprüche zu Recht abgewiesen hat.

1. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung weiterer 89.233,81 Euro verneint.

a) Dabei gehen die Parteien ohne Weiteres davon aus, dass die VOB/B tatsächlich vereinbart worden ist. Eine ausdrückliche Vereinbarung lässt sich den vorgelegten Vertragsunterlagen allerdings nicht entnehmen. Ob die ausdrückliche Vereinbarung an anderer Stelle der nicht vollständig vorgelegten Vergabeunterlagen enthalten ist, kann aber offenbleiben. Denn die vereinbarten ZVB/E-StB sehen Konkretisierungen der VOB/B vor (Bl. 360, 364 d.A.) und beziehen sich ausdrücklich auf eine Vielzahl von Regelungen der VOB/B. Auch die Besonderen Vertragsbedingungen (Bl. 369 d.A.) nehmen immer wieder Bezug auf Regelungen der VOB/B. Das lässt bei den Parteien als Fachleuten die Annahme zu, dass die VOB/B insgesamt vereinbart ist. Bei bewanderten Vertragspartnern genügt für eine Einbeziehung der VOB/B deren bloße Inbezugnahme, etwa im Vertragstext. Dies gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts (Motzke/Bauer/Seewald, Prozesse in Bausachen, Rn. 136, beck-online). Dabei findet vorliegend die VOB/B Fassung 2016 Anwendung (nachfolgend VOB/B).

Zwar kann die VOB/B regelmäßig nur in Verträge einbezogen werden, die Bauleistungen im Sinne von § 1 VOB/A betreffen (OLG Nürnberg, Urteil vom 11. Oktober 2005 – 9 U 804/05 -). Der 1. Senat des OLG Brandenburg hat wiederum den Begriff des Bauvertrags im Sinne von § 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG so ausgelegt, dass die vertragliche Verpflichtung zur Durchführung von Baumfäll- und Rodungsarbeiten auf einem Baufeld zur Vorbereitung von Baumaßnahmen nicht als ein solcher Bauvertrag einzuordnen ist. Ein Vertrag, der die Erbringung von Leistungen zum Gegenstand hat, die lediglich dazu dienen, ein Grundstück zur Bebauung freizumachen, stelle – noch – keinen Bauvertrag dar (OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. September 2021 – 1 AR 37/21 (SA Z) -; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 – VII ZR 86/04 -). Nichts anderes ist hier maßgeblich, weil auch vorliegend Baumfäll- und Rodungsarbeiten allein zur Baufeldfreimachung beauftragt sind.

Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass der hier maßgebliche Begriff der Bauleistungen gemäß § 1 VOB/A – synonym zum Begriff des Bauauftrags nach § 103 Abs. 3 GWB (vgl. Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, VOB/A § 1 Rn. 2, beck-online; Hofmann/Lausen in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 1 VOB/A (Stand: 15.09.2022), Rn. 9) – Arbeiten jeder Art umfasst, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird. Das erfasst alle Arbeiten an einem Grundstück, wie z.B. Garten- und Landschaftsgestaltung, das Nachziehen eines Bachbettes, Ausschachtungsarbeiten, Aufschüttung und Dränagen, auch soweit sie nicht der Errichtung eines Hauses oder sonstigen Bauwerks dienen (Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, 8. Aufl. 2023, VOB/A § 1 Rn. 12; vgl. “sonstige Baugrundarbeiten” Hofmann/Lausen in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 1 VOB/A (Stand: 15.09.2022), Rn. 73).

Solche Arbeiten an einem Grundstück sind auch vorliegend betroffen. Zwar handelt es sich nicht um Garten- und Landschaftsgestaltung, weil die Baumfällarbeiten der Errichtung einer Straße dienen. Gleichwohl führen die Fäll- und Rodungsarbeiten dazu, dass ein der Errichtung einer baulichen Anlage – der Straße – dienendes Grundstück durch Ausschachtungen und Aufschüttungen vorbereitet wird. Der daraus ersichtliche Bezug zu Bauleistungen lässt es jedenfalls als gerechtfertigt erscheinen, dass die Parteien für diese Leistungen die Einbeziehung der VOB/B vereinbaren konnten. Im Einklang damit hat auch der Bundesgerichtshof im Rahmen eines Vertrags über Baumfäll- und Rodungsarbeiten die VOB/B ausdrücklich als einbezogen erachtet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – VII ZR 157/20 -), was grundsätzlich nur möglich ist, wenn es sich dabei um Bauleistungen nach § 1 VOB/A handelt.

b) Der Klägerin steht der geltend gemachte Restwerklohnanspruch aus dem Bauvertrag in Verbindung mit § 631 Abs. 1 BGB iVm § 2 Abs. 3 VOB/B nicht zu. Die besonderen Voraussetzungen der VOB/B über Schlussrechnung und Widerspruch gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B sind durch Schreiben vom 21. August 2017 (K 11 Bl. 76 d.A.) erfüllt. Entscheidend ist vorliegend die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen hinsichtlich der Frage, ob ein Straßenbaum im Sinne des Leistungsverzeichnisses dann vorliegt, wenn er infolge Nähe zur Straße stufenweise gefällt werden muss – so die Klägerin – oder ob ein Straßenbaum – so das Landgericht – nur dann vorliegt, wenn er in einer Mulde südlich der Straße entlang eines Amphibien- und Reptilienschutzzaun zu fällen war. Die Auslegung ergibt, dass Straßenbäume nur am Amphibien- und Reptilienschutzzaun vorgesehen waren.

Soweit die Klägerin dabei in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die dort unter “Straßenbaum” und “Waldbaum” erfolgte Differenzierung der Abrechnungspositionen als nicht vertragskonform gerügt hat, hält der Senat daran weiter fest. Denn der Begriff “Straßenbaum” wird in Pos. 05.00 des Leistungsverzeichnisses ausdrücklich genutzt und in der Pos 05.01 ist ausdrücklich von “Waldflächen abholzen” sowie in der Baubeschreibung unter 3.1.2. von “Waldbäumen” die Rede. Hinzu kommt, dass auch die Klägerin selbst in nahezu sämtlichen Schriftsätzen ausdrücklich die Begriffe “Straßenbaum” und “Waldbaum” genutzt hat, um die gegenständlichen Abrechnungspositionen abzugrenzen (so etwa Bl. 573 d.A.).

Allerdings spricht zunächst einiges für die Auffassung der Klägerin, wonach die Parteien mit Pos. 05.00 “Straßenbäume fällen”, die Abrechnung von solchen Bäumen vereinbart haben, die infolge der Nähe zur Straße ein “stufenweises” Fällen erfordern. Denn in den Unterpositionen 05.00.0001-0006 (Straßenbaum) ist jeweils vorgesehen, dass der Stamm stufenweise abgetragen werden soll. Dementsprechend könnte die Position 05.01 “Waldflächen abholzen” so ausgelegt werden, dass sie die Abholzung von Bäumen erfasst, die mangels Nähe zur Straße nicht stufenweise abgetragen werden müssen. Diese Auslegung wird gestützt durch Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung (Bl. 310 d.A.), wonach die “zu fällenden Bäume durch” Stammdurchmesser, Baumart und Art der Nachnutzung unterschieden werden. Da die Waldbäume in einem Schnitt gefällt werden, können sie noch im Sinne der vorstehenden Regelung nachgenutzt werden. Die Nähe von Bäumen zu einer Mulde wird dort gerade nicht erwähnt.

Dabei stellt sich allerdings die Frage, nach welchen Kriterien zu ermitteln sein soll, ob es sich bei dem jeweils abgerechneten Baum um einen Straßenbaum oder einen Waldbaum handelt. Dem Leistungsverzeichnis lassen sich ebenso wenig wie den weiteren Vertragsunterlagen abstrakte Kriterien – etwa Entfernung zur Straße in Metern – finden, die eine Einordnung als Straßenbaum oder als Waldbaum gestatten könnten. Naheliegend dürfte es zwar sein, Straßenbäume als solche anzusehen, die infolge der Nähe zur Straße ein “stufenweises” Fällen erfordern.

Allerdings ist die Frage, wann ein stufenweises Fällen erforderlich ist, bei den streitgegenständlichen Vertragsunterlagen nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten ermittelbar. Denn in den Positionen 03.01.0001 und 0002 des Leistungsverzeichnisses (Bl. 343 d.A.) ist für die Verkehrssicherung an Arbeitsstellen kürzerer Dauer, das Aufstellen einer Lichtsignalanlage als Leistung der Klägerin vorgesehen. In der Baubeschreibung heißt es dazu, unter 03.01.0002 “Diese Anlage ist kurzfristig auf “Rot-Rot-Betrieb” zu schalten, bei Fällarbeiten in dem unmittelbar angrenzenden Straßenseitenraum”. Das könnte so verstanden werden, dass die Klägerin selber bestimmen kann, ob nahe an der Straße stehende Bäume Straßen- oder Waldbäume sind. Wenn die Klägerin nämlich die Straße mittels Lichtzeichenanlage während des Fällvorgangs kurzfristig sperrt, dann dürfte es ihr ohne weiteres möglich sein, auch einen nah an der Straße stehenden Baum mit einem Schnitt zu fällen – und ihn damit quasi zum abzurechnenden Waldbaum zu machen. Oder eben anders herum – so wie es auch vorliegend geschehen ist – sie nimmt nicht immer Sperrungen vor und kann dann die stufenweise gefällten Bäume als Straßenbäume abrechnen, obwohl dies möglicherweise nicht der Intention der Beklagten bei der Ausschreibung entspricht.

Gegen die vorstehende Auslegung spricht daher die Beliebigkeit, mit der der Klägerin dann die Zuordnung zu “Straßenbäumen” oder “Waldbäumen” bestimmen könnte. Denn so könnte die Klägerin entscheiden, ob sie die Straße sperrt oder nicht, und so entweder Bäume als Straßen- oder als Waldbäume fällen. Dann hätte sie auch direkten Einfluss darauf, welche Vergütung für den jeweiligen Baum gefordert werden könnte. Ein derartiges Auslegungsergebnis erscheint auch aus der maßgeblichen Sicht eines Bieters, insbesondere vor dem Hintergrund der aus § 7 BHO folgenden Verpflichtung der Beklagten zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, fernliegend. Andernfalls stünde der Klägerin ein einseitiges Bestimmungsrecht über die Zuordnung von Bäumen zu Positionen des Leistungsverzeichnisses zu, mit dem sie selbst bestimmen könnte, in welcher Höhe sie zu vergüten ist.

Hinzu kommen die ausdrücklichen Regelungen des Leistungsverzeichnisses und der Baubeschreibung. Danach sollen die streitgegenständlichen Bäume als Waldbäume einzuordnen sein, weil in dem Leistungsverzeichnis ein höherer Einheitspreis für Straßenbäume nur für solche Bäume vereinbart wurde, die an der Südseite im Bereich der Mulde für die spätere Anlage eines Amphibienschutzzaunes standen. Denn in der der Vorbemerkung zu Position 05.00 “Straßenbäume” fällen, heißt es:

“Fällung Südseite im Bereich der Mulde für die spätere Anlage eines Amphibienschutzzaunes”.

Das wird konkretisiert unter Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung (Bl. 311 d.A.):

“Dazu kommen Straßenbäume, die für die Anlage eines Amphibien- und Reptilienschutzzaunes gefällt werden müssen. Dies sind ca. 160 Bäume mit einem Durchmesser bis zu 30 cm und ca. 50 Bäume mit einem Durchmesser von 30 cm bis 50 cm. Die Details sind den entsprechenden Leistungspositionen zu entnehmen”.

Dafür, dass die vorstehend erwähnten 210 (160 + 50) Straßenbäume am Amphibien- und Reptilienschutzzaun im Wesentlichen die Bäume sind, die das Leistungsverzeichnis als Straßenbäume in den Positionen 05.00.0001-0006 vorsieht, spricht zudem, dass in diesen Positionen des Leistungsverzeichnisses 207 Straßenbäume erwähnt werden – das entspricht im Wesentlichen den 210 Straßenbäumen aus dem vorstehenden Abschnitt der Baubeschreibung. Damit sprechen auch die Mengenansätze – knapp 210 – der Position “Straßenbäume” in den Positionen zu 05.00 des Leistungsverzeichnisses sowie die 210 Straßenbäume in der Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung dafür, dass die beauftragten Fällungen der Straßenbäume die Bäume betreffen, die gemäß Position 05.00 des Leistungsverzeichnisses und Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung im Bereich der Mulde stehen. Diesem Ergebnis steht angesichts der andernfalls auftretenden Unwägbarkeiten – etwa bei vorstehend aufgezeigten Frage, wer andernfalls und nach welchen genauen Kriterien vor Ort die Einordnung als Straßen- oder Waldbaum vornehmen sollte – auch mit dem Sinn und Zweck der vertraglichen Bestimmungen im Einklang.

Schließlich hat der Senat auch berücksichtigt, dass es bei der Auslegung von Leistungsbeschreibungen in öffentlichen Ausschreibungen insbesondere auch darauf ankommt, ob die verwendete Formulierung von den angesprochenen Fachleuten in einem spezifischen, technischen Sinn verstanden wird oder in den maßgeblichen Fachkreisen verkehrsüblich ist (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 – VII ZR 10/01 -; BGH, Urteil vom 23. Juni 1994 – VII ZR 163/93 -). Aber auch hierfür ist im Sinne der von der Klägerin bemühten Auslegung nichts vorgetragen oder ersichtlich. Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass Leistungsbeschreibungen in öffentlichen Ausschreibungen regelmäßig nicht aus Sicht des Auftraggebers, sondern aus Sicht der möglichen Bieter als Empfängerkreis auszulegen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1993 – VII ZR 118/92). Auch insoweit sind jedoch keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die aus Sicht potentieller Bieter eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut und die eindeutige Systematik gebieten könnte.

Angesichts dieser in der Gesamtschau eindeutigen Regelungen des Leistungsverzeichnisses verbleibt kein Zweifel daran, dass die Parteien vereinbart haben, dass Straßenbäume solche Bäume sind, die für die Anlage des Amphibien- und Reptilienschutzzaunes zu fällen waren. Damit verbleibt kein Raum für die ohne Anknüpfungspunkt in den Vertragsunterlagen bleibende Auslegung der Klägerin, wonach Straßenbäume solche seien, die durch mehrere Schnitte gefällt worden sind. Das gilt umso mehr, als im Hinblick auf die klaren und eindeutigen Regelungen der Baubeschreibung und des Leistungsverzeichnisses umso gewichtigere Anhaltspunkte vorliegen müssten, um die – unzutreffende – Auffassung der Klägerin zu stützen. Solche Anhaltspunkte sind erst recht nicht vorgetragen oder ersichtlich.

c) Der geltend gemachte Werklohnanspruch folgt auch nicht aus § 631 BGB in Verbindung mit den Aufmaßblättern. Die Bindungswirkung des Aufmaßes geht, sofern ein weitergehender Willen der Parteien im konkreten Fall nicht ausnahmsweise feststellbar ist, nicht über die Feststellung des Umfangs der erbrachten Leistung hinaus.

aa) Nach dem Zweck des Aufmaßes – der bloßen Tatsachenfeststellung – gilt die Bindungswirkung nur für den Umfang der vom Auftragnehmer tatsächlich erbrachten Leistungen, nicht aber auch für ihre Vergütungspflicht. Mit dem gemeinsamen Aufmaß ist regelmäßig nicht zugleich die Feststellung verbunden, dass und wie die Leistung abgerechnet und vergütet wird und ob sie vertragsgemäß ist (BGH, Urteil vom 24. Januar 1974 – VII ZR 73/73 -; Kleine-Möller/Merl/Glöckner, PrivBauR-HdB, § 12,). Die beweisrechtliche Wirkung des Aufmaßes besteht daher grundsätzlich nur in tatsächlicher Hinsicht. Dem Auftraggeber ist es trotz des gemeinsam genommenen Aufmaßes unbenommen, gegen die Vergütungsforderung einzuwenden, die Leistung sei bereits von einer anderen Position des Leistungsverzeichnisses umfasst, oder sie dürfe nach den vertraglichen Vereinbarungen gar nicht bzw. nicht in dieser Weise abgerechnet werden (Ingenstau/Korbion, § 14 Abs. 2 VOB/B, Rn. 10; BeckOK VOB/B/Cramer, 50. Ed. 31.1.2023, VOB/B § 14 Abs. 2 Rn. 11). Durch ein gemeinsames Aufmaß ist also der Einwand nicht abgeschnitten, die Leistung sei von einer anderen Position miterfasst, sei nach den Vereinbarungen nicht berechenbar, bei richtiger Vertragsauslegung anders zu berechnen oder sei überhaupt nicht vertraglich vereinbart. Einwendungen dieser Art werden von vorneherein nicht vom Zweck eines Aufmaßes erfasst, tatsächliche Verhältnisse festzustellen und Beweisschwierigkeiten insoweit zu verhüten. Sie können deshalb dadurch auch nicht präkludiert werden (BGH, Urteil vom 30. Januar 1992 – VII ZR 237/90 -; BGH, Urteil vom 24. Januar 1974 – VII ZR 73/73; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. Dezember 2001 – 7 U 299/97 -, Rn. 129).

Damit fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der geltende gemachte Anspruch auf die gegenständlichen Aufmaßblätter gestützt werden könnte. Denn die Klägerin hat keinen Umstand vorgebracht, der ein Abweichen von den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen rechtfertigen könnte. Es ist insbesondere nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Parteien durch die Angabe der Position des Leistungsverzeichnisses und der jeweiligen Kurzbeschreibung auf den Aufmaßblättern über eine ordnende Funktion hinaus mit Rechtsbindungswillen die bindende Zuordnung zu einer Position des Leistungsverzeichnisses vornehmen wollten. Der Umstand, dass die Beklagte die gegenständlichen Aufmaßblätter vorgegeben hat, auf denen Eintragungsfelder für die jeweils betroffene Position des Leistungsverzeichnisses vorgesehen sind, lässt ebenfalls keinen Rückschluss darauf zu, dass die Bindungswirkung des Aufmaßes sich auf die Zuordnung zu Leistungspositionen erstrecken soll. Denn die von der Beklagten vorgesehenen Aufmaßblätter sind dem Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauarbeiten im Straßen- und Brückenbau (HVA-B-StB) als Muster entnommen und kommen daher in einer Vielzahl von Verträgen zur Anwendung. Die Annahme, dass in all diesen Verträgen vom Grundsatz abgewichen werden soll, dass das Aufmaß nur den Umfang der erbrachten Leistung dokumentieren soll, liegt daher fern. Erst recht ist ein solcher Umstand nicht im Hinblick auf den gegenständlichen Vertrag vorgetragen oder sonst ersichtlich.

bb) Soweit sich die Klägerin auf ihr Schreiben vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 d.A.) beruft, auf dem sich handschriftliche Anmerkungen – wohl eines Mitarbeiters der Beklagten, Herrn ###, – finden, ist auch insoweit kein anderes Ergebnis begründbar. Dort heißt es:

“Die Bäume auf der Nord- und Südseite werden gemäß Titel 05.00 [Straßenbäume …] durchgeführt. Die gemeinsam aufgemessenen Mengen in den Leistungsverzeichnis-Positionen des Titels 05.00 bilden dabei die Abrechnungsgrundlage.”

Der anschließend geäußerten Bitte um Bestätigung hat der Mitarbeiter der Beklagten in seiner handschriftlichen Anmerkung auf diesem Schreiben entgegen der Auffassung der Klägerin aber nicht entsprochen. Vielmehr hat er ausgeführt, wie die gefällten Bäume gelagert werden sollen und dies mit der einleitenden Bemerkung “Unter folgender Bedingung” versehen. Eine ausdrückliche Zustimmung zu den klägerischen Ausführungen ist damit nicht verbunden. Es liegen aber auch die erforderlichen Anhaltspunkte für die Annahme einer konkludenten Zustimmung zu der von der Klägerin vertretenen Auffassung nicht vor. So ist im Hinblick auf die Höhe der klägerseits geltend gemachten Forderungen von zunächst über 700.000 Euro ersichtlich eine Entscheidung vom Mitarbeiter der Beklagten abverlangt, die eine erhebliche wirtschaftliche Tragweite auswies und überdies nach den vorstehenden Ausführungen zu einer Änderung des Vertrags geführt hätte. An die Annahme einer konkludenten Zustimmung sind daher hohe Anforderungen zu stellen.

Ungeachtet der Frage, ob der Mitarbeiter der Beklagten insoweit überhaupt vertretungsbefugt war, hätten daher auch aus Sicht der Klägerin eindeutige Anhaltspunkte für eine Zustimmung des Mitarbeiters der Beklagten vorliegen müssen. Das Gegenteil war der Fall, weil der Mitarbeiter der Beklagten lediglich mit Anmerkungen über den Lagerplatz einzelner Bäume geantwortet hat. Hinzu kommt, dass ein lebensnah nachvollziehbarer Grund für diese handschriftliche Anmerkung von der Beklagten vorgebracht ist. Denn nach der eingangs in den tatsächlichen Feststellungen angeführten Entscheidung des BGH mit dem Az. VII ZR 157/20 sei es der Klägerin nicht mehr möglich gewesen, Mindermengen für Holzerlöse geltend zu machen und in der Folge seien von der Klägerin mehrfach Entsorgungskosten geltend gemacht worden. Dem habe der Mitarbeiter der Beklagten mit seiner handschriftlichen Notiz, wonach eine Lagerung auf dem Baufeld erfolgen sollen, entgegenwirken wollen (Bl. 618 d.A.). In der Gesamtschau liegen damit die erforderlichen eindeutigen Anhaltspunkte für die behauptete Vereinbarung der Klägerin mit dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn ###, nicht vor. Angesichts der voranstehenden Ausführungen kann offenbleiben, ob die vermeintliche Vereinbarung nicht ohnehin nur für die Zukunft gelten und nicht die schon zurückliegenden Fällungen erfassen sollte.

cc) Ebenso wenig ergibt sich eine weitergehende Bindungswirkung des Aufmaßes aus dem vorgelegten Bautagebuch vom 16. Februar 2017 (K 39, Bl 688). Denn allein der Umstand, dass dort ein Hr. ### – ein Mitarbeiter des externen Bauüberwachers – am Aufmaß teilgenommen hat und das “Abtragen der Bäume” erörtert worden sein soll, sagt nichts darüber aus, ob der Angabe der Positionsnummer des Leistungsverzeichnisses in den Aufmaßblättern Bindungswirkung zukommt. Hinzu kommt, dass die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass Herr ### zur Vereinbarung von Leistungsänderungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt war oder die Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorgelegen haben könnten (vgl. hierzu OLG Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2021 – 11 U 226/20 -).

d) Ein Vergütungsanspruch nach §§ 631 BGB, 2 Abs. 5 VOB/B steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. § 2 Abs. 5 VOB/B sieht vor, dass ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren ist, wenn durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden.

Eine Änderung des Bauentwurfs im Sinne dieser Vorschrift ist nicht erfolgt. Eine Änderung des Bauentwurfs liegt nur dann vor, wenn etwas anderes als das ursprünglich Vorgesehene vom Auftragnehmer geleistet werden soll. Das ist nicht der Fall, weil im Leistungsverzeichnis die Aufteilung zwischen Wald- und Straßenbäumen vereinbart war (siehe hierzu oben unter Gliederungspunkt 1 b)

Es liegt auch keine Anordnung der Beklagten im Sinne dieser Vorschrift vor. Eine solche Anordnung ist nach dem bis zum 31. Dezember 2017 gegebenen Rechtsstand grundsätzlich formlos möglich und kann daher auch stillschweigend und konkludent erfolgen (BeckOK VOB/B/Kandel, 50. Ed. 31.10.2022, VOB/B § 2 Abs. 5 Rn. 54). Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, worin vorliegend eine stillschweigende Anordnung zu sehen sein soll. Sofern die Klägerin vorbringt, Mitarbeiter der Beklagten seien konstant auf der Baustelle anwesend gewesen und hätten den Fällungen zugestimmt, folgt daraus nicht mit der erforderlichen Sicherheit, dass eine die vertraglichen Grundlagen ändernde Erklärung abgegeben werden sollte. Zudem scheidet eine solche Anordnung regelmäßig aus, wenn der Auftraggeber erkennbar der Auffassung ist, die Leistung sei bereits vertraglich geschuldet (BeckOK VOB/B/Kandel, 50. Ed. 31.10.2022, VOB/B § 2 Abs. 5 Rn. 54). Das ist auch vorliegend der Fall.

e) Auch aus § 2 Abs. 6 VOB/B folgt kein Anspruch der Klägerin. Diese Vorschrift berechtigt den Auftragnehmer zur Forderung einer besonderen Vergütung, wenn eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert wird. Soweit danach eine Leistung so wie vorliegend von vornherein vom Auftragnehmer geschuldet ist, liegt bereits begrifflich keine solche Leistungsänderung vor (BeckOK VOB/B/Kandel, 50. Ed. 31.10.2022, VOB/B § 2 Abs. 6 Rn. 18).

f) § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B sieht vor, dass der Auftraggeber solche ohne Auftrag ausgeführten Leistungen zu vergüten hat, wenn er sie nachträglich anerkennt. Anhaltspunkte für ein solches Anerkenntnis sind nicht ersichtlich.

g) Auch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 2 Abs. 8 Nr. 3, §§ 683 Satz 1, 670 BGB steht der Klägerin kein Zahlungsanspruch zu.

Ein Ausspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag steht nicht erkennbar mit dem mutmaßlichen Willen der Beklagten in Einklang. Es ist vorliegend nicht ersichtlich und nicht vorgetragen, dass die stufenweise erfolgenden Fällungen dem Willen der Beklagten entsprachen, weil sie die Leistung ausweislich des Leistungsverzeichnisses gerade anders vereinbart hat – nämlich das Fällen von Straßenbäumen stufenweise nur im Bereich der Mulde – als die Klägerin nunmehr abrechnet. Wenn die Beklagte die Leistung dergestalt ausgeschrieben hat, dass an Mulde / Amphibienzaun Straßenbäume abschnittsweise zu fällen waren, dann spricht schon die damit einhergehende Gestaltung der Preisstruktur dafür, dass sie die abschnittsweise Fällung (=Straßenbäume) an anderer Stelle nicht wollte.

Es ist auch nicht ersichtlich oder sonst vorgetragen, dass die abschnittsweise Fällung an anderer Stelle als der vertraglich vereinbarten Stelle an Mulde / Amphibienzaun erforderlich war. Soweit die Klägerin hierzu ausführt, dass ohne die abschnittsweise Fällung der Bäume, ein Betrieb der Bundesstraße nicht möglich gewesen sei, greift das nicht. Insbesondere hätte es der Klägerin offen gestanden, die Straße kurzzeitig vollständig oder teilweise zu sperren, wenn ein an der Straße stehender “Waldbaum” zu fällen war. Zwar findet sich hierzu in einem von der Klägerin vorgelegten Zeitungsartikel (Bl. 180 d.A.) die Aussage, dass eine Sperrung der Straße nur halbseitig möglich gewesen sei. In den Ausschreibungsunterlagen findet sich eine derartige Einschränkung aber nicht. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich hinsichtlich der Lichtsignalanlage unter Ziffer 3.1.2 Absatz 5: “Diese Anlage ist bei Bedarf kurzzeitig auf “Rot-Rot-Betrieb” zu schalten, wenn Fällarbeiten in dem unmittelbar angrenzenden Straßenseitenraum vorgenommen worden”

Die Klägerin beruft sich darüber hinaus auf ein von ihr vorgelegtes Privatgutachten ### vom 22. Februar 2017 (K 35, Bl. 580 ff. d.A.). Danach sei bei einer Vielzahl von Bäumen aufgrund der Nähe zur Straße nur ein stufenweises Abtragen zulässig gewesen und daher eine Abrechnung als Straßenbaum erforderlich. So sehe es auch die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (K 36, Bl. 596 d.A.) vor. Aber auch insoweit ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Straße für den Moment der Fällung kurzfristig in dem in den Vertragsunterlagen ausdrücklich zugelassenen “Rot-Rot-Betrieb” zu sperren. Zwar führt der Privatgutachter aus, dass derart viele Bäume in Straßennähe gefällt werden mussten, dass das nur durch eine durchgängige Sperrung der Straße zu bewältigen gewesen wäre (Bl. 585 d.A.), wenn die Bäume als Waldbäume durch einen Schnitt zu fällen gewesen wären. Für diese Wertung spricht zunächst auch das Vorbringen der Klägerin, wonach im Leistungsverzeichnis Pos. 03.01.0003 ein Vorhalten der Ampelanlage nur für 10 Tage geplant gewesen sei, sie diese tatsächlich nur für 13 Tage abgerechnet habe und die Bauarbeiten dagegen vom 13. Februar 2017 bis zum 19. April 2017, also zwei Monate gedauert hätten. Das könnte zunächst darauf hindeuten, dass die kurzzeitige Straßensperrung der Ausnahmefall bleiben sollte. Was die Klägerin bei ihrer Angabe einer Dauer ihrer Arbeiten von “2 Monaten” ausspart, ist der Umstand, dass nach ihrer eigenen Darstellung schon am 21. Februar 2017 alle mit Harvester durchzuführenden Leistungen abgeschlossen waren (K 38, Bl. 600 d.A.) und im Übrigen alle Baumfällarbeiten wegen der Vogelschutzzeit Ende Februar abgeschlossen sein mussten. Daher ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass Baumfällarbeiten von mehreren Monaten erforderlich waren. Darüber hinaus ist die Klägerin selbst davon ausgegangen, dass sie Sperrungen der B101 für die Baumfällungen vorzunehmen hat. So hat sie in ihrem Schreiben vom 24. Februar 2017 selbst ausgeführt, dass die Baumfällungen unter Beachtung “der Sperrung gemäß Titel 03. durchgeführt” werden (K 37, Bl. 599 d.A.). In Titel 3 des Leistungsverzeichnisses ist wiederum vorgesehen, dass für Fällarbeiten neben der Straße eine Absperrung des Straßenbereichs der B101 erfolgen kann (Bl. 198 d.A).

h) Eine Vergütung steht dem Auftragnehmer gemäß § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B ferner zu, wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrags notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Es fehlte aber nach den vorstehenden Ausführungen unter Gliederungspunkt f) schon daran, dass die Leistungen dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprachen.

i) Ein Bereicherungsanspruch besteht für die Klägerin ebenfalls nicht, weder aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. (Leistung) BGB noch aus § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB (conditio ob rem) oder aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB (Nichtleistungskondiktion). Denn ein Rechtsgrund folgt aus dem bestehenden Vertrag, der wie festgestellt die gegenständlichen Leistungen umfasst. Zudem stünden die Grundsätze der sog. aufgedrängten Bereicherung einem derartigen Anspruch entgegen, denn durch das Bereicherungsrecht dürfen vorrangige vertragliche Regelungen des privaten Baurechts nicht umgangen werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. November 2014 – 22 U 37/14 -; siehe auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 2013 – 22 U 21/13 -).

j) Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Zwar kann sich ein Vergütungsanspruch des Auftragnehmers unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ergeben, wenn ein Auftraggeber Vertragsänderungen oder Anordnungen verweigert, obwohl die Leistungsbeschreibung unzureichend ist (Ingenstau/Korbion, § 1 Abs. 3 VOB/B, Rn. 22). Hierfür müsste jedoch ersichtlich sein, dass die vereinbarte Leistungsausführung – das abschnittsweise Fällen von Straßenbäumen am geplanten Amphibienzaun, im Übrigen das Fällen von Waldbäumen in einem Schnitt – unzureichend war. Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil die Klägerin die Möglichkeit vorübergehender Straßensperrungen im Zeitpunkt des Fällens eines Baumes in Straßennähe offenstand. Weshalb dennoch ein Fällen der Bäume, so wie vereinbart nicht möglich gewesen sein soll, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

k) Der Klägerin steht danach unter keinem rechtlichen Grund ein Anspruch auf Zahlung von 89.233,81 Euro für die Fällung von “Straßenbäumen” zu.

2. Der geltend gemachte Anspruch auf Gemeinkostenausgleich in Höhe von 5.436,88 Euro scheitert daran, dass nach den vorstehenden Ausführungen unter Gliederungspunkt 1. keine Mehr- bzw. Mindermengen angefallen sind.

3. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 5.333,24 Euro, weil das (“Eigentümer des Grundstücks ###”) nicht rechtzeitig für die Fällarbeiten zur Verfügung gestellt worden sei, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer gemäß § 642 BGB iVm § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Voraussetzungen dieser Regelungen sind nicht erfüllt.

aa) Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Voraussetzungen des § 642 BGB dem Grunde nach erfüllt sind und ob die unter Schadensminderungsgesichtspunkten geltend gemachten Kosten für die Verbringung der Geräte zum Einsatz an anderer Stelle nach dieser Vorschrift ersatzfähig sind.

bb) Denn es fehlt selbst für die Schätzung einer Mindesthöhe der geforderten Entschädigung hinreichender Vortrag. Bei § 642 BGB handelt es sich um einen Vergütungsanspruch eigener Art für die fruchtlose Bereithaltung von Kapazitäten, der den Nachweis eines Schadens durch den Unternehmer nicht voraussetzt (Staudinger/Peters (2019) BGB § 642, Rn. 24). Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Anzusetzen ist dabei auf jeden Fall die volle Wartezeit als jene Zeit, für die Mitarbeiter, Maschinen und Materialien nicht gewinnbringend anderweitig eingesetzt werden können, weil sie für dieses Objekt zur Verfügung stehen mussten (Staudinger/Peters (2019) BGB § 642, Rn. 25). Das steht im Einklang damit, dass § 6 Abs. 3 S. 1 VOB/B die Pflicht vorsieht, die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen und die Interessen des Auftraggebers zu schonen. Die Klägerin trägt vor, dass die Baustelle beräumt werden musste, um den eingesetzten Harvester kostenschonend anderweitig einzusetzen und ihn dann wieder zurückzubringen (Bl. 659 d.A.).

Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht zutreffend entschieden, dass die Klägerin für eine Schätzung nach § 642 BGB unter entsprechender Heranziehung von § 287 ZPO nicht hinreichend vorgetragen hat. Die Klägerin hat in ihrem Nachtragsangebot für das Grundstück ### die Positionen “Baustelle einrichten” und “Baustelle räumen” kalkuliert und hierfür jeweils einen Betrag von 2.666,62 Euro angesetzt (K25 a Bl. 138, 143 d.A.). Allerdings heißt es hierzu im Nachtragsangebot lediglich, dass diese Positionen auf der Grundlage der Grundposition 02.00.001 [Baustelle einrichten] und der Grundposition 02.00.002 Baustelle räumen kalkuliert sei (Bl. 143 d.A.). Aus der dazu vorgelegten Nachtragskalkulation (K 26, Bl. 144 d.A.) wird allerdings ersichtlich, dass die Klägerin offenbar die Einkaufspreise aus der Vorkalkulation übernommen hat. Jedenfalls hat die Klägerin nicht erörtert, wie aus der Vorkalkulation zu Pos. 02.00.0001, die einen Betrag von 13.333,10 Euro (Bl. 113 d.A.) vorsieht, der Preis für den Nachtrag von 2.666,62 Euro der lediglich pauschal und ohne jede Aufgliederung geblieben ist, abgeleitet sein könnte. Zwar hat die Klägerin für den Nachtrag wohl 1/5 des für die gesamte Baustelleneinrichtung kalkulierten Betrags angesetzt (2.666,62 Euro x 5= 13.333,10 Euro). Da in der Vorkalkulation ein Mengensatz von 30 Stunden angesetzt ist, geht die Klägerin – geteilt durch 5 – wohl von einem Mengenansatz für den Nachtrag von 6 Stunden aus. Entsprechendes gilt für die Position “Baustelle räumen”.

Weshalb allerdings der für das vollständige Räumen und Wieder-Einrichten der Baustelle kalkulierte Mengenansatz von jeweils 30 Stunden aus der Vorkalkulation im Nachtrag für die Dauer von jeweils 6 Stunden für dem An- und Abtransport eines Harvesters kalkuliert worden ist und die Gemeinkosten von pauschal 3.699,70 Euro entsprechend der vorliegend genannten Stundenanzahl durch 5 geteilt und damit in Höhe von 739,94 Euro geltend gemacht worden sind, ist weder erläutert noch erschließt sich die Kalkulation im Übrigen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb vorliegend für den Ab- und Antransport des Harvesters 6 Stunden im Verhältnis zu dem vollständigen Räumen bzw. Einrichten der Baustelle mit 30 Stunden angesetzt worden ist. Hierzu sind auch im Berufungsverfahren keine Erläuterungen erfolgt, obwohl schon das Landgericht aus den vorstehenden Gründen keine Entschädigung nach § 642 BGB zugesprochen hat. Allein durch den Hinweis im Nachtragsangebot, die dort pauschal angebotenen Positionen “Baustelle einrichten und räumen” seien auf der Grundposition “Baustelle einrichten und – räumen” des Hauptvertrags kalkuliert, wird ebenfalls nicht erkennbar, weshalb die Klägerin die vorstehenden Mengenansätze gewählt hat. Da anhand des Vortrags der Klägerin trotz des gerichtlichen Spielraums bei der Bestimmung der Entschädigung nach § 642 BGB eine solche vorliegend nicht bestimmbar ist, kann schließlich offenbleiben, ob die An- und Abtransportkosten vorliegend überhaupt ersatzfähig wären.

Ein Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO war nicht erforderlich, weil das Landgericht die Klage zu dieser Position mit einer vergleichbaren Argumentation abgewiesen und sich die Klägerin gleichwohl darauf beschränkt hat, mit der Berufungsbegründung wie aufgezeigt vorzutragen.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war ebenfalls nicht erforderlich. Durch die Möglichkeit, ein Gutachten nach § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO sogar von Amts wegen einzuholen, sind die Parteien nicht von ihrer Darlegungs- und Beweislast befreit. Der Parteivortrag muss konkrete Anknüpfungstatsachen bieten, die Grundlage für ein Gutachten sein können und die der Sachverständige beurteilen kann (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – X ZR 13/14 -, Rn. 34). Das ist, wie aufgezeigt, nicht der Fall.

b) Die Klägerin kann auch keinen Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B verlangen. Nach dieser Vorschrift ist der Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch hindernde Umstände nachweislich entstanden ist und regelmäßig im Bereich des erforderlichen Mehraufwands bei der Erstellung der vertraglichen Leistung besteht (Döring, in Ingenstau/Korbion, VOB, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rn. 26, 39). Hierfür ist nichts ersichtlich und wäre darüber hinaus nach den vorstehenden Ausführungen unter Gliederungspunkt a) ohnehin nicht hinreichend dargelegt.

c) Die Klägerin kann den Ersatz der durch die Bauverzögerung verursachten Mehrkosten auch nicht nach § 304 BGB erstattet verlangen. Soweit die Klägerin die Heranziehung dieser Norm durch das Landgericht rügt, bleibt das schon deshalb unerheblich, weil das Landgericht den Fall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat. Hinzukommt, dass sich die Klägerin in erster Instanz ausdrücklich auch auf § 304 BGB gestützt hat (Bl. 686 d.A.).

Der Anspruch aus § 304 BGB wird durch § 642 BGB zwar nicht verdrängt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, 39 f.; Hartwig, BauR 2014, 1055, 1058 ff.; Roskosny/Bolz, BauR 2006, 1804, 1814). § 304 BGB gewährt jedoch lediglich den Ersatz von Mehraufwendungen, die für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstandes entstehen. Hierzu gehören nicht Mehrkosten, die der Unternehmer aufwenden muss, weil sich die Ausführung seiner Leistung aufgrund des Annahmeverzugs des Bestellers infolge Unterlassens einer ihm obliegenden Mitwirkungshandlung verzögert (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2017 – VII ZR 16/17 -, BGHZ 216, 319-332, Rn. 39; OLG Frankfurt, Urteil vom 3. Februar 2023 – 21 U 47/20 -).

4. Hinsichtlich des Grundstücks ### steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch ebenfalls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Dabei kann offen bleiben, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 642 BGB iVm § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B dem Grunde nach erfüllt sind. Denn es fehlt selbst für die Schätzung einer Mindesthöhe der geforderten Entschädigung hinreichender Vortrag.

Zwar trifft die Auffassung des Landgerichts vorliegend nicht zu, wonach der bloße schriftsätzliche Verweis auf Berechnungen in Anlagen zu Schriftsätzen den Vortragspflichten des Beklagten nicht genüge. Anlagen können zwar lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht vollständig ersetzen (BGH, Urteil vom 27. September 2001 – V ZB 29/01, BGH-Report 2002, 257; BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 – II ZR 111/05 -; BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 – II ZR 111/05, ZIP 2007, 1942 Rn. 25; Beschluss vom 11. April 2013 – VII ZR 44/12; BGH, Beschluss vom 23. September 2014 – II ZB 24/13 -, Rn. 12). Die Anlagen dienen allerdings vorliegend der Erläuterung schriftsätzlichen Vorbringens mit konkreter Inbezugnahme, es würde sich ersichtlich um eine bloße Förmelei handeln, die rechnerischen Angaben etwa aus der Nachtragskalkulation in den Schriftsatz mit aufzunehmen. Hinzu kommt, dass die Klägerin eben die Angaben der Nachtragskalkulation zuletzt noch einmal schriftsätzlich wiedergegeben hat.

Diese grundsätzlich ausreichende Bezugnahme auf die klägerseits vorgelegten Anlagen ändert gleichwohl nichts daran, dass dem Senat keine hinreichenden Schätzgrundlagen selbst für eine Mindestentschädigung zur Verfügung stehen. Zum Nachweis einer Verzögerungsentschädigung genügt es insbesondere nicht, die Verzögerung und die Stillstandszeit für Mannschaft und Gerät und die Vorhaltekosten darzustellen. Vielmehr muss konkret vorgetragen werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 12. Februar 2004 – 17 U 56/00 -; Rösch in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 642 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 14). Macht ein Auftragnehmer einen Anspruch auf Entschädigung wegen Bauzeitverzögerung geltend, so kann für die Darlegung des nachweislich entstandenen Schadens bzw. der angemessenen Entschädigung eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung erforderlich sein (vgl. Rösch in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 642 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 13). Dafür muss der Anspruchsteller zunächst den bauvertraglich vereinbarten Bauablauf-, dann die genaue Behinderung- und schließlich deren konkrete Auswirkungen auf seine Leistungen darlegen (vgl. OLG München, Urteil vom 20. November 2007 – 9 U 2741/07 -; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 – VII ZR 222/07 -).

Zwar ist ein detaillierter Vergleich zwischen dem vereinbarten und dem verzögerten Bauablauf vorliegend nicht erforderlich, da lediglich die Verzögerung von weiteren Baumfällarbeiten im Raum stand. Allerdings hat die Klägerin zum Beleg ihrer Entschädigung lediglich auf die Nachtragskalkulation (K 32 Bl. 184 d.A.) Bezug genommen. Dort ist auf der Grundlage des Nachtragsangebots (Bl. 183 d.A.) aufgeführt, dass Stillstandskosten zwischen 9.30 und 16.30 Uhr aufgetreten sind und angeführt, welche der Preise für die davon betroffenen Bagger, Rückezug, Hacker und LKW angesetzt worden sind.

Daher ist hier ebenso wie in Bezug auf das Grundstück ### (vorstehend unter Gliederungspunkt 4.) weder erläutert noch sonst erkennbar, wie die angesetzten Kosten auf der Grundlage der Vorkalkulation (etwa Bl. 122 d.A.) ermittelt worden sind, insbesondere welche Kosten der Stillstand der eingesetzten Gerätschaften verursacht hat. Die Klägerin hat – soweit ersichtlich – den Nachtrag auf der Grundlage der in der Vorkalkulation mehrfach ausgewiesenen Preise für Bagger, Rückezug, Hacker und LKW ermittelt und hat diese Preise dann in Bezug auf den Stillstandszeitraum – wohl abzüglich einer Mittagspause – mit 6 Stunden ermittelt. Daraus ist auch unter Anlegung großzügiger Maßstäbe nicht ermittelbar, ob und wie diese Preise den gegenständlichen Stillstand zutreffend abbilden.

b) Aus den unter Gliederungspunkt 3. aufgeführten Gründen steht der Klägerin auch kein Anspruch aus § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B bzw. § 304 BGB zu. Ein Hinweis war ebenso wenig wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich (vgl. oben unter Gliederungspunkt 3. a) aE).

5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 7.626,64 Euro über die bereits beglichenen 2.333,07 Euro hinaus für die Fällung von im Leistungsverzeichnis nicht vorgesehenen Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5 bis 0,75 m. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung, die gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B eine gesonderte Vergütung erfordert. Die Erbringung der Leistung ist unstreitig (Bl. 545 d.A.). Die erforderliche Ankündigung ist mit Schreiben der Klägerin vom 15. Februar 2017 (K 33, Bl. 185 d.A.) erfolgt.

Die Frage, wie die Vergütung für Leistungen gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B erfolgt, ist umstritten. Einerseits wird vertreten, dass die Vergütung ausgehend des Kalkulationsgefüges des Hauptauftrags zu bestimmen ist (so etwa ausdrücklich Keldungs, in: Ingenstau/Korbion, § 2 Abs. 6 VOB/B, Rn. 30 ff.). Dagegen sieht die neuere Rechtsprechung im Hinblick auf § 650 c BGB die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn als maßgeblich an (etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 22. April 2020 – 11 U 153/18 -; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2020 – 29 U 171/19 -, unter Hinweis auf gleichlautende Rechtsprechung des BGH zu § 2 Nr. 3 VOB/B: Urteil vom 8. August 2019 – VII ZR 34/18 -, BGHZ 223, 45-57). Hierauf beruft sich die Klägerin und führt aus, dass sie ihre Vergütung auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten ermittelt hat.

Es kann allerdings offenbleiben, welche der beiden Berechnungsmethoden anwendbar ist. Denn der Vortrag der Klägerin zu der geforderten Vergütung ermöglicht mangels greifbarer Anhaltspunkte keine Bestimmung einer zusätzlichen Vergütung. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei dem im Hauptauftrag zu negativen Einheitspreisen angesetzten Gutschriften für die dünneren Bäume von 140,00 Euro um kalkulatorische Nachlässe handelt, die auch bei Nachträgen zu gewähren sind (so OLG Brandenburg, Urteil vom 22. April 2020 – 11 U 153/18 -).

Unabhängig davon sind Gründe für einen höheren Einheitspreis nicht dargelegt. Denn das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass zu berücksichtigen ist, dass die von der Klägerin angesetzten höheren Kosten daraus resultieren, dass die Klägerin bei den Kosten für den Bagger mit Spezialschere von Kosten von 345,60 Euro (K34, Bl. 503 d.A.) für die dickeren Bäume statt von 267,80 Euro (Anlage K22, Pos. 05.01.0007, Bl. 475 d.A.), für die dünneren Bäume ausgeht und einen Zeitaufwand pro Baum von 0,333 Stunden statt 0,05 Stunden ansetzt, im Übrigen haben sich die kalkulierten Kosten nicht geändert. Die Beklagte hat insbesondere trotz der darauf gestützten Klageabweisung nicht erläutert, warum die Fällung eines Baumes mit einem etwas größeren Umfang fast sieben Mal so lang dauert und warum der Bagger mit Spezialschere zwischen Angebotsabgabe 9. Januar 2017 und der etwa einen Monat später liegenden Fällung um 30% teurer geworden ist.

Eine erneute Hinweiserteilung war ebenso wenig wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich (vgl. oben unter Gliederungspunkt 3. a) aE).

6. Die mit Beschluss des Landgerichts vom 10. November 2022 zurückgewiesenen Berichtigungsanträge (Bl. 742 d.A.) führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Soweit das Landgericht eine sachliche Entscheidung über die Tatbestandsberichtigungsanträge deshalb abgelehnt hat, weil der erkennende Einzelrichter nicht mehr Mitglied der Kammer war, kann offenbleiben, ob die Entscheidung zu Recht erfolgt ist. Soweit es sich bei den gerügten Unrichtigkeiten um offenkundige Fehler handeln sollte, können sie zwar grundsätzlich auch durch das Berufungsgericht während des schwebenden Berufungsverfahrens berichtigt werden (BGH, Urteil vom 20. August 2009 – VII ZR 205/07 -, BGHZ 182, 158-187, Rn. 67; BGH, Beschluss vom 9. Februar 1989 – V ZB 25/88 -, BGHZ 106, 370-374, Rn. 13). Solche Fehler sind jedoch nicht ersichtlich, zumal die landgerichtlichen Feststellungen, die zum Gegenstand der Berichtigungsanträge gemacht worden sind, nicht entscheidungserheblich oder ohnehin der Entscheidung des Berufungsgerichts zu Grunde zu legen sind. Daher kann auch offenbleiben, ob die Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 10. November 2022 nicht ohnehin im Wege teleologischer Reduktion von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorrangig sofortige Beschwerde hätte einlegen müssen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. März 2004 – 24 W 8/04 -).

6. Die Klägerin macht darüber hinaus eine Vielzahl von Gehörsverletzungen, insbesondere von Verstößen gegen Hinweispflichten des Landgerichts geltend. Ob und welche Verstöße insoweit vorgelegen haben, kann aber offenbleiben. Zwar ist es nicht erforderlich, dass in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verfahrensrüge angeführt wird, welchen Vortrag der Rügende in Verkennung der Rechtslage angesichts der unterlassenen Hinweise des Gerichts unterlassen hat. Vielmehr reicht es aus, dass nach dem Inhalt der Berufungsbegründung ohne Zweifel ersichtlich ist, was aufgrund des gerichtlichen Hinweises vorgetragen worden wäre (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01 -). Das lässt sich vorliegend allenfalls mittelbar aus dem klägerischen Vortrag ableiten. Aber im Ergebnis kann ohnehin offenbleiben, ob eine relevante Gehörsverletzung vorliegt. Denn auch unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags der Klägerin im Rechtsstreit hat die Klage keinen Erfolg.

7. Die Rechtsanwaltskosten sind mangels Berufungsangriffs nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 708 ZPO, Rn. 12).

9. Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung bereits höchstrichterlich geklärter Rechtsfragen im Einzelfall.

10. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG.

OLG Brandenburg zur Frage der Bindungswirkung(en) eines gemeinsamen Aufmasses

OLG Brandenburg zur Frage der Bindungswirkung(en) eines gemeinsamen Aufmasses

vorgestellt von Thomas Ax

Die Bindungswirkung des gemeinsamen Aufmaßes als bloßer Tatsachenfeststellung gilt nur für den Umfang der vom Auftragnehmer tatsächlich erbrachten Leistungen, nicht aber auch für ihre Vergütungspflicht. Mit dem gemeinsamen Aufmaß ist regelmäßig nicht zugleich die Feststellung verbunden, dass und wie die Leistung abgerechnet und vergütet wird und ob sie vertragsgemäß ist. Dem Auftraggeber ist es trotz des gemeinsam genommenen Aufmaßes unbenommen, gegen die Vergütungsforderung einzuwenden, die Leistung sei bereits von einer anderen Position des Leistungsverzeichnisses umfasst, oder sie dürfe nach den vertraglichen Vereinbarungen gar nicht bzw. nicht in dieser Weise abgerechnet werden.
OLG Brandenburg, Urteil vom 20.07.2023 – 10 U 14/23

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Vergütung von Baumfällarbeiten.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin nach einer Ausschreibung mit Zuschlagsschreiben vom 9. Februar 2017 (K 1, Bl. 290 d.A., K 2, Bl. 298 d.A.) mit der Durchführung von Fällarbeiten zur Baufeldfreimachung im Rahmen des Ausbaus der B101 zwischen (“Ort 01”) und (“Ort 02”) zu einer Auftragssumme von 9.596,20 Euro. Das Angebot der Klägerin enthielt im Hinblick auf die vorgesehene Verwertung von gefällten Bäumen durch die Klägerin teilweise negative Preise, da die Klägerin aus der Verwertung weitere Einnahmen erzielen konnte. Vertragsbestandteil sind die Baubeschreibung, das Blankett-Leistungsverzeichnis, die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau, die ZVB/E-StB 2014 und die Weiteren Besonderen Vertragsbedingungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K2 (Angebot, Bl. 298 ff. d.A.), K3 (Baubeschreibung, Bl. 305 ff. d.A.), K4 (Leistungsverzeichnis, B.. 334 ff. d.A.), K5 (ZVB, Bl. 358 ff. d.A.), und K6 (Besondere Vertragsbedingungen, Bl. 369 ff. d.A.), Bezug genommen.

Ausweislich der Baubeschreibung war Auftragsgegenstand die Baufeldfreimachung der B 101 zwischen (“Ort 01”) und (“Ort 02”) mit folgenden Hauptleistungen (Bl. 309 d.A.):

“Ca. 1.300 m2 Waldfläche abholzen

Ca. 160 St Straßenbäume Fällen D = 10 bis 30 cm

Ca. 50 St Straßenbäume fällen D = 30 bis 50 cm

Ca. 5.000 St Waldbäume fällen D = 10 bis 30 cm

Ca. 650 St Waldbäume fällen D = 30 bis 50 cm”

Unter Gliederungspunkt 3.1.2. der Baubeschreibung heißt es:

“Für die Absicherung der Fällarbeiten ist bei Bedarf eine Verkehrssicherung an Arbeitsstellen von kürzerer Dauer nach RSA-Regelplan C I/5 vorgesehen. Eine transportable Lichtsignalanlage für Engstelle und Verkehrsabhängigkeit, Typ C mit einer Energieversorgung nach Wahl des AN ist erforderlich. Diese Anlage ist bei Bedarf kurzfristig auf “Rot-Rot-Betrieb” zu schalten, wenn Fällarbeiten in dem unmittelbar angrenzenden Straßenseitenraum vorgenommen werden.”

Das Langtext Leistungsverzeichnis weist die Positionen 05.00 “Straßenbäume fällen” und unter 05.01 “Waldflächen abholzen” aus (Bl. 309 ff. d.A.). Dabei ist in den Unterpositionen zu 05.00 “Straßenbäume fällen” teilweise vorgesehen, dass die Baumkrone und der Stamm stufenweise abzutragen sind. In den Unterpositionen zu 05.01 Waldflächen ist dagegen ein stufenweises Abtragen nicht vorgesehen, dort können die Bäume mit einem Schlag gefällt werden. Darüber hinaus ist bei den Waldbäumen, die also in einem Schnitt gefällt werden können, überwiegend vereinbart, dass das geschlagene Holz der Verwertung nach Wahl des AN zuzuführen ist, – also von diesem auch weiterveräußert werden kann. In der Vorbemerkung zu Position 05.00 “Straßenbäume fällen” des Leistungsverzeichnisses, heißt es:

“Fällung Südseite im Bereich der Mulde für die spätere Anlage eines Amphibienschutzzaunes”

Das wird konkretisiert unter Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung (Bl. 311 d.A.):

“Dazu kommen Straßenbäume, die für die Anlage eines Amphibien- und Reptilienschutzzaunes gefällt werden müssen. Dies sind ca. 160 Bäume mit einem Durchmesser bis zu 30 cm und ca. 50 Bäume mit einem Durchmesser von 30 cm bis 50 cm. Die Details sind den entsprechenden Leistungspositionen zu entnehmen”.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 zeigte die Klägerin Mehr- und Minderkosten an (Bl. 500 d.A., K 33). Zudem müssten im Leistungsverzeichnis nicht enthaltene Bäume mit einem Stammdurchmesser von 0,5 bis 0,75 m gefällt werden, von denen sie 28 Stück gefällt habe.

Im Lauf der gegenständlichen Arbeiten sind Aufmaße erstellt worden, die neben der Menge der gefällten Bäume jeweils die Ordnungsziffern zumindest einer Leistungsverzeichnis-Position und deren Kurzbezeichnung enthielten und wegen deren genauen Inhalts auf Anlage 2 K13-K17, Bl. 430 ff. d.A. Bezug genommen wird.

Die Klägerin unterbreitete der Beklagten zudem mehrfach 4 Nachtragsangebote (K 31 Bl. 497 d.A.; K 25 Bl. 484 d.A.).

Die Beklagte nahm die Leistungen der Klägerin am 19. April 2017 ab (K 7, Bl. 375 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 übersandte die Klägerin eine Schlussrechnung über einen Betrag von 915.099,49 Euro (K 8, Bl. 379 ff. d.A). Die Beklagte prüfte die Schlussrechnung und ermittelte eine Gesamtleistung von 171.304,50 Euro und einen offenen Schlussrechnungsbetrag von 16.710,91 Euro, welchen die Beklagte auch zahlte.

Die Klägerin forderte die Beklagte zur Zahlung restlicher 714.471,85 Euro auf, wobei die Berechtigung eines Großteils der Forderung von der Antwort auf die Frage abhing, ob die Klägerin Anspruch auf Ausgleich entgangener Verwertungserlöse hat und ob Gutschriften bei Mengenmehrungen weiter gewährt werden müssen. Nachdem der 11. Senat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts diese Frage in einem Parallelrechtsstreit verneint hat (OLG Brandenburg, Urteil vom 22. Januar 2020 – 11 U 153/18 -; nachgehend BGH, 10. Juni 2021, VII ZR 71/20, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen sowie OLG Brandenburg, Urteil vom 25. September 2020 – 11 U 35/18 -; BGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – VII ZR 157/20 -), macht die Klägerin nunmehr noch 136.363,03 Euro geltend, die Vergütung für die Fällung bestimmter Bäume (89.824,84 Euro), den Gemeinkostenausgleich (Mehr- und Mindermengen 5.436,878 Euro), Ansprüche wegen einer Baubehinderung beim Grundstück ### (5.333,24 Euro), fehlende Baufreiheit beim Grundstück ### (6.369,54 Euro) und die Vergütung von gefällten Bäumen mit 0,5 bis 0,75 m Durchmesser (offener Rest: 7.626,64 Euro).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sie die vorstehend aufgeführten Positionen ersetzt verlangen könne. Sie trägt hierzu vor:

Die Klägerin habe bei den Positionen 5.00.0002-0006 Leistungsverzeichnis (Straßenbäume fällen) erheblich mehr Bäume gefällt, als beglichen worden seien und könne deshalb die Zahlung weiterer 89.824,84 Euro verlangen. Dabei verteilten sich die Mehrmengen wie in der folgenden Tabelle angeführt:

“Leistungsverzeichnis: Vordersatz LV / Tatsächliche Menge / Mehrmenge

05.00.0002: 4 / 33 / 29

05.00.0003: 75 / 262 / 187

05.00.0004: 81 / 459 / 378

05.00.0005: 33 / 155 / 122

05.00.0006: 12 / 43 / 31″

Die Erbringung dieser Leistungen ergebe sich aus den gegengezeichneten Aufmaßblättern. Da diese Aufmaßblätter nicht nur die Anzahl der gefällten Bäume, sondern auch die jeweilige Position des Leistungsverzeichnisses anführten (K 13 ff, Bl. 430 ff. d.A.), die nunmehr der Abrechnung zu Grunde gelegt würden, enthielten diese Aufmaßblätter auch eine bindende Vereinbarung zwischen den Parteien. Diese habe zum Inhalt, dass die gefällten Bäume jeweils unter den Positionen des Leistungsverzeichnisses abzurechnen seien, die auf den Aufmaßblättern genannt seien. Es handele sich bei den, den Leistungsverzeichnis-Positionen 05.00 “Straßenbäume fällen”, zugerechneten Bäumen auch tatsächlich um die dort vorgesehenen Straßenbäume. Es habe sich nämlich während der Arbeiten herausgestellt, dass eine Vielzahl weiterer Bäume als in den Ausschreibungsunterlagen angeführt als Straßenbäume abschnittsweise hätten abgetragen werden müssen, weil deren Fällung in einem Stück in Straßennähe nicht zulässig gewesen sei. Das belege etwa das von der Klägerin eingeholte Privatgutachten ### (K 35, Bl. 580 ff. d.A.). Danach sei auch im Bereich der “Waldbäume” ein abschnittsweises Abtragen erforderlich geworden, weil diese überwiegend den erforderlichen Abstand von 6 Metern zum Straßenrand nicht einhielten, so dass es sich tatsächlich um Straßenbäume im Sinne des Leistungsverzeichnisses gehandelt habe. Das habe die Klägerin in ihrem Schreiben vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 d.A.) auch ausgeführt und die Beklagte ausdrücklich bestätigt. Soweit der Gutachter ### meine, dass alle Bäume südlich der Straße “Straßenbäume” seien und alle Bäume nördlich “Waldbäume”, füge sich das ebenfalls in die Abrechnung der Klägerin ein. Denn ausweislich der Aufmaßblätter seien die gegenständlichen Bäume allesamt auf der Südseite der Straße abschnittsweise gefällt worden.

Neben den vorstehenden Mehrmengen seien in anderen Leistungsverzeichnis-Positionen erhebliche Mindermengen – insbesondere eine deutlich verringerte Anzahl gefällter Waldbäume – zu verzeichnen gewesen – korrespondierend zu den Mehrmengen in den Positionen 05.00 -, die vorstehend dargestellt worden sind. Anhand der Vorkalkulation ergebe sich ein Betrag von 5.436,88 Euro, der nicht durch Mehrmengen ausgeglichen werde. Hinsichtlich der Berechnung wird auf Bl. 281 f. d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, dass sie beim Grundstück ### einen Betrag von 5.333,24 Euro wegen Baubehinderung gemäß § 642 BGB verlangen könne. Die Klägerin habe der Beklagten am 22. Februar 20217 mitgeteilt, dass das zu beräumende Grundstück ### vom Eigentümer nicht freigegeben worden sei (K 23, Bl. 480 d.A.). Die Baustelle habe daher beräumt werden müssen, um den eingesetzten Harvester kostenschonend anderweitig einzusetzen. Der Höhe nach ergebe sich die Forderung aus der Vorkalkulation in Verbindung mit dem erforderlichen Ab- und Antransport in Höhe von insgesamt 5.333,24 Euro (Bl. 285 d.A.).

Eine weitere Baubehinderung hat die Klägerin am Grundstück ### geltend gemacht. Dort habe die (Eigentümer Grundstück ###) am 24. Februar 20217 ein Betreten des Grundstücks untersagt. Das habe dazu geführt, dass die Klägerin ihre Geräte nutzlos habe vorhalten müssen. Daher stehe ihr ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 6.369,45 Euro zu (Bl. 287 d.A.).

Zudem hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass sie für das Fällen von Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5-0,75 m, die im Leistungsverzeichnis unstreitig nicht vorgesehen seien, wegen Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B insgesamt weitere 7.626,64 Euro verlangen könne (Bl. 288 d.A.).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 136.363,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 2. September 2017 an die Klägerin zu zahlen sowie

die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.194,90 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sie der Klägerin nichts mehr schulde. Die klägerische Forderung für die Fällung weiterer “Straßenbäume” bestehe nicht. Die Klägerin habe die Baumfällungen im Untertitel 05.00 “Straßenbäume” mit einem deutlich höheren Einheitspreis als im Untertitel 05.01 “Waldflächen abholzen” angeboten. Die Klägerin habe jedoch nunmehr ohne Berechtigung solche Bäume, die dem Untertitel “Waldflächen” unterfielen, den für die Beklagte deutlich höhere Preise auslösenden “Straßenbäumen” zugeordnet. Dadurch verschiebe sich der Schwerpunkt der Baumfällungen in den Bereich, der keine negativen Einzelpreise aufweise. Damit entferne sich die Klägerin von dem allein maßgeblichen Leistungsverzeichnis. Eine Vergütung über die geprüfte Schlussrechnung hinaus komme daher nicht in Betracht. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte, dass die als Straßenbaum abgerechneten Bäume tatsächlich stufenweise abgetragen worden sind.

Zudem habe die Klägerin die streitgegenständlichen Bäume auch ohne Weiteres am Stück fällen können, wenn sie, wie in der Baubeschreibung vorgesehen, beide Fahrspuren gesperrt hätte. Die erforderliche Sperrung der Straße sei kurzfristig jeweils möglich gewesen. Daher seien auch die Ausführungen des Privatgutachters der Klägerin unerheblich, weil eine Vollsperrung ohne Weiteres möglich gewesen wäre.

Das Aufmaß lasse keine Einordnung der aufgemessenen Leistungen zu Positionen des Leistungsverzeichnisses zu, sondern nur über tatsächliche Fragen, wie etwa den Umfang der Bäume. Eine Bestätigung der Einordnung der streitgegenständlichen Bäume als “Straßenbäume” habe die Beklagte auf das Schreiben der Klägerin vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 ff. d.A.) gerade nicht getätigt.

Einen Gemeinkostenausgleich habe die Beklagte bereits vorgenommen, ein weitergehender Zahlungsanspruch bestehe dazu nicht, zumal es dabei lediglich um die spiegelbildliche Nachvollziehung der zu den “Straßenbäumen” von der Klägerin falsch zugeordneten Positionen gehe.

Der Klägerin stehe auch wegen des Grundstücks ### kein weitergehender Anspruch zu, das ab dem 22. Februar 2017 vollständig zugänglich gewesen sei. Im Übrigen werde auch bestritten, dass ein vorheriges Betreten des Grundstücks nicht möglich gewesen sei. Es fehle auch deshalb bereits an den Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach, da die Klägerin in einem anderen Bereich der Baustelle hätte weiterarbeiten können. Zudem habe die Klägerin per Mail vom 17. Februar 2017 auf die Geltendmachung von Mehrkosten wegen des Grundstücks ### verzichtet (Bl. 544 d.A.). Auch der Höhe nach sei der Anspruch nicht nachvollziehbar begründet.

Hinsichtlich der Baubehinderung beim Grundstück ### stehe der Klägerin schon deshalb kein Anspruch zu, weil nicht ersichtlich sei, dass der Klägerin die geltend gemachten Kosten entstanden sein könnten. Der bloße Verweis auf Anlagen der Klageschrift reiche hierzu nicht aus. Auch habe die Klägerin die Geräte in anderen Bereichen der Baustelle einsetzen können.

Das Erbringen der Leistungen “Fällung von Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5-0,75 m” werde nicht in Abrede gestellt. Der Anspruch werde aber über die bereits beglichenen 2.333,07 Euro hinaus der Höhe nach bestritten. Die Beklagte habe 70,02 Euro pro Baum vergütet, weil die Vergütung anhand der Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung zu erfolgen hatte. Soweit dies in der jüngeren Rechtsprechung teilweise anders gesehen werde und eine Ableitung des Preises nach den tatsächlichen Kosten und nicht nach der Vorkalkulation erfolgen solle (Bl. 622 d.A.), teile die Beklagte diese Auffassung nicht.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 590,67 Euro zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit für die Berufung von Bedeutung, hat es seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf höhere Vergütung für die Fällung der streitgegenständlichen Bäume als sogenannte Straßenbäume in Höhe von noch 89.233,81 Euro zu. Für diese Bäume sei die Fällung zum Einheitspreis für “Waldbäume” vereinbart gewesen, diese sei auch bereits vergütet worden. Der höhere Preis sei im Leistungsverzeichnis nur für Bäume an der Südseite im Bereich der Mulde vereinbart gewesen, das sei für die streitgegenständlichen Bäume nicht der Fall. Die Zuordnung von Bäumen zu den Positionen 05.00 als Straßenbäume ergebe sich auch nicht dadurch, dass die Klägerin diese stufenweise gefällt habe. Die Beklagte habe auch kein abschnittsweises Abtragen der Bäume angeordnet.

Auch § 2 Abs. 5 VOB/B stütze den Anspruch nicht. Die danach erforderliche Änderung des Bauentwurfs habe nicht vorgelegen, da keine Anordnung der Beklagten vorgetragen sei. Soweit die Klägerin geltend mache, die Bäume hätten nicht unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs mit nur einem Fällschnitt gefällt werden können, so übersehe sie, dass die Entscheidung, ob der Straßenverkehr unter Inkaufnahme höherer Fällkosten aufrechterhalten werden sollte oder zur Beibehaltung der Kosten auch für einen längeren Zeitraum gesperrt werden würde, der Beklagten oblegen hätte.

Der Anspruch folge auch nicht daraus, dass die Klägerin unterzeichnete Aufmaßblätter vorgelegt habe, in denen bei den streitgegenständlichen Bäumen die Leistungsverzeichnis-Positionen für Straßenbäume eingetragen gewesen seien. Denn das gemeinsame Aufmaß führe nicht dazu, dass die Zuordnung zu einer bestimmten Leistungsposition verbindlich festgelegt werde. Dessen beweisrechtliche Bedeutung erschöpfe sich in tatsächlicher Hinsicht auf den Nachweis erbrachter Massen.

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf einen Gemeinkostenausgleich Minder- und Mehrmengen ebenfalls nicht zu. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass es zu Mindermengen gekommen sei. Diese berechne die Klägerin daraus, dass aus ihrer Sicht weniger Bäume als Waldbäume abgerechnet werden konnten, weil diese richtigerweise als Straßenbäume abzurechnen gewesen seien. Da die Klägerin mit dieser Auslegung hinsichtlich der Mehrmenge keinen Erfolg habe, bestehe auch keine entscheidungserhebliche Mindermenge.

Ansprüche wegen einer Baubehinderung beim Grundstück ### bestünden nicht. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 642 Abs. 1 BGB und § 304 BGB vorliegen sollten, sei eine Schadensschätzung mangels greifbarer Anhaltspunkte nicht möglich.

Auch hinsichtlich vermeintlich fehlender Baufreiheit beim Grundstück ### fehle es an ausreichendem schriftsätzlichen Vortrag dazu, wie sich die geltend gemachten Kosten im Einzelnen zusammensetzten.

Schließlich stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf restliche Vergütung von Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5 bis 0,75 m in Höhe von 7.626,64 Euro zu. Die Vergütung für Zusatzleistungen bestimme sich gem. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB / B nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Zu fragen sei, welchen Maßstab die Parteien zur Bestimmung des neuen Einheitspreises vertraglich zu Grunde gelegt hätten, wenn sie seinerzeit vorhergesehen hätten, dass sie sich nicht auf einen neuen Einheitspreis für die relevanten Mehrmengen einigen können. Danach sei der von der Beklagten zugestandene und gezahlte Einheitspreis von 70,02 Euro nicht zu beanstanden. Die darüber hinaus geforderte Vergütung sei nicht nachvollziehbar. Die Klägerin gehe bei den Kosten für den Bagger mit Spezialschere von Kosten von 345,60 Euro (K 34, Bl. 503 d.A.) für die dickeren Bäume statt 267,80 Euro (Anlage K22, Bl. 475 d.A.) in der Kalkulation für die dünneren Bäume aus und setze einen Zeitaufwand pro Baum von 0,333 Stunden statt 0,05 Stunden an. Diese Ansätze seien jedoch weder plausibel noch sonst erläutert.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren mit Ausnahme des Ersatzes erstinstanzlicher ebenfalls geforderter Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt.

Der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sei schon angesichts eines unerledigten Tatbestandsberichtigungsverfahrens fehlerhaft. Außerdem habe das Landgericht ein Überraschungsurteil verkündet, da es seine Entscheidung neu und überraschend auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 VOB/B gestützt habe.

Hinsichtlich der Forderung von weiteren 89.233,81 Euro für die Fällung von Straßenbäumen handele es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht um eine irgend geartete Leistungsänderung, sondern allein um den beim Einheitspreisvertrag üblichen Vorgang von Mehrmengen. Entscheidend sei, dass sich die Abrechnungsposition “Straßenbaum” erhöht habe. Der klägerische Anspruch folge aus § 631 BGB. Die Klägerin habe mehrfach die Überschreitung der Mengenansätze des Leistungsverzeichnisses zu Position 05.00 angezeigt. Die tatsächlichen Mengen seien durch die Aufmaße K13-K17 samt der Zuordnung zu den jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses nachgewiesen. Diese seien auch hinreichend aussagekräftig, so dass das einfache Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend sei.

Auch gehe die Auffassung des Landgerichts fehl, es habe an einer Anordnung zum abschnittsweisen Abtragen der gegenständlichen Bäume gefehlt. Die Arbeiten seien konstant im Beisein von Mitarbeitern der Beklagten erfolgt. Die Arbeiten seien aber auch im vermuteten Einverständnis mit der Beklagten erfolgt, da das stufenweise Abtragen der Bäume – also Behandlung als Straßenbäume – aus Sicherheitsgründen in der Nähe der Straße erforderlich gewesen sei.

Darüber hinaus habe das Landgericht fehlerhaft nicht geprüft, ob eine Vergütung nicht unter GoA-Gesichtspunkten gemäß § 2 Abs. 8 VOB/B zuzusprechen gewesen sei.

Die Klägerin könne auch einen Gemeinkostenausgleich in Höhe von 5.436,88 Euro verlangen. Die Abrechnungsmenge der abschnittsweise abzutragenden Bäume habe sich erhöht und die Abrechnungsmenge der mit einem Fällschnitt zu fällenden Bäume habe sich verringert.

Im Hinblick auf das Grundstück ### seien Voraussetzungen des § 642 BGB erfüllt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehle es nicht an Vortrag zur konkreten Höhe, insbesondere zu Schadensminderungsbemühungen etwa durch Weg- und Wiederzurückbringen der Geräte anstatt deren nutzlosem Vorhalten auf der Baustelle. Zwar entspreche es ständiger Rechtsprechung, dass ein Unternehmer flexibel auf den Bauverlauf reagieren müsse und gegebenenfalls seine Produktionsmittel von der Baustelle wieder abziehen müsse. Die Klägerin habe jedoch im Einzelnen dargelegt – auch anhand der Vorkalkulation in Anlagen K26-K32, Bl. 488 ff. d.A. -, dass das Wegfahren des Harvesters von der Baustelle deutlich günstiger als dessen Verbleib gewesen sei.

Auch zum Grundstück ### habe die Klägerin entgegen der landgerichtlichen Auffassung mehr als erforderlich zur Höhe der Vorhaltekosten vorgetragen. Sie habe in der Anspruchsbegründung, S. 19, in Verbindung mit der Nachtragskalkulation (K 32, Bl. 499 d.A.) im Einzelnen dargelegt, dass der Arbeitszug sechs Stunden stillgestanden habe. Damit hätten bei den Nachträgen jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung zur Verfügung gestanden

Hinsichtlich der gefällten Bäume mit einem Durchmesser von 0,5 bis 0,75 m sei unstreitig, dass es sich um eine Zusatzleistung gehandelt habe, also um eine nicht im Leistungsverzeichnis vereinbarte Leistung. Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des BGH (Az. VII 34/18) betreffe dagegen Fälle der Überschreitung des Mengenansatzes und sei daher nicht übertragbar. Auch die weiteren vom Landgericht herangezogenen Entscheidungen beträfen allesamt vorliegend nicht einschlägige Fragen von Mehrmengen. Auch im Übrigen sei die Höhe des Nachtrags durch die Nachtragskalkulation in Anlage K 31 hinreichend belegt. Die Klägerin müsse Gutschriften aus anderen Leistungsverzeichnispositionen nicht in die Kalkulation einfließen lassen. Auch lägen die Voraussetzungen für eine gerichtliche Schätzung ohne Weiteres vor.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Landgerichtes Cottbus vom 24. August 2022, Az. 6 O 196/21, wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 135.772,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 2. September 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Landgericht habe zutreffend entschieden, dass für die Fällung der gegenständlichen Bäume der Einheitspreis für Waldbäume vereinbart gewesen und dieser bereits beglichen sei. Die Auslegungsbemühungen der Klägerin zum Inhalt des Leistungsverzeichnisses gingen dagegen fehl, wonach es sich dann um Straßenbäume handele, wenn eine Fällung nur durch abschnittsweises Abtragen möglich sei. Dem stehe Nr. 05.00 des Leistungsverzeichnisses entgegen, wonach es sich um Straßenbäume handele, bei denen einzukalkulieren sei, dass Äste teilweise über die Fahrbahn ragten. Daher müssten Straßenbäume in der Nähe einer Straße stehen.

Konkrete Mengenminderungen und Mengenmehrungen habe die Klägerin nicht angezeigt. Die Aufmaße K13-K17 (Bl. 430 ff. d.A.) seien unergiebig, da ihnen keine Aussage dazu entnommen werden könne, ob eine Leistung vertragsgemäß oder einer bestimmten Positionsnummer zuzuordnen sei. Ihnen könne daher kein Anerkenntnis entnommen werden. Auch scheitere ein irgend gearteter Indizwert der Aufmaße daran, dass diese zwar unterzeichnet, aber nicht gemeinsam aufgenommen worden sein. Auch der handschriftliche Vermerk der Beklagten auf einem Schreiben der Klägerin vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 d.A.) habe keine bestätigende Wirkung

Ein Anspruch auf Gemeinkostenausgleich scheitere daran, dass ausweislich der vorstehenden Ausführungen keine Mehr- bzw. Mindermengen angefallen seien.

Das Landgericht habe hinsichtlich des Grundstücks ### zutreffend entschieden, dass es jedenfalls an schlüssigem Vortrag zum Anspruch der Höhe nach fehle. Das Gericht sei auch nicht gehalten, aus Anlagen, die nicht einmal für die hier gegenständlichen Fragen in Bezug genommen worden seien, rechnerische Grundlagen für die Schadensschätzung zusammenzusuchen. Im Übrigen habe die Klägerin jederzeit Ausweicharbeiten an anderen Stellen durchführen können, so dass der Anspruch schon dem Grunde nach nicht bestehe.

Auch hinsichtlich des Grundstücks ### sei jedenfalls der Höhe nach kein Anknüpfungspunkt vorgetragen, der eine Schadensschätzung ermögliche.

Wegen der gefällten Bäume mit einem Durchmesser von 0,5 – 0,75 m handele es sich um zusätzliche Leistungen nach § 2 Abs. 6 VOB/B. Zutreffend habe das Landgericht Cottbus die aus der Entscheidung des BGH (VII ZR 34/18) resultierenden Grundsätze – mithin, dass es beim Fehlen einer vertraglichen Grundlage auf die tatsächlich erforderlichen Kosten ankomme – auch hier angewandt. Dabei sei der Verwertungserlös zu berücksichtigen

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dabei ist unerheblich, dass die vorliegende Sache keine Streitigkeit aus einem Bauvertrag im Sinne von § 72 a Abs. 1 Nr. 2 GVG darstellt, so dass auch erstinstanzlich keine Zuständigkeit der den Rechtsstreit entscheidenden Baukammer begründet war. Denn Baumfällarbeiten sind keine Bauarbeiten und zwar auch dann nicht, wenn sie wie vorliegend mit Rodungsarbeiten einhergehen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. September 2021 – 1 AR 37/21 (SA Z). Allerdings haben die Parteien diesen Umstand nicht gerügt und zudem bedeuten Fehler bei der Anwendung des Geschäftsverteilungsplanes grundsätzlich nur einen Eingriff in das Prozessgrundrecht auf den gesetzlichen Richter, wenn sie auf Willkür beruhen, also eine Zuständigkeitsentscheidung objektiv nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist (OLG Dresden, Urteil vom 11. Februar 2020 – 4 U 1676/19 -). Hierfür ist nichts ersichtlich.

Die Berufung ist unbegründet, weil das Landgericht die zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemachten Ansprüche zu Recht abgewiesen hat.

1. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung weiterer 89.233,81 Euro verneint.

a) Dabei gehen die Parteien ohne Weiteres davon aus, dass die VOB/B tatsächlich vereinbart worden ist. Eine ausdrückliche Vereinbarung lässt sich den vorgelegten Vertragsunterlagen allerdings nicht entnehmen. Ob die ausdrückliche Vereinbarung an anderer Stelle der nicht vollständig vorgelegten Vergabeunterlagen enthalten ist, kann aber offenbleiben. Denn die vereinbarten ZVB/E-StB sehen Konkretisierungen der VOB/B vor (Bl. 360, 364 d.A.) und beziehen sich ausdrücklich auf eine Vielzahl von Regelungen der VOB/B. Auch die Besonderen Vertragsbedingungen (Bl. 369 d.A.) nehmen immer wieder Bezug auf Regelungen der VOB/B. Das lässt bei den Parteien als Fachleuten die Annahme zu, dass die VOB/B insgesamt vereinbart ist. Bei bewanderten Vertragspartnern genügt für eine Einbeziehung der VOB/B deren bloße Inbezugnahme, etwa im Vertragstext. Dies gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts (Motzke/Bauer/Seewald, Prozesse in Bausachen, Rn. 136, beck-online). Dabei findet vorliegend die VOB/B Fassung 2016 Anwendung (nachfolgend VOB/B).

Zwar kann die VOB/B regelmäßig nur in Verträge einbezogen werden, die Bauleistungen im Sinne von § 1 VOB/A betreffen (OLG Nürnberg, Urteil vom 11. Oktober 2005 – 9 U 804/05 -). Der 1. Senat des OLG Brandenburg hat wiederum den Begriff des Bauvertrags im Sinne von § 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG so ausgelegt, dass die vertragliche Verpflichtung zur Durchführung von Baumfäll- und Rodungsarbeiten auf einem Baufeld zur Vorbereitung von Baumaßnahmen nicht als ein solcher Bauvertrag einzuordnen ist. Ein Vertrag, der die Erbringung von Leistungen zum Gegenstand hat, die lediglich dazu dienen, ein Grundstück zur Bebauung freizumachen, stelle – noch – keinen Bauvertrag dar (OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. September 2021 – 1 AR 37/21 (SA Z) -; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 – VII ZR 86/04 -). Nichts anderes ist hier maßgeblich, weil auch vorliegend Baumfäll- und Rodungsarbeiten allein zur Baufeldfreimachung beauftragt sind.

Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass der hier maßgebliche Begriff der Bauleistungen gemäß § 1 VOB/A – synonym zum Begriff des Bauauftrags nach § 103 Abs. 3 GWB (vgl. Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, VOB/A § 1 Rn. 2, beck-online; Hofmann/Lausen in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 1 VOB/A (Stand: 15.09.2022), Rn. 9) – Arbeiten jeder Art umfasst, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird. Das erfasst alle Arbeiten an einem Grundstück, wie z.B. Garten- und Landschaftsgestaltung, das Nachziehen eines Bachbettes, Ausschachtungsarbeiten, Aufschüttung und Dränagen, auch soweit sie nicht der Errichtung eines Hauses oder sonstigen Bauwerks dienen (Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, 8. Aufl. 2023, VOB/A § 1 Rn. 12; vgl. “sonstige Baugrundarbeiten” Hofmann/Lausen in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 1 VOB/A (Stand: 15.09.2022), Rn. 73).

Solche Arbeiten an einem Grundstück sind auch vorliegend betroffen. Zwar handelt es sich nicht um Garten- und Landschaftsgestaltung, weil die Baumfällarbeiten der Errichtung einer Straße dienen. Gleichwohl führen die Fäll- und Rodungsarbeiten dazu, dass ein der Errichtung einer baulichen Anlage – der Straße – dienendes Grundstück durch Ausschachtungen und Aufschüttungen vorbereitet wird. Der daraus ersichtliche Bezug zu Bauleistungen lässt es jedenfalls als gerechtfertigt erscheinen, dass die Parteien für diese Leistungen die Einbeziehung der VOB/B vereinbaren konnten. Im Einklang damit hat auch der Bundesgerichtshof im Rahmen eines Vertrags über Baumfäll- und Rodungsarbeiten die VOB/B ausdrücklich als einbezogen erachtet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2021 – VII ZR 157/20 -), was grundsätzlich nur möglich ist, wenn es sich dabei um Bauleistungen nach § 1 VOB/A handelt.

b) Der Klägerin steht der geltend gemachte Restwerklohnanspruch aus dem Bauvertrag in Verbindung mit § 631 Abs. 1 BGB iVm § 2 Abs. 3 VOB/B nicht zu. Die besonderen Voraussetzungen der VOB/B über Schlussrechnung und Widerspruch gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B sind durch Schreiben vom 21. August 2017 (K 11 Bl. 76 d.A.) erfüllt. Entscheidend ist vorliegend die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen hinsichtlich der Frage, ob ein Straßenbaum im Sinne des Leistungsverzeichnisses dann vorliegt, wenn er infolge Nähe zur Straße stufenweise gefällt werden muss – so die Klägerin – oder ob ein Straßenbaum – so das Landgericht – nur dann vorliegt, wenn er in einer Mulde südlich der Straße entlang eines Amphibien- und Reptilienschutzzaun zu fällen war. Die Auslegung ergibt, dass Straßenbäume nur am Amphibien- und Reptilienschutzzaun vorgesehen waren.

Soweit die Klägerin dabei in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die dort unter “Straßenbaum” und “Waldbaum” erfolgte Differenzierung der Abrechnungspositionen als nicht vertragskonform gerügt hat, hält der Senat daran weiter fest. Denn der Begriff “Straßenbaum” wird in Pos. 05.00 des Leistungsverzeichnisses ausdrücklich genutzt und in der Pos 05.01 ist ausdrücklich von “Waldflächen abholzen” sowie in der Baubeschreibung unter 3.1.2. von “Waldbäumen” die Rede. Hinzu kommt, dass auch die Klägerin selbst in nahezu sämtlichen Schriftsätzen ausdrücklich die Begriffe “Straßenbaum” und “Waldbaum” genutzt hat, um die gegenständlichen Abrechnungspositionen abzugrenzen (so etwa Bl. 573 d.A.).

Allerdings spricht zunächst einiges für die Auffassung der Klägerin, wonach die Parteien mit Pos. 05.00 “Straßenbäume fällen”, die Abrechnung von solchen Bäumen vereinbart haben, die infolge der Nähe zur Straße ein “stufenweises” Fällen erfordern. Denn in den Unterpositionen 05.00.0001-0006 (Straßenbaum) ist jeweils vorgesehen, dass der Stamm stufenweise abgetragen werden soll. Dementsprechend könnte die Position 05.01 “Waldflächen abholzen” so ausgelegt werden, dass sie die Abholzung von Bäumen erfasst, die mangels Nähe zur Straße nicht stufenweise abgetragen werden müssen. Diese Auslegung wird gestützt durch Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung (Bl. 310 d.A.), wonach die “zu fällenden Bäume durch” Stammdurchmesser, Baumart und Art der Nachnutzung unterschieden werden. Da die Waldbäume in einem Schnitt gefällt werden, können sie noch im Sinne der vorstehenden Regelung nachgenutzt werden. Die Nähe von Bäumen zu einer Mulde wird dort gerade nicht erwähnt.

Dabei stellt sich allerdings die Frage, nach welchen Kriterien zu ermitteln sein soll, ob es sich bei dem jeweils abgerechneten Baum um einen Straßenbaum oder einen Waldbaum handelt. Dem Leistungsverzeichnis lassen sich ebenso wenig wie den weiteren Vertragsunterlagen abstrakte Kriterien – etwa Entfernung zur Straße in Metern – finden, die eine Einordnung als Straßenbaum oder als Waldbaum gestatten könnten. Naheliegend dürfte es zwar sein, Straßenbäume als solche anzusehen, die infolge der Nähe zur Straße ein “stufenweises” Fällen erfordern.

Allerdings ist die Frage, wann ein stufenweises Fällen erforderlich ist, bei den streitgegenständlichen Vertragsunterlagen nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten ermittelbar. Denn in den Positionen 03.01.0001 und 0002 des Leistungsverzeichnisses (Bl. 343 d.A.) ist für die Verkehrssicherung an Arbeitsstellen kürzerer Dauer, das Aufstellen einer Lichtsignalanlage als Leistung der Klägerin vorgesehen. In der Baubeschreibung heißt es dazu, unter 03.01.0002 “Diese Anlage ist kurzfristig auf “Rot-Rot-Betrieb” zu schalten, bei Fällarbeiten in dem unmittelbar angrenzenden Straßenseitenraum”. Das könnte so verstanden werden, dass die Klägerin selber bestimmen kann, ob nahe an der Straße stehende Bäume Straßen- oder Waldbäume sind. Wenn die Klägerin nämlich die Straße mittels Lichtzeichenanlage während des Fällvorgangs kurzfristig sperrt, dann dürfte es ihr ohne weiteres möglich sein, auch einen nah an der Straße stehenden Baum mit einem Schnitt zu fällen – und ihn damit quasi zum abzurechnenden Waldbaum zu machen. Oder eben anders herum – so wie es auch vorliegend geschehen ist – sie nimmt nicht immer Sperrungen vor und kann dann die stufenweise gefällten Bäume als Straßenbäume abrechnen, obwohl dies möglicherweise nicht der Intention der Beklagten bei der Ausschreibung entspricht.

Gegen die vorstehende Auslegung spricht daher die Beliebigkeit, mit der der Klägerin dann die Zuordnung zu “Straßenbäumen” oder “Waldbäumen” bestimmen könnte. Denn so könnte die Klägerin entscheiden, ob sie die Straße sperrt oder nicht, und so entweder Bäume als Straßen- oder als Waldbäume fällen. Dann hätte sie auch direkten Einfluss darauf, welche Vergütung für den jeweiligen Baum gefordert werden könnte. Ein derartiges Auslegungsergebnis erscheint auch aus der maßgeblichen Sicht eines Bieters, insbesondere vor dem Hintergrund der aus § 7 BHO folgenden Verpflichtung der Beklagten zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, fernliegend. Andernfalls stünde der Klägerin ein einseitiges Bestimmungsrecht über die Zuordnung von Bäumen zu Positionen des Leistungsverzeichnisses zu, mit dem sie selbst bestimmen könnte, in welcher Höhe sie zu vergüten ist.

Hinzu kommen die ausdrücklichen Regelungen des Leistungsverzeichnisses und der Baubeschreibung. Danach sollen die streitgegenständlichen Bäume als Waldbäume einzuordnen sein, weil in dem Leistungsverzeichnis ein höherer Einheitspreis für Straßenbäume nur für solche Bäume vereinbart wurde, die an der Südseite im Bereich der Mulde für die spätere Anlage eines Amphibienschutzzaunes standen. Denn in der der Vorbemerkung zu Position 05.00 “Straßenbäume” fällen, heißt es:

“Fällung Südseite im Bereich der Mulde für die spätere Anlage eines Amphibienschutzzaunes”.

Das wird konkretisiert unter Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung (Bl. 311 d.A.):

“Dazu kommen Straßenbäume, die für die Anlage eines Amphibien- und Reptilienschutzzaunes gefällt werden müssen. Dies sind ca. 160 Bäume mit einem Durchmesser bis zu 30 cm und ca. 50 Bäume mit einem Durchmesser von 30 cm bis 50 cm. Die Details sind den entsprechenden Leistungspositionen zu entnehmen”.

Dafür, dass die vorstehend erwähnten 210 (160 + 50) Straßenbäume am Amphibien- und Reptilienschutzzaun im Wesentlichen die Bäume sind, die das Leistungsverzeichnis als Straßenbäume in den Positionen 05.00.0001-0006 vorsieht, spricht zudem, dass in diesen Positionen des Leistungsverzeichnisses 207 Straßenbäume erwähnt werden – das entspricht im Wesentlichen den 210 Straßenbäumen aus dem vorstehenden Abschnitt der Baubeschreibung. Damit sprechen auch die Mengenansätze – knapp 210 – der Position “Straßenbäume” in den Positionen zu 05.00 des Leistungsverzeichnisses sowie die 210 Straßenbäume in der Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung dafür, dass die beauftragten Fällungen der Straßenbäume die Bäume betreffen, die gemäß Position 05.00 des Leistungsverzeichnisses und Ziffer 1.1.1.8 der Baubeschreibung im Bereich der Mulde stehen. Diesem Ergebnis steht angesichts der andernfalls auftretenden Unwägbarkeiten – etwa bei vorstehend aufgezeigten Frage, wer andernfalls und nach welchen genauen Kriterien vor Ort die Einordnung als Straßen- oder Waldbaum vornehmen sollte – auch mit dem Sinn und Zweck der vertraglichen Bestimmungen im Einklang.

Schließlich hat der Senat auch berücksichtigt, dass es bei der Auslegung von Leistungsbeschreibungen in öffentlichen Ausschreibungen insbesondere auch darauf ankommt, ob die verwendete Formulierung von den angesprochenen Fachleuten in einem spezifischen, technischen Sinn verstanden wird oder in den maßgeblichen Fachkreisen verkehrsüblich ist (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 – VII ZR 10/01 -; BGH, Urteil vom 23. Juni 1994 – VII ZR 163/93 -). Aber auch hierfür ist im Sinne der von der Klägerin bemühten Auslegung nichts vorgetragen oder ersichtlich. Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass Leistungsbeschreibungen in öffentlichen Ausschreibungen regelmäßig nicht aus Sicht des Auftraggebers, sondern aus Sicht der möglichen Bieter als Empfängerkreis auszulegen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1993 – VII ZR 118/92). Auch insoweit sind jedoch keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die aus Sicht potentieller Bieter eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut und die eindeutige Systematik gebieten könnte.

Angesichts dieser in der Gesamtschau eindeutigen Regelungen des Leistungsverzeichnisses verbleibt kein Zweifel daran, dass die Parteien vereinbart haben, dass Straßenbäume solche Bäume sind, die für die Anlage des Amphibien- und Reptilienschutzzaunes zu fällen waren. Damit verbleibt kein Raum für die ohne Anknüpfungspunkt in den Vertragsunterlagen bleibende Auslegung der Klägerin, wonach Straßenbäume solche seien, die durch mehrere Schnitte gefällt worden sind. Das gilt umso mehr, als im Hinblick auf die klaren und eindeutigen Regelungen der Baubeschreibung und des Leistungsverzeichnisses umso gewichtigere Anhaltspunkte vorliegen müssten, um die – unzutreffende – Auffassung der Klägerin zu stützen. Solche Anhaltspunkte sind erst recht nicht vorgetragen oder ersichtlich.

c) Der geltend gemachte Werklohnanspruch folgt auch nicht aus § 631 BGB in Verbindung mit den Aufmaßblättern. Die Bindungswirkung des Aufmaßes geht, sofern ein weitergehender Willen der Parteien im konkreten Fall nicht ausnahmsweise feststellbar ist, nicht über die Feststellung des Umfangs der erbrachten Leistung hinaus.

aa) Nach dem Zweck des Aufmaßes – der bloßen Tatsachenfeststellung – gilt die Bindungswirkung nur für den Umfang der vom Auftragnehmer tatsächlich erbrachten Leistungen, nicht aber auch für ihre Vergütungspflicht. Mit dem gemeinsamen Aufmaß ist regelmäßig nicht zugleich die Feststellung verbunden, dass und wie die Leistung abgerechnet und vergütet wird und ob sie vertragsgemäß ist (BGH, Urteil vom 24. Januar 1974 – VII ZR 73/73 -; Kleine-Möller/Merl/Glöckner, PrivBauR-HdB, § 12,). Die beweisrechtliche Wirkung des Aufmaßes besteht daher grundsätzlich nur in tatsächlicher Hinsicht. Dem Auftraggeber ist es trotz des gemeinsam genommenen Aufmaßes unbenommen, gegen die Vergütungsforderung einzuwenden, die Leistung sei bereits von einer anderen Position des Leistungsverzeichnisses umfasst, oder sie dürfe nach den vertraglichen Vereinbarungen gar nicht bzw. nicht in dieser Weise abgerechnet werden (Ingenstau/Korbion, § 14 Abs. 2 VOB/B, Rn. 10; BeckOK VOB/B/Cramer, 50. Ed. 31.1.2023, VOB/B § 14 Abs. 2 Rn. 11). Durch ein gemeinsames Aufmaß ist also der Einwand nicht abgeschnitten, die Leistung sei von einer anderen Position miterfasst, sei nach den Vereinbarungen nicht berechenbar, bei richtiger Vertragsauslegung anders zu berechnen oder sei überhaupt nicht vertraglich vereinbart. Einwendungen dieser Art werden von vorneherein nicht vom Zweck eines Aufmaßes erfasst, tatsächliche Verhältnisse festzustellen und Beweisschwierigkeiten insoweit zu verhüten. Sie können deshalb dadurch auch nicht präkludiert werden (BGH, Urteil vom 30. Januar 1992 – VII ZR 237/90 -; BGH, Urteil vom 24. Januar 1974 – VII ZR 73/73; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. Dezember 2001 – 7 U 299/97 -, Rn. 129).

Damit fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der geltende gemachte Anspruch auf die gegenständlichen Aufmaßblätter gestützt werden könnte. Denn die Klägerin hat keinen Umstand vorgebracht, der ein Abweichen von den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen rechtfertigen könnte. Es ist insbesondere nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Parteien durch die Angabe der Position des Leistungsverzeichnisses und der jeweiligen Kurzbeschreibung auf den Aufmaßblättern über eine ordnende Funktion hinaus mit Rechtsbindungswillen die bindende Zuordnung zu einer Position des Leistungsverzeichnisses vornehmen wollten. Der Umstand, dass die Beklagte die gegenständlichen Aufmaßblätter vorgegeben hat, auf denen Eintragungsfelder für die jeweils betroffene Position des Leistungsverzeichnisses vorgesehen sind, lässt ebenfalls keinen Rückschluss darauf zu, dass die Bindungswirkung des Aufmaßes sich auf die Zuordnung zu Leistungspositionen erstrecken soll. Denn die von der Beklagten vorgesehenen Aufmaßblätter sind dem Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauarbeiten im Straßen- und Brückenbau (HVA-B-StB) als Muster entnommen und kommen daher in einer Vielzahl von Verträgen zur Anwendung. Die Annahme, dass in all diesen Verträgen vom Grundsatz abgewichen werden soll, dass das Aufmaß nur den Umfang der erbrachten Leistung dokumentieren soll, liegt daher fern. Erst recht ist ein solcher Umstand nicht im Hinblick auf den gegenständlichen Vertrag vorgetragen oder sonst ersichtlich.

bb) Soweit sich die Klägerin auf ihr Schreiben vom 24. Februar 2017 (K 37, Bl. 599 d.A.) beruft, auf dem sich handschriftliche Anmerkungen – wohl eines Mitarbeiters der Beklagten, Herrn ###, – finden, ist auch insoweit kein anderes Ergebnis begründbar. Dort heißt es:

“Die Bäume auf der Nord- und Südseite werden gemäß Titel 05.00 [Straßenbäume …] durchgeführt. Die gemeinsam aufgemessenen Mengen in den Leistungsverzeichnis-Positionen des Titels 05.00 bilden dabei die Abrechnungsgrundlage.”

Der anschließend geäußerten Bitte um Bestätigung hat der Mitarbeiter der Beklagten in seiner handschriftlichen Anmerkung auf diesem Schreiben entgegen der Auffassung der Klägerin aber nicht entsprochen. Vielmehr hat er ausgeführt, wie die gefällten Bäume gelagert werden sollen und dies mit der einleitenden Bemerkung “Unter folgender Bedingung” versehen. Eine ausdrückliche Zustimmung zu den klägerischen Ausführungen ist damit nicht verbunden. Es liegen aber auch die erforderlichen Anhaltspunkte für die Annahme einer konkludenten Zustimmung zu der von der Klägerin vertretenen Auffassung nicht vor. So ist im Hinblick auf die Höhe der klägerseits geltend gemachten Forderungen von zunächst über 700.000 Euro ersichtlich eine Entscheidung vom Mitarbeiter der Beklagten abverlangt, die eine erhebliche wirtschaftliche Tragweite auswies und überdies nach den vorstehenden Ausführungen zu einer Änderung des Vertrags geführt hätte. An die Annahme einer konkludenten Zustimmung sind daher hohe Anforderungen zu stellen.

Ungeachtet der Frage, ob der Mitarbeiter der Beklagten insoweit überhaupt vertretungsbefugt war, hätten daher auch aus Sicht der Klägerin eindeutige Anhaltspunkte für eine Zustimmung des Mitarbeiters der Beklagten vorliegen müssen. Das Gegenteil war der Fall, weil der Mitarbeiter der Beklagten lediglich mit Anmerkungen über den Lagerplatz einzelner Bäume geantwortet hat. Hinzu kommt, dass ein lebensnah nachvollziehbarer Grund für diese handschriftliche Anmerkung von der Beklagten vorgebracht ist. Denn nach der eingangs in den tatsächlichen Feststellungen angeführten Entscheidung des BGH mit dem Az. VII ZR 157/20 sei es der Klägerin nicht mehr möglich gewesen, Mindermengen für Holzerlöse geltend zu machen und in der Folge seien von der Klägerin mehrfach Entsorgungskosten geltend gemacht worden. Dem habe der Mitarbeiter der Beklagten mit seiner handschriftlichen Notiz, wonach eine Lagerung auf dem Baufeld erfolgen sollen, entgegenwirken wollen (Bl. 618 d.A.). In der Gesamtschau liegen damit die erforderlichen eindeutigen Anhaltspunkte für die behauptete Vereinbarung der Klägerin mit dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn ###, nicht vor. Angesichts der voranstehenden Ausführungen kann offenbleiben, ob die vermeintliche Vereinbarung nicht ohnehin nur für die Zukunft gelten und nicht die schon zurückliegenden Fällungen erfassen sollte.

cc) Ebenso wenig ergibt sich eine weitergehende Bindungswirkung des Aufmaßes aus dem vorgelegten Bautagebuch vom 16. Februar 2017 (K 39, Bl 688). Denn allein der Umstand, dass dort ein Hr. ### – ein Mitarbeiter des externen Bauüberwachers – am Aufmaß teilgenommen hat und das “Abtragen der Bäume” erörtert worden sein soll, sagt nichts darüber aus, ob der Angabe der Positionsnummer des Leistungsverzeichnisses in den Aufmaßblättern Bindungswirkung zukommt. Hinzu kommt, dass die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass Herr ### zur Vereinbarung von Leistungsänderungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt war oder die Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorgelegen haben könnten (vgl. hierzu OLG Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2021 – 11 U 226/20 -).

d) Ein Vergütungsanspruch nach §§ 631 BGB, 2 Abs. 5 VOB/B steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. § 2 Abs. 5 VOB/B sieht vor, dass ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren ist, wenn durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden.

Eine Änderung des Bauentwurfs im Sinne dieser Vorschrift ist nicht erfolgt. Eine Änderung des Bauentwurfs liegt nur dann vor, wenn etwas anderes als das ursprünglich Vorgesehene vom Auftragnehmer geleistet werden soll. Das ist nicht der Fall, weil im Leistungsverzeichnis die Aufteilung zwischen Wald- und Straßenbäumen vereinbart war (siehe hierzu oben unter Gliederungspunkt 1 b)

Es liegt auch keine Anordnung der Beklagten im Sinne dieser Vorschrift vor. Eine solche Anordnung ist nach dem bis zum 31. Dezember 2017 gegebenen Rechtsstand grundsätzlich formlos möglich und kann daher auch stillschweigend und konkludent erfolgen (BeckOK VOB/B/Kandel, 50. Ed. 31.10.2022, VOB/B § 2 Abs. 5 Rn. 54). Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, worin vorliegend eine stillschweigende Anordnung zu sehen sein soll. Sofern die Klägerin vorbringt, Mitarbeiter der Beklagten seien konstant auf der Baustelle anwesend gewesen und hätten den Fällungen zugestimmt, folgt daraus nicht mit der erforderlichen Sicherheit, dass eine die vertraglichen Grundlagen ändernde Erklärung abgegeben werden sollte. Zudem scheidet eine solche Anordnung regelmäßig aus, wenn der Auftraggeber erkennbar der Auffassung ist, die Leistung sei bereits vertraglich geschuldet (BeckOK VOB/B/Kandel, 50. Ed. 31.10.2022, VOB/B § 2 Abs. 5 Rn. 54). Das ist auch vorliegend der Fall.

e) Auch aus § 2 Abs. 6 VOB/B folgt kein Anspruch der Klägerin. Diese Vorschrift berechtigt den Auftragnehmer zur Forderung einer besonderen Vergütung, wenn eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert wird. Soweit danach eine Leistung so wie vorliegend von vornherein vom Auftragnehmer geschuldet ist, liegt bereits begrifflich keine solche Leistungsänderung vor (BeckOK VOB/B/Kandel, 50. Ed. 31.10.2022, VOB/B § 2 Abs. 6 Rn. 18).

f) § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B sieht vor, dass der Auftraggeber solche ohne Auftrag ausgeführten Leistungen zu vergüten hat, wenn er sie nachträglich anerkennt. Anhaltspunkte für ein solches Anerkenntnis sind nicht ersichtlich.

g) Auch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 2 Abs. 8 Nr. 3, §§ 683 Satz 1, 670 BGB steht der Klägerin kein Zahlungsanspruch zu.

Ein Ausspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag steht nicht erkennbar mit dem mutmaßlichen Willen der Beklagten in Einklang. Es ist vorliegend nicht ersichtlich und nicht vorgetragen, dass die stufenweise erfolgenden Fällungen dem Willen der Beklagten entsprachen, weil sie die Leistung ausweislich des Leistungsverzeichnisses gerade anders vereinbart hat – nämlich das Fällen von Straßenbäumen stufenweise nur im Bereich der Mulde – als die Klägerin nunmehr abrechnet. Wenn die Beklagte die Leistung dergestalt ausgeschrieben hat, dass an Mulde / Amphibienzaun Straßenbäume abschnittsweise zu fällen waren, dann spricht schon die damit einhergehende Gestaltung der Preisstruktur dafür, dass sie die abschnittsweise Fällung (=Straßenbäume) an anderer Stelle nicht wollte.

Es ist auch nicht ersichtlich oder sonst vorgetragen, dass die abschnittsweise Fällung an anderer Stelle als der vertraglich vereinbarten Stelle an Mulde / Amphibienzaun erforderlich war. Soweit die Klägerin hierzu ausführt, dass ohne die abschnittsweise Fällung der Bäume, ein Betrieb der Bundesstraße nicht möglich gewesen sei, greift das nicht. Insbesondere hätte es der Klägerin offen gestanden, die Straße kurzzeitig vollständig oder teilweise zu sperren, wenn ein an der Straße stehender “Waldbaum” zu fällen war. Zwar findet sich hierzu in einem von der Klägerin vorgelegten Zeitungsartikel (Bl. 180 d.A.) die Aussage, dass eine Sperrung der Straße nur halbseitig möglich gewesen sei. In den Ausschreibungsunterlagen findet sich eine derartige Einschränkung aber nicht. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich hinsichtlich der Lichtsignalanlage unter Ziffer 3.1.2 Absatz 5: “Diese Anlage ist bei Bedarf kurzzeitig auf “Rot-Rot-Betrieb” zu schalten, wenn Fällarbeiten in dem unmittelbar angrenzenden Straßenseitenraum vorgenommen worden”

Die Klägerin beruft sich darüber hinaus auf ein von ihr vorgelegtes Privatgutachten ### vom 22. Februar 2017 (K 35, Bl. 580 ff. d.A.). Danach sei bei einer Vielzahl von Bäumen aufgrund der Nähe zur Straße nur ein stufenweises Abtragen zulässig gewesen und daher eine Abrechnung als Straßenbaum erforderlich. So sehe es auch die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (K 36, Bl. 596 d.A.) vor. Aber auch insoweit ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Straße für den Moment der Fällung kurzfristig in dem in den Vertragsunterlagen ausdrücklich zugelassenen “Rot-Rot-Betrieb” zu sperren. Zwar führt der Privatgutachter aus, dass derart viele Bäume in Straßennähe gefällt werden mussten, dass das nur durch eine durchgängige Sperrung der Straße zu bewältigen gewesen wäre (Bl. 585 d.A.), wenn die Bäume als Waldbäume durch einen Schnitt zu fällen gewesen wären. Für diese Wertung spricht zunächst auch das Vorbringen der Klägerin, wonach im Leistungsverzeichnis Pos. 03.01.0003 ein Vorhalten der Ampelanlage nur für 10 Tage geplant gewesen sei, sie diese tatsächlich nur für 13 Tage abgerechnet habe und die Bauarbeiten dagegen vom 13. Februar 2017 bis zum 19. April 2017, also zwei Monate gedauert hätten. Das könnte zunächst darauf hindeuten, dass die kurzzeitige Straßensperrung der Ausnahmefall bleiben sollte. Was die Klägerin bei ihrer Angabe einer Dauer ihrer Arbeiten von “2 Monaten” ausspart, ist der Umstand, dass nach ihrer eigenen Darstellung schon am 21. Februar 2017 alle mit Harvester durchzuführenden Leistungen abgeschlossen waren (K 38, Bl. 600 d.A.) und im Übrigen alle Baumfällarbeiten wegen der Vogelschutzzeit Ende Februar abgeschlossen sein mussten. Daher ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass Baumfällarbeiten von mehreren Monaten erforderlich waren. Darüber hinaus ist die Klägerin selbst davon ausgegangen, dass sie Sperrungen der B101 für die Baumfällungen vorzunehmen hat. So hat sie in ihrem Schreiben vom 24. Februar 2017 selbst ausgeführt, dass die Baumfällungen unter Beachtung “der Sperrung gemäß Titel 03. durchgeführt” werden (K 37, Bl. 599 d.A.). In Titel 3 des Leistungsverzeichnisses ist wiederum vorgesehen, dass für Fällarbeiten neben der Straße eine Absperrung des Straßenbereichs der B101 erfolgen kann (Bl. 198 d.A).

h) Eine Vergütung steht dem Auftragnehmer gemäß § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B ferner zu, wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrags notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Es fehlte aber nach den vorstehenden Ausführungen unter Gliederungspunkt f) schon daran, dass die Leistungen dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprachen.

i) Ein Bereicherungsanspruch besteht für die Klägerin ebenfalls nicht, weder aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. (Leistung) BGB noch aus § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB (conditio ob rem) oder aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB (Nichtleistungskondiktion). Denn ein Rechtsgrund folgt aus dem bestehenden Vertrag, der wie festgestellt die gegenständlichen Leistungen umfasst. Zudem stünden die Grundsätze der sog. aufgedrängten Bereicherung einem derartigen Anspruch entgegen, denn durch das Bereicherungsrecht dürfen vorrangige vertragliche Regelungen des privaten Baurechts nicht umgangen werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. November 2014 – 22 U 37/14 -; siehe auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 2013 – 22 U 21/13 -).

j) Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Zwar kann sich ein Vergütungsanspruch des Auftragnehmers unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ergeben, wenn ein Auftraggeber Vertragsänderungen oder Anordnungen verweigert, obwohl die Leistungsbeschreibung unzureichend ist (Ingenstau/Korbion, § 1 Abs. 3 VOB/B, Rn. 22). Hierfür müsste jedoch ersichtlich sein, dass die vereinbarte Leistungsausführung – das abschnittsweise Fällen von Straßenbäumen am geplanten Amphibienzaun, im Übrigen das Fällen von Waldbäumen in einem Schnitt – unzureichend war. Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil die Klägerin die Möglichkeit vorübergehender Straßensperrungen im Zeitpunkt des Fällens eines Baumes in Straßennähe offenstand. Weshalb dennoch ein Fällen der Bäume, so wie vereinbart nicht möglich gewesen sein soll, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

k) Der Klägerin steht danach unter keinem rechtlichen Grund ein Anspruch auf Zahlung von 89.233,81 Euro für die Fällung von “Straßenbäumen” zu.

2. Der geltend gemachte Anspruch auf Gemeinkostenausgleich in Höhe von 5.436,88 Euro scheitert daran, dass nach den vorstehenden Ausführungen unter Gliederungspunkt 1. keine Mehr- bzw. Mindermengen angefallen sind.

3. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 5.333,24 Euro, weil das (“Eigentümer des Grundstücks ###”) nicht rechtzeitig für die Fällarbeiten zur Verfügung gestellt worden sei, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer gemäß § 642 BGB iVm § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Voraussetzungen dieser Regelungen sind nicht erfüllt.

aa) Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Voraussetzungen des § 642 BGB dem Grunde nach erfüllt sind und ob die unter Schadensminderungsgesichtspunkten geltend gemachten Kosten für die Verbringung der Geräte zum Einsatz an anderer Stelle nach dieser Vorschrift ersatzfähig sind.

bb) Denn es fehlt selbst für die Schätzung einer Mindesthöhe der geforderten Entschädigung hinreichender Vortrag. Bei § 642 BGB handelt es sich um einen Vergütungsanspruch eigener Art für die fruchtlose Bereithaltung von Kapazitäten, der den Nachweis eines Schadens durch den Unternehmer nicht voraussetzt (Staudinger/Peters (2019) BGB § 642, Rn. 24). Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Anzusetzen ist dabei auf jeden Fall die volle Wartezeit als jene Zeit, für die Mitarbeiter, Maschinen und Materialien nicht gewinnbringend anderweitig eingesetzt werden können, weil sie für dieses Objekt zur Verfügung stehen mussten (Staudinger/Peters (2019) BGB § 642, Rn. 25). Das steht im Einklang damit, dass § 6 Abs. 3 S. 1 VOB/B die Pflicht vorsieht, die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen und die Interessen des Auftraggebers zu schonen. Die Klägerin trägt vor, dass die Baustelle beräumt werden musste, um den eingesetzten Harvester kostenschonend anderweitig einzusetzen und ihn dann wieder zurückzubringen (Bl. 659 d.A.).

Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht zutreffend entschieden, dass die Klägerin für eine Schätzung nach § 642 BGB unter entsprechender Heranziehung von § 287 ZPO nicht hinreichend vorgetragen hat. Die Klägerin hat in ihrem Nachtragsangebot für das Grundstück ### die Positionen “Baustelle einrichten” und “Baustelle räumen” kalkuliert und hierfür jeweils einen Betrag von 2.666,62 Euro angesetzt (K25 a Bl. 138, 143 d.A.). Allerdings heißt es hierzu im Nachtragsangebot lediglich, dass diese Positionen auf der Grundlage der Grundposition 02.00.001 [Baustelle einrichten] und der Grundposition 02.00.002 Baustelle räumen kalkuliert sei (Bl. 143 d.A.). Aus der dazu vorgelegten Nachtragskalkulation (K 26, Bl. 144 d.A.) wird allerdings ersichtlich, dass die Klägerin offenbar die Einkaufspreise aus der Vorkalkulation übernommen hat. Jedenfalls hat die Klägerin nicht erörtert, wie aus der Vorkalkulation zu Pos. 02.00.0001, die einen Betrag von 13.333,10 Euro (Bl. 113 d.A.) vorsieht, der Preis für den Nachtrag von 2.666,62 Euro der lediglich pauschal und ohne jede Aufgliederung geblieben ist, abgeleitet sein könnte. Zwar hat die Klägerin für den Nachtrag wohl 1/5 des für die gesamte Baustelleneinrichtung kalkulierten Betrags angesetzt (2.666,62 Euro x 5= 13.333,10 Euro). Da in der Vorkalkulation ein Mengensatz von 30 Stunden angesetzt ist, geht die Klägerin – geteilt durch 5 – wohl von einem Mengenansatz für den Nachtrag von 6 Stunden aus. Entsprechendes gilt für die Position “Baustelle räumen”.

Weshalb allerdings der für das vollständige Räumen und Wieder-Einrichten der Baustelle kalkulierte Mengenansatz von jeweils 30 Stunden aus der Vorkalkulation im Nachtrag für die Dauer von jeweils 6 Stunden für dem An- und Abtransport eines Harvesters kalkuliert worden ist und die Gemeinkosten von pauschal 3.699,70 Euro entsprechend der vorliegend genannten Stundenanzahl durch 5 geteilt und damit in Höhe von 739,94 Euro geltend gemacht worden sind, ist weder erläutert noch erschließt sich die Kalkulation im Übrigen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb vorliegend für den Ab- und Antransport des Harvesters 6 Stunden im Verhältnis zu dem vollständigen Räumen bzw. Einrichten der Baustelle mit 30 Stunden angesetzt worden ist. Hierzu sind auch im Berufungsverfahren keine Erläuterungen erfolgt, obwohl schon das Landgericht aus den vorstehenden Gründen keine Entschädigung nach § 642 BGB zugesprochen hat. Allein durch den Hinweis im Nachtragsangebot, die dort pauschal angebotenen Positionen “Baustelle einrichten und räumen” seien auf der Grundposition “Baustelle einrichten und – räumen” des Hauptvertrags kalkuliert, wird ebenfalls nicht erkennbar, weshalb die Klägerin die vorstehenden Mengenansätze gewählt hat. Da anhand des Vortrags der Klägerin trotz des gerichtlichen Spielraums bei der Bestimmung der Entschädigung nach § 642 BGB eine solche vorliegend nicht bestimmbar ist, kann schließlich offenbleiben, ob die An- und Abtransportkosten vorliegend überhaupt ersatzfähig wären.

Ein Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO war nicht erforderlich, weil das Landgericht die Klage zu dieser Position mit einer vergleichbaren Argumentation abgewiesen und sich die Klägerin gleichwohl darauf beschränkt hat, mit der Berufungsbegründung wie aufgezeigt vorzutragen.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war ebenfalls nicht erforderlich. Durch die Möglichkeit, ein Gutachten nach § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO sogar von Amts wegen einzuholen, sind die Parteien nicht von ihrer Darlegungs- und Beweislast befreit. Der Parteivortrag muss konkrete Anknüpfungstatsachen bieten, die Grundlage für ein Gutachten sein können und die der Sachverständige beurteilen kann (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 – X ZR 13/14 -, Rn. 34). Das ist, wie aufgezeigt, nicht der Fall.

b) Die Klägerin kann auch keinen Schadensersatz nach § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B verlangen. Nach dieser Vorschrift ist der Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch hindernde Umstände nachweislich entstanden ist und regelmäßig im Bereich des erforderlichen Mehraufwands bei der Erstellung der vertraglichen Leistung besteht (Döring, in Ingenstau/Korbion, VOB, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rn. 26, 39). Hierfür ist nichts ersichtlich und wäre darüber hinaus nach den vorstehenden Ausführungen unter Gliederungspunkt a) ohnehin nicht hinreichend dargelegt.

c) Die Klägerin kann den Ersatz der durch die Bauverzögerung verursachten Mehrkosten auch nicht nach § 304 BGB erstattet verlangen. Soweit die Klägerin die Heranziehung dieser Norm durch das Landgericht rügt, bleibt das schon deshalb unerheblich, weil das Landgericht den Fall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat. Hinzukommt, dass sich die Klägerin in erster Instanz ausdrücklich auch auf § 304 BGB gestützt hat (Bl. 686 d.A.).

Der Anspruch aus § 304 BGB wird durch § 642 BGB zwar nicht verdrängt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, 39 f.; Hartwig, BauR 2014, 1055, 1058 ff.; Roskosny/Bolz, BauR 2006, 1804, 1814). § 304 BGB gewährt jedoch lediglich den Ersatz von Mehraufwendungen, die für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstandes entstehen. Hierzu gehören nicht Mehrkosten, die der Unternehmer aufwenden muss, weil sich die Ausführung seiner Leistung aufgrund des Annahmeverzugs des Bestellers infolge Unterlassens einer ihm obliegenden Mitwirkungshandlung verzögert (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2017 – VII ZR 16/17 -, BGHZ 216, 319-332, Rn. 39; OLG Frankfurt, Urteil vom 3. Februar 2023 – 21 U 47/20 -).

4. Hinsichtlich des Grundstücks ### steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch ebenfalls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Dabei kann offen bleiben, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 642 BGB iVm § 6 Abs. 6 S. 2 VOB/B dem Grunde nach erfüllt sind. Denn es fehlt selbst für die Schätzung einer Mindesthöhe der geforderten Entschädigung hinreichender Vortrag.

Zwar trifft die Auffassung des Landgerichts vorliegend nicht zu, wonach der bloße schriftsätzliche Verweis auf Berechnungen in Anlagen zu Schriftsätzen den Vortragspflichten des Beklagten nicht genüge. Anlagen können zwar lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht vollständig ersetzen (BGH, Urteil vom 27. September 2001 – V ZB 29/01, BGH-Report 2002, 257; BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 – II ZR 111/05 -; BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 – II ZR 111/05, ZIP 2007, 1942 Rn. 25; Beschluss vom 11. April 2013 – VII ZR 44/12; BGH, Beschluss vom 23. September 2014 – II ZB 24/13 -, Rn. 12). Die Anlagen dienen allerdings vorliegend der Erläuterung schriftsätzlichen Vorbringens mit konkreter Inbezugnahme, es würde sich ersichtlich um eine bloße Förmelei handeln, die rechnerischen Angaben etwa aus der Nachtragskalkulation in den Schriftsatz mit aufzunehmen. Hinzu kommt, dass die Klägerin eben die Angaben der Nachtragskalkulation zuletzt noch einmal schriftsätzlich wiedergegeben hat.

Diese grundsätzlich ausreichende Bezugnahme auf die klägerseits vorgelegten Anlagen ändert gleichwohl nichts daran, dass dem Senat keine hinreichenden Schätzgrundlagen selbst für eine Mindestentschädigung zur Verfügung stehen. Zum Nachweis einer Verzögerungsentschädigung genügt es insbesondere nicht, die Verzögerung und die Stillstandszeit für Mannschaft und Gerät und die Vorhaltekosten darzustellen. Vielmehr muss konkret vorgetragen werden, welche Differenz sich bei einem Vergleich zwischen einem ungestörten und dem verzögerten Bauablauf ergibt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 12. Februar 2004 – 17 U 56/00 -; Rösch in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 642 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 14). Macht ein Auftragnehmer einen Anspruch auf Entschädigung wegen Bauzeitverzögerung geltend, so kann für die Darlegung des nachweislich entstandenen Schadens bzw. der angemessenen Entschädigung eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung erforderlich sein (vgl. Rösch in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 642 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 13). Dafür muss der Anspruchsteller zunächst den bauvertraglich vereinbarten Bauablauf-, dann die genaue Behinderung- und schließlich deren konkrete Auswirkungen auf seine Leistungen darlegen (vgl. OLG München, Urteil vom 20. November 2007 – 9 U 2741/07 -; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 – VII ZR 222/07 -).

Zwar ist ein detaillierter Vergleich zwischen dem vereinbarten und dem verzögerten Bauablauf vorliegend nicht erforderlich, da lediglich die Verzögerung von weiteren Baumfällarbeiten im Raum stand. Allerdings hat die Klägerin zum Beleg ihrer Entschädigung lediglich auf die Nachtragskalkulation (K 32 Bl. 184 d.A.) Bezug genommen. Dort ist auf der Grundlage des Nachtragsangebots (Bl. 183 d.A.) aufgeführt, dass Stillstandskosten zwischen 9.30 und 16.30 Uhr aufgetreten sind und angeführt, welche der Preise für die davon betroffenen Bagger, Rückezug, Hacker und LKW angesetzt worden sind.

Daher ist hier ebenso wie in Bezug auf das Grundstück ### (vorstehend unter Gliederungspunkt 4.) weder erläutert noch sonst erkennbar, wie die angesetzten Kosten auf der Grundlage der Vorkalkulation (etwa Bl. 122 d.A.) ermittelt worden sind, insbesondere welche Kosten der Stillstand der eingesetzten Gerätschaften verursacht hat. Die Klägerin hat – soweit ersichtlich – den Nachtrag auf der Grundlage der in der Vorkalkulation mehrfach ausgewiesenen Preise für Bagger, Rückezug, Hacker und LKW ermittelt und hat diese Preise dann in Bezug auf den Stillstandszeitraum – wohl abzüglich einer Mittagspause – mit 6 Stunden ermittelt. Daraus ist auch unter Anlegung großzügiger Maßstäbe nicht ermittelbar, ob und wie diese Preise den gegenständlichen Stillstand zutreffend abbilden.

b) Aus den unter Gliederungspunkt 3. aufgeführten Gründen steht der Klägerin auch kein Anspruch aus § 6 Abs. 6 S. 1 VOB/B bzw. § 304 BGB zu. Ein Hinweis war ebenso wenig wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich (vgl. oben unter Gliederungspunkt 3. a) aE).

5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 7.626,64 Euro über die bereits beglichenen 2.333,07 Euro hinaus für die Fällung von im Leistungsverzeichnis nicht vorgesehenen Bäumen mit einem Durchmesser von 0,5 bis 0,75 m. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung, die gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B eine gesonderte Vergütung erfordert. Die Erbringung der Leistung ist unstreitig (Bl. 545 d.A.). Die erforderliche Ankündigung ist mit Schreiben der Klägerin vom 15. Februar 2017 (K 33, Bl. 185 d.A.) erfolgt.

Die Frage, wie die Vergütung für Leistungen gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B erfolgt, ist umstritten. Einerseits wird vertreten, dass die Vergütung ausgehend des Kalkulationsgefüges des Hauptauftrags zu bestimmen ist (so etwa ausdrücklich Keldungs, in: Ingenstau/Korbion, § 2 Abs. 6 VOB/B, Rn. 30 ff.). Dagegen sieht die neuere Rechtsprechung im Hinblick auf § 650 c BGB die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn als maßgeblich an (etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 22. April 2020 – 11 U 153/18 -; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2020 – 29 U 171/19 -, unter Hinweis auf gleichlautende Rechtsprechung des BGH zu § 2 Nr. 3 VOB/B: Urteil vom 8. August 2019 – VII ZR 34/18 -, BGHZ 223, 45-57). Hierauf beruft sich die Klägerin und führt aus, dass sie ihre Vergütung auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten ermittelt hat.

Es kann allerdings offenbleiben, welche der beiden Berechnungsmethoden anwendbar ist. Denn der Vortrag der Klägerin zu der geforderten Vergütung ermöglicht mangels greifbarer Anhaltspunkte keine Bestimmung einer zusätzlichen Vergütung. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei dem im Hauptauftrag zu negativen Einheitspreisen angesetzten Gutschriften für die dünneren Bäume von 140,00 Euro um kalkulatorische Nachlässe handelt, die auch bei Nachträgen zu gewähren sind (so OLG Brandenburg, Urteil vom 22. April 2020 – 11 U 153/18 -).

Unabhängig davon sind Gründe für einen höheren Einheitspreis nicht dargelegt. Denn das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass zu berücksichtigen ist, dass die von der Klägerin angesetzten höheren Kosten daraus resultieren, dass die Klägerin bei den Kosten für den Bagger mit Spezialschere von Kosten von 345,60 Euro (K34, Bl. 503 d.A.) für die dickeren Bäume statt von 267,80 Euro (Anlage K22, Pos. 05.01.0007, Bl. 475 d.A.), für die dünneren Bäume ausgeht und einen Zeitaufwand pro Baum von 0,333 Stunden statt 0,05 Stunden ansetzt, im Übrigen haben sich die kalkulierten Kosten nicht geändert. Die Beklagte hat insbesondere trotz der darauf gestützten Klageabweisung nicht erläutert, warum die Fällung eines Baumes mit einem etwas größeren Umfang fast sieben Mal so lang dauert und warum der Bagger mit Spezialschere zwischen Angebotsabgabe 9. Januar 2017 und der etwa einen Monat später liegenden Fällung um 30% teurer geworden ist.

Eine erneute Hinweiserteilung war ebenso wenig wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich (vgl. oben unter Gliederungspunkt 3. a) aE).

6. Die mit Beschluss des Landgerichts vom 10. November 2022 zurückgewiesenen Berichtigungsanträge (Bl. 742 d.A.) führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Soweit das Landgericht eine sachliche Entscheidung über die Tatbestandsberichtigungsanträge deshalb abgelehnt hat, weil der erkennende Einzelrichter nicht mehr Mitglied der Kammer war, kann offenbleiben, ob die Entscheidung zu Recht erfolgt ist. Soweit es sich bei den gerügten Unrichtigkeiten um offenkundige Fehler handeln sollte, können sie zwar grundsätzlich auch durch das Berufungsgericht während des schwebenden Berufungsverfahrens berichtigt werden (BGH, Urteil vom 20. August 2009 – VII ZR 205/07 -, BGHZ 182, 158-187, Rn. 67; BGH, Beschluss vom 9. Februar 1989 – V ZB 25/88 -, BGHZ 106, 370-374, Rn. 13). Solche Fehler sind jedoch nicht ersichtlich, zumal die landgerichtlichen Feststellungen, die zum Gegenstand der Berichtigungsanträge gemacht worden sind, nicht entscheidungserheblich oder ohnehin der Entscheidung des Berufungsgerichts zu Grunde zu legen sind. Daher kann auch offenbleiben, ob die Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 10. November 2022 nicht ohnehin im Wege teleologischer Reduktion von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorrangig sofortige Beschwerde hätte einlegen müssen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. März 2004 – 24 W 8/04 -).

6. Die Klägerin macht darüber hinaus eine Vielzahl von Gehörsverletzungen, insbesondere von Verstößen gegen Hinweispflichten des Landgerichts geltend. Ob und welche Verstöße insoweit vorgelegen haben, kann aber offenbleiben. Zwar ist es nicht erforderlich, dass in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verfahrensrüge angeführt wird, welchen Vortrag der Rügende in Verkennung der Rechtslage angesichts der unterlassenen Hinweise des Gerichts unterlassen hat. Vielmehr reicht es aus, dass nach dem Inhalt der Berufungsbegründung ohne Zweifel ersichtlich ist, was aufgrund des gerichtlichen Hinweises vorgetragen worden wäre (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01 -). Das lässt sich vorliegend allenfalls mittelbar aus dem klägerischen Vortrag ableiten. Aber im Ergebnis kann ohnehin offenbleiben, ob eine relevante Gehörsverletzung vorliegt. Denn auch unter Berücksichtigung des gesamten Vortrags der Klägerin im Rechtsstreit hat die Klage keinen Erfolg.

7. Die Rechtsanwaltskosten sind mangels Berufungsangriffs nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 708 ZPO, Rn. 12).

9. Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung bereits höchstrichterlich geklärter Rechtsfragen im Einzelfall.

10. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG.

LG KA: Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden

LG KA: Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden

vorgestellt von Thomas Ax

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen, welche vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (BGH, NJW 2011, 1358 Rn. 13; stRspr). Ein Ablehnungsersuchen kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden (BGH, NJW-RR 2012, 61; OLG Karlsruhe, BeckRS 2014, 00314). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (OLG Karlsruhe, BeckRS 2009, 9285; Musielak/Voit/Heinrich, 19. Aufl. 2022, ZPO § 42 Rn. 11; BeckOK ZPO/Vossler, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 42 Rn. 17; je m.w.N.).- –

Gründe in der Person eines anderen als der Partei lassen die Unvoreingenommenheit eines Richters dann zweifelhaft erscheinen, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass sich das Verhältnis zu dem Dritten auf die Einstellung des Richters zu einem Prozessbeteiligten oder zum Gegenstand des Verfahrens auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2011 – II ZR 237/09, juris Rn. 2; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.09.2022 – 2 W 47/22 –, Rn. 13, juris).- –

LG KA, Beschluss vom 28.7.23, 6 O 45/21