Ax Vergaberecht

OLG München zur Zuständigkeit bei Rechtsstreit um Verletzung von Schutz- und Verkehrssicherungspflichten im Rahmen eines Bauvertrags

OLG München zur Zuständigkeit bei Rechtsstreit um Verletzung von Schutz- und Verkehrssicherungspflichten im Rahmen eines Bauvertrags

vorgestellt von Thomas Ax

1. Bei Streitigkeiten aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Rahmen eines Bauvertrags handelt es sich auch um vertragliche Ansprüche „aus Bauvertrag’ im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a.F., für die der Spezialsenat zuständig ist. (Rn. 20)

2. Für die gesetzlich geregelte Zuständigkeit eines spezialisierten Spruchkörpers im Verhältnis zu einem nur im Turnus zuständigen allgemeinen Spruchkörper kommt es nicht darauf an, ob sich der Rechtsstreit im Schwerpunkt auf eine der gesetzlich definierten Spezialzuständigkeiten bezieht. (Rn. 41)

3. § 650a BGB erfasst nicht nur Verträge, bei denen die vom Unternehmer geschuldete Leistung das Gesamtvorhaben (Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder Umbau sowie Instandhaltung eines Bauwerks) betrifft, sondern auch solche Einzelverträge über Teilarbeiten, die eine substanzielle Mitwirkung am Gesamtvorhaben darstellen (hier bejaht für Einbau einer Blitzschutz- und Brandmeldeanlage, Notlichtanlage und Lautsprecheranlage im Rahmen der Komplettsanierung einer gemeindlichen Turnhalle). (Rn. 29)

4. Die in § 241 Abs. 2 BGB normierten Schutzpflichten decken sich zwar nach Inhalt und Umfang häufig mit den deliktischen Verkehrssicherungspflichten. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Schutzpflichten gerade aus der vertraglichen Verbundenheit der Parteien ergeben und von dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis abhängen. (Rn. 36)

5. Eine überlastungsbedingt längere Verfahrensdauer vor der Abgabe an den Spezialsenat (hier: ca. 1,5 Jahre) wirkt nicht zuständigkeitsbegründend. (Rn. 43)

Von § 119a Abs. 1 Nr. 2 GVG sollen alle Streitigkeiten über Ansprüche erfasst werden, die aus einem Rechtsverhältnis herrühren, in dem eine Partei eine Verpflichtung zur Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten übernommen hat; damit sollen insbesondere auch Bauverträge nach § 650a BGB umfasst sein. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

OLG München, Vorlagebeschluss vom 31.08.2020 – 8 U 1521/20

Gründe

I.

1
Der Kläger ist ein selbständig tätiger Elektriker. Mit seiner zum Landgericht Ingolstadt erhobenen Klage vom 20. Juli 2016 macht er Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend.

2
Die Beklagte ließ im Jahr 2013 die gemeindliche Turnhalle durch verschiedene Unternehmen sanieren. Den Kläger beauftragte die Beklagte mit Elektroarbeiten. Zur Durchführung dieser Arbeiten musste der Kläger das Dachgeschoss der Turnhalle betreten. Um ins Dachgeschoss zu gelangen, benutzte der Kläger die klappbare zweiteilige Treppe. Als der Kläger am 18. Januar 2013 diese Treppe hinabstieg, brach ein Kunststoffbolzen am Verbindungsbeschlag der beiden Treppenteile. Der untere Treppenteil schwang seitlich weg und der Kläger stürzte aus einer Höhe von ca. 1,5 m auf den Boden. Dadurch erlitt der Kläger verschiedene Verletzungen. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünden Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund der Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte zu. Diese sei im Rahmen des Vertragsverhältnisses verpflichtet gewesen, einen sicheren Zugang zum Dachgeschoss zur Durchführung der Arbeiten zu gewährleisten. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt. Sie hafte daher auch nach § 823 Abs. 1 BGB.

3
Das Landgericht Ingolstadt hat mit Endurteil vom 12. Februar 2020 die Klage abgewiesen. Nach der Einvernahme der Zeugen und der Erholung eines Sachverständigengutachtens sei ein Verschulden der Beklagten an dem Unfall nicht nachweisbar.

4
Dagegen richtet sich die am 17. März 2020 bei dem Oberlandesgericht München eingegangene Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Das Berufungsverfahren ist dem nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts München für das Jahr 2020 für Banksachen und Verfahren, die im Turnus verteilt werden, zuständigen 8. Zivilsenat als Turnussache zugewiesen worden.

5
Der Vorsitzende des 8. Zivilsenats hat mit Verfügung vom 11. November 2021 (BI. 286 f. d. A.) die Akte dem Vorsitzenden des 28. Zivilsenats mit der Bitte um Prüfung der Übernahme zugeleitet. Bei dem Verfahren handle es sich um eine Bausache im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG. Der Vertrag zwischen den Parteien sei als Bauvertrag zu qualifizieren. Es stünden nicht nur deliktische, sondern auch vertragliche Ansprüche im Raum. Aus § 241 Abs. 2 BGB träfen den Unternehmer auch Schutzpflichten zugunsten des Bestellers. Verkehrssicherungspflichten zwischen den Vertragspartnern seien zugleich Vertragspflichten. Der Vorsitzende des 28. Zivilsenats hat die Übernahme mit Verfügung vom 16. November 2021 (BI. 288 d. A.) abgelehnt. Der Schwerpunkt des Verfahrens liege eindeutig im deliktischen Bereich. Der behauptete Zusammenhang mit einer Bausache sei eher zufällig. Die deliktische Verantwortlichkeit zu prüfen sei nicht Sache eines Bausenats.

6
Der Vorsitzende des 8. Zivilsenats hat mit Verfügung vom 18. November 2021 (Bl. 289 ff. d. A.) die Parteien darauf hingewiesen, dass es sich um eine Bausache handle und der 8. Zivilsenat daher beabsichtige, sich durch Beschluss für unzuständig zu erklären. Falls der 28. Zivilsenat dies ebenso beschließe, werde der 8. Zivilsenat eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts herbeiführen. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 24. November 2021 (BI. 293 d. A.) erklärt, er stelle anheim, wie angeregt zu entscheiden. Die Beklagte hat keine Stellungnahme abgegeben.

7
Mit den Parteien formlos übersandten Beschluss vom 9. Dezember 2021 hat sich der 8. Zivilsenat für unzuständig erklärt und das Verfahren dem 28. Zivilsenat zur Übernahme vorgelegt (BI. 294 ff d.A). Der 28. Zivilsenat hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2021 (Bl. 300 ff. d. A.) die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Der Beschluss des 8. Zivilsenats sei nichtig, da sich dieser nicht selbst für unzuständig erklären könne. Die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten deliktischen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche seien keine Bausache. Unabhängig davon sei die Abgabe eines Verfahrens nahezu zwei Jahre nach dessen Eingang beim 8. Zivilsenat erkennbar von dem Willen getragen, sich eines unangenehmen Verfahrens zu entledigen. Die Übernahme des Verfahrens sei daher auch vor dem Hintergrund, dass die Parteien einen Anspruch auf eine angemessene und zügige Behandlung ihres Berufungsverfahrens hätten, abzulehnenDiesen Beschluss hat der 28. Zivilsenat den Parteien formlos zugeleitet. Der 8. Zivilsenat hat sodann am 16. Dezember 2021 (Bl. 304 ff d. A.) den Beschluss gefasst, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Zivilsenats dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorzulegen.

8
Der Kläger hat mitgeteilt, er halte beide von den Zivilsenaten vertretenen Rechtsansichten für vertretbar und stelle daher die Entscheidung in das Ermessen des Bayerischen Obersten Landesgericht. Die Beklagte hat von einer inhaltlichen Stellungnahme abgesehen.

II.

9
Auf die zulässige Vorlage des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München ist die funktionelle Zuständigkeit des nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts München für Streitigkeiten im Sinne von § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 28. April 2017 zuständigen Zivilsenats auszusprechen.

10
1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.

11
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Bestimmung des zuständigen Senats berufen:

12
Die Regelungen des § 36 ZPO gelten nicht nur für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, sondern sind entsprechend auf die Bestimmung der gesetzlich festgelegten funktionellen Zuständigkeit anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2003, X ARZ 175/03, BGHZ 156, 147 juris Rn. 10; Toussaint in BeckOKZPO, 43, Ed. Stand: 1. Dezember 2021, § 36 Rn. 36 u. 38.2; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 36 Rn. 3; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 4 u. 39; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6, Aufl. 2020, § 36 Rn. 5; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 36 Rn. 4; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. März 2014, X ARZ 664/13, NJW-RR 2014, 573 Rn, 5).

13
Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen zwei Spruchkörper eines Gerichts unterschiedlicher Auffassung darüber sind, ob die Voraussetzungen des S 72a GVG oder des § 119a GVG vorliegen (zu § 72a GVG: KG, Beschluss vom 14. März 2019, 2 AR 6/19, juris Rn. 4; Beschluss vom 22 März 2018, 2 AR 11/18. NJW-RR 2018, 639 Rn. 4 f., OLG München, Beschluss vom 7, Februar 2019, 34 AR 114/18, juris Rn. 9; OLG Hamburg, Beschl. v, 12. Oktober 2018, 6 AR 17/18, juris Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018, 1 AR 990/18, juris Rn. 23; OLG Frankfurt am Main, Beschl. V. 23. April 2018, 13 SV 6/18, juris Rn. 12; Feldmann in BeckOK GVG, 13. Ed. Stand 15. November 2021, § 72a an, 6a; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, S 72a Rn. 10; Lückemann in Zöller, ZPO, § 72a GVG 2; zu § 119a GVG: BayObLG, Beschluss. 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 22; Beschluss vom 24. Oktober 2019, I AR 118/19, juris Rn, 6; OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2019, 1 W 1/19, juris 5; OLG Bamberg, Beschluss vom 31. August 2018. 2 ZIV AR 2/18, NJW-RR 2018, 1386 Rn. 18; OLG Hamburg, Beschl. 6. August 2018, 6 AR 10/18, juris Rn. 9).

14
Nach § 119a Satz 1 GVG a. F. sind für die in den Nummern 1 bis 4 genannten Sachgebiete bei den Oberlandesgerichten ein oder mehrere Zivilsenate zu bilden, Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung, so dass die nähere Eingrenzung und Bestimmung der Spezialzuständigkeiten nicht den Präsidien der Gerichte obliegt (vgl. BT-Drs. 18/11437 S. 45 f.; BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 23; OLG Bamberg NJW-RR 2018, 1386 Leitsatz 1; Conrad-Graf in BeckOK GVG, § 119a Rn. 6; Lückemann in Zöller; ZPO, § 119a GVG Rn. 1 und § 72a GVG Rn. 2), Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags werden die Verfahren dem spezialisierten Spruchkörper zugewiesen (BT-Drs. 18/11437 S. 45), Gesetzlich vorgegeben wird dessen funktionelle Zuständigkeit (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 23; Feldmann in BeckOK GVG. § 72a Rn. 4).

15
Das für die beteiligten Senate des Oberlandesgerichts München zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist der Bundesgerichtshof, so dass gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht zur Entscheidung im Zuständigkeitsstreit berufen ist.

16
b) Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 36 Abs. I Nr. 6 ZPO liegen vor.

17
Die beteiligten Senate des Oberlandesgerichts München haben sich insbesondere rechtskräftig für unzuständig erklärt. Ausreichend dafür ist, dass die jeweilige endgültige Leugnung der eigenen Zuständigkeit in den Beschlüssen des 8. Zivilsenats vom 9. Dezember 2021 (BI. 294 ff. d. A.) und des 28. Zivilsenats vom 14. Dezember 2021 (BI. 300 ff. d. A.) eindeutig zum Ausdruck kommt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 26; Beschluss vom 24. Oktober 2019, 1 AR 118/19, juris Rn. 9; KG NJW-RR 2018, 639 Rn. 6) und diese den Parteien bekanntgegeben worden sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 26; Beschluss vom 24. Oktober 2019, 1 AR 118/19, juris Rn. 10; KG, Beschluss vom 14. März 2019, 2 AR 6/19, juris Rn. 6; NJW-RR 2018, 639 Rn. 6; OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2019, 1 W 1/19, juris Rn. 5; OLG München, Beschluss vom 7. Februar 2019, 34 AR 114/18, juris Rn. 10; OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Oktober 2018, 6 AR 17/18, juris Rn. 10; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018, 1 AR 990/18, juris Rn. 26; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23. April 2018, 13 SV 6/18, juris Rn. 13).

18
Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um eine Streitigkeit im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 28. April 2017.

19
a) § 119a GVG findet Anwendung in der Fassung vom 28. April 2017.

20
Gemäß § 40a EGGVG sind auf Verfahren, die ab dem 1. Januar 2018 bis einschließlich 31. Dezember 2020 anhängig geworden sind, die §§ 72a und 119a GVG in der bis einschließlich 31. Dezember 2020 geltenden Fassung vom 28. April 2017 anzuwenden. Bezüglich § 119a GVG ist maßgeblich der Zeitpunkt des Anhängigwerdens beim Oberlandesgericht in der Rechtsmittelinstanz (Mayer in Kissel/Mayer, GVG, § 119a Rn. 2). Dabei ist der Spezialsenat für die nach dem 1. Januar 2018 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufungen und Beschwerden auch dann zuständig, wenn beim Landgericht (noch) die allgemeine Zivilkammer entschieden hat (Mayer a. a. O., § 119a Rn. 2). Denn § 119a GVG knüpft nicht formal an die Entscheidung der Vorinstanz an. Die Zuständigkeit der Spezialsenate richtet sich allein danach, ob eine Streitigkeit aus den Sachgebieten des § 119a Satz 1 Nr. 1 bis 4 GVG a. F. vorliegt (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 30; OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2019, 1 W 1/19, juris Rn. 6; Lückemann in Zöller; ZPO, § 119a GVG Rn. 2; Conrad-Graf in BeckOK GVG, § 119a Rn. 5). Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob bei Anhängigwerden des Verfahrens in erster Instanz § 72a GVG bereits Anwendung fand.

21
Vorliegend ist die Berufungsschrift am 17. März 2020 (BI. 943 d. A.), mithin vor dem 31. Dezember 2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen.

22
b) Das Verfahren betrifft Streitigkeiten aus einem Bauvertrag nach § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a.F.

23
aa) Mit der Auslegung des § 119a GVG a. F. wird eine Entscheidung über den gesetzlichen Richter getroffen. Die Auslegung hat sich daher möglichst nah am Wortlaut und am Willen des Gesetzgebers zu orientieren (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 32; vgl. Fischer in BeckOK ZPO, § 348 Rn. 16).

24
Nach der Gesetzesbegründung ist bei der Auslegung des § 119a Satz I Nr. 2 GVG das Begriffsverständnis nach § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c) ZPO heranzuziehen (vgl. BT.-Drs. 18/11437 S. 45; BayObLG, Beschl. v, 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rnr. 33; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018, 1 AR 990/18, juris Rn. 28), Es sollen alle Streitigkeiten über Ansprüche erfasst werden, die aus einem Rechtsverhältnis herrühren, in dem eine Partei eine Verpflichtung zur Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten übernommen hat (ST-Drs. 1811 1437 S, 45). Damit sollen insbesondere auch Bauverträge nach § 650a BGB umfasst sein (BT-Drs. 18/11437 S. 45; Sacher in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 15 Rn. 11; Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 348 Rz. 52; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.12.2018, 11 SV 114/18, juris Rn. 25).

25
Nach § 650a Abs. 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Gemäß § 650a Abs. 2 BGB ist ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks dann ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist Zur Instandhaltung gehören alle objektbezogenen Maßnahmen, die der Erhaltung eines zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands des Objekts (Sollzustand) dienen (BT-Drs. 18/8486, S. 52 f.). Sind sie von wesentlicher Bedeutung für Konstruktion, Bestand oder bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bauwerks, so fallen sie unter § 650a Abs. 2 BGB (Retzlaff in Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 650a Rn. 7; Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 650a Rn. 10; Voit in BeckOK BGB, 61. Ed. Stand: 1. Mai 2020, § 650a Rz. 9 ff.). Nicht geklärt ist bislang, ob Sanierungsmaßnahmen, mit denen eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik erreicht werden soll, als Wiederherstellung nach § 650a Abs. 1 BGB (so Kniffka in Kniffka/Koeble/JurgeleWSacher, Kompendium des Baurechts, Teil 2 Rn. 26) oder als Instandhaltung nach § 650a Abs. 2 BGB (so wohl Moufang/Koos in Messerschmidt/Voit. Privates Baurecht. 4. Aul. 2022, Teil l, J. Mängelrechte und Mängelansprüche Rn. 9; offen Schwenker in Ganten/Kindereit, Typische Baumängel, 3. Aufl. 2019, K „Sanierung von Bauwerken“ Rn 1 f.) zu qualifizieren sind.

26
Maßgebend ist – wie bei § 348 ZPO und § 13 GVG – der Vortrag der Klagepartei (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 33; zu § 348 ZPO: Bartels in Stein/Jonas, ZPO, § 348 Rn. 18; Büscher in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 348 Rn. 44; Fischer in BeckOK ZPO, § 348 Rn. 16; Greger in Zöller, ZPO, § 348 Rn. 8; zu § 13 GVG: BGH, Beschluss vom 22. März 1976, GSZ 2/75, BGHZ 67, 81 [84, juris Rn. 28]; zu § 17a Abs. 6 GVG: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2011, 1-10 W 49/11 Juris Rn. 10).

27
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten als Bauvertrag im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. zu qualifizieren.

28
Die Beklagte ließ die 25 Jahre alte Turnhalle von Grund auf sanieren, unter anderem durch Austausch der Lüftungs- und Heizungsanlage, Wärmedämmung, Installation einer Notlichtanlage und einer Brandmeldeanlage. Der gesamte Auftrag über die Grundsanierung wäre nach obiger Definition unproblematisch als Bauvertrag nach § 650a Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zu qualifizieren. Es geht um Maßnahmen jedenfalls zur Instandhaltung des Bauwerks Turnhalle. Die Grundsanierung ist für den Bestand und den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Turnhalle von wesentlicher Bedeutung.

29
Der Kläger war indessen nach seinen eigenen Angaben in den Schriftsätzen vom 7. Dezember 2016 (S. 2, Bl. 45 d. A.) und vom 24. Mai 2017 (S. 2, Bl. 56 d. A.) sowie in seiner persönlichen Anhörung (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2017, S. 2, BI. 51 d. A.) nur damit beauftragt, den Blitzschutz mit Brandmeldeanlage in die Turnhalle einzubauen. Schalter zu versetzen, die Notlichtanlage sowie Leuchtmittel auszutauschen und eine Lautsprecheranlage in der Turnhalle zu installieren. Indessen erfüllen auch diese Arbeiten noch die Anforderungen des § 650a BGB. § 650a BGB erfasst nicht nur Verträge, bei denen die vom Unternehmer geschuldete Leistung das Gesamtvorhaben (Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder Umbau sowie Instandhaltung eines Bauwerks) betrifft, sondern auch solche Einzelverträge über Teilarbeiten bei denen eine substanzielle Mitwirkung am Gesamtvorhaben des § 650a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 BGB zu bejahen ist (Retzlaff in Grüneberg, BGB, § 650a Rn. 5; Voit in BeckOK BGB, § 650a Rn. 5). Vorliegend geht es um objektbezogene Sanierungsmaßnahmen, mit denen eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik erreicht werden soll und die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Turnhalle von wesentlicher Bedeutung sind. Eine gemeindliche Turnhalle ist auf die gleichzeitige Benutzung durch eine erhebliche Anzahl an Personen ausgerichtetFür eine sichere Nutzung zu diesem Zweck bedarf es eines Blitzschutzes mit Brandmeldeanlage, funktionsfähiger Schalter sowie einer Notlichtanlage. Da ferner eine gemeindliche Turnhalle üblicherweise auch für größere (Sport-) Veranstaltungen nutzbar sein soll, ist auch eine Lautsprecheranlage für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich.

30
cc) Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage – auch – vertragliche Ansprüche geltend.

31
Der Kläger führt in der Klageschrift (S. 14, Bl. 15 d. A.) aus, er habe einen Anspruch aufgrund einer Pflichtverletzung der Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Die Beklagte sei im Rahmen des Vertragsverhältnisses verpflichtet gewesen, einen sicheren Auf- und Abstieg zum Dachboden zur Durchführung der Arbeiten zu gewährleisten. Die Beklagte habe Verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie die Nottreppe auf den Dachboden für den Zugang durch Handwerker und für den Materialtransport eröffnet habe. Dies habe eine Überlastung der Treppe bedingt. Die dadurch entstandene Gefahr sei sowohl für die Beklagte als auch für den von ihr beauftragten Architekten von vornherein erkennbar gewesen. Ausgehend hiervon könnten dem Kläger gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB zustehen.

32
dd) Die vom Kläger geltend gemachten vertraglichen Ansprüche sind solche „aus Bauvertrag’ im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a.F.

33
(1) In der Rechtsprechung ist soweit ersichtlich bislang nicht geklärt, ob vertragliche Ansprüche aus der Verletzung einer Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, die vom Unternehmer zu benutzenden Zugangsvorrichtungen verkehrssicher bereitzustellen und verkehrssicher zu halten, als Ansprüche aus Bauvertrag nach § 119a Satz I Nr. 2 GVG a. F. zu qualifizieren sind.

34
Soweit – zu § 72a Satz 1 Nr. 2 GVG – Entscheidungen ergangen sind, betrafen diese jeweils abweichende Sachverhalte. So entschied das Kammergericht, dass deliktische Ansprüche jedenfalls dann nicht von der Zuständigkeitsregelung umfasst seien, wenn daneben keine vertraglichen Ansprüche bestünden (KG, Beschluss vom 23. Juli 2018, 2 AR 32/18, NJW-RR 2018, 1405 Rn. 6; zustimmend Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, § 72a GVG Rz. 12). Ferner ist nach Ansicht des Kammergerichts ein Anspruch aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht unter § 72a Satz 1 Nr. 2 GVG zu subsumieren, wenn der Anspruch seine Grundlage allein im Vergaberecht habe, während die Besonderheiten des Bauvertrags für die Entstehung ohne Bedeutung seien (KG, Beschluss vom 18. Juni 2019, 2 AR 22/19, BeckRS 2019, 12700; zustimmend Pabst, a. a. O. Rn. 14; bezüglich § 348 ZPO: Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 348 Rz. 55). Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied (Beschluss vom 14. August 2019, 11 SV 34/19, juris Rn. 11), es neige dazu, vorvertragliche Ansprüche von der Zuständigkeitsbestimmung des § 72a Satz 1 Nr. 1 GVG umfasst zu sehen, soweit gerade hiermit Rechte und Pflichten bezogen auf Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten geltend gemacht würden. Noch weitergehend führt das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 1. November 2021, 1 AR 41/21, juris Rn. 15) aus, wenn Ansprüche der Klagepartei auf Bauverträgen beruhten, sei es für die Zuständigkeitsfrage ohne Belang, aus welchen Rechtsgrundlagen konkret sich die Ansprüche der Klagepartei ergäben. Das für die Entscheidung berufene Gericht habe den Sachverhalt nach sämtlichen Rechtsgründen zu beurteilen, unabhängig davon, ob sich diese etwa aus dem Vertrag selbst, aus dessen Schlechterfüllung, der Verletzung von vertraglichen Pflichten oder Nebenpflichten, aus den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung oder aus Delikt (streitig) ergäben. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock (Beschluss vom 17. Mai 2021, 2 UH 1/21, juris Rn. 4) soll § 72a Satz 1 Nr. 2 GVG nicht einschlägig sein, wenn es nur um die Wirksamkeit einer Vertragsklausel über ein Wettbewerbsverbot gehe, auch wenn diese Klausel in einem Bauvertrag enthalten sei.

35
(2) Nach Ansicht des Senats ist jedenfalls im vorliegenden Fall § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. einschlägig.

36
Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Regelung. Der Schadensersatzanspruch aus § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB stützt sich auf eine Verletzung vertraglicher Pflichten. Die in § 241 Abs. 2 BGB normierten Schutzpflichten decken sich nach Inhalt und Umfang häufig mit den deliktischen Verkehrssicherungspflichten. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Schutzpflichten gerade aus der vertraglichen Verbundenheit der Parteien ergeben und im Umfang vom zugrundeliegenden Schuldverhältnis abhängen. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof betont, Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses stellten zugleich Vertragspflichten dar (BGH, Urt. v. 14. März 2013, III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 25).

37
Auch der Zweck der Zuständigkeitsregelung spricht für die Anwendbarkeit des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. Die Einrichtung spezialisierter Spruchkörper soll sicherstellen, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit der fraglichen Materie eintritt, in den Spruchkörpern Spezialwissen aufgebaut wird und dies zu einer Qualitätssteigerung in der Bearbeitung führt (vgl. zu § 72a GVG BT-Drs. 18/11437 S. 44 f.). Für die Entscheidung von Fällen wie dem vorliegenden ist baurechtliches Spezialwissen von erheblicher Bedeutung. Es kommt darauf an, welchen Umfang und Inhalt Verkehrssicherungspflichten haben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erbringung der geschuldeten Bauleistung stehen. Es geht um die Frage, welche Risiken sich gerade bei der Durchführung der vertraglichen Bauleistung ergeben konnten, in welchem Ausmaß diese Gefahren für die Auftraggeberin vorhersehbar waren und inwieweit sie Vorbeugemaßnahmen ergreifen konnte und musste. Zudem stellt sich die Frage nach dem Kenntnisstand und Pflichtenkreis des von der Beklagten beauftragten Architekten und der Zurechnung eines Verschuldens des Architekten nach § 278 BGB an die Beklagte. Derartige Fragen können mit dem Spezialwissen eines Bausenats qualitativ besser und effektiver beurteilt werden als von einem allgemeinen Zivilsenat.

38
(3) Der Senat verkennt nicht, dass vorliegend auch deliktische Ansprüche etwa aus § 823 Abs. I BGB in Betracht kommen. Dies ändert aber nichts an der Einschlägigkeit des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F.

39
Ob Rechtsstreitigkeiten, in denen keine vertraglichen, sondern nur deliktische Ansprüche inmitten stehen, unter § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. zu subsumieren sind, kann dahingestellt bleiben. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

40
Die Argumentation des Vorsitzenden des 28. Zivilsenats, der Schwerpunkt des Verfahrens liege im deliktischen Bereich, der Bausenat sei daher nicht zuständig, greift nicht durch, Unzutreffend ist bereits die Prämisse, der Schwerpunkt liege im deliktischen Bereich. Wie ausgeführt, macht der Kläger auch vertragliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Diese sind vorrangig vor den deliktischen Ansprüchen zu prüfenInsbesondere trägt der Kläger vor, der Architekt habe schuldhaft Pflichten verletzt. Hierfür hafte die Beklagte. Insoweit wäre eine Zurechnung über § 278 BGB für den Kläger deutlich günstiger als die im Deliktsrecht denkbare Haftung der Beklagten aus § 831 BGB.

41
Zudem kommt es für die gesetzlich geregelte Zuständigkeit eines spezialisierten Spruchkörpers im Verhältnis zu einem nur im Turnus zuständigen allgemeinen Spruchkörper nicht darauf an, Ob sich der Rechtsstreit im Schwerpunkt auf eine der gesetzlich definierten Spezialzuständigkeiten bezieht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 33 ff.). Weder der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Gesetzentwurf zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung (BT-Drs, 18/11437) noch der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 19/13898) lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen dass die spezialisierten Spruchkörper nur zuständig sind, wenn der Schwerpunkt des Rechtsstreits auf einem der gesetzlich definierten Sachgebiete liegt. Zu § 72a GVG wird vielmehr ausgeführt, dass die Spezialkammern „in den gesetzlich definierten Sachgebieten an die Stelle der nach den §§ 71, 72 GVG sachlich zuständigen allgemeinen Zivilkammern“ treten (BT-Drs. 18/11437 S. 45). Eine teleologische Reduktion ist nicht möglich (ausführlich BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 40 ff.).

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(4) Unbehelflich ist das Argument des 28. Zivilsenats, der behauptete Zusammenhang mit einer Bausache sei „eher zufällig“. Wie ausgeführt, macht der Kläger auch vertragliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag geltend. Von einem nur „zufälligen“ Zusammenhang kann mithin nicht die Rede sein.

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(5) Der Zuweisung an den nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts München für Streitigkeiten im Sinne von § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. zuständigen Zivilsenat steht ferner nicht entgegen. dass das Verfahren bereits zwei Jahre beim 8. Zivilsenat anhängig ist und die Zuweisung an einen anderen Senat absehbar eine weitere Verfahrensverzögerung bedingt. Vorliegend geht es um die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. I Satz 2 GG. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn die gesetzlich bestimmte Zuständigkeit eines Senats nach § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. sich umgehen ließe, indem ein unzuständiger Senat das bei ihm anhängige Verfahren über einen längeren Zeitraum nicht bearbeitete. Eine zuständigkeitsbegründende Wirkung allein der Verfahrensdauer lässt sich der gesetzlichen Regelung in § 119a Satz I GVG a, F. nicht entnehmen. Noch weniger können bloße Zweckmäßigkeitserwägungen im Einzelfall dazu führen, die gesetzlich geregelte Zuständigkeit des Spezialspruchkörpers zu verneinen (BayObLG, Beschluss vom 154 September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 44).

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Zutreffend weist der 28. Zivilsenat allerdings darauf hin, dass die Parteien einen – verfassungsrechtlich gewährleisteten – Anspruch auf eine angemessen zügige Bearbeitung des Verfahrens auch in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten haben. Aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG ergibt sich die Pflicht der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009, BvR 2662/06, NJW-RR 2010, 207 Rn. 20; Beschluss vom 16. Mai 1995, 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1 113, juris Rn, 281 Beschl. 16. Dezember 1980, 2 BvR 419/80, BVerfGE 55, 349 [369, juris Rn. 42]). Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist dabei nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls zu bestimmen, allgemeingültige Zeitvorgaben gibt es nicht (BVerfG NJW-RR 2010, 207 Rn. 20; BVerfGE 55, 349 [369, juris Rn. 42]). Sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, muss das Gericht hierfür zwangsläufig eine Reihenfolge festlegen (BVerfG NJW-RR 2010, 207 Rn. 20; BVerfGE 55, 349 [369, juris Rn. 421). Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache für die Parteien (BVerfG NJW-RR 2010, 207 Rn. 20).

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Gemessen an diesen Grundsätzen ist vorliegend auch bei einer Zuweisung an einen anderen Senat kein verfassungsrechtlich relevanter Verstoß gegen den Anspruch der Parteien auf eine angemessen zügige Bearbeitung zu befürchten, Die bisherige Bearbeitungsdauer des seit Juli 2016 anhängigen Verfahrens ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass das Landgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und mehrere Zeugen vernommen hat. Andererseits hat der 8. Senat auf die erhebliche Arbeitsbelastung infolge der Vielzahl an Dieselverfahren und die dadurch bedingte Verzögerung in der Bearbeitung des Berufungsverfahrens verwiesen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass allein die durch die Zuweisung an einen anderen Senat absehbar zu erwartende weitere Verzögerung im Verhältnis zur Gesamtdauer des Verfahrens von untergeordneter Bedeutung erscheint. Zum einen hat der 8. Senat noch keine prozessualen Maßnahmen getroffen, die einer Wiederholung durch den Spezialspruchkörper bedürften. Zum anderen ist gerade von einem Spezialspruchkörper aufgrund des dort vorhandenen Spezialwissens eine beschleunigte Bearbeitung des Verfahrens zu erwarten Keiner Entscheidung bedarf daher, ob die Gefahr einer relevanten erheblichen Verfahrensverzögerung, wie etwa die Notwendigkeit, eine umfangreiche Beweisaufnahme zu wiederholen, die Zuweisung des Verfahrens an den gesetzlich bestimmten Spruchkörper überhaupt zu hindern vermöchte.

Kurz belichtet: Architekt muss prüfen, ob der Tragwerksplaner die Bewehrungsarbeiten überwacht

Kurz belichtet: Architekt muss prüfen, ob der Tragwerksplaner die Bewehrungsarbeiten überwacht

von Thomas Ax

Der Architekt ist im Rahmen der geschuldeten Baukoordination über die zeitlich und fachliche Abstimmung der Gewerke in ökonomischer Hinsicht hinaus verpflichtet, nachzuprüfen, ob der Fachplaner seinen Pflichten zur Bauüberwachung nachkommt bzw. nachgekommen ist, und gegebenenfalls auch, die entsprechenden Maßnahmen zu veranlassen. Insbesondere in sensiblen Bereichen hat der Architekt die Bauabläufe so zu koordinieren, dass die dort tätigen Handwerker durch Sonderfachleute überwacht werden und die handwerkliche Leistung in technischer Hinsicht überprüft wird. Bei der Bewehrung handelt es sich allgemein um eine schwierige bzw. gefährliche Arbeit. Der Auftragnehmer muss Planung und Ausführung daraufhin überprüfen, ob seine Leistung zum geschuldeten Werkerfolg führt; erkennt er bzw. ist es für ihn erkennbar, dass die Planung des Auftraggebers unzureichend ist, muss er diesen darauf hinweisen. Die Prüf- und Hinweispflichten gebieten es in der Regel nicht, dass der Auftragnehmer die seiner Werkleistung nachfolgenden Arbeiten beobachtet und den Auftraggeber auf zu erwartende bzw. bereits aufgetretene Mängel aufmerksam macht. Der Auftragnehmer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Nachunternehmer oder der in Eigenleistung tätig werdende Auftraggeber selbst die erforderlichen Kenntnisse besitzen und die anerkannten Regeln der Bautechnik einhalten.

OLG Oldenburg, Urteil vom 24.03.2022 – 14 U 50/17

Kurz belichtet: Werklohn wird teilweise “schwarz” bezahlt: Besteller verliert sämtliche Mängelansprüche

Kurz belichtet: Werklohn wird teilweise "schwarz" bezahlt: Besteller verliert sämtliche Mängelansprüche

von Thomas Ax

Die Verletzung steuerlicher Pflichten ist eine Form der Schwarzarbeit und führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des geschlossenen Werk- oder Bauvertrags, wenn der Unternehmer vorsätzlich handelt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Mängelansprüche des Bestellers bestehen in diesem Fall grundsätzlich nicht (Anschluss an BGH, IBR 2013, 609). Ein Werk- oder Bauvertrag ist insbesondere im Fall der Entlohnung eines selbstständigen Handwerkers durch den Besteller ohne Rechnungsstellung wegen Schwarzarbeit nichtig, da dieses Vorgehen einen Verstoß des Unternehmers gegen seine steuerrechtliche Erklärungs-, Anmeldungs- und Rechnungsstellungspflicht begründet. Letztere gilt auch für Abschlagszahlungen. An dem Umstand, dass eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führt, ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn sich die Absicht einer Verletzung steuerlicher Verpflichtungen lediglich auf einen Teil des Werklohns bezieht.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2021 – 2 U 63/20

Kurz belichtet: Wer in Flughafennähe baut, muss mit Kerosin-Belastung rechnen

Kurz belichtet: Wer in Flughafennähe baut, muss mit Kerosin-Belastung rechnen

von Thomas Ax

Haben die Parteien eines Bauvertrags eine Vergilbungsfestigkeit für die Dauer von 10 Jahren vereinbart, muss diese Beschaffenheit gerade auch bei einer vertragsgemäßen Nutzung des Werks durch den Auftraggeber eingehalten werden. Setzt der Auftraggeber das vom Auftragnehmer errichtete Werk Belastungen aus, mit denen der Auftragnehmer bei Abschluss des Vertrags nicht zu rechnen brauchte, und führen diese Belastungen zu Vergilbungen, Verfärbungen oder Versprödungen, stehen dem Auftraggeber keine Mängelrechte zu. Hat der Auftragnehmer die in der Nähe eines Flughafens liegende Baustelle vor Vertragsschluss besichtigt, kann er gegenüber den Mängelansprüchen des Auftraggebers nicht einwenden, seine Leistung sei durch Kerosinbestandteile in der Luft geschädigt worden.

OLG Stuttgart, Urteil vom 28.01.2020 – 10 U 47/19

VergMan ® – Planungs- und Bauprojekte (2) – Schätzung des Auftragswerts

VergMan ® - Planungs- und Bauprojekte (2) - Schätzung des Auftragswerts

Schätzung des Auftragswerts
Um Vergabeverfahren korrekt durchführen zu können, muss der öffentliche Auftraggeber im Vorfeld den Wert des zu vergebenden Auftrags ermitteln. Anhand des geschätzten Auftragswerts entscheidet sich, ob ein europaweites Vergabeverfahren durchzuführen ist oder nicht. Erreicht bzw. überschreitet der Auftragswert den Schwellenwert, ist die VgV anzuwenden und der Auftrag europaweit auszuschreiben. Der Schwellenwert für Planungsleistungen beträgt seit dem 01.01.2021 215.000 Euro (netto), bei Aufträgen von obersten und oberen Bundesbehörden 140.000 Euro (netto).

Beinhaltete Kosten
Der Auftragswert umfasst insbesondere folgende Kosten (ohne Mehrwertsteuer) (§ 3 Abs. 1 VgV):
— geschätztes Gesamthonorar für die zu vergebende Planungsleistung (einschließlich des Auftrags vorausgegangener und nachfolgender Aufträge, wie Machbarkeitsstudie, isolierte Beauftragung der Bauüberwachung etc.)
— Nebenkosten, die in § 14 HOAI (2021) näher definiert sind (z.B. Versandkosten, bestimmte Fahrtkosten)
— etwaige Optionen (z.B. Stufenbeauftragung oder besondere Leistungen)
— bei Planungswettbewerben auch: Prämien oder Zahlungen an die Teilnehmer (Preisgelder, Bearbeitungshonorar etc.)

HOAI (2021) als Berechnungsgrundlage
Am 01.01.2021 ist eine neue HOAI in Kraft getreten, die die bisherige HOAI 2013 ablöst. Anlass und Grund für die Änderung der HOAI war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 04.07.2019 (C-377/17), wonach die bisherige Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze gegen Europarecht verstößt. Mit dieser Feststellung war die Bundesregierung verpflichtet, die HOAI anzupassen. Dafür mussten nicht nur die HOAI selbst, sondern auch das ihr zugrunde liegende Ingenieur- und Architektenleistungsgesetz (ArchLG) geändert werden.

Nach der neuen HOAI (2021) können für die Ermittlung des Auftragswertes für Planungsleistungen weiterhin die (unveränderten) Berechnungsparameter und Honorartabellen der HOAI als Orientierungsgrundlage herangezogen werden. Honorarbestandteile, die nicht in den Honorartabellen der HOAI enthalten sind (besondere Leistungen, Nebenkosten etc.), sind auf Grundlage von Erfahrungswerten zu schätzen.

Der EuGH hat in seinem Urteil entschieden, dass eine verbindliche Festschreibung von Mindest- und Höchstsätzen durch den Gesetzgeber gegen EU-Recht verstößt, dass Mindestsätze nach Auffassung des Gerichts aber grundsätzlich geeignet sein können, die Qualität von Planungsleistungen in Deutschland zu sichern. Die weitere Geltung und Anwendung der HOAI als unverbindliche Honorarempfehlung und Orientierung lässt der EuGH insoweit ausdrücklich zu. Sie kann daher weiterhin zur Ermittlung des Auftragswertes dienen, zumal § 1 Satz 2 ArchLG vorsieht, dass bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Ermittlung angemessener Honorare den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen ist.

Getrennte Ermittlung ungleichartiger Tätigkeitsbereiche
In der VgV ist klargestellt, dass bei Planungsleistungen nur gleichartige Leistungen zusammenzurechnen sind (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgV). 3 Das heißt, mindestens Einzelaufträge einer Objektplanung (zum Beispiel die getrennte Vergabe der Leistungsphasen 1 bis 5 und der Leistungsphasen 6 bis 9) sind zu addieren, aus unserer Sicht im Zweifel auch die verschiedenen Fachplanungen (Tragwerksplanung, technische Ausrüstung) zu einem Bauprojekt.

Dokumentationspflicht
Ein Verstoß gegen die Regelung zur Schätzung des Auftragswerts kann zur Überprüfung der Vergabe im Wege des vergaberechtlichen Rechtsschutzes und bei geförderten Maßnahmen zur (teilweisen) Rückforderung von Zuwendungen führen. Daher muss der Auftraggeber den Auftragswert gewissenhaft und sachgerecht ermitteln. Die Schätzung ist objektiv nachvollziehbar und anhand der maßgeblichen Vorschriften vorzunehmen und zu dokumentieren.

VergMan ® – Planungs- und Bauprojekte (1) – Solide Projekt- und Verfahrensvorbereitung

VergMan ® - Planungs- und Bauprojekte (1) - Solide Projekt- und Verfahrensvorbereitung

Solide Projekt- und Verfahrensvorbereitung

Eine sorgfältige, umfassende und mit allen Beteiligten gut abgestimmte Projektvorbereitung ist die Grundvoraussetzung für das Gelingen eines Planungs- und Bauprojekts. Ziel ist, ein inhaltlich belastbares Konzept für das Bauvorhaben zu entwickeln. Bereits im Vergabeverfahren ist die gute Projektvorbereitung wesentliche Voraussetzung für eine zielgenaue Angebotserstellung durch Architekten.

Werden die Vorgaben des Auftraggebers im Vorfeld der Planung nicht genau ermittelt, sind Fehlplanungen vorprogrammiert, die später nur unter Aufwendung hoher Planungs und Baukosten revidiert werden können. Eine sorgfältige Projektvorbereitung mit dem entsprechenden Einsatz an Kompetenzen, Finanzen und Zeit sichert also Qualität und Wirtschaftlichkeit der Planung, der Investition und auch der späteren Nutzung. Entsprechend hat sich bewährt, die Bauaufgabe vor Vergabe der Planungsleistungen detailliert zu klären und präzise zu formulieren. Zentral ist in dieser Phase (auch als „Phase Null“ bezeichnet) das Festlegen der Ziele und Anforderungen, die das Projekt erfüllen muss (Bedarfsanalyse). Weiterhin sind der Bestand und die Anforderungen an den Standort zu erfassen.

Mit einer städtebaulichen Machbarkeitsstudie bzw. Baumassenstudie (Testentwurf) lässt sich überprüfen, ob das Vorhaben am vorgesehenen Ort technisch, funktional, städtebaulich, wirtschaftlich und rechtlich realisierbar ist. Auf Basis dieser Ergebnisse kann fachübergreifend und möglichst unter Einbeziehung aller Beteiligten (künftige Nutzer, Bürger, Politik und Verwaltung) die konkrete Aufgabenstellung für das Vergabeverfahren formuliert werden.

Das Vergabeverfahren ist darauf aufbauend vorzubereiten.

Feuerwehr: Beschaffung von Fahrzeugen: Merkmale, die sich aus Einsatzerfordernissen und/ oder zwingenden Funktionalitätsanforderungen ergeben, sind keine unzulässige produktbezogene Leistungsbeschreibung

Feuerwehr: Beschaffung von Fahrzeugen: Merkmale, die sich aus Einsatzerfordernissen und/ oder zwingenden Funktionalitätsanforderungen ergeben, sind keine unzulässige produktbezogene Leistungsbeschreibung

von Thomas Ax

Soweit die Feuerwehr bei der Beschaffung des Fahrzeugs die Erfüllung von zwingenden technischen Anforderungen oder bestimmte besondere Merkmale vorschreibt, handelt es sich um Anforderungen oder Merkmale, die sich aus Einsatzerfordernissen und/ oder zwingenden Funktionalitätsanforderungen ergeben und die deshalb von dem Leistungsbestimmungsrecht § 31 VgV gedeckt sich und/ oder keine mittelbare oder unmittelbare unzulässige produktbezogene Leistungsbeschreibung und oder unzulässige Wettbewerbsbeschränkung handelt. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass es bei der Vergabe von Feuerwehrfahrzeugen und deren Aufbau um Leistungen geht, die dem Schutz von hochrangigen Rechtsgütern dienen, so dass hier auch relativ geringfügige Vorteile eines Produkts drastische Einschränkungen des Wettbewerbs rechtfertigen können.

Wettbewerbsbeschränkende Vorgaben sind durch das Leistungsbestimmungsrecht der Vergabestelle gerechtfertigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitgehend frei. Nach welchen sachbezogenen Kriterien die Beschaffungsentscheidung auszurichten ist, ist ihm auch in einem Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben. Dem Auftraggeber steht hierbei ein – letztlich in der Privatautonomie wurzelndes – Beurteilungsermessen zu, dessen Ausübung im Ergebnis nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung sachlich vertretbar ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.03.2010 – Az.: VII-Verg 46/09; B. v. 17.02.2010 – Az.: VII-Verg 42/09). Hintergrund dafür ist, dass das Vergaberecht nicht regelt, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.

Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren (OLG München, Beschluss vom 28.7.2008 – Verg 10/08; Beschluss vom 9.9.2010 – Verg 10/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2010 – VII-Verg 42/09; Beschluss vom 3.3.2010 – VII-Verg 46/09; Beschluss vom 27.6.2012 – VII-Verg 7/12). Aller-dings ist die Definitionsmacht des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes nicht schrankenlos (OLG Düsseldorf, B. v. 22.05.2013 – Az.: VII-Verg 16/12; B. v. 01.08.2012 – Az.: VII-Verg 105/11; B. v. 25.04.2012 – Az.: VII-Verg 7/12; OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 – Az.: 15 Verg 5/13; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 – Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 – Az.: 2 Verg 4/12; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 – Az.: VK 2 – 33/14; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 19.10.2012 – Az.: 2 VK LSA 17/12). Der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand sind im Interesse der von der Richtlinie 2004/18/EG (nunmehr Richtlinie 2014/24/EU) angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb, aber auch der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit wegen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.5.2012 – C-368/10) durch das Vergaberecht Grenzen gesetzt. Sie wird begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 – Az.: 15 Verg 5/13; B. v. 21.07.2010 – Az.: 15 Verg 6/10; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 – Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 – Az.: 2 Verg 4/12). Darüber hinaus sind die Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV zu beachten, der vorschreibt, dass, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, der Auftraggeber in technischen Anforderungen (in einem weit zu verstehenden Sinn) nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte ausgeschlossen oder begünstigt werden.

Wie das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.02.2014, VII-Verg 29-13 ausführte, sind die dem Auftraggeber gesetzten vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des § 8 Abs. 7 EG VOL/A eingehalten, wenn

– die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,

– vom Auftraggeber dafür nach-vollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,

– solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind

– und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert. Bewegt sich die Bestimmung wie im vorliegenden Fall in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt (OLG Düsseldorf, B. v. 12.02.2014 – Az.: VII-Verg 29/13; B. v. 22.05.2013 – Az.: VII-Verg 16/12; OLG Karlsruhe, B. v. 04.12.2013 – Az.: 15 Verg 9/13; B. v. 15.11.2013 – Az.: 15 Verg 5/13; VK Baden-Württemberg, B. v. 24.06.2013 – Az.: 1 VK 15/13; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 – Az.: VK 2 – 33/14).

Zwar verbietet Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU, ein Vergabeverfahren mit der Absicht zu konzipieren, es vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen oder den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt danach aber nur dann als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Zudem lässt Art. 32 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU / § 14 Abs. 6 VgV die Wahl einer Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb wegen nicht vorhandenem Wettbewerb aus technischen Gründen dann zu, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.

Es spricht viel dafür die Anforderungen des Art. 32 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU / § 14 Abs. 6 VgV auch dann heranzuziehen sind, wenn zwar (pro forma) ein offenes Verfahren durchgeführt wird, durch die Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung aber nur ein Bieter ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben kann.

Zu berücksichtigen ist aber, dass es bei der Vergabe von Feuerwehrfahrzeugen und deren Aufbau um Leistungen geht, die dem Schutz von hochrangigen Rechtsgütern dienen, so dass hier auch relativ geringfügige Vorteile eines Produkts drastische Einschränkungen des Wettbewerbs rechtfertigen können.

Dies mag bei anderen Beschaffungen u.U. anders zu beurteilen sein.

Von der Redaktion

Von der Redaktion

Bauprojekte stellen für alle Beteiligten in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar: technisch, praktisch, wirtschaftlich, aber auch juristisch. Durch kompetente baubegleitende Informationsvermittlung sorgen wir dafür, dass Investoren, Architekten, Ingenieure, öffentliche Auftraggeber oder private Bauherren in allen Phasen eines Bauvorhabens den Überblick behalten.

Bereits bei der Schaffung von Baurecht stehen wir Ihnen zur Seite. Liegt der Baugrund im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans? Sind besondere Auflagen zu erfüllen, wie etwa die Einholung eines Bodengutachtens? Entspricht die Baumaßnahme den öffentlichen rechtlichen Vorschriften bzw. der Landesbauordnung? Diese und viele weitere Fragen sollten in der Vorbereitungsphase beantwortet werden.

Bereits vor Beginn eines Bauvorhabens ist die schriftliche Regelung aller wichtigen Details für die Beteiligten von herausragender Bedeutung. Doch schon die Auswahl des richtigen Vertrags stellt die Parteien vor besondere Herausforderungen, denn das Baurecht hält eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Vertragsarten bereit. Die Vermeidung möglicher Konflikte steht dabei im Vordergrund, denn ein möglichst reibungsarmer Verlauf, der wichtige Ressourcen wie Zeit, Geld und letztlich auch die Nerven schont, ist der zentrale Erfolgsfaktor für ein Bauvorhaben. In der Planungsphase folgt unter anderem die Vertragsgestaltung. Neben den klassischen Verträgen (GÜ-, GU-, EP- oder Pauschalpreisvertrag) unterstützen wir individuelle und innovative Vertragsmodelle, in denen funktionale Elemente ebenso Berücksichtigung finden können wie eine detaillierte Leistungsbeschreibung. Daneben werden auch neuere Formate wie etwa GMP- oder Cost plus Fee-Verträge in den Blick genommen. Bauunternehmen, Architekten und Ingenieure vertrauen auf unsere baubegleitende Unterstützung. Wir unterstützen bei der Vertragsgestaltung, der Bewertung von Nachtragsforderungen und der Klärung von Ansprüchen des Bauherrn bei mangelhaften Bauleistungen sowie in Fragen des eigenen Haftungsrisikos.

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Können sich streitende Parteien nicht außergerichtlich einigen, kommt es zur gerichtlichen Auseinandersetzung. Aufgrund der häufig sehr komplexen Sachlage ist auch im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren rund um baurechtliche Fragen das entscheidende KnowHow erforderlich.

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Kurz belichtet – WohnungseigentumsRecht – Entscheidungspraxis

Kurz belichtet – Öffentliches BauRecht - Entscheidungspraxis

Wohnungseigentum

Darf WEG Rechtsanwalt am Sitz ihres Verwalters beauftragen?

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 09.05.2023 – 2-13 T 20/23

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft darf einen Rechtsanwalt am Ort des Sitzes ihres Verwalters beauftragen, insoweit dem Rechtsanwalt entstehende Reisekosten zum Gerichtstermin sind notwendig i.S.v. § 91 ZPO.

Wohnungseigentum

Unwirksamer Umlaufbeschluss ist nicht nichtig, nur anfechtbar

AG Charlottenburg, Urteil vom 10.05.2023 – 75 C 10/23

1Ein Umlaufbeschluss ist gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären.

2. Die Wohnungseigentümer können ausnahmsweise beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.

3. Ein Beschluss, mit dem zur Deckung voraussichtlich anfallender Kosten Vorschüsse festgelegt werden, genügt auch dann noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die Höhe der Beiträge für einzelne Wohnungseigentümer etwa wegen des Ansatzes eines möglicherweise fehlerhaften Verteilungsschlüssels geringfügig höher oder niedriger ausfällt als bei Ansatz eines zutreffenden Verteilungsschlüssels.

4. Auch ohne wirksamen Absenkungsbeschluss ist ein verkündeter mehrheitlicher Sachbeschluss im Umlaufverfahren nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar.

Wohnungseigentum

Eigentümer können selbst Unterlassung von Videoaufzeichnungen durchsetzen

LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 10.05.2023 – 2-13 T 33/23

Auch nach der WEG-Reform können die Eigentümer Ansprüche auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen und damit verbundene Schadensersatzansprüche individuell geltend machen.

Wohnungseigentum

Muss ausgeschiedener Wohnungseigentümers über den Eigentumswechsel aufklären?

AG Wiesbaden, Urteil vom 06.02.2023 – 91 C 1245/22

Jedenfalls dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft den ausgeschiedenen Wohnungseigentümer zur Zahlung nicht mehr geschuldeter Vorschüsse bzw. Nachschüsse zur Kostentragung aufgefordert hat, ist er aufgrund nachwirkender Treuepflichten gehalten, der Wohnungseigentümergemeinschaft den Eigentümerwechsel anzuzeigen. Bei Verletzung dieser Pflicht ist der ausgeschiedene Wohnungseigentümer verpflichtet, der Wohnungseigentümergemeinschaft Schadenersatz für die Kosten eines mit der Beitreibung beauftragten Rechtsanwalts zu leisten.

Wohnungseigentum

Abrechnungsbeschluss über „die Jahresabrechnung“ führt zur Teilnichtigkeit

LG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.05.2023 – 2-13 S 85/22

1. Wird im Abrechnungsbeschluss weiterhin “die Jahresabrechnung” und nicht wie in § 28 Abs. 2 WEG vorgesehen, die Anpassung von Vorschüssen bzw. das Einfordern von Nachschüssen beschlossen, führt dies zwar nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses insgesamt, hat aber die Teilnichtigkeit insoweit zur Folge, als die Beschlussfassung über die Beschlusskompetenzen des § 28 Abs. 2 WEG hinausgeht. Dies kann bei der Kostenentscheidung mit einer Kostenquote von 1/3 zu Lasten der Wohnungseigentümergemeinschaft berücksichtigt werden.

2. Die Teilnichtigkeit hat das Gericht von Amts wegen festzustellen, ohne dass dieser Mangel vom Kläger gerügt werden muss (vgl. BGH, NZM 2023, 288).

Wohnungseigentum

Kein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens

LG München, Beschluss vom 08.11.2022 – 36 S 6500/22 WEG

1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Rechte erwerben, Verbindlichkeiten eingehen und Träger eigenen Vermögens sein. Die Wohnungseigentümer haben keinen Anspruch auf Mitgebrauch des Gemeinschaftsvermögens (hier einer “Rezeption”).

2. Ein Raum des Gebäudes oder eine Freifläche kann zum Gemeinschaftseigentum oder zum Gemeinschaftsvermögen gehören. Erwirbt die Gemeinschaft selbst Grundbesitz (z. B. ein angrenzendes Grundstück als Parkfläche oder eine Sondereigentumseinheit als Hausmeisterwohnung oder einen Sondereigentums-Kellerraum als Lagerraum), ist dieser wie jeder andere Gegenstand des Verwaltungsvermögens zu behandeln. Die Nutzung des Gemeinschaftsvermögens erfolgt durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dies ergibt sich bereits aus ihrer Stellung als Eigentümerin oder Rechteinhaberin, ohne dass es einer besonderen Regelung bedürfte.

Kurz belichtet – Öffentliches BauRecht – Entscheidungspraxis

Kurz belichtet – Öffentliches BauRecht - Entscheidungspraxis

Öffentliches Baurecht

Abstandsflächen eingehalten: Nachbar muss Verschattung hinnehmen!

VGH Bayern, Beschluss vom 09.08.2022 – 15 CS 22.136411.

1. Gewisse Verringerungen des Lichteinfalls bzw. ein Verschattungseffekt als typische Folgen einer Bebauung insbesondere in innergemeindlichen Lagen sind grundsätzlich hinzunehmen.

2. Im Regelfall bedarf es keiner besonderen Ermittlung, Bewertung und Abwägung zur Frage einer planbedingten Verschattung, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften bei Umsetzung des Bebauungsplans eingehalten sind.

3. Auch bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen können im Fall der maximalen Umsetzung eines Bebauungsplans weitere Ermittlungen, Bewertungen und Abwägungserwägungen zur Verschattungsfrage geboten sein, wenn ein bestehender Bebauungsplan geändert werden soll. Das gilt insbesondere, wenn es um Änderungen von Festsetzungen geht, die nachbarschützende Festsetzungen begründen.

4. Ortsrechtliche Festsetzungen begründen – unabhängig davon, ob sie nach dem Willen des Plangebers nachbarschützend sind oder nicht – regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen des Bebauungsplans, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden.

Öffentliches Baurecht

Keine Innenentwicklung im Außenbereich!

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.12.2022 – 8 C 10123/221

1. Gemeinderatsmitglieder, die Angehörige eines Geschäftsführers und Alleingesellschafters einer GmbH sind, welche durch einen Bebauungsplan unmittelbar betroffen ist, sind gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 GemO von der Mitwirkung am Planaufstellungsverfahren ausgeschlossen.

2. Die Aufstellung eines Bebauungsplans der Innenentwicklung (§ 13a BauGB) ist unzulässig, wenn die beplanten Flächen im Außenbereich liegen.

3. Die Festlegung artenschutzrechtlicher Vermeidungsmaßnahmen im Rahmen der FFH-Vorprüfung lässt nicht die Notwendigkeit einer Vollprüfung entfallen, wenn sich die Vermeidungsmaßnahmen allesamt auf für das FFH-Gebiet maßgebliche Lebensraumarten beziehen.

4. Ein im Plangebiet ansässiges Unternehmen hat grundsätzlich Anspruch auf einen Anschluss an das öffentliche Straßennetz, jedoch nicht auf Beibehaltung einer günstigen Erschließungssituation.

Öffentliches Baurecht

Unverbindliche Erweiterungsabsicht ist nicht abwägungsbeachtlich!

BVerwG, Beschluss vom 05.04.2023 – 4 BN 29.22

1Der besonderen Schutzwürdigkeit privilegierter landwirtschaftlicher Betriebe im Außenbereich ist bei der Abwägung gebührend Rechnung zu tragen.

2. Neben dem schutzwürdigen, insbesondere genehmigten oder genehmigungsfähigen Bestand ist zudem das Bedürfnis nach einer künftigen Betriebsausweitung im Rahmen einer normalen Betriebsentwicklung abwägungsbeachtlich, nicht jedoch unklare oder unverbindliche Erweiterungs- oder Modernisierungsabsichten.

Öffentliches Baurecht

Zur Abgrenzung zwischen Studentenkneipe und Studententanzkeller

OVG Bremen, Beschluss vom 30.03.2021 – 1 LA 180/18

1. Zur Abgrenzung zwischen Studentenkneipe (Schank- und Speisewirtschaft) und Studententanzkeller (Vergnügungsstätte, Diskothek).

2. Zur Abgrenzung zwischen Nutzungsänderung und Nutzungsintensivierung bei einem Studententanzkeller (Diskothek).

Öffentliches Baurecht

Umnutzung einer Wohnung zur Prostitutionsstätte?

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.04.2023 – 2 L 90/21

Die Nutzungsänderung einer Wohnung zur Terminwohnung, in der Prostitution betrieben wird, kann in einem faktischen Mischgebiet im Einzelfall bauplanungsrechtlich unzulässig sein, wenn die Terminwohnung im 2. Obergeschoss eines ansonsten zu Wohnzwecken genutzten Mehrfamilienhauses eingerichtet werden soll.*)

Öffentliches Baurecht

Unser Dorf soll schöner werden …

VG Freiburg, Urteil vom 18.04.2023 – 3 K 1796/22

1. Bemühungen einer Gemeinde um Verbesserung der funktionalen Gestaltung der Innenstadt und Erhöhung der Standortqualität stellen besondere städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO dar, die im urbanen Gebiet nach § 6a BauNVO den Ausschluss von Werbeanlagen für Fremdwerbung rechtfertigen können.

2. § 6a Abs. 4 BauNVO enthält über die bestehenden Möglichkeiten zur “Feinsteuerung” nach § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO hinaus zusätzliche Differenzierungsmöglichkeiten.

3. § 6a Abs. 4 Nr. 1 BauNVO schließt – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – die Anwendung von § 1 Abs. 7 Nr. 2 BauNVO nicht aus.

Öffentliches Baurecht

Zur Zulässigkeit einer Grenzgarage im unbeplanten Innenbereich

OVG Saarland, Beschluss vom 27.04.2023 – 2 A 259/22

1Ungeachtet des Umstands, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Grenzgarage im unbeplanten Innenbereich hinsichtlich des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche keine Ermessensentscheidung der Baugenehmigungsbehörde in Betracht kommt, weil nach § 34 Abs. 1 BauGB vor dem Hintergrund der Eigentumsgewährleistung im Art. 14 Abs. 1 GG eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, sind die im § 23 Abs. 5 BauNVO für die Ermessensentscheidung im Plangebiet geltenden materiellen Maßstäbe auch in dem Zusammenhang in den Blick zu nehmen.

2. Demnach sind auch bei der Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB insoweit mögliche städtebaulichen Folgen einer Zulassung der Garage außerhalb der durch faktische Baugrenzen bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen von Bedeutung. Die über die Nichteinhaltung des Umgebungsrahmens hinaus für ein Nichteinfügen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) der Garage zu fordernden spannungsbegründenden Veränderungen der städtebaulichen Situation beziehungsweise eine das Einfügen hindernde Verschlechterung der städtebaulichen Situation können sich insbesondere aus einer negativen Vorbildwirkung ergeben.

3. Nennt die insoweit maßgebliche Entscheidung der Widerspruchsbehörde als Grundlage ihrer Ermessensentscheidung für den Erlass einer Beseitigungsanordnung die materielle Rechtswidrigkeit im Sinne einer fehlenden (nachträglichen) Genehmigungsfähigkeit des Bauwerks und stellt nicht tragend auf eine beabsichtigte Ausräumung einer Nachbarrechtsverletzung ab, kommt es für die rechtliche Überprüfung dieser Entscheidung nicht entscheidend darauf an, ob die Anlage auch die subjektiven Rechte eines Nachbarn verletzt.

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