Ax Vergaberecht

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Vergabekammer ist hinsichtlich ihrer Entscheidungsmöglichkeiten stets an die Rechtsverletzung des Antragstellers gebunden

Vergabekammer ist hinsichtlich ihrer Entscheidungsmöglichkeiten stets an die Rechtsverletzung des Antragstellers gebunden

Die Vergabekammer ist im Nachprüfungsverfahren zwar nicht an die antragstellerseits gestellten Anträge gebunden (§ 168 Abs. 1 Satz 2 GWB). Die damit verbundene Gestaltungsfreiheit der Vergabekammer bezieht sich jedoch allein auf die Entscheidung, wie eine Verletzung der Rechte des Antragstellers und der zugrunde liegenden Interessen verhindert beziehungsweise beseitigt werden kann (vgl. § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB; MünchKomm-Fett, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 168 GWB, Rdnr. 34; Burgi/Dreher-Antweiler, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017, § 168 GWB, Rdnr. 47, m.w.N.). § 168 Abs. 1 GWB ermächtigt die Vergabekammer deshalb nicht zu einer allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. Senat, ZfBR 2009, 292, 294; OLG Frankfurt, ZfBR 2013, 815, 816; OLG München, Beschluss vom 10. Dezember 2009 – Verg 16/09 -, BeckRS 2010, 2617; MünchKomm-Fett, a.a.O., m.w.N.; BeckOK Gabriel/Mertens/Prieß/Stein-Prell, Vergaberecht, 23. Edition, Stand: 31. Januar 2022, § 168 GWB, Rdnr. 39; Reidt/Stickler/Glahs- Reidt, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 168 GWB, Rdnr. 18; Burgi/Dreher-Antweiler, a.a.O., m.w.N.). Die Vergabekammer ist hinsichtlich ihrer Entscheidungsmöglichkeiten vielmehr – wie sich § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB entnehmen lässt – stets an die Rechtsverletzung des Antragstellers gebunden (vgl. MünchKomm-Fett, a.a.O.; Immenga/Mestmäcker-Dreher, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2021, § 168 GWB, Rdnr. 21; Reidt/Stickler/Glahs-Reidt, a.a.O., Rdnr. 15; Burgi/Dreher-Antweiler, a.a.O., m.w.N.).

Sie ist hingegen nicht befugt, unabhängig von einer Rechtsverletzung des Antragstellers auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken (vgl. MünchKomm-Fett, a.a.O., Rdnr. 21, m.w.N.; Ziekow/Völlink-Steck, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 168 GWB, Rdnr. 9; Burgi/Dreher-Antweiler, a.a.O., m.w.N.).

Im Hinblick darauf darf die Vergabekammer nur über solche Verstöße entscheiden, die den Antragsteller belasten (vgl. Burgi/Dreher-Antweiler, a.a.O.). Stellt die Vergabekammer hingegen eine Verletzung von Rechten anderer Bieter fest, darf sie diese mithin nicht zum Anlass nehmen, Maßnahmen zu treffen (vgl. MünchKomm-Fett, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 168 GWB, Rdnr. 34; BeckOK Gabriel/Mertens/Prieß/Stein-Prell, Vergaberecht, 23. Edition, Stand: 31. Januar 2022, § 168 GWB, Rdnr. 39; Reidt/Stickler/Glahs-Reidt, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 168 GWB, Rdnr. 18; Burgi/Dreher-Antweiler, a.a.O., m.w.N.).

Vertragsprüfung im Vergabeverfahren 2023 – Erscheinungsdatum 15.04.2023 im AxVerlag – Vorbestellungen ab sofort möglich

Vertragsprüfung im Vergabeverfahren 2023

Erscheinungsdatum 15.04.2023 im AxVerlag - Vorbestellungen ab sofort möglich

Handbuch von Thomas Ax
805 Seiten – 249,90 Euro netto

Zum Inhalt:

Vertragsprüfung im Vergabeverfahren

Ausgehend von den rechtlichen Rahmenbedingungen der Vergabe- und Vertragspraxis werden typische vertrags- und vergaberechtliche Konstellationen dargestellt und unter Berücksichtigung der aktuellen Spruchpraxis der Nachprüfungseinrichtungen gelöst. Beschrieben werden Rahmenbedingungen für eine ökonomischere und qualitativ verbesserte Ausschreibungsvorbereitung sowie Vertragsgestaltung. Dargestellt werden praktische Handlungsempfehlungen rund um die Vertragsgestaltung, die Vertragsdurchführung und zum Ausschreibungsprozess.

Präzise und klar verständliche Regelungen, interessengerechte und dennoch ausgewogene Verträge sind gefragt.

Mit der Ermittlung der Bedarfe stellt sich regelmäßig die Frage nach einer sinnvollen Strukturierung und Beschreibung der zu beschaffenden Leistungen.

Auch wenn entsprechende marktsichtende und marktbeobachtende Tätigkeiten durchgeführt wurden, so sind die jeweiligen Bedarfe entsprechenden Leistungsgegenständen zuzuordnen und mittels einer Vertragstypologie einzuordnen. Hintergrund hierbei ist es, Klarheit über die Leistungsgegenstände zu erhalten, begleitende Leistungen zu identifizieren und insbesondere die Grundlagen für eine mögliche Losbildung zu schaffen.

Wesentlich für die Leistungssicherung ist zudem die richtige vertragsrechtliche Absicherung der anschließend beauftragten Leistungen. Grundsätzlich kann bei den Leistungsgegenständen oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte zwischen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterschieden werden.

Vorhandene Bedarfe müssen nach der Bedarfsstrukturierung – zur Vorbereitung der Auswahl eines oder mehrerer Verträge – vertragstypologisch eingeordnet werden. Zu den gebräuchlichsten Vertragsarten gehören Kaufvertrag, Dienstvertrag, Werkvertrag, Mietvertrag.

Die einzelnen Vertragstypen werden definiert und die Umsetzung in einem sachgerechten Vergabeverfahren beschrieben:

Lieferaufträge, also Verträge nach § 103 Abs. 2 GWB, die sich mit der Beschaffung von Waren wie Kauf, Ratenkauf oder Leasing sowie mit Mietverhältnissen und Pachtverhältnissen mit und ohne Kaufoption befassen. In den Verträgen können auch Nebenleistungen geregelt sein. Lieferaufträge haben Waren im Sinne körperlicher Gegenstände mit Geldwert zum Inhalt. Der Begriff Lieferauftrag umfasst auch nichtkörperliche Gegenstände wie Strom oder Gas. Immobilien fallen jedoch nicht unter den Warenbegriff und sind darum auch nicht Gegenstand eines Lieferauftrags.

Bauaufträge, also Verträge, die entweder nur die Ausführung oder zusätzlich auch die Planung von Bauleistungen und Bauwerken umfassen. Bauleistungen sind dabei im Sinne von § 103 Abs. 3 Nr. 1 GWB zu verstehen. Bei den Bauwerken beschränken sich Bauaufträge auf Bauwerke für öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber, die Tief- oder Hochbauarbeiten zugeordnet werden können und eine wirtschaftliche oder technische Funktion haben sollen. Ein Vertrag ist nach § 103 Abs. 3 GWB ebenfalls als Bauauftrag einzuordnen, wenn ein Dritter eine der geforderten Bauleistungen erbringt.

Dienstleistungsaufträge, also Verträge, bei denen Leistungen erbracht werden, die weder zu Lieferaufträgen noch zu Bauaufträgen passen. Zu Dienstleistungsaufträgen gehören beispielsweise Gebäudeservice oder Reinigungsarbeiten. Wenn ein öffentlicher Auftrag sowohl eine Warenlieferung als auch eine Beschaffung von Dienstleistungen beinhaltet, ist dies ein Sonderfall, bei dem der höhere Wert der Leistung über die Auftragsart entscheidet. Wenn beispielsweise die Implementierung einer Software einen höheren Wert aufweist als deren Beschaffung, so wird die Vergabe als Dienstleistungsauftrag eingestuft.

Rahmenvereinbarungen als öffentliche Aufträge, die der Auftraggeber an andere Unternehmer vergeben kann, um Bedingungen für Einzelverträge zu definieren, die in einem bestimmten Zeitraum vergeben werden können.

Wettbewerbe nach § 103 Abs. 6 GWB also Auslobungsverfahren, die dem öffentlichen Auftraggeber oder der öffentlichen Auftraggeberin einen Plan oder eine Planung verschaffen sollen, deren Auswahl nach vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht vorgenommen wird: Städtebau, Stadtplanung, Stadtentwicklung; Landschaftsplanung und Freiraumplanung; Planung von Gebäuden und Innenräumen; Planung von Ingenieurbauwerken und Verkehrsanlagen; technische Fachplanungen; Kunst und Design.

Vorgestellt werden Vertragsgestaltung und Vertragsprüfung sowohl für spezialisierte Einzelbeschaffungen, für komplexe Individualverträge (wie z. B. Verkehrsverträge, Konzessionsverträge, Projektsteuerungsverträge, Generalplanerverträge) als auch in Form von standardisierten Vertragsmustern für eine Vielzahl von Liefer- oder Dienstleistungen, aber auch Bauleistungen.

Gezeigt wird, wie im Rahmen von Vergabeverfahren die erforderlichen Verträge als wichtiger Bestandteil der Vergabeunterlagen interessengerecht und sicher gestaltet werden können.

Betrachtet werden ganz unterschiedliche Vertragstypen (zum Beispiel Betriebsvertrag, Leasingvertrag) sowie gemischte Vertragstypen (zum Beispiel Servicevertrag mit Elementen eines Kaufs, einer Dienstleistung sowie einer Werkleistung). Anhand verschiedener Praxisfälle wird ein Problembewusstsein für typische vergaberechtliche Fallstricke geschaffen und somit eine ökonomischere und qualitativ verbesserte Ausschreibungsvorbereitung erreicht.

Behandelt werden:

– Allgemeines Vertragsrecht (Zustandekommen, sinnvoller Vertragsaufbau, Grundsätze der Vertragsgestaltung, Rechts- und Regelungsfallen, Haftungsbegrenzung/ -ausschluss etc.)

– Abgrenzung verschiedener Vertragstypen (Einzel-/ Rahmenverträge; Kauf-/ Werk-/ Dienstleistungsverträge)

– Einkauf/ Beschaffung (Einkaufsbedingungen, Typische Fallstricke in Verträgen, Lieferantenhaftung, Schadenersatz, Vertragsstrafen etc.)

uvm.

Zulässigkeit der TU- oder GU-Vergabe?

Zulässigkeit der TU- oder GU-Vergabe?

von Thomas Ax

Begriffsbestimmung Totalunternehmer / Unternehmereinsatzformen

≡ Generalunternehmer
≡ „Hauptunternehmer, der sämtliche für die Herstellung eines Bauwerks erforderlichen Bauleistungen zu erbringen hat und wesentliche Teile hiervon selbst ausführt“
≡ Planungsleistungen idR erst ab LP 5 HOAI

≡ Generalübernehmer
≡ „Hauptunternehmer, der sämtliche für die Herstellung eines Bauwerks erforderlichen Bauleistungen zu erbringen hat, jedoch keine Teile hiervon
selbst ausführt“

≡ Totalunternehmer
≡ „Hauptunternehmer, der sämtliche für die Herstellung eines Bauwerks erforderlichen Planungs- und Bauleistungen zu erbringen hat und wesentliche Teile hiervon selbst ausführt“
≡ Planungsleistungen idR ab LP 1/2 HOAI

≡ Totalübernehmer
≡ „Hauptunternehmer, der sämtliche für die Herstellung eines Bauwerks erforderlichen Planungs- und Bauleistungen zu erbringen hat, jedoch keine Teile hiervon selbst ausführt“

Vergabe freiberuflicher Leistungen nach neuem Landesrecht in RhPf

Vergabe freiberuflicher Leistungen nach neuem Landesrecht in RhPf

vorgestellt von Thomas Ax

Angenommen, der EU-Auftragswert von 215 TE ist nicht erreicht:

Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind nach § 50 UVgO grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist. Die Vergabe von freiberuflichen Leistungen ist in § 50 UVgO speziell geregelt. Die Vorschrift greift die Regelung Nummer 2.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 55 der Bundeshaushaltsordnung – ähnliche Regelungen finden sich teils auf Landesebene – auf und stellt klar, dass auch freiberufliche Leistungen grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben sind. Dabei ist ohne Bindung an die übrigen Vorschriften der UVgO so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist. Die Vergabe freiberuflicher Leistungen ist eine Besonderheit. Sie basiert auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen meist über mehrere Jahre hinweg. Sie entspricht eher einer Suche nach Mitarbeiter*innen auf Zeit, denn einer Suche nach externen Dienstleistenden. Auftraggeber*innen sollen das eigentliche Ziel des Verfahrens, nämlich dem Planer oder der Planerin den Auftrag zu erteilen, der oder die die bestmögliche Leistung erwarten lässt, mit vertretbarem Aufwand erreichen. Auftragnehmer*innen sollen sich auch unterhalb der Schwellenwerte einem transparenten Leistungswettbewerb und keinem reinen Preiswettbewerb gegenübersehen. Lt. § 2 UVgO sind auch unterhalb der  Schwelle folgende allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts zu beachten:

• Wettbewerb
• Transparenz
• Gleichbehandlung.

Die Einhaltung dieser Grundsätze kann von Zivilgerichten überprüft werden. Nach § 2 Abs. 1 UVgO sind zudem die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dabei geht es nicht nur um das Gebot der Sparsamkeit, sondern auch um die Wirtschaftlichkeit bei der Beschaffung. D. h., dass keine überzogenen Vergabeverfahren durchzuführen sind, bei denen die Kosten der Vergabe höher sind als der Wert der Vergabe.

Es bedeutet:

Wettbewerb:
Nach § 50 UVgO sind freiberufliche Leistungen „grundsätzlich“ im Wettbewerb zu vergeben und es ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie „dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist“. Was sich der Ordnungsgeber dabei dachte, zeigt die Erläuterung dazu. Hier heißt es: »Dabei ist ohne Bindung an die übrigen Vorschriften der UVgO so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist.« „Ohne Bindung an die übrigen Vorschriften“ bedeutet, dass der Auftraggeber grundsätzlich frei ist, wie er einen Wettbewerb gestaltet. Die übrigen Regelungen, insbesondere zu den Verfahren lt. Unterabschnitt 1 der UVgO oder der Begrenzung des Direktauftrags bis 1.000 € nach § 14 UVgO, sind nicht zwingend einzuhalten, sie können also bei freiberuflichen Leistungen nur als Empfehlung gewertet werden. „Nach den besonderen Umständen möglich“ bedeutet, dass ein vernünftiger und der Aufgabe angepasster Wettbewerb ausreicht. Übliche Architekten- und Ingenieurleistungen sind Aufträge über konzeptionelle Lösungen, sind meist nicht ohne vorherige Verhandlungen zu vergeben oder/und sind vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar. Damit wären sie grundsätzlich dem § 8 Abs. 4 UVgO zuzuordnen und im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Eine Verhandlungsvergabe entspricht dem Verhandlungsverfahren bei Vergaben nach VgV, kann aber deutlich einfacher ausfallen. Nach § 76 Abs. 1 VgV sind Architekten- und Ingenieurleistungen im Leistungswettbewerb zu vergeben. Unterhalb der EU-Schwellenwerte kann nichts anderes gelten. Es soll also kein reiner Preiswettbewerb stattfinden. Das ist dadurch zu erreichen, dass neben quantitativen Kriterien (Preis) auch qualitative Kriterien (Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Erfahrung) herangezogen werden und der Zuschlag nach dem besten Preis-/Leistungsverhältnis erfolgt (§ 43 UVgO). In der Regel wird ein angemessener Wettbewerb sichergestellt, wenn Auftraggeber*innen eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb nach § 8 Abs. 4 UVgO durchführen. Das hier vorgestellte „Suchverfahren“ stellt eine solche Verhandlungsvergabe dar. Bei einem Suchverfahren erfolgt ein Leistungswettbewerb unter fachkundigen, leistungsfähigen und zuverlässigen Bewerber*innen, wobei der Preis keine überragende Bedeutung haben sollte. Bei Leistungen, deren Vergütungen in der HOAI verordnet sind, dienen die Tafelwerte der HOAI22 der Orientierung für angemessene Preise.

Transparenz:
Ein transparentes Verfahren ist ein Verfahren, welches verständlich und objektiv nachvollziehbar ist. Transparenz ist dann gegeben, wenn die Vergabestelle den Bewerber*innen zusammen mit der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten mitteilt, welche Kriterien für ihre Vergabeentscheidung maßgebend sind. Außerdem ist das durchgeführte Vergabeverfahren in einem Vergabevermerk, der alle Phasen beschreibt, zu dokumentieren (§ 6 UVgO). Dieser Vermerk ermöglicht auch jederzeit die Überprüfbarkeit durch Dritte, z. B. von Fördermittelgebern oder Zivilgerichten oder den Nachprüfungsbehörden in den Bundesländern, bei denen diese eingerichtet sind.

Gleichbehandlung:
Der Grundsatz, dass alle Bewerber*innen und Bieter*innen gleich zu behandeln sind, ist bei jedem Verfahrensschritt zu beachten.

Das Landesrecht macht insoweit die weiteren folgenden Vorgaben:

Caterer haben Anspruch auf Preisanpassung

Markterkundung als sinnvolles Instrument

von Thomas Ax

Der Beginn des Ukrainekriegs unterscheidet sich von Fällen, die durch die Rechtsprechung früher entschieden wurden und in denen die Entwicklung vorhersehbar war und auch eine Möglichkeit zur Vorsorge bestand. Der Ukrainekrieg trat plötzlich ein und führte zu strengen wirtschaftlichen Sanktionen, deren Auswirkungen drastisch sind und es keine Möglichkeit gab, diese in Verträgen zu berücksichtigen.

* Die Parteien können grundsätzlich nach § 311 Abs. 1 S. 1 BGB die in dem ursprünglichen Vertrag geregelten Preise durch einen neuen Vertrag bestimmen.
* Eine Vertragspassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage nach 5 313 Abs. 1 BGB kommt nur in Betracht, wenn der Vertrag zwischen dem Kitaträger und Caterer keine PreisänderungskIausel vorsieht.
* Die Folgen des Ukrainekriegs und die wirtschaftlichen Auswirkungen führen grundsätzlich zur Störung der Geschäftsgrundlage. Die Risikoverteilung und Zumutbarkeit am Festhalten des Vertrags hängt jedoch von jeweiligen Einzelumständen ab.
* Als Kriterien der Zumutbarkeit nach § 313 Abs. 1 BGB sind unter anderem die Ursachen der Kostenabweichung, ihre Vorhersehbarkeit, die grundsätzliche Risikoverteilung, die Dauer der Störung und der Prozentsatz der Mehrkosten zu berücksichtigen. Die Grenze zur Unzumutbarkeit ist regelmäßig überschritten, wenn das finanzielle Gesamtergebnis nicht nur den Gewinn aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt.
* Bei der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB ist den berechtigten Interessen beider Parteien zu tragen. Die Anpassung ist danach vorzunehmen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die überraschend nachträglich eingetretenen Umstände (Ukraine-Krieg) bei Vertragsschluss gekannt hätten. Bei der Abwägung sind unter anderem die Nachteile des Caterers einzustellen, finanzielle UnterstützungsIeistungen oder Betriebsversicherungen sowie Maßnahmen, die ergriffen wurden oder möglich gewesen wären, um drohende Verluste zu vermeiden, zu berücksichtigen. Dabei ist auf den konkreten Auftrag abzustellen. Eine Überkompensation der Verluste ist ausgeschlossen. Eine pauschale, beispielsweise hälftige Aufteilung der Nachteile ist nicht vorzunehmen.
* Eine vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung steht der Anwendung von § 313 BGB dann nicht entgegen, wenn ein Festhalten an den Vertragsbedingungen zur Existenzgefährdung des Caterers führen würde.
* Ein Anspruch auf Vertragsanpassung oder zusätzliche Vergütung besteht nicht, wenn vergaberechtliche Grundsätze verletzt sein sollten.

Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln

Im Übrigen könnten die Parteien auch direkt im Vertrag eine Preisanpassungsklausel vereinbaren. Als Beispiel für eine derartige PreisanpassungskIausel könnte folgende Formulierung dienen:

Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Verbraucherpreisindex ausgehend vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses künftig um mindestens 10 %, so tritt – automatisch – von dem Beginn des auf diese Änderung folgenden Monats an eine Änderung der Höhe der nach § xx dieses Vertrages beschriebenen monatlichen Preise im gleichen prozentualen Verhältnis zur Indexänderung ein, und zwar ohne dass es hierzu noch eines besonderen Erhöhungs- oder Verminderungsbegehrens bedürfte. Sobald sich der Index dann erneut um 10 % seit dem Zeitpunkt der letzten Zahlungsanpassung erhöht hat, passt sich der nach § xx dieses Vertrages beschriebene monatliche Preis erneut entsprechend prozentual an.

Die vorstehende Anpassungsklausel gilt nur für Verträge mit einer Vertragsbindung von mindestens zehn Jahren. Für den Fall einer kürzeren Vertragslaufzeit vereinbaren die Vertragsparteien, dass der Caterer einseitig nach billigem Ermessen die vereinbarten Preise anpassen kann, wenn seit Vertragsabschluss bzw. -verlängerung die allgemeinen Preissteigerungen eine Veränderung des als repräsentativ vereinbarten, vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex um mindestens 10 % geändert haben. Das neue FestsetzungsverIangen ist schriftlich geltend zu machen und wirkt ab Beginn des Kalendermonats, der auf den Zugang des Schreibens an den Kita-Träger folgt.

Markterkundung als sinnvolles Instrument

Markterkundung als sinnvolles Instrument

von Thomas Ax

Markterkundung

§ 28 Vergabeverordnung (VgV) und § 20 UVgO sind zu beachten.

Zweck

Der Auftraggeber muss klären, was er genau beschaffen will. Durch eine Markterkundung kann in Erfahrung gebracht werden, ob der Beschaffungsgegenstand überhaupt auf dem Markt verfügbar ist, zu welchen Preisen und Kosten er zu erwerben ist und in welchem Umfang ein Wettbewerb besteht. Eine Markterkundung ist zwingend erforderlich, wenn der öffentliche Auftraggeber keine ausreichenden eigenen Erkenntnisse zur Beschreibung der Leistung hat. Gleiches gilt, wenn der Auftraggeber mangels Preiskenntnis keine belastbare Auftragswertschätzung vornehmen kann und daher das anwendbare Vergaberecht nicht bestimmbar ist. Die Markterkundung dient auch der Vorbereitung der Auftragsvergabe im Hinblick auf die Erstellung der Leistungsbeschreibung und der Festlegung der Eignungs- und Zuschlagskriterien. Soweit durch eine Markterkundung Unternehmen über Auftragsvergabepläne und -anforderungen unterrichtet werden können, ist dabei ein besonderes Augenmerk auf die Beachtung des Wettbewerbs- und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu legen. Alle Marktteilnehmer, die als potenzielle Bieter in Betracht kommen, sind dann im gleichen Umfang zu informieren. Wird dies – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – versäumt, ist ein etwaiger Wissensvorsprung einzelner Unternehmen im Vergabeverfahren auszugleichen.

Methoden

Allgemeine Recherche (Internetrecherche, Abfrage von Erfahrungen anderer öffentlicher Auftraggeber oder auch Sachverständiger, Besuch von Messen und Informationsveranstaltungen von Unternehmen, Gremienarbeiten, Fachzeitschriften, Veröffentlichungen; Auskunft von Verbänden oder Auftragsberatungsstellen, Markterkundung von Dritten, eigene Erfahrungswerte aus bisherigen Projekten oder Ausschreibungen); Abfrage von Informationen bei konkreten Unternehmen. Eine aktive Einbindung von Unternehmen erfolgt dann, wenn der Auftraggeber dort Informationen, Teststellungen oder gar Angebote anfordert. Es sind stets mehrere Unternehmen anzusprechen. Zudem sind allen Unternehmen stets die gleichen Informationen zu geben und es ist darauf zu achten, dass allen Beteiligten klar ist, dass es sich um eine Markterkundung handelt und keine Auftragsvergabe erfolgen wird. Bei diesen Markterkundungsterminen ist es wichtig, dass hier kein Informationsvorteil der beteiligten Unternehmen für das kommende Vergabeverfahren entsteht. Gegebenenfalls müssen diese Informationsvorsprünge dann durch zusätzliche Informationen an alle Unternehmen ausgeglichen werden.

Dokumentation

Dokumentationspflichten sind zu beachten. Es empfiehlt sich, den Schriftverkehr und/oder Prospekte et cetera in die Vergabeakte aufzunehmen und Gesprächsvermerke anzufertigen.

Bedarfsermittlung, Bedarfsanalyse

Der Bedarf für eine Leistung oder ein Produkt ist unter Berücksichtigung einer Bedarfsanalyse zu ermitteln und zu formulieren. Im Weiteren sind die Investitions- und Folgekosten zu schätzen und die Finanzierung zu klären. Wenn der Bedarf festgestellt wurde und dessen Finanzierung gesichert ist, können die nächsten Schritte eingeleitet werden. Der Beschaffungsbedarf ist Grundlage der Auftragswertschätzung. Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse finden in die Leistungsbeschreibung und damit in das Vergabeverfahren Eingang.

Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens ist stets eine detaillierte Bedarfsanalyse durchzuführen, der sich eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung anschließt. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dient als Planungsinstrument und für die spätere Erfolgskontrolle. Insbesondere im Ergebnis der vorangegangenen Bedarfsanalyse ist zu entscheiden, durch welche Leistungen die aus Wirtschaftlichkeitssicht beste Lösung erreicht werden kann.

Die Auftraggeber sind zudem angehalten, auch Alternativen zum klassischen Kauf von Lieferleistungen zu überprüfen, um auf diesem Weg vom Prinzip „Nutzen statt Besitzen“ zu profitieren. Insbesondere ist festzustellen, ob die Beschaffung der Leistung erforderlich ist. Bei Lieferleistungen ist abzuwägen, ob anstelle des Kaufs auch die Reparatur eines vorhandenen Produkts, der Kauf eines gebrauchten Produkts oder die Miete oder das Leasing ein Mittel der Beschaffung darstellt.

Kommen bei der Bedarfsanalyse mehrere Möglichkeiten der Beschaffung in Betracht, ist solchen Liefer- und Dienstleistungen in Abwägung mit anderen relevanten Kriterien mit Bezug zum Beschaffungszweck der Vorzug zu geben, mit denen das Ziel der Beschaffung der Leistung zu den geringsten Kosten erreicht werden kann.

Schätzung des Auftragswertes

Die Höhe des Auftragswertes ist nach den Grundsätzen des § 3 VgV zu schätzen. Hierzu kann auch eine Markterkundung gemäß § 28 VgV beziehungsweise § 20 UVgO vorgenommen werden. Die Grundlagen der Schätzung des Auftragswertes sind zu dokumentieren.

Fallstudie: Nur fehlende Angaben dürfen nachgefordert werden

Fallstudie: Nur fehlende Angaben dürfen nachgefordert werden

von Thomas Ax

Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV darf der öffentliche Auftraggeber als Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bieters die Vorlage geeigneter Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungen in Form einer Liste der in den letzten höchstens drei Jahren erbrachten wesentlichen Liefer- und Dienstleistungen mit Angabe des Werts, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers verlangen. Der Auftraggeber fordert hier die Angabe der Jahresreinigungsfläche. Eine geforderte Angabe der Jahresreinigungsfläche betrifft die Art und Wert der Leistung im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV. Hat die Bieterin mit der von ihr vorgelegten “Referenzliste” Angaben der Jahresreinigungsflächen in den Referenzprojekten nicht gemacht, hat sie den geforderten Beleg der an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter gestellten Anforderungen nicht erbracht. Da die von der Bieterin vorgelegte Referenzliste mangels Angaben zu den Jahresreinigungsflächen nicht den an die Referenzen gestellten Anforderungen entspricht, kann sie den Nachweis für die an die Eignung gestellten Mindestanforderungen nicht erbringen. Um ein taugliches Beweismittel und damit geeigneter “Beleg” zu sein, müssen Eigenerklärungen richtig und vollständig sein (Senatsbeschlüsse vom 7. November 2018 – Verg 39/18 -, und vom 6. Juli 2005 – Verg 22/05 -). Daran fehlt es hier. Mangels Nennung der Jahresreinigungsflächen zu den Projektreferenzen entspricht die Referenzliste der Antragstellerin in einem zentralen Punkt nicht den Vorgaben der Auftragsbekanntmachung. Ihr fehlt ein mit Eigenerklärungen der Referenzauftraggeber vergleichbarer Beweiswert. Dem Auftraggeber ist es infolge der fehlenden Angaben nicht möglich, die Vergleichbarkeit der Referenzprojekte zu überprüfen.

Darf nachgefordert werden?

Der Auftraggeber darf die Eigenerklärungen zu den Referenzen einschließlich der fehlenden Angaben zu den Jahresreinigungsflächen nicht nachfordern. Die Nachforderung ermöglichte eine mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GWB) nicht vereinbare inhaltliche Nachbesserung ihrer Referenzen. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber die Bieterunternehmen unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Keiner der genannten Fälle liegt vor. Die Eigenerklärungen über die Referenzen fehlen im Angebot nicht, noch sind sie unvollständig oder fehlerhaft im Sinne von § 56 Abs. 2 S. 1 VgV.

Der Auftraggeber darf die Bieterin nicht auffordern, die Eigenerklärungen zu den Referenzen nachzureichen, denn die Eigenerklärungen fehlen im Angebot nicht.

Eine Unterlage fehlt, wenn sie gar nicht oder nicht entsprechend den formalen Anforderungen des Auftraggebers vorgelegt wurde (Senatsbeschlüsse vom 18. September 2019 – Verg 10/19 -; vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -, und vom 12. September 2012 – Verg 108/11; von Wietersheim in Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, BeckOK Vergaberecht, 19. Edition, Stand 31.01.2021, § 57 VgV Rn. 14b; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 56 VgV Rn. 21). Wie der Senat mehrfach entschieden hat, ist eine inhaltlich unzureichende Unterlage nicht mit einer fehlenden gleichzusetzen (Senatsbeschlüsse vom 18. September 2019 – Verg 10/19 -, und vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -). Sind die geforderten Unterlagen vorhanden, aber inhaltlich unzureichend, ist dies kein Anwendungsfall des § 56 Abs. 2 VgV (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015 – Verg 35/15). Nur die rein formal fehlerhafte Urkunde steht einer fehlenden gleich (Senatsbeschlüsse vom 17. Dezember 2012 – Verg 47/12 -, und vom 17. März 2011 – Verg 56/10 -; ebenso OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2018, Verg 2/18 -).

Gemessen daran fehlen die Eigenerklärungen im Angebot nicht.

Sie sind, wenngleich inhaltlich unvollständig, körperlich vorhanden. Die vorgelegte “Referenzliste” weist auch keinen formalen Mangel auf, der einem Fehlen der Unterlage gleichsteht. Der Auftraggeber hat an die vorzulegenden Referenzen schon keine formalen Anforderungen gestellt. Dass die Angaben zu den Jahresreinigungsflächen fehlen, steht einer fehlenden Unterlage ebenfalls nicht gleich. Zwar kann es sich bei Einzelangaben grundsätzlich um Angaben und mithin um Unterlagen handeln (vgl. § 48 Abs. 1 VgV). Der Nachforderung unterliegt jedoch nur die vom öffentlichen Auftraggeber geforderte Unterlage, nicht ihre einzelnen Bestandteile. Andernfalls würde die Grenze zwischen zulässiger Nachreichung bzw. Vervollständigung des Angebots und unzulässiger Nachbesserung verwischt.
Da die beigefügten Eigenerklärungen zu den Referenzen nicht unvollständig sind, darf der Auftraggeber die Bieterin auch nicht zur Vervollständigung ihrer Unterlagen auffordern. Eine Unterlage ist unvollständig, wenn sie teilweise physisch nicht vorgelegt worden ist; inhaltliche Unvollständigkeiten sind hiervon nicht erfasst (KG, Beschluss vom 4. Dezember 2015, Verg 8/15 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 19. Januar 2015, Verg 6/14 -; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 56 VgV Rn. 21; zu weitgehend Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zu VgV, 2017, § 56 Rn. 31). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Bieterin hat ihre “Referenzliste” vollständig ihrem Angebot beigefügt, ohne dass Bestandteile dieser Liste körperlich fehlten.

Dem Auftraggeber ist es auch verwehrt, die in den Eigenerklärungen fehlenden Einzelangaben zu den Jahresreinigungsflächen nachzufordern, weil sie damit eine von § 56 Abs. 2 S. 1 VgV nicht mehr gedeckte inhaltliche Nachbesserung ihrer Eigenerklärungen ermöglichte.

Zwar erlaubt § 56 Abs. 2 S. 1 VgV nach seinem Wortlaut die Korrektur fehlerhafter Unterlagen, worunter auch die Nachreichung von Einzelangaben in geforderten Eigenerklärungen zählen könnte. Ein solches weites Verständnis ist jedoch mit der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift unvereinbar.
Die in § 56 Abs. 2 VgV getroffene Regelung dient der Umsetzung von Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU und überführt Teile des bisherigen § 19 EG Abs. 2 S. 1 VOL/A (BR-Drs. 87/16, S. 209). Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU eröffnet die Möglichkeit, unvollständige oder fehlerhafte Informationen oder Unterlagen zu übermitteln, zu ergänzen, zu erläutern oder zu vervollständigen, sofern diese Aufforderungen unter voller Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung erfolgen. Hiernach sieht der Wortlaut von Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie eine Korrektur fehlerhafter Unterlagen bzw. die Aufforderung des öffentlichen Auftraggebers, fehlerhafte Unterlagen zu korrigieren, nicht vor (Senatsbeschluss vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -). Es ist dort lediglich von ergänzen, erläutern und vervollständigen (in der englischsprachigen Version: to submit, supplement, clarify or complete; in der französischen Sprachversion: présenter, completer, clarifier ou preciser) die Rede. Eine Unterlage ist zu übermitteln, zu ergänzen oder zu vervollständigen, wenn sie nicht oder nicht vollständig vorgelegt wird oder in formaler Hinsicht nicht den Anforderungen genügt (fehlende Unterschrift oder Beglaubigung). Eine Unterlage ist zu erläutern, wenn sie unklar oder widersprüchlich ist. Eine Unterlage, die in formaler Hinsicht vollständig übermittelt und verständlich ist, aber ihrem Inhalt nach nicht den Anforderungen genügt, kann zwar als fehlerhaft bezeichnet werden. Jedoch handelt es sich begrifflich nicht mehr um eine Ergänzung, Erläuterung oder Vervollständigung der Unterlagen, wenn der in der Unterlage dokumentierte Erklärungsinhalt nachträglich geändert wird (Senatsbeschluss vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2019, 15 Verg 10/19; OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2018, Verg 2/18 -; Scharf in Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV/UVgO, 2. Auflage 2019, § 56 VgV Rn. 75; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 56 VgV Rn. 23; Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zu VgV, 2017, § 56 Rn. 32, und VergabeR 2017, 285, 287; kritisch Tegeler/Einmahl, VergabeR 2020, 549 ff.; großzügiger wohl auch Haak/Hogeweg, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 56 VgV Rn. 41 und Voppel in ders/Osenbrück/Bubert, VgV, 4. Auflage 2018, § 56 Rn. 27).
Auch aus Gründen der Gleichbehandlung der Bieter, die alle gleichermaßen unter dem zeitlichen Druck der fristgerechten Angebotserstellung stehen, der Rechtsklarheit und der Handhabbarkeit der Vorschrift in der täglichen Praxis der Vergabestellen sind daher lediglich die Behebung “offensichtlicher sachlicher Fehler” und “offensichtlich gebotene Klarstellungen” in einzelnen Punkten zulässig, vorausgesetzt die Änderung läuft nicht darauf hinaus, dass in Wirklichkeit ein neues Angebot eingereicht wird (EuGH, Urteile vom 7. April 2016, Rs. C-324/14, Rn. 62 ff., und vom 29. März 2012, Rs. C-599/10, Rn. 40; Senatsbeschluss vom 28. März 2018 – Verg 42/17), beziehungsweise der Inhalt einer unternehmensbezogenen Unterlage verändert wird.

Ausgehend von den genannten Maßstäben ist eine Nachforderung der Angaben zu den Jahresreinigungsflächen der Referenzprojekte unstatthaft.

Die von der Bieterin vorgelegte Referenzliste darf nicht durch die nachträgliche Bekanntgabe der Jahresreinigungsflächen korrigiert werden. Die mit dem Angebot eingereichte Referenzliste ist inhaltlich klar und enthielt keine offensichtlichen sachlichen Fehler oder Unklarheiten. Es fehlen lediglich zu allen drei Referenzprojekten die geforderten Angaben der Jahresreinigungsflächen.

In einem solchen Fall würde die Ergänzung der Referenzliste um die geforderten Angaben nicht zu einer zulässigen Beseitigung von Unklarheiten führen, sondern auf eine unzulässige Korrektur und Nachbesserung der Unterlage hinauslaufen.

An Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen

An Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen

von Thomas Ax

An Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (Senatsbeschlüsse vom 2. Juni 2021 – Verg 48/20, und vom 15. Januar 2020 – Verg 20/19 -; OLG Dresden, Beschluss vom 6. Februar 2002, WVerg 4/02 -; OLG München, Beschluss vom 7. August 2007, Verg 8/07 -). Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (Senatsbeschluss vom 13. April 2011 – Verg 58/10 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. Juli 2010, 11 Verg 5/10 -). Der Antragsteller muss dann lediglich tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (Senatsbeschluss vom 16. August 2019 – Verg 56/18; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2007, Verg 6/07 -). Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen indes nicht aus (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2020 – Verg 20/19 -; OLG München, Beschluss vom 2. August 2007, Verg 7/07 -).

Ob der Angebotspreis angemessen und der Bieter in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse

Ob der Angebotspreis angemessen und der Bieter in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse

von Thomas Ax

Nach § 60 Abs. 3 S. 1 VgV darf der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf ein Angebot nicht erteilen, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen und der öffentliche Auftraggeber nach Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann.

Die Feststellung, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten ergeben, aus Erfahrungswerten, die der öffentliche Auftraggeber beispielsweise aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen gewonnen hat, oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung (Senatsbeschluss vom 16. April 2020 – Verg 37/19).

In der Rechtsprechung der Vergabesenate sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten, wobei diese Aufgreifschwelle bei einem Preisabstand von 10 % bis 20 % zum nächsthöheren Angebot eingreifen kann (zum Streitstand BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16 -; OLG Celle, Beschluss vom 30. September 2009, 13 Verg 10/10 -). Die Aufgreifschwelle ist hier nicht erreicht.

Die Entscheidung darüber, ob der Angebotspreis angemessen und der Bieter in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse, wobei ihm – wie bei der Prüfung der Eignung – ein dem Beurteilungsspielraum rechtsähnlicher und von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Wertungsspielraum zukommt (Senatsbeschlüsse vom 29. Mai 2020 – Verg 26/19 -, und vom 8. Juni 2016 – Verg 57/15 -). Die Prüfung muss zwar einerseits darauf gerichtet sein, eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für die nach § 60 Abs. 3 S. 1 VgV zu treffende Entscheidung zu schaffen.

Die Anforderungen an den zu erreichenden Grad der Erkenntnissicherheit sind jedoch beschränkt.

Wegen des Interesses nicht nur des öffentlichen Auftraggebers, sondern auch der Allgemeinheit an einer zügigen Umsetzung von Beschaffungsabsichten und einem raschen Abschluss von Vergabeverfahren sowie wegen der begrenzten Ressourcen und Möglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers sind seiner Überprüfungspflicht durch den Grundsatz der Zumutbarkeit Grenzen gesetzt (Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2018 – Verg 19/18 -, und vom 17. Februar 2016 – Verg 28/15 -).

Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen

Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen

von Thomas Ax

Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Beurteilung der Eignung ein Spielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2021 – Verg 38/20; vom 12. Juni 2019 – Verg 52/18 -; vom 17. Februar 2016 – Verg 41/15 -, und vom 17. Dezember 2012 – Verg 47/12 -; OLG München, Beschluss vom 5. November 2009, Verg 13/09 -; Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2016, § 57 VgV Rn. 120).

Seine Eignungsprognose darf und soll der öffentliche Auftraggeber gemäß § 48 Abs. 2 S. 1 VgV in der Regel auf Eigenerklärungen stützen. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen. Für die Entscheidung, ob Bewerber oder ein Bieter auf Grund seiner Eigenerklärungen als geeignet bzw. ungeeignet zu beurteilen ist, ist demnach nicht erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber sämtliche in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausschöpft, um die gemachten Angaben zu verifizieren.

Nur wenn sich objektiv begründete und konkrete Zweifel an der Richtigkeit von Eigenerklärungen ergeben, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, weitere Nachforschungen anzustellen und in eine erneute Eignungsprüfung einzutreten (Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2018 – Verg 19/18 – [zur Preisprüfung] und vom 2. Dezember 2009 – Verg 39/09 -; Mager in Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 48 VgV Rn. 30; Goldbrunner in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 48 VgV Rn. 8).