Ax Vergaberecht

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Praxistipp: Mangel, wenn die Ist-Beschaffenheit der Sache von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht

Praxistipp: Mangel, wenn die Ist-Beschaffenheit der Sache von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht

von Thomas Ax

Grundsätzlich ist ein Mangel anzunehmen, wenn die Ist-Beschaffenheit der Sache von der vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht, § 633 Abs. 2 BGB. Die anerkannten Regeln der Technik sind stets als Beschaffenheit vereinbart (vgl. BGH Urteil v. 10.7.2014, VII ZR 55/13, Urt. V. 14.11.2017, VII ZR 65/14). Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören auch alle Eigenschaften des Werks, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen (BGH, Urteil vom 31.08.2017 – VII ZR 5/17).

Regelwerke, wie DIN-Normen für die gewerkspezifische Ausführung, bergen die widerlegliche Vermutung, dass sie den anerkannten Regeln der Technik entsprechen (BGH, Urt. vom 24.5.2013, V ZR 182/12). Die Nichteinhaltung der stillschweigend vereinbarten technischen Regeln begründet einen Werkmangel unabhängig davon, ob sie sich im Einzelfall nachteilig auswirkt (vgl. BGH Urt. vom 7.3.2013, VII ZR 134/12).

Ob es sich um solche Regelwerke handelt, muss im Streitfall im Wege der Beweisaufnahme ermittelt werden.

Praxistipp: Förmliche Abnahme eigentlich zwingend

Praxistipp: Förmliche Abnahme eigentlich zwingend

von Thomas Ax

Ist eine förmliche Abnahme vereinbart, kann sich der Auftragnehmer zwar im Regelfall nicht auf eine konkludente Abnahme durch den Auftraggeber stützen (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn 1819 mwN in Fn 121).

Die Parteien können im Einzelfall auf eine vereinbarte förmliche Abnahme einvernehmlich verzichten (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn 1820 mwN in Fn 124 ff.; Rn 1857/1858 mwN). Ein solcher Verzicht kann insbesondere darin liegen, dass der Auftragnehmer die Schlussrechnung stellt und der Auftraggeber die fertige Bauleistung in Benutzung nimmt, ohne dass eine der Parteien dabei deutlich macht, dass sie noch auf die vereinbarte förmliche Abnahme zurückkommen will, wobei unerheblich ist, ob sich die Parteien der Tatsache bewusst waren, dass eine förmliche Abnahme eigentlich vorgesehen war oder ob sie das nur vergessen haben (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.1989, VII ZR 82/88, juris; BGH, Urteil vom 21.04.1977, VII ZR 108/76, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.1996, 21 U 68/96, juris, dort Rn 21; Werner/Pastor, a.a.O., Rn 1820 mwN in Fn 126-128; Kniffka/Koeble, a.a.O., 4. Teil, Rn 37 mwN in Fn 116-122; Leinemann-Jansen, VOB, 6. Auflage 2016, § 12, Rn 91 mwN in Fn 326/327; Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 20. Auflage 2017, § 12 Abs. 4, Rn 5 mwN).

Eine fiktive Abnahme gemäß § 12 Abs. 5 VOB/B ist durch die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1983, VII ZR 373/82, juris; Kniffka/Koeble, a.a.O., 4. Teil, Rn 31/46 mwN in Fn 139).

Zu differenzieren ist aber zum einen zwischen einer fiktiven (d.h. gesetzlich fingierten) und einer konkludenten (d.h. stillschweigenden) Abnahme (in Gestalt eines sog. Erklärungsverhaltens) und – davon nochmals zu trennen – einem konkludenten (d.h. stillschweigenden) Verzicht auf eine eigentlich vereinbarte förmliche Abnahme. Zum anderen ändert ein regelmäßig anzunehmender Ausschluss einer fiktiven Abnahme durch die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme nichts an den vorstehenden Feststellungen dazu, dass auf eine eigentlich vereinbarte förmliche Abnahme unter Berücksichtigung entsprechender Umstände des Einzelfalles durchaus konkludent (im Sinne eines Erklärungsverhaltens) verzichtet werden kann und dann – indes erst nach Eintritt der Abnahmereife – die Annahme einer konkludenten Abnahme durchaus statthaft ist.

Praxistipp: Abnahme nur bei unwesentlichen Mängeln

Praxistipp: Abnahme nur bei unwesentlichen Mängeln

von Thomas Ax

Unwesentliche Mängel berühren nach der ausdrücklichen Regelung in § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB (in der durch Gesetz vom 30.03.2000 geänderten Fassung) die Abnahmepflicht nicht (mehr). Dem Besteller verbleiben die sonstigen Mängelrechte (d.h. § 634 BGB bzw. – wie hier – insbesondere § 641 Abs. 3 BGB. § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB ist § 12 Abs. 3 VOB/B nachgebildet, so dass die dazu ergangene Rechtsprechung zu beiden Vorschriften herangezogen werden kann (vgl. Motzke, NZBau 2000, 489, 494). Unwesentlich ist danach ein Mangel, wenn es dem Auftraggeber zumutbar ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit den sonstigen Mängelrechten (d.h. § 634 BGB, bzw. – wie hier – insbesondere § 641 Abs. 3 BGB) zu begnügen.

Dies ist anhand von Art und Umfang des Mangels sowie seiner konkreten Auswirkungen nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.1992, VII ZR 185/90, juris; BGH, Urteil vom 26.02.1981, VII ZR 287/79, juris), auf Seiten des Auftraggebers sowohl objektiv anhand der Verkehrsauffassung über die Bedeutung des in Rede stehenden Mangels als auch subjektiv anhand des konkreten Interesses an einem insoweit mangelfreien Werk und auf Seiten des Auftragnehmers anhand des Aufwandes für die Mängelbeseitigung und eines etwaigen Verschuldens (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2007, I-23 U 164/05, juris). Beeinträchtigt der Mangel bzw. die Mängel die Gebrauchstauglichkeit des Werks für den Auftraggeber (wie z.b. beim Fehlen eines sicherheitsrelevanten Geländers), ist im Regelfall von einem wesentlichen Mangel auszugehen.

Handelt es sich nur um eine geringfügige (insbesondere nur optische) Beeinträchtigung, ist im Regelfall von einem unwesentlichen Mangel auszugehen. Bei einer Mehrzahl von Mängeln kann jeder für sich zwar unwesentlich sein, indes die notwendige Gesamtschau zur Annahme einer Wesentlichkeit der Mängel führen (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 640, Rn 9 mwN; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 4. Teil, Rn 4 mwN; vgl. auch 6. Teil, Rn 262 mwN). Darüber hinaus kann im Einzelfall als weiterer allgemeiner Maßstab der Grundsatz von Treu und Glauben herangezogen werden. Danach ist von einem unwesentlichen (weil unbedeutenden) Mangel auszugehen, wenn das Interesse des Auftraggebers an einer Beseitigung vor Abnahme nicht schützenswert und sich seine Abnahmeverweigerung deshalb als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 25.01.1996, VII ZR 26/95, juris; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn 1833 ff. mwN).

Gemessen daran stellen sich die Mängel dann als wesentliche oder als unwesentliche Mängel dar.

Praxistipp: Zwingend die VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt in den Bauvertrag einbeziehen

Praxistipp: Zwingend die VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt in den Bauvertrag einbeziehen

von Thomas Ax

Die VOB/B enthält Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen und berücksichtigt als ausgewogenes Klauselwerk die Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen. Die VOB/B wird durch § 310 Abs. 1 S. 3 BGB privilegiert, wenn die VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt in den Bauvertrag einbezogen ist. Dann findet eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen nicht statt. Dies gilt jedenfalls für die Verwendung der VOB/B im unternehmerischen Rechtsverkehr. Sobald der Vertrag oder diesem beigefügte Allgemeine Geschäftsbedingungen von der VOB/B abweichende inhaltliche Regelungen enthalten, selbst wenn sie noch so unbedeutend wirken und den Vertragsschließenden gar nicht bewusst sind, liegt ein Eingriff in das sonst vorhandene ausgeglichene Gefüge der VOB/B vor. Die Privilegierung entfällt.

I

Die Privilegierung der VOB/B

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1982 (VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135) unterlagen die Klauseln der VOB/B, die als vorformulierte Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 – VII ZR 55/07 Rn. 10 m.w.N., BGHZ 178, 1), keiner Inhaltskontrolle, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen hatte. Begründet wurde das damit, dass die VOB/B im Gegensatz zu anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur die Interessen einer Vertragspartei verfolge, sondern im Ganzen einen einigermaßen ausgewogenen

Ausgleich der beteiligten Interessen enthalte (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 – VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135, juris Rn. 27 ff.). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22. Januar 2004 dahingehend modifiziert, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist, unabhängig davon, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist die Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vorliegen. Ob eventuell benachteiligende Regelungen im vorrangigen Vertragswerk möglicherweise durch andere Regelungen “ausgeglichen” werden, ist unerheblich (BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 – VII ZR 419/02, BGHZ 157, 346, juris Rn. 11). Danach ist für die Eröffnung der Inhaltskontrolle eine substanzielle Abänderung der VOB/B nicht erforderlich. Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eröffnet, wenn

die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart war.

II

Abweichungen von der VOB/B – Wegfall der Privilegierung

Beispiele aus der Rechtsprechung hierfür sind

1

1.1

Eine Regelung, die Einheitspreise für fest und unveränderbar erklärt (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2023 – VII ZR 34/20). Hierin liegt eine Abweichung von § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B:

Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eröffnet, weil nach dem zugunsten der Revision zu unterstellenden Sachverhalt die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart war. Das Berufungsgericht hat – wie die Revision zu Recht rügt – entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, obwohl er für die Beurteilung, ob die VOB/B (2002) als Ganzes zwischen den Parteien vereinbart worden ist, erheblich war. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 vorgetragen, dass in den ursprünglich zwischen der S. GmbH und der Beklagten vereinbarten Besonderen Vertragsbedingungen, die auch in das Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten einbezogen worden seien, mehrere im einzelnen benannte Regelungen von denen der VOB/B (2002) abweichen. So weicht, was die Klägerin zutreffend aufgezeigt hat, Ziffer II. 2. Abs. 3, wonach die Einheitspreise fest und unveränderbar sind, von § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) ab.

1.2

Eine Regelung, nach der der Auftraggeber Abschlagszahlungen von bis zu 90 Prozent der nachgewiesenen Leistungen zu leisten hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2023 – VII ZR 34/20). Hierin liegt eine Abweichung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B:

Die Regelung in Ziffer II. 11. Abs. 1, der zufolge der Auftraggeber Abschlagszahlungen bis zu 90 % der nachgewiesenen Leistungen zu leisten hat, modifiziert § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002), da hiernach Abschlagszahlungen in Höhe von 100 % des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen einschließlich des ausgewiesenen, darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrages zu gewähren sind. Unter Berücksichtigung dieses Vortrags ist die VOB/B nicht mehr als Ganzes zwischen den Parteien vereinbart

2

Weitere Beispiele

2.1

Eine Regelung, wonach die Leistung ab einer Auftragssumme von 10.000,00 Euro förmlich abzunehmen ist (vgl. LG Heidelberg, Urt. v. 10.12.2010 – 3 O 170/10). Hierin liegt eine Abweichung von § 12 Abs. 5 VOB/B.

2.2

Eine Regelung, nach der der Auftragnehmer eine Bürgschaft auf erstes Anfordern als Sicherheit zu stellen hat (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 13.12.2007 – 12 U 1498/07). Hierin liegt eine Abweichung von § 17 Nr. 4 S. 3 VOB/B.

2.3

Eine Regelung, nach der die Gewährleistungsfrist 6 Werktage nach Beginn der Benutzung des Werks durch dessen Besteller, spätestens mit dem Einzug in das errichtete Haus beginnt (vgl. OLG Celle, Teilurt. v. 18.12.2008 – 6 U 65/08). Hierin liegt eine Abweichung von § 12 Abs. 5, 13 Abs. 4 Nr. 3 VOB/B.

III

Folgen (Beispiel):

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2023 – VII ZR 34/20):

Ist die Beklagte Verwenderin der VOB/B und ist diese nicht als Ganzes vereinbart, kann die Beklagte die von ihr am 18. Juni 2006 ausgesprochene Kündigung nicht auf § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) stützen. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) hält ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002), die inhaltlich den derzeit geltenden § 4 Abs. 7 Satz 3, § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2016) entspricht, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

a) Nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn im Falle des § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) die dem Auftragnehmer gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist (Entziehung des Auftrags). Die Klausel in § 4 Nr. 7 VOB/B (2002), auf die sich dieses Kündigungsrecht bezieht, sieht in Satz 1 vor, dass der Auftragnehmer Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen hat. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, kann ihm gemäß Satz 3 der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe (§ 8 Nr. 3). § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) enthält mithin nicht selbst einen Kündigungsgrund, sondern greift rückbeziehend das in § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) tatbestandlich geregelte Kündigungsrecht unter den dort niedergelegten Voraussetzungen auf. Die derart wechselbezüglich miteinander verknüpften Regelungen stellen allgemeiner Auffassung zufolge einen Anwendungsfall des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund dar (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Lederer,

8. Aufl. 2023, VOB/B § 8 Rn. 93).

b) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist (für die Unwirksamkeit Ingenstau/Korbion/Sienz, VOB Teile A und B, 22. Aufl., Anh. 3 Rn. 72; Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 15. November 2021, § 648a Rn. 89 ff.; Bolz/Jurgeleit/Karczewski, ibr-online Kommentar VOB/B, Stand: 24. August 2022, § 4 Rn. 368, 372; Bedenken an der Wirksamkeit äußernd Gartz in Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 5. Aufl., § 4 Rn. 209 f.; Messerschmidt/Voit/Voit, Privates Baurecht, 4. Aufl., § 4 VOB/B Rn. 38; Glöckner/v. Berg/Vogelheim, Bau- und Architektenrecht, 2. Aufl., Teil III, § 4 Rn. 28; Leinemann/Kues/Geheeb, BGB-Bauvertragsrecht, 1. Aufl., § 648a Rn. 92; Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp/Schmidt, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 48. EL. März 2022, “Bauvertrag”, Rn. 22; Schenke, BauR 2008, 1972, 1977; für die Wirksamkeit OLG Koblenz, Urteil vom 28. Juli 2020 – 4 U 1282/17, juris Rn. 87 ff.; LG Bremen, Zwischenurteil vom 20. Juni 2019 – 2 O 2021/10, juris Rn. 122 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Juni 2007 – 3 U 31/07, juris Rn. 15 ff.; Schrader, jurisPR-PrivBauR 5/2020 Anm. 3).

c) Der Senat entscheidet die Frage dahingehend, dass § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen einer Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem Grund, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die Klauseln benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 – VII ZR 170/16 Rn. 17, BauR 2017, 1202). Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und damit für die Bestimmung der für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung heranzuziehenden wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 – VIII ZR 344/13 Rn. 31 m.w.N., BGHZ 201, 363). Entscheidend sind die durch die Klausel konkret verdrängten gesetzlichen Vorschriften, die im Streitfall auf das vertraglich begründete Rechtsverhältnis anwendbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 – VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, juris Rn. 20). Die “gesetzlichen Regelungen” im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfassen dabei nicht nur Gesetze im materiellen Sinn, sondern auch ungeschriebenes Recht, wozu auch das Richterrecht sowie die von der Rechtsprechung  und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den allgemeinen Grundgedanken eines Rechtsgebiets oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der Natur eines Schuldverhältnisses erarbeiteten und anerkannten Rechtssätze gehören (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 – XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269, juris Rn. 23). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20 Rn. 24 m.w.N., BGHZ 229, 344).

bb) Die Regelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1

Var. 1 VOB/B (2002) unterliegt uneingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung. Zwar sind Allgemeine Geschäftsbedingungen keine Rechtsnormen, so dass ihre Auslegung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Sie sind aber wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen vom Revisionsgericht frei auszulegen, da bei ihnen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15 Rn. 41, BGHZ 210, 206; Urteil vom 9. April 2014 – VIII ZR 404/12 Rn. 25, BGHZ 200, 362; Urteil vom 13. November 2012 – XI ZR 500/11 Rn. 15, BGHZ 195, 298).

cc) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei ist in erster Linie der Wortlaut der auszulegenden Klausel maßgeblich. Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für die VOB/B (BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – VII ZR 5/15 Rn. 26 m.w.N., BGHZ 206, 203).

Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie die Klausel aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2021 – VIII ZR 97/19 Rn. 22, RdE 2022, 23). Dabei sind auch der Sinn und Zweck einer Klausel sowie systematische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Eine Formularklausel ist vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2021 – VIII ZR 97/19 Rn. 23, RdE 2022, 23;

Urteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 289/19 Rn. 30, MDR 2020, 1047, jeweils m.w.N.). Sind nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsregeln mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen Zweifel bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – VII ZR 176/20 Rn. 30, NJW 2022, 2467; Urteil vom 20. Juli 2017 – VII ZR 259/16 Rn. 19, BauR 2017, 1995; Urteil vom 5. November 2015 – VII ZR 59/14 Rn. 21 m.w.N., NJW 2016, 242). Nach diesen Grundsätzen ist auch im Individualprozess gemäß § 305c Abs. 2 BGB die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese im Rahmen einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Vertragspartner des Verwenders begünstigt (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15 Rn. 42, BGHZ 210, 206, jeweils m.w.N.).

dd) Nach diesen Grundsätzen ist für § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) von einem Klauselverständnis auszugehen, wonach bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grund eröffnet ist.

(1) Nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1

Var. 1 VOB/B (2002) kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag entziehen, wenn eine mangelhafte oder vertragswidrige Leistung in der Ausführungsphase aufgetreten ist, die der Auftragnehmer trotz Fristsetzung und Kündigungsandrohung nicht beseitigt hat. Weitere Voraussetzungen im Hinblick darauf, dass die Kündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) eine solche aus wichtigem Grund ist, enthalten weder § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) noch § 8 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002).

Die Sanktion der Kündigung aus wichtigem Grund kann danach einschränkungslos in jedem denkbaren Fall festgestellter Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit ausgesprochen werden. Diese Möglichkeit besteht losgelöst davon, welches Gewicht der Vertragswidrigkeit oder dem Mangel im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zukommt. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) differenziert nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels, so dass selbst unwesentliche Mängel, die den Auftraggeber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, zur Kündigung aus wichtigem Grund führen können.

Die Fristsetzung und die Auftragsentziehungsandrohung sind lediglich als einzuhaltende Förmlichkeiten formuliert, so dass der Auftraggeber den Vertrag auch dann aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn der Fristsetzung kein anerkennenswertes eigenes Interesse an der fristgerechten Beseitigung der vertragswidrigen oder mangelhaften Leistung zugrunde liegt oder die Auftragsentziehung angedroht wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Vertragsbeendigung besteht.

(2) Aus der systematischen Stellung und dem Regelungszusammenhang der Klauseln ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ganz geringfügige und unbedeutende Vertragswidrigkeiten oder Mängel kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund begründen könnten. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) knüpft an das dem Auftraggeber in § 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B (2002) ausbedungene Recht an, bereits während der Ausführung die Beseitigung als vertragswidrig oder mangelhaft erkannter Leistungen fordern zu können. § 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B (2002) differenziert seinerseits ebenfalls nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels.

(3) Bei anderem Klauselverständnis (vgl. zur Mehrdeutigkeit der Regelung von Kiedrowski, Festschrift für Leupertz (2021), S. 333, 350 f.), wonach ein Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag nur bei Vertragswidrigkeiten oder Mängeln entziehen darf, welche so gewichtig sind, dass dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, wäre aufgrund der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB der Angemessenheitsprüfung nach § 307 Abs. 1, 2 BGB gleichwohl die Auslegung zugrunde zu legen, wonach die Kündigung als Reaktion auch auf eine nur geringfügige, unbedeutende oder unwesentliche Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit in der Ausführungsphase möglich ist.

ee) Ausgehend von dem hiernach maßgeblichen Klauselverständnis widerspricht § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) dem gesetzlichen Leitbild im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

(1) Die Kündigungsregelung nach § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) ist anhand der richterrechtlich entwickelten Grundsätze zu messen, nach denen der Auftraggeber einen Werkvertrag aus wichtigem Grund kündigen kann.

Das Recht eines Auftraggebers, einen Werkvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, ist für ab dem 1. Januar 2002, aber vor Einführung von § 648a BGB geschlossene Verträge – wie dem streitgegenständlichen – richterrechtlich anerkannt und folgt aus dem Rechtsgedanken des § 314 BGB (BGH, Urteil vom 7. April 2016 – VII ZR 56/15 Rn. 40 m.w.N., BGHZ 210, 1).

(2) Voraussetzung einer Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert hat, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 – VII ZR 1/19 Rn. 23, 31, BGHZ 223, 260; Urteil vom 8. März 2012 – VII ZR 118/10 Rn. 22, BauR 2012, 949 = NZBau 2012, 357).

Eine vertragswidrige oder mangelhafte Werkleistung in der Ausführungsphase kann im Hinblick auf die zu berücksichtigende Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers nur dann ein wichtiger Grund sein, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber begründen. Solche können sich im Einzelfall aus Umständen ergeben, die einen Bezug zu der potenziell mangelhaften oder vertragswidrigen Leistung aufweisen, sofern diese in der Gesamtabwägung so schwer wiegen, dass sie zu einer tiefgehenden Störung der für die Fortsetzung des Vertrags notwendigen Vertrauensbeziehung geführt haben. Ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, die Fertigstellung durch den Auftragnehmer nicht mehr abwarten zu müssen, kann etwa aus der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels folgen.

(3) Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) weicht nach dem maßgeblichen Klauselverständnis von diesen wesentlichen Grundgedanken ab. Hiernach kann der Auftraggeber die Kündigung losgelöst von diesen Kriterien und – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs – selbst bei Geringfügigkeit der Vertragswidrigkeiten oder Mängel während der Ausführungsphase aussprechen.

(4) Diese Abweichung von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn die Vermutung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nicht widerlegt. Weder wird die unangemessene Benachteiligung durch andere der Klägerin von der Beklagten gewährte Vorteile kompensiert noch rechtfertigen besondere Umstände bezogen auf die Durchführung und Abwicklung von Bauleistungen diese.

ff) § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002) behält im Übrigen – soweit die Bestimmung nicht auf § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) rückbezogen ist – seine Wirksamkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit ihre Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20 Rn. 45 m.w.N., NJW 2022, 1944).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs erstreckt sich die Unwirksamkeit der ersten in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002) geregelten Variante nicht auf die übrigen Kündigungstatbestände. Der Passus in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002), der die Bezugnahme auf den Kündigungsgrund des § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) enthält, kann gestrichen werden, ohne dass die Klausel des § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002) insgesamt ihren Sinn einbüßt.

Neues vom Bauträgerecht

Neues vom Bauträgerecht

vorgestellt von Thomas Ax

Keine Baugenehmigung, kein Zahlungsanspruch

1. Die Vergütung aus dem Bauträgervertrag wird erst fällig, wenn der Bauträger eine prüfbare Schlussrechnung erteilt hat.

2. Eine zu Lasten des Erwerbers von den den Vorschriften der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) abweichende Zahlungsvereinbarung ist unwirksam. Die Anwendbarkeit der Vorschriften der MaBV setzt dabei nicht voraus, dass der Erwerber als Verbraucher zu qualifizieren ist.

3. Ein Verstoß gegen die MaBV liegt vor, wenn die vertragliche Fälligkeitsregelung zu Lasten des Erwerbers regelt, dass die Fälligkeit des Kaufpreises nicht von der Erteilung einer (wirksamen) Baugenehmigung abhängig ist.

4. Ein Verstoß gegen die MaBV liegt auch vor, wenn die Fälligkeitsvereinbarung nicht an einen bestimmten Stand des Bauvorhabens als Fälligkeitsvoraussetzung anknüpft, so dass der “Kaufpreis” nach der vertraglichen Vereinbarung auch insgesamt unabhängig von der vollständigen Fertigstellung fällig werden kann.

5. Die Unwirksamkeit einer gegen die Vorschriften der MaBV verstoßenden Zahlungsvereinbarung hat nicht zur Folge, dass der gesamte Bauträgervertrag nichtig ist.

6. Das Fehlen einer Baugenehmigung und das hieraus folgende öffentlich-rechtliche Verbot der Entgegennahme von Zahlungen begründet ein Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers, das der Durchsetzbarkeit der Vergütungsforderung entgegensteht.

7. Im Rahmen eines Bauträgervertrags ist eine vollständige Fertigstellung des Bauvorhabens erst anzunehmen, wenn die bei der Abnahme zu Protokoll gerügten Mängel (sog. Protokollmängel) beseitigt sind. Fehlt eine das gesamte Bauvorhaben legalisierende Baugenehmigung, ist von einer fehlenden Fertigstellung des Bauvorhabens auszugehen.

8. Auf das Fehlen einer Baubeschreibung kann die Unwirksamkeit des Bauträgervertrags nur gestützt werden, wenn die Parteien eine Baubeschreibung zum Inhalt des Vertrags gemacht haben bzw. machen wollten. Fehlt es hieran, kann die geschuldete Bauleistung auch auf andere Weise, etwa durch die Verweisung auf ein Referenzobjekt, umschrieben werden.

9. Der Erwerber kann die Herausgabe des Grundstücks verweigern, wenn ihm ein Recht zum Besitz zusteht. Ein solches Recht kann sich aus dem Bauträgervertrag und der bereits erfolgten Übergabe des Grundstücks ergeben.

OLG Oldenburg, Urteil vom 27.10.2022 – 8 U 38/21

LG Frankenthal zu der Frage, dass ein Architekt, der bei energetischen Gebäudesanierungen seinen Auftraggeber nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch zum Erhalt von Fördermitteln berät, muss für Schäden einstehen, wenn er die Fördervoraussetzungen fehlerhaft einschätzt

LG Frankenthal zu der Frage, dass ein Architekt, der bei energetischen Gebäudesanierungen seinen Auftraggeber nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch zum Erhalt von Fördermitteln berät, muss für Schäden einstehen, wenn er die Fördervoraussetzungen fehlerhaft einschätzt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Energieberatungsvertrag über die Beratung in fachlicher Hinsicht zu den Möglichkeiten der energetischen Modernisierung des Objekts, deren Wirtschaftlichkeit und Förderungsfähigkeit sowie die Unterstützung bei der Fördermittelbeantragung ist kein Werkvertrag, sondern eine entgeltliche Geschäftsbesorgung.
2. Ein Architekt, der bei energetischen Gebäudesanierungen seinen Auftraggeber nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch zum Erhalt von Fördermitteln berät, muss für Schäden einstehen, wenn er die Fördervoraussetzungen fehlerhaft einschätzt.
3. Die beratende Tätigkeit eines Architekten zur Erlangung der (persönlichen) eigentumsmäßigen Voraussetzungen zur Erlangung der Förderfähigkeit ist eine unzulässige Rechtsdienstleistung.
4. Der Architekt wie auch der Energieberater muss den Auftraggeber darauf hinweisen, dass ihm eine rechtsberatende Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Auftraggeber insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat.
LG Frankenthal, Urteil vom 25.01.2024 – 7 O 13/23

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit Leistungen einer Energieberatung.

Der Beklagte ist Architekt und bietet u.a. auch Leistungen im Zusammenhang mit einer Energieberatung an. Die Klägerin zu 1. und ihr zwischenzeitlich am 14.06.2021 verstorbener, von der Klägerin zu 1. sowie den beiden minderjährigen Kindern – den Klägern zu 2. und 3. – beerbter Ehemann schlossen mit dem Beklagten im Jahr 2019 einen Vertrag über eine qualifizierte KFW-Baubegleitung in Bezug auf Umbau und Sanierung des Anwesens der Kläger in ###. Die Klagepartei beabsichtigte den Erhalt von Zuschüssen bzw. Fördermitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (“KfW”), wobei für das Gebäude in seiner damaligen Ausgestaltung und Eigentumsstruktur kein Zuschussprogramm der KfW für die geplanten Maßnahmen bestand.

Eine schriftliche Vertragsurkunde besteht nicht; der Beklagte teilte der Klägerin zu 1. per E-Mail vom 29.01.2019 (Bl. 31 d.A.) insoweit folgendes mit:

“wie gestern telefonisch besprochen kann mit den von Ihnen geplanten Dämmmaßnahmen ein Effizienzhaus 70 erzielt werden. Mit den Umbaumaßnahmen werden insgesamt 7 Wohneinheiten geschaffen. Insoweit hätten Sie die Möglichkeit Fördermittel der KfW in Anspruch zu nehmen. Bei Mehrfamilienhäusern bietet die KfW in der Regel nur die Möglichkeit eines zinsgünstigen Kredits in Verbindung mit einem Tilgungszuschuss. Allerdings gibt es auch hier eine Ausnahme. Sofern das Mehrfamilienhaus in Wohneigentum aufgeteilt ist (Abgeschlossenheitsbescheinigung und notarielle Teilungserklärung) kann eine Förderung auch im reinen Zuschussprogramm beantragt werden.

Für den Fall, dass Sie einen reinen Zuschuss beantragen würde müsste ich mit der KfW noch die genauen Details klären. Wichtig wäre dann die Aussage, wie viele Eigentümer es geben würde.

Bei der reinen Zuschussvariante gewährt die KfW einen Zuschuss in Höhe von 25% der förderfähigen Kosten. Bei der Ortsbesichtigung wurde eine Summe von ca. 250.000 bis 300.000 EUR für energetische Maßnahmen benannt. Bei förderfähigen Kosten in Höhe von 300.000 EUR könnten Sie also einen Zuschuss von 75.000 EUR erhalten.

Es würde sich also durchaus lohnen das Objekt in Wohneigentum umzuwandeln. Alle Angeben zu den Förderungen erfolgen vorbehaltlich einer finalen Zusage durch den Zuschussgeber.”


Dementsprechend entschied sich die Klagepartei für eine Aufteilung in Wohneigentum.

Mit E-Mail vom 12.02.2019, 00.01.39 Uhr, (Bl. 37 d.A.) schrieb der Beklagte an die Klägerin zu 1.:

“anbei sende ich Ihnen die Vorabzüge der Teilungspläne zur weiteren Abstimmung. Ich habe bei der Wohnung 1 (ehemaliger Verkaufsraum) zunächst die Einteilungen und Abmessungen der Genehmigungsplanung übernommen. Hier müssten Sie mir noch die neu geplante Aufteilung einschl. Abmessungen zukommen lassen. Bitte prüfen Sie auch die übrigen Wohnungen auf Übereinstimmung mit der geplanten Raumaufteilung. Bei den Kellerräumen müssen Sie noch eine Zuordnung zu den Wohnungen eintragen. Ich habe die entsprechenden Räume mit einem ? gekennzeichnet. Die Gemeinschaftsräume habe ich entsprechend gekennzeichnet. Ich gehe davon aus, dass in einen Kellerraum noch die Heizungstechnik kommt. Dieser sollte als Technikraum auch gekennzeichnet werden.

Gerne können Sie mir die Kontaktdaten Ihres Notars zukommen lassen, dann kann ich mit diesem direkt die erforderlichen Inhalte abstimmen.

Des Weiteren habe ich mich nochmals mit der KfW hinsichtlich der Beantragung der Fördermittel in Verbindung gesetzt. Die Beantragung kann erst dann erfolgen, wenn im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen ist. Eine entsprechende Vormerkung sei kurzfristig eintragbar. Die Beantragung würde dann über die Wohnungsverwaltung erfolgen. Die Funktion der Hausverwaltung kann auch von Ihnen übernommen werden. Gerne können wir wegen der Details telefonieren.”


Mit weiterer E-Mail vom 12.02.2019, 22.46.38 Uhr (Bl. 33 ff. d.A.), schrieb der Beklagte an die Klägerin zu 1.:

“wie bereits telefonisch besprochen muss Ihr Notar eine Vormerkung im Grundbuch veranlassen. Danach können wir die Zuschüsse beantragen. Die Details hierfür werde ich mit der KfW abklären.

Ich habe Ihnen die aktuellen Planunterlagen für die Beantragung der Abgeschlossenheit zur weiteren Abstimmung beigefügt. Den Raum im OG (ehemals Gast) habe ich jetzt dem Gemeinschaftseigentum zugeordnet und als Abstellraum tituliert.

Auf Grund Ihrer Entscheidung das Objekt in Wohnungseigentum umzuwandeln steht Ihnen die KfW-Förderung im Programm “energetisch Sanieren Zuschuss” offen.

Die KfW fördert in diesem Programm (Nr. 430) energetische Sanierungsmaßnahmen. Da ich bei den von Ihnen geplanten Maßnahmen ein Effizienzhaus 70 darstellen kann beläuft sich der Zuschuss auf 25 % der förderfähigen Kosten. Die förderfähigen Kosten sind je Wohneinheit auf 100.000 EUR begrenzt. Bei Ihrem Objekt in der Bannwasserstraße mit insgesamt 7 Wohneinheiten wären daher bis zu 700.000 EUR förderfähige Kosten zuschussfähig.

Da sich die von Ihnen geplanten Kosten jedoch nicht über ca. 400.000 EUR bewegen werden, werde ich diesen Betrag als energetisch förderfähige Kosten zu Grunde legen. Daraus ergibt sich in Ihrem konkreten Fall eine Zuschusssumme in Höhe von bis zu 100.000 EUR. Der Zuschuss wird direkt an Sie ausgezahlt. Die tatsächliche Höhe des Zuschusses ist davon abhängig, dass das von mir berechnete Effizienzhausniveau 70 auch tatsächlich umgesetzt wird und die förderfähigen Kosten mit entsprechenden Rechnungen (Handwerkerrechnungen oder Material-Kaufbelege) nachgewiesen werden Die von Ihnen selbst erbrachten Eigenleistungen sind nicht förderfähig.

Ich habe Ihnen die entsprechenden Informationen der KfW rund um die Förderprogramm 430 und 431 dieser Mail beigefügt.

Da eine Sanierung zum Effizienzhaus im Rahmen der KfW-Förderung an sehr hohe Anforderungen und Bedingungen der KfW geknüpft sind fordert die KfW eine qualifizierte Energieberatung und Baubegleitung. (siehe hierzu das Merkblatt 431 der KfW)

Im Gegenzug fördert die KfW diese Planungsleistungen (also meine Leistungen) im Programm 431 mit einem Zuschuss in Höhe von 50% der Planungskosten, maximal jedoch 4.000 Euro.

Meine Leistungen der qualifizierten Energieberatung und Baubegleitung stellen sich wie folgt dar:

– Erstellung der Planunterlagen für den Antrag zur Abgeschlossenheit

– Unterstützung bei der Einreichung der vorgenannten Unterlagen beim Bauamt Ludwigshafen

– Erstellung der Planunterlagen und Flächenberechnung für die Teilungserklärung

– Unterstützung bei der Beantragung der Fördermittel mit Programm 430 und 431

– Berechnung des Wärmeschutzes zum Effizienzhaus 70 gem. KfW-Anforderungen

– detaillierte Berechnung der Wärmebrücken

– Prüfung der Angebote auf Übereinstimmung mit dem KfW-Förderziel

– mind. 2 Baustellenbegehungen

– Fortschreibung des Wärmeschutzes während der Baumaßnahme

– Durchführung einer Luftdichtigkeitsmessung während der Baumaßnahme zur Qualitätskontrolle

– Prüfung der Schlussrechnung auf Übereinstimmung mit dem KfW-Förderziel

– Durchführung einer EnEV-Schlussmessung (Blower-Door-Messung) nach Durchführung der Maßnahmen

– Unterstützung beim Mittelabruf der KfW-Förderung

– Ausstellen des Energieausweises nach Abschluss der Maßnahmen

– Zusammenstellung der Dokumentation

Das Honorar wird als Erfolgshonorar vereinbart. Die Höhe des Honorars beläuft sich auf brutto 10% der tatsächlich erzielten Zuschusssumme, maximal 8.000 EUR inkl. Mehrwertsteuer, derzeit 19%.

Zahlungsbedingungen:

50 % der Honorarsumme nach Erstellung der Zuschussanträge für die KfW (Programm 430 und Programm 431)

25 % nach Durchführung der ersten Luftdichtheitsmessung

Rest nach Erstellung des Schlussverwendungsnachweises für die KfW

Alle Aussagen zu den Förderprogrammen erfolgen vorbehaltlich einer finalen Zusage durch den Zuschussgeber (KfW). Bitte beachten Sie, dass mit den energetischen Sanierungsarbeiten erst nach Beantragung und Bewilligung der Fördermittel begonnen werden darf. Dies betrifft die reinen Ausführungsarbeiten vor Ort.”


Unter dem 21.02.2019 erstellte der Beklagte einen Förderantrag und eine Bestätigung zum Antrag “Energieeffizient Sanieren – Investitionszuschuss” (430), welche die Klagepartei unverändert an die KfW weiterleitete. In dieser Bestätigung, wegen derer weiteren Einzelheiten auf die Anlage K 7 (Bl. 49 ff. d.A.) ist unter der Ziffer 1. die Klägerin zu 1. als Antragstellerin aufgeführt und enthält im vorgedruckten Teil eine Ankreuzung folgender Passage:

“Der Antrag wir für den folgenden Antragsteller und folgendes Investitionsobjekt gestellt:

[x] Natürliche Personen als Miteigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei Investitionen am Gemeinschaftseigentum (Antragstellung erfolgt über Hausverwalter bzw. Bevollmächtigten)”


Weiterhin ist dort unter der Ziffer 2. bei den Angaben zum Investitionsprojekt angekreuzt

“Sanierung:

[x] Bestehendes Wohngebäude/Wohnungseigentum*”


und unter der Ziffer 5. “Erklärung des Energieeffizienz-Experten” ist ausgeführt:

“Mir ist bekannt, dass die mit * gekennzeichneten Angaben subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Strafgesetzbuch in Verbindung mit § Subventionsgesetz darstellen und dass ein Subventionsbetrug strafbar ist.”

 

Der Beklagte schrieb insoweit der Klägerin zu 1. am 21.02.2019 per E-Mail (Bl. 76 d.A.):

“anbei sende ich Ihnen die Bestätigung zum Zuschussantrag im Programm 430 der KfW.

Bitte registrieren Sie sich zunächst auf der Homepage der KfW im Zuschussportal.

Nach erfolgter Registrierung können Sie mit der beigefügten BzA-ID (oben rechts auf Seite 1 des beigefügten Dokuments) den Zuschussantrag für die baulichen Maßnahmen zum Effizienzhaus 70 beantragen. Die vorläufige Zuschusssumme beläuft sich auf derzeit 100.000 EUR. Da sie die Beantragung als Hauseigentümergemeinschaft stellen muss die Beantragung über die Hausverwaltung erfolgen. Hierfür bedarf es einer Vollmacht, die ich Ihnen als Vorlage beigefügt habe.”


Mit WhatsApp-Nachricht vom 07.03.2019 leitete die Klägerin zu 1. dem Beklagten die Zusage der beiden Zuschussanträge für die Programme 430 und 431 weiter und bat per WhatsApp vom 13.03.2019 im Auftrag des Notars um die Überlassung der Wohnflächenberechnung, die der Beklagte am 19.03.2019 versandte.

Zum Zeitpunkt der Beantragung waren die Klägerin und ihr Ehemann im Grundbuch als Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens ### je zu ½ eingetragen. Nach der Beantragung der Fördergelder wurde dann das streitbefangene Anwesen in Wohnungseigentum anlässlich eines notariellen Beurkundungstermins am 05.04.2019, welchen die Klägerin dem Beklagten per WhatsApp am gleichen Tag mitteilte, umgewandelt.

Mit E-Mail vom 05.02.2022 (Bl. 13 d.A.) teilt der Beklagte der Klägerin zu 1. unter Mitteilung des Fristendes für den Fördermittelabruf Ende Februar mit, dass er die Rechnungsordner geprüft und eine förderfähige Investitionssumme von 241.923,09 Euro ermittelt habe, was zu einem Zuschuss von voraussichtlich 60.480,77 Euro führe, worüber er eine entsprechende Bestätigung ausstellen würde.

Unter dem 06.02.2022 stellte der Beklagte folgende, von der Klagepartei ausgeglichene Schlussrechnung:

Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln: 210,08 Euro

Berechnung des Wärmeschutzes: 1.260,50 Euro

Variantenberechnung zum Effizienzhaus 70: 420,17 Euro

Erstellung der digitalen Bestandspläne: 420,17 Euro

Detaillierte Berechnung der Wärmebrücken: 1.050,42 Euro

Überprüfung der Angebote: 420,17 Euro

Ortsbesichtigung: 420,17 Euro

Luftdichtigkeitsmessung: 0,00 Euro

Überprüfung der Schlussrechnungen: 1.182,00 Euro

Ausstellen des Energieausweises: 300,00 Euro

Erstellung des Schlussverwendungsnachweises KfW: 364,40 Euro

Zwischensumme netto: 6.048,08 Euro

abzüglich bereits geleisteter Zahlungen: – 3.361,34 Euro

Zwischensumme netto: 2.686,74 Euro

+ 19 % MwSt.: 510,48 Euro

Honorar brutto: 3.197,22 Euro

Nach Abschluss der Sanierungs- und Umbauarbeiten beantragten dann die Kläger Auszahlung von Fördermitteln im Hinblick auf die erfolgte energetische Sanierung. Auch dieser Antrag wurde wiederum vom Beklagten vorbereitet und von den Klägern entsprechend eingereicht. Auf den Auszahlungsantrag der Klagepartei teilte die KFW mit Schreiben vom 04.04.2022 – wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf die Anlage K 3 (Bl. 9 d.A.) Bezug genommen wird, mit, dass eine Auszahlung nicht erfolgen wird, worüber die Klägerin zu 1. den Beklagten in Kenntnis setzte. Der Beklagte legte mit E-Mail vom 05.04.2022 (Bl. 60 d.A.) gegenüber der KfW vorsorglich Widerspruch gegen die Ablehnung der Auszahlung ein.

Der Beklagte wandte sich mit E-Mail vom 12.04.2022 (Bl. 10 d.A.) an die KfW und führte aus:

“ergänzend zu unten beigefügter Mail hat Frau ### mit Frau ### telefoniert. Sie hat dort die Auskunft erhalten, dass die Ablehnung wohl damit begründet wird, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung das Wohneigentum noch nicht im Grundbuch eingetragen war. Im Vorfeld der Antragstellung hatte ich zwei Telefonate mit der KfW-Hotline geführt (ein erstes mit der normalen Hotline/ ein zweites dann nochmals mit einem Fachberater der KfW) bei denen jeweils bestätigt wurde, dass es nur relevant sei, dass das Wohneigentum zum Zeitpunkt des Mittelabrufes im Grundbuch eingetragen ist. Wir hatten bezüglich der Antragstellung auch keinen Zeitdruck und hätten die Zuschussantragstellung auch ohne weiteres erst nach der Eintragung im Grundbuch vornehmen können, wenn wir von Seiten der Hotline die entsprechende Auskunft erhalten hätten. Zum Zeitpunkt der Antragstellung ging aus den entsprechenden Merkblättern und AGB’s auch nicht hervor, dass das Wohneigentum zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits im Grundbuch eingetragen sein muss.”

Die KfW teilt der Klägerin zu 1. am 19.05.2022 per E-Mail (Bl. 11 d.A.) unter anderem mit:

“Nach den Förderbedingungen des Produktes “Energieeffizient Sanieren – Investitionszuschuss” (430) sind Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentümer von Eigentumswohnungen in Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG) antragsberechtigt. Die Fördervoraussetzung ist damit klar definiert und bei der Beantragung der Förderung zu erfüllen. Bei Antragstellung im Zuschussportal bestätigen Sie, dass Sie alle Produktrichtlinien einhalten bzw. alle Fördervoraussetzungen erfüllen.

Ist das Investitionsobjekt zum Zeitpunkt der Beantragung der Förderung nicht in Wohneigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt, ist die Fördervoraussetzung nicht erfüllt und es lag keine Antragsberechtigung gemäß der Förderbedingung vor. Eigentümer von nicht in Wohneigentum aufgeteilten Mehrfamilienhäusern waren im Produkt 430 nicht antragsberechtigt. Die nachträgliche Aufteilung des Investitionsobjekts in Wohneigentum ersetzt nicht die fehlende Antragsberechtigung.”


Mit Schreiben vom 16.12.2022 wurde dem Beklagten durch die Kläger Frist zur Zahlung der hier geltend gemachten Forderung auf den 31.12.2022 gesetzt.

Die Kläger sind der Auffassung, der Beklagte habe eine Pflicht verletzt und sie falsch im Zusammenhang mit der Förderung der KfW beraten.

Richtigerweise hätte der Beklagte dahingehend beraten müssen, dass zunächst Wohnungseigentum im Sinne einer WEG und nicht einer Bruchteilsgemeinschaft gebildet sein muss, um hiernach einen Förderantrag zu stellen. Der Beklagte habe die Kläger lediglich darauf hingewiesen, dass eine Auszahlung von Fördermitteln nur zur Voraussetzung hat, dass Wohnungseigentum vor dem Auszahlungsantrag gebildet sein muss, nicht aber bereits vor erstmaliger Antragstellung. Dies stelle eine pflichtwidrige und schuldhafte Fehlberatung dar, weshalb den Klägern Schadensersatzansprüche zustünden.

Wenn der Beklagte nach eigenem Bekunden zudem gewusst habe, dass zunächst eine Vormerkung für die Wohnungseigentümergemeinschaft eingetragen sein muss, um eine Förderung zu erhalten, sei nicht erklärlich, weshalb der Beklagte im Mailverkehr vor deren Eintragung bitte, die von ihm vorbereiteten Förderanträge an die KfW weiterzuleiten.

Die Höhe des Schadens ergebe sich aus der seitens des Beklagten mitgeteilten förderfähigen Investitionssumme 241.923,09 Euro bei einer unterstellten Zuschussbewilligung in Höhe von 25 % bei Erfüllung der Antragsvoraussetzungen, mithin 60.480,77 Euro.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 60.480,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.01.2023 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, eine Falschberatung liege nicht vor. Zu beachten sei, dass der Bauherr den Fördermittelantrag selbst stellen müsse. Der Beklagte arbeite nur auf technischer Ebene zu und unterstütze bei der Zusammenstellung der Unterlagen. Auf die Bewilligung der KfW-Förderung habe der Beklagte keinen Einfluss.

Über die möglichen Fördermöglichkeiten habe der Beklagte die Kläger entsprechend informiert. Maßgeblich sei, dass der entscheidende Hinweis – auf die Eintragung einer Vormerkung – klägerseits nicht beachtet worden sei. Die Nichtbeachtung des Hinweises liege nicht im Verantwortungsbereich des Beklagten, sondern in dem der Klagepartei und hätte im Falle seiner Beachtung zur Bewilligung der Auszahlung geführt. Der Beklagte sei seiner Hinweis- und Beratungspflicht insoweit vollumfänglich gerecht geworden. Zudem ist er der Ansicht, er habe sich nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Kläger eine KfW-Förderung erhalten. Es seien die damaligen Bauherren gewesen, die unzutreffende Angaben im Förderantrag – insbesondere zur Aufteilung in Wohnungseigentum gemacht hätten, was diesen hätte auffallen und Veranlassung zur Rücksprache mit der KfW geben müssen.

Die Klagepartei habe zudem eine Schadensminderungspflicht dadurch verletzt, dass sie in den Jahren 2020 und 2021 eine steuerliche Abschreibung aus 142.000 Euro in einem Umfang von 20 % – also 28.400 Euro – nicht in Anspruch genommen hätten.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2024 trägt der Beklagte weiter vor, dass mindestens eine Rechnung in Gestalt einer Rechnung der Firma W vom 13.02.2019 vor dem Beantragungsdatum der Förderung angefallen und beglichen worden sei, was förderschädlich sei.

Ferner erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Das Vertragsverhältnis sei spätestens Anfang Februar 2019 begründet und als Dienstvertrag zu qualifizieren. Verjährung sei Ende 2022 eingetreten.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache vollumfänglich begründet.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht sachlich und örtlich zuständig; §§ 12, 13 ZPO, 23, 71 GVG.

Die Klage ist auch vollumfänglich begründet.

Den Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 60.480,77 Euro zu, wobei die Kammer offenlassen kann, ob dies auf einer Verletzung einer vertraglichen Primärpflicht, der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, auf Schadensersatz aus einem Sekundäransprüche vermittelnden Gefälligkeitsverhältnis oder wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz beruht, denn der Beklagte haftet aus jedem der vorgenannten Gründe den Klägern auf Schadensersatz; den Klägern zu 2. und 3. aus übergegangenem Recht nach § 1922 BGB.

A.

Der Beklagte haftet den Klägern dem Grunde nach auf Schadensersatz.

1. Der Beklagte haftet dem Kläger auf der Grundlage auf Schadensersatz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Energieberatungsvertrag aus § 675 Abs. 1, i.V.m. §§ 611 ff. BGB.

a. Zwischen den Parteien ist ein Energieberatungsvertrag zustande gekommen. Die rechtliche Qualifikation dieses gesetzlich nicht normierten Vertrages als ein solcher im Zusammenhang mit den sog. “neuen Dienstleistungsberufen” (vgl. BGHZ 224, 89, 139 Rn. 137) ergibt sich aufgrund der übernommenen Beratung in fachlicher Hinsicht über die Möglichkeiten der energetischen Modernisierung des Objektes, deren Wirtschaftlichkeit und Förderungsfähigkeit und Unterstützung bei der Fördermittelbeantragung um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 Abs. 1 BGB, auf welche – da der Berater die letztendliche Förderung grundsätzlich nicht, sondern nur eine fachlich zutreffende Beratung schuldet, welche vorgeschlagenen und berechneten Maßnahmen die Voraussetzungen der vorgesehenen Förderung(en) erfüllen – das Dienstvertragsrecht Anwendung findet (vgl. OLG Celle BauR 2014, 1153).

Hieran ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass der Beklagte mit seiner E-Mail vom 12.02.2019, 22.46.38 Uhr sein Honorar für seine Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Sanierungsmaßnahme als Erfolgshonorar angeboten hat, denn die Frage nach der Vergütung bzw. deren Voraussetzungen ist im entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag nicht mit der Einordnung des Vertrages als Werkvertrag verbunden (s. für den vergleichbaren Fall des Erfolgshonorars der Rechtsanwaltsvergütung etwa § 4a RVG).

b. Der Beklagte hat jedoch seine Pflicht zur fachlich zutreffenden Beratung im Hinblick auf die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die vorgeschlagene Förderung der Maßnahme über das Programm 430 der KfW verletzt.

aa. Nach den Förderbedingungen der KfW für das Programm 430 waren unstreitig antragsberechtigt die Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentümer von Eigentumswohnungen in Wohnungseigentumsgemeinschaften (vgl. auch die E-Mail der KfW vom 19.05.2022, Bl. 11 d.A.).

Diese persönlichen Voraussetzungen erfüllte die Klägerin im Zeitpunkt der Beantragung der Förderung nicht. Unstreitig handelte es sich bei dem Bauwerk nicht um ein Ein- oder Zweifamilienhaus.

Soweit auch die Eigentümer von Eigentumswohnungen antragsberechtigt waren, lagen die diesbezüglichen Voraussetzungen bei der Klagepartei im Zeitpunkt des Beginns des geschäftlichen Kontaktes zwischen dem Beklagten und der Klagepartei nicht vor, was dem Beklagten auch bekannt war.

bb. Der Beklagte hat der Klägerin zu 1. in der Folge zwar den im Ausgangspunkt zutreffenden Hinweis per E-Mail vom 29.01.2019 (Bl. 31 d.A.) erteilt:

“Bei Mehrfamilienhäusern bietet die KfW in der Regel nur die Möglichkeit eines zinsgünstigen Kredits in Verbindung mit einem Tilgungszuschuss. Allerdings gibt es auch hier eine Ausnahme. Sofern das Mehrfamilienhaus in Wohneigentum aufgeteilt ist (Abgeschlossenheitsbescheinigung und notarielle Teilungserklärung) kann eine Förderung auch im reinen Zuschussprogramm beantragt werden.”.

Bereits in dieser E-Mail, aber auch in den folgenden E-Mails hat der Beklagte jedoch unzutreffende Angaben zu den tatsächlichen bzw. rechtlichen Voraussetzungen der Begründung von Wohnungseigentum gemacht und damit seine Pflichten verletzt, wobei sich die diesbezüglichen Voraussetzungen aus der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung des WEG (nachfolgend: “a.F.”) ergaben.

(1) Nach dem damals geltenden Wohnungseigentumsgesetz waren mit § 2 WEG zwei unterschiedliche Wege für die Begründung von Eigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz vorgesehen, nämlich einerseits die vertragliche Begründung von Sondereigentum nach § 3 WEG a.F. und andererseits die Teilung nach § 8 WEG a.F.

Zur Begründung nach § 3 WEG a.F. bedurfte es der vertraglichen Einräumung von Sondereigentum, welches nach § 4 WEG a.F. der Eintragung ins Grundbuch bedurfte. Auf die konstitutorische Eintragung im Grundbuch im Fall der – hier vorliegenden – Ersteinräumung (vgl. insoweit nur BeckOK BGB-Hügel, Stand 01.11.2023, WEG § 4 Rn. 4) zur Begründung von Wohnungseigentum hat der Beklagte nicht hingewiesen.

Zur Begründung nach § 8 WEG a.F. bedurfte es der Erklärung des Eigentümers an das Grundbuchamt, das Eigentum an dem Grundstück in Miteigentumsanteile unter Zuweisung von Sondereigentum zu teilen, wobei die Teilung auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 Satz 2 WEG erst mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam wurde.

(2) Auf keine dieser Möglichkeiten hat der Beklagte konkret, explizit und vollständig hingewiesen.

In der E-Mail vom 29.01.2019 (Bl. 31 d.A.) hat der Beklagte lediglich darauf hingewiesen, dass eine Ausnahme besteht, “[s]ofern das Mehrfamilienhaus in Wohneigentum aufgeteilt ist (Abgeschlossenheitsbescheinigung und notarielle Teilungserklärung)”. Diese Teilungserklärung reicht als solche jedoch nicht aus; vielmehr wäre sie dem Grundbuchamt bei einer Teilung nach § 8 WEG a.F. noch vorzulegen gewesen.

Einen derartigen Hinweis oder einen sonstigen vollständigen und zutreffenden Hinweis hat der Beklagte auch mit den weiteren E-Mails vom 12.02.2019 nicht erteilt.

So hat er dort um 00.01.39 Uhr geschrieben:

“Des Weiteren habe ich mich nochmals mit der KfW hinsichtlich der Beantragung der Fördermittel in Verbindung gesetzt. Die Beantragung kann erst dann erfolgen, wenn im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen ist. Eine entsprechende Vormerkung sei kurzfristig eintragbar.”

und in der E-Mail um 22.46.38 Uhr ausgeführt:

“wie bereits telefonisch besprochen muss Ihr Notar eine Vormerkung im Grundbuch veranlassen. Danach können wir die Zuschüsse beantragen. Die Details hierfür werde ich mit der KfW abklären.”

Soweit der Beklagte auf die Möglichkeiten der Vormerkung hingewiesen hat, war dieser Hinweis unzutreffend. So bestand zwar unter der Geltung des WEG in der Fassung bis zum 31.12.2019 grundsätzlich die richterrechtlich anerkannte Möglichkeit der Eintragung einer Vormerkung für den sog. “werdenden Wohnungseigentümer” im Grundbuch. Eine derartige Eintragung einer Vormerkung sicherte jedoch lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung von genau zu bezeichnendem Wohnungseigentum nach dem WEG. Eine Vorwegnahme der Wirkungen der Teilung und eine Vorwegnahme der sachenrechtlichen Zuordnung auf den Erwerber war damit gerade nicht verbunden (vgl. nur BGH NJW 2012, 2650 Rn. 12). Der maßgebliche Zeitpunkt der Wirksamkeit nach § 8 Abs. 2 Satz 2 WEG a.F. wird aber vom Beklagten insoweit nicht thematisiert.

Da nach den Förderbedingungen der KfW aber nur die Eigentümer von Wohnungseigentum nach dem WEG antragsberechtigt bzw. förderfähig waren, erfüllte das Verhalten und der Rat des Beklagten die Anforderungen an eine vollständige und zutreffende Beratung nicht.

cc. Darüber hinaus hat der Beklagte aber auch seine Pflichten aus dem Energieberatungsvertrag dadurch verletzt, dass er in der E-Mail vom 12.02.20219, 22.46.38 Uhr, den unzutreffenden Hinweis aufnahm:

“Auf Grund Ihrer Entscheidung das Objekt in Wohnungseigentum umzuwandeln steht Ihnen die KfW-Förderung im Programm “energetisch Sanieren Zuschuss” offen.”

Dieser Hinweis ist unzutreffend, denn allein der Entschluss zur Umwandlung eröffnet die Förderfähigkeit im Programm 430 unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt; vielmehr bedarf es der rechtlichen Umsetzung der Umwandlung in Wohnungseigentum nach WEG, die nach den voranstehend dargestellten Voraussetzungen an die Erfüllung weiterer Voraussetzungen anknüpft.

dd. Unabhängig von dem Vorstehenden hat der Beklagte seine Pflichten aus dem Energieberatungsvertrag auch dadurch verletzt, dass er der Klägerin zu 1. per E-Mail vom 21.02.2019 empfahl, sich auf der Homepage der KfW im Zuschussportal zu registrieren und den Zuschuss zu beantragen und um die Übersendung der dann in der Regel direkt eingehenden Bestätigung des Zuschusses bat, ohne dass er sich darüber vergewissert hätte, dass die von ihm selbst mitgeteilten Voraussetzungen der Eintragung einer Vormerkung überhaupt vorlagen.

Ihm war – was sich zur Überzeugung der Kammer aus dem weiteren Kommunikationsverlauf mit der Klägerin zu 1. via WhatsApp ergibt – vielmehr zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass noch die von ihm selbst zu fertigende Wohnflächenberechnung fehlte, die die Klägerin zu 1. erst am 13.03.2019 – und damit nach dem Versand der Förderungsbestätigungen am 07.03.2019 – von ihm forderte und am 19.03.2019 nochmals monierte sowie der Mitteilung der Klägerin am 05.04.2019, sie sei gerade beim Notar und bitte um Rückruf -, dass noch keine Vormerkung eingetragen war. Zumindest nahm er dies im Sinne eines dolus eventualis billigend in Kauf und wies – entgegen seiner zumindest nicht eindeutigen Hinweiserteilung in der Mail vom 12.02.20219, 22.46.38 Uhr – die Klägerin zu 1. nicht nochmalig darauf hin, dass sie die Vormerkung benötige.

c. Der Beklagte handelte auch schuldhaft. Gegen ihn streitet die Vermutung des Verschuldens aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, von welchem er sich nicht zu exculpieren vermochte.

Soweit der Beklagte ausführt, er habe mit der Hotline der KfW zweimal telefoniert und die entsprechende Auskunft erhalten, das Wohnungseigentum müsse erst im Zeitpunkt der finalen Beantragung der Auszahlung vorliegen, vermag ihn dies nicht zu exculpieren.

aa. Dabei muss sich der Schuldner nach entlasten und beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht im Sinne von § 276 BGB zu vertreten hat, wobei er die Möglichkeit eines doppelten Entlastungsbeweises hat, indem er nachweist, dass sein feststehendes Verschulden nicht kausal für den entstandenen Schaden war (hierzu unten unter B.) oder dass er die Umstände, die zum Schaden geführt haben, nicht zu vertreten hat. Kommen als Schadensursachen mehrere objektiv pflichtwidrige Handlungen des Schuldners in Betracht, muss er hinsichtlich aller Ursachen sein fehlendes Verschulden nachweisen (BGH NJW 1980, 2186). Eine Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht zu Lasten des Schuldners (BGH NJW 1953, 59; RGZ 107, 15, 18).

bb. An den Entlastungsbeweis dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (allgM, etwa BGH NJW 1953, 59; NJW-RR 1990, 446, 447).

Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, wobei sich der Schuldner auch auf den Beweis des ersten Anscheins und die Erfahrungen des Lebens stützen kann. Der Entlastungsbeweis ist erbracht, wenn der Schuldner die Ursache des Schadenseintritts nachweist und darlegt, dass er diese nicht zu vertreten hat. Er kann aber auch die Ursache des Schadens wahrscheinlich machen und beweisen, dass er für diese nicht einzustehen hat; dagegen muss er nicht sein mangelndes Verschulden für rein abstrakte Möglichkeiten anderer Ursachen beweisen, für die es keinerlei Anhaltspunkte gibt (BGHZ 116, 334, 337). Ist die Ursache unaufklärbar, kann sich der Schuldner durch den Nachweis entlasten, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 BGB) beobachtet hat (BGH NJW 1965, 1585; RGZ 74, 344). Der Schuldner ist aber beweisfällig, wenn die ernsthafte Möglichkeit offen bleibt, dass er die Pflichtverletzung bzw. die Ursache für den Schadenseintritt zu vertreten hat (BGH NJW 1952, 1170; 1969, 789). Hat der Schuldner mehrere Ursachen gesetzt, muss er sich für jede entlasten (BGH NJW 1980, 2186, 2187).

cc. Diesen Anforderungen wird der Beklagte nicht gerecht, sodass sein Versuch der Exculpation misslingt. Der Beklagte hat zumindest fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB gehandelt, da er zur Überzeugung der Kammer zumindest die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.

Aus den Förderbedingungen, wie sie der E-Mail der KfW vom 19.05.2022 zu entnehmen sind, ergibt sich nicht, dass eine Vormerkung ausreichend wäre. Auch aus der seitens des Beklagten ausgefüllten Bestätigung zum Antrag im Förderprogramm 430 (Bl. 49 f. d.A.) ergibt sich dies nicht. Vielmehr sind dort ausdrücklich als Antragsteller aufgeführt:

“- Natürliche Person(en) als Eigentümer eines Ein-/Zweifamilienhauses

– Natürliche Personen als Miteigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei Investition am Gemeinschaftseigentum (Antragstellung erfolgt über Hausverwalter bzw. Bevollmächtigten)

– Natürliche Person(en) als Eigentümer einer Eigentumswohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei Investition am Sondereigentum”.


Eine wie auch immer geartete, noch in der Entstehung begriffene Stellung eines prospektiven Wohnungseigentümers ist bereits der Bestätigung nicht als tauglicher Antragsteller zu entnehmen. Dies konnte auch dem Beklagten nicht verborgen bleiben, zumal die weiteren Angaben betreffend das Sanierungsobjekt und die Antragsteller mit einem “*” versehen sind, was am Ende der Bestätigung unter Ziffer 5. als subventionserhebliche Tatsachen ausgewiesen ist unter Hervorhebung der Strafbarkeit des Subventionsbetruges.

Schon vor diesem Hintergrund verstößt der Hinweis des Beklagten gegen die Anforderungen des § 276 Abs. 2 BGB, da er damit nicht den sichersten Weg wählte.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der E-Mail des Beklagten vom 12.02.2019 um 00.01.39 Uhr Gegenstand der Teilungspläne auch (ehemalige) Verkaufsräume waren, sodass auch diesbezüglich erst noch eine Umwidmung der Räumlichkeiten zu Wohnzwecken zu erfolgen hatte.

Soweit der Beklagte meint, die Telefonate mit der Hotline der KfW betreffend die Voraussetzungen für die Antragstellung als Wohnungseigentümer stellten eine taugliche Grundlage für die eigene Beratung der Klagepartei dar, geht dies fehl.

Zwar kann der Schuldner im Rahmen der Exculpation darlegen und ggf. nachweisen, dass er sich in einem Rechtsirrtum befunden hat. Ein solcher entlastet ihn jedoch nur dann, wenn er darlegt und nachweist, dass er bei eigener fehlender Sachkunde einem schuldausschließenden Rechtsirrtum unterlegen ist. Dies setzt regelmäßig voraus, dass er sich nach umfassender Darstellung der konkreten Situation von einem unabhängigen und für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berater beraten lässt und hinsichtlich des erteilten (unzutreffenden) Expertenrats eine eigene sorgfältige Plausibilitätsprüfung anstellt (vgl. etwa BGH NZG 2015, 889).

Diesen Anforderungen wird das Verhalten des Beklagten nicht gerecht, denn der zweimalige Anruf bei der Hotline genügt den vorstehenden Anforderungen nicht. Der Mitarbeiter der KfW-Hotline ist bereits kein unabhängiger Berater, sondern wird für die KfW – und damit die zukünftig zur Auszahlung Verpflichtete und gleichzeitig auch einer Partei an dem angestrebten Rechtsgeschäft – tätig. Zum anderen ist für den Beklagten anhand eines reinen telefonischen Kontaktes nicht im Ansatz festzustellen, dass sein Gesprächspartner für die Beantwortung der zu klärenden Frage fachlich qualifiziert ist – was vorliegend maßgeblich die Frage der Begründung einer Wohnungseigentumsgemeinschaft betrifft.

Zudem vermag die Kammer über die generalisierende Wiedergabe in der E-Mail des Beklagten vom 12.04.2022 hinausgehend nicht festzustellen, mit welcher konkreten Fragestellung der Beklagte an die Telefonhotline herangetreten ist und wie genau die Äußerung des jeweiligen Gesprächspartners waren. Auch eine sorgfältige Plausibilitätsprüfung ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Sie ist vor dem Hintergrund der eindeutigen Formulierungen in dem vom Beklagten selbst ausgefüllten Anhang zum Antrag zudem fernliegend.

Auch soweit der Beklagte auf die Tätigkeit des Notars im Zusammenhang mit der Beurkundung der Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz hinweist, vermag ihn das nicht zu entlasten. So stellte der Beklagte bereits nicht sicher, dass der Notar vor der Registrierung und erstmaligen Antragstellung der Klagepartei im Onlineportal der KfW überhaupt maßgeblich involviert war. Zum anderen wird der Notar bei der Begründung von Wohneigentum auch nicht beratend dahingehend tätig, ob und ggf. welche Auswirkungen dies auf eine Fördermittelantragstellung bei der KfW für energetische Sanierungen hat bzw. welche Voraussetzungen solche Antragstellungen im Hinblick auf die Antragsvoraussetzungen bestehen.

2. Selbst wenn die Kammer hier keine vertragliche Pflichtverletzung im Sinne einer Hauptpflichtverletzung im vorstehenden Sinne annehmen wollte, ergibt sich eine Haftung dem Grunde nach jedoch aus einer Verletzung vertraglichen Neben-, Schutz- und Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB aus § 280 Abs. 1 BGB.

a. Zu diesen Nebenpflichten aus dem Vertragsverhältnis zählen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die unterschiedlichen Aufklärungs-, Anzeige-, Warn- und Beratungspflichten, also die Pflicht, den anderen Teil unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren, die diesem verborgen geblieben sind, wenn der Schuldner insbesondere auf Grund seiner überlegenen Fachkunde erkennt, dass Gefahren für das Leistungs- oder Integritätsinteresse des Gläubigers bestehen, von denen dieser keine Kenntnis hat (BGHZ 64, 46, 48 ff.). Dies umfasst auch die Aufklärung, die der Sicherung des Leistungsinteresses des Gläubigers dient.

Von der Verletzung der Aufklärungspflicht durch Vorenthalten der Information ist die positive Falschinformation zu unterscheiden. Sie führt bei Verschulden auch dann – neben einem etwaigen eigenständigen Auskunftsvertrag – zu einer Schadensersatzpflicht, wenn keine Aufklärungs- oder Beratungspflicht bestanden hat (vgl. BGHZ 7, 371, 374; BGH WM 1962, 845, 846; NJW-RR 2000, 998).

Daneben treten die Schutz-, Fürsorge- und Obhutspflichten, also die Pflicht, sich bei Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass u.a. das Vermögen des anderen Teils nicht verletzt wird, denn mit der vertraglichen Verbindung der Beteiligten ist eine gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen des einen Teils durch den anderen Teil eröffnet und der Betroffene ist in einem höheren Maße als sonst auf die Wahrung seines Güterstandes durch den anderen Teil zu vertrauen gezwungen. Neben dem grundsätzlichen Schutz der Rechtsgütersphäre des anderen Teils in Gestalt des sog. Erhaltungs- oder Integritätsinteresses (auch betreffend das Vermögen) (vgl. BGH NJW 1983, 2813; KG NJW 1985, 2137) kann sich die Schutzpflicht im Einzelfall darüber hinaus auch auf das Leistungsinteresse beziehen.

b. Eine derartige Pflicht hat der Beklagte hier verletzt, denn er hat der Klägerin zu 1. eine unzutreffende Information über die Voraussetzungen für die Förderung der von der Klagepartei geplanten Maßnahme im Programm 430 der KfW erteilt und damit der Klagepartei die Möglichkeit genommen, einen staatlichen Zuschuss zu den Kosten der Maßnahme zu erhalten, was das Vermögen der Klagepartei beeinträchtigt hat. Diesbezüglich kann auf die vorstehenden Ausführungen zur vertraglichen Pflichtverletzung zu den unzutreffenden Auskünften und Angaben zu den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Begründung von Wohnungseigentum vollumfänglich verwiesen werden. Diese gelten hier in gleichem Maße.

c. Der Beklagte handelte auch schuldhaft. Gegen ihn streitet die Vermutung des Verschuldens aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, von der er sich – wie oben näher ausgeführt – nicht zu exculpieren vermocht hat.

3. Selbst wenn die Kammer hier zu Gunsten des Beklagten davon ausgehen würde, dass eine Annahme eines Rechtsbindungswillens zur Begründung einer vertraglichen Beziehung ebenso wie die Voraussetzungen für die Annahme einer vertraglichen Verpflichtung zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB nicht bestehen, was aufgrund der nicht unerheblichen Honorierung des Beklagten unter dem Stichwort “Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln” in der Schlussrechnung vom 06.02.2022 sowie der in der E-Mail vom 12.02.2019, 22.46.38 Uhr, enthaltenen eigenen Leistungsbeschreibung des Beklagten

“- Unterstützung bei der Beantragung der Fördermittel mit Programm 430 und 431 [###]

– Prüfung der Angebote auf Übereinstimmung mit dem KfW-Förderziel”


mehr als fernliegend ist, haftet der Beklagte gleichwohl aus einem Sekundäransprüche vermittelnden Gefälligkeitsverhältnis zwischen den Parteien auf Schadensersatz.

Denn der Beklagte hätte dann zwar unentgeltlich und ohne Rechtsbindungswille aber in seiner Bedeutung vergleichbar der Situation des § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB sich in einer Position befunden, in welcher ihm Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten betreffend das Vermögen der Klagepartei zukam, die ihm aufgrund seiner Stellung ein besonderes Vertrauen entgegenbrachte, welches dem Beklagten gerade besondere Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter der Klagepartei ermöglichte. Hierbei handelt es sich um eine erbrachte Gefälligkeit im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung oder mit Bezug zu einem Geschäft mit rechtsgeschäftlichem Charakter, welches entsprechende Sekundäransprüche bei Pflichtverletzungen begründet (vgl. etwa Staudinger/Olzen, 2019, BGB § 241 Rn. 406; BeckOGK/Riehm BGB § 280 Rn. 50; Neuner BGB AT § 28 Rn. 21; Looschelders SchuldR AT § 5 Rn. 9; Witschen AcP 219 (2019), 300, 307).

Die diesbezüglichen Pflichten hat der Beklagte schuldhaft verletzt – wobei insoweit auf die vorstehenden Ausführungen vollumfänglich Bezug genommen werden kann – und sich damit im Rahmen der eröffneten Sekundäransprüche ersatzpflichtig gemacht.

4. Die Kläger haben gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG, da der Beklagte mit der Beratung der rechtlichen Schritte zur Erlangung der persönlichen Voraussetzungen für die Position des Antragsberechtigten in dem Programm 430 der KfW gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen hat, was der Beklagte mit dem Vortrag seines Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 19.01.2024, dass der Beklagte die Rechtslage weder bewerten konnte noch durfte, zumindest faktisch eingestanden hat.

a. Der Beklagte hat mit den E-Mails

vom 29.01.2019: “Mit den Umbaumaßnahmen werden insgesamt 7 Wohneinheiten geschaffen. Insoweit hätten Sie die Möglichkeit Fördermittel der KfW in Anspruch zu nehmen. Bei Mehrfamilienhäusern bietet die KfW in der Regel nur die Möglichkeit eines zinsgünstigen Kredits in Verbindung mit einem Tilgungszuschuss. Allerdings gibt es auch hier eine Ausnahme. Sofern das Mehrfamilienhaus in Wohneigentum aufgeteilt ist (Abgeschlossenheitsbescheinigung und notarielle Teilungserklärung) kann eine Förderung auch im reinen Zuschussprogramm beantragt werden.” -,

vom 12.02.2019, 00.01.39 Uhr: “Des Weiteren habe ich mich nochmals mit der KfW hinsichtlich der Beantragung der Fördermittel in Verbindung gesetzt. Die Beantragung kann erst dann erfolgen, wenn im Grundbuch eine Vormerkung eingetragen ist. Eine entsprechende Vormerkung sei kurzfristig eintragbar. Die Beantragung würde dann über die Wohnungsverwaltung erfolgen. Die Funktion der Hausverwaltung kann auch von Ihnen übernommen werden. Gerne können wir wegen der Details telefonieren.”,

und mit weiterer E-Mail vom 12.02.2019, 22.46.38 Uhr: “wie bereits telefonisch besprochen muss Ihr Notar eine Vormerkung im Grundbuch veranlassen. Danach können wir die Zuschüsse beantragen. Die Details hierfür werde ich mit der KfW abklären. Ich habe Ihnen die aktuellen Planunterlagen für die Beantragung der Abgeschlossenheit zur weiteren Abstimmung beigefügt. Den Raum im OG (ehemals Gast) habe ich jetzt dem Gemeinschaftseigentum zugeordnet und als Abstellraum tituliert. Auf Grund Ihrer Entscheidung das Objekt in Wohnungseigentum umzuwandeln steht Ihnen die KfW-Förderung im Programm “energetisch Sanieren Zuschuss” offen.”

der Klagepartei Ratschläge in rechtlicher Hinsicht erteilt, wie sie durch Veränderung der Eigentumslage an dem zu sanierenden Gebäude eine konkrete Art der öffentlichen Förderung zu erlangen vermag.

Die Klägerin zu 1. hat diesen Ratschlag in der Annahme, dass er ihrer Interessenlage gerecht wird, bei der Beantragung der öffentlichen Förderung auch verwendet. Dieser Erwartung der Klägerin zu 1. wollte der Beklagte auch entsprechen, da er nach seinem eigenen Vortrag die von ihm eingenommene Rechtsposition vor ihrer abschließenden Empfehlung durch zwei Telefonate mit der Hotline der KfW separat hat prüfen und bestätigen lassen.

b. Auf dieser Grundlage kann eine Haftung des Beklagten – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht damit abgelehnt werden, der Beklagte als Inhaber eines Ingenieur- und Fachplanungsbüros habe lediglich auf technischer Ebene zugearbeitet, auf die Bewilligung der Förderung jedoch keinen Einfluss gehabt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erschließt sich dem Besteller als im Regelfall Laien auf dem Gebiet des Bauens und des Rechts grundsätzlich nicht, was von der Kompetenz des Architekten noch umfasst wird oder ausschließlich zum Aufgabenbereich der Anwaltschaft gehört (vgl. zuletzt etwa BGH MDR 2023, 1582).

c. Mit dieser beratenden Tätigkeit zur Erlangung der (persönlichen) eigentumsmäßigen Voraussetzungen zur Erlangung der Förderfähigkeit im Programm 430 hat der Beklagte eine gemäß § 3 RDG unzulässige Rechtsdienstleistung zum Gegenstand des Energieberatungsvertrages gemacht, was – unabhängig von der Frage der Auswirkungen auf den Hauptvertrag nach § 134 BGB – jedenfalls eine Haftung des Beklagten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG nach sich zieht.

aa. Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

Die Voraussetzungen von § 3 RDG liegen vor. Der Beklagte erbrachte eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG (sogleich unter (1)), die weder durch § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 RDG (sodann unter (2)) noch durch Anlage 11 Leistungsphase 7 Buchstabe h) zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) erlaubt wird (anschließend unter (3)) und für die es auch sonst keine Rechtfertigung gibt (abschließend unter (4)).

(1) Der Beklagte hat eine Rechtsdienstleistung erbracht, indem er der Klägerin eine vermeintlich ihrer Interessenlage entsprechende Veränderung der Eigentumslage an dem zu sanierenden Gebäude zur Erlangung der persönlichen Fördervoraussetzungen im Programm 430 der KfW empfohlen hat.

Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine Prüfung des Einzelfalls erfordert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst diese Vorschrift jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über die bloße schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist unerheblich (BGH NJW 2016, 3441).

Nach diesen Maßstäben erforderte die Frage der maßgeblichen Voraussetzungen in eigentumsrechtlicher Hinsicht und deren konkrete Ausgestaltung zur Erlangung der Förderfähigkeit eine Prüfung im Einzelfall, ob die Regelung der Interessenlage der Klägerin entspricht.

(2) Die Rechtsdienstleistung des Beklagten war nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 RDG erlaubt. Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Ziel dieser Regelungen ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, in ihrer Berufsausübung nicht zu behindern und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten (BGH NJW 2016, 3441; BT-Drucks. 16/3655, S. 51). Auf dieser Grundlage handelte es sich bei der vom Beklagten übernommenen Pflicht, der Klägerin eine ihrer Interessenlage entsprechende Ausgestaltung der Eigentumslage zur Erlangung der persönlichen Förderungsfähigkeit zur Verfügung zu stellen, nicht um eine Nebenleistung, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Energieberaters und/oder des Architekten gehört.

(a) Der Energieberater hat die Pflicht, die Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, um die mit dem Auftraggeber vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen.

Dieses Aufgabenfeld umfasst unzweifelhaft die nach den jeweiligen Förderprogrammen maßgebliche Erreichung bestimmter technischer Werte durch die vorzunehmenden Baumaßnahmen sowie deren Dokumentation, Prüfung und Darlegung gegenüber der fördernden Stelle. Dieses Aufgabenfeld ist bei der Frage der Eigentumsumgestaltung am Grundstück, auf welchem die ggf. zu fördernde Maßnahme ausgeführt wird, gerade nicht.

Ergänzt wird dieses Aufgabenfeld des Energieberaters noch dahingehend, dass dieser die bezogen auf den Bauten- und aktuellen Eigentumsstand geeigneten Programme dem Auftraggeber aufzeigt.

Insoweit ist der per E-Mail vom 29.01.2019 erfolgte Hinweis

“wie gestern telefonisch besprochen kann mit den von Ihnen geplanten Dämmmaßnahmen ein Effizienzhaus 70 erzielt werden. Mit den Umbaumaßnahmen werden insgesamt 7 Wohneinheiten geschaffen. Insoweit hätten Sie die Möglichkeit Fördermittel der KfW in Anspruch zu nehmen. Bei Mehrfamilienhäusern bietet die KfW in der Regel nur die Möglichkeit eines zinsgünstigen Kredits in Verbindung mit einem Tilgungszuschuss. Allerdings gibt es auch hier eine Ausnahme. Sofern das Mehrfamilienhaus in Wohneigentum aufgeteilt ist (Abgeschlossenheitsbescheinigung und notarielle Teilungserklärung) kann eine Förderung auch im reinen Zuschussprogramm beantragt werden.”

grundsätzlich noch als Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 RDG angesehen werden.

Nicht mehr von der Nebenleistung umfasst ist jedoch der Hinweis auf die konkreten rechtlichen Anforderungen der persönlichen Erlangung der Fördervoraussetzungen bzw. der Befugnis zur Antragstellung in eigentumsrechtlicher Hinsicht, denn hierfür ist eine Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen im Einzelfall durch konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über die bloße schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht, im Sinne der vorstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich, für welche der Architekt keine (ausreichende) Qualifikation und Zuständigkeit besitzt.

Betreffend die Tätigkeit eines Energieberaters besteht – soweit ersichtlich – noch keine ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dieser Fragestellung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Architekt als geschäftlicher Oberleiter, sachkundiger Berater und Betreuer des Bauherrn nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B besitzen (vgl. etwa BGHZ 74, 235, 238). Die Tätigkeit des Architekten kann zudem erfordern, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern und in diesem Zusammenhang öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht in seine Beratung einzubeziehen (vgl. BGH BauR 2021, 990). Insoweit soll der Architekt in seiner Berufsausübung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht behindert werden.

Der Architekt ist jedoch nicht einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen (vgl. BGH BauR 2021, 990; NJW 1985, 1692, 1693 zu 2). Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten nicht erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehlt. Insoweit greift der Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, den Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten. Für den mit einer entsprechenden Qualifikation als Energieberater tätigen Architekten kann diesbezüglich nichts anderes gelten.

(b) Die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Gestaltungsmöglichkeit zur Erlangung der persönlichen Fördervoraussetzungen eines Förderprogramms der öffentlichen Hand geht über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten wie auch des Energieberaters hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf deshalb des Schutzes des zukünftigen und nach Fördermöglichkeiten nachsuchenden Bauherrn als Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rat.

Demgegenüber wird der Architekt und Energieberater in seiner Berufsausübung nicht behindert, da er die mit dem Bauherrn vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele erreichen kann, ohne selbst eine Prüfung der erforderlichen Veränderungen in der Eigentumslage am zu bebauenden Grundstück und eine entsprechende Raterteilung dem Bauherrn gegenüber vornehmen zu müssen. Der Architekt wie auch der Energieberater muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat (vgl. schon zum Rechtsberatungsgesetz Kniffka, ZfBR 1994, 253, 256; vgl. des Weiteren Kniffka/Jurgeleit – Zahn, Bauvertragsrecht, 4. Aufl., § 650p Rn. 152).

Ein derartiger Hinweis ist jedoch nicht erfolgt. In den E-Mails des Beklagten vom 12.02.2019 hat der Beklagte lediglich auf den Notar verwiesen. Dieser ist zwar zur Beurkundung der Umwandlung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück in Eigentum nach dem WEG zuständig, schuldet jedoch keine Beratung betreffend die Frage der damit etwaig einhergehenden Erfüllung der Antragsvoraussetzungen bzw. Förderungsfähigkeit der geplanten Baumaßnahme.

(3) Die von dem Beklagten übernommene Rechtsdienstleistung war des Weiteren durch die Leistungsbilder der HOAI betreffend Architektenleistungen – soweit diese überhaupt auf den hier maßgeblichen Energieberatervertrag, der grundsätzlich von einem Architektenvertrag zu unterscheiden ist – weder unmittelbar noch mittelbar erlaubt.

(aa) Soweit eine etwaige Erlaubnis aus der HOAI unter der Annahme hergeleitet werden sollte, der Verordnungsgeber habe für die rechtsbesorgenden Tätigkeiten im Rahmen der HOAI eine Vergütung vorgesehen und damit einen Erlaubnistatbestand im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG geschaffen, weil ansonsten eine Leistung vergütet werde, die wegen § 134 BGB nicht wirksam vereinbart werden könne, geht dies fehl, denn der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 § 1 MRVG liegt keine Ermächtigung des Verordnungsgebers zu Grunde, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 3 RDG zu regeln. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Bundesregierung ausschließlich ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats eine Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen zu erlassen. Art. 10 § 1 MRVG enthält dagegen über die reinen Honorarregelungen hinaus keine Ermächtigung, das Architekten- und Ingenieurrecht zu gestalten und beispielsweise Erlaubnistatbestände für grundsätzlich unzulässige Rechtsdienstleistungen zu normieren, sodass aufgrund der Grenzen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Aufnahme eines Erlaubnistatbestandes die Grenzen der Verordnungskompetenz mit der Folge der Unwirksamkeit der Anordnung des Verordnungsgebers überschritten ist (vgl. BVerfGE 101, 1; BGHZ 201, 32). Auch wenn dies nur für die Tätigkeit des Architekten gilt, kann für die Tätigkeit eines Energieberaters in diesem Zusammenhang nichts anderes gelten.

(bb) Darüber hinaus verstieße eine abweichende Auslegung und mittelbare Anwendung auch gegen die Normenhierarchie, denn die HOAI steht als Verordnung unterhalb des RDG als formellem Gesetz, sodass das RDG für die Auslegung der HOAI herangezogen werden kann, umgekehrtes jedoch ausgeschlossen ist, da sich die Nichtigkeitsfolge aus § 134 BGB ebenfalls aus formellem Gesetz ergibt.

(4) Schließlich ist die von dem Beklagten übernommene unzulässige Rechtsdienstleistung nicht deshalb gerechtfertigt, weil er sich nach seinem Vortrag hinsichtlich der Frage der tatsächlichen Voraussetzungen in der Eigentumslage der Hilfe und Nachfrage bei der Hotline der KfW bedient hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ändert sogar die Einbeziehung eines Rechtsanwalts als Erfüllungsgehilfen zur Erbringung der Rechtsdienstleistung nichts an der Unzulässigkeit der Rechtsdienstleistung und der Nichtigkeit der entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung (BGH NJW-RR 2019, 1524 Rn. 21 m.w.N.). Damit kann die Abfrage bei einer Hotline mit einem für den Nachfragenden nicht erkennbaren – und schon gar nicht überprüfbaren – juristischen Befähigungsumfang nicht anders zu beurteilen sein.

d. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat der Beklagte seine (Beratungs-)Pflichten aus dem Energieberatervertrag bzw. die entsprechenden vorvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt, sodass er auf der Grundlage § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG den Klägern auf Ersatz des hieraus resultierenden Schadens haftet.

Soweit der Vortrag des Beklagten, er habe einerseits mit der Hotline der KfW zweimal Rücksprache gehalten und andererseits auf das Erfordernis einer Vormerkung hingewiesen, als Vortrag zur Exculpation im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verstehen sein sollte, vermag dies den Beklagten nicht zu exculpieren.

Die Telefonate sind maßgeblich erkennbaren – und schon gar nicht überprüfbaren – juristischen Befähigungsumfang der jeweiligen Gesprächspartner für den Beklagten bereits keine verlässliche Grundlage zur Beurteilung der Rechtslage und zur Abstandnahme von einem Hinweis auf eine erforderliche juristische Beratung. Gleiches gilt für die Frage der geratenen Eintragung der Vormerkung, denn diese reicht – wie oben ausgeführt – nicht zur Begründung einer Wohnungseigentümerstellung aus, sodass insoweit der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB durch den Beklagten nicht mit diesem Vortrag beseitigt zu werden vermag.


B.

Den Klägern ist aufgrund dieser Handlung des Beklagten auch ein kausaler Schaden in Höhe von 60.480,77 Euro entstanden.

Der Beklagte hat auf der Grundlage des § 249 Abs. 1 BGB die Kläger so zu stellen, wie sie bei richtiger Auskunft gestanden hätten.

1. Auf der Grundlage der eigenen Mitteilung des Beklagten ins seiner E-Mail vom 05.02.2022, in welcher er der Klägerin zu 1. mitgeteilt hat, dass er die Rechnungsordner geprüft und eine förderfähige Investitionssumme von 241.923,09 Euro ermittelt habe, was zu einem Zuschuss von voraussichtlich 60.480,77 Euro führe, schätzt die Kammer den Schaden auf dieser Grundlage auf den geltend gemachten Betrag, § 287 ZPO. Die dortige Berechnung des Beklagten ist betreffend die Summe der förderfähigen Kosten von der Klagepartei nicht in Zweifel gezogen und entspricht mit dem ermittelten Zuschussbetrag exakt der Zuschussquote von 25 % der förderfähigen Kosten.

2. Soweit der Beklagte meint, die Kausalität des Schadens sei zu verneinen, da die Klagepartei gegen die Ablehnung der Förderung durch die KfW keinen Widerspruch eingelegt hätten, geht dieser Einwand fehlt.

a. Ein derartiger Widerspruch hätte zu keiner abweichenden Entscheidung der KfW geführt, denn die vom Programm 430 vorgegebenen Voraussetzungen betreffend die persönlichen Eigenschaften des Antragstellers bei der erstmaligen Beantragung der Förderung vermochte die Klagepartei nicht nachträglich herbeizuführen, denn die grundbuch- und eigentumsmäßige Rechtslage am Grundstück – wegen derer im Einzelnen auf die oben stehenden Ausführungen verwiesen wird – war für die Vergangenheit bezogen auf den Zeitpunkt der Beantragung nicht mehr veränderbar.

b. Soweit mit der Klageerwiderung (dort sub III., Bl. 29 d.A.) bestritten wird, dass der Fördermittelantrag überhaupt bewilligt worden wäre und es zur entsprechenden Auszahlung gekommen wäre, geht dies ebenfalls fehl.

aa. Wenn der Beklagte damit (konkludent) vortragen will, dass seine Beratung oder sonstige Leistung so unzureichend gewesen wäre, dass es aus diesen Gründen nicht zu einer positiven Förderungsentscheidung der KfW gekommen wäre, würde dies einen eigenständigen Pflichtenverstoß begründen – denn der Beklagte hat gerade mit dem Vertrag über die Energieberatung in der vorliegenden Ausgestaltung die Verpflichtung übernommen, für ein förderfähiges Vorhaben zu sorgen -, sodass er diesbezüglich haftete.

bb. Sollte der Beklagte damit rein die Kausalität der Frage des Vorliegens der persönlichen Antragsvoraussetzungen im maßgeblichen Zeitpunkt in Frage stellen wollen, ist dies ebenfalls unbeachtlich, denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er selbst sich pflichtgemäß verhalten hätte (vgl. etwa BGHZ 193, 159). Diesen Nachweis hat der Beklagte jedoch nicht angetreten oder erbracht. Vielmehr spricht aus den vorgelegten Unterlagen das Gegenteil, da die KfW nicht die Förderfähigkeit der Maßnahme per se verneint hat, sondern allein auf die fehlende Antragsbefugnis im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung abgestellt hat. Wenn diese jedoch gegeben gewesen wäre, ist nicht im Ansatz zu erkennen, warum die Förderung dann nicht bewilligt worden wäre.

cc. Soweit der Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 18.01.2024 unter Ziffer 5. vorgetragen hat, die Fördermittelantrag sei ohnehin nicht von Erfolg gekrönt worden, da eine Rechnung der Firma W vom 13.02.2019 vorliege, die energetisch relevant sei, vermag er damit nicht durchzudringen.

(1) Der Vortrag ist bereits deshalb für die Kammer unbeachtlich, weil er nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2023 erfolgt ist, § 296a ZPO. Der entsprechende Vortrag war auch nicht von dem in der mündlichen Verhandlung gewährten Schriftsatznachlass gedeckt, denn der Schriftsatznachlass erstreckte sich nur auf den Inhalt der rechtlichen Erörterung in der mündlichen Verhandlung, wobei die Frage der grundsätzlichen Erfüllung der Fördervoraussetzungen der durchgeführten Maßnahmen – mit Ausnahme der Eigentumslage – zwischen den Parteien unstreitig und nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Damit erstreckte sich der gewährte Schriftsatznachlass nicht auf die Thematik der Förderungsfähigkeit der (gesamten) Aufwendungen dem Grunde nach.

Gründe zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Sinne des §§ 296a, 156 ZPO liegen insoweit ebenfalls nicht vor.

(2) Unabhängig von vorstehendem ist der Vortrag aber zudem deshalb unbeachtlich, weil die Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO vorliegen und auch aus diesem Grunde der Vortrag zu präkludieren ist.

Nach § 296 Abs. 2 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel als verspätet anzusehen, wenn diese später vorgetragen werden, als es die in § 282 ZPO normierte allgemeine Pflicht zur Prozessförderung gebietet und dies auf grober Nachlässigkeit beruht. So liegt der Fall hier.

Die nach der eigenen Kenntnis des Beklagten – behauptete – Vorlage einer energetisch relevanten Rechnung der Firma ### vom 13.02.2019, die die Förderungsfähigkeit verhindere, stellt ein Verteidigungsmittel im Sinne des § 296 ZPO dar. Diese ist auch nicht unter Beachtung der Prozessförderungspflichten vorgetragen worden. Mit einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung ist es grundsätzlich nicht vereinbart, Vortrag oder Beweisangebote aus prozesstaktischen Erwägungen heraus bewusst zurückzuhalten und nur nach und nach in den Rechtsstreit einzubringen (BGH NJW 2003, 200, 202; BeckRS 2009, 28213 Rn. 3). So liegt der Fall hier, denn die Frage nach der Unmöglichkeit der Erlangung der Förderung spielt bei der Frage eines etwaigen Schadensersatzanspruches eine maßgebliche Rolle. Die Kläger hatten in der Klageschrift vom 10.01.2023 gerade vorgetragen, dass bei ordnungsgemäßer Antragstellung bei ordnungsgemäßer Beratung durch den Beklagten ein Zuschuss in Höhe der Klageforderung zur Auszahlung gelangt wäre. Dies hat der Beklagte im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.03.2023 lediglich dahingehend bestritten, als er hat ausführen lassen: “Höchst vorsorglich wird bestritten, dass dem Kläger der Fördermittelantrag überhaupt bewilligt worden wäre und es zur entsprechenden Auszahlung des Fördermittelbetrages gekommen wäre” (Bl. 29 d.A.). Eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem behaupteten Schaden oder ein Vortrag im Sinne einer fehlenden Förderfähigkeit ist beklagtenseits bis zur mündlichen Verhandlung am 23.11.2023 trotz weiterer Schriftsätze nicht mehr erfolgt.

Einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung hätte es jedoch entsprochen, diesen Aspekt bereits mit der Klageerwiderung, spätestens aber im Laufe der weiteren Schriftsätze innerhalb der rund 10 Monate bis zur mündlichen Verhandlung vorzutragen.

Bei einer Zulassung des Vortrages würde sich auch die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, denn anders als bei dem unterstellten rechtzeitigen Vorbringen, welches der Kammer eine Behandlung in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2023 – auch im Hinblick auf das zudem enthaltene Beweisangebot durch Vernehmung/Anhörung des Beklagten – ermöglicht hätte, bedarf es aufgrund des Vortrages erst im Schriftsatz vom 18.01.2024 eines weiteren Termins zur mündlichen Verhandlung, der bei rechtzeitigem Vortrag entbehrlich gewesen wäre.

Die Verspätung beruht nach der Überzeugung Kammer auch auf grober Nachlässigkeit. Grob nachlässig handelt die Partei, wenn sie ihre Prozessförderungspflicht in besonders hohem Maße vernachlässigt, also dasjenige unterlässt, was jeder Partei nach dem Stand des Verfahrens als notwendig hätte einleuchten müssen (BGH NJW 2019, 3456 Rn. 20; 1997, 2244, 2245). Insoweit hat die Partei für Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) einzustehen.

So liegt der Fall hier, denn bei entsprechender Vorbereitung der Rechtsverteidigung hätte dem Beklagten und/oder seinen Prozessbevollmächtigten auf den ersten Blick einleuchten müssen, dass die Frage der überhaupt bestehenden Förderungsfähigkeit für den Ausgang des Rechtsstreits von überragender Bedeutung ist, sodass der fehlende Vortrag in der Klageerwiderung und/oder einem späteren Schriftsatz vor der mündlichen Verhandlung schlicht unverständlich und mit den Anforderungen an die Prozessförderungspflichten schlechterdings unvereinbar ist. Ein derartiges Verhalten stellt gerade ein Verhalten dar, was entsprechend der vorstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus prozesstaktischen Gründen (bewusst) gegen die Förderungspflicht verstößt. Selbst wenn dies nicht in der Person des Beklagten vorliegen sollte, ist diesem das Verhalten seiner Prozessbevollmächtigten zuzurechnen, die amtsbekannt in einer Vielzahl von entsprechenden Haftungsprozessen auf Seiten des Beklagten bzw. für dessen Haftpflichtversicherer tätig werden und denen die Anforderungen im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mehr als hinlänglich bekannt sind.

(3) Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass – für den Fall, dass der Vortrag nicht der Präklusion unterfallen sollte – dieser Vortrag zu keinem anderen Ergebnis in der Sache führen würde, denn allein das Vorliegen einer Rechnung vom 13.02.2019 einer gerichtsbekannt im Bereich Sanitär- und Heizungsanlagen tätigen Firma belegt für sich genommen nicht einmal im Ansatz, dass diese förderungsfeindlich ist. Konkreten Vortrag zum Inhalt der abgerechneten Tätigkeiten sowie zu den tatsächlichen Umständen, inwiefern die Arbeiten sich als Teil der nachfolgenden energetischen Maßnahme – und nicht etwa beispielsweise schlicht der Wartung der Heizungsanlage – darstellen, hält der Beklagte nicht, obwohl er nach eigenem Vortrag selbst diese Rechnung vorliegen hatte, sodass von ihm die entsprechende Kenntnis verlangt werden kann. Damit genügt er bereits seinen aus § 138 Abs. 1 ZPO folgenden Pflichten nicht. Auch das angebotene Beweismittel der eigenen Parteivernehmung geht ersichtlich fehl, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür – zu denen es ebenfalls keinen Vortrag des Beklagten gibt – liegen nicht vor.


C.

Der Anspruch der Kläger ist nicht wegen eines Mitverschuldens der Kläger im Sinne des § 254 Abs. BGB eingeschränkt oder ausgeschlossen.

Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. bspw. BGHZ 91, 243, 260; BGH BeckRS 2019, 27764 Rn. 11; NJW-RR 2018, 714 Rn. 29; NJW 2014, 217; NJW 2013, 2018, 2019) vermochte nicht zur Überzeugung der Kammer darzulegen und zu beweisen, dass ein Verhalten der Klagepartei bei der Entstehung des Schadens dem Grunde und/oder der Höhe nach im Sinne des § 254 BGB mitgewirkt hat.

1. Soweit der Beklagte auf die Nichteinhaltung des Rates zur Eintragung einer Vormerkung abstellt, vermag dies ein Mitverschulden nicht zu begründen, denn – wie oben näher dargestellt – wäre dies keine Handlung gewesen, die den Schaden in seiner konkreten Gestalt beeinflussen würde. Vielmehr wäre auch bei der Eintragung einer Vormerkung keine Stellung als Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft begründet gewesen, sodass es nach wie vor an den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum antragsbefugten Personenkreis gefehlt hätte.

2. Auch die Nichteinlegung eines Widerspruchs bzw. die Nichtweiterverfolgung des durch den Beklagten mit E-Mail vom 05.04.2022 eingelegten Widerspruchs seitens der Klagepartei begründet kein Mitverschulden, denn damit wäre eine nachträgliche Stellung der Klagepartei als solche aus dem antragsberechtigten Personenkreis nicht (mehr) zu erzielen gewesen, sodass das Unterlassen für den Schaden nicht kausal ist.

3. Die mit Schriftsatz vom 18.01.2024 vorgetragene Möglichkeit der Erlangung von steuerlichen Vorteilen in den Jahren 2020 und 2021 nach § 35c EStG führt – unabhängig von der Frage, ob auch dieser Vortrag wegen § 296a ZPO nicht ohnehin zurückzuweisen ist und wie weit eine Obliegenheit der Klägerin zur Steueroptimierung im Sinne des Beklagten zur Kompensation der verweigerten Fördermittel reicht – nicht zu einer abweichenden Beurteilung, denn der Beklagte verkennt in mehrfacher Hinsicht die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 35c EStG auf den vorliegenden Sachverhalt.

Auf der Grundlage des § 35c Abs. 1 EStG besteht für energetische Maßnahmen an einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten eigenen Gebäude (begünstigtes Objekt) eine antragsabhängige Steuerermäßigung im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme und im nächsten Kalenderjahr um je 7 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um je 14 000 Euro und im übernächsten Kalenderjahr um 6 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 12 000 Euro für das begünstigte Objekt, wobei die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gem. § 35c Abs. 5 EStG auch auf Eigentumswohnungen entsprechend anzuwenden sind.

Hierfür ist unter anderem Voraussetzung nach § 35c Abs. 1 Satz 2 EStG, dass das begünstigte Objekt bei der Durchführung der energetischen Maßnahme älter als zehn Jahre ist. Weitere Voraussetzungen für die Förderung nach § 35c Abs. 1 Sätze 6 und 7 EStG sind, dass die jeweilige energetische Maßnahme von einem Fachunternehmen ausgeführt wurde und die Anforderungen aus der Rechtsverordnung nach Absatz 7 erfüllt sind und durch eine nach amtlich vorgeschriebenem Muster erstellte Bescheinigung des ausführenden Fachunternehmens nachgewiesen wird, dass die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 3 und die Anforderungen aus der Rechtsverordnung nach Absatz 7 dem Grunde und der Höhe nach erfüllt sind. Ferner setzt die Steuerermäßigung nach § 35c Abs. 2 Satz 1 EStG voraus, dass der Steuerpflichtige das Gebäude im jeweiligen Kalenderjahr ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

Das Vorliegen dieser Umstände, die zu einer Steuerermäßigung nach § 35c EStG im Falle der Klagepartei führen würden, hat der Beklagte bereits entweder nicht hinreichend dargetan oder selbige liegen ersichtlich nicht vor.

a. Der Beklagte übersieht insoweit bereits, dass § 35c EStG in seiner aktuellen Fassung auf den vorliegenden Rechtsstreit in zeitlicher Hinsicht schon nicht anwendbar ist. Nach § 52 Abs. 35a EStG ist § 35c EStG erstmals auf energetische Maßnahmen anzuwenden, mit deren Durchführung nach dem 31.12.2019 begonnen wurde, wobei hierfür spätestens der Zeitpunkt des Beginns der Bauausführung maßgeblich ist, § 52 Abs. 35a Satz 3 EStG. Wann mit der Bauausführung im Sinne der Norm tatsächlich begonnen wurde, ist jedoch beklagtenseits weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Jedoch spricht der Vortrag im Schriftsatz vom 18.01.2024, es liege eine Rechnung der Firma W vom 13.02.2019 vor, die energetisch relevant sei, dafür, dass bereits im Jahr 2019 und damit in zeitlicher Hinsicht vor dem Anwendungszeitraum des § 35c EStG mit den Maßnahmen begonnen wurde.

b. Der Beklagte verkennt zudem die Wirkung des § 35c EStG, denn dieser führt nicht zu einer Reduzierung der Steuerlast um maximal 14.000 Euro in den ersten beiden Jahren, sondern setzt lediglich das in diesen Veranlagungszeiträumen der Besteuerung unterworfene “zu versteuernde Einkommen” um den Betrag herab, sodass – was die Kammer aus den sonstigen Gründen jedoch offenlassen kann – hier der nach dem persönlichen Steuersatz der Klageparteien anzusetzende Betrag der Steuern erspart worden wäre. Ausgehend von dem maximal anzusetzen Spitzensteuersatz von 42 % in den Jahren 2020 und 2021 wären daher jeweils maximal 5.880 Euro Steuern bei einem anzusetzenden Betrag von 14.000 Euro jährlich erspart worden. Selbst wenn – wie hier nicht, dies schadensreduzierend anzusetzen wäre, verbliebe es dennoch bei einem zu ersetzenden Schaden im Umfang von 48.720,77 Euro ausgehend vom entgangenen Förderbetrag von 60.480,77 Euro.

b. Es fehlt zudem bereits an jeglichem Vortrag des Beklagten zu den Anforderungen an das Alter des Gebäudes nach § 35c Abs. 1 Satz 2 EStG, sodass die Kammer bereits nicht festzustellen vermag, dass die Voraussetzungen für die Förderfähigkeit des Vorhabens überhaupt gegeben sind. Schon aus diesem Grund scheitert die Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit.

c. Darüber hinaus fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, dass die sachlichen Voraussetzungen für die Bejahung der Eigenschaft als begünstigtes Objekt im Sinne des § 35c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs 5 EStG vorlagen.

Hierfür wäre erforderlich, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Objekt um eine Eigentumswohnung handelt, welche der Steuerpflichtige – hier also die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann bzw. die Kläger zu 2. und 3. als Erben – zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben. Zu “eigenen Wohnzwecken genutzt” nutzt ein Steuerpflichtiger das Gebäude insoweit, als er darin zumindest zeitweise – ggf. mit seinen Familienangehörigen oder Dritten (BMF 14.1.2021, BStBl. I 2021, 103 Rn. 10) – einen selbständigen Haushalt führt (vgl. BFH BStBl. II 1992, 241). Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus dem als Anlage K 1 vorgelegten Erbschein, der als Anlage K 2 vorgelegten Rechnung des Beklagten und dem Rubrum dieses Rechtsstreits gerade eine abweichende Anschrift der Klagepartei, wobei davon auszugehen ist, dass die Kläger nur dort wohnen. Dies gilt umso mehr, als das streitgegenständliche Objekt ausweislich des Grundbuchauszuges erst kurze Zeit vor der Beauftragung des Beklagten erworben wurde und umfassend umgebaut bzw. energetisch modernisiert werden sollte, was bei lebensnaher Betrachtung die Nutzung als Wohnung mit den damals etwa 10 und 7 Jahre alten Klägern zu 2. und 3. als fernliegend erscheinen lässt.

Auch ist nicht ersichtlich, dass bei einem unstreitig nicht den Förderungsvoraussetzungen als Ein- oder Zweifamilienhaus bei Durchführung der Maßnahme entsprechenden Anwesen, welches in sieben Wohnungen nach dem WEG geteilt werden sollte, die Kläger hier überhaupt – und bejahendenfalls in welchem Umfang – eine Wohnung begründet hätten. Dass die Kläger in allen Wohnungen einen (jeweils) eigenen Haushalt unterhalten hätten, erscheint ebenfalls fernliegend.

c. Soweit der Beklagte zudem auf die Steuerlast in den Jahren 2020 und 2021 abstellt, fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, dass in diesen Veranlagungszeiträumen die Voraussetzungen der § 35c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 EStG vorlagen. Insoweit bedürfte es eines Abschlusses der Maßnahme in den maßgeblichen Zeiträumen, wobei es hierfür an einer Legaldefinition fehlt. Entweder wäre hierzu erforderlich, dass bei einer jeweils förderungsfähigen Einzelmaßnahme der Leistungserbringer eine Rechnung erstellt und der Steuerpflichtige die Leistung unbar beglichen hat (vgl. BT-Drs. 19/14338, 23; BMF 14.1.2021, BStBl. I 2021, 103 Rn. 43) oder es zu einem baulichen/technischen Gesamtabschluss der geplanten Maßnahmen gekommen ist. Dass diese Voraussetzungen in den Jahren 2020 und/oder 2021 und bejahendenfalls in welchem Umfang vorlagen, trägt der Beklagte bereits nicht vor, obwohl er zumindest über die von ihm geprüften Rechnungen – wenn nicht zusätzlich über die von ihm im Rahmen der E-Mail vom 12.02.2019 angebotenen, zumindest 2 Ortsterminen – über den Bauverlauf hinreichend informiert ist.

Damit scheidet eine Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit seitens der Kläger vorliegend aus.


D.

Die beklagtenseits erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch; der Anspruch der Kläger ist nicht verjährt.

Sämtliche unter A. dargestellten Ansprüche dem Grunde nach unterliegen nach §§ 195, 199 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist, wobei der Beklagte für den Eintritt der Verjährung bzw. der selbiger zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände darlegungs- und beweisbelastet ist.

Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährung grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, wobei der Beklagte als Schuldner darlegen und beweisen muss, ab wann der Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schuldners kannte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte kennen müssen (BGH NJW 2007, 1584).

Der Beklagte vermochte nicht darzulegen und zu beweisen, dass die Verjährung der Ansprüche bereits spätestens mit Ablauf des Jahres 2019 angefangen hat zu laufen und damit Ende des Jahres 2022 abgelaufen ist; ein späterer Anlauf der Verjährung wäre wegen der erfolgten Klageerhebung im Januar 2023 und der damit einhergehenden Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB für den Beklagten unbehelflich.

Die Kammer kann dabei zu Gunsten des Beklagten davon ausgehen, dass der Anspruch im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB im Jahr 2019 entstanden ist, denn hieraus folgt keine aus Sicht des Beklagten rechtzeitig anlaufende Verjährung.

Der Beklagte vermochte nicht darzulegen und nachzuweisen, dass die subjektiven Voraussetzungen des Anlaufens der Verjährung im Jahr 2019 im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei den Klägern bzw. deren Rechtsvorgängern vorlagen.

Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich nur die Kenntnis des Schadens dem Grunde, nicht seiner Höhe und seinem Umfang nach erforderlich (BGH NJW 1960, 380; NJW 1973, 702; NJW 2011, 1799 Rn. 8). Der Geschädigte muss auch nicht den Schaden in seinen verschiedenen, schadensrechtlich gem. §§ 249 ff. BGB zu trennenden Elementen übersehen; es genügt, dass er in natürlicher Betrachtungsweise den Schaden kennt (BGH NJW 1997, 2448, 2449; NJW 2000, 861, 862).

Einschränkungen hierzu bestehen jedoch dann, wenn – wie etwa im Arzthaftungsrecht bzw. im Falle der Rechtsberaterhaftung – dem Gläubiger die Sachkunde für die Beurteilung der Handlungen des Schuldners fehlt. So liegt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen im Arzthaftungsrecht erst dann vor, wenn der Gläubiger weiß, dass sich in dem Misslingen das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat (vgl. etwa BGH NJW 1991, 2350). Der Geschädigte muss daher alle Tatsachen kennen, um den naheliegenden Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden bzw. die erforderliche Folgeoperation ziehen zu können (BGH NJW-RR 2010, 681 Rn. 6). Allein die Kenntnis vom Eintritt von Komplikationen rechtfertigt nicht die Annahme der Kenntnis eines Fehlers (OLG Brandenburg NJW-RR 2021, 153 Rn. 25).

Diese Rechtsprechung ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung auch auf die Haftung rechtlicher Berater zu übertragen (vgl. etwa BGH NJW 2003, 822; BGHZ 200, 172, 176 Rn. 15). Für den Beginn der Verjährung kommt es dabei nicht alleine darauf an, dass der Geschädigte Kenntnis von der Rechtsanwendung als solcher hat, sondern darauf, dass er Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hat, dass die Rechtsanwendung fehlerhaft war, wenn darin der haftungsauslösende Fehler liegt (vgl. etwa BGH NJW 2014, 2345 Rn. 26; NJW 2023, 358 Rn. 17).

Zieht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Gläubiger/Mandant aus den ihm bekannten Umständen selbst den Schluss auf einen gegen den Berater gerichteten Schadensersatzanspruch, liegen die erforderlichen Kenntnisse für den Beginn der Verjährung vor (vgl. etwa BGH BeckRS 2020, 31448 Rn. 29). Selbiges gilt auch für die fehlerhafte Rechtsauskunft eines Anlageberaters (vgl. jüngst etwa BGH NJW 2023, 358 Rn 17).

Diese Anforderungen und Voraussetzungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind auf den vorliegenden Fall zu übertragen, denn bei dem Energieberater handelt es sich um einen durch Spezialwissen versehenen und damit einem Arzt oder einem Rechtsanwalt vergleichbar besonders sachkundigen Schuldner.

Mit dem Zugang des ablehnenden Schreibens der KfW vom 04.04.2022 – jedenfalls aber mit dessen späterer Erläuterung durch das Schreiben der KfW vom 19.05.2022 – war der Klagepartei bewusst, dass die Rechtsanwendung bzw. der Verhaltensrat des Beklagten fehlerhaft war und hierin im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. etwa BGH NJW 2014, 2345 Rn. 26; NJW 2023, 358 Rn. 17) der entscheidende Fehler lag. Insoweit kommt jedoch bis zur Klageerhebung Anfang 2023 ein Ablaufen der Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, nicht in Betracht.

Zu welchem konkreten früheren Zeitpunkt sich die Kläger in einer zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis hierüber befunden haben sollen, vermochte der Beklagte nicht darzutun.


E.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB, da der Beklagte auf die fällige Schuld trotz Fristsetzung mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2022 auf den 31.12.2022 keine Zahlungen erbracht hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Praxistipp zur Frage unter welchen Voraussetzungen Fertigstellungsmehrkosten verlangt werden können

Praxistipp zur Frage unter welchen Voraussetzungen Fertigstellungsmehrkosten verlangt werden können, vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B.

Um die Fertigstellungsmehrkosten, vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, zu ermitteln (vgl. dazu Ingenstau/Korbion 20. Auflage, § 8 Abs. 3 VOB/B, Rn. 35), muss der Auftraggeber von seinen aufgewendeten Ersatzvornahmekosten (durch Eigenleistungen oder Drittunternehmen) den Werklohnanspruch des Auftragnehmers abziehen, den dieser bei vollständiger Erfüllung erhalten hätte, da der Auftraggeber diese Kosten “sowieso” gehabt hätte. Darlegungs- und beweisbelastet ist wiederum die Beklagte (Ingenstau/Korbion, aaO, Rn. 36). Dafür muss das Gesamt-Bau-Soll dargestellt werden. Außerdem muss der Auftraggeber prüfbar über diese Mehrkosten abrechnen. Die Anforderungen des § 14 VOB/B sind zwar nicht einzuhalten. Gleichwohl muss der gekündigte Unternehmer in der Lage sein, die vom Auftraggeber aufgewendeten Kosten seinen ursprünglich geschuldeten Leistungen zuzuordnen und dabei zu prüfen, welche Einheitspreise bzw. Mengen und Massen abgerechnet wurden oder ob zusätzliche oder geänderte Leistungen bzw. Mangelbeseitigungsarbeiten vorlagen (OLG Celle, Urteil vom 4. November 2004 – 6 U 87104; Ingenstau/Korbion, aaO, Rn. 80). Eigentlich soll dies binnen 12 Werktagen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 4 VOB/B erfolgen. Sofern der Auftraggeber den Drittunternehmer lediglich auf Stundenbasis für die Restarbeiten beauftragt, schließt dies zwar eine Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten nicht aus (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 4. Oktober 2000 – 4 U 1049/00). Allerdings ist eine prüffähige Abrechnung der Mehrkosten damit i.d.R. nicht möglich (Ingenstau/Korbion, aaO, Rn. 83).

Praxistipp zur Frage, dass wenn ein gemeinsames Aufmaß nicht vorliegt und infolge Nacharbeiten (durch Dritte) ein solches auch nicht mehr genommen werden kann, der für den Umfang der erbrachten Leistungen grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastete Unternehmer seiner Darlegungslast genügt, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen die für die Errichtung des Bauvorhabens angefallene Mindestvergütung zu schätzen

Praxistipp zur Frage, dass wenn ein gemeinsames Aufmaß nicht vorliegt und infolge Nacharbeiten (durch Dritte) ein solches auch nicht mehr genommen werden kann, der für den Umfang der erbrachten Leistungen grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastete Unternehmer seiner Darlegungslast genügt, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen die für die Errichtung des Bauvorhabens angefallene Mindestvergütung zu schätzen

Sofern ein gemeinsames Aufmaß nicht vorliegt und infolge Nacharbeiten (durch Dritte) ein solches auch nicht mehr genommen werden kann, genügt der für den Umfang der erbrachten Leistungen grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastete Unternehmer seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen die für die Errichtung des Bauvorhabens angefallene Mindestvergütung zu schätzen (BGH, Urteil vom 27. Juli 2006 – VII ZR 202/04). Dafür genügt grds. die Vorlage der Schlussrechnung mit dem Beweisantritt durch Sachverständigengutachten. Hat der Besteller die einseitig ermittelten Massen des Unternehmers bestätigt und ist aufgrund nachfolgender Arbeiten eine Überprüfung dieser Mengen nicht mehr möglich, muss der Besteller zum Umfang der von ihm zugestandenen Mengen vortragen und beweisen, dass diese nicht zutreffen (BGH, aaO, Rn. 11). Er kann also grds. die durch Prüfvermerk zugestandenen Mengen und Massen bestreiten, muss dann aber auch beweisen, dass geringere Mengen und Massen angefallen sind (OLG Dresden, Urteil vom 24. Oktober 2018 – 1 U 6011/17).

Praxistipp zur Berechtigung des Auftraggebers, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zulasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen

LG Bielefeld zu der Frage, dass der Architekt im Rahmen der Rechnungsprüfung nicht verpflichtet ist, den Auftraggeber auf einen Einbehalt von Bauabzugssteuer hinzuweisen

von Thomas Ax

Die Berechtigung des Auftraggebers, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zulasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 VOB/B), setzt eine Auftragsentziehung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B voraus. Danach kann der Auftraggeber den Auftrag entziehen, wenn in den Fällen des § 4 Abs. 7 und Abs. 8 Nr. 1 VOB/B und des § 5 Abs. 4 VOB/B die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Februar 2020 – 10 U 2117; Ingenstau/Korbion, 20. Auflage, § 4 Abs. 7, Rn. 62).

Vergütungsansprüche nach der Kündigung eines Werkvertrages schlüssig darlegen …

LG Bielefeld zu der Frage, dass der Architekt im Rahmen der Rechnungsprüfung nicht verpflichtet ist, den Auftraggeber auf einen Einbehalt von Bauabzugssteuer hinzuweisen

von Thomas Ax

Nach der Kündigung eines Werkvertrages schuldet der Besteller dem Unternehmer eine Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht (vgl. BGH NJW 1995, 2712). Deswegen obliegt es dem die Vergütung für erbrachte Leistungen verlangendem Auftragnehmer zunächst, die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen.

Liegt ein gekündigter Pauschalpreisvertrag vor, hat der Unternehmer überdies die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Dementsprechend muss er sowohl das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung als auch das Verhältnis des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NZBau 2002, 614, 615).

Fehlen dem Auftragnehmer aus der Zeit vor Vertragsschluss die Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen, muss er im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.1996 – VII ZR 227/93 = NJW 1996, 3270). In diesem Zusammenhang kann eine ausreichend aufgegliederte und auf einzelne Gewerke bezogene Aufstellung ausreichen, welche die Gesamtkosten bei vollständiger Fertigstellung aufgrund einer Nachunternehmervergabe darlegt und den Kosten gegenüberstellt, die tatsächlich entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NJW-RR 2002, 1596). Wesentlich ist nur, dass die vorgenommene Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen sowie deren Bewertung dem Auftraggeber die Möglichkeit gibt, sich sachgerecht zu verteidigen (vgl. BGH a.a.O.), indem er die einzelnen Pauschalen sowie den kalkulatorischen Wahrheitsgehalt und damit letztlich die inhaltliche Richtigkeit überprüfen kann. Sinn und Zweck dieser Anforderungen an die Abrechnung ist, dass der Unternehmer seine Leistungen nicht beliebig bewertet und dadurch ungerechtfertigte Vorteile erlangt, wobei es im Wesentlichen um die Frage geht, ob eine ungerechtfertigte Verschiebung von Kosten in den erbrachten Leistungsteil erfolgt ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 59); also die ausgeführten Teilleistungen zu hoch bewertet werden.
Vor dem Hintergrund, dass die Gefahr kalkulatorischer Verschiebungen in diesen Fällen in den Hintergrund tritt, kann von einer Aufschlüsselung der Gesamtleistungen in Einzelleistungen abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nur noch geringwertige Leistungen nicht erbracht sind (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2014 – VII ZR 176/12 = NZBau 2015, 27). Zudem darf der Unternehmer auf der Grundlage der Fertigstellungskosten des Bestellers für die Restleistung abrechnen, wenn feststeht, dass dem Unternehmer bei dieser die Vertragsgrundlagen verlassenden Berechnung kein Nachteil entsteht (vgl. Kniffka in in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 65; Schmitz in Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 6.3.2023, § 648 Rn. 59). Es muss mithin feststehen, dass die Drittunternehmerkosten die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Restfertigstellung überschreiten, oder der Besteller akzeptiert eine Berechnung unter Abzug der Fertigstellungskosten bzw. widerspricht dieser nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2014 – VII ZR 124/13 = NZBau 2014, 351 Rn. 4).
Unerheblich ist in Bezug auf diese Berechnungsgrundlagen zum gekündigten Pauschalpreisvertrag, ob es sich um eine Kündigung nach § 648a BGB oder § 648 BGB handelt.

Der Rechtsauffassung, nach Einführung des § 648a Abs. 4 BGB könnten sich die Grundsätze der Abrechnung eines gekündigten Werkvertrages nur noch auf die Fälle des § 648a BGB beziehen, während im Rahmen einer Kündigung nach § 648 BGB, für den eine dem § 648a Abs. 4 BGB entsprechende Regelung fehlt, der Besteller darlegen und beweisen müsse, in welchem Umfang Leistungen nicht erbracht wurden, ist nicht zu folgen.

Abgesehen davon, dass diese Auffassung – soweit ersichtlich – nirgends in der Literatur oder Rechtsprechung vertreten wird, sondern weiterhin einhellig die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung auf beide Kündigungsarten angewendet werden, wird verkannt, dass nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast der Anspruchsteller die seinen Anspruch ausfüllenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat. Dazu gehört auch der Umfang der erbrachten Leistungen sowie die Höhe der sich daraus ergebenden Vergütung. Im Übrigen betrifft die Regelung des § 648a Abs. 4 BGB allein die Frage der Feststellung des Leistungsstandes und keineswegs die Frage der vergütungsmäßigen Bewertung der erbrachten Leistungen.