Ax Vergaberecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-vergaberecht.de

Grenzenlose Leistungsbestimmung durch den öffentlichen Auftraggeber?

Das aktuelle Problem (1): Klarbenennung der Referenzen samt Ansprechpartner (darf gefordert werden)

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax


Frage: Kann und wenn ja unter welchen Voraussetzungen eine Leistungsbestimmung durch den öffentlichen Auftraggeber erfolgen?

Antwort: Bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen ist der öffentliche Auftraggeber im rechtlichen Ansatz ungebunden. Die Entscheidung wird erfahrungsgemäß von zahlreichen Faktoren beeinflusst, unter anderem von technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen oder solchen der sozialen, ökologischen oder ökonomischen Nachhaltigkeit. Die Wahl unterliegt der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers, deren Ausübung dem Vergabeverfahren vorgelagert ist. Sie muss zunächst einmal getroffen werden, um eine Nachfrage zu bewirken.

Frage: Welche Rolle spielt das Vergaberecht?

Antwort: Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung. Einer besonderen vergaberechtlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf die Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den Auftraggeber nicht. Sie ergibt sich aus der Vertragsfreiheit. Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren.

Frage: Mit welchen Grenzen?

Antwort: Nichtsdestoweniger unterliegt die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand, und zwar im Interesse der angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb, aber auch der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit wegen, bestimmten durch das Vergaberecht gezogenen Grenzen. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung sind die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers indes eingehalten, sofern

  • die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,
  • vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,
  • solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind,
  • und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.

Bewegt sich die Bestimmung in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt.

Frage: Kann vor diesem Hintergrund der Verzicht auf ein wettbewerbliches Verfahren gerechtfertigt sein?

Antwort: Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 GWB stehen den öffentlichen Auftraggebern das offene und das nicht offene Verfahren, das stets einen Teilnahmewettbewerb erfordert, nach ihrer Wahl zu Verfügung. Die anderen Verfahrensarten stehen nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist. Gemäß § 119 Abs. 5, 2. Alt. GWB i.V.m. § 14 Abs. 4 VgV kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 VgV vergeben. Von den dort geregelten Fällen kommt § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV in Betracht. Danach kann (und muss) der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist.

Frage: Das gilt doch nicht uneingeschränkt?

Antwort: Richtig. Dies gilt gemäß § 14 Abs. 6 VgV nur dann, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Sämtliche Ausnahmen vom vorrangig durchzuführenden offenen oder nicht offenen Verfahren sind grundsätzlich eng auszulegen. Dies gilt erst recht, wenn gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV nur mit einem Unternehmen verhandelt werden soll, die Vergabe also nicht im Wettbewerb erfolgt. Die Beweislast für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands trägt der öffentliche Auftraggeber. Hierbei sind stichhaltige Belege beizubringen, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen ergibt. Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erfordert das – vom öffentlichen Auftraggeber darzulegende und ggf. zu beweisende – objektive Fehlen von Wettbewerb aus technischen Gründen. Angesichts der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb sollen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen. Die Ausnahme sollte auf Fälle beschränkt bleiben, in denen eine Veröffentlichung entweder aus Gründen extremer Dringlichkeit wegen unvorhersehbarer und vom öffentlichen Auftraggeber nicht zu verantwortender Ereignisse nicht möglich ist oder in denen von Anfang an klar ist, dass eine Veröffentlichung nicht zu mehr Wettbewerb oder besseren Beschaffungsergebnissen führen würde, nicht zuletzt, weil objektiv nur ein einziger Wirtschaftsteilnehmer in der Lage ist, den Auftrag auszuführen.

Frage: Öffentliche Auftraggeber, die auf diese Ausnahme zurückgreifen, sollten also begründen, warum es keine vernünftigen Alternativen oder keinen vernünftigen Ersatz gibt?

Antwort: Genau. Ist die Ausschließlichkeit auf technische Gründe zurückzuführen, so sollten diese im Einzelfall genau beschrieben und nachgewiesen werden. Als solche könnten beispielsweise angeführt werden, dass es für einen Wirtschaftsteilnehmer technisch nahezu unmöglich ist, die geforderte Leistung zu erbringen, oder dass es nötig ist, spezielles Wissen, spezielle Werkzeuge oder Hilfsmittel zu verwenden, die nur einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer zur Verfügung stehen. Technische Gründe können auch zurückzuführen sein auf konkrete Anforderungen an die Interoperabilität, die erfüllt sein müssen, um das Funktionieren der zu beschaffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen zu gewährleisten.“

Frage: Das ist doch ein Spannungsverhältnis?

Antwort: Genau. Die Frage, ob ein Auftrag aus technischen Gründen oder wegen des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmen ausgeführt werden kann, hängt entscheidend von der Festlegung des Auftragsgegenstands und der Bestimmung seiner technischen Spezifikationen ab. Legt sich der Auftraggeber auf bestimmte Funktionen, Merkmale oder Verfahren fest, kann es im Ergebnis sein, dass nur noch ein einziges Unternehmen in der Lage ist, den Auftrag zu. Bereits für die Vergabe eines Auftrags innerhalb eines wettbewerblichen Verfahrens ist anerkannt, dass die – dem Vergabeverfahren grundsätzlich vorgelagerte – Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers, ob und was beschafft werden soll, und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der wettbewerbsoffenen Beschaffung vergaberechtlichen Grenzen unterliegt. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats gewahrt, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind, und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert. Führt die Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den öffentlichen Auftraggeber dazu, dass im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 a) oder b) VgV der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, greift das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV ein, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb, mithin eine Vergabe außerhalb des Wettbewerbs, nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.

Frage: Gibt es Leistungsbestimmungen, die im Falle des § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führen?

Antwort: Ja. Die kann es gut geben. Die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers unterliegt dann engeren vergaberechtlichen Grenzen als dies bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens der Fall ist. Eine Leistungsbestimmung, die im Falle des § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf einer wesentlich größeren Rechtfertigungstiefe als eine solche, die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs im Ergebnis (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt. Vor diesem Hintergrund rechtfertigen die zur Begründung der technischen Alleinstellung angeführten Gründe die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb.

Herr Dr. Ax, wir danken für das Interview.

Die Fragen stellte Redakteur Tobias Schmitt

Fensterbauer hat Fenster mit einem schlechteren Uw-Wert eingebaut – ist der komplette Austausch der Fenster unverhältnismäßig im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB?

Fensterbauer hat Fenster mit einem schlechteren Uw-Wert eingebaut – ist der komplette Austausch der Fenster unverhältnismäßig im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB?

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax


Die Fragen stellte VergabePrax-Redakteur Tobias Schmitt.

Ausgangslage:

Eine Beschaffenheit der Fenster ist mit einem Uw-Wert von 0,8 ausdrücklich vereinbart worden. Da Fenster ab diesem Wert (und darunter) auch als Passivhausfenster gelten, sind auch Fenster geschuldet, auf die diese Definition zutreffend ist. Der Fensterbauer hat Fenster mit einem schlechteren Uw-Wert eingebaut – ist der komplette Austausch der Fenster unverhältnismäßig im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB?

AntwortGanz klar: im Regelfall: NEIN.

Für die Frage, ob der vom Unternehmer zu leistende Aufwand „unverhältnismäßig“ ist, kommt es nicht allein auf das rechnerische Verhältnis zwischen den Mangelbeseitigungskosten einerseits und dem wirtschaftlichen Vorteil für den Auftraggeber andererseits an. Vielmehr sind sämtliche Umstände des Einzelfalls abzuwägen.

Worauf kommt es an?

AntwortEs kommt vor allem darauf an, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares Interesse an einer vertragsgemäßen Ausführung des Werks hat. In der Abwägung ist insbesondere auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Unternehmer ein Verschulden trifft. Letztlich kann sich der Unternehmer nur dann auf § 635 Abs. 3 BGB berufen, wenn das Bestehen des Auftraggebers auf einer ordnungsgemäßen Erfüllung sich im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt.

Geht es nur um konkrete Folgen für die Heizkosten?

AntwortNein. Vielmehr spielt die Einhaltung bestimmter Wärmeschutzstandards bei Neubauten generell für die Wertvorstellungen von Erwerbern eine Rolle. Es ist zumindest davon auszugehen, dass sich ein fachkundiger Kaufinteressent in der Regel für die Fenster interessiert und gegebenenfalls die Einhaltung bestimmter Wärmeschutzstandards prüft oder vom Verkäufer erfragt. Das bedeutet, dass die Klägerin im Falle eines Verkaufs – unabhängig von der Frage einer Offenbarungspflicht – damit rechnen muss, dass die Frage nach dem Wärmeschutz der Fenster zum Bestandteil von Vertragsverhandlungen werden kann. Es mithin nicht nur um bestimmte Heizkosten, sondern auch um die Einhaltung bestimmter Merkmale, die auf dem Wohnungsmarkt – neben anderen Merkmalen – allgemein als mitbestimmend für den Wert einer Wohnung angesehen werden.

Was ist mit den Beschädigungen infolge des Austauschs der Fenster?

AntwortGanz klar: Beim Austausch der Fenster ist mit Beschädigungen zu rechnen. Es sollte nachvollziehbar sein, dass ein Austausch der Fenster zu Schäden an der Fassade, Innenwände, Fensterbänke etc. führen kann.

Mit welchen Schäden ist zu rechnen?

AntwortEs ist mit folgenden Schäden zu rechnen:

Schutz vor Staub und Dreck beim Fenstertausch

Wie bei jeder Baumaßnahme ist auch beim Fenstertausch ein sorgfältiger Schutz der Räume entscheidend dafür, dass die Staub- und Dreckbelastung möglichst gering bleibt. Dazu ist es wichtig, alle Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände zu schützen. Idealerweise wird der Raum leergeräumt, ist dies – zum Beispiel bei bewohnten Wohnungen – nicht möglich, sollte alles inklusive des Bodenbelags mit robuster Folie bzw. Schutzmatten abgedeckt werden. Damit sich Schmutz und Staub nicht in der ganzen Wohnung verteilen ist es empfehlenswert, den Raum, in dem gearbeitet wird, möglichst abzuschotten. Dies lässt sich durch das Abhängen, bzw. Abkleben der Zimmertür erreichen.

Was ist mit Schäden beim Fenstertausch?

AntwortWelche Schäden der Fenstertausch anrichten kann, hängt vor allem von der Qualität und Umsicht des Fachbetriebs ab. Versierte Handwerker, die sauber und ordentlich arbeiten, werden darauf achten, die alten Fenster möglichst ohne Beschädigung von Putz, Tapete und anderen Innenausbauten zu entfernen. Einen entscheidenden Unterschied macht es zum Beispiel, ob die Fensterrahmen ausgesägt und in Teilen ausgebaut oder komplett herausgerissen werden. Im zweiten Fall ist mit Schäden an der inneren Laibung zu rechnen, die anschließend nachgearbeitet werden müssen.

Wir danken für das Gespräch.

Die Fragen stellte Redakteur Tobias Schmitt.