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OLG Köln zu dem Einwand eines mit der Erbringung von Planungsleistungen beauftragten Bauunternehmers, dass er nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse für die Erstellung einer fachgerechten Ausführungsplanung verfügt

OLG Köln zu dem Einwand eines mit der Erbringung von Planungsleistungen beauftragten Bauunternehmers, dass er nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse für die Erstellung einer fachgerechten Ausführungsplanung verfügt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Wird der Begriff „Ausführungsplanung“ in einem Bauvertrag verwendet, ist damit eine Ausführungsplanung i.S.v. § 15 Abs. 1, 2 HOAI 1996/2002 gemeint.
2. Übernimmt ein Bauunternehmer auch Planungsleistungen, muss die Planung mangelfrei sein, d. h. sie muss taugliche Grundlage für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks sein.
3. Ein mit der Erbringung von Planungsleistungen beauftragter Bauunternehmer kann nicht einwenden, dass er nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse für die Erstellung einer fachgerechten Ausführungsplanung verfügt. Notfalls hat er sich diese Kenntnisse durch den Einsatz von Sonderfachleuten zu verschaffen. Zumindest die einschlägigen DIN-Normen muss er kennen.
OLG Köln, Beschluss vom 09.03.2021 – 19 U 23/20

Gründe:

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 719.899,98 Euro nebst Zinsen abzüglich am 22.08.2018 gezahlter 2.119,58 Euro sowie am 04.10.2018 gezahlter 359.950,00 Euro verurteilt, sowie zur Zahlung weiterer 5284,37 Euro nebst Zinsen. Es hat weiterhin festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet ist, dies jedoch nur in Höhe von 80 %. Weiter hat es festgestellt, die Klägerin sei nicht verpflichtet, an die Beklagte eine Zahlung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 06.08.2018 – 17 O 203/09 – zu leisten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus §§ 631, 634, 281 BGB i.V.m. § 13 VOB/ B zu. Die Beklagte habe die ihr obliegende Werkleistung mangelhaft ausgeführt. Das Landgericht hat angenommen, die Beklagte sei zur Erbringung von Planungsleistungen verpflichtet gewesen, wofür es sich auf eine Vertragsauslegung bei besonderer Berücksichtigung des Wortlautes gestützt hat. Die Beklagte sei zur Erstellung einer Ausführungsplanung verpflichtet gewesen. Einschränkungen zum Leistungsumfang seien weder aus dem Leistungsverzeichnis, noch aus dem Angebot der Beklagten oder dem Nachunternehmervertrag ersichtlich, zumal im Nachunternehmervertrag ausdrücklich auf das Leistungsverzeichnis und das Angebot Bezug genommen werde. Wäre tatsächlich eine Beschränkung beabsichtigt gewesen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich zu regeln, was nicht geschehen sei. Es bestehe hiernach eine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der schriftlichen Vertragsunterlagen, die nicht erschüttert worden sei.

Der Sportplatz sei mangelhaft hergestellt worden. Das Landgericht hat sich insoweit auf die Feststellungen des Sachverständigen E. in den Verfahren 17 OH 23/07 und 17 O 203/09 gestützt, wobei es eine Bindungswirkung nach §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO angenommen hat. Die demgegenüber vorgebrachten Einwände der Beklagten seien unbeachtlich, griffen aber auch in der Sache nicht durch. Der Sachverständige E. sei korrekt vorgegangen.

Die Beklagte habe die ihr obliegende Pflicht zur Erstellung einer Ausführungsplanung verletzt. Zusätzlich habe die Beklagte Hinweispflichten bezüglich des Schichtenaufbaus verletzt. In dem Einbau eines Geotextils/einer Vliesschicht liege ein Mangel, da es sich durch Verschmutzungen zusetzen könne, was den Wasserdurchfluss zusätzlich erschwere. Dieser Planungsmangel sei der Beklagten jedenfalls teilweise anzulasten, nachdem der Streitverkündete bereits angeordnet habe, ein solches Vlies nicht einzubauen. Auch hinsichtlich des im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Schichtenaufbaus einer Nivellierschicht mit 1,5 cm falle der Beklagten ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Last, weil sie eine Hinweispflicht verletzt habe. Sie habe die Angabe des Leistungsverzeichnisses von 1,5 cm hinterfragen und überprüfen müssen. Dasselbe gelte für die übrigen festgestellten und im Leistungsverzeichnis bereits enthaltenen Planungsfehler.

Daneben seien auch Ausführungsmängel festzustellen. So sei ein erhöhter Schluffanteil vorhanden. Da dieser Anteil nach DIN 18035 nicht mehr als 7 % im eingebauten Zustand betragen dürfe, seien die vorliegend tatsächlich festzustellenden 15,65 % in der Ausgleichsschicht und bis zu 8,65 % in der Tragschicht als mangelhaft zu bewerten. Die Nivellierschicht habe nur eine Dicke von 1,5 cm aufweisen dürfen, erreiche tatsächlich aber bis zu 2,75 cm. Die ungebundene Tragschicht sei nicht mit einem Hartgestein der Körnung 2/32 sondern 0/32 hergestellt worden, was der DIN widerspräche. Auf die Widersprüchlichkeit des Leistungsverzeichnisses hätte die Beklagte hinweisen müssen. Auch für die Bedeckung der Drainstränge mit Lehmboden sei die Beklagte verantwortlich. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Streitverkündete B. mit Schreiben vom 14.08.2006 ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Oberflächen der Drainagegräben von schluffigen und lehmigen Bodenmassen freizuhalten seien. Das Landgericht hat einen Mitverschuldensanteil der Klägerin, die sich das Verschulden des Streitverkündeten B. zurechnen lassen müsse, von N01 % angenommen. Die Beklagte habe sehenden Auges ohne Vorliegen und ohne Erstellung einer Ausführungsplanung mit den Bauarbeiten begonnen. Dies sei ein gravierender Sorgfaltspflichtverstoß.

Das Landgericht hat einen insgesamt entstandenen Schaden in Höhe von 899.874,98 Euro angenommen. Eine Totalsanierung sei erforderlich/erforderlich gewesen. Die Beklagte habe 80 % der Kosten und damit 719.899,98 Euro zu tragen. Die Forderung sei zum einen in Höhe von 359.950 Euro durch Zahlung erloschen. Zudem habe die Beklagte in Höhe von 2.119,58 Euro erfolgreich aufgerechnet. Der Beklagten habe ein Anspruch auf Ersatz der von ihr für die Verfahren 17 OH 23/07 und 17 O 203/09 entrichteten Kosten aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses Nr. 4 vom 06.08.2018 aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zugestanden. Zu berücksichtigen sei, dass auch der Klägerin ein gegenläufiger Anspruch zustehe, mit dem sie aufrechne. Bei Ansatz der maßgeblichen Quote von 80 %, bzw. N01 %, verbleibe ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 2.119,58 Euro.

Soweit die Beklagte weiterhin in Höhe von 45.123 Euro aufrechne, greife dies nicht durch. Die Aufrechnung sei ausgeschlossen, da der weitergehende Werklohnanspruch nach § 641 Abs. 3 BGB nicht fällig sei. Das der Klägerin zustehende Zurückbehaltungsrecht übersteige den weiteren Werklohnanspruch.

Der zu Zif. 2 geltend gemachte Erstattungsanspruch bestehe in Höhe der auch insoweit maßgeblichen Quote von 80 %. Mit dieser Einschränkung sei auch der Feststellungsantrag begründet. Ferner sei auch der negative Feststellungsantrag begründet, da schlussendlich aufgrund der erklärten Aufrechnung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss keinerlei Ansprüche mehr bestünden.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie verweist zum Umfang der von der Beklagten geschuldeten Planungsleistungen auf die Abnahmeniederschrift vom 13.12.2006 (Anlage B 11), wonach der Vorbehalt formuliert worden sei „Vorlage Bestandsplan Sportplatz plus Entwässerung“ (Seiten 2, 3 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 332, 333 d. A.). Die DIN V 18035 Teil 7 sehe eine Nivellierschicht im eigentlichen Sinne nicht vor. Vielmehr solle hiernach die ungebundene Tragschicht zweischichtig hergestellt werden, wobei die Oberschicht gegebenenfalls mit einer Feinschicht der Körnung 0,3 mm oder 0,5 mm mit einer Dicke von weniger oder höchstens 5 mm auszugleichen sei. Die Anordnung einer Schichtdicke von 1,5 cm in 1.1.8.6 des Leistungsverzeichnisses verstoße gegen die genannten Bestimmungen der DIN, was auch der Sachverständige E. unter Zif. 4.3.4 seines Gutachtens vom 17.11.2008 so dargestellt habe.

Zu den Angaben zur Körnung des Hartgesteins bei der ungebundenen Tragschicht verweist die Beklagte darauf, der Sachverständige habe in seinem Ergänzungsgutachten vom 13.01.2010 unter Ziffer 4.2.2.4 darauf hingewiesen, dass die DIN V 18035-7 Zif. 4.4 keine Hinweise auf den Kornverteilungsbereich enthalte; stattdessen würden die Bestandteile auf d ≤ 0,063 mm begrenzt. Im Vorprozess habe das OLG Köln auf Seite 26 des Urteils vom 03.06.2014 es dahinstehen lassen, ob insoweit eine vertragswidrige Ausführung vorliege und es für maßgeblich erachtet, dass der missverständlich formulierte Text für diese Position nicht den Anforderungen der VOB/B an eine eindeutige Beschreibung der Leistung entspreche, worin ein Planungsfehler liege, den sich jedenfalls die Klägerin zurechnen lassen müsse (Seiten 7, 8 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 337, 338 d. A.).

Das Landgericht habe im Hinblick auf die Ausführungen zur geschuldeten Ausführungsplanung Sachvortrag der Beklagten nicht vollständig und zutreffend gewürdigt und Beweisangebote übergangen. Sie verweist darauf, im Schriftsatz vom 22.08.2019 sei vorgetragen worden, dass Sportflächen genehmigungspflichtig seien, weshalb der erteilten Genehmigung die notwendigen Planungsphasen vorangegangen sein müssten. Nach 15 Abs. 2 Nr. 3 HOAI (alte Fassung) müsse bei Entwurfs- und Genehmigungsplanung für ein Sportplatzgelände die Gründung und der Aufbau durchgeplant und eine genehmigungsfähige Lösung erarbeitet werden. In diesem Zusammenhang sei auf den im Straßenbau gängigen Begriff des Regelquerschnittes verwiesen worden. Die Planung der Schichten unterhalb der Sportplatzoberfläche sei deshalb nicht als Teil der Ausführungsplanung, sondern als Teil der Entwurfs- und Genehmigungsplanung anzusehen. Es sei gerade deswegen keine Ausführungsplanung mehr erforderlich gewesen, weil Schichtenaufbau und Regelquerschnitt bereits durch Entwurfs- und Genehmigungsplanung festgelegt worden seien (Seite 9 der Berufungsbegrün-dungsschrift), Bl. 339 d. A.). Das Landgericht habe den Sachvortrag, wonach der Aufbau des Sportplatzes im Leistungsverzeichnis unter den Zif. 01.1.03.1 bis 1.1.15.8 detailliert beschrieben worden sei, unberücksichtigt gelassen. Das Landgericht habe dem Sachvortrag nachgehen müssen, wonach der in den genannten Positionen des Leistungsverzeichnisses dokumentierte Sportplatzaufbau den Regelquerschnitt darstelle, welcher im Rahmen der Entwurfs- und Genehmigungsplanung zu erarbeiten sei (Seite 10 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 340 d. A.).

Das Landgericht vertrete die Auffassung, die Beklagte habe ihre Verpflichtung zur Erstellung einer Ausführungsplanung nicht erfüllt, zumal der von der Beklagten vorgelegte Ausführungsplan des Landschaftsarchitekten G. vom 04.08.2006 (Anl. B1) eine Ausführungsplanung nicht ersetze. Es erschließe sich aber nicht, weshalb der als Anl. B1 vorgelegte Ausführungsplan den Anforderungen an eine Ausführungsplanung nicht genüge (Seite 10 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 340 d. A.). Das Landgericht lasse außer Acht, dass die Leistung der Beklagten in der Herstellung eines Entwässerungssystem bestanden habe, und dass die Erbringung dieser Teilleistung eine hierfür gefertigte Ausführungsplanung vorausgesetzt habe, was von der Beklagten auch erbracht und abgerechnet worden sei (Seiten 11,12 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 341, 342 d. A.). Das Landgericht lasse unberücksichtigt, dass die Leistung der Beklagten abgenommen worden sei, ohne dass die Klägerin das Fehlen einer Ausführungsplanung gerügt habe (Seite 12 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 342 d. A.). Aus der Urteilsbegründung des Landgerichts ergebe sich nicht, welche Leistung die Beklagte im Rahmen der Ausführungsplanung nicht erbracht habe, bzw. welche sie hätte erbringen müssen (Seite 13 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 343 d. A.). Auch sei im Vertrag nicht auf die HOAI Bezug genommen worden (Seite 14 der Berufungsbegründungsschrift, Seite Bl. 344 d. A.). Geschuldet gewesen seien deshalb nur diejenigen Leistungen, die für eine mangelfreie Erstellung des Bauvorhabens erforderlich gewesen seien (Seite 14 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 344 d. A.). Auf Grundlage der Angaben im Leistungsverzeichnis habe die Beklagte eine über die Planung des Landschaftsarchitekten G. (Anl. B1) hinausgehende Planung nicht geschuldet (Seite 14 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 344 d. A.). Die Feststellung des Landgerichts, der Plan des Landschaftsarchitekten G. ersetze eine Ausführungsplanung nicht, werde unzureichend begründet – tatsächlich handle es sich um eine Ausführungsplanung (Seite 16 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 346 d. A.).

Fehlerhaft laste das Landgericht es der Beklagten allein an, dass die Wasserdurchlässigkeit der Ausgleichsschicht wegen des Schluffanteiles zu hoch sei. Es werde übersehen, dass schon die Anordnung, die Nivellierschicht mit einer Schichtdicke von 1,5 cm einzubauen, der DIN widerspreche, wie es auch der Sachverständige E. (Ergänzungsgutachten vom 13.01.2010, Zif. 4.3.1) dargestellt habe. Wäre diese Anordnung unterblieben, hätte sich die fragliche Ausgleichsschicht nicht über der Tragschicht befunden. Weiter übersehe das Landgericht, dass das Leistungsverzeichnis unter Zif. 01.1.08.6 zum Einbau der Nivellierfeinschicht vorsehe, die standfeste Verdichtung sei durch den Auftragnehmer nachzuweisen und müsse den erforderlichen Tragwerten von Aufbauten von Sportplatzkonstruktionen laut DIN 18035 entsprechen, so dass also die Klägerin nicht nur die Anordnung zum Einbau einer der DIN widersprechenden Ausgleichsschicht erteilt habe, sondern zusätzlich auch angeordnet habe, dass diese Ausgleichsschicht standfest zu verdichten sei (Seite 19 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 349 d. A.). Der erhöhte Schluffanteil sei auf die exakte Umsetzung der Vorgaben aus dem Leistungsverzeichnis zurückzuführen. Der Beklagten könne in diesem Zusammenhang vorgeworfen worden, keine Bedenken angemeldet zu haben; ihr könne aber nicht die Alleinverantwortung aufgebürdet werden (Seite N01 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 350 d. A.). Auch für den erhöhten Schluffanteil in der Tragschicht sei die Beklagte nicht alleinverantwortlich, zumal der Sachverständige ausgeführt habe, dass Feinteile aus der Ausgleichsschicht die Ursache dafür seien, dass in der Tragschicht ein geringfügig überhöhter Schluffanteil festgestellt worden sei (Seite 21 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 351 d. A.). Soweit das Landgericht hervorhebe, die Nivellierschicht sei zu dick aufgebracht worden, gehe es fehlerhaft davon aus, die einschlägige DIN verlange eine Schichtdicke von 1,5 cm. (Seite 22 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 352 d. A.). Es sei allein die fehlerhafte Vorgabe der Klägerin, wonach eine Feinschicht mit einer Dicke von 1,5 cm habe eingebaut werden sollen und standfest habe verdichtet werden sollen, die dazu geführt habe, dass die Ausgleichsschicht nahezu wasserundurchlässig gewesen sei. Dass dann bei Aufbringung der Feinschicht punktuell auch die sich aus dem Leistungsverzeichnis unter Zif. 01.1.08.6 ergebende Dicke überschritten worden sei, sei im Hinblick auf die generelle Unzulässigkeit einer Nivellierfeinschicht in der von der Klägerin vorgegebenen Form zu vernachlässigen (Seite 23 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 353 d. A.). Zu der teilweisen Überdeckung der Drainstränge mit Lehmboden lasse das Landgericht die Verantwortlichkeit der Klägerin außer Acht. Die Klägerin habe in Zif. 01.1.08.2 des Leistungsverzeichnisses vorgegeben, das Erdplanum nach Verlegung der Drainleitungen zu erstellen. Hierzu habe der Sachverständige E. unter Zif. 4.3.1 des Ergänzungsgutachtens vom 13.01.2010 herausgearbeitet, dass die nachträgliche Herstellung des Feinplanums die Ursache für Verschmutzungen und die Abdeckung der Drainstränge sei. Auch insoweit beschränke sich ein etwaiger Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten auf das Unterlassen der Mitteilung von Bedenken und Hinweisen (Seite 23,24 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 353, 354 d. A.).

Auf Grundlage der aufgezeigten fehlerhaften Feststellungen sei die vom Landgericht vorgenommene Abwägung der Verschuldensanteile nicht haltbar (Seite 24 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 354 d. A.).

Zum Umfang der Prüf- und Hinweispflicht verweist die Beklagte darauf, der Auftragnehmer müsse nur gegen offenkundige, im Rahmen seiner eigenen Fachkunde ohne weiteres ins Auge springenden Mängel Bedenken anmelden (Seite 29 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 359 d. A.). Am geringsten sei die Prüfungspflicht hinsichtlich der vorgesehenen Art der Ausführung anzusetzen, weil diese grundsätzlich dem Planungsbereich angehöre, in dem der Auftraggeber regelmäßig einen eigenen Fachmann, nämlich einen bauplanenden Architekten/Ingenieur, beschäftige. Der Umfang der Pflichten des Auftragnehmers werde zudem durch die Person des Auftraggebers bzw. die bei ihm tätigen Architekten oder Sonderfachleute begrenzt. Sei der Auftraggeber selbst Fachmann oder beschäftige er einen solchen, reduziere sich die Prüf- und Hinweispflicht eines Auftragnehmers auf offenkundige Fehler der Planungsunterlagen. Bei der Beklagten handele es sich um ein Bauunternehmen, das über keine speziellen Kenntnisse im Bereich der Geohydraulik bzw. der Hydrogeologie verfüge oder verfügen müsse; solcher Kenntnisse bedürfe es aber, um bewerten zu können, welche Auswirkungen die Anordnung einer Ausgleichsschicht in einer Stärke von 1,5 cm auf die Wasserdurchlässigkeit habe (Seite 30 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 360 d. A.). Der Verursachungsbeitrag einer vermeidbaren Fehlplanung des Architekten/Ingenieurs sei schwerwiegender zu beurteilen als der bloß unterlassene Bedenkenhinweis des Auftragnehmers (Seite 31 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 361 d. A.). Der erhöhte Schluffanteil in Tragschicht und Ausgleichsschicht, der Einbau eines Geotextil sowie die Überdeckung der Drainstränge könnten nicht zulasten der Beklagten als Ausführungsmangel berücksichtigt werden (Seite 33 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 363 d. A.). Jedenfalls müsse sich die Klägerin das Verschulden des Streitverkündeten B. als überwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen, so dass auf die Beklagte ein Anteil von höchstens 40 % entfalle (Seite 34 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 364 d. A.).

Der Regelquerschnitt Sportplatz – Kunstrasenfläche sei von dem Streitverkündeten Toni B. im Maßstab 1 : 10 zeichnerisch als Anlage zur Ausschreibung dargestellt worden (Seite 2 des Schriftsatzes vom 08.07.2020, Bl. 388 d. A.; Anlage B 12f, Bl. 389 d. A.). Dieser Regelquerschnitt sei bereits als Anl. 1 der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen E. vom 30.12.2010 in den Verfahren LG Köln 17 O2 103/0 9,17 OH 23/07 beigefügt gewesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 24. Januar 2020 – 17 O 270/18 – die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung der Beklagten abzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,

2. die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts zu verurteilen, an die Klägerin 899.874,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2017 abzüglich am 04.10.2018 geleisteter 359.950,00 Euro zu zahlen;

3. die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts zu verurteilen, an die Klägerin weitere 6.605,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2018 zu zahlen;

4. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu ersetzen, die dieser aus einer Inanspruchnahme durch die Stadt F. wegen Mängel des von der Beklagten errichteten Sportplatzes in F.-X., R.-straße N01, N02 F. noch entstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung gegenüber den Angriffen der Berufung. Dass die Beklagte eine Ausführungsplanung geschuldet habe, gehe schon aus dem Nachunternehmervertrag hervor. Es handle sich bei der von der Beklagten als Anlage B1 vorgelegten Landschaftsplanung nicht um eine Ausführungsplanung. Das Leistungsverzeichnis habe keine Planungsvorgaben dargestellt; die Beklagte sei unabhängig vom Umfang des Leistungsverzeichnisses zu einer Ausführungsplanung verpflichtet gewesen, dies auch schon deshalb, weil es im Leistungsverzeichnis an den für eine Ausführungsplanung erforderlichen Plandarstellungen gefehlt habe (Seite 4 der Berufungserwiderung, Bl. 394 d. A.). Die Klägerin bestreitet, dass die Regelquerschnittskizze Anlage B 12 der Anlage zur Ausschreibung beigefügt worden sei (Seite 4 der Berufungserwiderung, Bl. 394 d. A.). Das Vorbringen zur Abnahme sei irrelevant, weil es einer gesonderten Abnahme der Ausführungsplanung nicht bedurft habe (Seite 5 der Berufungserwiderung, Bl. 395 d. A.). Die Beklagte verkenne, dass sie etwaige Mängel des Leistungsverzeichnisses im Rahmen der Ausführungsplanung hätte korrigieren müssen (Seite 6 der Berufungserwiderung, Bl. 396 d. A.). Die Beklagte könne sich auch nicht auf Angaben im Leistungsverzeichnis berufen, soweit sie selbst von ihnen abgewichen sei, so etwa hinsichtlich der Dicke der Nivellierschicht von 1,5 cm, die tatsächlich mit einer Dicke von 2,75 cm hergestellt worden sei. Zur ungebundenen Tragschicht sei maßgeblich, dass die Beklagte den maximal zulässigen Anteil an Körnern die kleiner gleich 0,063 mm hätten sein müssen, überschritten habe. Hinsichtlich der Überdeckung der Drainstränge mit Lehm übersehe die Beklagte den Hinweis im Schreiben des Streitverkündeten B. vom 14.08.2006. Der Einbau des Geotextils sei auf nachhaltiges Drängen der Beklagten geschehen, weshalb sie sich auch insoweit nicht auf einen Planungsfehler der Klägerin berufen könne (Seite 7 der Berufungserwiderung, Bl. 397 d. A.). Die Prüf- und Hinweispflicht der Beklagten sei nicht auf offensichtliche Fehler beschränkt gewesen (Seite 7 der Berufungserwiderung, Bl. 397 d. A.). Die Klägerin habe mit ihrer Ausschreibung Unternehmen gesucht, die über Erfahrungen bei der Errichtung von Kunstrasensportplätzen verfügten. Sie sei davon ausgegangen, dass die Beklagte derartige Kenntnisse besitze, wenn sie ein Angebot einreiche (Seite 8 der Berufungserwiderung, Bl. 398 d. A.).

Mit ihrer Anschlussberufung verfolgt die Klägerin eine weitergehende Verurteilung der Beklagten und begründet dies damit, dass das Landgericht den Verschuldensanteil der Klägerin fälschlicherweise mit N01 % bemessen habe. Zutreffend sei, dass die Beklagte zu 100 % hafte.

II.

Die zulässige Berufung unterliegt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO der Zurückweisung im Beschlusswege, weil sie nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang begründet ist. An dieser, bereits mit Hinweisbeschluss vom 17.12.2020 mitgeteilten Bewertung hält der Senat auch nach nochmaliger Überprüfung unter Würdigung der hiergegen mit Schriftsatz der Beklagten vom 25.02.2021 (Bl. 465-476 d. A.) vorgebrachten Einwendungen fest.

1. Übereinstimmend mit dem Landgericht ist von der Mangelhaftigkeit des Gewerks der Beklagten auszugehen (§§ 634 BGB, 13 VOB/B), wobei der Schwerpunkt in Planungsmängeln liegt.

a) Die Beklagte war zur Ausführungsplanung verpflichtet.

Der Senat ergänzt die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur Vertragsauslegung dahin, dass der im Leistungsverzeichnis vom 11.04.2006 (Anlage B 2, Bl. 76-146 AH, dort Zif. 1.1.1.5, Bl. 84 AH) verwendete Begriff der Ausführungsplanung vom objektivierten Empfängerhorizont aus nur dahin verstanden werden konnte, dass hiermit eine Ausführungsplanung i. S. d. HOAI (§ 15 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 5 HOAI in der 2006 geltenden Fassung, im Folgenden: HOAI 2002) gemeint war (vgl. zur Bezugnahme auf die Leistungsbilder der HOAI: BGH, Urteil vom 26.07.2007 – VII ZR 42/05).

Das ergibt sich neben der Tatsache, dass das Leistungsverzeichnis von dem Ingenieurbüro eines der Geschäftsführer der Klägerin gefertigt wurde, vor allem aus dem Umfang des Leistungsverzeichnisses, der sich daraus ergebenden Dimension des Projektes und aus der Formulierung von Bewerbungsbedingungen dahin, dass Bewerber für den Sportplatzbau Referenzen über bereits erstellte Kunstrasenanlagen vorlegen sollten (Leistungsbeschreibung Anlage B 2, Bl. 78 AH), so dass nur mit Bewerbungen von Unternehmen mit ausgewiesener Erfahrung in diesem Bereich sowie mit größeren Bauprojekten zu rechnen war.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ein in der Branche bekanntes Unternehmen mit jahrzehntelanger Erfahrung auch mit Großprojekten ist, dessen Kompetenz nicht zuletzt darin zum Ausdruck kommt, dass es sich derzeit bei zweien der Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH um Ingenieure handelt; 2006 war es einer von zwei Geschäftsführern.

Bei dieser Sachlage konnte vom objektivierte Empfängerhorizont aus gesehen kein Zweifel bestehen, dass allen Beteiligten der Begriff der Ausführungsplanung als Begriff aus der HOAI bekannt war, weshalb er nur als in dem dort definierten Sinne verwendet verstanden werden konnte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Vertragsparteien in vorliegend zulässiger Weise für die Vergütung der Ingenieurleistungen eine von der HOAI abweichende Regelung trafen (Seite 13 f. der Berufungsbegründungsschrift, Seite Bl. 343 f. d. A.). Insoweit ist zwischen der Geltung des Vergütungsregimes der HOAI und der Verwendung ihrer Begrifflichkeiten zur Bestimmung des Vertragsgegenstandes zu unterscheiden. Der Einwand der Beklagten, die Geltung und Anwendung der HOAI sei zwischen den Vertragsparteien nicht vereinbart worden (S. 1-3, 6 des Schriftsatzes vom 25.02.2021, Bl. 465-467, 470 d. A.), geht deshalb ins Leere. Auch wenn die Regelungen der HOAI zwischen den Vertragsparteien vorliegend keine Anwendung finden, so sind doch die von der HOAI entwickelten Begrifflichkeiten in den Sprachgebrauch betroffener Marktteilnehmer übergegangen, weshalb einem Begriff wie „Ausführungsplanung“ nur dann ein von der HOAI abweichender Wortsinn würde beigelegt werden können, wenn die Vertragsparteien diesen eigenständig definieren würden oder sich aus den Rahmenumständen ein abweichendes Verständnis ergäbe, wofür vorliegend indes nichts ersichtlich ist.

Soweit die Beklagte gegenüber dieser Wertung einwendet, sie entbehre der Tatsachengrundlage, das Bestehen einer diesbezüglichen Verkehrssitte sei klägerseits nicht behauptet worden und ggf. bedürfe es einer Beweisaufnahme (S. 5 f. des Schriftsatzes vom 25.02.2021, Bl. 469 f. d. A.), greift dies nicht durch. Der Senat nimmt eine einzelfallbezogene Auslegung vor und berücksichtigt hierbei wertend den Sachvortrag der Parteien sowie allgemein- und gerichtskundige Tatsachen. So ist es nicht nur gerichts-, sondern auch offenkundig, dass mit größeren Bauprojekten beschäftigte Bauunternehmen und Planungsbüros häufig, d. h. zu einem nicht zwingend überwiegenden, aber doch erheblichen Anteil, Architekten oder /und Ingenieure beschäftigen, welche die HOAI kennen. Entscheidend für den vorliegenden Rechtsstreit ist nun allerdings nicht, inwieweit bei einem mehr oder weniger großen Anteil der Marktteilnehmer eine Vertrautheit mit Begrifflichkeiten der HOAI vorausgesetzt werden kann. Vielmehr kommt es für die Auslegung in Bestimmung des objektivierten Empfängerhorizontes darauf an, welchen Kenntnisstand die Klägerin bei der Beklagten annehmen konnte und musste. Sollte also der Beklagtenvortrag dahin zu verstehen sein, dass sie behaupten will, den mit der Führung der Vertragsverhandlungen und dem Abschluss des Vertrages mit der Klägerin betrauten Mitarbeitern der Beklagten seien die Begrifflichkeiten der HOAI nicht vertraut gewesen, so würde es hierauf nicht maßgeblich ankommen können, weil derartige Unkenntnis aus Sicht der Klägerin nicht erwartet werden konnte. Die Beklagte ist in der Region und in der Branche seit Jahrzehnten als in Großprojekten und öffentlichen Bauaufträgen erfahrenes Bauunternehmen bekannt und bewirbt sich als solches. Ausweislich ihrer Selbstdarstellung auf E-Mail-Adresse01 beschäftigt sie Ingenieure und bietet ausdrücklich Planungs- und Ingenieurleistungen an. Dass dann Verhandlungen und Vertragsschlüsse von Mitarbeitern vorgenommen werden, welchen die HOAI nicht vertraut ist, mag sein, kann und konnte aber niemand ahnen, konnte und musste also auch die Klägerin nicht ahnen.

b) Die Argumentation der Beklagten, eine Ausführungsplanung sei mit Rücksicht auf den Inhalt des Leistungsverzeichnisses nicht erforderlich gewesen (S. 9 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 339 f. d. A., S. 8 f. des Schriftsatzes vom 25.02.2021, Bl. 472 f.), es habe im Hinblick auf den Sportplatzaufbau keiner weiteren Planungsleistungen bedurft (S. 15, 18 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 345, 348 d. A.) oder sie habe eine Ausführungsplanung nur für das Entwässerungssystem geschuldet (S. 11 f., 16 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 341 f., 346 d. A.), geht mit Rücksicht auf den Vertragsinhalt fehl und findet in den Vertragsunterlagen keine Stütze.

Vielmehr unterstreicht die Aufnahme der Position „Ausführungsplanung“ in das Leistungsverzeichnis vom 11.04.2006 (Anlage B 2, Bl. 76-146 AH dort Zif. 1.1.1.5, Bl. 84 AH), dass dem Leistungsverzeichnis nur diejenige Bedeutung zukommen sollte, die § 1 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B ihm zuweist, nämlich als Grundlage für Angebotserstellung und Preisfindung zu dienen (vgl. nur Keldungs in Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Auflage 2020, § 1 VOB/B, Rn. 13 unter Verweis auf § 7 Abs. 1 VOB/A und Schranner in: Ingenstau/Korbion, § 7 VOB/A, Rn. 1 f.). Mit Aufnahme der Position „Ausführungsplanung“ in das Leistungsverzeichnis hat die Klägerin in kaum überbietbarer Deutlichkeit klargestellt, dass sie mit dem Leistungsverzeichnis zwar den Vertragsschluss vorbereiten, die Verantwortung für die Ausführungsplanung aber unabhängig vom Inhalt des Leistungsverzeichnisses vollständig dem Nachunternehmer aufbürden wollte.

Hierauf hat sich die Beklagte mit Aufnahme der Position in ihr Angebot vom 08.05.2006 (Anlage K 16, Bl. 74 Anlagenheft) eingelassen. Auch der schriftliche Nachunternehmervertrag vom 07.11.2006/21.02.2007 (Anl. K1, Bl. 1-15 Anlagenheft) bestätigt die Richtigkeit dieses Verständnisses des Vertragsinhaltes, zumal § 1 auch alle erforderlichen Planungsleistungen als Vertragsgegenstand definiert und mehrfach auf das Leistungsverzeichnis Bezug nimmt, ohne zu dessen Zif. 1.1.1.5 irgendeine Einschränkung oder Abweichung zu formulieren.

c) § 15 Abs. 1 Nr. 5 HOAI 2002 definiert Ausführungsplanung als das Erarbeiten und Darstellen der ausführungsreifen Planungslösung. § 15 Abs. 2 Nr. 5 HOAI 2002 ergänzt dies durch eine Beschreibung, die neben dem Durcharbeiten der Ergebnisse der Leistungsphasen 3 und 4 (stufenweise Erarbeitung und Darstellung der Lösung) unter Berücksichtigung städtebaulicher, gestalterischer, funktionaler, technischer, bauphysikalischer, wirtschaftlicher, energiewirtschaftlicher und landschaftsökologischer Anforderungen unter Verwendung der Beiträge anderer an der Planung fachlich Beteiligter bis zur ausführungsreifen Lösung auch die Erstellung vollständiger Ausführungs-, Detail- und Konstruktionszeichnungen mit den erforderlichen textlichen Ausführungen als Leistungsbestandteile nennt.

Der Wertung des Landgerichts, die Beklagte habe eine Ausführungsplanung nicht erstellt (S. 16 des angefochtenen Urteils unter Zif. 3 a), folgt der Senat nicht. Hierauf kommt es indes auch nicht an. Ebensowenig kommt es darauf an, inwieweit im Zuge der Abnahme das Fehlen einer Ausführungsplanung gerügt wurde (Seite 12 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 342 d. A., S. 9 f. des Schriftsatzes vom 25.02.2021, Bl. 473 f. d. A.). Entscheidend ist, dass das, was die Beklagte als Ausführungsplanung erbracht zu haben vorträgt, den Anforderungen an eine ordnungsgemäße – mangelfreie – Ausführungsplanung nicht genügt, sondern auch auf der Grundlage ihrer eigenen Angaben in der Berufungsbegründungsschrift an gravierenden Mängeln leidet. Da sich die Mangelhaftigkeit aus ihrem eigenen Vortrag ergibt, kommt es insoweit (entgegen der Ansicht der Beklagten, S. 8 f. des Schriftsatzes vom 25.02.2021, Bl. 472 f. d. A.) weder darauf an, inwieweit die Klägerin Elemente dieses Sachvortrages unbestritten gelassen hat, noch bedurfte es weitergehender sachverständiger Überprüfungen:

– Wie die Beklagte selbst vorträgt, ist im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen E. im Verfahren LG Köln 17 O 203/09 (vgl. S. 16 f. des Urteils des OLG Köln vom 03.06.2014, 22 U 185/11) davon auszugehen, dass die für Kunstrasensportplätze maßgebliche DIN V 18035 Teil 7 keine eigene Nivellierschicht vorsieht, sondern die zweischichtige Herstellung der ungebundenen Tragschicht, wobei die Oberschicht gegebenenfalls mit einer Feinschicht der Körnung 0/3 mm oder 0/5 mm in einer Dicke von weniger oder höchstens 5 mm auszugleichen ist (Seiten 2, 3 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 332, 333 d. A.). Dementsprechend hätte es der Beklagten in Erfüllung ihrer Vertragspflicht gegenüber der Klägerin oblegen, diesbezüglich in Abgrenzung zu der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Nivellierschicht mit einer Dicke von 1,5 cm (Zif. 1.1.8.6 des Leistungsverzeichnisses) eine Ausführungsplanung zu erstellen, die den genannten Anforderungen Rechnung trägt. Diesen Anforderungen genügt der Plan des Landschaftsarchitekten G. vom 04.08.2006 (Anlage B 1, Bl. 75 AH) nicht.

– Soweit die Berufung zur Körnung des Hartgesteins bei der ungebundenen Tragschicht darauf verweist, der Sachverständige habe in seinem Ergänzungsgutachten vom 13.01.2010 unter Ziffer 4.2.2.4 darauf hingewiesen, dass die DIN V 18035-7 unter Zif. 4.4 keine Hinweise auf den Kornverteilungsbereich enthalte, stattdessen würden die Bestandteile auf d ≤ 0,063 mm begrenzt (Seiten 7, 8 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 337, 338 d. A.), hätte es der Beklagten oblegen, diesbezüglich in Abgrenzung zu der missverständlich formulierten Position 01.01.08.5 des Leistungsverzeichnisses (S. 26 des Urteils des OLG Köln vom 03.06.2014, 22 U 185/11) eine Ausführungsplanung zu erstellen, die den genannten Anforderungen Rechnung trägt. Diesen Anforderungen genügt der Plan des Landschaftsarchitekten G. vom 04.08.2006 (Anlage B 1, Bl. 75 AH) nicht.

– Soweit die Berufung die im Leistungsverzeichnis unter Zif. 01.1.08.6 (Bl. 100 AH) vorgesehene und von der Beklagten ausgeführte standfeste Verdichtung der Nivellier-Feinschicht bezugnehmend auf die Ausführungen des Sachverständigen E. als gravierenden Fehler bewertet, welcher den erhöhten Schluffanteil mitverursacht hat (S. 19-21 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 349-351 d. A.), hätte es der Beklagten oblegen, diesbezüglich in Abgrenzung zu Position 01.1.08.6 des Leistungsverzeichnisses eine Ausführungsplanung zu erstellen, die den genannten Anforderungen Rechnung trägt. Diesen Anforderungen genügt der Plan des Landschaftsarchitekten G. vom 04.08.2006 (Anlage B 1, Bl. 75 AH) nicht.

– Mangelhaft war auch die Positionierung eines Geotextils oberhalb der Drainageleitungen (S. 26 f. des Urteils des OLG Köln vom 03.06.2014, 22 U 185/11). Es hätte der Beklagten oblegen, diesbezüglich in Konkretisierung zu Zif. 1.1.8.6 des Leistungsverzeichnisses eine Ausführungsplanung zu erstellen, die den Nichteinbau eines Geovlieses oder aber den Einbau unterhalb der Drainageleitungen vorsieht. Diesen Anforderungen genügt der Plan des Landschaftsarchitekten Kronenberg vom 04.08.2006 (Anlage B 1, Bl. 75 AH) nicht. Mit Schreiben vom 14.08.2006 (Anlage K 19, Bl. 166 Anlagenheft) und 01.09.2006 (Anlage K 21, Bl. 168 Anlagenheft) hat die Beklagte diesen Planungsfehler gerade nicht kompensiert, indem sie den Einbau eines Vlieses anregte, ohne zugleich eine Verlegung unterhalb der Drainageleitungen zu empfehlen.

– Soweit die Beklagte im Anschluss an Ausführungen des Sachverständigen E. rügt, Zif. 01.1.08.2 (Bl. 99 AH) habe fehlerhaft die Herstellung des Feinplanums nach Abschluss der Arbeiten an den Ver- und Entsorgungsleitungen vorgesehen und dieses Vorgehen habe die teilweise Überdeckung der Drainleitungen mit Lehmboden verursacht (S. 23 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 353 f. d. A.), hätte es ihr oblegen, eine Ausführungsplanung zu erstellen, die in Abgrenzung von Zif. 01.1.08.2 des Leistungsverzeichnisses eine andere Ausführungsreihenfolge vorsieht. Diesen Anforderungen genügt der Plan des Landschaftsarchitekten G. vom 04.08.2006 (Anlage B 1, Bl. 75 AH) nicht.

d) Soweit die Beklagte rügt, von ihr könnten keine speziellen Kenntnisse im Bereich der Geohydraulik bzw. der Hydrogeologie erwartet werden (S. 30 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 360 d. A.), ist zu entgegnen, dass von ihr genau diejenigen Kenntnisse erwartet werden mussten, derer es bedurfte, um den vorstehend erörterten Anforderungen genügend eine fachgerechte Ausführungsplanung für einen Kunstrasensportplatz zu erstellen. Soweit die Beklagte über diese Kenntnisse nicht verfügte, hätte es ihr oblegen, entweder von einer Bewerbung wegen Nichterfüllung der Bewerbungsvoraussetzungen abzusehen oder sich diese Kenntnisse notfalls durch Einsatz von Sonderfachleuten zu verschaffen. Allerdings sei auch angemerkt, dass ein wesentlicher Teil der Planungsmängel bereits durch einen Abgleich des Leistungsverzeichnisses mit den Festlegungen der DIN V 18035 Teil 7 hätte vermieden werden können. Eine Kenntnis der einschlägigen DIN-Normen musste in jedem Fall von der Beklagten erwartet werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 03.11.2004 – VIII ZR 344/03).

2. Soweit die Beklagte bezugnehmend auf V. (in: Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 4 Abs. 3 VOB/B, Rn. 84) das Gewicht von Planungsfehlern betont (S. 31-34 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 361-364 d. A.), ist ihr beizupflichten. Die Risiken fehlerhafter Planung sind vorliegend aufgrund der vertraglichen Risikozuweisung aber von der Beklagten zu tragen, da die Vertragsparteien die Ausführungsplanung als Teil der Hauptleistungspflicht der Beklagten definiert haben (s. o. unter Zif. II.1 a, b). In Zusammenhang mit den Fehlern des Leistungsverzeichnisses und der fehlerhaften – aber maßgeblich von der Beklagten herbeigeführten – Weisung zum Einbau eines Geovlieses ist der Klägerin nach Ansicht des Senats unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikozuweisung jedenfalls kein Haftungsanteil zuzuweisen, der oberhalb der vom Landgericht angesetzten 20 % läge.

3. Im Übrigen, d. h. insbesondere hinsichtlich der Nebenforderungen, der Feststellungsanträge und der Aufrechnungserklärungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug, die auch im Hinblick auf das Berufungsvorbringen keiner weitergehenden Ergänzung bedürfen.

4. Über die Anschlussberufung ist nicht zu entscheiden, da sie gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkungen verloren hat.

III.

OLG Stuttgart zu der Frage, ob die Aufforderung, einen Mangel unverzüglich zu beseitigen, für eine wirksame Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B genügen kann und zu der Frage der Beweislast, wenn ein Mangel der Werkleistung erst nach der Abnahme entdeckt wird

OLG Stuttgart zu der Frage, ob die Aufforderung, einen Mangel unverzüglich zu beseitigen, für eine wirksame Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B genügen kann und zu der Frage der Beweislast, wenn ein Mangel der Werkleistung erst nach der Abnahme entdeckt wird

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Aufforderung, einen Mangel unverzüglich zu beseitigen, kann für eine wirksame Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B genügen (vgl. zum Kaufrecht: BGH, IBR 2015, 330; BGH, IBR 2009, 644).
2. Wird ein Mangel der Werkleistung erst nach der Abnahme entdeckt, steht aber fest, dass er bereits im Zeitpunkt der Abnahme vorgelegen haben muss, trifft den Werkunternehmer die Beweislast für seine Behauptung, der Mangel sei durch eine Handlung des Bestellers zwischen Erstellung und Abnahme verursacht worden.
OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2022 – 10 U 96/22
vorhergehend:
LG Ravensburg, 31.03.2022 – 1 O 218/20

Gründe

I.

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerinnen Ansprüche nach zwei Leitungswasserschäden im Sommer 2018 gegen die Beklagte geltend.

Die Klägerin ist Gebäudeversicherer der im Jahr 2018 von der Beklagten neu errichteten Mehrfamilienhäuser ###-Straße ### und ### in ###. Versicherungsnehmerin sowie Bauherrin ist für das Objekt ###-Straße ### die ### und für das Objekt ###-Straße ### die ###.

Die Beklagte schloss mit den Versicherungsnehmerinnen und weiteren Gesellschaften am 20.04.2016 unter anderem für diese Gebäude einen Generalunternehmervertrag (Anlage K 1), wonach die Beklagte insgesamt 6 Gebäude und eine Tiefgarage schlüsselfertig zu erstellen hatte. Die Beklagte ließ Sanitärarbeiten durch die Streithelferin ### GmbH und Fliesenarbeiten durch die Streithelferin ### GmbH ausführen.

Am 13.7.2018 kam es zu einem Wasserschaden in der Wohnung 1.9 des Gebäudes Nr. ###, am 27.9.2018 zu einem Wasserschaden in der Wohnung 1.7 des Gebäudes Nr. ###3.

Die Klägerin übernahm für die Beseitigung der Folgen des Wasserschadens im Gebäude Nr. ### Kosten in Höhe von 55.927,93 € und für die Beseitigung der Folgen des Wasserschadens im Gebäude Nr. ### 46.992,13 €. Diese Beträge sind Gegenstand der vorliegenden Klage.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes 1. Instanz im Übrigen und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils 1. Instanz verwiesen.

A.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Nachdem die Bauleistungen für beide Objekte unstreitig abgenommen worden seien, liege die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels als Ursache der Wasserschäden bei der Klägerin. Diesen Beweis habe sie nicht führen können.

Das Gericht sei nach der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Wasserschaden im Gebäude ###-Straße ### von dem nicht ordnungsgemäß zusammengesteckten HT-Rohr am Ablauf in der Badewanne der Wohnung 1.9 ausgegangen sei. Nicht aufklärbar sei, weshalb das Rohr nicht ordnungsgemäß zusammengesteckt gewesen und wer hierfür verantwortlich sei. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass das Rohr durch die Mitarbeiter der Streithelferin ### fehlerhaft montiert worden sei. Es spreche nach der Beweisaufnahme einiges dafür, dass das Rohr zunächst korrekt montiert und später durch Verrücken der Badewanne auseinandergezogen wurde. Insbesondere der Zeuge ### habe einen besonders zuverlässigen Eindruck gemacht und sowohl die Montage des Rohrs als auch die Feststellungen nach dem Wasserschaden nachvollziehbar geschildert. Der Klägerin komme kein Anscheinsbeweis zu Gute, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Wasserschaden in einem neu errichteten Gebäude typischerweise auf einen Baumangel zurückzuführen sei.

Der Wasserschaden im Objekt ###-Straße ### sei von einem Loch in der Duschrinne der Wohnung 1.7 ausgegangen, dessen Verursacher nicht habe festgestellt werden können. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass die Duschrinne von vornherein mit dem Loch montiert worden sei. Dass dieses Loch durch eine herabfallende Fliesenscherbe verursacht worden sei, halte das Gericht für ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.

B.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Das Landgericht habe von der Klägerin angebotene Beweismittel nicht erhoben. Bei deren Erhebung hätte das Landgericht festgestellt, dass die für die Wasserschäden ursächlichen Mängel weder durch die Versicherungsnehmerinnen der Klägerin noch durch deren Mieter verursacht worden seien.

Hinsichtlich der Wohnung 1.9 im Gebäude Nr. ### habe der Zeuge ### die vom Landgericht aufgegriffene Vermutung geäußert, dass die Badewanne, bevor sie durch den Fliesenleger eingefliest worden sei, durch die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen versetzt worden sei, wodurch das Auseinandergleiten der Abwasserverbindung verursacht worden sei. Dies habe er daran erkannt, dass der Zulauf der Badewanne nicht mehr mittig, sondern ca. 7 cm nach links versetzt gewesen sei. Demgegenüber habe der Zeuge K. angegeben, dass es für die Positionierung der Badewannen und Duschen in allen Wohnungen des Hauses Nr. ### einen Termin gegeben habe, an dem neben dem Zeugen ### auch die Zeugen ### und ### teilgenommen hätten. Der Zeuge ### habe bestätigt, dass die Wanne der Wohnung 1.9 anhand der eingezeichneten Positionierung eingebaut worden sei und es danach keine Korrektur bei der Positionierung gegeben habe; auch der Zeuge ### habe bestätigt, dass ihm von einem späteren Versetzen der Badewanne nichts bekannt gewesen sei. Nach dem ursprünglichen Bauplan habe die Badewanne unmittelbar an die rechte Wand im Badezimmer angrenzen sollen, bei dem gemeinsamen Termin habe man festgelegt, die Wanne etwas weiter weg von der Wand zu positionieren. Der Zeuge ### habe ein Bild vorgelegt, das als Anlage zum Protokoll genommen worden sei und bestätigt, dass die Position der Wanne nach diesem Termin nicht mehr verändert worden sei. Tatsächlich sei die Wanne nach dem Ortstermin an der Stelle arretiert und dann mit Zuleitungs- und Abwassersystem verbunden worden. Die Badewanne sei exakt an der gleichen Stelle eingebaut worden, an der sie sich bei Entdeckung des Schadens befunden habe. Nachdem die Aussage des später vernommenen Zeugen ### von den Angaben der Zeugen ###, ### und ### abgewichen sei, habe die Klägerin im Schriftsatz vom 24.1.2022 ergänzend Stellung genommen und Beweis angetreten; diesen Beweisantritten hätte das Landgericht nachgehen müssen. Bei Erhebung dieser Beweise hätte das Landgericht festgestellt, dass die Badewanne entgegen der Angaben des Zeugen ### beim Besprechungstermin der Zeugen noch nicht fertig montiert gewesen sei; dann wäre das vom Zeugen ### behauptete spätere Verschieben der Wanne ausgeschlossen. Die Aussage des Zeugen ### weise weitere Widersprüche auf, die das Landgericht nicht berücksichtigt habe. Das Landgericht hätte zudem das von der Klägerin beantragte Gutachten zum Beweis dafür einholen müssen, dass ein Verrücken der Wanne um 10 cm nach deren Setzen und Anschluss nicht mehr möglich gewesen sei ohne Lösen und Wiederarretieren von Verschraubungen; die Zeugen ### und ### hätten angegeben, dass eine Badewanne nach Montage nicht mehr verschoben werden könne.

Das Landgericht habe zudem die Rechtslage verkannt: Es stehe fest, dass Ursache für den Wasseraustritt die nicht ordnungsgemäß verbundene Abwasserleitung gewesen sei. Daher stehe ein Mangel des Werks der Beklagten fest und die Beklagte müsse beweisen, dass sie dies nicht zu vertreten habe. Zudem komme der Klägerin der Anscheinsbeweis zu Gute: Stehe fest, dass ein Wasserschaden in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang nach der Durchführung von Installationsarbeiten eingetreten sei, könne nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises die Pflichtverletzung des Werkunternehmers gefolgert werden. Diesen Anschein habe die Beklagte nicht erschüttert. Zudem habe die Klägerin erstinstanzlich geltend gemacht, dass der Zeuge ### auch auf der Grundlage seiner Aussage den Anschluss noch einmal hätte überprüfen müssen, da ihm der Umstand, dass die Wanne nach dem Einmauern nicht mehr mittig, sondern um 10 cm versetzt gewesen sei, hätte auffallen müssen.

Im Hinblick auf die Wohnung 1.7 im Haus Nr. ### habe sich das Landgericht zu Unrecht darauf gestützt, dass der Zeuge ### angegeben habe, dass er die Duschrinne, deren Loch Ursache für den Wasserschaden war, unversehrt eingebaut habe. Der rechtliche Ansatz des Landgerichts sei auch insofern unzutreffend, da eine Pflichtverletzung aufgrund des Lochs in der montierten Duschrinne feststehe und der Klägerin auch insofern der Anscheinsbeweis zu Gute komme. Das Loch sei nicht durch die hierfür als Zeugen benannten ### und ### herbeigeführt worden und auch die Erstmieter hätten bestätigt, das Loch nicht verursacht zu haben. Das Loch sei erst entdeckt worden, nachdem der darin befindliche Bauschutt auf der Suche nach der Austrittsstelle entfernt worden sei, es müsse daher vor Übergabe der Wohnung an die Versicherungsnehmerinnen bestanden haben.

Eine ausdrückliche Abnahme sei nicht erfolgt, die Versicherungsnehmerinnen hätten die Protokolle der Übergabe an die Mieter der Beklagten übersandt. Die in 9.1. des Generalunternehmervertrags vorgesehene förmliche Abnahme habe nicht stattgefunden.

Die Klägerin bestreitet die von der Beklagten behauptete einvernehmliche Abstandnahme vom vereinbarten Schriftformerfordernis. Aus der Übersendung der Wohnungsübergabeprotokolle an die Mieter ergebe sich keine konkludente Abnahme. Es werde bestritten, dass die Wohnungsabnahmeprotokolle als Ersatz für eine förmliche Abnahme nach dem Bauvertrag vereinbart gewesen seien.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ravensburg, Aktenzeichen 1 O 218/20 verurteilt, an die Klägerin 102.920,06 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.10.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von den außergerichtlichen Gebührenansprüchen der Kanzlei K. in Höhe von 2.348,94 € freizustellen.

C.

Die Beklagte und ihre Streithelferinnen beantragen

Zurückweisung der Berufung.

1. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Im Hinblick auf den Wasserschaden in der Wohnung 1.9 des Gebäudes Nr. ### sei das Landgericht nicht verpflichtet gewesen, die Zeugen ### und ### erneut und den Zeugen ### erstmals zu vernehmen. Die Klägerin habe erstmals im Schriftsatz vom 24.1.2022 behauptet, dass die Wanne genau an der Stelle eingebaut worden sei, die bei einer gemeinsamen Besprechung festgelegt worden sei. Der Zeuge sei hierzu erstmals im Schriftsatz vom 24.1.2022 und damit verspätet benannt worden sei. Die Streithelferin ### habe bereits im Schriftsatz vom 25.5.2021 darauf hingewiesen, dass die Wanne ursprünglich korrekt über dem Ablauf gesetzt worden sei und dass nach Schadenseintritt festgestellt worden sei, dass sich die Wanne nicht mehr an der ursprünglichen Position mittig über dem Abflussrohr befunden habe. Die Klägerin habe daraufhin im Schriftsatz vom 6.7.2021 behauptet, die Festlegung der Wannenabstände sei für alle Wohnungen einheitlich getroffen worden und den Zeugen ### benannt. Den Zeugen ### hätte die Klägerin spätestens nach der Aussage des Zeugen ### am 8.11.2021 benennen müssen. Die übrigen Zeugen, auf die sich die Klägerin berufe, habe das Landgericht bereits vernommen. Mit den von der Klägerin geltend gemachten Widersprüchen habe sich das Landgericht auseinandergesetzt. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beweislast nach Abnahme die Klägerin treffe. Das Landgericht habe richtigerweise keinen Anscheinsbeweis zu Lasten der Beklagten angewendet. Die Beklagte hafte auch nicht aufgrund Verletzung einer Hinweispflicht, da weder sie noch ihre Subunternehmer bemerkt hätten, dass die Wanne nachträglich verrückt worden sei. Der Zeuge ### hätte dies auch nicht bemerken müssen.

Auch bezüglich der Wohnung 1.7 im Gebäude Nr. ### habe das Landgericht zutreffend keinen Anscheinsbeweis angenommen.

Aufgrund der Beweiskraft des Tatbestandes sei davon auszugehen, dass die Abnahme erfolgt sei. Diese Frage sei nie strittig gewesen. Die Zeugen ###, ### und ### hätten sich im April 2018 darauf geeinigt, dass die Wohnungen durch Übersendung der Übergabeprotokolle an die Mieter abgenommen werden sollten. Diese Individualvereinbarung gehe der Vereinbarung der förmlichen Abnahme im Bauvertrag vor. Dem stehe die doppelte Schriftformklausel nicht entgegen.

2. Die Streithelferin ### GmbH schließt sich diesen Ausführungen an und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts – insbesondere hinsichtlich des Zeugen ### – sei zutreffend. Die Klägerin habe dem Zeugen ### ihre Behauptung, es habe einen Termin gegeben, wie die Wannen zu setzen seien, vorgehalten.

3. Die Streithelferin ### GmbH verweist darauf, dass auch eine vereinbarte förmliche Abnahme eine konkludente Abnahme nicht ausschließe.

Der Zeuge ### habe angegeben, dass nur die Wannen in den oberen Etagen aus der mittigen Position versetzt worden seien; unten und insbesondere in der Wohnung 1.9 sei dies nicht mehr möglich gewesen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür gefunden worden, dass die nachträgliche Versetzung der montierten Wanne von der Beklagten veranlasst oder von ihr zu vertreten sei.

Bezüglich der Wohnung 1.7 habe der Zeuge das Gericht davon überzeugt, dass die Duschrinne beim Einbau unbeschädigt gewesen sei. Spätere Beschädigung durch Vandalismus habe die Beklagte nicht zu vertreten.

D.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ###, ### und ###.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes 2. Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

II.

Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form-und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind gewahrt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.

III.

Die Berufung ist nur hinsichtlich der durch den Wasserschaden im Gebäude Nr. ### verursachten Kosten begründet, der Klägerin steht hierfür ein Anspruch in Höhe von 54.927,93 € zu.Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, weil nicht feststellbar ist, dass die Beklagte bzw. ihre Subunternehmer für den Wasserschaden im Gebäude Nr. ### verantwortlich sind.

A.

Nachdem zwischen den Versicherungsnehmerinnen und der Beklagten die Geltung der VOB/B vereinbart und davon auszugehen ist, dass die Leistungen der Beklagten abgenommen wurden, sind die streitgegenständlichen Folgekosten der beiden Wasserschäden nach § 13 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 7 VOB/B ersatzfähig, sofern sie durch eine mangelhafte Leistung der Beklagten verursacht wurden.

1. Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht Gewährleistungsansprüche ihrer Versicherungsnehmerinnen aus dem Generalunternehmervertrag mit der Beklagten vom 20.4.2016 geltend. In § 2 Ziff. 2.2.19 ist die Geltung der VOB/B vereinbart (S. 19 der Anlage K1).

2. Es ist schon aufgrund der Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils davon auszugehen, dass die Leistungen der Beklagten abgenommen wurden.

Im unstreitigen Tatbestand (S. 2 des Urteils) wird ausgeführt, dass die Versicherungsnehmerinnen die Bauleistung der Beklagten abgenommen haben.

Auf das streitige Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren zur Frage der Abnahme kommt es nicht an, weil das Berufungsgericht gem. § 314 ZPO davon auszugehen hat, dass die Abnahme erfolgt ist.

Der Tatbestand des Urteils erster Instanz liefert gemäß § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der ersten Instanz. Diese Beweiswirkung erstreckt sich auch darauf, ob eine bestimmte Behauptung bestritten ist oder nicht (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 – I ZR 161/08 -; Versäumnisurteil vom 28. Juni 2005 – XI ZR 3/04 -). Dies gilt auch für sogenannte Rechtstatsachen. Die Rechtsprechung stellt tatsächlichen Umständen Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Feststellung rechtlich und tatsächlich schwierig sein kann. Maßgeblich ist allein das Ergebnis dieses Vorgangs (BGH, Urteil vom 13. März 1998 – V ZR 190/97 -; Urteil vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17 -, Rn. 22: z.B. Eigentum oder Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen).

Dies ist auch auf die Feststellung übertragbar, dass eine Werkleistung abgenommen wurde, sodass in der Berufungsinstanz als unstreitiger Vortrag aus 1. Instanz feststeht, dass eine Abnahme erfolgt ist.

Wie bei der Frage der Einbeziehung von AGB oder dem Eigentumsübergang bezieht sich auch die Frage, ob eine Werkleistung abgenommen ist, zwar auf einen tatsächlichen Vorgang, dessen Wirksamkeit aber nicht ohne eine rechtliche Wertung beurteilt werden kann. Der Begriff der „Abnahme“ im Werkvertragsrecht ist jedenfalls den professionellen Parteien eines Werkvertrags geläufig; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in diesem Zusammenhang auch darauf abzustellen, zwischen welchen Personen der Begriff verwendet wird (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17 -, Rn. 22: Verwendung des Begriffs der Einbeziehung von AGB durch einen Anwalt gegenüber einem Anwalt).

Der Bindung des Senats steht nicht entgegen, dass die Klägerin einen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt hat, den das Landgericht durch Beschluss vom 3.5.2022 zurückgewiesen hat. Denn nach erfolgloser Durchführung des Berichtigungsverfahrens nach § 320 ZPO kann zur Wahrung des Anspruchs der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör eine Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen nur dann mit der Verfahrensrüge gem. § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO geltend gemacht werden, wenn sich aus der den Berichtigungsantrag zurückweisenden Entscheidung ergibt, dass ihre tatbestandlichen Feststellungen widersprüchlich sind (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 – I ZR 161/08 -; BeckOK ZPO/Elzer ZPO § 314 Rn. 35 m.w.N.). Dies ist beim Beschluss des Landgerichts vom 3.5.2022 nicht der Fall, da darin ausgeführt wird, dass die Klägerin lediglich die mangelfreie Abnahme und nicht die Abnahme an sich bestritten habe. Das Landgericht hat den Berichtigungsantrag mit der zutreffenden Begründung zurückgewiesen, dass die Klägerin mit ihrem Tatbestandsberichtigungsantrag nicht ausreichend zwischen der rechtsgeschäftlichen Erklärung der Abnahme, also der Entgegennahme des Werks als im Wesentlichen vollständig und mangelfrei, und dem objektiven Vorliegen eines Mangels bei Abnahme unterschieden hat.

3.

Da das Berufungsgericht somit davon auszugehen hat, dass die Leistungen der Beklagten abgenommen wurden, richten sich die geltend gemachten Ansprüche nach § 13 VOB/B, auf den in § 10 des Generalunternehmervertrags (Anlage K1 S. 18) verwiesen wird; Abweichungen enthält der Vertrag nur hinsichtlich der Verjährungsfrist.

a. Soweit den geltend gemachten Kosten Mängelbeseitigungsmaßnahmen zu Grunde liegen, ist Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B, was voraussetzt, dass erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt wurde. Die Versicherungsnehmerinnen hatten die Beklagte mit Schreiben vom 8.8.2018 (Anlage K7) und 1.10.2018 (Anlage K8) aufgefordert, die Mängel im Zusammenhang mit dem jeweiligen Wasserschaden „umgehend“ zu beheben.

Dies genügt für die nach § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B erforderliche Fristsetzung: Der Bundesgerichtshof hat beim Verbrauchsgüterkauf die Aufforderung zur unverzüglichen / umgehenden Nacherfüllung ausreichen lassen (BGH, Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 176/14 -, Rn. 11; BGH, Versäumnisurteil vom 12. August 2009 – VIII ZR 254/08 -). Zwar wird gegen eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Werkvertragsrecht angeführt, dass diese Rechtsprechung auf der Verbrauchsgüterrichtlinie beruhe, die für den Werkvertrag nicht maßgeblich sei (BeckOGK/Kober, 1.7.2022, BGB § 634 Rn. 247 ff.). In den beiden zitierten BGH-Entscheidungen wird jedoch nicht ausdrücklich auf die Richtlinie Bezug genommen; in der Entscheidung VIII ZR 254/08 argumentiert der Bundesgerichtshof mit dem Wortlaut, demnach ist eine Frist ein Zeitraum, „der bestimmt oder bestimmbar“ ist (Rn. 10); auch der Zweck der Frist erfordere einen bestimmten Zeitraum nicht, da dem Schuldner mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden solle, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist (Rn. 11). Beide Argumente sind auf das Nacherfüllungsverlangen nach §§ 634 ff. BGB bzw. § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B übertragbar, was für eine Übertragung der Rechtsprechung des BGH spricht; hierfür spricht auch, dass im Werkvertragsrecht anerkannt ist, dass eine zu kurz gesetzte Frist nicht zur Unwirksamkeit des Nacherfüllungsverlangens führt, sondern eine angemessene Frist in Gang setzt. Daher genügen die beiden Schreiben den Anforderungen des § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B.

b. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Selbstvornahme umfasst nur die Kosten für die Beseitigung des Mangels und die dabei zwangsläufig entstehenden Schäden am sonstigen Eigentum des Auftragnehmers; Schäden an anderen Gewerken – auch des Auftragnehmers -, die in Folge des Mangels entstanden sind (Mangelfolgeschäden), sind als Schadensersatz nach § 13 Abs. 7 VOB/B ohne Fristsetzung ersatzfähig (Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 14. A., § 13 VOB/B Rn. 140 m.w.N.).

Die für die Wasserschäden ursächlichen Mängel stellen im Fall ihres Vorliegens bei Gefahrübergang wesentliche Mängel dar, die die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigen i.S.d. § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 1 VOB/B. Die Beklagte hat diese Mängel auch zu vertreten, wobei es nicht entscheidend ist, ob sie ein eigenes Verschulden trifft oder ein Verschulden ihrer Mitarbeiter / Subunternehmer vorliegt, das ihr nach § 278 BGB zuzurechnen wäre. Denn es handelt sich bei § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 1 VOB/B um eine vertragliche Regelung zur Haftung auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Deshalb muss gemäß § 280 Absatz 1 S. 2 BGB die Beklagte als Auftragnehmerin darlegen und gegebenenfalls nachweisen, dass sie den Mangel nicht schuldhaft herbeigeführt hat (Heiermann/Riedl/Rusam VOB/B § 13 Rn. 209; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 7. Aufl. 2020, VOB/B § 13 Rn. 492). Hierzu hat sie nichts vorgetragen.

Der Abgrenzung zwischen Selbstvornahmekosten und Mangelfolgeschäden kommt daher aufgrund der wirksamen Fristsetzung im Ergebnis keine Bedeutung zu.

B.

Im Hinblick auf den Wasserschaden in der Wohnung 1.9 des Gebäudes Nr. ### steht der Klägerin ein Anspruch i.H.v. 54.927,93 € aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerinnen zu.

1. Die Beklagte haftet für diesen Wasserschaden dem Grunde nach gem. §§ 13 Abs. 5 Nr. 7, Abs. 7 Nr. 3 S. 1 VOB/B.

Es steht fest, dass dieser Wasserschaden dadurch verursacht wurde, dass die Abwasserleitung der Badewanne in dieser Wohnung im Zeitpunkt der Abnahme nicht ordnungsgemäß verbunden war und die Beklagte konnte nicht zur Überzeugung des Senats beweisen, dass die Klägerin hierfür verantwortlich ist.

a. Das Landgericht hat nachvollziehbar und überzeugend festgestellt, dass Ursache für den Wasserschaden in dieser Wohnung ein nicht ordnungsgemäß zusammengestecktes HT-Rohr am Ablauf der Badewanne in der Wohnung 1.9. war. Diese Feststellungen werden in zweiter Instanz von keiner Seite angegriffen. Dieser Zustand stellt einen Mangel i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 VOB/B dar.

b. Dieser Mangel lag im Zeitpunkt der Abnahme vor, weshalb die Beklagte die Beweislast dafür trifft, dass dieser Mangel durch eine den Versicherungsnehmerinnen zuzurechnende Handlung nach Einbau der Badewanne verursacht wurde:

aa. Zwar ergibt sich der Zeitpunkt der Abnahme nicht aus den Feststellungen des unstreitigen Tatbestands im angefochtenen Urteil. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Abnahme im Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung und damit nach Einmauerung der Badewanne erklärt wurde. Denn eine Abnahme kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die Leistung des Werkunternehmers im Wesentlichen vollständig erbracht wurde. Davor ist lediglich eine Teil-Abnahme möglich, die aber dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils nicht zu entnehmen ist. Gemäß dem Generalübernehmervertrag schuldete die Beklagte die schlüsselfertige Errichtung des Gebäudes und damit – bezogen auf den vorliegenden Fall – nicht nur den Einbau der Badewannen und Duschrinnen, sondern auch die Einmauerung und die Verfliesung der Badewannen. Das Werk war fertiggestellt und abnahmefähig mit schlüsselfertiger Errichtung, also mit Übergabereife der Wohnungen.

bb. Unstreitig war das als Abflussrohr dienende HT-Rohr der Badewanne in der Wohnung 1.9 nach dem Einmauern der Badewanne nicht mehr zugänglich. Da weiter davon auszugehen ist, dass die Abnahme nach dem Einmauern erklärt wurde, muss der in der nicht ordnungsgemäßen Verbindung des HT-Rohrs liegende Mangel, der für den Wasserschaden in dieser Wohnung ursächlich war, bereits im Zeitpunkt der Abnahme vorgelegen haben.

cc. Wenn das Werk zum Zeitpunkt der Abnahme mangelhaft ist und dieser Mangel vor Abnahme durch den Auftraggeber verursacht worden wäre, würde für den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers § 645 Abs. 1 BGB gelten. In dieser Vorschrift geht es zwar um den hier nicht einschlägigen Vergütungsanspruch des Werkunternehmers. Wenn jedoch der Mangel auf eine Einwirkung des Auftraggebers oder aus dessen Sphäre zurückzuführen ist, steht dem Werkunternehmer gegen den Besteller/Auftraggeber gemäß § 645 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verschlechterung des Werks vor Gefahrübergang ein der Gewährleistung entgegenlaufender Schadensersatzanspruch zu (vgl. Grüneberg/Retzlaff, BGB, 82. A., § 645 Rn. 10; BeckOGK/Lasch, 1.10.2022, BGB § 645 Rn. 54; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 14. A., § 7 Rn. 16). Für die Pflichtverletzung des Auftraggebers, die in der Verschlechterung des Werks des Auftragnehmers aus der Sphäre des Auftraggebers zwischen Errichtung und Abnahme besteht, ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Auftragnehmer und damit hier die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet.

Die Beklagte trägt daher die Beweislast für ihre Behauptung, dass die Steckverbindung des Badewannen-Abflussrohrs von ihr ordnungsgemäß erstellt und noch vor dem Einmauern der Badewanne durch eine Handlung der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen wieder auseinandergezogen wurde.

c. Diese Überzeugung vermochte sich der Senat nach Wiederholung der Beweisaufnahme nicht zu bilden:

aa. Die Beklagte und die Streithelferin ### GmbH bringen vor, dass der für die Streithelferin tätige Zeuge ### das HT-Rohr beim Setzen der Wanne ordnungsgemäß zusammengesetzt habe. Dass das Rohr bei Öffnung der Wannen-Einmauerung nach dem Wasserschaden nicht mehr ordnungsgemäß zusammengesteckt gewesen sei, könne nur dadurch erklärt werden, dass die Wanne zwischen dem Setzen der Wanne durch den Zeugen ### und dem Einmauern der Wanne am Folgetag durch die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen verschoben worden sei mit der Folge, dass das HT-Rohr auseinandergezogen wurde.

Die Streithelferin ### GmbH hat vorgebracht, dass sich der Zeuge ### daran erinnere, dass die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen nach Einmauerung der Wanne in der Wohnung 1.9 die Anweisung gegeben hätten, dass die Wannen in den übrigen Wohnungen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingemauert gewesen seien, um 10 cm abweichend vom Plan gesetzt werden sollen; deshalb geht sie davon aus, dass die Wanne in der Wohnung 1.9 in der Zeit zwischen Setzen der Wanne durch den Zeugen ### und dem Einmauern verschoben worden sein müsse.

Die Klägerin trägt vor, dass die Festlegung der Abstände für die Wannen in allen Wohnungen gleichzeitig erfolgt sei, ein Plan hierzu sei ihr nicht bekannt. Nach dem Schluss der letzten Verhandlung beim Landgericht brachte sie im nachgelassenen Schriftsatz vom 24.1.2022 vor, dass die Position bei einem Termin auf der Baustelle mit den als Zeugen benannten ###, ###, ### und ### festgelegt worden sei; die Wanne in der Wohnung 1.9 sei zu diesem Zeitpunkt aufgestellt, aber noch nicht arretiert gewesen (Beweisantritt alle Zeugen außer ###, 255 LGA). Die Klägerin bestreitet, dass der Zeuge ### das Rohr ordnungsgemäß montiert habe; die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen hätten die Wanne nicht bewegt.

bb. In der mündlichen Verhandlung stellten die Parteien, nachdem der Senat ihnen die als Anlage Kl. BB2 vorgelegten Pläne vorgehalten hatte, unstreitig, dass sich die Wohnung 1.9, in der der streitgegenständliche Wasserschaden geschah, im 3. OG befindet und nicht, wie ursprünglich vorgetragen, im 1. OG.

aaa. Der Zeuge ### gab an, er habe jedenfalls die Wannen im 1. bis 3. OG nach einem Anruf der Bauleitung gesetzt; einen Plan hierfür habe es nicht gegeben, er habe die Wannen ohne Rücksprache so gesetzt, dass sich der Ablauf mittig unter der Armatur befunden habe. Er habe die Wannen befestigt, den Ablauf montiert und verbunden und durch Befüllen die Dichtigkeit geprüft. Dann sei er gegangen und habe dann die telefonische Aufforderung der Bauleitung erhalten, 2 Wannen um 7 bis 8 cm Richtung Tür zu versetzen. Er habe deshalb die Wannen im 2. und 3. Stock versetzt, während die Wanne im 1. Stock bereits eingemauert gewesen sei und er sie deshalb nicht mehr habe versetzen können. Diese Wanne habe er mittig montiert und nach rechts versetzt. Sie müsse daher verschoben worden sein, weil sich der Ablauf jetzt nicht mehr mittig unter der Armatur befinde. Auf Vorhalt, dass der Wasserschaden nach dem Vorbringen in der heutigen Verhandlung im 3. Stock gewesen sein müsse, erklärte er, dies nicht mehr nachvollziehen zu können, er sei davon ausgegangen, dass die von ihm nicht mehr versetzte, da eingemauerte Wanne diejenige im 1. Stock gewesen sei. Die Lage der Wanne in der Wohnung mit dem Wasserschaden sei nicht so, wie er sie ursprünglich gesetzt habe, sondern so, wie bei den anderen Wannen, die er nach dem Setzen verschoben habe. Er habe nur 2 Wannen versetzt; wenn nunmehr alle gleich positioniert seien, müsse die dritte von einer anderen Person versetzt worden sein.

bbb. Die Aussage des Zeugen ### ist nicht so überzeugend, dass der Senat hierauf die Überzeugung stützen könnte, dass die Wanne in der Wohnung 1.9 durch ein den Versicherungsnehmerinnen zuzurechnendes Verhalten verschoben wurde mit der Folge, dass dabei der Ablauf auseinandergezogen wurde.

Hiergegen spricht schon, dass der Wasserschaden nach dem unstreitigen Vorbringen in der Berufungsverhandlung im 3. OG war und nicht im 1. OG geschah und dass der Zeuge davon ausging, dass er die Wanne im 3. OG selbst um einige Zentimeter versetzt habe. Schon danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge das Ablaufrohr selbst durch das nachträgliche Versetzen auseinandergezogen hat – auch wenn er angab, er habe im Rahmen des Versetzens der beiden Wannen den jeweiligen Anschluss angepasst.

Gegen die Aussage des Zeugen ### spricht zudem, dass sich der Zeuge ### nicht an das nachträgliche Versetzen der Wannen erinnern konnte, obwohl er bei dem Bauvorhaben als Bauleiter der Beklagten eingesetzt war und der Zeuge ### erklärte, dass die Anweisung, die Wannen zu versetzen, vom Bauleiter gekommen sei; der Zeuge ### erklärte, er habe Herrn ### nicht angewiesen, Wannen zu versetzen. Er gab zudem an, dass eine solche Anweisung zu einem Regiebericht und zur Berechnung der dadurch verursachten Mehrkosten geführt hätte. Nachdem es unstreitig weder einen solchen Regiebericht gibt noch Kosten für diese vom Zeugen ### behauptete nachträgliche Anordnung berechnet wurden, spricht auch dieser Umstand gegen die Angaben des Zeugen ###.

Der Zeuge ### – einer der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen – gab an, dass die Position der Wannen bei einer Besprechung in der Wohnung 1.1 im 1. Stock festgelegt worden sei; dabei seien er selbst, Herr ###, Herr ### und Herr ### (ein weiterer Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen) anwesend gewesen. Eine nachträgliche Anordnung zum Versetzen von Wannen sei weder von ihm noch von Herrn ### gekommen. Er selbst habe keine Wanne verschoben, er sei Kaufmann und damals nicht handwerklich auf der Baustelle tätig geworden; dies habe ihm auch Herr ### versichert.

Somit haben die drei vernommenen Zeugen hinsichtlich der Frage, wie die Position der Wannen festgelegt wurden, jeweils unterschiedliche Angaben gemacht. Aufgrund der aufgezeigten Umstände, die gegen die vom Zeugen ### geschilderte Version sprechen, kann sich der Senat nicht die Überzeugung bilden, dass die streitgegenständliche Wanne durch die Geschäftsführer der Versicherungsnehmerinnen verschoben wurde, da es hierfür keine objektiv verifizierbaren Anhaltspunkte gibt; auch wenn es darauf auf Grund der Beweislastverteilung nicht ankommt, spricht letztlich mehr dafür, dass der Wasserschaden durch einen Montagefehler verursacht wurde.

ccc. Damit kann die Beklagte jedenfalls nicht beweisen, dass die zum Wasserschaden führende Undichtigkeit im Ablauf der Wanne in der Wohnung 1.9 durch ein den Versicherungsnehmerinnen zuzurechnendes Verhalten verursacht wurde.

d. Nachdem die Beklagte diesen Beweis nicht führen kann, hat der Senat davon auszugehen, dass der Wasserschaden durch einen im Zeitpunkt der Abnahme vorliegenden Mangel der von der Beklagten geschuldeten Werkleistung verursacht wurde. Die Beklagte haften daher für die durch den Wasserschaden verursachten Schäden gem. §§ 13 Abs. 5 Nr. 7, Abs. 7 Nr. 3 S. 1 VOB/B.

2. Die Klägerin macht 55.927,93 € für diesen Wasserschaden geltend, der in der Anlage K11 aufgelistet ist. Hiervon sind 55.927,93 € ersatzfähig:

Der geltend gemachte Betrag ergibt sich aus den in der Anlage K11 aufgelisteten Kosten (53.244,48 €) zzgl. der auf S. 8 der Klagschrift erwähnten nachträglichen Zahlung von 2.683,45 € an die Fa. ###.

Die Beklagte hat in der Klagerwiderung lediglich bestritten, dass bei Entdeckung des Schadens fast in der gesamten Wohnung die Innenwände im fußbodennahen Bereich, verdeckt durch Fußleisten, verschimmelt gewesen seien. Sie sah vorläufig ausdrücklich von einer Stellungnahme zur Höhe der Schäden ab und hat damit nicht bestritten, dass die sich aus der Anlage K11 und den damit vorgelegten Rechnungen im Einzelnen ergebenden Kosten durch den Wasserschaden verursacht wurden. Im Berufungsverfahren hat sie ausdrücklich klargestellt, dass sie die Schadenshöhe nicht bestritten habe (Schriftsatz vom 12.12.2022).

Die Streithelferin ### hat eingewandt, der in der Anlage K11 abgerechnete Aufwand von 2.052,75 € für eigenen Aufwand (der Versicherungsnehmerinnen) sei nicht ersatzfähig. Wie die Streithelferin auf diesen Betrag kommt, ist für den Senat nicht nachvollziehbar und die Streithelferin hat dies auch nach dem entsprechenden Hinweis in der Berufungsverhandlung nicht näher erläutert. Der Senat geht daher – wie in der Berufungsverhandlung erörtert – davon aus, dass sich dies auf die Position „Bauleitung ###“ (1.000 €) in der Anlage K11 bezieht. Nachdem die Klägerin nicht vorgetragen hat, welche Tätigkeit dieser Position zu Grunde liegt, ist ihr Vorbringen insofern unschlüssig und dieser Betrag nicht ersatzfähig.

Davon abgesehen ist die in der Anlage K11 enthaltene Auflistung unter Berücksichtigung der mit der Anlage K11 hierzu vorgelegten Belege nachvollziehbar, was einen Anspruch von (55.927,93 € ./. 1.000 € =) 54.927,93 € ergibt.

Nachdem die Klägerin aufgrund der bestehenden Gebäudeversicherung diese Kosten unstreitig übernommen hat, ist der Anspruch der Versicherungsnehmerinnen gegen die Beklagte gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen

C.

Hinsichtlich des Wasserschadens in der Wohnung 1.7 des Gebäudes Nr. ### ist die Berufung unbegründet, weil nicht feststellbar ist, dass dieser Wasserschaden durch einen Mangel verursacht wurde, der im Zeitpunkt der Abnahme bereits vorlag.

1. Auch bei dieser Wohnung ist davon auszugehen, dass die unstreitig vorliegende Abnahme der Leistungen der Beklagten spätestens bis zur Übergabe der Wohnung an den Mieter am 16.4.2018 erfolgt ist.

2. Das Landgericht kam zum Ergebnis, dass der Wasserschaden in dieser Wohnung durch ein Loch in der Duschrinne der Wohnung 1.7 verursacht wurde, dessen Verursacher nicht habe festgestellt werden können. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass die Duschrinne von vornherein mit dem Loch montiert worden sei. Dass dieses Loch durch eine herabfallende Fliesenscherbe verursacht worden sei, halte das Gericht für ausgeschlossen.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist hinsichtlich dieses Wasserschadens überzeugend und für das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 ZPO bindend. Das Berufungsgericht ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dies wäre dann der Fall, wenn das Erstgericht bei seiner Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hätte oder die Feststellungen fehler- oder lückenhaft wären (BGH NJW 2004, 1876, Rn. 8 ff.). Dahingehende Fehler des Erstgerichts bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben sich im Hinblick auf die Verantwortlichkeit für das Loch in der Duschrinne weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus der von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung durch das Berufungsgericht (vgl. BGH, NJW 2005, 983).

a. Dass Ursache für den Wasserschaden das auf dem Bild auf S. 201 der LG-Akte erkennbare Loch in der Ablaufrinne der Dusche war, hatte die Beklagte zwar erstinstanzlich bestritten, sie bestreitet dies jedoch in der Berufung nicht mehr. Die Ursache ist nach den Angaben der Zeugen eindeutig, zumal es unbestritten nach Austausch der Rinne keinen weiteren Wasserschaden in diesem Bereich gab.

Die Ablaufrinne befindet sich am Boden der Dusche, sie ist normalerweise durch eine Abdeckung verdeckt.

b. Das Landgericht kam zum Ergebnis, dass nicht feststellbar sei, dass dieser Mangel schon im Zeitpunkt der Abnahme vorlag. Die Überlegung der Zeugen ### und ###, dass das Loch durch eine herabfallende Fliese verursacht worden sei, könne ausgeschlossen werden, da die Form des Lochs hierzu nicht passe; vieles spreche dafür, dass eine deliktische Handlung vorliege, und es könne nicht aufgeklärt werden, zu welchem Zeitpunkt dies geschehen sei.

c. Die Klägerin macht mit der Berufung geltend, dass weder der Zeuge ### noch die Mieter das Loch eingeschlagen hätten. Das Loch sei erst entdeckt worden, nachdem der darin befindliche Bauschutt auf der Suche nach der Ursache des Wasserschadens aus der Rinne geräumt worden sei.

d. Wie und zu welchem Zeitpunkt das Loch in der Rinne entstand, ist ungeklärt, was zu Lasten dessen geht, den die Beweislast trifft – dies ist nach Abnahme die Klägerin:

Das Landgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass eine erhebliche Krafteinwirkung erforderlich sei, um das Loch zu verursachen. Auf dem Bild auf S. 201 der LG-Akte ist erkennbar – insbesondere bei Vergrößerung -, dass das Material um das Loch herum viereckig eingedrückt ist; das Landgericht hat die vom Zeugen ### vorgelegte Rinne in Augenschein genommen und festgestellt, dass eine deutliche Auswölbung nach unten erkennbar sei. Die Zeugen ### und ### gaben an, dass sie eine hineinfallende Fliesenscherbe für ausgeschlossen halten; dies wird in der Berufung auch von keiner Seite geltend gemacht und ist jedenfalls nicht feststellbar. Der Zeuge ### – der die Rinne als Mitarbeiter der Streithelferin ### eingebaut und bei der Entdeckung des Lochs dabei war – gab an, dass dies für ihn nur mutwillig erklärbar sei. Der Zeuge ### gab an, dass das Loch nach Entfernen der Abdeckung nicht sofort erkennbar gewesen sei, da aus der Rinne erst „Baudreck“ habe entfernt werden müssen. Wenn man davon ausgeht, dass in der Rinne noch „Baudreck“ lag und das Loch darunter verdeckte, würde dies zwar dafür sprechen, dass das Loch bereits vor Fertigstellung des Bades vorhanden war. Dagegen spricht allerdings, dass der Zeuge ### erklärte, dass mit der Baureinigung die Fa. ### beauftragt gewesen sei, die auch die Anweisung gehabt habe, die Abflüsse zu reinigen; zudem gab er an, dass den Mietern bei der Übergabe normalerweise gezeigt werde, wie das Haarsieb gereinigt wird, wozu die Abdeckung der Rinne geöffnet werden müsse. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass der Ablauf im vorliegenden Fall anders war als vom Zeugen ### als üblich geschildert. Daher hätte es nach Angaben des Zeugen ### bei normalem Ablauf zwei Gelegenheiten geben müssen, bei denen zumindest der „Baudreck“ in der Rinne (sofern er bei Übergabe an die Mieter schon vorhanden war) und möglicherweise auch das Loch hätten auffallen müssen. Berücksichtigt man dies, gibt es keine Möglichkeit, sich allein aufgrund des Vorhandenseins von „Baudrecks“ in der Rinne eine Überzeugung davon zu bilden, dass das Loch schon vor der Übergabe an die Mieter vorhanden gewesen sein muss.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich des Lochs in der Rinne ist daher überzeugend und der Senat ist gem. § 529 Abs. 1 ZPO hieran gebunden.

D.

Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten sind als Mangelfolgeschaden gem. § 13 Abs. 7 Nr. 3 S. 1 VOB/B ersatzfähig.

Die streitgegenständlichen Ansprüche wurden vorgerichtlich durch Anwaltsschreiben vom 23.9.2019 (Anlage K15) geltend gemacht. Die Beklagte kann diesem Anspruch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Klägerin angesichts des Vorhandenseins einer eigenen Rechtsabteilung für die Aufforderung zum Schadensausgleich auf keinen Anwalt angewiesen war. Der Umstand, dass eine Versicherung über eine Rechtsabteilung verfügt und Volljuristen beschäftigt, steht der Ersatzfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten im vorliegenden Fall nicht entgegen, da es um Ansprüche aus einem Bauvertrag geht und nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Versicherung Juristen beschäftigt, die mit der Materie des Baurechts vertraut sind.

Ersatzfähig ist eine 1,3-Gebühr zzgl. Auslagenpauschale aus einem Geschäftswert in Höhe des begründeten Anspruchs (54.927,93 €). Die geltend gemachte Mehrwertsteuer ist angesichts der sich aus der Rechtsform ergebenden Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin nicht ersatzfähig. Auf der Grundlage der bis 31.12.2020 geltenden Fassung des RVG besteht daher der geltend gemachte Freistellungsanspruch i.H.v. 1.642,40 €.

Verzugszinsen schuldet die Beklagte ab dem geltend gemachten Zeitpunkt (8.10.2019), da im Anwaltsschreiben vom 23.9.2019 (Anlage K15) eine Zahlungsfrist bis 7.10.2019 gesetzt wurde.

E.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91, 92, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10 S. 1,709 S. 2, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind: Die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind höchstrichterlich geklärt bzw. die Beurteilung hängen von auf den Einzelfall bezogenen Wertungsentscheidungen ab.

OLG Frankfurt zur Frage der Korrektur einer vergaberechtswidrigen Wertung in einer späteren Phase des Vergabeverfahrens

OLG Frankfurt zur Frage der Korrektur einer vergaberechtswidrigen Wertung in einer späteren Phase des Vergabeverfahrens

Ein Vertrauen der Bieter auf die Beibehaltung einer vergaberechtswidrigen Wertung ist nicht schützenswert. Die Vergabestelle kann deshalb grundsätzlich eine Wertung, nach der ein Bieter wegen fehlender Eignung ausgeschlossen wurde, in einer späteren Phase des Vergabeverfahrens korrigieren, wenn sie vergaberechtswidrig ist.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.2.2009, 11 Verg 16/08

Gründe

I. Die Antragsgegnerin gab am 4.10.2007 die Vergabe von Bauarbeiten für die Straßenbahnanbindung „A“ in der Stadt … europaweit bekannt. In einem Vermerk der mit der technischen Prüfung beauftragten Ingenieurgesellschaft vom 30.1.2008 „Prüfung und Wertung der Angebote zur Ausschreibung“ -(Bl. 219 ff. d.A.) – heißt es unter 2. Prüfung der Eignung in Bezug auf Bieter Nr. 9 ( Beigeladene): „ … Für die Tiefbauarbeiten in geschlossenen Bauweisen aus dem Los 3 liegt der entsprechende Nachweis nach RAL Gütezeichen Kanalbau VO nicht vor. Aus den vorgelegten Referenzobjekten sind solche Arbeiten nicht zu entnehmen, damit auch keine Fachkunde und Leistungsfähigkeit nachvollziehbar dargestellt. … “

Im selben Vermerk heißt es unter 8. Vergaberelevante Hinweise:

„Bieter 9 hat in einem Bietergespräch zu folgenden Punkten Aufklärung zu verschaffen: … Aufklärung über die Art der Ausführung der Tiefbauarbeiten in geschlossener Bauweise (siehe auch Kapitel 2 Eignung der Bieter) …“ In einem ebenfalls das Datum 30.1.2008 tragenden „Ergänzungsbericht (nach den Erläuterungsgesprächen)“ – (Bl. 238 ff. d.A.) – heißt es unter 3. Zusammenfassung der Ergebnisse Bieter Nr. 9:

„3.2 Aufklärung über zu erbringende Eigenleistungen und Nachunternehmerleistungen In einem Bietergespräch wurde die Bietergemeinschaft gebeten, nochmals einige Erläuterungen bzgl. einiger fachspezifischen Leistungen aus den Losen 1 bis 6 anzugeben, ob diese in Eigenleistung ausgeführt werden. … Bzgl. der Kanalbauarbeiten (offene Bauweisen) aus Los 3 und Los 4 teilte der Bieter im Erläuterungsgespräch mit, dass diese Arbeiten in Eigenleistung erbracht werden. Mit Schreiben vom 30.1.2008 (Anlage C) wurde durch den bevollmächtigten Vertreter der Bietergemeinschaft –Hr. B von C Bau – mitgeteilt, dass es der Bietergemeinschaft nicht möglich ist, die in Los 3 und 4 beschriebenen Kanalbauarbeiten ohne Nachunternehmer auszuführen. Wir möchten darauf hinweisen, dass aus formalen Gründen die Bietergemeinschaft aus dem Vergabeverfahren auszuschließen ist.

3.3 Aufklärung über Ausführung der Tiefbauarbeiten in geschlossener Bauweise
Wie auch in der Niederschrift zum Erläuterungsgespräch festgehalten ist, teilte die Bietergemeinschaft mit, dass diese Arbeiten in Eigenleistung ausgeführt werden. Im Rahmen des Erläuterungsgesprächs wurde seitens der Bietergemeinschaft mitgeteilt, dass die gewünschten Nachweise für die Tiefbauarbeiten in geschlossener Bauweise innerhalb der Unternehmen vorliegen. Seitens des AG erfolgte einvernehmlich die Einräumung einer Nachlieferungsfrist für die bisher nicht vorgelegten Nachweise bis 30.1.2008, 12:00 Uhr. In einem weiteren Schreiben vom 30.1.2008 (per Fax: Eingang 12.32 Uhr, siehe auch Anl. E) erfolgte die aus Sicht der Bietergemeinschaft als nicht verpflichtend angesehene Nachsendung der Nachweise zum Stollenbau. Der Nachweis der Fachkunde konnte auf der Basis der vorgelegten Unterlagen nicht eindeutig nachgewiesen werden, da die vorgelegten Unterlagen aus technischer Sicht die Art und den Umfang der ausgeschriebenen Leistungen nicht ausreichend sicherstellen.

Aufgrund der o.g. Punkte ist die Eignung des Bieters Nr. 9 für das Los 3 und 4 als nicht gegeben anzusehen.“

Abschließend heißt es in dem ergänzenden Bericht:

„5 Angebotsbeurteilung der Bieter Nr. 7 und 9 nach Erläuterungsgesprächen

Da der Bieter Nr. 9 sowohl aus den zuvor genannten formalen Gründen (s. Pkt. 3.2) und des fehlenden Eignungsnachweises für die Teilleistungen „Tiefbau geschlossene Bauweise“ ( siehe Punkt 3.3) aus dem Vergabeverfahren auszuschließen wäre, empfehlen wir die Vergabe der in den Losen 1 bis 6 ausgeschriebenen Leistungen an den auf Rang 2 liegenden Bieter…“.

Das in diesem Vermerk erwähnte Schreiben der C Bau GmbH & Co. KG vom 30.1.2008 (Anlage Bf. 3 = GA 76) lautet:

„… wir bedauern sehr Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir die von Ihnen geforderten Nachweise und Zertifikate für eigenes Fachpersonal, für die in Los 3 und 4 beschriebenen Stollenbauarbeiten nicht nachweisen können. Ebenso ist es uns nicht möglich, die in Los 3 und 4 beschriebenen Kanalbauarbeiten ohne Nachunternehmer auszuführen, welche wir bei Angebotsabgabe nicht benannt haben. …“

Das in dem Ergänzungsbericht erwähnte weitere Schreiben (Fax) der Beigeladenen vom 30.1.2008 enthält als Anlage eine Liste von Referenzobjekten zum Stollenbau.

Im Schreiben der Antragsgegnerin vom 31.1.2008, mit welchem sie der Beigeladenen mitteilte, dass deren Angebot aus der Wertung ausgeschlossen werden müsse, heißt es u.a. (Anl. Bf 5 = GA 78 f):

„Unabhängig von den Gründen des Ausschlusses möchten wir Sie darüber informieren, dass der Versuch des Nachweises der Fachkunde durch die von Ihnen per Fax 30.1. vorgelegten Unterlagen, weder eindeutig noch ausreichend ist, den in den Ausschreibungsunterlagen gestellten Anforderungen zu genügen“

In der Vorlage zu Punkt 4 der TO der Geschäftsführersitzung 06/2008 am 11.2.2008 (Anl. AG 6 – vertraulich) heißt es u.a. (dies zitiert die Antragsgegnerin):

„ Die auf Platz 1 liegende Bietergemeinschaft hatte keinen Nachweis zur Eignung und Fachkunde eingereicht und erhielt im Erläuterungsgespräch die Gelegenheit, den Nachweis zu erbringen. Dies ist der Bietergemeinschaft nicht gelungen, was zum formalen Ausschluss gemäß der VOB-Richtlinien führte.“

Mit Telefax vom 11.2.2008 (Bl. 39 VK) informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, sie beabsichtige deren Angebot nach Ablauf der Frist des § 13 VgV anzunehmen.

Unter dem 19.2.2008 (Bl. 40 VK) teilte die Antragsgegnerin den Bietern dann mit, die Ausschreibung werde aufgehoben, weil kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche, und ein anderer schwerwiegender Grund in Form der Unwirtschaftlichkeit einer Bezuschlagung bestehe.

Mit Telefax vom selben Tag (Bl. 41 VK) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ihr Angebot von der Wertung habe ausschließen müssen, weil sie nicht über das geforderte Zertifikat RAL-GZ 962 verfüge. Mit Schreiben vom 21.2.2008 (Bl. 43 VK) rügte die Antragstellerin die Aufhebung des offenen Verfahrens und machte geltend, ihr Angebot sei annehmbar und bezugschlagbar. Die Forderung eines Gütezeichens verstoße in einem europaweit durchgeführten Wettbewerb gegen das Diskriminierungsverbot, da es sich um eine rein nationale Zertifizierung handele. Der Nachweis habe überdies nicht verlangt werden dürfen, weil er nicht bereits in der Bekanntmachung gefordert worden sei. Der Grund für die Aufhebung des offenen Verfahrens sei in keiner Weise für sie nachvollziehbar. Da die Antragsgegnerin der Rüge nicht abgeholfen hat, leitete die Antragstellerin am 4.3.2008 ein Nachprüfungsverfahren ein.

Die Vergabekammer hat diese Nachprüfungsanträge mit Beschluss vom 22.4.2008 zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat durch Beschluss vom 15.7.2008 (11 Verg 4/08) diesen Beschluss der Vergabekammer (Az.: 69 d VK -12/2008) aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Ausschlussentscheidung gegenüber der Antragstellerin zurückzunehmen und die Antragstellerin wieder zum Vergabeverfahren zuzulassen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Antragsgegnerin habe die Antragstellerin zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, weil sie mit ihrem Angebot nicht auch den geforderten Gütesicherungsnachweis RAL-GZ 962 vorgelegt hat. Die Anforderung des Gütenachweises sei vergaberechtswidrig gewesen, der Ausschluss der Antragstellerin habe deshalb nicht auf den fehlenden Nachweis gestützt werden dürfen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 15.7.2008 (Anl. Bf 1 = GA 39 ff.) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat daraufhin beschlossen, die Aufhebung des offenen Verfahrens zurückzunehmen und das Verfahren in den Stand vor der erstmaligen Bieterinformation von Februar 2008 zurückzuversetzen. Zugleich hat sie den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zurückgenommen und unter dem 2.7.2008 der Antragstellerin mitgeteilt, sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, da es das wirtschaftlichste sei.

In einem Vermerk vom 29.7.2008 (Anl. AG 1 = GA 173) heißt es:

„…konnte sich die Vergabestelle bei der Prüfung der Unterlagen zulässigerweise nur auf die tatsächlich von den Bietern vorgelegten Unterlagen stützen. Diese Unterlagen stellten indes eine ausreichende Tatsachengrundlage für eine ordnungsgemäße Eignungsprüfung dar, insbesondere lagen zum Nachweis der jeweiligen Fähigkeiten jeweils zahlreiche Referenzen aus vergleichbaren Projekten sowie die Ausbildungs- und Qualifikationsnachweise der jeweiligen Mitarbeiter einschließlich der Eintragungen in das Berufsregister vor. Mithin waren unabhängig von den fehlenden formalen Nachweisen ausreichende materielle Nachweise für eine Prüfung und Feststellung der Eignung gegeben….“

Nachdem die Antragstellerin mit Telefax vom 4.7.2008 die beabsichtigte Zuschlagserteilung gerügt und die Antragsgegnerin der Rüge nicht abgeholfen hat, hat sie am 14.7.2008 ein weiteres Nachprüfungsverfahren eingeleitet.

Die Antragstellerin hat beantragt, 1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Bietergemeinschaft C/D-E zu erteilen, 2. hilfsweise, Zuschlag auf das Angebot der Bietergemeinschaft C/D-E zu erteilen, 2. hilfsweise, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen, 3. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist 4. die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 05.9.2008 zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss (Anl. Bf 2 = GA 62 ff.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt:

Der angefochtene Beschluss vermittle den unzutreffenden Eindruck, der Ausschluss des Angebots der Beigeladenen sei allein wegen des fehlenden RAL-Gütezertifikats erfolgt. Bei der formalen Wertung auf der ersten Wertungsstufe seien tatsächlich aber zahlreiche Gründe festgestellt worden, die gegen eine Eignung der Beigeladenen sprächen. Das Mitglied der Beigeladenen, die C GmbH und Co KG, habe zudem mit Schreiben vom 30.1.2008 selbst mitgeteilt, dass sie die geforderten Nachweise und Zertifikate für eigenes Fachpersonal für die in Los 3 und 4 beschriebenen Stollenbauarbeiten nicht nachweisen könne. Ebenso sei es ihr nicht möglich, die in Los 3 und 4 beschriebenen Kanalbauarbeiten ohne Nachunternehmer auszuführen, welche sie jedoch bei Angebotsabgabe nicht benannt habe. Dieses Schreiben habe die Antragsgegnerin bei der Wertung der Angebote gemäß Ziffer 3.2 ihres Ergänzungsberichts vom 30.1.2008 auch berücksichtigt und dementsprechend mit Schreiben vom 31.1.2008 die Beigeladene vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.

Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, nach Angebotsabgabe auftretende Hinweise auf die mangelnde Eignung eines Bieters zu berücksichtigen. Dies gelte erst recht für eigene Erklärungen des Bieters. Das Schreiben der C GmbH und Co. KG vom 30.1.2008 sei der Beigeladenen gemäß § 164 BGB zuzurechnen, da die C GmbH & Co. KG bevollmächtigte Vertreterin der Beigeladenen ist. Die Erklärung sei von der C GmbH & Co KG im Namen der Bietergemeinschaft abgegeben worden. Deshalb könnten sich die Aussagen über die mangelnde Eignung der in Los 3 und 4 beschriebenen Kanalbauarbeiten nur auf die Bietergemeinschaft insgesamt beziehen. Der Ausschluss des Angebots der Beigeladenen sei mithin erfolgt, weil sie selbst erklärt habe, die in Los 3 und 4 beschriebenen Kanalbauarbeiten weder selbst ausführen zu können, noch mit dem Angebot Nachunternehmererklärungen vorgelegt habe. Ein Zusammenhang mit den RAL-Zertifikaten bestehe nicht.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt vom 5. September 2008 – Az.: 69 d – VK – 39/2008 aufzuheben,
2. der Beschwerdegegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen,
3. hilfsweise die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die von dem angerufenen Senat festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die Anträge der Antragstellerin abzuweisen,
2. die Kosten des Nachprüfungsverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen,
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin notwendig war.

Die Antragsgegnerin trägt vor, nach der Rechtsauffassung des Senats dürfe sie die Gütezeichen RAL 961 und 962 von den Bietern mangels ausreichender

Bekanntmachung nicht fordern. Sie habe daher eine neue Eignungsprüfung auf der Grundlage der von den Bietern eingereichten Unterlagen durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Unterlagen sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beigeladene zur Ausübung der geforderten Leistungen in der Lage sei.

Insbesondere habe sich zweifelsfrei gezeigt, dass die Beigeladene die von den

Gütezeichen RAL 961 und 962 (Kanalbau in Stollenbauweise, Kabelleitungstiefbau)

Gütezeichen RAL 961 und 962 (Kanalbau in Stollenbauweise, Kabelleitungstiefbau)

umfassten Leistungen mit eigenem Fachpersonal auszuführen in der Lage sei, wie sich aus dem Vergabevermerk vom 29. Juli 2008 ergebe. Der seinerzeitige Ausschluss sei ausschließlich aufgrund der Tatsache erfolgt, dass die Beigeladene nicht über die geforderten Gütezeichen verfüge und die Leistungen deshalb nicht selbst erbringen konnte. Infolgedessen hätte sie die relevanten Leistungen nur mit Nachunternehmern, die über ein entsprechendes Zertifikat verfügen, erbringen können. Solche habe sie im Angebot nicht benannt. Andere Ausschlussgründe habe es nicht gegeben.

Die Vermerke der beratenden Ingenieursgesellschaft BGS vom 30.1.2008 seien nicht maßgebend, weil die Antragsgegnerin sich diese nicht zu Eigen gemacht habe. Die Einschätzung im Prüfbericht der externen Firma sei ihr nicht zuzurechnen. Die Antragsgegnerin habe allein aufgrund des Vergabevermerks vom 4.2.2008 (Anl. AG 5) und der Vorlage zu Punkt 4 der TO der Geschäftsführersitzung 06/2008 am 11.2.2008 (Anl. AG 6) entschieden. Dies ergebe sich aus der Ergebnisniederschrift zu dieser Sitzung (Anl. AG 7).

Maßgebend seien allein das fehlende RAL-GZ 961 (Tiefbauarbeiten in geschlossener Bauweise) und die fehlenden Nachunternehmernachweise gewesen. Über die materielle Eignung, die sich aus den Referenzen ergibt, habe sie sich keine irgendwie verfestigte Meinung gebildet. Dies belege die Vorlage zu Punkt 4 der TO der Geschäftsführersitzung 06/2008 am 11.2.2008 (Anl. AG 6). Im Gegensatz zum RAL-GZ 962 (Kabeltiefbauarbeiten), das der Antragstellerin fehlte, habe das RAL-GZ 961 (Tiefbauarbeiten in geschlossener Bauweise) eine deutlich größere Bedeutung gehabt, da eine 30 m lange Unterquerung einer verkehrsreichen Hauptstraße zu erstellen sei. Aus der Absicht, den Zuschlag der Antragstellerin trotz Fehlens des RAL-GZ 962 zu erteilen, könne daher kein Rückschluss auf die Willensbildung der Antragsgegnerin erfolgen.

Eine ergänzende Eignungsprüfung sei bis zum Zuschlag möglich. Jedenfalls aber könne die Verneinung der Eignung nicht auf die unzureichenden Referenzen gestützt werden, da nicht bekannt gemacht worden sei, dass deren Vorlage erforderlich ist. Maßgebend müssten daher die tatsächlich vorgelegten Unterlagen und nicht die geforderten Referenzen sein. Die Vergabestelle sei auch nicht an ihre ursprüngliche Beurteilung der Eignung gebunden.

Sie, die Antragsgegnerin, habe die vollumfängliche Eignung der Beigeladenen im Rahmen der neuen Eignungsprüfung positiv festgestellt. Tatsachen, die einer Eignung der Beigeladenen entgegenstünden, lägen nicht vor. Da die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, sei ihr der Zuschlag zu erteilen. Die neue Eignungsprüfung sei allein auf die von den Bietern schon mit dem Angebot eingereichten Unterlagen gestützt worden. Die Entscheidung über die Eignung der Beigeladenen sei auf Grundlage der als Anlagen AG 10a und 10b zur Akte gereichten Unterlagen erfolgt. Entsprechend sei bei der Antragstellerin an Hand der als Anlage 11a und 11b zur Akte gereichten Unterlagen verfahren worden. Die Feststellung sowohl der Eignung der Antragstellerin wie der Beigeladenen beruhe somit auf vergleichbaren Unterlagen.

Das Schreiben der C GmbH & Co. KG vom 30.1.2008 stehe dem nicht entgegen.

Es sei keineswegs in dem von der Antragstellerin behaupteten Sinne gemeint.

Andere Ausschlussgründe als das Fehlen der Gütezeichen RAL 961 und 962 habe es nicht gegeben. Damit stehe fest, dass die Beigeladene infolge des vom Senat vorgegebenen Verzichts auf das Gütezeichen RAL 962 selbst ausführen könne.

Die Beigeladene beantragt,

1. die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt vom 5. September 2008 – Az.: 69 d – VK – 39/2008 zurückzuweisen,
2. die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin aufzuerlegen,
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene notwendig war.

Die Beigeladene trägt vor, sie habe der Antragsgegnerin im Rahmen eines Bietergesprächs am 29.1.2008 dargelegt, dass alle im Leistungsverzeichnis beschriebenen Stollen- und Kanalbauarbeiten durch das Mitglied der Bietergemeinschaft D-E GmbH & Co. KG durchgeführt würden, weil das andere Mitglied, die C GmbH & Co. KG, nicht in der Lage sei, diese Arbeiten auszuführen.

Mitglied, die C GmbH & Co. KG, nicht in der Lage sei, diese Arbeiten auszuführen.

Die Antragsgegnerin habe daraufhin die D-E GmbH & Co KG aufgefordert, ihre Eignung zur Vornahme der im Los 3 und 4 beschriebenen Stollenbauarbeiten mittels Nachweisen und Zertifikaten zu belegen. Diesbezügliche Nachweise seien weder in den Verdingungsunterlagen noch in der Bekanntmachung gefordert worden. Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin sei deshalb als vergaberechtswidrig gerügt worden. Zusätzlich habe die C GmbH & Co. KG gegenüber der Antragsgegnerin nochmals bestätigt, dass sie mangels eigener fachlicher Eignung nicht in der Lage sei, die Arbeiten durchzuführen. Da dies nur die fachliche Eignung des ersten Mitglieds der Bietergemeinschaft betroffen habe, sei die Erklärung nicht auf dem Briefkopf der Bietergemeinschaft abgegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde (§§ 116, 117 GWB) hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Vergabekammer hat den zulässigen Nachprüfungsantrag zutreffend als unbegründet zurückgewiesen.

Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Absicht der Antragsgegnerin, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen, sei vergaberechtswidrig.

Die Antragsgegnerin durfte nach erneuter Prüfung die Eignung der Beigeladenen bejahen.

Die Antragsgegnerin war nicht gehindert, die Eignung der Beigeladenen erneut zu prüfen.

Welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Eignung maßgeblich ist, ist umstritten.

Teilweise wird vertreten, Eignungsgesichtspunkte könnten generell auch zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt werden.

Nach anderer Auffassung müssen die Kriterien der Fachkunde und der Zuverlässigkeit spätestens zum Zeitpunkt der Angebotswertung vorliegen (OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.12.2007, Verg W 21/07 zit. nach juris; zum Meinungsstreit vgl. etwa Müller-Wrede/Noch, VOL/A 2. Aufl. § 25 Rn. 189 ff.)

Nach einer weiteren Auffassung ist hinsichtlich aller Eignungsmerkmale im Interesse der Transparenz, der Gleichbehandlung und des fairen Wettbewerbs allein auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe abzustellen.

Unabhängig davon stellt sich hier die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine bereits durchgeführte Eignungsprüfung wiederholt und ggfs. revidiert werden kann.

Grundsätzlich ist der Auftraggeber an eine einmal getroffene Ermessensentscheidung zur Eignung eines Bieters gebunden (OLG Frankfurt, VergabeR 01, 243), wenn er in Ausübung seines Beurteilungsspielraums die Zuverlässigkeit, fachliche Eignung und Leistungsfähigkeit bejaht hat (Weyand, Vergaberecht, 2. Aufl., § 97 GWB Rn. 809 ff).

Eine erneute Eignungsprüfung kann allerdings geboten sein, wenn der Auftraggeber andernfalls einem ungeeigneten Bieter den Auftrag erteilen müsste.

Ein nach Angebotsabgabe eintretender Wegfall der Eignung ist danach stets beachtlich. Werden dem Auftraggeber nachträglich solche Umstände bekannt, so muss er seine Wertung wiederholen. Das Wettbewerbsinteresse bzw. das Interesse der Allgemeinheit daran, dass nur geeignete Unternehmen die Leistung ausführen, überwiegt gegenüber dem Vertrauensinteresse des Bieters (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.07.2003 Verg 11/03; Beschl. v. 5.5.2004 – VII Verg 10/04; Weyand, a.a.O. Rn. 809 ff).

Es ist darüber hinaus grundsätzlich unbedenklich und kann sogar geboten sein, eine Eignungsprüfung nachträglich zu korrigieren, wenn sich zwischenzeitlich aufgrund neuer Erkenntnisse herausgestellt haben sollte, dass die ursprüngliche Eignungsprüfung letztlich auf falschen Tatsachen beruhte (Weyand, a.a.O. Rn. 810 m.w.N.).

Das gilt grundsätzlich nicht nur für Umstände, die die bereits bejahte Eignung eines Bieters in Frage stellen, sondern muss umgekehrt auch Geltung eines Bieters in Frage stellen, sondern muss umgekehrt auch Geltung beanspruchen in Fällen, in denen die Eignung eines Bieters aufgrund „falscher Tatsachen“ zunächst verneint worden war. Denn der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehindert, im Zuge einer ihm durch die Nachprüfungsinstanzen aufgegebenen erneuten Angebotswertung bislang vorhandene Wertungsfehler zu beseitigen. Das gilt unabhängig davon, ob sie Gegenstand der betreffenden Nachprüfungsentscheidung waren oder nicht. Ein Vertrauen der Bieter auf Beibehaltung der bisherigen vergaberechtswidrigen Wertung ist rechtlich nicht schützenswert und deshalb schon aus Rechtsgründen nicht anzuerkennen (Weyand, a.a.O. Rn. 807 m.w.N.).

So liegt der Fall auch hier. Vorliegend war die Antragsgegnerin an ihre frühere Eignungsprüfung, aufgrund derer die Beigeladene ausgeschlossen wurde, nicht gebunden, weil sie vergaberechtswidrig war und auf falschen Voraussetzungen beruhte. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass die Forderung nach dem RAL – Gütezeichen 961 – wie der Senat für das Zeichen RAL 962 entschieden hat (Beschl. v. 15.07.2008 11 Verg 4/08). – vergaberechtswidrig war. Darüber hinaus war auch die Forderung nach weiteren Referenzunterlagen anlässlich des „Aufklärungsgesprächs“ am 29.01.2008 vergaberechtswidrig, so dass die nachgereichten Unterlagen ebenso wenig zur Eignungsprüfung hätten verwendet werden dürfen (VK Bund, Beschluss v. 04.09.2007, VK 1 – 89/07, IBR 2008, 43). Nicht – ordnungsgemäß – mit der Bekanntmachung geforderte Unterlagen, die ein Bieter gleichwohl vorlegt, darf der Auftraggeber für die Prüfung der Eignung jedenfalls zu Lasten eines Bieters nicht heranziehen.

Zwar ist die Beigeladene gegen ihren Ausschluss nicht mit einer Rüge bzw. einem Nachprüfungsverfahren vorgegangen. Die Vergabestelle kann aber – wie dargelegt – von sich aus Mängel des Verfahrens in einem späteren Stadium korrigieren, soweit sie dabei die allgemeinen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung beachtet. Gegen ihre Vorgehensweise, das (vergaberechtswidrig) ausgeschlossene Angebot der Beigeladenen wieder in die Wertung mit einzubeziehen, nachdem der Senat entschieden hatte, dass bei der Eignungsprüfung das RAL Gütezeichen nicht hätte berücksichtigt werden dürfen, sind vergaberechtliche Bedenken deshalb weder ersichtlich noch geltend gemacht worden. Auch die Antragstellerin hat nicht grundsätzlich gerügt, dass das Angebot der Beigeladenen überhaupt wieder in die Wertung einbezogen worden ist. Eine neue Eignungsprüfung der Beigeladene ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil sich die Beigeladene mit Schreiben vom 30.1.2008 unabhängig von den vergaberechtswidrig geforderten RAL-Gütezeichen selbst für ungeeignet erklärt hätte.

Das Schreiben der C Bau GmbH & Co. KG vom 30.1.2008 (GA 76) bezieht sich insgesamt nur auf die Kanalbauarbeiten in geschlossener Bauweise. Denn für die Kanalbauarbeiten in offener Bauweise hatte die Beigeladene das RAL-GZ 961 Anforderungen Gruppe AK1 und AK 2 mit den Angebotsunterlagen (Anlage 5.1) vorgelegt. Auch war Gegenstand des Erläuterungsgesprächs am 29.1.2008 nur der Nachweis der eigenen Fachkunde der Beigeladenen für die Ausführung der Kanalbauarbeiten in geschlossener Bauweise. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die C Bau GmbH & Co. KG der Antragsgegnerin durch das vorerwähnte Schreiben mitteilt, die Beigeladene könne weder die geforderten Zertifikate für eigenes Fachpersonal nachweisen, noch die Kanalbauarbeiten in geschlossener Bauweise mit RAL-zertifizierten Nachunternehmern ausführen, weil deren Benennung in den Angebotsunterlagen unterblieben ist.

Ausgehend davon bezieht sich auch die Feststellung unter 3.2 des Ergänzungsberichts vom 30.1.2008, wonach mit Schreiben vom 30.1.2008 (Anlage C) mitgeteilt worden sei, dass es der Bietergemeinschaft nicht möglich sei, die in Los 3 und 4 beschriebenen Kanalbauarbeiten ohne Nachunternehmer auszuführen, auf die Kanalbauarbeiten in geschlossener Bauweise. Insofern ist der sich an diese Feststellung anschließende Hinweis folgerichtig, dass aus formalen Gründen – nämlich wegen der fehlenden RAL-Zertifikate Anforderungen Gruppe VO für die geschlossene Bauweise – die Beigeladene aus dem Vergabeverfahren auszuschließen ist.

Aus dem Ergänzungsbericht vom 30.1.2008 (Punkt 3.3) wie aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 31.1.2008 (Anl. Bf 5 = GA 78 f), mit welchem sie der Beigeladenen mitteilte, dass deren Angebot aus der Wertung ausgeschlossen Beigeladenen mitteilte, dass deren Angebot aus der Wertung ausgeschlossen werden müsse, geht zwar hervor, dass die Eignung der Beigeladenen auch im Hinblick auf die mit dem weiteren Schreiben vom 30.1.2008 nachgereichten Unterlagen verneint wird.

Die Verwertung dieser nachgeforderten Unterlagen zum Nachteil der Beigeladenen war jedoch – wie ausgeführt – nicht zulässig, weil es der Vergabestelle grundsätzlich nicht erlaubt ist, Nachweise für die Prüfung eines Eignungsmerkmals heranzuziehen, die von den Bietern tatsächlich vorgelegt wurden, obwohl dies in der Bekanntmachung nicht gefordert war (VK Bund, Beschluss v. 04.09.2007, VK 1 – 89/07, IBR 2008, 43).

Der Vergabevermerk vom 29.7.2008 steht auch nicht im Widerspruch zu den früheren Feststellungen im Schreiben der Antragsgegnerin vom 31.1.2008. Die tatsächlich von den Bietern vorgelegten Unterlagen, auf die dieser Vermerk abstellt, sind nicht die mit dem Schreiben vom 30.1.2008 nachgereichten Unterlagen. Bei den zum Nachweis der jeweiligen Fähigkeiten vorgelegten Referenzen aus vergleichbaren Projekten sowie den Ausbildungs- und Qualifikationsnachweisen der jeweiligen Mitarbeiter handelt es sich vielmehr um die als Anlagen AG 10a und 10b zur Akte gereichten Unterlagen. Soweit ein Dokumentationsmangel darin begründet sein sollte, dass aus dem Vergabevermerk vom 29.7.2008 nicht ohne weiteres ersichtlich war, auf welche Unterlagen die Antragsgegnerin abgestellt hat, kann dies nicht zu Gunsten der Antragstellerin berücksichtigt werden, da diese einen Dokumentationsmangel nicht gerügt hat.

Die von Anfang an mit den Angebotsunterlagen eingereichten Eignungsunterlagen durfte die Antragsgegnerin – ebenso wie bei der Antragstellerin – als Erkenntnisgrundlage verwerten. Es lag im Rahmen ihres Prüfungsermessens, diese Unterlagen als eine ausreichende Tatsachengrundlage für eine ordnungsgemäße Eignungsprüfung anzusehen. Diese Unterlagen lagen zwar schon im Zeitpunkt der ersten Prüfung vor. Die erste Wertung, die zur Verneinung der Eignung der Beigeladenen führte, beruht jedoch nicht auf diesen Unterlagen, sondern – wie dargelegt – auf dem fehlenden RAL – Gütezeichen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren war angesichts der Komplexität des vorliegenden Falles für notwendig zu erklären. Für die Beigeladene folgt die Notwendigkeit, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, schon aus dem Gesetz (§ 120 Abs. 1 S. 1 GWB), weshalb es einer dahingehenden Tenorierung nicht bedurfte. Der Streitwert war gemäß § 50 Abs. 2 GKG festzusetzen (5% der Bruttoangebotssumme der Antragstellerin).

OLG Frankfurt zu der Frage der Wertung von Nebenangeboten bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte

OLG Frankfurt zu der Frage der Wertung von Nebenangeboten bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte

1. Da gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 VOB/A-EU Nebenangebote bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte nur dann gewertet werden können, wenn sie vom Auftraggeber ausdrücklich zugelassen worden sind, muss sich aus den Ausschreibungsbedingungen unter dem maßgeblichen Blickwinkel eines verständigen und sachkundigen Bieters hinreichend klar ergeben, ob und wenn ja, in welchem Umfang der Auftraggeber Nebenangebote zugelassen hat.

Die Vorschrift folgt einem völlig anderen Regelungsmechanismus, wie er für den Unterschwellenbereich im ersten Abschnitt der VOB/A gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A vorgeschrieben ist. Während der Auftraggeber dort angeben muss, ob er Nebenangebote nicht oder nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässt (andernfalls sie vom Bieter abgegeben werden durften und gewertet werden müssen), kann der Bieter hier nur dann auf eine Wertung seiner Nebenangebote hoffen, wenn der Auftraggeber Nebenangebote entweder uneingeschränkt oder eingeschränkt für den vom Bieter angebotenen Bereich ausdrücklich zugelassen hat (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 12 zu § 8 VOB/A-EU).

Ein Nebenangebot liegt vor, wenn ein Bieter eine von den Vertragsunterlagen abweichende Art der Leistung anbietet, unabhängig von dem Umfang und dem Gegenstand der Änderung. Eine Abweichung kann daher in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht erfolgen (Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, aaO., Rn 54 zu § 8 VOB/A; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.11.2011 – VII Verg 22/11, OLG Jena, Beschluss vom 21.9.2009, 9 Verg 7/09). Ein technisches Nebenangebot enthält eine abweichende Lösung von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen. Rechtliche Abweichungen betreffen in der Regel den Inhalt des Bauvertrags. Ein wirtschaftliches oder kaufmännisches Nebenangebot liegt beispielsweise im Angebot einer abweichenden Vergütungsform oder im Angebot bestimmter Preisnachlässe unter bestimmten Bedingungen, wie der Beauftragung mehrerer Lose (vgl. dazu Liebschwager in: Burgi/Dreher Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., Rn 8 zu § 35 VgV).

Der Auftraggeber kann bei der Zulassung von Nebenangeboten differenzieren, z.B. nur technische oder nur kaufmännische Nebenangebote zulassen bzw. diese auf bestimmte Teile der Leistung beschränken. Dies wird auch durch § 8 Abs. 2 Nr. 3 lit a) und b) VOB/A-EU verdeutlicht, wenn dort vorgeschrieben ist, dass der Auftraggeber anzugeben hat, in welcher Art und Weise Nebenangebote einzureichen sind und wenn ihm vorgeschrieben wird, Mindestbedingungen an Nebenangebote zu stellen.

Der Erklärungswert von Vergabeunterlagen richtet sich nicht nach dem subjektiven Verständnis des Antragstellers eines Nachprüfungsverfahrens, sondern nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, so dass der Senat die Unterlagen aus der Sicht eines verständigen, mit der Materie vertrauten Bieters auslegen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.6.2008 – X ZR 78/07 – Nachunternehmererklärung, Rn 10 bei juris).

2. Die Abgabe eines Pauschalpreisnebenangebots ist nicht zulässig, wenn der beabsichtigte Bauvertrag ersichtlich als Einheitspreisvertrag konzipiert war und wenn der Auftraggeber in der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (unter Verwendung des Formblatts 211 – EU) lediglich für einzelne Titel technische Nebenangebote, z.B. in Form eines alternativen Bauverfahrens, zugelassen und insoweit formale und qualitative Mindestanforderungen an die technische Ausführung gestellt hat.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2021 – 11 Verg 4/21

Gründe

I.

Mit EU-Bekanntmachung vom 23.10.2020 schrieb die Antragsgegnerin das streitgegenständliche Vergabeverfahren „A, Referenznummer der Bekanntmachung: B-…“ aus. Gegenstand der Ausschreibung ist der Kanalneubau des A in Stadt1-Stadtteil1 und Stadt1-Stadtteil2 in 4 Bauabschnitten.

Gemäß Amtsentwurf beinhaltet die Ausschreibung im Wesentlichen ca. 580 m offenen Kanalbau einschließlich Schachtbauwerken, einigen Anschlusskanälen, der Übernahme von Hausanschlüssen und Straßeneinläufen und der vollständigen Wiederherstellung der Oberflächen. Die Ausschreibung erfolgte im Offenen Verfahren. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.

Der Sammler entlang des X-Stadions (Bauabschnitt 2) soll aus Fertigteilen in offener Bauweise hergestellt werden, der Sammler in den Bauabschnitten 3 und 4 in Ortbetonbauweise. Gemäß Ziffer 6.2 der Angebotsaufforderung waren dazu Nebenangebote in folgendem Umfang zugelassen:

Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

Der Angebotsaufforderung lag das Formblatt 212 bei, wo es wörtlich wie folgt lautet:

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Das rund 300 Seiten lange Leistungsverzeichnis gliedert sich in Ordnungszahlen, Leistungsbeschreibung, Mengenansätze, Einheitspreis und Gesamtpreis, vereinzelt finden sich auch Positionspauschalpreise (Bl. 71 – 374 VA).

Die Antragstellerin stellte am 20. November 2020 unter anderen eine Frage zur Zulässigkeit der Nebenangebote, die ihrer Ansicht nach nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sind. In der Bieteranfrage heißt es wörtlich wie folgt:

„… Gemäß Ziffer 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe sind Nebenangebote nur für die Titel 30.10 und 40.41 zulässig. Liest man sodann jedoch weiter, sind Änderungen, die sich aus Nebenangeboten zu diesen Titeln ergeben, titelübergreifend in den betroffenen LV-Positionen abzubilden. Das resultiert daraus, dass die zulässigen Änderungen auch Einfluss auf weitere Titel der Ausschreibung haben. Denn bei genauerer Betrachtung ist durch die gemäß Mindestbedingungen zugelassenen Varianten die Mehrheit der ausgeschriebenen Titel (BE, Erdarbeiten, Abbrucharbeiten, Stahlbetonarbeiten, Bauwerke, Grundwasserhaltung, Wasserhaltung) betroffen. Demnach müssen Nebenangebote auch für andere Titel zulässig sein. Die in Ziffer 6.2 gewählte Formulierung ist widersprüchlich bzw. nicht eindeutig. Um ihr eine erforderliche Klarheit für den Wettbewerb zu schaffen, sollten die Mindestbedingungen so formuliert werden, dass klar benannt wird, wo keine Nebenangebote zulässig sind…“

Die Antragsgegnerin beantwortete die von der Antragstellerin gestellten Bieteranfragen durch Schreiben vom 23. November 2020 auszugsweise wie folgt:

„Die B hat für die auszuführenden Arbeiten das Leistungsbestimmungsrecht… Aufgrund der Auflagen bzw. Abstimmungen mit dem Stadionbetreiber wurden ausnahmsweise Fertigteile entlang des Stadions durch die B zugebilligt, da die Bauzeit in diesem Bereich verkürzt werden sollte. Ansonsten sind Ortbetonkastenkanäle auszuführen. Durch die nunmehr zeitlich verschobene Baumaßnahme in die Jahre 2021/2022 wurde unter weitestgehend Aufrechterhaltung der B Standards die Verlegung von Kastenkanalfertigteilen durch die B toleriert. Dafür können durch die Bieter Nebenangebote eingereicht werden. Diese Nebenangebote müssen selbstverständlich die sich ändernden anderen dafür notwendigen Leistungen erfassen (Erdarbeiten etc.). (Unterstreichung durch den Senat)“ (Anlage ASt 3).

Die Antragstellerin gab am 8.12.2020 fristgerecht ein Hauptangebot sowie sechs Nebenangebote ab. Das Nebenangebot 1 bezieht sich auf die Herstellung des Kanals im Bauabschnitt 3 und 4 (Titel 40.41) mit Hilfe von Fertigbauteilen anstatt Ortbetonbauweise und wird mit einer pauschalen Angebotssumme angeboten. Die Antragstellerin legte unter Ziffer 1.5 ihres Angebots dar, dass i. E. die alternative Bauweise Auswirkungen auf „fast jede(n) Titel des Leistungsverzeichnisses“ habe, weswegen es sich bei ihrem Nebenangebot um eine weitreichende Planungs- und Verfahrensänderung handle, „die nicht eins zu eins im LV des Amtsentwurfs abgebildet werden könne“ (Anlage ASt 4 Vergabekammerakte, im folgenden VKA). Deshalb fügte sie ihrem Nebenangebot 1 ein nach eigenen Positionsnummern umformuliertes Leistungsverzeichnis (Kurz-LV – N1) sowie die Aufstellung „Angebotserläuterung und Zuordnung“ bei, in der sämtliche Positionen des Amts-Leistungsverzeichnisses denjenigen des Nebenangebots zugeordnet werden, wobei das Nebenangebot etwaig entfallende Positionen explizit als solche ausweist (Anlagen ASt 21 + AStV 22 VKA).

Das Nebenangebot 2 ist eine optionale Ergänzung zum Nebenangebot 1 und hat einen alternativen Rohrvortrieb im Bauabschnitt 2 (Titel 30.10) zum Gegenstand, der ebenfalls mit einer pauschalen Angebotssumme angeboten wird, um die sich die Angebotssumme des Nebenangebots 1 erhöht (Anlage ASt 5 VKA).

Mit Schreiben vom 9. März 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass sie beabsichtige den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Hauptangebot der Antragstellerin sei nicht zu berücksichtigen, weil ein wirtschaftlicheres Nebenangebot der Mitbieterin vorliege. Das Nebenangebot 1 der Antragstellerin erfülle nicht die geforderten Mindestanforderungen, da es u.a. eine Pauschalierung der Gesamtsumme vorsehe, was den Vorgaben der Bekanntmachung widerspreche. Die Nebenangebote 2 – 6 seien als Option zum Nebenangebot 1 definiert und daher ebenfalls nicht zu werten (Anlage AST 7 VKA).

Einer entsprechenden Rüge der Antragstellerin half die Antragsgegnerin nicht ab, führte allerdings nun zur Begründung aus, dass die Nebenangebote der Antragstellerin aus formalen Gründen auszuschließen seien (Anlage AST 13).

Auf erneute Rüge der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin ihr unter Verweis auf eine gutachterliche Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 30. April 2021 mit, die eingereichten Nebenangebote seien als „nicht zugelassene Nebenangebote“ gemäß § 16 EU Nr. 5 VOB/A von der Wertung auszuschließen. Die Antragsgegnerin habe lediglich Nebenangebote für technische Alternativen zu den Titeln 30.10 und 40.41, nicht aber wirtschaftliche oder preisliche Nebenangebote, wie z.B. Pauschalpreisangebote zugelassen. Als solches stelle sich das Nebenangebot 1 der Antragstellerin dar. Die vorangegangenen Vergabeentscheidungen, bei denen der Ausschluss der Nebenangebote auf die Nichterfüllung von Mindestanforderungen bzw. auf formale Gründe gestützt wurden, werden durch diese Stellungnahme zurückgenommen (Anlagen AST 17 und 18).

Die Antragstellerin hat daraufhin ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Sie hat dazu vorgetragen, ein Ausschlussgrund nach § 16 EU Nr. 5 VOB/A liege hinsichtlich ihrer Nebenangebote 1 und 2 nicht vor. Die Antragsgegnerin habe in der Auftragsbekanntmachung und in ihrer Angebotsaufforderung Nebenangebote grundsätzlich zugelassen und in technischer Hinsicht eine Einschränkung nur in Bezug auf explizit benannte Bereiche vorgenommen. Pauschalpreis-Nebenangebote seien weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen ausgeschlossen worden. Dies lasse sich bei verständiger Würdigung auch aus der Formulierung in dem beigefügten Formblatt 212 entnehmen. Sie – die Antragstellerin – habe sich daran orientiert und im Nebenangebot 1 lediglich eine technische Alternative zu der im Titel 40.41 beschriebenen Leistung angeboten, wie es in der Ausschreibung schon vorgesehen worden sei. Dass dieser Alternative Auswirkungen auf nahezu alle anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses habe, ergebe sich aus dem damit geänderten Leistungsprofil. Dies sei auch bereits in der oben dargestellten Bieteranfrage problematisiert worden, die die Antragsgegnerin abschlägig beantwortet habe.

Durch das Kurz-Leistungsverzeichnis und die Konversionstabelle (Anlagen AST 21 und 22 VKA) habe die Antragstellerin der Antragsgegnerin eine Zuordnung der im Nebenangebot enthaltenen Leistungen zu den im ausgeschriebenen Leistungsverzeichnis enthaltenen Positionen ermöglicht. Ihre Nebenangebote erfüllten daher die Mindestvoraussetzungen. Es könne auch nicht angenommen werden, dass sich das Nebenangebot 1 als vollständig autarkes Nebenangebot darstelle. Daher seien die formalen Anforderungen gemäß § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 a VOB/A erfüllt.

Die Vergabekammer hat der Antragstellerin ursprünglich mitgeteilt, sie beabsichtige, ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage zu entscheiden, weil der Nachprüfungsantrag offensichtlich unbegründet sei. Das Angebot der Antragstellerin sei schon wegen § 16 Nr. 6 VOB/A – EU auszuschließen, weil sie mit ihrem Nebenangebot 1 unzulässigerweise ein zweites Hauptangebot abgegeben habe. Ferner ergebe sich ein Ausschlussgrund aus § 16 Nr. 5 VOB/A-EU, weil die Antragstellerin ein Pauschalpreisangebot eingereicht habe, obwohl dies nach den Ausschreibungsunterlagen nicht zugelassen worden sei (Bl. 226 f. VKA). Dem ist die Antragstellerin entgegengetreten.

Die Vergabekammer hat dann nach mündlicher Verhandlung den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin sei nicht gegeben, denn ihre Nebenangebote seien gemäß § 16 a EU Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Kammer hat es offengelassen, ob nach den Vergabeunterlagen tatsächlich auch ein Pauschalpreisvertrag zulässig gewesen wäre, so dass die Nebenangebote der Antragstellerin gegebenenfalls als wirtschaftliche Nebenangebote zu werten seien. Der Annahme eines Pauschalpreisvertrages erfordere jedenfalls eine eindeutige, darauf abzielende pauschalierte Pauschalierungsabrede, die sich hier in den Vergabeunterlagen nicht finde.

Unabhängig davon wäre die Antragstellerin nach Ansicht der Vergabekammer verpflichtet gewesen, ihre beiden Nebenangebote nicht nur nach Mengenansätzen sondern auch nach Einheitspreisen aufzugliedern, was hier nicht geschehen sei. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Antragstellerin das Risiko von Ausführungs- und Mengenabweichungen übernommen habe. In den Vergabeunterlagen seien Nebenangebote ausschließlich unter der Bedingung zugelassen worden, dass sämtliche Positionen bepreist würden. Es fehlten hier auch Preispositionen, die nicht als unwesentlich betrachtet werden könnten und bei denen eine Nachforderung von Unterlagen durch die Vergabestelle bzw. eine Aufklärung und Verhandlung über den Angebotsinhalt daher nicht möglich sei.

Die Vergabekammer sei nicht an die rechtliche Begründung gebunden, die die Antragsgegnerin für den Ausschluss der Nebenangebote gegeben habe. Der Ausschluss sei hier zwingend, so dass eine Ermessensentscheidung der Vergabestelle nicht in Betracht komme.

Die Antragstellerin hat gegen die abweisende Entscheidung der Vergabekammer, die ihr am 15. Juli 2021 zugestellt worden ist, mit dem am 30. Juli 2021 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wirft der Vergabekammer vor, ihren Prüfungsspielraum überschritten zu haben, indem sie die Nebenangebote wegen angeblich fehlender Preisangaben ausgeschlossen habe, ohne dass die Antragsgegnerin als Vergabestelle eine solche Beurteilung zuvor vorgenommen habe.

Der den Vergabekammern zustehende Prüfungsmaßstab beschränke sich gemäß § 168 Abs. 1 GWB auf eine reine Rechtskontrolle. Zweckmäßigkeitsüberlegungen müssten außen vor bleiben, weswegen die Vergabekammer ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle derjenigen des öffentlichen Auftraggebers setzen dürfe. Hier habe sich die Antragstellerin mit dem Nachprüfungsverfahren gegen den Ausschluss ihrer Nebenangebote gewehrt, den die Antragsgegnerin auf § 16 EU Nr. 5 VOB/A gestützt habe. Die Vergabekammer habe mit § 16 a EU Abs. 2 i.V. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A einen neuen Ausschlussgrund herangezogen, ohne zu beachten, dass dem Ausschluss von Angeboten nach dieser Vorschrift eine eigenständige Prüfung der Vergabestelle vorangehen müsse, die hier nicht durchgeführt worden sei. Ein Ausschluss nach dieser Vorschrift setze nämlich voraus, dass die Vergabestelle prüft ob (a) wesentliche Preisangaben überhaupt fehlen sowie (b) ob diese gegebenenfalls nachzufordern sind. Diesen Ausschlussgrund habe die Vergabestelle hier überhaupt nicht in Betracht gezogen, so dass es an einem entsprechenden Überprüfungsgegenstand für die Vergabekammer fehle.

Unabhängig davon sei ein Ausschlussgrund nach § 16 a EU Abs. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A hier auch nicht gegeben. Die rechtliche Bewertung der Vergabekammer sei falsch, denn im Hinblick auf die Prüfung von § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A liege dem angefochtenen Beschluss eine Fehlvorstellung zu Grunde. Die Antragsgegnerin habe in den Vergabeunterlagen nicht vorgegeben, das Nebenangebote in Mengenansätze und Einheitspreisen zu gliedern seien. In den oben bereits zitierten Teilnahmebedingungen werde unter Ziffer 4.3 vielmehr klargestellt, dass Nebenangebote, soweit sie Teilleistungen des Leistungsverzeichnisses beeinflussen, nach Mengenansätze und Einzelpreisen (und nicht nach Einheitspreisen) aufzugliedern seien (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme). Genau das habe die Antragstellerin mit ihrem Kurz- Leistungsverzeichnis des Nebenangebotes 1 auch getan und darüber hinaus der Antragsgegnerin eine Handreichung gegeben, in dem durch die Konversionstabelle eine Zuordnung der im Nebenangebot aufgeführten Einzelleistungen zu dem Amts-Leistungsverzeichnis vorgenommen worden sei.

Der Antragsgegnerin habe auch nicht vorgegeben, dass in den Nebenangeboten sämtliche Positionen „bepreist“ werden müssten. Vielmehr schreibe Ziffer. 6.2 der Angebotsaufforderung lediglich vor, dass sämtliche notwendigen Arbeiten sowie alle hierfür entfallenden bzw. zusätzlichen Leistungen, die im Hauptangebot beschrieben sind, positionsweise in dem Nebenangebot mit den entsprechenden Mengenvordersätzen zu erfassen und preislich darzustellen sind. Die Antragsgegnerin habe keine weiteren Anforderungen an die Art der Darstellung von Nebenangeboten gemacht, so dass nicht verlangt werden könne, dass die Bieter über eine Aufgliederung der notwendigen Arbeiten hinaus auch noch Einzelpositionen mit Einheitspreisen angegeben müssten.

Aus der Konversionstabelle ergebe sich, dass alle Positionen und damit alle Leistungen des Amtsleistungsverzeichnisses in ihrem Nebenangebot enthalten seien. Die Antragsgegnerin habe eine derartige Gestaltung des Angebotes ermöglicht, indem sie bereits in Ziffer 4.2 des der Angebotsaufforderung beiliegenden Formblatts 212 klargestellt habe, dass die Gliederung des Leistungsverzeichnisses nur beizubehalten sei, „soweit dies möglich“ ist. Dem sei die Antragstellerin auch nachgekommen, habe aber in ihrem Anschreiben klargestellt, dass durch die alternative Ausführung der Leistung gem. Ziffer 40.41 des Amts-LV mit Fertigbauteilen Änderungen bei fast jedem Titel des Leistungsverzeichnisses einträten und dass deswegen ein exaktes „Runterbrechen“ der veränderten Leistungen auf die Positionen nicht in Gänze möglich sei. Besondere Eile in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung sei nicht gegeben, es sei auch nicht ersichtlich, dass die zu erbringende Leistung durch eine verzögerte Realisierung gefährdet wäre.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und hat vorgebracht, die Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin müssten vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, denn dort habe es die Antragstellerin versäumt, beide Nebenangebote nicht nur nach Mengen, sondern auch nach Einheitspreisen aufzugliedern. In den Vergabeunterlagen seien Nebenangebote ausdrücklich nur unter der Bedingung zugelassen worden, dass sämtliche Leistungen mit den entsprechenden Mengenvordersätzen positionsweise erfasst und preislich dargestellt würden. Dies habe die Antragstellerin versäumt. Die Antragsgegnerin trägt weiter vor, sie habe sich im Vergabeverfahren ausdrücklich vorbehalten, eine Preisermittlung auf Einheitspreisebene vorzunehmen. Sinn und Zweck sei es gewesen, jeder einzelnen Leistung einen nachvollziehbaren Preis zuzuordnen, damit etwaige Mengenanpassungen oder anderer Nachträge preislich korrekt bewertet werden könnten. Mit den von ihr ausgeschlossenen Nebenangeboten 1 und 2 in der Antragstellerin sei dies nicht möglich.

Der Senat hat zum einen die Fa. E zum Beschwerdeverfahren beigeladen und dieser Einsicht in die wesentlichen Unterlagen des Vergabenachprüfungsverfahrens gegeben. Ferner hat der Senat durch Beschluss vom 6. September 2021 antragsgemäß die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert und der Antragstellerin Einsicht in das geschwärzte Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen gewährt.

Die Antragstellerin wiederholt ihren Vorwurf, die Vergabekammer habe § 16a Abs. 2 VOB/A-EU nicht als Ausschlussgrund heranziehen dürfen, weil dies voraussetze, dass die Vergabestelle nach einer technischen Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich die Änderungen im Nebenangebot 1 hinsichtlich der Mengen, Qualitäten und Preise auf die Einzelpositionen im Amtsentwurf auswirken. Eine solche Prüfung sei nicht erfolgt und habe auch von dem Verfahrensbevollmächtigen der Antragsgegnerin mangels hinreichender Fachkenntnis nicht durchgeführt werden dürfen. Die Antragstellerin untermauert ihren Sachvortrag durch ein Privatgutachten des Bausachverständigen C (Anlage Bf 2).

Der direkte Vergleich der angebotenen Leistungen belege ferner, dass das von der Beigeladenen zum Titel 40.41 des Leistungsverzeichnisses vorgelegte Nebenangebot von der Wertung ausgeschlossen werden müsse, weil ihm eine titelübergreifende Darstellung der entfallenden und der zusätzlichen Leistungen fehle und es namentlich nicht berücksichtige, dass sich durch die Umstellung von Ort- auf Fertigbeton die Preisgestaltung für andere Titel des Leistungsverzeichnisses, wie z.B. des Titels 20 „Erd- und Verbauarbeiten“ zwingend ändern müsse. Im Hinblick auf die Frage, ob kaufmännische Nebenangeboten zugelassen worden seien, verweist die Antragstellerin nochmals auf Ziffer II.2.3. der Vergabebekanntmachung (Anlage AST 1 VKA), wo sich keine entsprechende Differenzierung finde.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 8. Juli 2021 aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, den Ausschluss der Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin in dem Vergabeverfahren „A, Referenznummer der Bekanntmachung: B-…“ zurückzunehmen und der Antragsgegnerin aufzugeben, das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen und die Prüfung und Wertung der Angebote unter Einbindung der Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin zu wiederholen,

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin erforderlich war und

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Vergabekammer habe ihre Prüfungskompetenz nicht überschritten, denn sie habe auf Grundlage der von ihr als richtig angesehenen tatsächlichen Sacherwägungen der Antragsgegnerin lediglich eine andere rechtliche Wertung vorgenommen, was ihr unbenommen sei. Die Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin müssten vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, denn dort habe es die Antragstellerin versäumt, beide Nebenangebote nicht nur nach Mengen, sondern auch nach Einheitspreisen aufzugliedern. Die Antragsgegnerin habe sich im Vergabeverfahren ausdrücklich vorbehalten, eine Preisermittlung auf Einheitspreisebene vorzunehmen. Sinn und Zweck sei es gewesen, jeder einzelnen Leistung einen nachvollziehbaren Preis zuzuordnen, damit etwaige Mengenanpassungen oder anderer Nachträge preislich korrekt bewertet werden könnten.

Mit den von ihr ausgeschlossenen Nebenangeboten 1 und 2 in der Antragstellerin sei dies nicht möglich, denn die Antragstellerin habe in ihrer Konversationstabelle, die sie mit dem Kurz-Leistungsverzeichnis zum Nebenangebot (Kurz-LV NA 1) vorgelegt habe, in zahlreichen Fällen einzelne Positionen des Amts-Leistungsverzeichnisses mehreren Positionen ihres Kurz-LV NA 1 zugeordnet, ohne dass nachvollziehbar wäre, welcher Bruchteil welcher Amtsentwurfsposition in welche Position des Kurz-LV übergegangen wäre und welche Mengenangaben maßgeblich seien. Dies wird in Ergänzung zu dem bereits im Vergabenachprüfungsverfahren vorgelegten Schriftsatz vom 20.Mai 2021 nochmals anhand mehrerer Einzelpositionen des Amtsentwurfs erläutert und veranschaulicht.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Beigeladene ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin hier keine kaufmännischen Nebenangebote zugelassen habe. Maßgeblich seien die Festlegungen in Ziffer 6 der mit dem Formblatt 211 EU-Hessen bekannt gemachten Aufforderung zur Angebotsabgabe, die dem Auftraggeber insgesamt vier Optionen für die Zulassung von Nebenangeboten eröffne. Die Antragsgegnerin habe sich dafür entschieden, lediglich für zwei konkret genannte Bereiche technische Nebenangebote zuzulassen, darüber hinaus vorgegeben, welchen Inhalt die technischen Nebenangebote zu diesen Bereichen überhaupt haben durften und Mindestbedingungen dafür festgelegt.

Die Antragstellerin habe sich ausweislich des ihr vorliegenden Vergabevermerks schon in technischer Hinsicht nicht an die Vorgaben der Ausschreibung gehalten und statt der geforderten Spundwand eine nur vermeintlich gleichwertige Verfahrensweise nach dem von ihr patentierten „D“ angeboten. Im Übrigen sei sie von der vorgegebenen Vergütungssystematik abgewichen. Schon bei unverändertem Leistungsinhalt sei ein Pauschalpreisangebot nicht mit einer Angebotssumme auf Basis der im Leistungsverzeichnis genannten Vordersätze vergleichbar. Dies gelte umso mehr, wenn sich der Pauschalpreis – wie hier – eine vom Bieter alternativ angebotene, in weiten Teilen andere Leistung beziehe. Die mit den Nebenangeboten 1 und 2 von der Antragstellerin unterbreiteten Pauschalpreisnebenangebote seien daher zwingend von der Wertung auszuschließen.

Die Beigeladene tritt dem Vorwurf, ihr Nebenangebot Nr. 5 erfülle nicht die Vorgaben der Ausschreibung, entgegen und trägt vor, sämtliche notwendigen Änderungen seien erfasst worden.

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat das Nebenangebot 1 und das optional darauf bezogene Nebenangebot 2 der Antragstellerin mit Recht gem. § 16 Nr. 5 VOB/A-EU von der Wertung ausgeschlossen, weil es sich um ein nicht zugelassenes Pauschalpreisnebenangebot handelt. Mit Recht wurde auch das Nebenangebot der Beigeladenen nicht ausgeschlossen, so dass die erst im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge ebenfalls ins Leere geht. Dazu im Einzelnen:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 Abs. 1 S. 1 GWB).

2. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zwar zulässig. Dies hat die Vergabekammer bereits zutreffend festgestellt und begründet, so dass auf die Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann.

Der Nachprüfungsantrag ist aber nicht begründet.

a) Die Antragstellerin wehrt sich ohne Erfolg gegen den Ausschluss ihrer Nebenangebote, denn diese sind zu Recht von der Antragsgegnerin als nicht zugelassene Nebenangebote von der Wertung ausgenommen worden (§§ 16 Nr. 5, 1. Alt., 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A-EU). Es kann daher offenbleiben, ob die Rechtsauffassung der Vergabekammer zutrifft, wonach diese Nebenangebote gem. § 16a Abs. 2 S. 2 VOB/A-EU zwingend von der Wertung ausgenommen waren, weil sie nicht die geforderten Preise enthielten (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU).

Nach der hier maßgeblichen Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 VOB/A-EU können Nebenangebote bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte nur dann gewertet werden, wenn sie vom Auftraggeber ausdrücklich zugelassen worden sind. Die Vorschrift folgt einem völlig anderen Regelungsmechanismus, wie er für den Unterschwellenbereich im ersten Abschnitt der VOB/A gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A vorgeschrieben ist. Während der Auftraggeber dort angeben muss, ob er Nebenangebote nicht oder nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässt (andernfalls sie vom Bieter abgegeben werden durften und gewertet werden müssen), kann der Bieter hier nur dann auf eine Wertung seiner Nebenangebote hoffen, wenn der Auftraggeber Nebenangebote entweder uneingeschränkt oder eingeschränkt für den vom Bieter angebotenen Bereich ausdrücklich zugelassen hat (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 12 zu § 8 VOB/A-EU).

Ein Nebenangebot liegt vor, wenn ein Bieter eine von den Vertragsunterlagen abweichende Art der Leistung anbietet, unabhängig von dem Umfang und dem Gegenstand der Änderung. Eine Abweichung kann daher in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht erfolgen (Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, aaO., Rn 54 zu § 8 VOB/A; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.11.2011 – VII Verg 22/11, OLG Jena, Beschluss vom 21.9.2009, 9 Verg 7/09). Ein technisches Nebenangebot enthält eine abweichende Lösung von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen. Rechtliche Abweichungen betreffen in der Regel den Inhalt des Bauvertrags. Ein wirtschaftliches oder kaufmännisches Nebenangebot liegt beispielsweise im Angebot einer abweichenden Vergütungsform oder im Angebot bestimmter Preisnachlässe unter bestimmten Bedingungen, wie der Beauftragung mehrerer Lose (vgl. dazu Liebschwager in: Burgi/Dreher Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., Rn 8 zu § 35 VgV).

Der Auftraggeber kann bei der Zulassung von Nebenangeboten differenzieren, z.B. nur technische oder nur kaufmännische Nebenangebote zulassen bzw. diese auf bestimmte Teile der Leistung beschränken. Dies wird auch durch § 8 Abs. 2 Nr. 3 lit a) und b) VOB/A-EU verdeutlicht, wenn dort vorgeschrieben ist, dass der Auftraggeber anzugeben hat, in welcher Art und Weise Nebenangebote einzureichen sind und wenn ihm vorgeschrieben wird, Mindestbedingungen an Nebenangebote zu stellen.

Der Erklärungswert von Vergabeunterlagen richtet sich nicht nach dem subjektiven Verständnis des Antragstellers eines Nachprüfungsverfahrens, sondern nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, so dass der Senat die Unterlagen aus der Sicht eines verständigen, mit der Materie vertrauten Bieters auslegen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.6.2008 – X ZR 78/07 – Nachunternehmererklärung, Rn 10 bei juris). Es war daher zu untersuchen, ob aus dieser Sicht den Vergabeunterlagen hinreichende Anhaltspunkte für die Zulassung kaufmännischer Nebenangebote, etwa in Form von Pauschalpreisnebenangeboten, zu entnehmen waren. Das ist bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der Vergabeunterlagen nicht der Fall:

aa) Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass bereits durch die Auftragsbekanntmachung (Anlage AST 1 VKA, dort Ziffer II.2.10) Nebenangebote einschränkungslos zugelassen worden wären. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beigeladenen und der Antragsgegnerin bot die von der Vergabestelle zwingend zu verwendende elektronische Vorlage für die Auftragsbekanntmachung (https://simap.ted.europa.eu/ documents/10184 /99158/DE_Fo2. pdf) keinen Raum für eine konkrete Festlegung des Umfangs der Zulassung von Nebenangeboten. Vielmehr sieht das Bekanntmachungsformular nur die Ankreuzoptionen „ja/nein“ vor und bleibt damit hinter Optionen zurück, die der Gesetzgeber den Vergabestellen eröffnet hat. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin hier „ja“ angekreuzt hat, lässt dementsprechend keine Rückschlüsse darauf zu, dass sie damit einschränkungslos Nebenangebote zulassen wollte. Es kommt vielmehr darauf an, ob nach einer Gesamtschau der Vergabeunterlagen festgestellt werden kann, dass Nebenangebote in dem hier streitgegenständlichen Umfang ausdrücklich zugelassen waren.

bb) Maßgeblich ist in erster Linie die ebenfalls mit Hilfe der einschlägigen Vorlagen (Formblatt 211 EU-Hessen) bekannt gemachte „Aufforderung zur Abgabe eines Angebots“. Dieses Formblatt bietet der Vergabestelle unter Ziffer 6. die Möglichkeit, Nebenangebote entweder für die gesamte Leistung, eingeschränkt für konkret zu benennende Bereiche, grundsätzlich in weitem Umfang aber mit Ausnahme konkret benannter Bereiche und zuletzt unter konkreten weiteren Bedingungen, wie z.B. nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zuzulassen.

Hier hat die Antragsgegnerin durch Ankreuzen der Option 6.2 für die Ausführung von zwei Titeln des Leistungsverzeichnisses (Titel 30.10 und Titel 40.41) Nebenangebote zugelassen. Die Antragsgegnerin differenziert dort zwar bezüglich der Zulassung von Nebenangeboten nicht zwischen technischen und kaufmännischen Nebenangeboten. Ein verständiger Bieter wird aber dem Fließtext in Ziffer 6.2 entnehmen, dass nur technische, nicht aber kaufmännische Abweichungen von den Vergabeunterlagen zulässig sein sollten. Die Antragsgegnerin hat dort nämlich konkret vorgegeben, welchen Inhalt Nebenangebote zu diesen Bereichen überhaupt haben dürfen: ein alternatives Bauverfahren zu Titel 30.10 und die Errichtung des Kanals aus Fertigbauteilen anstatt aus Ortbeton zu Titel 40.41. Darüber hinaus hat sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechend formale und qualitative Mindestanforderungen an die technische Ausführung aufgestellt, denen ein Nebenangebot in dem eingeschränkt zugelassenen Rahmen genügen muss, um gewertet zu werden. Mindestanforderungen für etwaige kaufmännische Nebenangebote zu diesen Titeln sind dagegen nicht erkennbar, was bereits indiziert, dass die Antragsgegnerin diese auch gar nicht zulassen wollte.

Auch die in Ziffer 6.2 enthaltene Passage „…Sämtliche dafür notwendigen Arbeiten sind im Nebenangebot zu erfassen sowie alle entfallenden bzw. zusätzlichen Leistungen, die im Hauptangebot beschrieben sind (auch titelübergreifend), positionsweise mit den entsprechenden Mengenvordersätzen zu erfassen und preislich darzustellen…“ [Unterstreichung durch den Senat] führen die angesprochenen Bieter nicht zu der Erkenntnis, dass es ihnen erlaubt wäre, eigene Positionen anstatt der Einzelpositionen aus dem Amtsleistungsverzeichnis zu formulieren. Diese Passage ist vielmehr so verstehen, dass die Antragsgegnerin realisiert hat, dass sich die alternative Bauausführung auf weitere Titel auswirken kann, dass sie aber an der Kalkulationsgrundlage des Baupreises festhalten wollte, wie sie in dem von ihr vorgegebenen Leistungsverzeichnis festgelegten worden war.

Der beabsichtigte Bauvertrag war von der Antragsgegnerin erkennbar als Einheitspreisvertrag konzipiert, denn die Leistungsbeschreibung war von den Bietern nach Mengen und Einheitspreisen, teilweise auch nach Positionspreisen aufzugliedern. Mangels einer eindeutigen gesetzlichen Regelung wird der Pauschal(preis)vertrag in Abgrenzung zum Einheitspreisvertrag definiert. Während beim Einheitspreisvertrag die Vergütung immer erst nach Ausführung der Leistung feststeht, weil sie gem. § 2 Abs. 2 VOB/B aus der Multiplikation der ausgeführten Mengen mit dem jeweiligen Einheitspreis ermittelt wird, ist es beim Pauschalvertrag genau umgekehrt: Die Vergütung steht grundsätzlich schon vor der Ausführung fest, nämlich in Form einer „festen“ Summe, eben des Pauschalpreises (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-Kapellmann, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 447 zu § 2 VOB/B). Wenn die Antragsgegnerin somit für die beiden o.g. Titel des Leistungsverzeichnisses auch kaufmännische Nebenangebote, beispielsweise in Form von Pauschalpreisangeboten hätte zulassen wollen, so wäre ihr Verlangen nach einer positionsweisen Aufschlüsselung der Mengenvorder-sätze mit entsprechender preislicher Darstellung nicht notwendig und auch nicht sinnvoll gewesen.

cc) Die Antragstellerin kann sich auch darauf berufen, dass der in Ziffer 6.2 des Formulars 211 EU Hessen vorgegebene Text den Passus „…- ausgenommen Nebenangebote, die ausschließlich Preisnachlässe mit Bedingungen beinhalten…“ enthält. Die Antragstellerin will daraus ableiten, dass die Frage einer Zulassung kaufmännischer Nebenangebote quasi „vor die Klammer“ gezogen wurde und dass die Antragsgegnerin nur diese Variante von kaufmännischen Nebenangeboten ausschließen und sie im Übrigen uneingeschränkt zulassen wollte.

Dem kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass dieser Text bei Verwendung des Formulars bereits vorgegeben war und schon von daher in seinem Aussagewert erheblich eingeschränkt ist, spricht entscheidend gegen die Argumentation der Antragstellerin, dass das Formular den Vergabestellen nachfolgend die Option eröffnet, Nebenangebote „…nur für nachfolgend genannte Bereiche…“ zuzulassen, womit die Möglichkeit geschaffen wird, den Vorgaben des § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A-EU entsprechend ausdrücklich ganz bestimmte Nebenangebote, wie beispielsweise ausschließlich technische Nebenangebote zuzulassen. Hiervon hat die Antragsgegnerin – wie schon dargestellt – auch explizit Gebrauch gemacht. Wenn man das anders sehen und der Argumentation der Antragstellerin folgen würde, so wäre den Vergabestellen bereits durch die Gestaltung des Formulars ein erheblicher Teil ihres Spielraums zur Bestimmung der „Art und Weise“ von Nebenangeboten (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 a VOB/A-EU) genommen, denn sie wären in allen Fällen der Zulassung von Nebenangeboten gem. Ziffer 6.2 des Formulars gezwungen, mindestens auch kaufmännische Nebenangebote zuzulassen.

dd) Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Antragsgegnerin durch die Verwendung des von den Bewerbungsbedingungen des VHB Bund übernommenen Formblatts „Teilnahmebedingungen 212 EU“ (vgl. dazu Kapellmann/Messerschmidt-Planker, aaO.,Rn 41 zu § 13 VOB/A) Pauschalpreisnebenangebote zu den o.g. Titeln des Leistungsverzeichnisses bzw. sogar zur gesamten Bauleistung zulassen wollte. Sie verweist ohne Erfolg auf den Umstand, dass dort in Ziffer 4.3 im Klammerzusatz die Passage („…auch bei Vergütung durch Pauschalsumme…“) enthalten ist.

Es ist nicht nachvollziehbar, wieso ein verständiger, mit der Materie vertrauter Bieter annehmen sollte, dass der Auftraggeber durch die Verwendung dieses Formblatts eine Erweiterung der Zulassung auch auf kaufmännische Pauschalpreisangebote intendiert haben könnte. Viel näher liegt dagegen ein Verständnis, dass der Auftraggeber damit zum Ausdruck bringen will, dass er eine Aufgliederung der Teilleistungen in dem geforderten Sinn auch dann verlangt, wenn in der Aufforderung zur Angebotsabgabe kaufmännische Pauschal(preis)angebote ausdrücklich zugelassen worden sind.

Entsprechendes gilt für die oben bereits wörtlich wiedergegebene Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfragen vom 23.11.2020 (Anlage ASt 3), denn diesem Schreiben sind nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte zu entnehmen, wonach kaufmännische Nebenangebote zu den Titeln 30.10 und 40.41 des Leistungsverzeichnisses zulässig sein sollten.

ee) Für die dargelegte Einschätzung spricht zuletzt auch, dass sich die Antragsgegnerin mit der Zulassung von Pauschalpreisnebenangeboten – sei es nur zu den genannten Titeln des Leistungsverzeichnisses, sei es zu weiteren damit einhergehenden Bauleistungen – letztlich unlösbare Probleme bei der Wertung des besten Preis-Leistungsverhältnisses geschaffen hätte. Die Beigeladene hat mit Recht darauf hingewiesen, dass ein angebotener Pauschalfestpreis und eine Angebotssumme auf Basis vorgegebener Vordersätze prinzipiell nicht vergleichbar sind. Er hat an dieser Stelle zutreffend auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 2.12.2002 (Verg 24/02) hingewiesen, in der folgendes ausgeführt wird:

„…Der vertraglichen Abrechnung nach Einheitspreisen wohnt die Tendenz inne, dass qualitativ so gebaut wird, wie es sich der Auftraggeber vorstellt. Dieser Anreiz fehlt bei einer Pauschalierung. Die damit einhergehende Gefahr, für die beiden Leistungen mehr bezahlen zu müssen, als dies nach Einheitspreisen notwendig ist, erlaubt den Ausschluss der Nebenangebote.[…] Preislich vorteilhafter ist für den Auftraggeber eine Pauschalierung vielmehr in der Regel nur, wenn die Ersparnis in jeder denkbaren Variante einer noch vertragsgerechten Leistungserbringung größer ist, als wenn nach Einheitspreisen abgerechnet würde. (Rn 63 bei juris).“

Auch wegen dieser grundsätzlichen Wertungsprobleme kann daher mangels hinreichender konkreter Anhaltspunkte in den Ausschreibungsunterlagen nicht angenommen werden, dass die Antragsgegnerin bereit war, eine vom vorgegebenen Leistungsverzeichnis abweichende Vergütungsform zuzulassen.

ff) Es kann offenbleiben, ob die Antragstellerin auch in technischer Hinsicht von den einschlägigen Vorgaben der Antragsgegnerin abgewichen ist, wie die Beigeladene unter Bezugnahme auf den Vergabevermerk reklamiert. Hierauf kommt es nicht an, denn das Pauschalpreisnebenangebot NA 1 der Antragstellerin hält sich als kaufmännisches Nebenangebot nicht innerhalb der von der Antragsgegnerin in Ziffer 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegten engen Grenzen und muss aus diesem Grund von der Wertung ausgeschlossen werden.

Die Nebenangebote 1 und 2 pauschalieren den Werklohn sowohl für die Herstellung der Titel 30.10 und 40.41 als auch für alle weiteren Titel des Leistungsverzeichnisses und weichen damit von der vorgegebenen Vergütung nach Einheitspreisen ab. Bereits aus diesem Grund kann das Nebenangebot 1 und das optional darauf bezogene Nebenangebot 2 als nicht zugelassenes Nebenangebot nicht in die Wertung eingehen. Dementsprechend spielt es im Ergebnis auch gar keine Rolle, ob die Antragstellerin mit ihrem Kurz-Leistungsverzeichnis und der Konversionstabelle eine Zuordnung der Einzeltitel des von der Antragsgegnerin vorgegebenen (amtsseitigen) Leistungsverzeichnisses zu dem Kurz-Leistungsverzeichnis ermöglicht hat oder nicht. Vielmehr bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass die Antragsgegnerin die Nebenangebote der Antragstellerin mit Recht ausgeschlossen hat.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge, das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen sei von der Wertung auszuschließen, weil es die ausschreibungsseitig geforderten Preise nicht enthalte.

aa) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zwar bereits mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2021 das Nebenangebot Nr. 5 als unzureichend beanstandet hatte, nachdem ihr am 29. September 2021 Akteneinsicht in das geschwärzte Nebenangebot gewährt worden war. Ihre Rüge ist aber erst durch die Antragserweiterung in der mündlichen Verhandlung zum Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht worden.

Ein Beschwerdeführer bestimmt mit seiner Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, den Gegenstand der Entscheidungsfindung, also den Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens (vgl. Steck in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., Rn 5 zu § 178 GWB; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., Rn 8 zu § 178 GWB, jeweils m.w.N.). Dies lässt sich u.a. daraus ableiten, dass die für den Beschwerdesenat maßgebliche Vorschrift des § 178 (S. 4) GWB lediglich § 168 Abs. 2 GWB für entsprechend anwendbar erklärt, nicht aber § 168 Abs. 1 GWB, der für die Vergabekammern eine umfassende Rechtsprüfung vorschreibt, die nicht an die gestellten Anträge gebunden ist (vgl. Jaeger in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl., Rn 3 zu § 178 GWB).

Die Antragstellerin hatte ihren Beschwerdeantrag zu Ziffer 1.) ursprünglich darauf gerichtet, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Ausschluss ihrer eigenen Nebenangebote zurückzunehmen und die Prüfung und Wertung unter Einschluss dieser Angebote zu wiederholen. Erst durch die in der mündlichen Verhandlung erklärte Antragserweiterung war der vom Beschwerdegericht zu prüfende Streitstoff auch auf eine Untersuchung des Angebots der Beigeladenen erstreckt worden.

Es bestand dementsprechend auch für die Antragsgegnerin und die Beigeladene bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung, auf den dazugehörigen Vortrag der Antragstellerin einzugehen. Vor diesem Hintergrund muss auch die Erwiderung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung gewertet werden. Sie ist dem Vorwurf der Antragstellerin dezidiert entgegengetreten und hat dargelegt, dass ihr Angebot sowohl in preislicher Hinsicht vollständig war als auch sämtliche durch die alternative technische Ausführung erforderlichen entfallenden und zusätzlichen Leistungen beinhaltet.

bb) Auf dieser Grundlage lässt sich weder feststellen, dass das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen gem. §§ 16a Abs. 2 i.V. 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU wegen fehlender Preisangaben, noch, dass es gem. §§ 16 Nr. 5 i.V. 8 Abs. 2 Nr. 3b VOB/A-EU von der Wertung ausgeschlossen werden müsste.

(1) Das Angebot eines Bieters muss gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU die im Leistungsverzeichnis bzw. den sonstigen Vergabeunterlagen zweifelsfrei geforderten Preisangaben enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis, so wie gefordert, vollständig und mit dem Betrag angegeben werden, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Dies wird damit begründet, dass ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Auswahlverfahren nur dann gewährleistet werden kann, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden (BGH, Beschluss vom 7.1.2003, X ZR 50/01, Rn 23 bei juris; BGH, Beschluss vom 18.5.2004, X ZB 7/04 – Mischkalkulationen, Rn 24 bei juris). Demzufolge liegt eine unvollständige Preisangabe schon dann vor, wenn zumindest bezüglich einer einzigen Ordnungsziffer des Leistungsverzeichnisses kein Preis angegeben wird (Kapellmann/Messerschmidt-Fister aaO., Rn 28 zu § 16a EU VOB/A).

Es ist auch nach den Ausführungen der Antragstellerin nicht ersichtlich, dass das in Verbindung mit dem Hauptangebot abgegebene Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen insoweit unvollständig wäre. Im Nebenangebot werden die bei entsprechender Wertung des Angebots entfallenden Positionen zum Titel 40.41 aufgeführt und die alternativ dazu angebotenen Positionen dargestellt, während im Übrigen das Hauptangebot maßgeblich sein soll.

(2) Mit ihrem Vorwurf, im Nebenangebot Nr. 5 habe es die Beigeladene versäumt, bautechnisch notwendige Änderungen bei der Bepreisung anderer Titel des Leistungsverzeichnisses zu berücksichtigen, zielt die Antragstellerin auch in eine andere Richtung. Sie reklamiert nämlich explizit einen Verstoß gegen Ziffer 6.2. der Aufforderung zur Angebotsabgabe, wo eine titelübergreifende Erfassung und Darstellung der entfallenden und der zusätzlichen Leistungen gefordert wird.

Ein Ausschluss des Nebenangebots Nr. 5 käme auf dieser Tatsachengrundlage somit dann in Betracht, wenn die erwähnte Vorgabe als Mindestanforderung i.S. von § 8 VOB/A-EU anzusehen wäre, bei deren Fehlen ein zwingender Ausschluss gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A-EU die Folge ist. Ein Verstoß lässt sich aber nicht feststellen.

Dabei kann offenbleiben, ob die Antragsgegnerin in Ziffer 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe lediglich technische Mindestanforderungen für die zugelassene alternative Bauausführung gestellt hat, wofür der innere Zusammenhang zwischen der Zulassung des Nebenangebots und deren geforderter Qualität spricht („…Die in diesem Titel beschriebenen Kastenprofilkanäle (…) können alternativ auch als Fertigteile geliefert und eingebaut werden. Es hat sämtliche Eigenschaften und die Vorgaben der ZTV-Emscher zu erfüllen…“).

Auch wenn man die titelübergreifende Erfassung der entfallenden und der zusätzlichen Leistungen als Mindestanforderung betrachtet, kommt ein Ausschluss des Nebenangebots Nr. 5 der Beigeladenen nicht in Betracht, weil sich ein entsprechendes Defizit nicht feststellen lässt.

Die Antragstellerin trägt unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten des Sachverständigen C (Anlage Bf 2) vor, die Herstellung in Ortbetonbauweise nehme deutlich längere Zeit in Anspruch, als die Herstellung in Fertigbauweise. Es ergäben sich u.a. Auswirkungen durch den Entfall der Schalung auf der Baustelle, die Verringerung von Montagezeiten auf der Baustelle, die Verkürzung von Bauzeiten vor Ort, Änderungen der Baubehelfe (Kräne) etc. (Anlage Bf 2, Seite 5 – Bl. 240 d. A.).

Weder aus dem Privatgutachten von Herrn C noch aus dem weiteren Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 lassen sich hinreichende Anhaltspunkte dafür finden, dass das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen unter diesen Umständen den Vorgaben der Ausschreibung nicht entsprechen und etwaige entfallende bzw. zusätzliche Leistungen nicht enthalten würde. Es ist durch die Antragstellerin kein einziger Untertitel des amtsseitigen Leistungsverzeichnisses, etwa aus den Titeln „Erdarbeiten, Grundwasserabsenkung, Baustelleneinrichtung“ benannt worden, der konkret durch das Nebenangebot Nr. 5 der Beigeladenen hinzugekommen oder in Wegfall geraten wäre.

Die Beigeladene hat vielmehr durch Bezugnahme auf ihr Nebenangebot Nr. 5 dargelegt, dass sie die erforderlichen Änderungen, wie beispielsweise den Entfall der Schalung auf der Baustelle, berücksichtigt hat. Sie hat ferner zutreffend ausgeführt, dass sie der Antragsgegnerin auch einen auf das Nebenangebot bezogenen Bauzeitenplan vorgelegt hat. Sofern die Beigeladene davon abgesehen haben sollte, im Hinblick auf die geänderte Bauweise Preisermäßigungen bei anderen Titeln anzubieten, bewegte sie sich nicht außerhalb der Vorgaben der Antragstellerin.

3. Da die Beschwerde erfolglos bleibt, sind der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§§ 175 Abs. 2, 71 S. 1 GWB).

4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt gem. § 50 Abs. 2 GKG 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.

OLG Hamm zu der Frage der von der Regelung der DIN ausgehende Vermutungswirkung

OLG Hamm zu der Frage der von der Regelung der DIN ausgehende Vermutungswirkung

1. Die Außenwandabdichtung mittels Kombinationslösung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung entspricht für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – trotz Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik.

2. Die von der Regelung der vorgenannten DIN ausgehende Vermutungswirkung sieht der Senat – insbesondere aufgrund der Vielzahl an aufgetretenen Schadensfällen – als widerlegt an.

OLG Hamm, Urteil vom 14.08.2019 – 12 U 73/18

Gründe

A.

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten u.a. Zahlung eines Vorschusses für die Beseitigung der Mängel, die dazu geführt haben, dass der Keller ihres neu errichteten Hauses feucht ist.

Mit notariellem Bauträgerkaufvertrag vom 11.05.2012 erwarben die Klägerinnen von der Beklagten das später so bezeichnete Hausgrundstück X-Straße 10. Die Beklagte verpflichtete sich, auf diesem Grundstück ein Wohnhaus (Doppelhaushälfte) zu errichten.

Der notarielle Kaufvertrag enthält unter § 4 Regelungen zur Bauverpflichtung der Beklagten. Folgendes ist dort u.a. geregelt: „Der Verkäufer verpflichtet sich, das Vertragsobjekt nach der Baubeschreibung und den Exposéplänen herzustellen. (…) Die Baubeschreibung nebst Flächen- und Kubaturberechnung sind als Anlagen 3 und 4 als wesentlicher Bestandteil der heutigen Vereinbarung dieser Niederschrift beigefügt (…).“

§ 2 des notariellen Vertrages regelt Rechte und Ansprüche des Käufers bei Mängeln und enthält unter Ziff. 3. folgenden Passus: „Hinsichtlich des Gebäudes gilt das werkvertragliche Leistungs-Störungsrecht des BGB (…).“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 11.05.2012 des Notars Y, UR 126/2012, Anlage K1, Bl. 8 ff. d.A., verwiesen.

Nach der durch notariellen Vertrag in Bezug genommenen Baubeschreibung war u.a. in Ziff. 1.7 eine senkrechte Isolierung gemäß DIN 18195, Teil 6, gegen zeitweise aufstauendes Wasser vorgesehen. Der für die Beklagte tätige Architekt Dipl.-Ing. D, der im vorliegenden Rechtsstreit Streitverkündete zu 3.), sah eine Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung an den Kelleraußenwänden vor, die auch so ausgeführt wurde.

Die Beklagte beauftragte u.a. die Streithelferinnen zu 1.) und zu 2.) mit der Ausführung der Bauleistungen, die in der Zeit vom 04.07. bis 06.07.2013 die Bauwerksaußenabdichtung herstellten.

Das fertiggestellte Gebäude wurde den Klägerinnen am 15.07.2013 übergeben; der Einzug erfolgte im September 2013. Die Eigentumsumschreibung auf die Klägerinnen zu je ½ fand statt.

Anfang Juni 2014 stellten die Klägerinnen fest, dass in zwei Kellerräume des Hauses Nässe eingedrungen war.

Mit an den Geschäftsführer der Beklagten gerichteter Email vom 10.07.2014 wies die Klägerin zu 1.) auf den Wasserschaden hin und bat um schnellstmögliche Klärung (Anlage K2, Bl. 27 d.A.).

Am 16.07.2014 fand ein Ortstermin in den betroffenen Kellerräumen statt, an dem u.a. die Klägerinnen, der Geschäftsführer der Streithelferin zu 2.) und ein Mitarbeiter der Streithelferin zu 1.) teilnahmen. Die Feuchtigkeitsschäden wurden von den Beteiligten gesichtet, ohne eine Bauteilöffnung vorzunehmen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.07.2014 setzten die Klägerinnen der Beklagten eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 16.08.2014 (Anlage K15, Bl. 105 d.A.).

Mit Schreiben vom 18.07.2014 (Anlage K17, Bl. 106 d.A.) wies die Streithelferin zu 1.) darauf hin, dass eine Bauteilöffnung zwar möglich, aber aufwändig und langwierig sei und schlug vor, ohne vorhergehende Bauteilöffnung eine Kellerwandinnensanierung nach dem sog. INTRASIT-System durchzuführen. Die Beklagte schloss sich dem von der Streithelferin zu 1.) unterbreiteten Sanierungsvorschlag an und setzte die Klägerinnen hiervon in Kenntnis.

Die Klägerinnen beauftragten sodann, da sie dem von der Beklagten unterbreiteten Sanierungsvorschlag kein Vertrauen schenkten, einen Sachverständigen der DEKRA, Herrn Dipl.-Ing. T, mit der Begutachtung des Schadens und der Überprüfung der von der Beklagten vorgeschlagenen Sanierungsmethode. Die Klägerinnen setzten die Beklagte über die Beauftragung des Sachverständigen in Kenntnis.

Der Sachverständige T teilte den Klägerinnen mit Schreiben vom 25.07.2014 (Anlage K3, Bl. 28 f. d.A.) nach Durchführung eines Ortstermins mit, dass er von dem vorgeschlagenen Sanierungssystem mittels INTRASIT-Methode abrate, da diese Maßnahme nicht die Ursache, nämlich die schadhafte Abdichtung erdberührter Bauteile, sondern nur das Symptom des Mangels beseitige und somit nicht zu einer fachgerechten Beseitigung des Mangels führen könne. Weiter teilte der Sachverständige mit, dass aus seiner Sicht eine Freilegung der betroffenen Außenwandbereiche unumgänglich sei. Der Sachverständige schlug den Klägerinnen vor, die betroffene Außenwand freizulegen, um die Schadensstelle zu lokalisieren, und einen entsprechenden Sanierungsvorschlag mit den Beteiligten abzustimmen. Für die Erstellung des Gutachtens stellte der Sachverständige T den Klägerinnen unter dem 26.08.2014 einen Betrag von 440,30 Euro in Rechnung (Anlage K8, Bl. 38 d.A.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.07.2014 teilten die Klägerinnen der Beklagten mit, dass die vorgeschlagene Kellerwandinnensanierung die Ursache für die Nässeschäden nicht beseitigen könne, und wiesen darauf hin, dass die Ursache der Schäden durch Freilegen der Abdichtung von außen ermittelt werden müsse (Anlage K18, Bl. 107 d.A.).

In der Folgezeit verhandelten die Parteien darüber, ob und in welcher Weise eine Bauteilöffnung vorgenommen werden sollte. Es wurde Einigkeit darüber erzielt, den Estrich in Teilbereichen zu entfernen.

Am 18.09.2014 fand ein Ortstermin in den Kellerräumen der Klägerin statt, an dem neben den Klägerinnen der Geschäftsführer der Beklagten, der Geschäftsführer der Streithelferin zu 2.) und der DEKRA-Sachverständige Dipl.-Ing. T teilnahmen. Dabei wurde in einem der Kellerräume in Bodenhöhe der Kelleraußenecke der Estrich teilweise entfernt und festgestellt, dass der Feuchtigkeitsschaden über die Kelleraußenwand entstanden sein musste.

Mit Schreiben vom 26.09.2014 (Anlage B2, Bl. 71 d.A.) empfahl die Streithelferin zu 1.), bezugnehmend auf die Ergebnisse des vorgenannten Ortstermins, nochmals eine Kellerwandinnensanierung nach dem INTRA-SIT-System, wobei nicht nur die betroffene Ecke, sondern auch die daneben liegenden Steine, also mindestens drei Steine je Seite, behandelt werden sollten.

Der DEKRA-Sachverständige T stellte den Klägerinnen unter dem 29.10.2014 für seine weitere Tätigkeit einen Betrag von 440,30 Euro in Rechnung (Anlage K9, Bl. 40 f. d.A.).

Mit Schreiben vom 01.12.2014 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, dass an der vorgeschlagenen Kellerwandinnensanierung festgehalten werde und keine Veranlassung für darüber hinaus gehende Arbeiten bestehe (Anlage K5, Bl. 32 f. d.A.).

Daraufhin beantragten die Klägerinnen im Januar 2015 beim Landgericht Bochum (Beiakte I- 2 OH 4/15) die Einleitung eines – inzwischen abgeschlossenen – selbstständigen Beweisverfahrens.

Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. U erstattete am 28.01.2016 ein schriftliches Sachverständigengutachten, das er am 12.10.2016 und 27.04.2017 jeweils schriftlich ergänzte.

Der Sachverständige stellte fest, dass von außen Feuchtigkeit in die Kellerräume eintrete und die geplante und ausgeführte Art der Abdichtung grundsätzlich für den hier vorliegenden Wasserlastfall „aufstauendes Sickerwasser“ (und auch den Wasserlastfall „Bodenfeuchte“) nicht geeignet sei, eine Abdichtung nach den anerkannten Regeln der Technik herzustellen. Da bereits die Planung der Abdichtung mangelhaft sei, habe er die ausgeführte Abdichtung nicht weiter auf Ausführungsmängel untersucht.

Zwar könne die DIN 18195 („Bauwerksabdichtungen“) in der Fassung ab 2010 dahingehend interpretiert werden, dass die geplante und ausgeführte Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall „aufstauendes Sickerwasser“ – abweichend von der bis zum Jahre 2010 geltenden Fassung der DIN 18195 – zulässig wäre. Die Änderungen seien aber durch den Normenausschuss der DIN 18195 vorgenommen worden, obwohl den Mitgliedern das Ergebnis einer im Jahre 2009 durchgeführten Befragung unter allen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der BRD für die Fachgebiete „Mängel und Schäden in und an Gebäuden“, „Schäden an Gebäuden“ und „Bauwerksabdichtungen“ bekannt gewesen sei. Die Befragung habe ergeben, dass die Sachverständigen mit großer Mehrheit aufgrund einschlägiger Erfahrungen bestimmt hätten, dass es sich bei der streitgegenständlichen Art der Abdichtung um eine für die beiden höheren Wasserlastfälle nicht geeignete Bauweise handelt. Die Zulassung der streitgegenständlichen Art der Abdichtung sei also in DIN 18195 eingeführt worden in dem Wissen, dass die große Mehrheit der zuvor erwähnten Sachverständigen sie als mangelhaft bezeichnet habe, so dass die DIN 18195 insoweit keine allgemein anerkannte Regel der Technik darstellen könne. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Normenausschüsse, die die DIN-Normen verfassten, oftmals nicht mehr paritätisch besetzt seien, sondern von einschlägigen Interessenvertretern dominiert würden.

Auch er – der Sachverständige – halte die geplante und ausgeführte Kombinationslösung aufgrund seiner gesammelten Berufserfahrung für mangelhaft. Er selbst habe mit dem streitgegenständlichen Fall vergleichbare Schadensfälle in den letzten Jahren extrem häufig begutachtet. Das geplante und ausgeführte Abdichtungssystem sei für die allermeisten Fälle von eindringendem Wasser in das Innere von Bauwerken in deren erdberührten Bereichen verantwortlich.

Der Sachverständige stellte weiter fest, dass eine wirksame Abdichtung nur durch das Einbringen eines Gelschleiers aus dem Innenbereich heraus zwischen Kelleraußenwand und Erdreich erreicht werden könne. Hierbei würden die Außenwände und auch die Stahlbetonbodenplatte durchbohrt und ins Erdreich Gel verbracht, wobei das Erdreich als Stützgerüst diene. Die Kosten hierfür bezifferte der Sachverständige auf 85.705,29 Euro.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Gutachten verwiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.03.2016 setzten die Klägerinnen der Beklagten eine Frist zur Mangelbeseitigung unter Durchführung derjenigen Maßnahmen, die der Sachverständige U in seinem Gutachten vorgeschlagen hat, bis zum 20.04.2016. Die Beklagte ließ diese Frist fruchtlos verstreichen.

Im Juli 2017 wurde die DIN 18195-6 durch die – betreffend die hier streitgegenständliche Abdichtungsmethode inhaltsgleiche – DIN 18533-3 bestätigt.

Die Klägerinnen haben behauptet, dass die von der Beklagten vorgeschlagene Maßnahme, die Kellerwandinnensanierung, nicht zu einer fachgerechten und dauerhaften Beseitigung des Mangels führen könne. Vielmehr komme, wie der Sachverständige Dipl.-Ing. U festgestellt habe, für eine fachgerechte Mangelbeseitigung nur der Einbau eines Gelschleiers aus dem Innenbereich vor die erdberührten Teile über die gesamte Kellerfläche in Frage.

Die Klägerinnen waren der Ansicht, dass die Frage, ob die Planung und Ausführung der Abdichtung den anerkannten Regeln der Technik entspreche, nur zweitrangig von Bedeutung sei, da das Werk schon deshalb mangelhaft sei, weil die Abdichtung nicht den ihr zugedachten Zweck erfülle.

Die Klägerinnen waren weiter der Auffassung, dass ihnen gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 85.705,29 Euro netto zustehe. Zudem haben die Klägerinnen Erstattung der aufgewandten Kosten für die beiden durch den DEKRA-Sachverständigen Dipl.-Ing. T erstellten Gutachten in Höhe von 880,60 Euro, der Kosten der Beratung eines im Dezember 2013 beauftragten Gebäudeenergie- und Umweltberaters in Höhe von 107,10 Euro sowie der Kosten für die im Juni 2013 (für 297,50 Euro) und im September 2014 (für 139,00 Euro) – unstreitig – angeschafften elektronischen Luftentfeuchter verlangt. Schließlich haben die Klägerinnen – erstinstanzlich – Schadensersatz für die entgangene Nutzung der feuchten Kellerräume in Höhe von 4.800,00 Euro begehrt.

Die Klägerinnen haben erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 91.929,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.09.2017 zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen als Gesamtgläubiger alle über den Betrag von 91.929,49 Euro hinausgehenden Schäden zu ersetzen, der den Klägerinnen durch die fehlerhafte Abdichtung des Gebäudes X-Straße 10, C künftig noch entsteht.

Die Beklagte und die Streithelferinnen haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass die geplante und ausgeführte Art der Außenabdichtung den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Dies folge bereits daraus, dass die verwendete Kombinationsabdichtung für den hier vorliegenden Wasserlastfall – unstreitig – den Vorgaben der DIN 18195 und der seit Juni 2017 geltenden Nachfolgenorm DIN 18533 entspreche. Die gegenteilige Feststellung des Sachverständigen U, dass die geplante und ausgeführte Abdichtung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche, sei nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit sich der Sachverständige zur Begründung auf eine von ihm selbst durchgeführte Umfrage berufe, habe er keinerlei Angaben zu den Einzelheiten der Befragung und der Ermittlung des konkreten Ergebnisses gemacht. Im Übrigen habe sich der Sachverständige U auch nicht hinreichend mit der bereits im selbstständigen Beweisverfahren vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Dipl.-Ing. K auseinandergesetzt, wonach die geplante und ausgeführte Bauweise dem Stand der Technik entspreche und sich langjährig bewährt habe. Eine hiervon abweichende Feststellung könne im Übrigen nicht auf Grundlage der Beurteilung eines Sachverständigen, sondern nur durch eine Befragung der beteiligten Fachkreise und Bausachverständigen erfolgen.

Der Sachverständige U hätte zudem auch Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Feuchtigkeitseintritt möglicherweise auf einer unzureichenden Materialverarbeitung beruht, was er jedoch nicht getan habe.

Die Klägerinnen hätten die Ursache für die eindringende Feuchtigkeit möglicherweise sogar selbst gesetzt, indem sie – unstreitig – die Kelleraußenwand durch eine Elektrofirma haben durchbohren lassen, um dort Elektrokabel zu verlegen.

Sie – die Beklagte – habe den Klägerinnen mit der vorgeschlagenen Kellerwandinnensanierung eine fachgerechte Nachbesserung, die zur dauerhaften Mangelbeseitigung geführt hätte, angeboten. Das INTRASIT-System sei ein geeignetes und in der Praxis bewährtes, erfolgreich eingesetztes Verfahren, das den vertraglich geschuldeten Erfolg gewährleistet hätte. Selbst wenn nach partieller Abdichtung der Kellerwände an anderer Stelle Feuchtigkeit in die Kellerwand eingedrungen wäre, hätte sie – die Beklagte – die Kellerwandinnenabdichtung ohne weiteres erweitern können, zumal die Streithelferin zu 1.) eine 10-Jahres-Garantie für Abdichtungsmaßnahmen zugesagt hätte.

Die Beklagte war der Ansicht, dass die von den Klägerinnen gesetzte Frist zur Nacherfüllung zur Unzeit erfolgt sei, da zunächst der Ausgang des selbstständigen Beweisverfahrens und die Ermittlung der Schadensursache durch den Sachverständigen hätte abgewartet werden müssen. Mit der Forderung an sie – die Beklagte -, die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten gemäß Gutachten des Sachverständigen U zu zahlen, hätten die Klägerinnen die Nachbesserung durch sie erneut und endgültig abgelehnt. Die Klägerinnen hätten damit Mängelbeseitigungsansprüche verloren und könnten nun nicht mehr die Kosten einer Ersatzvornahme von ihr – der Beklagten – verlangen.

Jedenfalls seien, soweit den Klägerinnen ein Zahlungsanspruch zugesprochen werden würde, die Kosten für die von ihr – der Beklagten – angebotene Nachbesserung durch Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-Systems in Höhe von 15.000,00 Euro netto in Abzug zu bringen.

Schließlich war die Beklagte der Auffassung, dass die von den Klägerinnen geforderten, übrigen Schadenspositionen deshalb nicht ersatzfähig seien, weil die Klägerinnen die von ihr – der Beklagten – angebotene Nachbesserung, die weitere Feuchtigkeitseintritte unterbunden hätte, abgelehnt hätten.

Die Streithelferin zu 1.), die dem Rechtsstreit aufseiten der Beklagten beigetreten ist, hat sich deren Ausführungen angeschlossen. Ergänzend war sie der Ansicht, dass die von dem Sachverständigen U in Bezug genommene Umfrage schon deshalb nicht aussagekräftig sei, weil sich danach nicht einmal 20 % der befragten Sachverständigen der Auffassung des Gerichtsgutachters angeschlossen hätten.

Die Streithelferin zu 1.) hat behauptet, dass sie – von den Klägerinnen mit Nichtwissen bestritten – in der Vergangenheit eine dem vorliegenden Fall entsprechende Abdichtung für 97 Keller mit Lastfall 6 „aufstauendes/stauendes Wasser“ und 26 Keller mit Lastfall 6 „drückendes Wasser“ ausgeführt habe, wobei es nur in 12 Fällen Beanstandungen gegeben habe, die ausschließlich Verarbeitungsfehler (geringe Schichtdicke, mangelnde Ausführung und Untergrundvorbereitung) betroffen hätten.

Die Streithelferin zu 2.), die dem Rechtsstreit ebenfalls aufseiten der Beklagten beigetreten ist, hat behauptet, dass die Abdichtung nicht mangelhaft ausgeführt worden sei, was auch die Streithelferin zu 1.) bei Abnahme der Abdichtung festgestellt habe.

Das Landgericht Bochum hat der Klage erstinstanzlich überwiegend – mit Ausnahme der geforderten Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.800,00 Euro – stattgegeben und den Klägerinnen einen Zahlungsanspruch in Höhe von 87.129,49 Euro nebst Zinsen zugesprochen. Auch den Feststellungsantrag hat es insoweit für begründet erachtet. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Vorschussanspruch aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen U bestehe. Der Sachverständige habe dargelegt, dass Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich seien, die Kosten in Höhe von 85.705,29 Euro verursachen würden. Die von der Beklagten vorgeschlagene INTRASIT-Methode, welche nur punktuell an Stellen der Durchfeuchtung angewandt werden sollte, sei dagegen ungeeignet. Das Gericht folge dem Sachverständigen aufgrund eigener Kenntnis durch diverse Fortbildungsmaßnahmen dahingehend, dass das von der Beklagten geplante und ausgeführte Abdichtungssystem grundsätzlich nicht geeignet sei, eine mangelfreie Abdichtung des klägerischen Bauwerks herbeizuführen. Da die Kelleraußenflächen insgesamt durch ein ungeeignetes System abgedichtet seien, hätte eine punktuelle Nachbesserung im Bereich der Feuchteerscheinungen, wodurch möglicherweise und zufällig Trockenheit noch für die Gewährleistungsfrist hätte erreicht werden können, nicht ausgereicht. Hierauf hätten sich die Klägerinnen auch nicht einlassen müssen. Ein Abzug der für diese Nacherfüllungsmaßnahme erforderlichen Kosten von dem Vorschussanspruch der Klägerinnen komme daher nicht in Betracht.

Die weitergehend von den Klägerinnen als Schadensersatz geltend gemachten Positionen seien ersatzfähig, mit Ausnahme des geltend gemachten Nutzungsausfalls, da die Klägerinnen nicht substantiiert vorgetragen hätten, dass eine Nutzung der Kellerräume trotz Einsatz der Luftentfeuchtungsgeräte mit weniger feuchtigkeitsempfindlichen Gegenständen nicht möglich gewesen wäre.

Den Klägerinnen stünden darüber hinaus der geltend gemachte Zinsanspruch sowie der mit Klageantrag zu 2.) geltend gemachte Feststellungsanspruch zu.

Hiergegen wenden sich die Beklagte und die Streithelferin zu 1.) mit der von ihnen eingelegten Berufung.

Die Beklagte meint, dass das Werk betreffend die geplante und ausgeführte Abdichtung vertragsgemäß sei, da es die vertraglich geschuldete Beschaffenheit aufweise, indem sie der DIN 18195-6 entspreche.

Das Landgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, da der Sachverständige nicht untersucht habe, ob weitere mögliche Mangelursachen bestehen. Insbesondere habe der Sachverständige nicht bewertet, ob die von Klägerseite durchgeführten Bohrungen in den Kellerräumen als Ursache für die Durchfeuchtung in Frage kämen.

Die Feststellungen des Sachverständigen seien auch deshalb nicht tragfähig, weil er sich auf eine Umfrage stütze, die er – trotz Aufforderung – nicht vorgelegt habe. Zudem könne schon auf Grundlage der Angaben des Sachverständigen darüber, wie viele Rückmeldungen es gegeben hätte, im Ergebnis nicht von einer „Mehrheit der Befragten“ gesprochen werden. Zudem stelle der Sachverständige seine persönliche Meinung weit über die gebildeten Regelungen hinaus, ohne sich mit der Kritik der Beklagten und der Streithelferin auseinander zu setzen. Auch sei zu sehen, dass der Sachverständige in der Praxis nur mit „problematischen Fällen“ zu tun habe, in denen Mängel aufgetreten seien. Daraus zu schließen, dass aufgrund der festgestellten Mangelhaftigkeit der jeweiligen Fälle eine generelle Eignung der in der einschlägigen DIN geregelten Ausführungsweise nicht bestehe, sei ein unzulässiger Zirkelschluss. Es seien tausende Häuser in der vorliegenden Ausführung geplant und durchgeführt worden, ohne dass sich Mängel gezeigt hätten.

Die Vermutungswirkung der DIN 18195 sei vorliegend im Übrigen nicht widerlegt worden. Dies folge schon daraus, dass die vorgenannte DIN im Jahre 2017 novelliert und mit den inhaltlich gleichen Regelungen erneut veröffentlicht worden sei. Auch das vom Sachverständigen herangezogene Argument, dass bereits die Entscheidungsfindung der DIN-Gremien nicht tauglich sei, da dort lediglich Herstellerinteressen vertreten würden, verfange nicht, sondern sei schlichtweg übertrieben und falsch. Schließlich hätte sich der Sachverständige auch ausführlich mit in Wissenschaft und Technik vertretenen Gegenansichten auseinandersetzen müssen, was er jedoch nicht getan habe. Das Tatgericht habe all dies rechtsfehlerhaft nicht gewürdigt.

Ergänzend verweist die Beklagte darauf, dass sie zwischenzeitlich eine deutschlandweite Umfrage zur im Streitverfahren kontroversen Beurteilung der Praxisbewährung von Abdichtungsübergängen von kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung auf WU-Beton habe durchführen lassen. Wegen des Ergebnisses verweist sie – die Beklagte – auf einen Abschlussbericht des Aachener Instituts für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik gGmbH vom 14.03.2019. Ergebnis dieser Umfrage sei laut dem Projektleiter Prof. A, dass die fachlichen Stellungnahmen der befragten Personen keinen Anlass gäben, die grundsätzliche Eignung des Übergangs der Abdichtung aus PMBC auf Beton infrage zu stellen; es ergebe sich weder aus der Anzahl der Schadensfälle noch aus der Erfahrung der Umfrageteilnehmer, dass die vorgenannte Ausführung nicht anerkannte Regel der Technik sei.

Auch die weiteren Schadenspositionen hätten den Klägerinnen nicht zugesprochen werden dürfen. Das DEKRA-Gutachten des Sachverständigen T sei als bausachverständiges Gutachten ungeeignet und unergiebig gewesen. Überdies seien die in Rechnung gestellten Kosten weder ortsüblich noch angemessen.

Zudem wäre die von der Beklagten angebotene Nachbesserung zur Mangelbeseitigung geeignet gewesen. Das von dem Sachverständigen vorgeschlagene Verfahren sei mit dem INTRASIT-Verfahren vergleichbar und gleichwertig, zumal von der ausführenden Firma eine Herstellergarantie von 10 Jahren gegeben werde.

Die Streithelferin zu 1.) stützt die von ihr eingelegte Berufung ebenfalls darauf, dass die Abdichtung entsprechend DIN 18195-6 und damit vertragsgemäß ausgeführt worden sei. Darüber hinaus sei die Eignung der von ihr – der Streithelferin zu 1.) – vertriebenen kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung auch – unstreitig – durch Prüfzeugnis des Materialprüfungsamts des Landes NRW vom 25.10.2013 nachgewiesen worden.

Soweit sich der Sachverständige auf Kenntnisse aus seiner sachverständigen Praxis beziehe, sei diese Äußerung viel zu unbestimmt. Es müsse vielmehr im Einzelnen dargelegt werden, was konkret Ursache für die eingetretene Undichtigkeit gewesen sein soll, zumal auch schlichte Ausführungsfehler in Betracht kämen.

Das Landgericht habe sich zudem nicht mit der gebotenen Sorgfalt mit dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen K und den von der Beklagten und den auf Beklagtenseite beigetretenen Streithelfern gegen das Gutachten des Sachverständigen U vorgetragenen Einwänden auseinandergesetzt.

Das Landgericht hätte sich zudem mit ihrer – der Streithelferin zu 1. – Behauptung befassen müssen, dass es bislang keinerlei Beanstandungen im Hinblick auf die grundsätzliche Eignung des verwandten Abdichtungssystems gegeben hätte, was unter Beweis durch Vernehmung des Zeugen S gestellt worden sei.

Letztlich sei die Klage bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerinnen die angebotene Nachbesserung mittels INTRASIT-System – unberechtigt – abgelehnt hätten.

Die Beklagte und die Streithelferinnen beantragen,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil. Die geplante und ausgeführte Abdichtungsart für die Wasserlastfälle „aufstauendes Sickerwasser“ und „Bodenfeuchte“ entspreche nicht den anerkannten Regeln der Technik. Dies habe der Sachverständige U in seinem Gutachten ausführlich und mehrfach dargestellt. Es sei auch sinnvoll gewesen, nicht nach anderen Ursachen zu suchen, weil bereits die Planung der Abdichtung mangelhaft sei, so dass es auf die Ausführung nicht mehr ankomme. Darauf, dass die DIN vertraglich vereinbart worden sei, könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie sich für die beabsichtigte Verwendung als untauglich erwiesen habe und damit nicht dem Vertragssoll entspreche. Die Beklagte sei aufgrund der verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung nachbesserungspflichtig. Eine vollständige und dauerhafte Mangelbeseitigung komme nur durch die Versiegelung der gesamten Kellerräume nach den Vorgaben des Sachverständigen U in Betracht. Die von Beklagtenseite angebotene stellenweise Nachbesserung sei demgegenüber weder ausreichend noch den Klägerinnen zuzumuten, zumal diese nicht dauerhaft sei.

B.

Die Berufung ist zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zwar – isoliert betrachtet – unzulässig, da sie keine formgerechte Berufungsbegründungsschrift innerhalb der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 und 3 ZPO) eingereicht hat. Die schriftsätzliche Begründung i.S.v. § 520 Abs. 3 S. 1 ZPO muss von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 ZPO) eigenhändig unterzeichnet sein, der sich damit den Inhalt der Begründung zu eigen macht und die Verantwortung übernimmt (MüKo/Rimmelspacher, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 520 Rn. 23). Daran fehlt es vorliegend. Die innerhalb der Frist eingegangene Berufungsbegründungsschrift der Beklagten ist von ihrem Prozessbevollmächtigten nicht unterschrieben worden.

Da allerdings eine form- und fristgerechte Berufung der Streithelferin zu 1.) vorliegt, ist der Senat an einer Sachentscheidung nicht gehindert. Denn bei einer von Hauptpartei und Streithelfer eingelegten Berufung handelt es sich nur um eine – einheitlich zu betrachtende – Berufung; die von dem Nebenintervenienten eingelegte Berufung ist immer Rechtsmittel für die Hauptpartei (BGH NJW 1990, 190; 1985, 2480). Daraus folgt, dass die Berufung aufgrund der durch die Streithelferin zu 1.) rechtzeitig und formgerecht eingereichten Berufungsschrift als insgesamt zulässig anzusehen ist, zumal das Rechtsmittelverhalten der Streithelferin dem der Beklagten nicht widerspricht (§ 67 ZPO).

II.

Die Berufung ist indes nur teilweise begründet. Die Klage ist zulässig und – weit überwiegend – begründet.

1.

Den Klägerinnen steht gegenüber der Beklagen ein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 85.705,29 Euro aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 3 BGB zu.

a.

Aufgrund der Regelung in § 2 Ziff. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Vertrages finden die Gewährleistungsvorschriften des im BGB geregelten Werkvertragsrechts, insbesondere die §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 3 BGB, vorliegend Anwendung. Denn die Klägerinnen behaupten eine mangelhafte Abdichtung der Kellerräume, also einen Sachmangel, dessen Ursache in der Errichtung des Bauwerks begründet wäre.

b.

Zwar setzt die Geltendmachung eines Vorschussanspruchs i.S.v. § 637 Abs. 1, 3 BGB grundsätzlich voraus, dass eine Abnahme der Werkleistung durch den Besteller erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13). Eine solche lässt sich vorliegend mangels entsprechenden Vortrags der Parteien nicht feststellen.

Allerdings kann ein Vorschussanspruch auch ohne vorherige Abnahme durch den Besteller geltend gemacht werden, wenn das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13). Ein Abrechnungsverhältnis kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt. In dieser Konstellation kann der Besteller nicht mehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren (vgl. BGH, Urteil v. 19.01.2017 – VII ZR 301/13, a.a.O., Tz. 44 ff.).

Im vorliegenden Fall liegt jedenfalls ein Abrechnungsverhältnis vor. Die streitgegenständliche Doppelhaushälfte ist unstreitig fertiggestellt und von den Klägerinnen in Gebrauch genommen worden. Weiterhin ist unstreitig, dass die Klägerinnen die von der Beklagten angebotene Art der Nacherfüllung (mittels INTRASIT-System) endgültig und ernsthaft abgelehnt haben und ihr – der Beklagten – gegenüber nur noch Zahlungsansprüche geltend machen.

c.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Mangels angenommen, der die Klägerinnen zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen berechtigt.

Das Werk der Beklagten ist mangelhaft i.S.v. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB, da es insofern nicht die zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit aufweist, als die am streitgegenständlichen Gebäude der Klägerinnen installierte Abdichtung nicht funktionstauglich ist.

Welche Beschaffenheit eines Werkes die Parteien vereinbart haben, ergibt die Auslegung des Werkvertrages (§§ 133, 157 BGB); zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle – ausdrücklich oder konkludent vereinbarten – Eigenschaften, die nach der Vereinbarung den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 – VII ZR 183/05 Rn. 15, BGHZ 174, 110). Bei der Bestimmung der Soll-Beschaffenheit kommt es in erster Linie auf die Vorstellungen der Parteien an. Ein weiterer Bestandteil des geschuldeten Erfolges ist außerdem die Funktionalität des Werkes; die Funktionalität ist zumeist (zumindest konkludent) Bestandteil der Beschaffenheitsvereinbarung (sog. funktionaler Mangelbegriff) (vgl. BGH Urt. v. 08.11.2007 – VII ZR 183/05). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entspricht ein Werk dann nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn es nicht die vereinbarte Funktionstauglichkeit aufweist (BGH, Urteil vom 08. November 2007 – VII ZR 183/05 -, BGHZ 174, 110-126), und zwar ungeachtet der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, der Einhaltung von DIN-Vorschriften oder der anerkannten Regeln der Technik (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007, VII ZR 183/05, Senat, Urteil vom 09. November 2018 – I-12 U 20/18 -, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. April 2015 – I-21 U 182/14 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013, I-23 U 185/11 m.w.N.).

Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt vorliegend ein negatives Abweichen der Ist- von der geschuldeten Sollbeschaffenheit vor.

Zwar steht nicht in Streit, dass die am Gebäude der Klägerinnen ausgeführte Abdichtung in Form einer Kombination aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung den Vorgaben der durch den notariellen Kaufvertrag in Bezug genommenen Baubeschreibung entsprach.

Allerdings ist zwischen den Parteien ebenso unstreitig, dass es zu einem Wassereintritt von außen in die Kellerräume der Klägerinnen gekommen ist. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Wassereintritt in die Kellerräume Symptom einer Undichtigkeit der ausgeführten Abdichtung ist, die Abdichtung mithin die ihr zugedachte Funktion nicht erfüllt hat. Hiervon geht letztlich auch die Beklagte selbst aus, was ihre vorgerichtlich signalisierte Bereitschaft zeigt, Nachbesserungsarbeiten an den Kellerwänden im Hause der Klägerinnen durchzuführen.

Demnach weist die Werkleistung der Beklagten, ungeachtet der Tatsache, dass die ausgeführte Abdichtung dem Vertragstext oder DIN-Vorschriften entspricht, jedenfalls aufgrund ihrer mangelnden Funktionstauglichkeit nicht die Beschaffenheit auf, die die Parteien – zumindest konkludent – vereinbart haben.

Die Einwendung der Beklagten, dass der Wassereintritt in die Kellerräume der Klägerinnen durch mangelhaft ausgeführte und abgedichtete Bohrlöcher für die Installation elektrischer Leitungen (zumindest mit-)verursacht worden sei, greift nicht durch.

Zum einen kann die Beklagte mit ihrer Einwendung bereits deshalb nicht gehört werden, weil sie nicht näher konkretisiert hat, wann, an welchen Stellen und auf welche Weise die Kellerwand durchbohrt worden sein soll, so dass sich ihre Behauptung als – im Ergebnis unbeachtliche – bloße Behauptung ins Blaue hinein darstellt. Entsprechender Vortrag wäre der Beklagte, die selbst mehrfach vor Ort war und den bei den Klägerinnen eingetretenen Schaden begutachtet hat, nach Ansicht des Senats allerdings ohne weiteres möglich gewesen.

Zum anderen ist die Behauptung der Beklagten durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U widerlegt. Der Sachverständige hat festgestellt und im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin nochmals nachvollziehbar und anschaulich erklärt, dass die alleinige Ursache des Wassereintritts im Versagen der ausgeführten Kombinationsabdichtung liege. Denn die ausgeführte Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung könne für den – hier vorliegenden – Wasserlastfall „aufstauendes Sickerwasser“ keine dauerhafte Dichtigkeit erzeugen, weil eine dauerhafte Verbindung von WU-Betonplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung nicht gewährleistet sei. In das Gebäude der Klägerinnen sei Wasser lediglich in den unteren Wandbereichen eingedrungen, genau dort, wo die Verbindung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung offensichtlich versagt habe.

Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U nach eigener Sachprüfung vollumfänglich an. Der Sachverständige U ist dem Senat bereits aus anderen Rechtsstreitigkeiten, an denen er als Bausachverständiger beteiligt war, als kompetent, sorgfältig und gewissenhaft bekannt. Sein Gutachten ist insgesamt widerspruchsfrei, detailliert und nachvollziehbar. Es lässt erkennen, dass sich der Sachverständige mit den Beweisfragen in sorgfältiger Weise auseinandergesetzt hat. Der Sachverständige hat den gesamten Akteninhalt berücksichtigt und ausgewertet. Zudem hat sich der Sachverständige im Rahmen eines durchgeführten Ortstermins selbst ein Bild von den örtlichen Verhältnissen gemacht und weitere Untersuchungen, insbesondere partielle Bauteilöffnungen, vorgenommen. Seine Feststellungen hat der Sachverständige im Rahmen einer Anhörung im Senatstermin vom 28.06.2019 glaubhaft bekräftigt, sich insbesondere mit den Einwendungen der Parteien eingehend befasst und zu diesen in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise Stellung genommen.

d.

Das Landgericht hat des Weiteren im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Klägerinnen von der Beklagten Zahlung eines Vorschusses in der geforderten Höhe, die auf den Feststellungen und der Berechnung des Sachverständigen U beruht, verlangen können.

Die von dem Sachverständigen U festgestellte Maßnahme, das Einbringen eines Gelschleiers, und die hierfür anfallenden Kosten sind zur Mangelbeseitigung erforderlich.

Die Klägerinnen mussten sich demgegenüber nicht auf die von der Beklagten angebotene Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-Systems einlassen.

Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass der Unternehmer grundsätzlich die Herstellungs- oder Beseitigungsmethode bestimmen kann. Das bedeutet, dass er nicht nur die Wahl hat, ob er das Werk neu herstellt oder es nachbessert, sondern er bestimmt ebenfalls, in welcher Weise er im Rahmen dieser Vorentscheidung seine Leistungen ausführt, um ein mangelfreies Werk durch Nacherfüllung zu erreichen. Der Nacherfüllungsanspruch gibt dem Besteller also grundsätzlich nicht das Recht, zu bestimmen, auf welche Weise die Mängel zu beseitigen sind (vgl. Moufang/Koos in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, BGB, § 635, Rn. 43 m.w.N.). Allerdings betrifft dieses Wahlrecht nur Maßnahmen, die auf Herstellung des Zustandes gerichtet sind, der nach dem Inhalt des Werkvertrages von vornherein bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung hätte herbeigeführt werden müssen. Dabei muss der Unternehmer grundsätzlich den Mangel einschließlich seiner Ursache beseitigen, die Beseitigung seiner Symptome oder seiner Folgen genügt dagegen nicht (vgl. Moufang/Koos, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

Die von der Beklagten angebotene Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-Systems stellt keine geeignete Maßnahme dar, um eine dauerhaft funktionsfähige Abdichtung, d.h. den vertragsgemäßen Zustand, herbeizuführen. Denn das INTRASIT-System vermag nur die Symptome, nicht jedoch die Mangelursache zu beseitigen.

Der Senat schließt sich auch insoweit den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen U an. Im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin hat der Sachverständige U ausgeführt, dass im Falle des Versagens einer in einen Neubau eingebrachten Abdichtung mittels Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung nur das Einbringen eines Gelschleiers eine dauerhafte Dichtigkeit gewährleisten könne. Demgegenüber stelle das INTRASIT-System, bei dem die Kellerinnenwände nur punktuell im Bereich der Wasseraustrittsstellen behandelt würden, im vorliegenden Fall keine geeignete Maßnahme zur Mangelbeseitigung dar. Denn im Falle des Versagens einer Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung sei es unmöglich, anhand der Wasseraustrittstellen im Gebäudeinneren auf die Lage der Schad- bzw. Leckstellen im Randbereich zwischen Bodenplatte und Bitumendickbeschichtung zu schließen. Die Schichten zwischen Abdichtung und Betonplatte wiesen wasserleitende Eigenschaften auf, so dass das aufgrund von Undichtigkeiten eindringende Wasser an völlig anderer Stelle im Gebäudeinneren wieder austreten könne. Eine Reparatur der Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung sei daher nicht möglich. Im Falle der nur punktuellen Behandlung der Schadstellen mittels INTRASIT-Systems werde lediglich das Mangelsymptom behandelt, nicht jedoch die Schadensursache beseitigt, da weiterhin Wasser durch die noch bestehende Schadstelle eindringen und an anderer Stelle im Gebäudeinneren wieder austreten könne. Das Einbringen eines Gelschleiers führe demgegenüber zu einer vollständigen und dauerhaften Dichtigkeit. Das eingebrachte Gel könne aufgrund seines Anpressdrucks nicht von Wasser unterdrungen werden. Selbst wenn sich nach Einbringen des Gelschleiers herausstellen sollte, dass eine unvergelte Stelle zurückgeblieben wäre, sei diese im Nachhinein gut sichtbar und ohne weiteres zu lokalisieren, so dass eine Nachbehandlung möglich sei.

Schließlich scheidet auch eine Reparatur des Übergangs zwischen WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung von außen – nach vorangegangener Ausschachtung und Freilegung der Außenwände – aus. Denn auch diese Methode würde keine geeignete Maßnahme darstellen, um eine dauerhaft funktionsfähige Abdichtung herbeizuführen.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die gewählte und ausgeführte Abdichtungsmethode, die Kombinationslösung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung, für den – hier vorliegenden – Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – trotz Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die von der Regelung der vorgenannten DIN ausgehende Vermutungswirkung, auf die sich die Beklagte zu ihrer Entlastung beruft, sieht der Senat – insbesondere aufgrund der Vielzahl an aufgetretenen Schadensfällen – als widerlegt an.

Der Senat schließt sich wiederum vollumfänglich den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U an, der überzeugend, detailliert und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die geplante und ausgeführte Abdichtungsmethode für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser keine dauerhafte Dichtigkeit erzeugen könne und damit insoweit – trotz Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche.

Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil – Die Haftung des Unternehmers für Mängel -, Rn. 32 m.w.N.). Dem Grundsatz nach tragen DIN-Normen die (widerlegliche) Vermutung in sich, den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen (vgl. nur BGH Urt. v. 24.05.2013 – V ZR 182/12).

Der Sachverständige U hat festgestellt, dass die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser technisch nicht geeignet sei, eine dauerhafte Abdichtung herzustellen. Die generelle Schwäche der Kombinationsabdichtung liege im unteren Bereich der Abdichtung, nämlich dort, wo die kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung auf die Bodenplatte aufgeklebt werde. In diesem Bereich komme es zu Ablöseerscheinungen und Unterwanderungen. Zur Begründung hat der Sachverständige auf seine langjährige sachverständige Erfahrung verwiesen. Im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin hat der Sachverständige erläutert, dass er seit Beginn seiner Sachverständigentätigkeit im Jahre 2003 ca. 15-20 Fälle pro Jahr zu begutachten gehabt habe, in denen es im Falle der Verwendung der hier vorliegenden Kombinationsabdichtung bei aufstauendem Sickerwasser zu Wassereintritten ins Gebäudeinnere gekommen sei. Demgegenüber habe er lediglich einen Fall begutachtet, in dem es bei Verwendung einer Abdichtung durch Bitumenbahnen zu einem Wassereintritt gekommen sei, wobei der Schaden im begutachteten Fall auf einem offensichtlichen Ausführungsfehler beruht habe.

Seine Einschätzung, dass die Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser technisch ungeeignet sei und damit nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche, hat der Sachverständige zudem mit dem Ergebnis einer von ihm im Jahre 2009 veranlassten Befragung aller zur damaligen Zeit öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit den Fachgebieten Schäden an Gebäuden und Bauwerkssanierung begründet. Die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung sei von den Sachverständigen, die sich zurückgemeldet hätten, mehrheitlich als technisch ungeeignet eingestuft worden.

Soweit die Beklagte eingewandt hat, dass die Feststellungen des Sachverständigen U aufgrund der Ausführungen des Prof. Dipl.-Ing. A in seinem Abschlussbericht vom 14.03.2019 zu einer von ihr – der Beklagten – selbst in Auftrag gegebenen Umfrage zur Praxisbewährung von Abdichtungsübergängen vom PMBC auf WU-Beton widerlegt seien, kann dem nicht gefolgt werden. Im Gegenteil hat der Sachverständige Prof. A ausweislich Seite 8 des Abschlussberichts die technischen Schwächen der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung selbst erläutert und somit die Feststellungen des Sachverständigen U bestätigt. Unter Punkt 2.3 des Berichts hat Prof. A die Kombinationsabdichtung als bei Druckwasser „problematisch“ eingestuft, insbesondere im Hinblick darauf, dass sich eventuelle Undichtigkeiten während der Bauphase nicht zeigten und erst später, ggf. auch erst Jahre später, zu Wasserschäden im Gebäudeinneren führen könnten. Aufgrund der wasserleitenden Eigenschaft der Schutzschichten zwischen Abdichtungen und Bodenplatten seien die schadensverursachenden Leckstellen nach Fertigstellung des Gebäudes meistens nicht auffindbar und damit nicht reparabel. Dies deckt sich uneingeschränkt mit den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen U, denen der Senat folgt.

Auch das von dem Sachverständigen U dargestellte Ergebnis seiner Umfrage aus dem Jahre 2009 ist durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. A in seinem Abschlussbericht – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht widerlegt. Denn ausweislich des Abschlussberichts hat auch dort eine nicht unerhebliche Anzahl an Umfrageteilnehmern angegeben, negative Erfahrungen mit der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung im Falle des Vorliegens von Druckwasser gemacht zu haben (30 von 139 Umfrageteilnehmern). Insgesamt 107 Umfrageteilnehmer hätten sich laut des Berichts zu den Ursachen eingetretener Schäden geäußert, wobei 23 Teilnehmer das Abdichtungssystem als generell ungeeignet beschrieben hätten. Das Ergebnis der von der Beklagten in Auftrag gegebenen Umfrage stützt damit wiederum die Feststellungen des Sachverständigen U und dessen Einordnung der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung als – für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – schadensanfällig und damit technisch ungeeignet.

Dem Einwand der Beklagten, der Sachverständige U könne nicht einschätzen, ob sich die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung in der Praxis bewährt habe, weil er es als Sachverständiger ausschließlich mit Schadensfällen zu tun bekomme, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn der Sachverständige hat, wie bereits dargelegt, nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen die streitgegenständliche Abdichtungsmethode technisch ungeeignet ist und sich in der Praxis gerade nicht bewährt hat. Dass der Sachverständige es aufgrund seines Fachgebiets ausschließlich mit Schadensfällen zu tun hat, liegt in der Natur der Sache und vermag an seiner fachlichen Kompetenz zur Einschätzung der technischen Geeignetheit der streitgegenständlichen Abdichtungsmethode nichts zu ändern. Letztlich hat auch die Streithelferin zu 1.) zugestanden, dass die Verwendung der streitgegenständlichen Abdichtungsmethode nicht ausschließlich schadens- und beanstandungsfrei geblieben ist. Sie hat eingeräumt, dass es bei etwas mehr als 100 für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser mit der streitgegenständlichen Methode abgedichteten Kellern zu immerhin 12 Beanstandungen gekommen sei. Dabei ist für die Einschätzung der technischen Geeignetheit der Abdichtungsmethode unbeachtlich, welche Ursache die beanstandeten Schadensfälle hatten. Denn auch eine Abdichtungsmethode, die ausführungsfehleranfällig ist, kann nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Dass der Streithelferin zu 1.) nicht mehr Schadensfälle bekannt sind, kann – wie der Sachverständige U plausibel erklärt hat – daran liegen, dass Undichtigkeiten oftmals über einen längeren Zeitraum hinweg unerkannt blieben und erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist sichtbar würden, so dass die bauausführenden Unternehmen nicht mehr in Anspruch genommen werden könnten und demnach auch keine Kenntnis von dem Versagen der Abdichtung erlangten.

Auch die Verteidigung der Beklagten, dass die generelle Eignung der kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung für den konkreten Lastfall bauaufsichtsrechtlich geprüft und zertifiziert worden sei, vermag im Ergebnis nicht durchzugreifen. Der Sachverständige U hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass das Vorliegen einer derartigen Prüfbescheinigung nichts an seiner Feststellung ändere, dass die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung keine hinreichende Dichtigkeit erzeuge. Denn eine derartige Prüfbescheinigung werde nach Durchführung von Untersuchungen „unter Laborbedingungen“ (sauber, trocken, ohne Grate), die sich von den Bedingungen in tatsächlichen Baugruben wesentlich unterschieden, erteilt. Zudem werde die Dichtigkeit unter Laborbedingungen in einem Zeitraum von lediglich 28 Tagen überprüft, so dass die Erteilung einer Prüfbescheinigung im Hinblick auf die dauerhafte Haltbarkeit der Abdichtungsmethode nicht aussagekräftig erscheine.

Auch die Einwendung der Beklagten, der Sachverständige U habe sich mit den Feststellungen des leitenden Baudirektors a.D. Dipl.-Ing. K in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 08.05.2016 nicht hinreichend auseinander gesetzt, vermag nicht durchzugreifen. Der Sachverständige U hat nachvollziehbar ausgeführt, dass sich an seiner Feststellung, dass die streitgegenständlichen Abdichtungsmethode für den Wasserlastfall „aufstauendes Sickerwasser“ generell ungeeignet sei, auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dipl.-Ing. K nichts ändere. Wie dargelegt, ist der Senat aufgrund der Feststellung des Sachverständigen U davon überzeugt, dass sich die streitgegenständliche Abdichtungsmethode in der Praxis – entgegen der Ansicht des Dipl.-Ing. K – gerade nicht bewährt hat.

Der Senat sieht aufgrund der überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen U nach alledem die Vermutungswirkung der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 als widerlegt an.

e.

Die Klägerinnen haben der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 24.03.2016 eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung entsprechend der von dem Sachverständigen U vorgeschlagenen Maßnahmen gesetzt, die fruchtlos verstrichen ist.

f.

Der Einwand der Beklagten, dass von dem den Klägerinnen zugesprochenen Vorschuss ein Abzug in Höhe von 15.000,00 Euro (Kosten des INTRASIT-Verfahrens) vorzunehmen sei, geht mangels rechtlicher Grundlage ins Leere.

Ungeachtet dessen, dass die Beklagte die tatsächlichen Grundlagen für die Berechnung des in Abzug zu bringenden Betrages von 15.000,00 Euro bereits nicht näher dargelegt und aufgeschlüsselt hat, ist der Senat, wie bereits oben dargelegt, von der Ungeeignetheit des von der Beklagten vorgeschlagenen INTRASIT-Systems zur Mangelbeseitigung überzeugt, so dass sich die von der Beklagten begehrte Kürzung des Vorschussanspruchs der Klägerinnen auch aus diesem Grunde verbietet.

2.

Darüber hinaus steht den Klägerinnen gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.019,60 Euro gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zu. Ein weitergehender Anspruch der Klägerinnen besteht allerdings nicht.

a.

Die Klägerinnen können Ersatz der Kosten für die Erstattung der beiden DEKRA-Gutachten in Höhe von 880,60 Euro sowie das zweite, im September 2014 angeschaffte Trocknungsgerät in Höhe von 139,00 Euro aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes neben der Leistung verlangen.

aa.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sowohl die Kosten für die Beauftragung des DEKRA-Sachverständigen, als auch die Kosten für die Anschaffung des zweiten Trocknungsgeräts kausal auf dem oben festgestellten Mangel, nämlich der mangelnden Funktionsfähigkeit der Abdichtung und dem dadurch hervorgerufenen Wassereintritt in die Kellerräume der Klägerinnen beruhten.

bb.

Bei den aufgewandten Kosten handelt es sich um – im Rahmen des Schadensersatzes neben der Leistung grundsätzlich erstattungsfähige – Mangelfolgeschäden.

Die Kosten eines vom Auftraggeber eingeholten Privatgutachtens, um etwaig bereits vorhandene oder etwaig noch zu erwartende Mängel (Symptome/Erscheinungen bzw. Ursachen) festzustellen bzw. um abzuklären, welche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung erforderlich sind, sind als Mangelfolgeschäden i.S. eines materiellrechtlichen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung einzuordnen (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2003, VII ZR 338/01; OLG Düsseldorf Urt. v. 9.8.2013 – 22 U 4/13).

Auch die Kosten für das Trocknungsgerät stellen einen nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB erstattungsfähigen Mangelfolgeschaden dar. Denn der Einsatz des Trocknungsgeräts zielte darauf ab, die eingedrungene Feuchtigkeit bzw. die Feuchtigkeitsschäden an den Kellerwänden zu beseitigen. Sowohl die aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden als auch die aufgewandten Kosten für das Trocknungsgerät sind durch den oben festgestellten Werkmangel (die nicht funktionierende Abdichtung) verursacht worden.

cc.

Die Erforderlichkeit der für die Anschaffung des zweiten Trocknungsgeräts aufgewandten Kosten steht zwischen den Parteien außer Streit.

Der Senat hat auch keine Zweifel an der Erforderlichkeit der für die Erstattung der DEKRA-Gutachten aufgewandten Kosten.

Soweit die Beklagte einwendet, dass die DEKRA-Gutachten deshalb untauglich seien, weil der Sachverständige T das Objekt nicht in Augenschein genommen habe, ist dieser Einwand bereits aufgrund ihres eigenen erstinstanzlichen Vortrags widerlegt. Denn die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung Bezug auf die Schreiben der Streithelferin zu 1.) vom 26.09.2014 (Bl. 71 d.A.) und vom 01.12.2014 genommen, ausweislich derer zwei Ortstermine stattgefunden haben, an denen u.a. der Sachverständige T teilgenommen hat. Im Übrigen hat der Sachverständige in seinen beiden an die Klägerinnen gestellten Rechnungen die Durchführung zweier Ortstermine abgerechnet.

Auch die Einwendung der Beklagten, die DEKRA-Gutachten seien deshalb untauglich, weil der Sachverständige Feststellungen getroffen habe, ohne zuvor eine Bauteilöffnung vorgenommen zu haben, vermag nicht durchzugreifen. Der Sachverständige war von den Klägerinnen – unstreitig – damit betraut, die Geeignetheit der von der Beklagten vorgeschlagenen Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-System zu überprüfen und zu bewerten. Ausweislich seines Gutachtens vom 25.07.2014 (Bl. 28 f. d.A.) hat der Sachverständige festgestellt, dass das von der Beklagten vorgeschlagene Sanierungssystem ungeeignet sei, weil nicht der Mangel an sich – die aufgrund des Wassereintritts offensichtlich schadhafte Abdichtung erdberührter Teile – sondern nur das Mangelsymptom beseitigt werde. Für diese Feststellung war eine Bauteilöffnung offensichtlich nicht erforderlich; vielmehr hat der Sachverständige ausdrücklich festgehalten, dass eine Freilegung der betroffenen Außenwandbereiche lediglich für die spätere Lokalisierung der Schadstelle erforderlich sei.

Dass die von dem DEKRA-Gutachter abgerechneten Kosten unangemessen hoch wären, ist von der Beklagten weder hinreichend konkret vorgetragen worden, noch ersichtlich.

dd.

Die Beklagte hat den Mangel, der den Vermögensschaden verursacht hat, auch zu vertreten, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie hat sich von dem Vorwurf der zumindest fahrlässigen Herbeiführung des Mangels nicht zu entlasten vermocht.

Der einen Schaden verursachende Mangel muss auf einem Umstand beruhen, den der Unternehmer zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Verschulden des Unternehmers wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet, d.h. der Unternehmer muss darlegen und beweisen, dass er hinsichtlich des Mangels, hier der mangelhaften Abdichtung, nicht schuldhaft gehandelt hat. Soweit sich der Unternehmer zur Ausführung der Werkleistung Subunternehmern bedient, werden diese als seine Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB tätig (vgl. Moufang/Koos, a.a.O, § 636 Rn. 113 m.w.N.).

Die Beklagte handelte zumindest fahrlässig i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB, wobei im Ergebnis dahinstehen kann, ob sie bzw. ihre Erfüllungsgehilfen das Werk technisch fehlerhaft ausgeführt oder den Mangel durch fehlerhafte Planung, nämlich der Wahl einer für das Gebäude der Klägerinnen ungeeigneten Abdichtungsmethode, verursacht haben.

(1)

Die Beklagte hat sich nicht mit ihrer Behauptung zu entlasten vermocht, dass die gewählte und ausgeführte Abdichtungsmethode den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Der Senat ist, wie bereits ausgeführt, vielmehr davon überzeugt, dass die gewählte und ausgeführte Abdichtungsmethode nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht; die Vermutungswirkung der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 sieht der Senat als widerlegt an.

Dass der Beklagten die bereits seit vielen Jahren in Fachkreisen geführte Diskussion um die technische Geeignetheit der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung, auf die auch der Sachverständige U sowohl in seinen schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin hingewiesen hat, gänzlich unbekannt gewesen wäre, behauptet sie – die Beklagte – selbst nicht. Auch angesichts des bereits oben dargelegten Umstandes, dass ihre Erfüllungsgehilfin, die Streithelferin zu 1.), eingeräumt hat, dass es bei zumindest 12 der von ihr mit der Kombinationslösung abgedichteten Kellern zu Beanstandungen gekommen sei, vermag sich die Beklagte von dem Vorwurf, den Mangel zumindest fahrlässig herbeigeführt zu haben, nicht zu entlasten.

(2)

Die Beklagte kann sich auch mit ihrem Vortrag, dass es im vorliegenden Fall aufgrund von Ausführungs- oder Verarbeitungsfehlern zum Schadenseintritt bei den Klägerinnen gekommen ist, nicht entlasten.

Soweit Ausführungs- oder Verarbeitungsfehler bei Durchführung der Abdichtungsarbeiten vorgelegen hätten, wäre ein etwaig fahrlässiges Verhalten der Mitarbeiter der Streithelferinnen der Beklagten als deren Subunternehmerin gemäß § 278 BGB zuzurechnen.

Dass die für die Abdichtung verwandten Materialien herstellungsbedingt fehlerhaft gewesen wären, behauptet die Beklagte selbst nicht.

Im Übrigen hat der Sachverständige U eine herstellungsbedingte Fehlerhaftigkeit der für die Abdichtungsmethode verwandten Materialien auch nicht festgestellt. Wie bereits dargelegt, führt der Sachverständige das Versagen der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung auf die generelle Ungeeignetheit des Systems, das im Bereich der Verbindung zwischen WU-Betonbodenplatte und Bitumendickbeschichtung keine ausreichende Dichtigkeit erzeugen kann, zurück. Der Sachverständige hat zudem im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin betont, dass die Kombinationsabdichtung aufgrund der festgestellten Schwachstelle im Verbindungsbereich auch ohne Vorliegen eines Verarbeitungs- oder Ausführungsfehlers undicht sein kann.

b.

Demgegenüber besteht kein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung der für die Anschaffung des ersten Trocknungsgeräts aufgewandten Kosten (in Höhe von 297,50 Euro) sowie der für die Beauftragung des Energieberaters aufgewandten Kosten (in Höhe von 107,10 Euro). Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Mangel und dem im Zusammenhang mit den vorgenannten Kosten eingetretenen Vermögensschaden ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Das erste Trocknungsgerät wurde ausweislich der Rechnung, Anlage K 11, Bl. 43 d.A., bereits am 24.06.2013, und damit nicht nur vor Übergabe (im Juli 2013) und vor Einzug der Klägerinnen in das streitgegenständliche Haus (im September 2013), sondern sogar vor Ausführung der streitgegenständlichen Abdichtung im Juli 2013 angeschafft. Es fehlt damit offensichtlich an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Mangel und Schaden.

Der Energieberater wurde von den Klägerinnen bereits im Dezember 2013 beauftragt (Anlage K12, Bl. 42 d.A.). Die Klägerinnen haben jedoch in erster Instanz selbst vorgetragen, das (mangelbedingte) Eindringen von Nässe erst im Juli 2014 entdeckt zu haben. Soweit die Klägerinnen im Verhandlungstermin vor dem Landgericht Bochum am 18.04.2018 angedeutet haben, schon vor Juli 2014 „Schimmelerscheinungen“ in den Kellerräumen festgestellt zu haben, ist von ihnen weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass diese Erscheinungen bereits auf der mangelhaften Außenabdichtung beruhten.

3.

Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt, soweit der Hauptanspruch besteht, aus §§ 291, 288 BGB. Die Klage ist der Beklagten am 19.09.2017 zugestellt und damit rechtshängig geworden, so dass die Beklagte zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen ab dem 19.09.2017 verpflichtet ist.

II.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und – im tenorierten Umfang – begründet.

1.

Erstinstanzlich hatten die Klägerinnen – ausweislich der Klarstellung in ihrer Klageschrift vom 21.08.2017, Bl. 7 d.A. – Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Übernahme sowohl von künftig entstehenden Mangelbeseitigungskosten, soweit sie die aus dem Gutachten des Sachverständigen U ersichtlichen Kosten von 85.705,29 Euro übersteigen, als auch von künftig entstehenden weiteren Ansprüchen auf Zahlung von Schadensersatz wegen entgangener Nutzung der Kellerräume verpflichtet ist. Das Bestehen letztgenannter Ansprüche hat das Landgericht jedoch – rechtskräftig – bereits dem Grunde nach verneint, so dass die von den Klägerinnen insoweit begehrte Feststellung nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.

Vor diesem Hintergrund hat die Berufung der Beklagten insoweit Erfolg, als das Landgericht einen Feststellungsanspruch der Klägerinnen hinsichtlich eines jeden, künftig durch die fehlerhafte Abdichtung noch entstehenden, über den zugesprochenen Betrag hinausgehenden Schadens angenommen hat. Der Feststellungsanspruch der Klägerinnen beschränkte sich vielmehr – angesichts der Klarstellung in ihrer Klageschrift vom 21.08.2017, Bl. 7 d.A. – allein auf die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme künftig entstehender Mangelbeseitigungskosten, soweit sie einen Betrag von 85.705,29 Euro übersteigen.

2.

Der Feststellungsantrag ist zulässig; insbesondere besteht das erforderlich Feststellungsinteresse.

a.

Zwar ist ein Feststellungsantrag für zusätzliche Kosten der Mängelbeseitigung in der Sache nicht erforderlich, weil in dem Ausspruch eines Vorschussanspruches zugleich auch die Feststellung der auf die tatsächliche Höhe der Mangelbeseitigungskosten gerichteten Zahlungspflicht enthalten ist, man also ohne weiteres aufgrund dieses Titels auch Mehrforderungen geltend machen kann (BGH, Urt. v. 25.09.2008 – VII ZR 204/07 -, juris). Dies macht aber einen dennoch gestellten Feststellungsantrag nicht unzulässig. Denn ein rechtliches Interesse ist immer dann zu bejahen, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfang durch den Antrag auf Zahlung erfasst wird. Der Besteller, der – wie vorliegend – nicht zu überblicken vermag, ob der von ihm verlangte Vorschuss für die Mängelbeseitigung ausreicht, kann deshalb nicht gehindert werden, ergänzend die den Vorschuss übersteigende Kostentragungspflicht des Unternehmers feststellen zu lassen (BGH, Urt. v. 15.01.2008 – VI ZR 3/07 -, BauR 2008, 867; Urt. v. 20.02.1986 – VII ZR 318/84 -, juris). Denn einem solchen Feststellungsantrag kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine klarstellende Funktion zu und ist damit nicht unzulässig (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31. Oktober 2018 – 11 U 166/17 -, juris).

3.

Der Antrag ist begründet, soweit ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses besteht. Denn es ist durchaus wahrscheinlich, dass die tatsächlich entstehenden Kosten die von dem Sachverständigen nach allgemeinen Grundsätzen kalkulierte Höhe übersteigen könnten (vgl. OLG Köln, a.a.O.).

C.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 2. HS. ZPO.

Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 BGB der Beklagten aufzuerlegen, da die Zuvielforderung der Klägerinnen verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat.

Da der Beklagten als der von ihnen unterstützten Partei die Kosten des Rechtsstreit auferlegt wurden, tragen die Streithelferinnen die ihnen jeweils entstandenen Kosten selbst, vgl. § 101 Abs. 1 2. HS ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

OLG Hamm zur Frage des Bestehens einer Rechtsgemeinschaft im Sinne von § 741 BGB, wenn Grundstückseigentümer über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Enwässerungsrohrsystem verfügen

OLG Hamm zur Frage des Bestehens einer Rechtsgemeinschaft im Sinne von § 741 BGB, wenn Grundstückseigentümer über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen

Zwischen Eigentümern von Grundstücken besteht auch ohne eine entsprechende Vereinbarung eine Rechtsgemeinschaft im Sinne von § 741 BGB, wenn sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen.

OLG Hamm, Urteil vom 08.11.2012 – I-5 U 100/12

Gründe

I.

Der Kläger ist (Erst)Eigentümer eines Reihenendhauses im H in E. Die Beklagten sind (seit 1970) Eigentümer des in der gleichen Reihe stehenden Reihenendhauses H-Weg. Zwischen den beiden Häusern steht das im Eigentum des an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Herrn N stehende Reihenmittelhaus (H-Weg 3). Alle drei Häuser, die über einen im Eigentum der drei vorgenannten Parteien stehenden Privatweg mit dem öffentlichen H-Weg verbunden werden, haben seit ihrer Errichtung im Jahr 1961 eine gemeinsame Abwasserleitung. Die Abwässer der jeweiligen Häuser werden durch eine vom jeweiligen Haus wegführende separate Leitung (Zuleitung) in eine gemeinsame Grundleitung geführt. Diese Grundleitung verläuft parallel zum vorgenannten Privatweg entlang der Grundstücksgrenze durch alle drei Grundstücke; die Einleitung der Abwässer der einzelnen Häuser erfolgt auf den jeweiligen Grundstücken. Die Abwässer werden dann durch die Grundleitung – Fließrichtung Haus 1 zu Haus 5 – in einen im Grundstück des Hauses 5 liegenden Revisionsschacht eingeführt von wo aus sie dann in das öffentliche Netz in der Straße T-Weg laufen. Die Häuserreihe befindet sich zwischen den Straßen T-Weg und H-Weg, die Erschließung erfolgt über den besagten Privatweg zu der Straße H-Weg wobei das Haus des Klägers (Nr. 5) am Ende und das Haus der Beklagten (Nr. 1) am Anfang des Privatweges liegt; das Grundstück, auf welchem der Privatweg liegt, steht zu je 1/3 im Eigentum der vorgenannten Grundstückseigentümer. Auch das Oberflächenwasser dieses Weges wird über das gemeinsame Abwassersystem abgeleitet; der „Gullydeckel“ befindet sich vor dem Reihenmittelhaus (Eigentum N) und das in diesen einlaufende Wasser wird durch einen durch das Grundstück des Herrn N laufenden Kanal ebenda in die Grundleitung geführt.

Eine Eintragung von Dienstbarkeiten ist nicht erfolgt. Zur näheren Beschreibung der Örtlichkeiten wird auf die zur Akte gereichten Skizzen Bl. 6, 21, 27, 52, 60 BA, 54 GA Bezug genommen.

Im Jahr 2001 kam es erstmals zu Problemen mit der Abwasserleitung in Form einer nicht näher beschriebenen Verstopfung der gemeinsamen Grundleitung. Die damaligen Reparaturkosten sowie die Kosten einer weiteren Reparatur im Jahr 2005 (Rechnung vom 21.10.2005), wurden zu gleichen Teilen zwischen den drei Eigentümern geteilt.

Am 17.11.2006 kam es zu einer erneuten Verstopfung der gemeinsamen Grundleitung; wie auch in den Jahren zuvor beauftragten die hiesigen Beklagten die Fa. Rohrreinigung U H2 mit den Beseitigungsarbeiten und zahlten im Anschluss an die Arbeiten auch die Rechnung vom 23.11.2006 in Höhe von 384,54 €. Der hiesige Kläger weigerte sich diesmal, den von ihm eingeforderten Anteil i.H.v. 1/3 (= 128,18 €) an die Beklagten zu erstatten, so dass die hiesigen Beklagten am 15.10.2007 Klage vor dem Amtsgericht Dortmund über einen Betrag von 128,18 € erhoben (Az: 417 C 10054/07). Nachdem im Rahmen von Vergleichsbemühungen der Kanal am 19.02.2008 einer TV-Kamera Untersuchung durch die Fa. U H2 (Kosten laut Rechnung vom 20.02.2008: 978,18 €) zugeführt wurde, hat das Amtsgericht, nachdem ein Vergleich nicht zustande kam, die Klage mit den Parteien am 19. bzw. 20.06.2008 zugestelltem Urteil abgewiesen (Bl. 70 ff der vorgenannten Gerichtsakte). Das Landgericht Dortmund hat mit Berufungsurteil vom 23.01.2009 (Az. 17 S 167/08) der Klage in Höhe von 76,91 € stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den  vorgenannten Urteilen Bezug genommen.

Bereits am 03.12.2007 – also knapp 2 Monate nach Klageeinreichung im vorgenannten Verfahren – war es zu einer erneuten Verstopfung der Abwasserleitung gekommen. Die in der Rechnung der Fa. U H2 vom 04.12.2007 von den hiesigen Beklagten erhobenen Kosten v. 314,76 € teilten die Parteien nach Abschluss des vorgenannten Verfahrens nach Maßgabe des (Berufungs)Urteils des Landgerichts Dortmund vom 23.01.2009. Entsprechend wurde mit den Kosten der im Rahmen des Verfahrens eingeholten TV-Untersuchung verfahren (vgl. Bl. 33 ff GA), die ebenfalls zunächst durch die hiesigen Beklagten verauslagt wurden. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden diverse Undichtigkeiten und erhebliche Betonablagerungen im Bereich zwischen den Grundstücken Nr. 3 (Reihenmittelhaus N2 und Nr. 5 (hiesiger Kläger) festgestellt (Bl. 37 ff BA). Sanierungsmaßnahmen erfolgten im Nachgang zu dieser Untersuchung jedoch zunächst nicht.

Mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten (vorgenanntes Gerichtsverfahren) vom 11.05.2009 erklärte der Kläger, er sei nicht weiter bereit, dass die Abwässer der Beklagten – sowie des Grundstücks Nr. 3 – über sein Grundstück geleitet würden. Vor dem Hintergrund, dass die Abwasserleitung ausweislich der Kamerauntersuchung ohnehin ausgewechselt werden müsse, forderte er die Beklagten auf, ihr Abwasser über einen eigenen Abfluss in den öffentlichen Kanal in die Straße H-Weg zu leiten. Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2010 kündigte der Kläger sodann den „nachbarrechtlichen Duldungsvertrag“ und forderte die Beklagten auf, bis zum 30.11.2010 für eine anderweitige Entwässerung ihres Grundstücks zu sorgen. Zugleich wurde erklärt, bei fruchtlosem Fristablauf das einem Klageverfahren voranzustellende Schlichtungsverfahren durchführen sowie einen Nutzungsersatz fordern zu wollen.

Am 28.04.2011 fand zwischen den Parteien – eingeleitete durch den Kläger – ein Schlichtungsverfahren vor dem Schiedsmann statt. Im Rahmen dieses Termins erklärten die Beklagten, sie würden für die Herstellung einer eigenen Abwasserleitung sorgen. Das Schiedsverfahren endete letztlich erfolglos.

Der Kläger beabsichtigt nunmehr eine Kanalsanierung durchzuführen. Zwecks Erstellung eines Angebots hat der Kläger zunächst eine Kanaluntersuchung in Auftrag gegeben. Die beauftragte Fa. H1 hat für diese am 24.06.2011 durchgeführte Untersuchung 385,56 € berechnet (Rechnung vom 24.06.2011, Bl. 13 GA). Nach den sodann erstellten Angeboten der Fa. H1 (Angebot vom 24.06.2011, Bl. 5 f GA) und der Fa. U2 (Angebot vom 15.08.2011, Bl. 7 GA) ergibt sich ein Sanierungsaufwand in Höhe von insgesamt 10.742,13 €. Der weitere Eigentümer, Herr N, hat seine Zustimmung zu einer entsprechenden Sanierung mit Schreiben vom 15.08.2011 (Bl. 8 GA) erteilt. Die Beklagten haben es mit Schreiben der bevollmächtigten „Haus & Grund“ vom 13.09.2011 (Bl. 11 GA) abgelehnt, sich an der Sanierung zu beteiligen. Dabei wurde die Erklärung der Beklagten im Rahmen des Schlichtungsverfahrens Bezug genommen und mitgeteilt, dass die Arbeiten zur Erstellung eines eigenen Anschlusses in Auftrag gegeben worden seien und unmittelbar bevor stünden. Des Weiteren sprachen die Beklagen darin ihrerseits die Kündigung des bestehenden Duldungsvertrages betreffend die Frischwasser- und Stromleitung aus (vgl. nachstehende Ausführungen). 

Die Beklagten, die bereits im März 2011 entsprechende Angebote eingeholt hatten, hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die Fa. U GmbH & Co. Erdbau KG mit der Herstellung einer eigenen Abwasserleitung beauftragt (vgl. Auftragsbestätigung vom 28.06.2011, Bl. 38 f GA). Die Arbeiten wurden vom 17. -19. Oktober 2011 durchgeführt; seit dem 19.10.2011 sind die Beklagten mit ihrem Hausgrundstück nicht mehr an die gemeinsame Abwasserleitung angeschlossen. Die Beklagten haben für diese Maßnahme 15.597,97 € (vgl. Rechnung vom 20.10.2011, Bl. 40 f GA) aufgewandt.

Unstreitig wird das Oberflächenwasser des – gemeinsamen – Privatweges nach wie vor in den Grundkanal geführt und über den auf dem Grundstück des Klägers liegenden Revisionsschacht in den öffentlichen Kanal in der Straße T-Weg geleitet.

Neben der Abwasserleitung verlaufen auch die Versorgungsleitungen für Frischwasser und Strom von Beginn an über die drei Grundstücke. Der Hauptanschluss, das heißt der öffentliche Anschluss mit welchem die Grundstücke derzeit verbunden sind, befindet sich in der Straße H-Weg. Wie bereits ausgeführt, kündigte die Beklagten mit Schreiben vom 13.09.2011 (Bl. 11 f GA) den „Duldungsvertrag“ im Hinblick auf die Frischwasser- und Stromleitung soweit diese, den Kläger versorgenden Leitungen, über das Grundstück der Beklagten verlaufen. Gleichzeitig wurde der Kläger aufgefordert, die Leitungen bis zum 31.12.2011 zu entfernen. Mit Schreiben vom 29.09.2011 (Bl. 93 GA) führte die Fa. E, als Versorgungsträgerin, aus, dass es sich bei den über das Grundstück der Beklagten laufenden Strom- und Wasserleitungen nicht um Privatleitungen sondern um im Eigentum der Fa. E stehende Leitungen handele, die der gesetzlichen Regelung der Niederspannungsanschlussverordnung und der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser unterfielen. Es bestünde eine Duldungspflicht nach § 12 Abs. 1 NAV und § 8 Abs. 1 AVBWasserV gegenüber dem Netzbetreiber, der Fa. DEW21.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten müssten sich an der Kanalsanierung zu 1/3 beteiligen da die Parteien betreffend die Abwasserleitung eine Rechtsgemeinschaft i.S.v. §§ 741 ff BGB bilden würden. Dies ändere sich auch nicht dadurch, dass die Beklagten nunmehr eine eigene Abwasserleitung hätten. Ebenso hätten sie anteilig die Kosten der vorherigen Kanaluntersuchung zu tragen.

Er hat weiter die Ansicht vertreten, ihm stehe im Hinblick auf die Frischwasser- und Stromversorgungsleitungen ein Notleitungsrecht zu, da die Baukosten für die Herrichtung einer eigenen Versorgung außer Verhältnis stünden. Das Begehren der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. Er habe aufgrund des Kündigungsschreibens der Beklagten vom 13.09.2011 ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Das Schreiben der Fa. E ändere daran nichts.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Sanierung der Abwasserkanalanlage der Grundbesitzungen H-Weg bis 5 in …2 E entsprechend dem Angebot der Fa. Rohrreinigung H1 vom 24.06.2011 und dem Angebot der U2 GmbH & Co. KG vom 18.05.2011 zu erteilen,

festzustellen, dass die Beklagten es weiterhin zu dulden haben, dass die Frischwasserleitung sowie die Stromleitungen, welche zu dem klägerischen Hausobjekt H in …2 E führen, über das Grundstück des Beklagten, H-Weg, dortselbst, verlaufen,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 128,52 € zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben unter Vorlage einer Rechnung der Fa. U H2 vom 22.05.2001 (Bl. 30 f GA) über 4.312,24 €, überzeichnet mit „Teilerneuerung der defekten Grundleitung (Rohrbruch, Muffenversätze)“ behauptet, sie hätten nach der ersten Verstopfung der Abwasserleitung im Jahr 2001 sämtliche auf ihrem Grundstück gelegenen Leitungen vollständig auf eigene Kosten sanieren lassen. Die auf ihrem Grundstück verlaufenden Leitungen seien daher in Ordnung. Daher müssten sie sich auch nicht an der erneuten Kanaluntersuchung beteiligen. Sanierungsbedürftig seien die Leitungen nur durch die erheblichen Betonablagerungen zwischen den Grundstücken Nr. 3 und 5. Damit hätten sie nichts zu tun. Infolge der Erstellung eines eigenen Anschlusses seien sie nicht mehr verpflichtet, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen.    

Zudem sei durch das Berufungsurteil des Landgerichts Dortmund vom 23.01.2009 festgestellt worden, dass eine gemeinschaftliche Bindung aller drei Grundstücksparteien gem. § 741 ff BGB nicht gegeben sei.

Mit ihrem Klageerwiderungsschriftsatz vom 05.01.2012 haben die Beklagten ausgeführt, die Kündigung betreffend die Versorgungsleitungen sei erfolgt, da sie eine Gesamttrennung der Grundstücke für sinnvoll erachtet hätten. Durch die Ausführungen der Fa. E habe sich dieses Begehren jedoch erledigt; der Anspruch werde nicht weiter verfolgt. Sie haben infolgedessen die Ansicht vertreten, dass das für den Feststellungsantrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr gegeben sei, da der Anspruch infolge des Schreibens der Fa. DEW21 nicht mehr weiterverfolgt werde.

Das Landgericht hat die Klage im Hinblick auf die Anträge zu 1) und 2) vollumfänglich abgewiesen; dem Antrag zu 3) hat es i.H.v. 96,39 € stattgegeben. Zur Begründung führt es aus:

Die Parteien würden in Bezug auf die Abwasserleitung keine Rechtsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB bilden. Da die Grundleitung über die jeweiligen Grundstücke verliefe, stünde sie als wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Grundstücke gem. § 94 BGB in ihren Teilstücken im Eigentum des jeweiligen Grundstückseigentümers. Da die Entwässerung des Privatweges nicht über das (Haus)Grundstück der Beklagten erfolge, sondern das Wasser unstreitig auf dem (Haus)Grundstück des Herrn N in die Grundleitung eingeleitet werde, seien die Beklagten bzw. der in ihrem Eigentum stehende Teil der Grundleitung von diesem Wasser nicht betroffen. Zudem sei eine Gemeinschaft, sollte eine solche bestanden haben, durch die Erstellung einer eigenen Leitung seitens der Beklagten, aufgehoben.

Der Feststellungsantrag sei zulässig aber unbegründet. Der Kläger könne sich nicht auf ein Notleitungsrecht i.S.d. § 917 BGB berufen, da dieser schon nicht behauptet habe, seinem Grundstück fehle die Verbindung zu einem öffentlichen Weg.

An den Kosten der Kanaluntersuchung hätten die Beklagten sich zu 25% zu beteiligen. Der Anspruch ergebe sich aus §§ 677, 683, 670 BGB.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er vertritt unter Bezugnahme auf seinen gesamten erstinstanzlichen Vortrag weiterhin die Ansicht, die Parteien des Rechtsstreits und der weitere Eigentümer N bildeten eine Rechtsgemeinschaft. Diese könne eine Partei nicht einseitig aufheben. Zudem nutzten auch die Beklagten die gemeinsame Anlage noch für die Entwässerung des Privatweges. Letztlich sei der Sanierungsbedarf auch vor der Erstellung einer eigenen Entwässerung durch die Beklagten entstanden, so dass diese bereits aus diesem Grund an den Kosten – entstanden quasi in der Vergangenheit durch eine Nutzung über einen Zeitraum von 50 Jahren – beteiligen müssten. Das Landgericht habe zu Unrecht eine Kostentragungspflicht von nur 25 % angenommen; diese betrage 1/3.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 06.06.2012, Az. 25 O 594/11, wie folgt abzuändern:

die Beklagten werden verurteilt, ihre Zustimmung zur Sanierung der Abwasserkanalanlage der Grundbesitzungen H-Weg bis 5 in …2 E entsprechend dem Angebot der Fa. Rohrreinigung H1 vom 24.06.2011 und dem Angebot der U2 GmbH & Co. KG vom 18.05.2011 zu erteilen,

festzustellen, dass die Beklagten es weiterhin zu dulden haben, dass die Frischwasserleitung sowie die Stromleitungen, welche zu dem klägerischen Hausobjekt H in …2 E führen, über das Grundstück des Beklagten, H-Weg, dortselbst, verlaufen,

die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an ihn 32,13 € zu zahlen.

Die Beklagten legen Anschlussberufung ein und beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

In erster Linie verteidigen sie das angefochtene Urteil und vertreten, unter Berufung auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag, weiterhin die Ansicht, dass es nie eine Rechtsgemeinschaft zwischen den Parteien gegeben habe. Da die Beklagten den Teil der (gemeinsamen) Abwasserleitung, der auf ihrem Grundstück liege, nicht mehr nutzten, weder für die Entwässerung des Hausgrundstücks noch für die Entwässerung des Weges, seien sie nicht verpflichtet, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen.

Ihrer Ansicht nach sei im Hinblick auf den Feststellungantrag bereits kein Feststellungsinteresse des Klägers gegeben.

Im Hinblick auf den Klageantrag zu 3) vertreten die Beklagten die Ansicht, dieser sei insgesamt abzuweisen. Der Kläger habe – insoweit unstreitig – vor der Kanaluntersuchung keine Einwilligungserklärung der Beklagten zu dieser Maßnahme eingeholt. Dies sei, so die Beklagten, widersprüchlich, da er vor der Sanierung ja auch die Zustimmung – nämlich mit der vorliegenden Klage zu 1) – einhole. Zum anderen sei die Kanaluntersuchung nicht notwendig gewesen, da die Leitung, soweit sie auf ihrem Grundstück liege, in Ordnung sei.    

II.

Die zulässige Berufung ist begründet; die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.

1.

Der unter Ziffer 1) der Klage erhobene Anspruch, gerichtet auf die Zustimmung der Beklagten zu der beabsichtigten Kanalsanierung, ist aus § 744 Abs. 2 BGB begründet. Denn die Parteien bilden eine  Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff BGB. Nach § 744 Abs. 2 BGB kann jeder Teilnehmer die Einwilligung der/des Anderen zu notwendigen Erhaltungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Gegenstandes auch bereits im Voraus verlangen.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, besteht zwischen Eigentümern von Grundstücken auch ohne eine entsprechende Vereinbarung eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB, wenn sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen (vgl. zuletzt Urteil v. 26.01.2012, Az. 5 U 133/11 und davor: OLGR Hamm 1994, 251 f und 35 f). Diese Konstellation ist auch im vorliegenden Fall gegeben. Denn auf allen drei Grundstücken verlaufen Entwässerungsrohre, die in eine gemeinsame über/durch sämtliche Grundstücke verlaufende Grundleitung münden, die unstreitig als gemeinschaftliche Anlage – nämlich als einheitliches Rohrsystem – beim Bau der Reihenhäuser im Jahr 1961 geschaffen worden war, um alle drei Grundstücke (und den Privatweg) zu entwässern. Die Parteien (und der Eigentümer des Reihenmittelhauses Herr N2 sind somit Mitinhaber der gesamten Rohrleitungsanlage, da dieses als ein funktional zusammengehöriges System anzusehen ist. Auf welchem Grundstück welches Rohrstück verläuft und in welchem Teil eine Verstopfung eingetreten ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz.

Das Verhältnis der Parteien bestimmte sich daher nach §§ 741 ff BGB; die Beendigung der Gemeinschaft nach §§ 749758 BGB.

a)

Nach § 749 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft verlangen. Dies gilt jedoch nicht, wenn dieses Recht ausgeschlossen ist, § 749 Abs. 2 BGB. Zwar haben die Parteien diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung getroffen. Diese rechtsgeschäftliche Beschränkung folgt im streitgegenständlichen Fall jedoch aus der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Gegenstandes anlässlich der Begründung der Gemeinschaft. Denn wenn Häuser von Anfang an mit einer gemeinsamen Entwässerungsanlage errichtet werden, dann ist diese grundsätzlich auf Dauer angelegt. Das heißt, die Gemeinschaft sollte solange Bestand haben, wie die Häuser stehen und eine Entwässerung erforderlich ist.

b)

In diesem Falle ist eine Aufhebung der Gemeinschaft nur aus wichtigem Grund oder aber einvernehmlich möglich.

aa) Ein wichtiger Grund für eine Aufhebung der Gemeinschaft im Oktober 2011, also zu dem Zeitpunkt, ab welchem die Beklagten über ein eigenes Entwässerungssystem für ihr Hausgrundstück verfügten (19.11.2011), vermochte der Senat nicht festzustellen. Die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Streitigkeiten der Parteien des hiesigen Rechtsstreits untereinander reichen für die Annahme eines wichtigen Grundes nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht bereits dann, wenn Uneinigkeit oder Feindschaft zwischen den Betroffenen bestehe, unzumutbar sei. Erforderlich sei vielmehr, dass eine ordnungsgemäße gemeinschaftliche Nutzung und Verwaltung unter Abwägung aller den Einzelfall prägenden Umstände unmöglich sei und der Gemeinschafter, welcher die vorzeitige Aufhebung begehre, den wichtigen Grund nicht allein oder überwiegend allein herbeigeführt habe. Das Gericht habe dann schließlich auch zu prüfen, ob das Aufhebungsverlangen auch bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sei (BGH, Urteil v. 05.12.1994, Az. II ZR 268/93). Entsprechende Umstände sind weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.

bb) Auch eine einvernehmliche Aufhebung der Gemeinschaft ist nicht erfolgt. Zwar hat der  Kläger den Beklagten gegenüber eine Kündigung des „Duldungsverhältnisses“ ausgesprochen und diese unmissverständlich und nachdrücklich aufgefordert, einen eigenen Anschluss herzustellen. Dem sind die Beklagten auch nachgekommen und haben, wie bereits ausgeführt, seit dem 19.10.2011 ein eigenes Entwässerungssystem für ihr Hausgrundstück. Hätte die (Abwasser)Gemeinschaft nur zwischen diesen beiden Parteien und nur im Hinblick auf die Hausgrundstücke bestanden, so wäre von einer einvernehmlichen Aufhebung der Gemeinschaft auszugehen (vgl. dazu OLG Hamm, Urteil v. 05.05.1994, Az. 5 U 213/93). Aufgrund der Tatsache, dass die Gemeinschaft vorliegend jedoch aus drei Eigentümern besteht, konnten die Parteien ohne Beteiligung des Dritten, des Herrn N, eine Aufhebung nicht vollziehen. Denn die Aufhebung der Gemeinschaft erfordert einen auf Beendigung der Gemeinschaft zielenden einstimmigen Beschluss (vgl. Palandt-Sprau, 71. Auflage, v. § 749 Rdn. 2). Ein entsprechender Umstand ist nicht behauptet worden.

c)

Die Gemeinschaft der Parteien besteht aber, ungeachtet der vorstehenden Ausführungen,  auch aus folgendem Grund weiter fort: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Oberflächenwasser des Privatweges, an welchem die drei Grundstückseigentümer unstreitig eine Bruchteilsgemeinschaft bilden, ebenfalls über die gemeinsame Grundleitung abläuft. An diesem Umstand hat auch die Erstellung der eigenen Anlage durch die Beklagten nichts geändert.  Denn die Beklagten haben sich mit dieser eigenen Abwasserleitung nur teilweise, nämlich nur betreffend das Hausgrundstück, von der Benutzung der Grundleitung abgespalten. Mithin bilden die Parteien bereits aus diesem Grund weiterhin eine Gemeinschaft i.S.v. §§ 741 ff BGB an der gesamten Rohrleitung. Dabei ist der Umstand, wo das Oberflächenwasser des Weges in das gemeinsame System eingeleitet wird ebenso unerheblich wie die unstreitige Tatsache, dass das Wasser dadurch, dass es auf dem Grundstück N in die Grundleitung eingeleitet wird, nicht mehr durch Leitungen, die im Grundstück der Beklagten liegen, läuft. Denn die Gemeinschaft besteht, wie bereits ausgeführt, an dem gesamten Rohrleitungssystem.

d)

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Gemeinschaft fortbesteht. Der Kläger kann folglich die mit dem Klageantrag zu 1) geforderte Zustimmung verlangen. Denn dass Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich erforderlich sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Sanierungsmaßnahmen sind dabei nicht mehr auf die, infolge der Abtrennung der Beklagten, unbenutzten Teile der gemeinsamen Rohrleitungen zu erstrecken. Darüber hinaus habe sich die Beklagten zwar an den durch die zukünftigen Sanierungsmaßnahmen entstehenden Kosten zu beteiligen, jedoch nicht im Umfang von 1/3. Denn tatsächlich nutzen die Beklagten das gemeinsame Abwässerungssystem nur noch für die Ableitung des Oberflächenwassers des gemeinsamen Privatweges, der ihnen zu einem Bruchteil von 1/3 gehört. Die damit einhergehende Reduzierung des Umfangs der Nutzung der gemeinsamen Anlage, führt zwar, wie ausgeführt, nicht zu einer Aufhebung der Gemeinschaft im Ganzen. Jedoch können die Beklagten von den anderen beiden Eigentümern auch ohne Aufhebung der Gemeinschaft eine Lasten- und Kostentragung verlangen, die nach billigem Ermessen dem gemeinschaftlichen Interesse an der sachgerechten Verwaltung entspricht, §§ 745, 748 BGB (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 26.01.2012, Az. 5 U 133/11). Denn die nach billigem Ermessen vorzunehmende Verteilung der Lasten- und Kostentragungspflicht kann z.B. bei angenommener Alleinnutzung der Entwässerungsanlage auch bedeuten, dass dieser Nutzer dann auch die Kosten alleine zu tragen hat. Denn der Anspruch nach § 748 BGB stellt nur die Kehrseite des § 743 BGB dar. Danach gebührt jedem Teilhaber ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte und jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Anerkanntermaßen handelt es sich bei der Regelung der § 748 BGB um dispositives Recht. Sind danach Gebrauch und Fruchtziehung abweichend von § 743 BGB geregelt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Tragung der Lasten und Kosten einem Teilhaber auferlegt ist, soweit er zur Fruchtziehung und unter Ausschluss der anderen Teilhaber zum Gebrauch berechtigt ist (OLG Hamm aaO und OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 03.11.2006, Az. 14 U 214/05).  

Der Kläger und der weitere Mitinhaber N benutzen die Leitung betreffend die Abwässer der Hausgrundstücke nunmehr allein. Nur für ihren 1/3-Anteil am Privatweg benutzen die Beklagen die gemeinsame Leitung noch. Der Senat schätzt den damit verbleibenden Nutzungsanteil der Beklagten mangels anderweitiger Anhaltspunkte auf 1/6.

2.

a.

Der Klageantrag zu 2) ist zulässig. Ein Feststellungsinteresse des Klägers ist auch nach dem Schreiben der E vom 29.09.2011 und der Erklärung der Beklagten in der Klageerwiderung noch gegeben. Mit ihrem Schreiben vom 13.09.2011 haben sich die Beklagten eines Anspruchs auf Unterlassung berühmt. Sie haben verlangt, dass der Kläger binnen einer gesetzten Frist die Durchleitung von Frischwasser und Strom unterlässt sowie die über das Grundstück geführten Leitungen entfernt. Das damit begründete Feststellungsinteresse des Klägers ist durch die bloße Aufgabe der Berühmung in der Klageerwiderung nicht entfallen, da der Kläger insoweit nicht endgültig gesichert ist. Denn eine einseitige Erklärung der Beklagten reicht hierfür nicht (vgl. dazu Zöller- Greger, ZPO, 29. Auflage, § 256 Rdn. 7c).

b.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Den Beklagten steht ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen den Kläger, wie mit Schreiben vom 13.09.2011 geltend gemacht, nicht zu.

Zwar beeinträchtigen die streitgegenständlichen Versorgungsleitungen, die durch das Grundstück der Beklagten verlaufen, diese in ihrem Eigentum, § 1004 BGB. Der Kläger ist jedoch nicht Störer im Sinne dieser Norm. Denn weder nutzt der Kläger das Grundstück der Beklagten selbst zur Leitungsführung noch hat er den Versorgungsträgern unbefugt eine Leitungsführung ermöglicht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Versorgungsleitungen nicht von dem Kläger sondern von dem Versorgungsträger verlegt wurden. Auch die Nutzung der Leitungen erfolgt im Ergebnis durch den Versorgungsträger und nicht durch den Kläger als Anschlussnehmer. Denn der Bezug von Strom und Wasser ist allenfalls eine Benutzung des Hausanschlusses, über welchen dieser Bezug erfolgt, nicht aber eine Benutzung des Verteilungsnetzes davor. Dieses Verteilungsnetz beherrscht allein der jeweilige Versorgungsträger, der damit seine Verpflichtung zur Versorgung der Anschluss- bzw. Teilnehmer erfüllt. Die einzelnen Anschlussnehmer haben tatsächlichen Zugriff nur auf Leitungen und Anlagen auf ihrem Grundstück und üben ihre mögliche Sachherrschaft auch insoweit nur bei den Leitungen und Anlagen aus, die ihnen zugeordnet sind, nämlich bei dem eigenen Hausanschluss (BGH, Urteil v. 02.12.2011, Az. V ZR 120/11).

Nach der vorzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nehmen die Versorgungsunternehmen eigene Besitzberechtigungen gegenüber den Eigentümern der „benutzen“ Grundstücke in  Anspruch. Denn diese sind als Anschluss- und Teilnehmer der Versorgung mit Strom, Wasser und auch Telekommunikation nach Maßgabe von § 8 AVBWasserV, § 12 NAV und § 76 TKG zur Duldung von Leitungen und Anlagen, die der Versorgung anderer Anschluss- und Teilnehmer dienen, verpflichtet.

Dafür, dass der Kläger mittelbarer Störer ist, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Denn dies würde voraussetzen, dass die unmittelbare Störung die adäquat kausale Folge des Handelns des als mittelbarer Störer in Anspruch Genommenen oder eines von diesem unterhaltenen Zustands ist und dass dieser in der Lage ist, die unmittelbar auftretende Störung zu verhindern (BGH aaO).  Dies lässt sich jedoch weder dem Vortrag der Beklagten noch den Umständen entnehmen.  

3.

Der Klageantrag zu Ziffer 3) ist aus § 748 BGB begründet. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer II.1. Bezug genommen. Im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten am 24.06.2011 bestand die Gemeinschaft noch in ihrer ursprünglichen Form, da die Abtrennung der Beklagten erst am 19.10.2011 vollzogen war. Zum maßgeblichen Zeitpunkt bildeten die Parteien folglich noch eine Abwassergemeinschaft mit einer Lasten- und Kostentragungspflicht zu je 1/3, entsprechend ihrer zum damaligen Zeitpunkt noch zu gleichem Anteil erfolgten Nutzung der gemeinsamen Anlage. Dass der Kläger die Untersuchung ohne Zustimmung der Beklagten veranlasst hat, ist unerheblich. Denn Maßnahmen, die zur notwendigen Erhaltung erforderlich sind, können nach § 744 Abs. 2 BGB ohne Zustimmung getroffen werden. Dass die Untersuchung im Vorfeld einer Angebotseinholung nicht notwendig war, ist nicht behauptet worden. Da die letzte TV-Untersuchung nicht den gesamten Leitungsbereich abdeckte und zudem 2 Jahre zurücklag, ist dies auch nicht anzunehmen. 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO geprüft und hiervon abgesehen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat,  noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst ist.t

DWA e. V.: Nur ein Viertel der Kanalisation ohne Mängel

DWA e. V.: Nur ein Viertel der Kanalisation ohne Mängel

Eine DWA-Umfrage zum Zustand der Kanalisation in Deutschland legt den weiterhin kurz- bis mittelfristigen Sanierungsbedarf offen. Basis der Daten ist eine Umfrage der DWA zum „Zustand der Kanalisation in Deutschland 2020“. Dafür hat die DWA die Daten von 423 Kanalnetzbetreibern in Deutschland ausgewertet, die knapp 30 Mio. Einwohner repräsentieren. Auf dieser repräsentativen Datenbasis konnte eine Hochrechnung für ganz Deutschland durchgeführt werden.

Unter dem Strich befinden sich über ein Viertel des deutschen Kanalnetzes aktuell in einem sehr guten Zustand, 27 Prozent der Kanäle weisen keine Mängel auf. Auf der anderen Seite stehen aber immer noch gut 18 Prozent der Kanäle, die kurz- bis mittelfristig saniert werden müssen. Die Kanalnetzbetreiber in Deutschland konnten damit zwar den Zustand des Kanalnetzes noch einmal leicht verbessern. 2013 wurde noch bei gut 19 Prozent der Kanalisation ein kurz- bis mittelfristiger Sanierungsbedarf festgestellt. Die gegenwärtige Sanierungsrate von rund einem Prozent des Netzes reicht aber nicht aus. Dies betont Prof. Uli Paetzel, Präsident der DWA Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall. „Die Daten belegen die erfolgreiche Arbeit der deutschen Abwasserwirtschaft. Sie zeigen aber auch, dass der finanzielle Aufwand für die Sanierung in den nächsten Jahren noch weiter gesteigert werden muss, um die Substanz auch für die kommenden Generationen zu erhalten.“ Die unterirdische Infrastruktur zählt zu den größten Vermögenswerten Deutschlands. Allein das öffentliche Abwassernetz weist einen Wiederbeschaffungswert von rund 1000 Mrd. € auf.

Jährliche Sanierungsrate von einem Prozent nicht ausreichend

Jährlich saniert die deutsche Abwasserwirtschaft rund ein Prozent des öffentlichen Kanalnetzes. Bezogen auf die Gesamtlänge von knapp 600.000 km bedeutet dies die Sanierung von rund 6.000 km Abwasserkanal. Doch selbst dieser Aufwand reicht langfristig nicht aus. Die jährliche Sanierungsrate von rund einem Prozent würde eine durchschnittliche Nutzungsdauer von etwa 100 Jahren voraussetzen. Die Mehrheit der Branche plädiert daher aktuell dafür, den finanziellen Aufwand für die Sanierung und Instandhaltung künftig zu erhöhen. Auch dies zeigte die regelmäßig durch die DWA durchgeführte Umfrage zum Zustand der Kanalisation in Deutschland. Die Ergebnisse der jetzt ausgewerteten und veröffentlichten Umfrage beziehen sich auf die Daten aus 2018.

Anteil der Verfahren bei der Kanalsanierung

Rund die Hälfte der Kanalsanierung erfolgt gegenwärtig über Reparaturverfahren (51 %), die weitere Sanierung verteilt sich zu etwa gleich großen Teilen auf Renovierung (25 %), am häufigsten durch Schlauchliningverfahren, und Erneuerung (24 %). Von Erneuerung spricht man, wenn bereits bestehende durch neue Kanäle ersetzt werden und diese die Funktion der alten Kanalabschnitte übernehmen. Alle Verfahren weisen unterschiedliche Vor- und Nachteile sowie Nutzungsdauern auf und unterscheiden sich auch erheblich bei den Kosten. Während für die Reparatur aktuell durchschnittlich 82 € pro Kanalmeter anfallen, schlägt die Renovierung durchschnittlich mit 438 € je Kanalmeter zu Buche. Eine völlig andere Größenordnung erreicht die Erneuerung mit rund 1.600 €/m. Aufgrund der bei der Erneuerung häufig schwierigen Rahmenbedingungen übersteigen hier die Kosten die eines Neubaus bei Erschließung deutlich, diese liegen im Mittel bei lediglich 718 €/m.

Kanalnetz wächst trotz hohem Anschlussgrad

Trotz eines bereits sehr hohen Anschlussgrades von 97 Prozent an die öffentliche Abwasserentsorgung wächst das Abwassernetz weiter. Die aktuelle Gesamtlänge von 594 335 km, Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2016, bedeutet ein Plus von knapp 20.000 km gegenüber 2013. Zurückzuführen ist diese Längenzunahme unter anderem auf den weiteren Anschluss von Siedlungsgebieten, in der Regel Neubaugebiete, sowie die voranschreitende Umwandlung der Mischkanalisation in getrennte Kanäle für Schmutz- und Regenwasser. So hat sich das deutsche Abwassernetz seit 1995 um rund 195.000 km verlängert. Etwa 105.000 km davon entfallen auf Schmutzwasserkanäle, 57.000 km auf Regenwasserkanäle und 33.000 auf Mischwasserkanäle.

Zunehmend Probleme mit Dränagewasser

Probleme bereiten den Kanalnetzbetreibern nicht genehmigte Einleitungen von Dränagewasser über private Entwässerungsanlagen in das öffentliche Netz. Betroffen von dieser Problematik sind laut der aktuellen Umfrage rund zwei Drittel des deutschen Kanalnetzes. Dabei ist lediglich bei knapp 15 Prozent der Kommunen ein Anschluss der privaten Dränagesysteme an die öffentliche Kanalisation genehmigungsfähig. Bei knapp der Hälfte der Kommunen könnten diese Ableitungen zumindest in Ausnahmefällen genehmigt werden. Die Folgen der Ableitung des Dränagewassers über das öffentliche Entwässerungssystem sind gravierend, sowohl technisch als auch ökonomisch. Insbesondere bei der Einleitung in Misch- und Schmutzwasserkanäle führt der hohe Anteil des eingeleiteten Dränagewassers zu einer schlechteren Reinigungsleistung der Kläranlagen. Dazu kommt eine Überlastung des aufnehmenden Kanals und eine Nichtgewährleistung des rückstaufreien Anschlusses. Und nicht zuletzt gestaltet sich die verursachergerechte gebührentechnische Abrechnung äußerst schwierig.

https://de.dwa.de/de/umfrage-zum-zustand-der-kanalisation-in-deutschland.html

VG Arnsberg zur der Frage der rechtlichen Qualität eines Abwasserkanals

VG Arnsberg zur der Frage der rechtlichen Qualität eines Abwasserkanals

Bei dem fraglichen Kanal handelt es sich nicht um eine öffentliche Abwasserleitung, sondern um eine private Einrichtung der Eigentümer der Grundstücke

VG Arnsberg, Urteil vom 18.01.2010 – 14 K 1176/09


Tatbestand

Die Parteien streiten über die rechtliche Qualität eines Abwasserkanals. Die Kläger sind Eigentümer des Wohnhausgrundstücks B. I. , das sie vor wenigen Jahren erworben haben. Das Grundstück liegt nordwestlich der Straße B. I. , die im Wesentlichen von Südwesten nach Nordosten verläuft. Die Grundstücke beiderseits der Straße sind durchgehend bebaut, wobei die Bebauung in ihren Ursprüngen auf die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgeht. Das Gelände weist ein Gefälle von Südosten nach Nordwesten auf mit der Folge, dass die nordwestlich der Straße gelegenen Gebäude mit ihren Fundamenten zum Teil deutlich tiefer liegen als die Straßenoberfläche. Zur Zeit der Errichtung der Gebäude beiderseits der Straße war eine öffentliche Kanalisation nicht vorhanden. Damals wurde zwischen dem Bauherren, der Arbeiter-Heimstättengenossenschaft eGmbH in I1. -I2. , und der Stadtgemeinde I1. vereinbart, dass in den Häusern Trockenklosetts eingebaut und für die Unterbringung der menschlichen Abfallstoffe und der Gebrauchswässer wasserdichte Gruben angelegt würden, die nach Bedarf entleert werden sollten. Für die Beseitigung des Niederschlagswassers war eine nordwestlich der Häuser verlaufende Rohrleitung von 20 cm Weite bei 1,10 Meter Tiefe geplant, die in einem Siepen enden sollte. Die Wohnhäuser wurden errichtet und die Entwässerungsanlagen wurden vereinbarungsgemäß hergestellt.

In den Jahren 1959/60 stellte die Stadt I1. in der Straße „B. I. “ einen Abwasserkanal her, an den nach den Vorstellungen der Stadt auch die nordwestlich der Straße gelegenen Grundstücke angeschlossen werden sollten. Unter dem 4. November 1959 richtete der Oberstadtdirektor der Stadt I1. ein Schreiben unter anderem an den damaligen Eigentümer des Grundstücks B. I. 27, in welchem er diesen „dringend“ bat, den Anschluss des Wohnhauses „sofort nach Betriebsfertigstellung des städtischen Kanals kurzfristig herzustellen“. Dazu bezog sich der Oberstadtdirektor unter anderem auf verschiedene Vorschriften der Ortssatzung der Stadt I1. , nach denen für jedes bebaute Grundstück an kanalisierten Straßen Anschlusspflicht und Benutzungszwang bestehe. Im Januar 1960 trafen jedoch die Eigentümer der Grundstücke B. I. 5 bis 41 (ungerade Zahlen) eine Vereinbarung, wonach der vorhandene Regenwasserkanal aus dem Jahre 1931 in Zukunft als Schmutzwasserkanal benutzt werden und über das Grundstück B. I. an den städtischen Kanal angebunden werden sollte. Es wurde ausdrücklich bestimmt, dass es sich weiterhin um einen „Privatkanal“ handele, den die „Grundstückseigentümer 5 bis 41“ gemeinsam reinigen und unterhalten bzw. die anteiligen Kosten für diese Tätigkeiten aufbringen sollten. Mit Bauschein vom 10. Mai 1961 erteilte der Oberstadtdirektor der Stadt I1. dem Eigentümer des Grundstücks B. I. die Genehmigung zur Herstellung der Entwässerungsanlage für dieses Grundstück, wobei auf dem zur Genehmigung gehörenden Lageplan ausdrücklich von einem „Hauptkanal hinter den Häusern mit Anschluss an den städt. Kanal“ die Rede ist.

Mit Bescheid vom 24. April 1962 zog der Oberstadtdirektor der Stadt I1. den damaligen Eigentümer des Grundstücks B. I. zu einer einmaligen Kanalanschlussgebühr heran, nachdem dessen Grundstück „betriebsfähig an die städtische Abwasseranlage angeschlossen ist“. Mit Urteil vom 6. Juni 1963 – 1 K 250/62 – hob die 1. Kammer des erkennenden Gerichts diesen Bescheid auf. In den Gründen des Urteils wird hervorgehoben, dass die Stadt I1. für sämtliche betroffenen Grundstücke nur einen Kanalanschluss habe herstellen müssen, während die Eigentümer die gesamten Unterhaltungskosten des langen Privatkanals, den sie zudem auf eigene Kosten hergestellt hätten, zusätzlich tragen müssten. Auf diese Weise seien einerseits die Leistungen des damaligen Beklagten erheblich geringer als bei den normalen Kanalanschlüssen, während andererseits den Grundstückseigentümern nur ein Anschluss an die Kanalisation geboten werde, der mit erheblichen „Mehrunkosten“ für den einzelnen Eigentümer verbunden sei als in den Regelfällen.

Seit Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts bemühten sich der Oberstadtdirektor der Stadt I1. und später der Beklagte um eine Sanierung des fraglichen Kanals hinter den Häusern entlang der Straße B. I. . In diesem Zusammenhang kam es auch zu Besprechungen mit dem Regierungspräsidenten und dem zuständigen Ministerium, in denen diese die Ansicht vertraten, der im privaten Eigentum befindliche Kanal sei „ohne Zweifel“ ein öffentlicher Kanal. Öffentlich in diesem Sinne sei jeder Kanal, in welchem zwei oder mehr Abwasserteilströme zusammenflössen. Mitte der neunziger Jahre verhandelten die Eigentümer und die Stadt I1. über den Neubau eines Privatkanals, wobei die Mehrheit der Eigentümer sich in der Pflicht sah, die Kosten hierfür zu tragen, während der Rechtsvorgänger der Kläger meinte, die Sanierung bzw. Erneuerung des „Privatkanals“ sei Sache der Kommune, weil deren Pflicht dort beginne, wo das Abwasser von mindestens zwei Grundstücken zusammengeführt werde; Verträge zwischen den an einem solchen Kanal angeschlossenen Anliegern seien unerheblich. Später wurde seitens der Stadt I1. erwogen, den Kanal durch die Stadtentwässerung I1. AöR (SEH) sanieren zu lassen. Dies geschah jedoch nicht. Soweit der Beklagte Sanierungsmaßnahmen durchgeführte, stellte er diese den jeweiligen Eigentümern in Rechnung.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2004 widersprach der Kläger einer entsprechenden Rechnung, die der Beklagte für die Beseitigung einer Verstopfung ausgestellt hatte. Er machte geltend: Die Verstopfung habe sich nicht auf seinem Grundstück eingestellt. Sie – die Kläger – hätten nur das „Pech“ gehabt, als erste das Problem zu erkennen, weil bei ihnen der Kanal durch den Keller verlaufe. Im Übrigen hätten sie erfahren, dass ein privater Kanal zu einem öffentlichen Kanal wird, wenn mehr als drei Haushalte angeschlossen seien. Weil dies hier der Fall sei, müsse die Stadt I1. für Wartung und Reinigung des Kanals sorgen.

Mit Schreiben vom 11. August 2004 legte der Beklagte dem Kläger seine Sicht der Angelegenheit dar: Die Häuser Im B. I. 5 bis 41 entwässerten über einen Privatkanal, der hinter den Gebäuden verlaufe und bei Haus Nr. 41 in den öffentlichen Kanal münde. Die öffentliche Abwasseranlage liege im Straßenbereich vor den Wohnhäusern. Seit der Herstellung des öffentlichen Kanals bestehe für jedes Grundstück die Möglichkeit und die Verpflichtung, das Schmutzwasser diesem Kanal direkt zuzuführen. Er – der Beklagte – habe bislang darauf verzichtet, separate Anschlusskanäle zu fordern. Die gemeinsame Ableitung über den Privatkanal sei für die Eigentümer kostengünstiger und werde im Hinblick auf die Unterhaltungsvereinbarung aus dem Jahre 1960 gestattet. Danach seien die Grundstückseigentümer verpflichtet, den gesamten Privatkanal gemeinsam zu reinigen und zu unterhalten bzw. die Kosten hierfür gemeinsam zu tragen. Als Miteigentümer habe der Kläger dem Beklagten den Auftrag erteilt, eine Verstopfung zu beseitigen. Dies habe er

– der Beklagte – getan, so dass der Kläger zahlungspflichtig sei.

Im Januar 2005 fand unter Beteiligung von Bediensteten des Beklagten eine Anwohnerversammlung statt, bei der seitens der Vertreter des Beklagten herausgestellt wurde, dass dieser eine Sanierung des Privatkanals ablehne und die Eigentümer entweder die Möglichkeit hätten, den Kanal zu sanieren oder ihre Grundstücke – nach der Errichtung eines separaten Regenwasserkanals in der Straße – an den Schmutzwasserkanal im Straßenkörper anzuschließen, wobei dies in den meisten Fällen nur mit Hilfe einer Hebeanlage möglich ist. Die Anlieger bildeten eine Arbeitsgruppe, welche die in der Versammlung aufgezeigten Möglichkeiten ausloten sollte. Ergebnisse der Tätigkeit dieser Gruppe sind allerdings nicht aktenkundig. Vielmehr war die Mehrzahl der Eigentümer gewillt, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen.

Am 21. April 2009 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, bei der es sich ausweislich eines Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger an den Beklagten um eine Musterklage auch für die weiteren betroffenen Eigentümer handelt. Die Kläger begründen eingehend ihre Rechtsansicht, wonach der hinter den Häusern bzw. unterhalb ihres Gebäudes verlaufende Kanal nordwestlich der Straße B. I. ein öffentlicher Kanal sei, weil er mehrere Grundstücke entwässere, er seitens der Behörden und – zwischenzeitlich – auch des Beklagten so eingeschätzt worden sei und er zum Entwässerungskonzept der Stadt I1. gehöre.

Die Kläger beantragen,

1. festzustellen, dass es sich bei der durch ihr Grundstück „B. I. “ verlaufenden Entwässerungsleitung um einen öffentlichen Kanal handelt,

2. den Beklagten zu verpflichten, diese Entwässerungsleitung auf seine Kosten zu sanieren, zu kontrollieren sowie dauerhaft zu unterhalten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit eingehenden Ausführungen begründet er seine Rechtsansicht, wonach es sich bei der streitigen Abwasserleitung um einen Privatkanal handele, auch wenn die beteiligten Behörden früher eine abweichende Auffassung vertreten hätten, die mittlerweile in der Rechtsprechung überholt sei.

Am 10. September 2009 hat der Berichterstatter vor dem Grundstück der Kläger die Streitsache mit den Parteien erörtert. Hierbei hat er sich auch einen Eindruck von den örtlichen Gegebenheiten verschafft. Auf die über diesen Termin gefertigte Niederschrift (Bl. 69 bis 71 der Gerichtsakte) wird verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 1. als Feststellungsklage zulässig. Nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann mit dieser Klageart das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen,

vgl. nur Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage (2007), § 43 Rand-Nr. 11 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.

Im vorliegenden Fall ist das Begehren der Kläger auf die Feststellung gerichtet, dass der in Rede stehende Abwasserkanal zum öffentlichen Kanalnetz der Stadt I1. bzw. der SEH gehört. Hierbei handelt es sich um ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis. Das berechtigte Interesse der Kläger an einer baldigen Klärung dieser Frage ist vor dem Hintergrund der Sanierungsbedürftigkeit der betreffenden Abwasserleitung offenkundig.

Die Klage mit dem Antrag zu 1. hat in der Sache allerdings keinen Erfolg. Bei dem fraglichen Kanal handelt es sich nicht um eine öffentliche Abwasserleitung, sondern um eine private Einrichtung der Eigentümer der Grundstücke nordwestlich der Straße B. I. . Diese Erkenntnis folgt aus der geschichtlichen Entwicklung der Anlage, die folgendes Bild zeigt:

Der Kanal wurde Anfang der dreißiger Jahre von den beteiligten Eigentümern eindeutig als private Anlage hergestellt. Weder die Eigentümer noch die damalige Stadt I1. handelten in der Absicht oder in dem Bewusstsein, es werde eine öffentliche Kanalisation geschaffen. Soweit die Stadt I1. seinerzeit überhaupt hinzugezogen wurde, erklärt sich dieser Umstand zwanglos aus der Zuständigkeit der Stadtverwaltung als Baupolizeibehörde. Auch nach damaligem Recht musste für die zu errichtenden Wohnhäuser die Erschließung gesichert sein; hierzu gehörte auch die entwässerungstechnische Erschließung (vgl. heute § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen). Nachdem die Bauherren eine privatrechtliche Regelung der Beseitigung des Niederschlagswassers gefunden hatten und im Übrigen vorgesehen war, die sonstigen Abwässer einschließlich der Fäkalien wasserdichten Gruben zuzuführen, wurde diese Lösung augenscheinlich von der Stadt I1. gebilligt. Eine Übernahme der Abwasserleitung in die Zuständigkeit der Stadt ist hierdurch nicht erfolgt.

Die Umwandlung des bisherigen Regenwasserkanals in einen Schmutzwasserkanal Anfang der sechziger Jahre hat dessen rechtliche Qualität nicht verändert. Die aus jener Zeit vorliegenden Verlautbarungen sind insoweit eindeutig. So wird in dem Schreiben des Oberstadtdirektors der Stadt I1. an den Eigentümer des Grundstücks B. I. 27 vom 4. November 1959 gefordert, das Wohnhaus kurzfristig an den städtischen Kanal anzuschließen, und es wird weiter ausgeführt, der Anschluss vom städtischen Straßenkanal bis zur Grundstücksgrenze werde von einem Vertragsunternehmer der Stadt I1. hergestellt. Die wiederholte Erwähnung eines städtischen Kanals zeigt den Gegensatz auf zu dem privaten Kanal, der damals seit rund dreißig Jahren vorhanden war. Auch der Heranziehungsbescheid des Oberstadtdirektors vom 24. April 1962 zeichnet sich durch einen eindeutigen Wortlaut aus, wenn es dort heißt, das Grundstück B. I. sei nunmehr „betriebsfähig an die städtische Abwasseranlage angeschlossen“. Diese Formulierung zwingt zu dem Umkehrschluss, dass nach Auffassung der Beteiligten zuvor keine städtische Abwasseranlage vorhanden war. Die tatsächliche Umwandlung des bisherigen Regenwasserkanals in eine Leitung für sämtliche Abwässer hat seine rechtliche Qualität nicht verändert. Grundlage hierfür war die Vereinbarung aus Januar 1960, in der ausdrücklich betont wird, dass der Kanal „Privatkanal“ bleibe. Soweit die Stadt I1. die Funktionserweiterung des Kanals gebilligt hat, betraf diese Billigung auch die rechtliche Beschreibung des Kanals als private Einrichtung. Eine Übernahme in das öffentliche (städtische) Kanalnetz ist eindeutig nicht erfolgt.

Auch in den Jahren nach 1960 ist der fragliche Kanal keine öffentliche Einrichtung im Sinne des Klagebegehrens geworden. Damit eine Sache zu einer öffentliche Sache im Rechtssinne wird, bedarf es eines ausdrücklichen Rechtsakts, nämlich der sogenannten Widmung, wodurch die öffentlichrechtliche Sachherrschaft begründet, der öffentliche Zweck der Sache bestimmt und der Umfang ihrer möglichen Nutzung geregelt wird,

vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band II, 6. Auflage (2000) Seite 687 (Rand-Nr. 1).

Eine Widmung kann erfolgen durch Gesetz, im Zuge eines förmlichen Verfahrens, durch einen ausdrücklich darauf gerichteten Verwaltungsakt, durch die Eintragung in ein öffentliches Register oder durch sogenannte „unvordenkliche Verjährung“, also die widerlegbare Vermutung der Öffentlichkeit der Sache,

vgl. zu alledem nur Wolff/Bachof/Stober a.a.O. Rand-Nummern 8 ff.

Im vorliegenden Fall lässt sich eine Widmung des fraglichen Abwasserkanals nicht feststellen.

Zunächst scheidet eine Widmung durch Gesetz aus, wobei als „Gesetz“ im hier interessierenden Sinne nur die jeweiligen Satzungen der Stadt I1. bzw. der SEH in Betracht kommen. Auf der Grundlage der geltenden Entwässerungssatzung (ES) ergibt sich hierzu folgende Rechtslage:

Nach § 1 Abs. 1 ES betreibt das von dem Beklagten repräsentierte Kommunalunternehmen die Abwasseranlagen als öffentliche Einrichtung. Nach Nr. 8 der Anlage I zu § 1 Abs. 5 ES gehören zu den öffentlichen Abwasseranlagen alle vom Kommunalunternehmen selbst oder in dessen Auftrag betriebene Anlagen und Fahrzeuge, die dem Sammeln usw. von Abwasser dienen; hierzu gehören auch Abwasseranlagen, die von Dritten hergestellt und unterhalten werden und die dem Kommunalunternehmen für die Einleitung der Abwässer zur Verfügung gestellt sind. Im vorliegenden Fall kommt allenfalls die zweite Alternative in Betracht, weil der Kanal von Dritten hergestellt und (nicht) unterhalten wurde. Es fehlt jedoch an dem Merkmal „zur Verfügung gestellt sind“. Zwar wünschen die Eigentümer, dass die SEH sich des Kanals bedient und ihn in ihre Verfügungsmacht übernimmt. Dies hat indessen die SEH bislang nicht unternommen. Eine „aufgedrängte Verfügung“ meint Anlage I zu § 1 Abs. 5 ES offensichtlich nicht.

§ 10 ff. ES verhalten sich ferner über die sogenannten Anschlusskanäle, mit denen die Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen sind. Hierzu heißt es in Nr. 9 der Anlage zu § 1 Abs. 5 ES, der Anschlusskanal verbinde die Grundstücksentwässerungsanlage mit der öffentlichen Abwasseranlage, wobei der Anschlusskanal nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sei. Dort (Nr. 9) wird ferner differenziert zwischen dem Hausanschlusskanal und dem Grundstücksanschlusskanal, die in ihrem Zusammenwirken den Anschlusskanal bilden. Diese Vorschrift ist zugeschnitten auf §§ 11 f. ES, wonach grundsätzlich jedes Grundstück einen eigenen Anschluss braucht und lediglich in Ausnahmefällen das Kommunalunternehmen einen gemeinsamen Anschlusskanal gestatten kann. Genau dies ist im vorliegenden Fall allerdings geschehen, indem die Stadt I1. im Jahre 1960 den seinerzeit betroffenen Eigentümern die Errichtung eines gemeinsamen Anschlusskanals gestattet hat, der nach Satzungsrecht nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehört. Danach lässt sich auch aus der einschlägigen Satzung eine Widmung des fraglichen Rohres zur öffentlichen Sache nicht feststellen.

Auch die früheren Satzungen der Stadt I1. enthalten keine Vorschriften, auf deren Grundlage der Privatkanal zur öffentlichen Sache hätte werden können. Die Entwässerungssatzung der Stadt I1. vom 20. September 1989 unterschied in den §§ 7, 8 zwischen Grundstücksentwässerungsanlagen und Anschlusskanälen (Haus- und Grundstücksanschlüsse), wobei letztere die Verbindung zwischen der öffentlichen Abwasseranlage und dem Revisionsschacht auf dem (privaten) Grundstück bildeten. Nach § 8 Abs. 2 der Satzung sollte jedes Grundstück einen eigenen Kanalanschluss haben, wobei diese Formulierung der Errichtung eines gemeinsamen Anschlusskanals für mehrere Grundstücke im Einzelfall erkennbar nicht entgegenstand. Die Entwässerungssatzung vom 19. Dezember 1980 stellte in ihrem § 1 Abs. 3 ausdrücklich klar, dass Haus- und Grundstücksanschlüsse nicht zu der öffentlichen Abwasseranlage gehörten, wobei nach § 9 Abs. 3 gestattet werden konnte, dass unter besonderen Verhältnissen mehrere Grundstücke durch einen Anschlusskanal entwässern. Nach diesen Satzungsbestimmungen war der im vorliegenden Fall streitige Kanal ein Anschlusskanal für mehrere Grundstücke und somit nach § 1 Abs. 3 ES 1980 nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage. Die Entwässerungssatzung vom 10. Januar 1972 eröffnete in ihrem § 11 Abs. 2 ebenfalls die Möglichkeit, mehrere Grundstücke durch einen gemeinsamen Anschlusskanal zu entwässern, wobei die jeweiligen Unterhaltungs- und Benutzungsrechte sowie die Pflichten schriftlich festgelegt und entweder durch eine Baulast oder grundbuchlich gesichert werden mussten. Auch unter der Geltung der Entwässerungssatzung 1972 war der fragliche Kanal mithin eine private Einrichtung, wobei die in § 11 Abs. 2 ES 1972 normierte Forderung nach einer schriftlichen Festlegung der Rechte und Pflichten angesichts der Vereinbarung aus Januar 1960 erfüllt war. Die Entwässerungssatzung vom 4. November 1963 schließlich definierte in ihrem § 1 Abs. 1 die Entwässerungsanlage als öffentliche Einrichtung, wobei der Stadt I1. nur der Transport der Abwässer von den Einleitungsstellen bis zu den Klärwerken oblag. § 8 ES 1963 enthielt zahlreiche Regelungen betreffend die Grundstücksentwässerungsanlagen, für deren ordnungsgemäßer Betrieb und für deren Unterhaltung allein die Anschlussberechtigten verantwortlich waren. Im Übrigen liefert § 8 ES 1963 ebenfalls keine Hinweise darauf, dass nach damaligem Satzungsrecht ein privater Kanal, an dem mehrere Grundstücke angeschlossen waren, allein durch diesen Umstand ein öffentlicher Kanal war.

Ausweislich des gesamten Akteninhalts ist eine Widmung des Kanals zur öffentlichen Sache auch nicht durch eine entsprechende Verwaltungsentscheidung (Verwaltungsakt) des Beklagten bzw. früher des Oberstadtdirektors der Stadt I1. erfolgt. Zutreffend ist freilich der Hinweis der Kläger und ihres Prozessbevollmächtigten darauf, dass in den neunziger Jahren, ausgehend von entsprechenden Ãußerungen der Bezirksregierung, Bedienstete der Stadtverwaltung I1. der Rechtsansicht waren, angesichts der mehreren Grundstücken dienenden Funktion des Kanals gehöre dieser zur öffentlichen Abwasserbeseitigung I1. . Allein eine Rechtsansicht und auch die Verlautbarung einer solchen Ansicht vermögen indessen eine Widmung nicht auszulösen. Damit eine Widmung im Wege des Erlasses eines Verwaltungsakts angenommen werden kann, muss eine behördliche Ãußerung festgestellt werden können, die der Definition des Verwaltungsakts, wie sie in § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) niedergelegt ist, entspricht. Es muss eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen vorliegen, an der es hier fehlt. Selbst wenn seinerzeit beim Oberstadtdirektor der Stadt I1. und im Hause des Beklagten vorübergehend die Auffassung bestanden haben mag, der fragliche Kanal sei eine öffentliche Sache, für deren Unterhaltung die Stadt I1. oder die SEH verantwortlich seien, ist eine Rechtsmeinung noch keine „Maßnahme“ im Sinne von § 35 VwVfG, zumal sie auch keinen regelnden Charakter im Sinne dieser Vorschrift zu entfalten vermag. Nur beiläufig sei insoweit festgestellt, dass die einschlägigen Ãußerungen aus dem Hause des Beklagten auch gar nicht eindeutig waren. Gerade der in der mündlichen Verhandlung erörterte Besprechungsvermerk vom 3. März 1999 ist sogar in gewisser Weise widersprüchlich, wenn dort einerseits gesagt wird, die Sanierung der Abwasserverhältnisse müsse durch die SEH erfolgen, wobei die Sanierung sich auf den „bestehenden bisherigen Privatkanal“ beziehe. Etwas weiter ist dort von dem „bestehenden bzw. noch auszubauenden öffentlichen Kanal in der Straße B. I. “ die Rede, womit als bestehender öffentlicher Kanal augenscheinlich nicht der hinter bzw. unter den Wohnhäusern nordwestlich der Straße verlaufende Kanal gemeint war. Von einer eindeutigen Ãußerung des Beklagten bzw. des Oberstadtdirektors dahin, jener Kanal sei Teil der öffentlichen Abwasseranlagen, kann nach alledem nicht die Rede sein.

Für eine „Widmung kraft unvordenklicher Verjährung“ ist im vorliegenden Fall kein Raum. Dieses Institut greift nur dort Platz, wo die rechtliche Qualität einer tatsächlich öffentlichen Sache nicht bis zu den Anfängen zurückverfolgt werden kann, jedoch eine widerlegbare Vermutung für die Öffentlichkeit anzuerkennen ist. Dem gegenüber kann im vorliegenden Zusammenhang die Historie von der Errichtung des Kanals Anfang der dreißiger Jahre bis in die heutige Zeit nachgewiesen werden, so dass von „Unvordenklichkeit“ nicht die Rede ist.

Es ist schließlich auch keine Widmung durch ein schlüssiges Verhalten des Oberstadtdirektors der Stadt I1. bzw. des Beklagten ersichtlich. Namentlich hat die SEH in der Vergangenheit Sanierungs- und Reparaturarbeiten nicht etwa in eigenem Namen durchgeführt, sondern sie ist stets auf Kosten und auf Rechnung der Anlieger tätig geworden. Gerade das vorliegende Verfahren wurde nicht zuletzt dadurch ausgelöst, dass die SEH den Klägern eine Rechnung für die Beseitigung einer Verstopfung präsentierte, mit der die Kläger – aus ihrer Sicht folgerichtig – nicht einverstanden waren. Ein konkretes Verhalten des Beklagten, das als konkludente Widmung aufgefasst werden könnte, war und ist an keiner Stelle ersichtlich.

Nach alledem erweist sich der Klageantrag zu 1. als unbegründet: Der durch das Grundstück der Kläger verlaufende Kanal ist keine öffentliche Entwässerungsleitung.

Auch der zweite Antrag ist als Leistungsklage zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beklagte bzw. die von ihm repräsentierte SEH ist nicht verpflichtet, den Kanal zu sanieren, zu kontrollieren und ihn dauerhaft zu unterhalten. Ausgehend von der zuvor gewonnenen Erkenntnis, dass die fragliche Leitung nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehört, sondern sie als Anschlusskanal im Sinne von § 11 ES anzusehen ist, greift § 11 Abs. 5 ES ein, wonach die Herstellung, Erneuerung und Veränderung sowie die laufende Unterhaltung der Grundstücksentwässerungsanlagen bis zur öffentlichen Abwasseranlage von den Grundstückseigentümern durchzuführen ist. Zwar ist diese Vorschrift zugeschnitten auf die „Normalsituation“, in der einem Grundstück mit einem Grundstückseigentümer eine Grundstücksentwässerungsanlage zugeordnet ist. Sie muss indessen auch in dem vorliegenden Sonderfall greifen, weil die Satzung gleichsam ein „Mittelding“ zwischen Grundstücksentwässerungsanlage und öffentlicher Abwasseranlage nicht kennt. Wenn und soweit eine Abwasserleitung nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehört, sind der Beklagte und die SEH für deren Unterhaltung nicht zuständig. Befindet sich die Leitung – wie hier – im Eigentum einer Vielzahl von Grundstückseigentümern, müssen diese eine Einigung über die notwendigen Maßnahmen treffen, auch wenn dies im Einzelfall beträchtliche Probleme bereiten kann. Ein sachgerechter Schritt zu deren Lösung wurde ja auch schon unternommen: Der Anfang 2005 gegründete Arbeitskreis müsste in der Lage sein, mit Unterstützung des Beklagten eine für alle Grundstückseigentümer tragbare Lösung zu erarbeiten; das Gericht kann in der vorliegenden Konstellation aus den zuvor dargestellten Gründen keine Hilfen anbieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

Das Gericht sieht davon ab, die Berufung zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, obwohl die Kläger den Prozess als „Musterverfahren“ betreiben, dessen Ausgang auch für die übrigen Eigentümer von beträchtlicher Bedeutung ist. Dies verleiht der Rechtssache gleichwohl keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil der Streit nur die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eines Einzelfalls, nämlich eines Abwasserkanals, zum Gegenstand hat.

OLG Oldenburg zu der Frage der Verpflichtung zur Duldung der Führung von Leitungen über ein Nachbargrundstück ohne Sicherung durch ein dingliches Recht, etwa eine Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff BGB

OLG Oldenburg zu der Frage der Verpflichtung zur Duldung der Führung von Leitungen über ein Nachbargrundstück ohne Sicherung durch ein dingliches Recht, etwa eine Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff BGB

Eine Duldungspflicht ergibt sich nicht aus einer etwaigen Baulast, und zwar unabhängig davon, ob bzw. welche Leitungen tatsächlich unter einer solchen Baulast liegen, denn die Baulast bewirkt keine privatrechtlichen Nutzungsansprüche bzw. Duldungspflichten.

OLG Oldenburg, Urteil vom 30.01.2014 (Az.: 1 U 104/13):

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zutreffend hat das Landgericht der Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch auf Beseitigung derjenigen Leitungen aus ihrem Grundeigentum zugesprochen, die von dem Hintergrundstück der Beklagten über den Grundbesitz der Klägerin in D. L., führen.

Die streitgegenständlichen Leitungen stellen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf welche Bezug genommen wird, eine Eigentumsbeeinträchtigung dar.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung dieser Beeinträchtigung verpflichtet.

Eine zivilrechtliche Grundlage für die Nutzung des fremden Grundstücks ist nicht gegeben. Dass die Führung der Leitungen über das Eigentum der Klägerin nicht durch ein dingliches Recht, etwa eine Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff BGB, gesichert ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Aber auch eine schuldrechtliche Bindung der Klägerin liegt nicht vor. Ob das Landgericht darauf hätte hinweisen müssen, dass es den Sachvortrag der Beklagten zu deren angeblichem Nutzungsrecht für unbeachtlich hielt, kann dahinstehen, denn die Beklagten hatten in der Berufungsinstanz hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Ein solches Nutzungsrecht steht dem Anspruch der Klägerin indes nicht entgegen. Das Einvernehmen, das es offensichtlich zwischen den Beklagten und dem Vater des Beklagten zu 2) gegeben hat, entfaltet ohne die unstreitig fehlende dingliche Absicherung gegenüber der Klägerin keine Wirkung. Dabei kann die genaue rechtliche Einordnung offenbleiben. Es dürfte sich um einen grundsätzlich jederzeit kündbaren unentgeltlichen Gestattungsvertrag gehandelt haben; ein solcher schuldrechtlicher Vertrag bindet Sondernachfolger grundsätzlich nicht. Ansatzpunkte für eine Ausnahme sind nicht ersichtlich. Vielmehr endete die Gestattung mit dem Eigentumsverlust des Vaters des Beklagten zu 2), ohne dass es einer rechtsgeschäftlichen Beendigung seitens der Klägerin bedurfte.

Entgegen der Argumentation der Beklagten verhelfen die Vorschriften der §§ 57 ZVG, 566 BGB ihrem Standpunkt nicht zum Erfolg, denn sie waren jedenfalls weder Mieter noch Pächter des Vordergrundstücks.

Auch eine Duldungspflicht aus Rechtsnormen ist nicht gegeben.

Eine solche Duldungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus einer etwaigen Baulast, und zwar unabhängig davon, ob bzw. welche Leitungen tatsächlich unter einer solchen Baulast liegen, denn die Baulast bewirkt keine privatrechtlichen Nutzungsansprüche bzw. Duldungspflichten ). Eine andere Bewertung widerspräche dem zivilrechtlichen Prinzip des numerus clausus der Sachenrechte. Zwar kann dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB – unter strengen Voraussetzungen – die tatsächliche Unmöglichkeit der Beseitigung der Eigentumsstörung entgegengehalten werden. Auch diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagten berufen sich in diesem Zusammenhang auf den in der Baulast auf der südlichen Seite des Vordergrundstücks liegenden Erdöltank. Diese tatsächlichen Gegebenheiten hindern die Beklagten jedoch nicht daran, die Leitungen über den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücksstreifen zu führen, der auf der nördlichen Seite des Vordergrundstücks verläuft. Soweit die Beklagten die Auffassung geltend machen, dies sei ihnen wirtschaftlich nicht zuzumuten, hindert dieser Umstand nicht die tatsächliche Möglichkeit der Störungsbeseitigung.

Auch aus der nachbarrechtlichen Vorschrift des § 906 Abs. 2 BGB lässt sich entgegen der Argumentation der Beklagten eine Duldungspflicht nicht herleiten, weil es nicht um Immissionen im Sinne dieser Regelung geht.

Die Vorschrift des § 242 BGB, insbesondere in Gestalt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, verhilft der Berufung der Beklagten ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieses Rechtsinstitut kann zwar in zwingenden Ausnahmefällen Rechte beschränken oder ausschließen. Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nicht vor. Allein der Umstand, dass es für die Beklagten einen erheblichen wirtschaftlichen Aufwand bedeutet, für ihre Leitungen das eigene Grundstück zu benutzen, statt sie weiterhin über fremdes Eigentum zu führen, vermag bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Einschränkung der Eigentümerbefugnisse aus § 903 BGB nicht zu rechtfertigen; dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Ein Verstoß gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB ist nicht ersichtlich. Dafür, dass es Beweggrund der Klägerin bei der Verfolgung ihrer Ansprüche ist, die Beklagten zu schädigen, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dass die Klägerin die Beseitigung der Leitungen begehrt, um die ihr gesetzlich zustehenden Rechte als Eigentümerin auszuüben und insbesondere auch das Grundstück zu bebauen, liegt nahe.

Ein Gewohnheitsrecht – d. h. eine lang dauernde tatsächliche Übung, getragen von einer Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, das durch die Einhaltung der Übung bestehende Recht sei zu befolgen – des Inhalts, dass Grundstückseigentümer fremde Ver- oder Entsorgungsleitungen in ihrem Eigentum zu dulden hätten, gibt es nicht.

Schließlich halten die Beklagten dem Anspruch nicht mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegen. Der Anspruch auf Beseitigung der Eigentumsstörung unterliegt der regelmäßigen Verjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1, 4, 5 BGB. Der Beginn der Verjährungsfrist setzt die Entstehung des Anspruchs voraus, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Maßgebend dafür ist der Beginn der Beeinträchtigung. Die streitgegenständliche Eigentumsstörung begann mit dem Erwerb des Eigentums durch die Klägerin im November 2012. Zwar wird mit dem Wechsel des Eigentums am gestörten Grundstück keine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt. Solange der Vater des Beklagten zu 2) Eigentümer des Vordergrundstücks war, bestand jedoch kein Anspruch aus § 1004 BGB, weil er aufgrund einer unentgeltlichen Gestattung bzw. eines wie auch immer gearteten zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses zur Duldung verpflichtet war. Die Grundlage dieser Duldungspflicht ist aber mit dem Eigentumswechsel auf die Klägerin entfallen. Vor diesem Hintergrund lag eine rechtlich relevante Eigentumsbeeinträchtigung erst mit dem Übergang des Eigentums auf die Klägerin vor.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Der Schriftsatz der Beklagten vom 29.1.2014 hat dem Senat vor Verkündung des Urteils vorgelegen. Es gibt jedoch weder zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung noch zur Zulassung der Revision Anlass.

Hinreichende Sicherung des Durchleitungsrechtes im Fall eines tatsächlich noch nicht an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenen Hinterlieger-Grundstücks nur bei Bestehen einer entsprechenden Grunddienstbarkeit

Hinreichende Sicherung des Durchleitungsrechtes im Fall eines tatsächlich noch nicht an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenen Hinterlieger-Grundstücks nur bei Bestehen einer entsprechenden Grunddienstbarkeit

von Thomas Ax

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 05.10.2012 (Az. 15 A 1409/12) entschieden, dass ein Anschluss eines Grundstückes an den öffentlichen Abwasserkanal nur dann verlangt wird, wenn ein Anschlussrecht des Grundstückseigentümers nach der Abwasserbeseitigungssatzung besteht. Die beklagte Gemeinde hatte dem Grundstückseigentümer (Kläger) aufgegeben, sein nicht unmittelbar an dem öffentlichen Verkehrsraum gelegenes Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, wobei das Grundstück von anderen Grundstücken umgeben war, die im Eigentum Dritter standen.

Nach der Abwasserbeseitigungssatzung der beklagten Gemeinde bestand das Anschlussrecht an den öffentlichen Abwasserkanal dann, wenn eine öffentliche Abwasserleitung vor dem anzuschließenden Grundstück verlegt worden ist oder in unmittelbarer Nähe des Grundstücks, etwa wenn über einen Weg ein unmittelbarer Zugang zur öffentlichen Straße mit einem öffentlichen Kanal besteht. Durch eine solche satzungsrechtliche Regelung sollen nach dem OVG NRW grundsätzlich räumlich von der öffentlichen Abwasserleitung entfernt liegende Grundstücke in das Anschlussrecht einbezogen werden, wenn ein Hinterlieger-Grundstück über ein VorderliegerGrundstück – wie hier über eine Zuwegungsfläche — Zugang zu einer kanalisierten Straße hat (vgl. OVG NRW, Urteil vom 05.06.2003 — Az. 15 A 1738/03 -, NWVBl. 2003, S. 435).

Die Inanspruchnahme der Zuwegung zur Durchleitung des Abwassers vermittelt aber nach dem OVG NRW aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur dann ein Anschlussrecht, wenn die Möglichkeit zur Durchleitung hinreichend gesichert ist.

Eine solche hinreichende Sicherung ist nach dem OVG NRW erst dann zu bejahen, wenn die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage nur noch vom Willen des Grundstückseigentümers abhängt, der sich an die öffentliche Abwasseranlage anschließen soll. Das bedeutet für ein — wie hier — noch nicht tatsächlich an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenes Hinterlieger-Grundstück, welches auch nicht dem Eigentümer des Vorderlieger-Grundstücks gehört, dass allein eine auf die Durchleitung von Abwasser bezogene Baulast oder eine bloße schuldrechtliche Verpflichtung für die Annahme einer gesicherten Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage ebenso wenig ausreicht wie ein Notleitungsrecht (§ 917 BGB; vgl. OVG NRW, Urteile vom 02.03.2004 — Az. 15 A 1151/02 -, OVG NRW, Urteil vom 20.03.2007 — Az. 15 A 4728/04 — KStZ 2007, S. 200).

Nach dem OVG NRW ist eine hinreichende Sicherung des Durchleitungsrechtes daher im Fall eines tatsächlich noch nicht an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenen Hinterlieger-Grundstücks nur bei Bestehen einer entsprechenden Grunddienstbarkeit oder dann zu bejahen, wenn die Dienstbarkeit zwar noch nicht bestellt ist, ihre Bestellung jedoch allein noch vom Handeln des anschlussverpflichteten Grundstückseigentümers abhängig ist, es einer weiteren Mitwirkung Dritter zur Verschaffung der dinglichen Sicherung, also nicht mehr bedarf (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.12.1993 — Az. 22 A 12 32/92 -, NWVBl 1994, S. 174 ff.).

Eine Grunddienstbarkeit war im zu entscheidenden Fall jedoch weder bestellt noch war ihre Bestellung ausschließlich vom Handeln des klagenden Grundstückseigentümers abhängig.

Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt
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