Ax Vergaberecht

VK Bund zu der Frage, dass bei einem Rahmenvertrag die Kalkulation weder unmöglich noch unzumutbar ist, wenn aus Abgabemengen aus dem vergangenen Referenzzeitraum belastbar auf zukünftige Abgabemengen geschlossen werden kann

VK Bund zu der Frage, dass bei einem Rahmenvertrag die Kalkulation weder unmöglich noch unzumutbar ist, wenn aus Abgabemengen aus dem vergangenen Referenzzeitraum belastbar auf zukünftige Abgabemengen geschlossen werden kann

1. Einer exakten Abgabemenge bedarf es nicht. Der öffentliche Auftraggeber muss aber die maximalen Abnahmemengen bekannt geben (EuGH, IBR 2021, 424).
2. Die Tatsache, dass der Bieter kein Angebot abgegeben hat, steht dem für die Antragsbefugnis erforderlichen Interesse am Auftrag nicht entgegen, wenn er geltend macht, dass aufgrund unsicherer Kalkulationsgrundlagen eine Angebotsabgabe nicht möglich gewesen sei. Allerdings ist das Interesse am Auftrag zu plausibilisieren, wenn hieran ernstliche Zweifel bestehen.
VK Bund, Beschluss vom 30.12.2024 – VK 2-99/24

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerinnen (Ag) sind gesetzliche Krankenkassen. Mit gemeinschaftsweiter Bekanntmachung vom […] schrieben sie den beabsichtigten Abschluss von Rahmenverträgen zur Belieferung der radiologisch tätigen Vertragsärzte im KV-Bezirk […] mit Röntgenkontrastmitteln aus. Die Leistung ist in 2 Gebietslose aufgeteilt […], darüber hinaus werden mehrere Wirkstoffe übergreifend in jeweils zwei Fachlosen (Fachlos C und K) zusammengefasst. Streitgegenständlich ist Gebietslos 2, […].

Teil der Vergabeunterlagen sind die Bewerbungsbedingungen. Im Abschnitt 1.2 der Bewerbungsbedingungen werden die Rahmenbedingungen für Gebietslos 2 näher erläutert. Danach hat die […]die Bestellmöglichkeiten von Vertragsärzten in den jeweiligen Ländern mit Produkten des Sprechstundenbedarfs, zu denen die Röntgenkontrastmittel zählen, vertraglich mit der Kassenärztlichen Vereinigung […] vereinbart (Verordnung von Sprechstundenbedarf vom[…]). Die radiologisch tätigen Ärzte lösen den Bestellvorgang aus, indem sie Verordnungen für ihren Bedarf ausstellen und die Bestellung bei einem Hersteller oder Großhändler in eigener Verantwortung vornehmen. Die Lieferanten liefern die bestellten Kontrastmittel an den verordnenden Arzt und stellen die ausgelieferten Produkte direkt bei der federführenden Krankenkasse, der[…]. Sodann heißt es dort:

“Nach Abschnitt I Nr. 3 der SSB-Vereinbarung […] gilt für Sprechstundenbedarf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Aufgrund der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 21. September 2023, Aktenzeichen B 3 KR 4/22 R) sind andere Produkte als die Vertragsprodukte im Gebietslos 2 (anders als im Gebietslos 1) nicht von der Versorgung oder der Vergütung durch die Krankenkassen ausgeschlossen (keine Exklusivität der abgeschlossenen Verträge). Die Entscheidung für ein konkretes Produkt ist allerdings stets unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu treffen. Die Wirtschaftlichkeit ist dabei eine Frage des Einzelfalls. Der Sprechstundenbedarf soll generell nur in solchen Mengen verordnet werden, die für die einzelne Praxis am wirtschaftlichsten sind und in angemessenem Verhältnis zu der Zahl der Behandlungsfälle sowie dem abgerechneten Leistungsspektrum der Anspruchsberechtigten stehen.”

In den Besonderen Bewerbungsbedingungen wird unter 1.2 ergänzend ausgeführt:

“Der Vertragsarzt ist im KV-Bezirk […] entsprechend den Regelungen der geltenden SSBVereinbarung grundsätzlich verpflichtet, die Produkte des Zuschlagsempfängers der jeweiligen Fachlose zu verordnen/bestellen. In den Ländern […] besteht keine solche vertragliche Verpflichtung der Ärzte zur ausschließlichen oder bevorzugten Bestellung bei den Ausschreibungsgewinnern (keine Exklusivität der ausgeschriebenen Verträge). Die Ärzte sind jedoch generell zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet und müssen insoweit sicherstellen, dass sie nur wirtschaftliche Kontrastmittel bestellen und im Einzelfall verwenden, sofern keine medizinischen Gründe im Einzelfall entgegenstehen. Die […] wird die Ärzte über die geschlossenen Verträge informieren…”

Jeder Bieter hat – je Gebietslos – für jedes Fachlos, auf das er bietet, einen produktunabhängigen einheitlichen Preis pro Millimeter inkl. Mehrwertsteuer anzubieten. Für unterschiedliche Konzentrationen von konkurrierenden Wirkstoffen ist zwecks Herstellung der Vergleichbarkeit der Angebote ein Korrekturfaktor bei Berechnung des Wertungspreises vorgesehen, der das alleinige Zuschlagskriterium darstellt. Die zu Lasten der Ag im Gebietslos jeweils abgegebenen Mengen pro Fachlos werden in den Vergabeunterlagen für den vergangenen Referenzzeitraum vom 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 angegeben.

Zu den Auswirkungen der Rechtsprechung des BSG auf die vorliegende Ausschreibung gab es mehrere Bieterfragen, u.a. seitens der ASt die nachfolgend zitierte Frage vom 11. Oktober 2024, die durch die Ag als Rüge ausgelegt wurde:

“Bitte erläutern Sie, wie ein Bieter vor dem Hintergrund des Widerspruchs (angeblich) keine Exklusivität der Rahmenverträge, aber offenbar Lenkungswirkung beabsichtigt) in zumutbarer Weise seine Angebotspreise kaufmännisch vernünftig kalkulieren soll. Bitte erläutern Sie außerdem, wie ein Bieter das Risiko einer eventuellen Unwirksamkeit der ausgeschriebenen Rahmenverträge in Gebietslos 2, bedingt durch eine fehlende Rechtsgrundlage nach Maßgabe der BSG-Rechtsprechung, bei seiner Kalkulation in zumutbarer Weise angemessen berücksichtigen können soll.”

Am 21. Oktober 2024 antworteten die Ag hierauf u.a. mit Hinweis auf die bereits erfolgte Erörterung der zitierten BSG-Entscheidung in einem seitens der ASt angestrengten Rechtsstreit vor dem Sozialgericht[…]. Ferner kommunizierten die Ag in diesem Schreiben, dass die Bieterfragen der ASt vom 11. Oktober 2024 vorsorglich als Rüge gewertet würden. Auf die Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB haben die Ag ausdrücklich hingewiesen.

Die Frist für die Angebotsabgabe endete am 5. November 2024. Die Antragstellerin (ASt) gab kein Angebot ab.

2. Mit einem bei der Vergabekammer des Bundes am 5. November 2024 eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag, den die Vergabekammer den Ag noch am selben Tag übermittelte.

a) Die ASt trägt vor, trotz unterbliebener Angebotsabgabe antragsbefugt zu sein. Die Vergabeunterlagen machten es ihr unmöglich, ein kaufmännisch vernünftig kalkuliertes Angebot abzugeben. Dadurch sei ihr die Angebotsabgabe unzumutbar gewesen. Dass sie – wie von den Ag vorgetragen – in jüngerer Vergangenheit in Presseverlautbarungen zum Ausdruck gebracht habe, sich nicht an Ausschreibungen über Exklusivverträge beteiligen zu wollen, stehe ihrem Interesse an dem vorliegenden Auftrag nicht entgegen. Denn die ASt habe sich in der Vergangenheit mit ihren Einlassungen, sich nicht an Vergabeverfahren der gesetzlichen Krankenkassen zwecks Abschlusses von Rabattvereinbarungen zu beteiligen, ausschließlich auf Exklusivverträge bezogen, wohingegen ausweislich der Vergabeunterlagen im Gebietslos 2 gerade keine Exklusivität gegeben sein solle. An nicht exklusiven Verträgen habe die ASt durchaus ein Interesse.

Den sich aus § 160 Abs. 3 GWB ergebenden Rügeobliegenheiten habe sie genügt. Der Nachprüfungsantrag sei innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang der Zurückweisung der Rüge durch die Ag eingelegt worden.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Das Vergabeverfahren sei mit den auch im Vergabeverfahren anwendbaren Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 Satz 2 GWB) nicht vereinbar, denn die Preis- und Kalkulationsunsicherheiten gingen hier über das Maß hinaus, welches den Bietern üblicherweise zumutbar sei und mache der ASt damit eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation unzumutbar. Dies ergebe sich daraus, dass im Gebietslos 2, wo die dort geltenden Sprechstundenvereinbarungen nur auf das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot Bezug nähmen, nach der Entscheidung des BSG vom 23. September 2023 (B 3 KR 4/22 R) eine Exklusivität zugunsten des Zuschlagsdestinatärs zwar einerseits ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Die Ärzte seien über die sich aus dem Urteil ergebende fehlende Exklusivität zwar informiert worden, hätten aber – wie die Referenzzahlen zwischen 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 zeigten – ihr Bestellverhalten nicht geändert, sondern weiterhin die Rabattvertragsprodukte bestellt. Die seitens der Ag den Ärzten gegenüber avisierten Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen entfalteten damit möglicherweise eine faktische Lenkungswirkung, deren Umfang nicht vorab eingeschätzt werden könne. Abhängig davon liege dann aber ein faktisch exklusiver Vertrag vor, der wegen dieser faktischen Exklusivität nach dem Urteil des BSG vom 21. September 2023 einer Rechtsgrundlage bedürfe, die nicht vorhanden sei. Daher sei nicht auszuschließen, dass der streitgegenständliche Vertrag von vornherein unwirksam sei und ggf. rückabgewickelt werden müsse, was zu zusätzlichen Risiken in der Kalkulation führe.

Für die Bieter sei nicht erkennbar, wie die Ag von der Wirtschaftlichkeitsprüfung Gebrauch machen und in welchem Umfang sie hiermit eine Lenkungswirkung erreichen würden. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit ließen den Schluss zu, dass die radiologisch tätigen Ärzte sich der Lenkungswirkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung und – im Falle eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz – dann drohenden Regressforderungen kaum entziehen könnten. So hätten die Ärzte auch nach der Entscheidung des BSG ihr Verordnungsverhalten nicht geändert.

Diese Unwägbarkeiten gingen über das bei Rahmenvereinbarungen übliche Maß hinaus.

Die ASt beantragt,

1.das Vergabeverfahren hinsichtlich Gebietslos 2 […] aufzuheben und den Ag aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu beschaffen,

2.hilfsweise: den Ag aufzugeben, das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt vor Veröffentlichung im EU-Amtsblatt zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

3.die Vergabeakten beizuziehen und der ASt Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

4.den Ag die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der ASt aufzuerlegen,

5.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären.

b) Die Ag beantragen,

1.den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2.der ASt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Ag aufzuerlegen,

3.festzustellen, dass die Hinzuziehung anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter durch die Ag notwendig war.

Nach Ansicht der Ag ist der Nachprüfungsantrag mangels Interesses der ASt am Auftrag unzulässig. Die ASt habe kein Angebot abgegeben. Zu vermuten sei, dass die ASt eine Angebotsabgabe nicht einmal erwogen habe. So habe die ASt sei Jahren öffentlich verlautbart, an Ausschreibungen von Rabattverträgen nicht mehr teilnehmen zu wollen, sondern diese zu boykottieren. Die Ag verweisen hierzu auf Pressemitteilungen der ASt vom August 2023 und November 2022. Ein weiteres Indiz sei der Umstand, dass die ASt kein Angebot auf Gebietslos 1 abgegeben habe, obwohl sich dort die von der ASt im vorliegenden Nachprüfungsverfahren monierte Problematik der Unzumutbarkeit einer Kalkulation nicht stelle.

Dessen ungeachtet sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Ausschreibungsgegenstand sei der Abschluss einer Rahmenvereinbarung. Rahmenvereinbarungen wohnten typischerweise kalkulatorische Unsicherheiten inne, die vom Bieter zu tragen seien. Voraussetzung sei lediglich, dass der Auftraggeber das zu erwartende Auftragsvolumen so präzise wie ihm möglich angebe und den Bietern die ihm bekannten und für eine Kalkulation relevanten Informationen zur Verfügung stelle. Diesen Anforderungen seien die Ag hinreichend nachgekommen.

Die streitgegenständliche Ausschreibung zu Los 2 sei mit der Rechtsprechung des BSG vereinbar. Die Ausschreibung sehe ausdrücklich keine Exklusivität vor, so dass die Möglichkeit einer Belieferung mit Kontrastmitteln für den Sprechstundenbedarf durch Dritte nicht ausgeschlossen werde. Entgegen der Annahme der ASt habe das BSG dem Abschluss von Rahmenverträgen über Kontrastmittel keinen Riegel vorschieben wollen. Das BSG habe lediglich für die Vereinbarung einer sog. “harten” Exklusivität das Vorhandensein einer normativen Grundlage gefordert.

Zutreffend sei auch nicht das Vorbringen der ASt, die von den Ag angekündigte Wirtschaftlichkeitsprüfung bei den Ärzten werde eine erhebliche Lenkungswirkung entfalten können. Festzustellen sei zunächst, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot in § 12 SGB V und dem daran anknüpfenden § 73 Abs. 8 Satz 1 SGB V gesetzlich verankert sei. Daher verstehe es sich von selbst, dass Vertragsärzte verpflichtet seien, bei Verordnungen – vorbehaltlich therapeutischer Gründe – grundsätzlich die kostengünstigsten Kontrastmittel zu verordnen. Von der in den Vergabeunterlagen angekündigten Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Kontrastmittel-Verordnungen gehe keine faktische Lenkungswirkung aus, sondern es handele sich dabei um eine Rechtmäßigkeitskontrolle, die ex post durch die Krankenkassen vorgenommen werde.

3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die elektronische Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.

Die mündliche Verhandlung fand am 13. Dezember 2024 statt. Die Entscheidungsfrist wurde verlängert bis zum 15. Januar 2025 einschließlich.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Nachprüfungsverfahren ist eröffnet, der Antrag ist zulässig.

a) Der Nachprüfungsantrag, der nach §§ 155, 106 Abs. 1 GWB nur für öffentliche Aufträge eröffnet ist, ist statthaft.

Zwar handelt es sich bei den streitgegenständlichen Rabattverträgen nicht selbst um öffentliche Aufträge, denn ein Austausch von Leistung und Gegenleistung findet auf Basis der Rabattverträge nicht statt. Die Legaldefinition des öffentlichen Auftrags, § 103 Abs. 1 GWB, ist mithin nicht erfüllt. Es werden aber Bedingungen, insbesondere der Preis, für nachfolgende Einzelabrufe festgelegt, so dass es sich um Rahmenvereinbarungen handelt. Diese unterliegen den vergaberechtlichen Vorgaben in gleicher Weise wie der öffentliche Auftrag selbst, § 103 Abs. 5 GWB. Die Rahmenverträge werden abgeschlossen zwischen den Ag als gesetzlichen Krankenkassen und damit als öffentlichen Auftraggebern (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009, Rs. C-300/07) und dem pharmazeutischen Unternehmen als jeweiligem Wettbewerbsgewinner.

b) Die Vergabekammer des Bundes ist zuständig aufgrund der Zuordnungsregel des § 159 Abs. 1 Nr. 6 GWB.

c) Die ASt ist letztendlich antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB.

Die Tatsache, dass die ASt kein Angebot abgegeben hat, steht dem für die Antragsbefugnis erforderlichen Interesse am Auftrag zwar nicht grundsätzlich entgegen. Denn die ASt macht geltend, es sei gerade der Vergabefehler der unsicheren Kalkulationsgrundlagen, der ihr eine Angebotsabgabe unmöglich mache. In derartigen Fällen ist ein Auftragsinteressent nicht gehalten, ein Angebot abzugeben, nur um sein Auftragsinteresse nachzuweisen. Das Auftragsinteresse ist dann grundsätzlich nachgewiesen durch die Rüge und durch die Einreichung des Nachprüfungsantrags.

Allerdings ist das Interesse am Auftrag zu plausibilisieren, wenn hieran ernstliche Zweifel bestehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.08.2022 – Verg 53/21; Beschluss vom 18. August 2021 – Verg 52/20, sowie Beschluss vom 30. Juni 2021 – Verg 43/20). Ernstliche Zweifel ergeben sich vorliegend aus den öffentlichen Einlassungen der ASt selbst zu ihrem Interesse an der Beteiligung an Rabattvertragsausschreibungen. Die Ag haben als Anlage 1 zu ihrem Schriftsatz vom 14. November 2024 zwei Pressemitteilungen der ASt […] vorgelegt, aus denen sich unter Darlegung der Gründe hierfür ergibt, dass die ASt sich wiederholt bewusst gegen eine Teilnahme am Wettbewerb um exklusive Rabattvertragsausschreibungen bei Röntgenkontrastmitteln entschieden hat. Sie hält diese danach in Ermangelung einer Rechtsgrundlage für unzulässig […].

Öffentliche Äußerungen eines Antragstellers sind durchaus geeignet, auch im Nachprüfungsverfahren für die Einschätzung seines Auftragsinteresses herangezogen zu werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Juni 2021, a.a.O., dort RdNr. II.c)). Hier ist allerdings zugunsten der ASt zu berücksichtigen, dass sich ihre Presseverlautbarungen ausschließlich auf exklusive Rabattverträge, offenbar im Ein-Partner-Modell, bezogen haben. Die Einlassungen der ASt sind vorliegend zwar in der Gesamtschau nicht ganz stringent, indem die ASt ihr Interesse am vorliegenden Auftrag in der mündlichen Verhandlung einerseits mit dem Hinweis auf die Vergabeunterlagen begründet, wonach die für das Gebietslos 2 abzuschließenden Rabattverträge wegen der BSG-Entscheidung nicht exklusiv sein sollen. Andererseits stützt die ASt ihr Vorbringen in der Sache und die vermeintliche Vergaberechtswidrigkeit aber gerade darauf, dass trotz der anderslautenden Information in den Vergabeunterlagen eine faktische Exklusivität vorliege, die eigentlich – die Presseverlautbarungen zugrunde legend – zum fehlenden Auftragsinteresse führen müsste. Gegenpol zur Rabattvertragsausschreibung nach Vergaberecht ist üblicherweise das Openhouse-Modell, welches dem Vergaberecht mangels Auswahlentscheidung nicht unterliegt. Insofern spricht Einiges dafür, dass es der ASt an einem ernsthaften Interesse an dem Auftrag fehlt.

Ausschlaggebend ist letztendlich jedoch, dass die Ag den streitgegenständlichen Rabattvertrag als nicht exklusiv ausgewiesen haben und die öffentlichen Verlautbarungen der ASt sich nur auf exklusive Rabattverträge beziehen. Diese formale Betrachtung ist vor dem Hintergrund des Justizgewährungsanpruchs der ASt nach Art. 19 Abs. 4 GG letztendlich heranzuziehen, so dass das Auftragsinteresse zu bejahen ist.

d) Der Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB hat die ASt mit Bieterfrage vom 11. Oktober 2024 entsprochen. Ob die ASt mit dieser Bieterfrage ursprünglich eine Rüge intendiert hatte, was grundsätzlich möglich ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2024 – Verg 16/24), kann offenbleiben, denn die Ag als Adressaten haben diese Frage ausdrücklich als Rüge eingeordnet und auf die mit ablehnender Antwort vom 21. Oktober 2024 ausgelöste Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB hingewiesen. Dies hat die ASt unwidersprochen gegen sich gelten lassen und den Nachprüfungsantrag binnen der gesetzlichen Frist eingelegt.

2. In der Sache hat der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg, denn die von der ASt geltend gemachte Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Angebotskalkulation liegt nicht vor.

a) Die Ag haben mit den Vergabeunterlagen eine vergaberechtskonforme Basis für die Kalkulation der Angebote geschaffen. Es sind den Bietern mit Anlage 4 a und 4 b die regionalen Absatzmengen aus dem Referenzzeitraum zwischen 1. Juli 2023 und 30. Juni 2024 an die Hand gegeben worden, aufgeschlüsselt nach Konzentrationen, im Gebietslos 2 noch weiter aufgeschlüsselt nach Abrechnungsmonat und Abgabevolumina. Die Ag haben damit vollumfänglich den Vorgaben der gesetzten Rechtsprechung entsprochen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. November 2016 – VII-Verg 27/16). Aus den Abgabemengen aus dem vergangenen Referenzzeitraum kann belastbar auf die zukünftigen Abgabemengen geschlossen werden, die Kalkulierbarkeit ist weder unmöglich noch ist sie unzumutbar. Einer exakten Mengenangabe bedarf es bei Rahmenverträgen gerade nicht. Der Rechtsprechung des EuGH (zuletzt EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – Rs. C-23/20), wonach ein öffentlicher Auftraggeber bei Rahmenverträgen die maximalen Abnahmemengen bekannt geben muss, haben die Ag bereits in der Auftragsbekanntmachung entsprochen.

b) Die Entscheidung des BSG vom 21. September 2023 – B 3 KR 6/22 R ändert auch im Gebietslos[…], wo dem Rabattvertrag nach den Vorgaben der Ausschreibung keine Exklusivität zukommt (Ziffer 1.2 der Bewerbungsbedingungen), nichts an der Zumutbarkeit der Kalkulation.

aa) Die Absatzzahlen aus dem vergangenen Referenzzeitraum stellen nach wie vor eine geeignete Grundlage für die Mengenprognosen für den zukünftigen Rabattvertragszeitraum dar. Die Mengenangaben aus der Vergangenheit bleiben belastbar für eine Prognose der Mengen, die über die Laufzeit des streitgegenständlichen Rabattvertrags zukünftig abgegeben werden.

Die Entscheidung des BSG besagt für eine Konstellation, in der die Sprechstundenbedarfsvereinbarung – wie hier im streitgegenständlichen Gebietslos 2 – allein auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz rekurriert, dass ein Lieferant eines Kontrastmittels auch dann einen Zahlungsanspruch gegen die gesetzlichen Krankenkassen hat, wenn es sich bei dem gelieferten Kontrastmittel nicht um das Rabattvertragsprodukt handelt. Auch wenn der Lieferant einen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse hat, kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass radiologische Praxen in nennenswertem Umfang dazu übergehen werden, andere als die vom Rabattvertrag erfassten Kontrastmittel zu beschaffen. Die Ärzte werden durch die Krankenkassen über den Rabattvertrag als wirtschaftlichste Bezugsquelle informiert; dies ist eine gesetzliche Pflicht der Krankenkassen. Die Ärzte sind ihrerseits an den sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, § 12 SGB V, gebunden, der letztendlich der Finanzierbarkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung als überragend wichtigem Gemeinschaftsgut, so das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dient. Es gibt keinen, jedenfalls keinen legitimen Anhaltspunkt für die Befürchtung der ASt, die Ärzte würden ihr Bestellverhalten auf Produkte außerhalb des Rabattvertrags hin orientieren, nur weil die Ag laut BSG auch für diese Produkte eine Zahlung nicht verweigern dürfen. Da es sich vorliegend um Sprechstundenbedarf handelt, der einmal im Quartal für die Praxis bestellt wird und der grundsätzlich pro Anwendungsgebiet gleichförmig für weitgehend alle Patienten aus einer großen Durchstechflasche, die nicht für jeden Patienten gewechselt wird, eingesetzt wird, wäre ein abweichendes Bestellverhalten erklärungsbedürftig vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes. Die rabattierten Preise liegen generell deutlich unter den Listenpreisen. Bei Unverträglichkeiten oder Allergien einzelner Patienten besteht ohnehin die Möglichkeit, einzelfallbezogen aus therapeutischen Gründen ein anderes Kontrastmittel als das Rabattvertragsprodukt zu beschaffen. Es ist davon auszugehen, dass die Ärzte sich konform mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verhalten werden. Soweit einzelne Ärzte neben dem Rabattvertrag bestellen sollten, so führt dies nicht dazu, dass die Mengen aus dem Referenzzeitraum nicht mehr belastbar wären als Kalkulationsgrundlage für den neuen Zeitraum, denn die Referenzzahlen werden sich nie exakt decken mit den Abnahmemengen im zukünftigen Zeitraum. Gewisse Unsicherheiten in Bezug auf die zu erwartende Abnahmemenge sind Rahmenvereinbarungen aber immanent.

Dass die Entscheidung des BSG nicht zu einer Änderung des Bestellverhaltens der Ärzte hin zu Produkten außerhalb des Rabattvertrags führen wird, belegen aber tatsächlich auch die Referenzzahlen der Ag für das Gebietslos […]aus dem Zeitraum 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024. Die Entscheidung des BSG datiert vom 21. September 2023. Die Ag haben die Ärzte über diese Entscheidung und die Konsequenzen der Entscheidung informiert und auf den damit nicht exklusiven Charakter des Rabattvertrags verwiesen. Dennoch gab es keine Änderung im Bestellverhalten, vgl. die monatsweise Darlegung der Absatzmengen in Gebietslos 2 sowohl vor als auch nach der BSG-Entscheidung. Dies belegt, dass die Ärzte ihr Bestellverhalten auch in Kenntnis der Nicht-Exklusivität am Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ausrichten und sich gesetzeskonform verhalten.

Dass die Ärzte ihr Bestellverhalten ungeachtet der Entscheidung des BSG am Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ausrichten und regelmäßig Rabattvertragsprodukte für den Sprechstundenbedarf bestellen, sieht auch die ASt so. Die vorgetragene Unsicherheit über die Lenkungswirkung möglicher Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen in Bezug auf Bestellverhalten von Ärzten, aus dem die ASt die Unzumutbarkeit der Angebotskalkulation ableitet, ergibt sich damit schon aus dem eigenen Vortrag der ASt nicht belastbar.

bb) Ein Risiko der Vertragsrückabwicklung nach Bereicherungsrecht ist nicht ersichtlich und kann daher nicht zu einem unzumutbaren Kalkulationsrisiko führen.

Für das Vergaberecht gilt, dass die Ag nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet sind, ein europaweites Vergabeverfahren durchzuführen, wenn Rahmenvereinbarungen insbesondere über Preise abgeschlossen werden sollen. Die Ag sind öffentliche Auftraggeber und bedürfen keiner besonderen Rechtsgrundlage, um ein Vergabeverfahren durchzuführen; §§ 115, 119 Abs. 1, 103 Abs. 5 GWB verpflichten im Gegenteil hierzu. Die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen sind ausschließlich für die Überprüfung öffentlicher Aufträge bzw. diesen gleichgestellten Rahmenvereinbarungen zuständig, also erst ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Vergabeverfahren begonnen wurde. Ob der jeweilige öffentliche Auftraggeber sich aus anderen als vergaberechtlichen Rechtsgründen überhaupt entscheiden durfte, ein Vergabeverfahren zu beginnen, stellt eine dem Beginn des Vergabeverfahrens vorgelagerte Rechtsfrage dar, die nicht der Überprüfung durch die Vergabekammer unterliegt. Ob, wie die ASt vorliegend meint, die Ag einer speziellen sozialrechtlichen Rechtsgrundlage für den Abschluss exklusiver Rabattverträge über Röntgenkontrastmittel im Sprechstundenbedarf bedürfen, wird das Sozialgericht […] entscheiden. In vergaberechtlicher Hinsicht verhalten sich die Ag mit dem europaweiten Vergabeverfahren indes absolut vergaberechtskonform, so dass eine Unwirksamkeitserklärung oder eine Nichtigkeit der abzuschließenden Rabattverträge nicht in Rede steht. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GWB wäre dies im Gegenteil bei Unterlassen eines europaweiten Vergabeverfahrens der Fall.

Was das Risiko einer Rückabwicklung wegen Nichtigkeit und damit verbundener Unkalkulierbarkeiten anbelangt, so kann über die rein vergaberechtliche Betrachtung hinaus der Entscheidung des BSG erst einmal nur entnommen werden, dass in einer Konstellation, in der die Sprechstundenbedarfsvereinbarung – wie hier in Gebietslos 2 – allein auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz rekurriert, ein Lieferant eines Kontrastmittels auch dann einen Zahlungsanspruch gegen die gesetzlichen Krankenkassen hat, wenn es sich bei dem gelieferten Kontrastmittel nicht um das Rabattvertragsprodukt handelt. Eine Aussage dahin, dass dies gleichzeitig ein Verbot der Durchführung eines Vergabeverfahrens der Krankenkassen zwecks Abschlusses von Rabattvereinbarungen implizieren würde, die dann zwar nicht exklusiv sind, von den Ärzten aber entsprechend dem gesetzlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zu beachten sind, kann der BSG-Entscheidung nicht entnommen werden. Prima vista ist daher auch insoweit kein Nichtigkeitsgrund erkennbar, der eine den Bietern vergaberechtlich nicht mehr zumutbare Kalkulation nach sich zöge.

Der Argumentation der ASt, ein Unwirksamkeitsrisiko ergebe sich aufgrund einer faktischen Exklusivität, die auf die Lenkungswirkung des Instruments der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf das Bestellverhalten der Ärzte zurückzuführen sei, kann nicht gefolgt werden. Diese Argumentation bedeutet im Kern, dass aus einem rechtmäßigen und gesetzlich nach § 12 SGB V gerade intendierten Verhalten der Ärzte, nämlich der Beachtung des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes in Form der Bestellung der Rabattvertragsprodukte als wirtschaftlicher Bezugsmöglichkeit, die Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der Rabattverträge konstruiert wird. Es ist schwerlich vorstellbar, dass ein rechtmäßiges Verhalten zur Vertragsunwirksamkeit führen soll. Ohne der Entscheidung des Sozialgerichts […] vorzugreifen, ist hier kein vergaberechtlich relevantes Rückabwicklungsrisiko erkennbar, aus dem sich Kalkulationsrisiken ergeben könnten. Schlussendlich ist die ASt auch eine Konkretisierung schuldig geblieben, worin genau der Nachteil einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht zu sehen sein soll. Verbrauchte Röntgenkontrastmittel sind in jedem Fall zu bezahlen, auch nach Bereicherungsrecht im Rahmen einer Rückabwicklung nach einer unterstellten rückwirkenden Erklärung des Vertrags als unwirksam oder nichtig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1, 2 GWB.

Die ASt trägt als unterliegende Verfahrensbeteiligte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag. Die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Ag war notwendig. Da der Sprechstundenbedarf mangels Zuordnungsmöglichkeit zu einzelnen Versicherten und deren Krankenkassen durch alle gesetzlichen Kassen gemeinsam abgerechnet wird, gibt es eine Vielzahl von Antragsgegnerinnen, was einen erhöhten Koordinierungsaufwand generiert. Der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens bewegt sich ferner nicht nur im Vergaberecht, sondern an der Schnittstelle zwischen Vergabe- und Sozialrecht, ferner auch – was das seitens der ASt vorgetragene Nichtigkeitsrisiko anbelangt – zum Zivilrecht. Dies rechtfertigt die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Ag.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat – einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

VK Bund zu der Frage, dass der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben kann, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist

VK Bund zu der Frage, dass der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben kann, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist

1. Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich in der Bestimmung ihres Beschaffungsgegenstandes frei; dieser muss gleichwohl willkür- bzw. diskriminierungsfrei festgelegt worden sein und sich aus sachlichen und auftragsbezogenen Gründen rechtfertigen lassen.
2. Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist. Dieser eng auszulegende Ausnahmetatbestand verlangt, dass der öffentliche Auftraggeber anhand einer hinreichend dokumentierten Markterkundung nachweisen muss, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe der Auftrag objektiv nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann.
3. Soll der Zuschlag ohne vorherige Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens direkt an ein Unternehmen vergeben werden, bedarfs es eines objektiv feststellbaren wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers gerade an dem konkreten Auftrag.
4. Die Antragsbefugnis entfällt. wenn ein Unternehmen nicht mehr bereit ist, den ausgeschriebenen Auftrag mit dem vom Auftraggeber vorgesehenen Inhalt abzuschließen, und das auch hinreichend zu erkennen gibt; die bekundete Bereitschaft, den Auftrag nur mit einem davon abweichenden Inhalt annehmen zu wollen, führt daher grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags.
VK Bund, Beschluss vom 28.01.2025 – VK 2-109/24

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerinnen (Ag), allesamt gesetzliche Krankenkassen, veröffentlichten am […] die im Betreff genannte unionsweite Ex-ante-Transparenzbekanntmachung für die Beschaffung einer Plattform für dermatologische Telekonsultationen im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV von der Beigeladenen (Bg). Das Vergabeverfahren wird von der Ag zu 1) als Vergabestelle im Auftrag aller Ag zu 2) bis 5) durchgeführt.

Den Gegenstand des Auftrags definierte die Ag im Vergabevermerk vom 20. November 2024 und entsprechend in Ziff. 5.1 der Transparenzbekanntmachung […] wie folgt:

“Ausgeschrieben wird eine Plattform für dermatologische Telekonsultationen, bei der Versicherte direkt bei einem teilnehmenden Dermatologen orts- und zeitungebunden eine Anfrage zu ihrer Hautläsion stellen können und bei Bedarf in eine anschließende Vor-Ort-Versorgung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durch den gleichen Dermatologen überführt werden kann. Innerhalb von 48h erhalten die Versicherten eine fachärztliche Befundung. Diese beinhaltet eine Therapieempfehlung, ggf. eine Diagnose und bei Bedarf eine Verordnung eines verschreibungspflichtigen Medikamentes im Rahmen eines Kassenrezepts. …”

Die Bg und die ASt betreiben beide Applikationen, die z.B. mittels eines Smartphones bzw. Computers genutzt werden können, um auf Patientenseite Fotografien von Hautproblemen anzufertigen, um diese an einen Facharzt zu senden und von diesem begutachten zu lassen und eine entsprechende Befundung und Therapieempfehlung zu erhalten. Die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle von ASt und Bg unterscheiden sich allerdings. Die Bg stellt ihr Tool niedergelassenen Fachärzten zur Verfügung, die mittels der App der Bg eine teledermatologische Begutachtung vornehmen. Die Bg arbeitet zu diesem Zweck auf vertraglicher Basis mit einer hohen Zahl von kassenärztlich zugelassenen niedergelassenen Fachärzten bundesweit zusammen. Ein Patient kann sich mit seinem Anliegen über die App der Bg direkt an einen dieser Fachärzte wegen einer teledermatologischen Untersuchung wenden und bei einer etwaig erforderlichen Vor-OrtUntersuchung bzw. Weiterbehandlung zu diesem ausgewählten Arzt in die Praxis zu einem VorOrt-Termin kommen.

Die ASt arbeitet dagegen mit einem fest angestellten Team von 22 Fachärzten zusammen, von denen nicht alle kassenärztlich zugelassen sind. Diese führen die teledermatologischen Begutachtungen mit der von der ASt bereit gestellten App selbst durch, wenn sich ein Patient mittels der App an die ASt wendet. Diese Patienten werden einem der bei der ASt angestellten Fachärzte zugewiesen. Für den Fall, dass nach der teledermatologischen Begutachtung durch die angestellten Fachärzte der ASt ein Vor-Ort-Besuch bei einem niedergelassenen Facharzt erforderlich wird, empfiehlt die ASt den Patienten für eine ortsnahe Weiterbehandlung einen niedergelassenen Facharzt, der nicht mit den festangestellten Ärzten der ASt identisch ist. Die ASt kooperiert zu diesem Zweck nach eigenen Angaben mit über 300 Fachärzten bundesweit.

Für die zu beschaffende Leistung dokumentierten die Ag im Vergabevermerk die folgenden Kriterien:

– Medizinprodukt nach Klasse IIa oder höher gemäß EU-MedizinprodukteVO oder im entsprechenden Zertifizierungsprozess befindlich unter der Voraussetzung, dass es bereits ein Medizinprodukt der Klasse I gemäß der RL 93/42/EWGjeweils ist, jeweils zu Vertragsbeginn;

– Plattformfunktion für Vertragsärzte;

– freie Arztauswahl und verfügbare Dermatologen (mit abrufbaren individuellen Profilen auf der Homepage des Anbieters) in jedem Bundesland;

– nahtlose, bruchfreie Versorgung

– mehr als 300 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen in Deutschland, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind;

– davon mehr als 30 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkasse, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind. Die Entfernung zum vor Ort ausgewählten Hautarzt sollte nicht mehr als 90-120 Minuten betragen (Regionale Präsenz).

Die Ag hatten im Zeitraum August bis Mitte November 2024 zum Zweck einer Markterkundung eine Internetrecherche durchgeführt. Die Erkenntnisse der Markterkundung bei den Internetseiten der betrachteten Unternehmen fassten die Ag mit Stand vom 18. November 2024 tabellarisch zusammen, darunter waren auch die Bg und die ASt, und dokumentierten die entsprechende Tabelle in der Vergabeakte. Die Ag vermerkten zu jedem betrachteten Unternehmen, ob die aufgestellten Kriterien erfüllt werden oder nicht und begründeten dies. Für die Bg dokumentierten die Ag, dass diese mit ihrem Produkt alle Kriterien erfülle, wozu sich entsprechende Begründungserwägungen finden. Die ASt erfülle danach die folgenden Kriterien nicht: Plattformfunktion für Vertragsärzte, nahtlose, bruchfreie Versorgung, mehr als 300 auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen in Deutschland, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind, davon mehr als 30 auswählbare niedergelassene Dermatologen pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkassen.

Die Anforderung eines Medizinproduktes nach Klasse IIa oder höher oder im Zertifizierungsprozess unter der Voraussetzung befindlich, dass bereits ein Medizinprodukt der Klasse I zu Vertragsbeginn vorliege (jeweils zu Vertragsbeginn), sah die Ag nach ihren dokumentierten Erwägungen zur Markterkundung für die Bg und die ASt jeweils als erfüllt an.

Hinsichtlich der nahtlosen, bruchfreien Versorgung hielten die Ag zur ASt fest:

“nein,

– Erstbefundung erfolgt durch angestellte Hautärzte,

– bei Notwendigkeit der vor Ort Konsultation erfolgt eine Weiterbehandlung durch anderen Arzt

– Ausstellung von Privatverordnungen auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln”.

Zur Anforderung “> 300 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen…” vermerkten die Ag zur ASt:

“nein

Netzwerk von > 300 niedergelassenen Dermatologen steht lediglich für die physische Weiterbehandlung zur Verfügung, führt aber nicht die Erstbegutachtung durch”.

Die Ergebnisse ihrer Recherche fassten die Ag im Vergabevermerk zusammen, die sie auch in der o.g. Transparenzbekanntmachung veröffentlichten.

Danach habe sich ergeben, dass der Auftrag nur von der Bg ausgeführt werden könne, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden sei. Die Bg sei eng mit der ambulanten Regelversorgung verzahnt und arbeite ausschließlich mit niedergelassenen Dermatologen zusammen. Das Modell der Bg ermögliche einen nahtlosen Übergang in die Regelversorgung und sei einzigartig, er hebe sich deutlich von Anbietern ab, die ausschließlich, überwiegend oder nur räumlich begrenzt auf angestellte Telemedizin-Ärzte ohne Niederlassungen setzten. Solche Anbieter böten keine direkte Anbindung an die flächendeckende Regelversorgung und könnten daher nicht Vertragspartner werden. Die Bg verfüge über ein Netzwerk von über 450 Vertragsärzten und biete damit eine flächendeckende teledermatologische Versorgung mit niedergelassenen Dermatologen in ganz Deutschland. Wettbewerber, die auf angestellte Telemedizin-Ärzte setzten, schüfen Parallelstrukturen, die nicht in die Regelversorgung integriert seien. Derartige Modelle liefen Gefahr, eine separate Versorgungsebene ohne Anbindung an das gesetzliche Gesundheitssystem zu schaffen. Dies führe zu einem Bruch in der Versorgungskette, die die Bg vermeide. Die Bg stelle die Integration in die Regelversorgung sicher und verkürze die Wartezeiten für die Patienten. Die Patienten könnten bei der Bg aufgrund der ausreichenden Anzahl teilnehmender Vertragsärzte ihren regionalen Arzt frei wählen. Die freie Arztwahl sei in der Regelversorgung den gesetzlichen Versicherten garantiert. Diese flexible Wahlmöglichkeit fehle anderen Anbietern. Auch die Möglichkeit, E-Rezepte auszustellen, sei ein wesentlicher Vorteil, da die Patienten ihre Medikamente ohne zusätzliche Kosten über die gesetzliche Krankenversicherung beziehen könnten. Andere Unternehmen könnten keine vergleichbare Abwicklung bieten. Die Diagnosen und Behandlungen würden bei der Bg ausschließlich durch qualifizierte niedergelassene und kassenärztlich zugelassene Fachärzte für Dermatologie durchgeführt. Andere Anbieter hätten keine gleichwertige, homogene Expertise.

Für die Ag sei wichtig, dass der Anbieter qualitativ hochwertige digitale Dienstleistungen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften erbringe. Der Anbieter müsse für die teledermatologische Untersuchung für Diagnostik und Befund eine Plattform verwenden, die die Eigenschaft eines Medizinproduktes der Risikoklasse IIa oder höher nach der EU-MedizinprodukteVO (MDR – Medical Device Regulation) erfülle oder sich im entsprechenden Zertifizierungsprozess befinde, unter der Voraussetzung, dass es sich um ein Medizinprodukt der Klasse I gemäß RL 93/42/EWG (Medizinprodukterichtlinie, MDD, Medical Device Directive) handele. Die Bg erfülle diese Voraussetzung.

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25. November 2024 rügte die ASt die beabsichtigte Auftragserteilung an die Bg.

Die Ag wiesen die Rüge der ASt mit Schreiben der Ag zu 1) als Vergabestelle vom 27. November 2024 zurück.

2. Die ASt beantragt mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29. November 2024, eingegangen bei der Vergabekammer des Bundes und von dort an die Vergabestelle übermittelt am gleichen Tag, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

a) Die ASt weist zum Sachverhalt darauf hin, dass die Ag zu 1), 2), 3) und 5) bereits im Dezember 2022 eine entsprechende Direktvergabe an die Bg durchgeführt hätten, woraufhin die ASt im April 2023 mit der Ag zu 1) das Gespräch gesucht habe und die Vergaberechtswidrigkeit dieser Vorgehensweise geltend gemacht habe. Entsprechendes sei hinsichtlich der Ag zu 4) geschehen, die auf entsprechende Rüge der ASt einer geplanten Direktvergabe an die Bg abgeholfen habe und im April 2024 ein wettbewerbliches Vergabeverfahren im offenen Verfahren eingeleitet habe. Die ASt habe auch dieses Vorgehen in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren als vergaberechtswidrig gerügt, weil die Ausschreibungsbedingungen nach Ansicht der ASt auf die Bg zugeschnitten gewesen seien. Die Ag zu 4) habe auch insoweit abgeholfen und das offene Verfahren aufgehoben.

Die ASt hält sich für antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Entgegen der Auffassung der Ag sei die ASt am Auftrag interessiert, ihr drohe durch die Beauftragung der Bg eine Verletzung ihrer Zuschlagschancen. Die ASt sei ein im Bereich der Teledermatologie tätiges Unternehmen und vollständig in der Lage, die nachgefragten Leistungen zu erbringen. Es sei unerheblich, dass sich einzelne Aspekte im Geschäftsmodell von ASt und Bg unterschieden. Die ASt hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sie in erster Linie daran interessiert sei, auf Basis ihres Geschäftsmodells anbieten zu können. Sie sei aber auch für den Fall der Beibehaltung des derzeit seitens der Ag nachgefragten und von der Bg angebotenen Modells in der Lage, ihr Modell zu adaptieren und entsprechend anzubieten, so grundsätzlich auch gegenüber den Ag. Sie habe auch in diesem Fall ein Auftragsinteresse.

In der Sache hält die ASt die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit.

b) VgV für nicht gegeben. Es sei insofern nicht festzustellen, dass die nachgefragte Leistungserbringung durch andere Marktteilnehmer außer der Bg objektiv unmöglich sei bzw. die technischen Besonderheiten des Angebots der Bg von derart herausragender Bedeutung seien, dass abweichende Angebote anderer Marktteilnehmer keine vernünftige Alternative zur Erreichung des Beschaffungszwecks mehr darstellten; die Anforderungen des § 14 Abs. 6 VgV seien nicht eingehalten, sondern die Auftragsvergabeparameter durch die Anforderungen der Ag künstlich eingeschränkt worden. Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle unterschieden sich letztlich nur graduell, aber nicht wesentlich voneinander. Nur graduelle Unterschiede begründeten aber keinen technisch fehlenden Wettbewerb. Hierzu führt die ASt im Einzelnen aus:

– Es treffe nicht zu, dass – wie die Ag behaupteten – die ASt keine freie Arztwahl ermögliche. Die freie Arztwahl sei auch keine technische Besonderheit von überragender Bedeutung. Zwar erfolge die teledermatologische Behandlung durch bei der ASt fest angestellte Ärzte. Für eine etwaige erforderliche Weiterbehandlung vor Ort könne der Patient frei zwischen den ärztlichen Kooperationspartnern der ASt wählen, was bei der Bg nicht anders sei. Der Grundsatz der freien Arztwahl sei bei Bg und ASt gleichermaßen eingeschränkt, weil nicht alle in Deutschland zugelassenen Dermatologen eine teledermatologische Behandlung anböten. Die ASt könne aber in diesem Rahmen auch eine freie Wahl des Arztes gewährleisten. Es sei zwar so, dass die ASt dem jeweiligen Patienten automatisch einen der fest angestellten Ärzte zuweise. Dies werde von der ASt als vorteilhaft bewertet, um eine schnelle Behandlung über das ganze Jahr zu gewährleisten. Die Bg garantiere lediglich eine werktägliche Antwort innerhalb von 48h. Diese feste Zuordnung bei der ASt sei aber nicht zwingend, sondern es könne auf Anforderung in einem Vergabeverfahren mindestens eine Auswahl zwischen den fest angestellten Fachärzten ermöglicht werden. Es sei ferner technisch möglich, die teledermatologische Behandlung durch die Kooperationsärzte erbringen zu lassen.

Schließlich könne die freie Arztwahl eine Direktvergabe nicht rechtfertigen, weil dieser in inhaltlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht vielfach eingeschränkt sei und ohnehin nur für die kassenärztlich zugelassenen Ärzte gelte. Ferner schränke der Grundsatz der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V die freie Arztwahl ein. § 75 SGB V lasse prinzipiell erkennen, dass kein Anspruch auf freie Arztwahl statuiert werde, sondern die Grenzen der Wahlmöglichkeiten der Versicherten.

Es sei zudem aus sachlichen Gründen nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen eine freie Arztwahl im Bereich der Teledermatologie vorzugswürdig sei. Das Geschäftsmodell der ASt stelle gerade eine hohe Beratungsqualität durch die festangestellten Ärzte sicher, diese hätten die für den Umgang mit den zur Anwendung kommenden Apps und den zu beachtenden Besonderheiten eine entsprechende Expertise. Im Falle einer vor Ort erforderlichen Weiterbehandlung könne der Patient im Modell der ASt den behandelnden Arzt frei wählen. Die ASt habe Kooperationen mit mehr als 300 Fachärzten deutschlandweit abgeschlossen, die bei Bedarf vermittelt werden könnten.

– Es treffe ferner nicht zu, dass es der ASt an einem äquivalenten Netzwerk fehle. Die von den Ag definierte Mindestanzahl an Dermatologen von mehr als 300 frei auswählbaren und kassenärztlich zugelassenen Dermatologen bzw. mehr als 30 frei auswählbaren und kassenärztlich zugelassenen Dermatologen für jedes an der Ausschreibung beteiligte Bundesland sei nicht nachzuvollziehen, diese Vorgabe sei diskriminierend. Die Ag hätten diese Zahlen nicht konkret begründet, sie seien so ausschließlich aufgestellt worden, um die Bg zu bevorzugen. Vielmehr zeige ein Abgleich mit den von der Bg angegebenen Vertragsärzten, dass die Ag die Anzahl an Vertragsärzten je Bundesland an den Zahlen der Bg orientiert habe.

– Eine von den Ag reklamierte bruchfreie Versorgung sei keine technische Besonderheit von überragender Bedeutung. Diese sei bei dem Geschäftsmodell der ASt nicht in Frage gestellt. Auch bei der ASt würden sämtliche Informationen, die im Rahmen einer teledermatologischen Behandlung ausgetauscht worden seien, an einen vor Ort weiterbehandelnden Arzt in einem Arztbrief weitergegeben. Das Modell der ASt sei medizinisch sinnvoll, weil sich ein weiter behandelnder Arzt im Sinne einer Zweitmeinung den jeweiligen Fall ansehe. Doppeluntersuchungen gebe es nur, wenn der weiterbehandelnde Arzt eine abweichende Meinung zur Diagnose bzw. Weiterbehandlung habe. Dass, wie die Ag meinten eine Versorgung durch einen niedergelassenen Arzt elementar für die Leistungserbringung sei, überzeuge nicht als Rechtfertigung der Direktvergabe, so dass das Geschäftsmodell der Bg auch nicht von überragender Wichtigkeit für eine bruchfreie Versorgung sein könne. Der Behandlungserfolg werde in erster Linie sichergestellt durch eine qualifizierte ärztliche Diagnose und einen darauf abgestimmten Behandlungsplan. Die besonderen Vorteile der teledermatologischen Behandlung wie eine niedrigschwellige und schnelle Fernbehandlung und Entlastung der Praxen vor Ort blieben außer Betracht, wenn die Ag unbedingt forderten, dass der Patient im Anschluss an die teledermatologische Behandlung in der entsprechenden Arztpraxis vorstellig werden müsse und – wie bei der Bg – keine Rückfragen an den teledermatologisch behandelnden Arzt vorgesehen seien. Die teledermatologische Behandlung sei ein sehr neues Feld der niedrigschwelligen ärztlichen Konsultation und zeichne sich gerade dadurch aus, dass eine sich anschließende Vor-Ort-Behandlung möglichst vermieden und somit ein bruchfreier Vor-OrtBesuch beim Facharzt gar nicht erforderlich werden solle. Die Ag zu 1) spreche in einer Pressemitteilung […]davon, dass fast 90% der Teleanfragen komplett digital bearbeitet und abgeschlossen werden könnten. Es sei zudem dem § 27b SGB V nicht zu entnehmen, dass eine ärztliche Zweitmeinung als medizinisch kontraproduktiv zu bewerten sei. Die Vorschrift solle nur die Wirtschaftlichkeit der Behandlung sicherstellen. Qua Satzung könne die Erstattung der Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung von den einzelnen gesetzlichen Krankenkassen eingeführt werden.

– Ebenso wenig entstünden Doppelstrukturen bei der ASt. Die Ärzte der ASt seien überwiegend kassenärztlich zugelassen. Auch im Netzwerk der Bg seien Ärzte, die ausschließlich Privatpatienten und Selbstzahler behandelten. Auch bei der Bg würde die teledermatologische Behandlung über einen Selektivvertrag abgerechnet, während die Besuche in der Praxis über die Quartalsabrechnung erfolgten. Die überwiegende Zahl der Fachärzte der ASt seien kassenärztlich zugelassen und dürften somit auch Kassenrezepte ausstellen, was in einem Auftrag für eine andere gesetzliche Krankenkasse auch tatsächlich so erfolge. Bei der Bg müssten Patienten somit extra in die Praxis, um ein etwaiges Rezept nach einer teledermatologischen Behandlung abzuholen, was erneute Kosten verursachen könne. Einem möglichen Auftrag an die ASt stehe daher auch nicht das von den Ag als Rechtfertigung der Direktvergabe an die Bg angeführte krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsprinzip entgegen. Soweit sich die Ag insofern auf Informationen zum Geschäftsmodell der ASt beriefen, die diese bei ihrer Markterkundung anhand einer bloßen Internetrecherche herausgefunden habe, werde verkannt, dass sich diese Informationen nur an Selbstzahler bzw. Privatpatienten richteten, die unabhängig von ihrer jeweiligen Krankenversicherung Gebrauch vom Angebot der ASt machen möchten und daher kein Kassenrezept benötigten. Im Falle eines Selektivvertrages für eine gesetzliche Krankenkasse gelte dies freilich nicht.

– Die ASt könne auch das Kriterium der regionalen Präsenz gewährleisten. Dies sei auch kein technischer Aspekt, der zu einer exklusiven Leistung nur durch die Bg führe. Die Anforderung verenge den Wettbewerb. Es sei nicht auszuschließen, dass Bieter im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens z.B. im Rahmen einer Bietergemeinschaft oder als Haupt- und Unterauftragnehmer kooperierten, um die Vorgaben der regionalen Präsenz zu erfüllen. Schließlich arbeite die ASt mit mehr als 300 Fachärzten vor Ort zusammen, so dass im Ergebnis eine Anschlussversorgung vor Ort sichergestellt sei. Dieser Aspekt sei zudem veränderlich und könne bis zum Leistungsbeginn – wie dargelegt – geschaffen werden. Die ASt erweitere ihr Kooperationsnetzwerk an Fachärzten stetig. Eine Recherche bei der Bg zeige, dass in einem Flächenland wie […]auch noch bedeutende Lücken gebe, was näher ausgeführt wird. Soweit die Bg vorbringe, die ASt sei mit ihrem Kooperationsnetzwerk nicht in der Lage, die regionale Präsenz abzudecken, sei darauf hinzuweisen, dass die Vorgaben der Ag es ausreichen ließen, dass eine niedergelassene Praxis für einen Vor-Ort-Termin für Patienten mit einer Fahrzeit von 90-120 min erreichbar sein müsse. Vor diesem Hintergrund sei das Vorbringen der Bg, die ASt verfüge in Ballungsgebieten verschiedener Bundesländer nicht über Kooperationspraxen, nicht haltbar. Soweit die Bg ihren Vortrag durch entsprechende Testfragen über die App untermauern wolle, sei darauf hinzuweisen, dass diese Testfragen von der Bg nicht im Rahmen des ausgeschriebenen Selektivvertrages mit einer gesetzlichen Krankenkasse gestellt worden sei, sondern im Rahmen des Online-Services der ASt, den diese für Privatpatienten und Selbstzahler anbiete. Im Falle eines in einem Vergabeverfahren erlangten Selektivvertrages sei die ASt in der Lage, ihre Prozesse im Sinne etwaig gestellter Anforderungen an das Praxisnetzwerk zu modifizieren und eine Vermittlung an einen Facharzt aus ihrem Netzwerk zu ermöglichen.

Soweit die Bg vorgetragen habe, der App der ASt fehle eine nötige Zertifizierung als Medizinprodukt, sei dies falsch. Die App der ASt sei derzeit ein Medizinprodukt der Klasse I nach der Medical Device Regulation (MDR) und befinde sich im Zertifizierungsprozess für ein Medizinprodukt der Klasse IIa nach MDR wie seitens der Ag gefordert. Auf die Einstufung nach der alten RL 93/42/EWG komme es nicht mehr maßgebend an. Dies sei ausweislich der Dokumentation der Markterkundung durch die Ag auch nicht bezweifelt worden. Soweit die Bg anderer Auffassung sei und sich auf die wettbewerbsrechtliche Entscheidung des […]berufe, beruft sich die ASt darauf, diese Entscheidung sei zu einer alten Version der ASt-App ergangen, die so nicht mehr genutzt werde. Diese folge näher aus einer Entscheidung des […].

Die Ag könnten sich vor diesem Hintergrund nicht auf eine technische Alleinstellung der Bg berufen. Auch die Beschaffungsautonomie der Ag rechtfertige das Vorgehen der Ag nicht, weil die Vorgaben der Ag den Wettbewerb durch ihre Vorgaben künstlich eingeschränkt hätten. Die Ag habe somit aufgrund falscher Informationen entschieden, da sie ihre Markterkundung nur auf eine Internetrecherche reduziert habe und das Potential der Marktteilnehmer nicht durch eine direkte Recherche bei den Marktteilnehmern aufgeklärt habe.

Jedenfalls aber sei eine Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV auf der Grundlage dieser nur internen Markterkundung unzulässig. Eine Internetrecherche reiche nicht aus, um den objektiven Maßstäben zu genügen. So hätte über die Internetrecherche hinaus eine direkte Kontaktaufnahme der Ag mit den Marktteilnehmern wie der ASt Klarheit bringen können, ob diese auch Kassenrezepte ausstellen könne.

Die Ag hätten bei ihrer Entscheidung nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV zudem den maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen des von ihr reklamierten Alleinstellungsmerkmals falsch bestimmt. Soweit die Vorschrift auf den Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe abstelle, komme es im Sinne einer unionsrechtlichen Handhabung der Norm darauf an, dass von Anfang an klar sein müsse, dass ein offenes Verfahren nicht zu mehr Wettbewerb führe und sich ein Lieferant die vom Auftraggeber reklamierten besonderen Fähigkeiten oder Ausstattungen auch nicht bis zur Ausschreibung bzw. zum Zuschlagstermin aneignen bzw. erwerben könne. Diesen Maßgaben werde die Entscheidung der Ag – unabhängig davon, dass es an technischen Besonderheiten von herausragender Bedeutung ohnehin fehle – nicht gerecht, da auf der Grundlage der Anforderungen zum Zeitpunkt der Angebotsaufforderung keine sachgemäße Prognoseentscheidung habe getroffen werden können, ob weitere Marktteilnehmer ihre Leistungsfähigkeit im Laufe eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens herstellen könnten.

Die von der Bg herangezogene Entscheidung des […]unterstreiche die Nachweispflicht des öffentlichen Auftraggebers dafür, dass nach § 14 Abs. 6 VgV keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung am Markt verfügbar sein dürfe, wenn ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gewählt werden solle. Es sei danach geboten, dass der Auftraggeber dem Markt durch eine Markterkundung die Möglichkeit geben müsse, die Leistungsanforderungen und den Beschaffungswunsch kennenzulernen, um in der zwischen Markterkundung und Auswertung liegenden Zeit, dem Markt die Möglichkeit zu geben, bis zum nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV relevanten Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes eine Leistung zu präsentieren, die eine vernünftige Alternative bieten könne. Dies hätten die Ag mit ihrer Markterkundung nicht ermöglicht und damit der ASt keine Chance gegeben, bis zur Bekanntmachung der Direktvergabe auf sie mit einer Alternativlösung zugehen zu können. Die Ag hätten dies vielmehr umgangen. Sie hätten auf die bislang zu vorangegangenen Vergabeverfahren bzw. Beschaffungsvorhaben vorgebrachten Rügen der ASt immer suggeriert, ein wettbewerbskonformes Vergabeverfahren durchzuführen und hätten dann doch nur eine erneute Direktvergabe an die Bg beabsichtigt.

Die ASt beantragt,

1.den Ag zu untersagen, dem Zuschlag im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb an die Bg zu erteilen;

2.die Ag bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten, ein EUweites Vergabeverfahren einzuleiten;

3.der ASt Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

4.den Ag die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt aufzuerlegen;

5.die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die ASt gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

b) Die Ag beantragen,

1.den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2.der ASt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.

Die Ag halten den Nachprüfungsantrag für unzulässig, weil die ASt nicht antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB sei, jedenfalls aber für unbegründet.

Die Ag sind der Ansicht, die ASt sei bereits nicht antragsbefugt, weil sie offensichtlich nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt sei. Die Ag meinen, die ASt könne das geforderte Kriterium einer teledermatologischen Versorgung durch kassenärztlich zugelassene niedergelassene Dermatologen nicht erfüllen. Das folge daraus, dass die ASt ein anderes Geschäftsmodell als die Bg verfolge und mit einem Team von nur 22 fest angestellten Ärzten arbeite, dem die Patienten, die sich über die App meldeten, zugewiesen würden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass von diesen fest angestellten Ärzten 20 Ärzte eine Kassenzulassung hätten. Die Ag hätten bei einer Suche auf den Internet-Seiten der KV-Bund die Nachnamen der Ärzte für eine bundesweite Suche angegeben, die auf der Website der ASt im Ärzte-Team aufgeführt würden und festgestellt, dass nur zwei Ärztinnen mit eigener Praxis niedergelassen seien; die übrigen seien in diesem Zusammenhang dort nicht auffindbar gewesen. Auch sei nach den Ausführungen der Bg im Nachprüfungsverfahren das Netzwerk der ASt an Kooperationspraxen nicht nachvollziehbar. Die ASt habe nach den näheren Darlegungen der Bg keine Kooperationspraxen in großen Städten oder auch in der Nähe großer Städte. Vor diesem Hintergrund sei die ASt nicht in der Lage, die nachgefragte Leistung erbringen zu können.

Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV sei rechtmäßig erfolgt. Im Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten habe die geforderte Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden können, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden gewesen sei. Es habe keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gegeben, ohne dass der Wettbewerb bzw. die Auftragsvergabeparameter unter Verstoß gegen § 14 Abs. 6 VgV künstlich eingeschränkt worden seien. Die Ag hätten folgende Kriterien festgelegt:

– Medizinprodukt nach Klasse IIa oder höher oder im Zertifizierungsprozess, sofern bereits ein Medizinprodukt der Klasse I vorhanden ist, jeweils zu Vertragsbeginn: Die Klassifizierung IIa oder höher sei notwendig, um hohe Standards für die Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten, hier hinsichtlich der anzuwendenden Applikation, zu gewährleisten und allgemeine Sicherheitsbedenken auszuräumen. Durch das zugrunde liegende Konformitätsbewertungsverfahren werde sichergestellt, dass die technischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen erfüllt würden. Medizinprodukte der Klasse IIa seien solche, die Informationen für diagnostische oder therapeutische Entscheidungen lieferten oder physiologische Prozesse kontrollierten.

– Plattformfunktion für Vertragsärzte für akute Hauterkrankungen: Diese Anforderung sei ein zwingendes Kriterium für die Leistungserbringen. Die Stärkung des Systems der niedergelassenen Vertragsärzte sei ein wesentlicher Baustein des gesetzlich verankerten Sachleistungsprinzips. Die Plattform solle durch die teilnehmenden niedergelassenen Hautärzte alle Diagnosen stellen können. Eine Einschränkung auf bestimmte Indikationen dürfe nicht erfolgen, damit die teledermatologischen Leistungen vergleichbar mit einem Vor-Ort-Besuch bei einem Dermatologen seien. Das Angebot solle in Bild-Text-Verfahren verfügbar sein, um die asynchrone Befundung von akuten Hautproblemen zu ermöglichen.

– Freie Arztauswahl und verfügbare Dermatologen in jedem Bundesland: Der Grundsatz der freien Arztauswahl sei in § 76 SGB V geregelt. Es sei den Ag wichtig, diesem Grundsatz umfänglich Rechnung zu tragen. Das Kriterium trage ferner den Vorgaben der ärztlichen Berufsordnungen Rechnung, wonach es Ärzten nicht gestattet sei, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen.

– Nahtlose und bruchfreie Versorgung: Dieses Kriterium gewährleiste, dass ein Patient von der teledermatologischen Untersuchung in die persönliche Behandlung bei demselben Arzt übergehen könne. Es solle verhindert werden, dass eine Zweitmeinung durch einen anderen Arzt eingeholt werde. Eine solche sei nach § 27b SGB V nur unter engen Voraussetzungen möglich. Das Kriterium der nahtlosen und bruchfreien Versorgung verhindere Informationsverluste und stärke das Patientenvertrauen, verhindere zudem Doppeluntersuchungen. Ferner könnten die teilnehmenden Vertragsärzte in der Online-Sprechstunde Kassenrezepte ausstellen, was den Aufwand für die Patienten verringere. So sei die medizinische Grundversorgung sichergestellt.

– Mehr als 300 frei auswählbare kassenärztlich zugelassene Dermatologen in Deutschland, die für den digitalen Haut-Check und eine mögliche Weiterbehandlung verfügbar sind: Die Ag benötigten zur Sicherstellung ihres gesetzlichen Auftrags eine regional flächendeckende Versorgung von mindestens 300 niedergelassenen Dermatologen in Deutschland bzw. mehr als 30 pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkasse, wobei die Entfernung zum vor Ort ausgewählten Hautarzt nicht mehr als 90-120 min betragen soll (regionale Präsenz): Die Zahl sei bedingt durch eine für den Versicherten zumutbaren Entfernung bis zum nächsten Dermatologen. Hierbei solle auch eine Versorgung außerhalb der jeweiligen Einzugsgebiete der Ag möglich sein. Die Anzahl der niedergelassenen Hautärzte pro Einzugsgebiet in den jeweiligen Bundesländern orientiere sich an der Versichertenzahl.

Die Ag hätten zwischen August 2024 und Mitte November 2024 ausführliche Internetrecherchen zum Zweck der Markterkundung durchgeführt und festgestellt, dass die Markteilnehmer bis auf die Bg die aufgestellten Anforderungen nicht erfüllten. Es seien zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle gefunden worden, von denen nur das der Bg die Anforderungen erfülle:

– Das Modell der Bg gliedere sich in die vorhandene öffentlich-rechtlich organisierte Struktur der Vertragsärzte ein. Dies folge daraus, dass sich bereits über 300 niedergelassene Hautärzte deutschlandweit bei der Plattform der Bg angemeldet hätten und ihren Patienten den Online-Zugang zu reinem Hautcheck eröffneten. Diese Anzahl sei den Ag wichtig, damit die Versicherten auswählen könnten und so dem Sachleistungsprinzip des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V Rechnung getragen werden könne. Die ASt verfüge dagegen nur über 22 angestellte Fachärzte.

– Das Geschäftsmodell der Bg sehe ferner vor, dass die zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Ärzte ggf. ein Kassenrezept ausstellen könnten. Das Geschäftsmodell der ASt sehe das grundsätzlich nicht vor.

– Das Modell der Bg gewährleiste den Grundsatz der freien Arztwahl, da sich der Patient bei der Bg vor der Behandlung aus einer umfangreichen Liste einen Arzt für die Behandlung selbst aussuchen könne. Bei der ASt werde dem Patienten ein Arzt für die Behandlung zugewiesen, wodurch das Ziel der Ag, dem Grundsatz der freien Arztwahl größtmöglich Rechnung zu tragen, nicht erreicht werde.

– Die Bg biete den Patienten schließlich durch ihr großes Netzwerk die Möglichkeit, dass die daran beteiligten niedergelassenen Ärzte zunächst eine Online-Sprechstunde durchführen könnten und bei Bedarf die weitere Behandlung in deren Praxis stattfinden könne. Die ASt könne nach der Online-Befundung lediglich auf mit ihr kooperierende Ärzte verweisen, ohne dass nachvollziehbar sei, wie dieses Netzwerk funktioniere. Dadurch könne die ASt der Anforderung an eine nahtlose, bruchfreie Versorgung nicht gerecht werden. Soweit sich aus den von der ASt im Internet zur Verfügung gestellten Informationen ergebe, dass sie Online-Patienten für eine Vor-Ort-Konsultation Praxen aus ihrem Kooperationsnetzwerk empfehle und dort aufgrund eines ausgestellten Arztbriefes durch die ASt kein Erstgespräch mehr erforderlich sei, sei dies im Hinblick auf § 10 der Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte bedenklich. Dies gelte auch im Hinblick auf § 31 der Musterberufsordnung. Den Ag ginge es nicht um die Möglichkeit der Patienten, eine Zweitmeinung einzuholen. Dies sei im Hinblick auf § 27b SGB V nur erforderlich, wenn beim Versicherten eine Indikation zu einem planbaren Eingriff gestellt worden sei, bei dem die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen sei. Die Anforderung einer nahtlosen, bruchfreien Versorgung sei von den Ag vorgegeben worden, um zu gewährleisten, dass der die Online-Diagnose stellende Arzt den Patienten ggf. sofort in seine Praxis einbestellen könne und dann die medizinische Lage bereits kenne. Diese Versorgung müsse elementarer Bestandteil der Leistungserbringung sein, weil sich die Ag davon eine Verhinderung von Informationsverlusten, eine Stärkung des Patientenvertrauens und eine Verringerung von Doppeluntersuchungen verspreche. Dies trage zur Senkung von Kosten der gesetzlichen Krankenkassen bei und trage so dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und damit der Versorgungssicherheit Rechnung.

c) Die mit Beschluss vom 6. Dezember 2024 förmlich zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogene Bg beantragt,

1.Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2.Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens.

3.Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Bg wird für notwendig erklärt.

Die Bg hält den Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis der ASt für unzulässig, weil die ASt keine Chance auf den Zuschlag in einem Vergabewettbewerb haben könne. Das folge daraus, dass die ASt keine bruchfreie Weiterbehandlung nach einer teledermatologischen Behandlung anbieten könne. Die ASt besitze zudem nicht die erforderliche Zertifizierung ihrer App und werde dem Kriterium der regionalen Präsenz nicht gerecht.

In der Sache seien die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV und das Alleinstellungsmerkmal der Bg gegeben. Die Ag hätten ihr Leistungsbestimmungsrecht fehlerfrei ausgeübt und mit den gesetzten Anforderungen keine künstliche Einschränkung der Auftragsvergabeparameter vorgenommen. Alle Kriterien seien sachgemäß, denn sie folgten dem sozialversicherungsrechtlichen Leitbild, dem die Ag verpflichtet seien. Es gehe bei den Erwägungen der Ag wie der Vermeidung von Doppelabrechnungen und einer möglichst kurzen Genesungszeit mit Blick auf das Patientenwohl um überragend wichtige Ziele des Gesundheitssystems, die im Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkassen und deren Beschaffungen unzweifelhaft berücksichtigt werden dürften.

Die Bg habe mit ihrem Geschäftsmodell zum relevanten Zeitpunkt ein Alleinstellungsmerkmal. Es komme darauf an, dass eine Ausschließlichkeitssituation vorliege, die sich – wie aus dem Erwägungsgrund Nr. 50 der RL 2014/24/EU folge – beispielsweise daraus ergeben könne, dass die Erbringung von Leistungen für einen anderen Wirtschaftsteilnehmer technisch nahezu unmöglich sei. Es reiche daher aus, wenn die für die Leistungserbringung geeignete Ausrüstung nur von einem einzigen Unternehmen vorgehalten werde, ohne dass es darauf ankomme, dass andere Unternehmen dies ggf. zu einem späteren Zeitpunkt nach der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten grundsätzlich auch könnten. Insofern komme es nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV, wofür die Bg auf die jüngste Entscheidung des […]abstellt, nicht auf eine sofortige Leistungsfähigkeit an, sondern einen gewissen Zeitraum, so bei einer Lieferleistung auf die kurzfristige Beschaffung von Material. Das Geschäftsmodell der Bg erfülle nach den zutreffenden Feststellungen der Ag aus der Markterkundung alle Anforderungen zu diesem relevanten Zeitpunkt.

Die ASt erfülle die Anforderungen der Ag dagegen nicht. Dies gelte zunächst für den Aspekt der freien Arztwahl nach § 76 SGB V. In der App der ASt erfolge die teledermatologische Erstdiagnose durch einen dem Patienten seitens der ASt zugewiesenen Facharzt, was die freie Arztwahl systematisch ausschließe.

Die Anforderung der bruchfreien Versorgung, die einer effizienten Behandlung diene und redundante Diagnosen und Kosten vermeiden solle, könne auf diese Weise ebenfalls nicht gewährleistet werden. Denn eine Weiterbehandlung vor Ort könne nur durch Vermittlung an eine Kooperationspraxis der ASt erfolgen, die nicht mit dem Team der ASt identisch sei. Die sich so ergebende Zweitmeinung sei nicht sinnvoll, sondern werde nach § 27b SGB V nur in bestimmten Fällen zugelassen.

Die regionale Verfügbarkeit könne die ASt ebenfalls nicht gewährleisten. Die Ag hätten für die Erreichbarkeit der Fachärzte vor Ort einen zumutbaren Zeitaufwand von 90-120 min vorgegeben. Es sei zweifelhaft, dass die ASt diese Anforderung mit ihrem Netzwerk erfüllen könne. Hierzu hat die Bg näher vorgetragen, indem sie Ergebnisse von durch sie durchgeführte Testanfragen präsentiert, aus denen sich ergeben soll, dass die ASt in verschiedenen Ballungsgebieten nicht über Fachärzte in ihrem Netzwerk verfügt. Die ASt regt an, dass die Vergabekammer Nachweise über das Bestehen eines bundesweiten Kooperationsnetzwerkes zwischen der ASt und Dermatologen von dieser vorlegen lassen solle.

Schließlich könne für die App der ASt die medizinproduktrechtlich erforderliche Zertifizierung nicht nachgewiesen werden, wozu die Bg näher unter Hinweis auf eine Entscheidung des […] vorträgt. Infolge dieser Entscheidung habe die ASt den Verwendungszweck ihrer App geändert. Diese sei danach nur ein Hilfsmittel für das Patientenmanagement und die Kommunikation. Diese Zweckänderung habe die ASt vorgenommen, nachdem das […]entschieden habe, dass die App der ASt als Medizinprodukt der Risikoklasse IIa nach der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) einzuordnen und daher entsprechend zu zertifizieren sei, mangels Zertifizierung aber einem Verkehrsverbot unterliege. Eine solche Zweckänderung der App dahin, dass sie lediglich dem Patientenmanagement diene, ziehe die Frage nach sich, ob die ASt damit dem von den Ag definierten Leistungsgegenstand entsprechen könne, nämlich eine Plattform für dermatologische Telekonsultationen bereitzustellen.

3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung und mit Zustimmung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die elektronische Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen. Die mündliche Verhandlung hat am 17. Januar 2025 stattgefunden.

Die Vergabekammer hat die reguläre fünfwöchige Entscheidungsfrist mit Verfügung der Vorsitzenden der Vergabekammer vom 18. Dezember 2024 nach § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 31. Januar 2025 verlängert.

Die Vergabekammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2025 darauf hingewiesen, dass die Ag zwar den Beschaffungsgegenstand aus Sicht der Kammer sachgemäß definiert hätten, die Vergabekammer allerdings den Nachprüfungsantrag im Ergebnis für begründet hält und eine Abhilfe durch die Ag angeregt. Die Ag haben mit Schreiben vom 22. Januar 2025 mitgeteilt, weiter an ihren Anträgen festzuhalten.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Der Nachprüfungsantrag ist statthaft.

aa) Zugrunde liegt ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag nach § 103 Abs. 1 und 4 GWB. Die Ag sind als gesetzliche Krankenkassen öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 2 GWB (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009, Rs. C-300/07).

Der gemäß § 106 Abs. 1 GWB maßgebliche Schwellenwert für öffentliche Dienstleistungsaufträge ist ausweislich des Vergabevermerks vom 20. November 2024 (Ziff. 3) überschritten.

bb) Die Vergabekammer des Bundes ist im Hinblick auf § 159 Abs. 1 Nr. 6 GWB zuständig.

b) Die ASt ist antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Das nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB erforderliche Interesse der ASt am ausgeschriebenen Auftrag hat die ASt durch ihre Rügen und den Nachprüfungsantrag sowie ihre Darlegungen im Nachprüfungsverfahren hinreichend nachgewiesen.

Das für die Antragsbefugnis erforderliche Interesse am Auftrag wird in der Regel durch die Angebotsabgabe dokumentiert. Soll der Zuschlag ohne vorherige Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens direkt an ein Unternehmen vergeben werden, hat grundsätzlich jedes Unternehmen ein Interesse an dem Auftrag, das sich am Vergabeverfahren hätte beteiligen können. Dazu reicht es in der Regel aus, wenn das Unternehmen zu der in Betracht kommenden Branche gehört und damit generell dafür eingerichtet ist, Aufträge dieser Art auszuführen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. September 2020, VII-Verg 16/20). Gleichwohl bedarf es eines objektiv feststellbaren wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers gerade an dem konkreten Auftrag (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2020, VII-Verg 39/19). Sinn und Zweck dieser Anforderung an die Antragsbefugnis ist es zu verhindern, dass ein Vergabenachprüfungsverfahren durchgeführt und die Beschaffung dementsprechend verzögert wird, wenn tatsächlich kein wirtschaftliches Interesse an dem konkreten Auftrag besteht und es damit ausschließlich um eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ohne eigenes Interesse an dem konkreten Auftragt geht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. August 2021, VII-Verg 52/20). Auch entfällt die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB, wenn ein Unternehmen nicht mehr bereit ist, den ausgeschriebenen Auftrag mit dem vom Auftraggeber vorgesehenen Inhalt abzuschließen, und das auch hinreichend zu erkennen gibt; die bekundete Bereitschaft, den Auftrag nur mit einem davon abweichenden Inhalt annehmen zu wollen, führt daher grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. September 2020, VII-Verg 15/20 sowie Beschluss vom 21. Juli 2010, VII-Verg 19/10).

Die ASt hat allerdings ihr Interesse an dem von den Ag konkret zu vergebenden Auftrag nach dem von ihnen definierten Beschaffungsgegenstand plausibel dargelegt, so dass keine ernstlichen Zweifel an ihrem wirtschaftlichen Interesse bestehen. Insofern ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB nur die Funktion eines groben Filters zukommt und an die im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und im Interesse des unionsrechtlich etablierten effektiven primären Vergaberechtsschutzes keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03).

Die ASt ist ein Fachunternehmen, das grundsätzlich auf dem von den Ag angesprochenen Markt der medizinischen Online-Diagnostik tätig und daher im Grundsatz in der Lage ist, die nachgefragten Leistungen ausführen zu können. Die Ag haben in ihrer Dokumentation der Markterkundung insbesondere festgestellt, dass die App der ASt sich im Zertifizierungsprozess für ein von ihr gefordertes Medizinprodukt der Klasse IIa nach der EU-Medizinprodukteverordnung befindet. Sie haben diese Anforderung in zutreffender Weise im Lichte der vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 Abs. 1, 2 GWB wettbewerbsoffen interpretiert und die App der ASt somit grundsätzlich als für die nachgefragten Plattformdienste in Betracht kommend eingeordnet.

Die ASt hat ferner in ihren schriftsätzlichen Stellungnahmen und auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt, ihr Geschäftsmodell auf eine etwaige Ausschreibung des streitgegenständlichen Beschaffungsbegehrens anpassen und entsprechend anbieten zu wollen und zu können, auch wenn es der ASt vorrangig um die Zulassung ihres, auf die Durchführung der medizinischen Online-Beratung durch ihre angestellten Ärzte gerichteten Modells geht. Dem steht nicht entgegen, das sie – wie von den Ag schriftsätzlich am 22. Januar 2025 vorgetragen – im April 2024 in einer Rüge gegen die Ausschreibung entsprechender Leistungen in einem offenen Verfahren gegenüber der Ag zu 4) erklärt hat, eine Orientierung der Ag an einem der bekannten unterschiedlichen Geschäftsmodelle schließe das jeweils andere Geschäftsmodell von der Vergabe aus, in der Kürze der Zeit einer Vergabe sei nämlich kein Aufbau anderer Strukturen möglich. Die Ag zu 4) hat seinerzeit zunächst eine von ihr bekannt gemachte Direktvergabe an das Unternehmen der Bg und sodann ihr offenes Verfahren auf die Rügen der ASt hin aufgehoben und ausweislich der von der ASt vorgelegten Rügeantwortschreibens vom 12. Februar 2024 und 26. April 2024 (vgl. Anlagen ASt 4 und ASt 5) mitgeteilt, die Anforderungen zu überarbeiten. Ein entsprechendes Vergabeverfahren wurde von der Ag zu 4) aber bislang nicht erneut bekannt gemacht. Vielmehr haben die Ag zu 1) bis 5) die streitgegenständliche Direktvergabe bekannt gemacht, deren Anforderungen wiederum im Wesentlichen denen der aufgehobenen Vergabeverfahren der Ag zu 4) entsprechen. Damit musste die ASt angesichts der gegenteiligen Aussagen der Ag zu 4) nicht zwingend rechnen, so dass ihr auch nicht vorgehalten werden kann, dass ihr ein Aufbau entsprechender Strukturen nicht möglich gewesen sei. Denn angesichts der vorausgegangenen gegenteiligen Aussagen der Ag zu 4) musste sie jedenfalls nicht davon ausgehen, dass die von ihr bis dato bemängelten Anforderungen erneut ohne wesentliche Änderungen ausgeschrieben werden würden – unabhängig davon, ob – worauf noch einzugehen sein wird – der Beschaffungsbedarf der Ag grundsätzlich fehlerfrei definiert worden ist. Denn mangels einer den Maßgaben des § 28 VgV entsprechenden Markterkundung, die lediglich aus einer rein Aginternen Internetrecherche bestand, konnte der Markt, zu dem die Ag ausweislich der dokumentierten Auswertung ihrer allein durchgeführten Internetrecherche auch die ASt zählen, sich gar nicht auf den spezifischen Beschaffungsbedarf der Ag einstellen.

Die ASt hat zwar auch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es ihr vorrangiges Interesse sei, eine möglichst modelloffene Ausschreibung durchzusetzen, um so grundsätzlich auch auf der Grundlage ihres Geschäftsmodells anbieten zu können, sie aber sehr wohl in der Lage und willens sei, Adaptionen vorzunehmen, wenn Krankenkassen wie die Ag dies so vorgäben. Damit hat sie jedenfalls bekundet, auch ein Angebot abgeben zu können, das den von den Ag vorgegebenen Inhalten entsprechen kann. Die mündliche Verhandlung hat hierzu ergeben, dass die Hürden für den konkret definierten Beschaffungsbedarf der Ag nicht derart hoch sind, dass Unternehmen, die andere Geschäftsmodelle als das der Bg verfolgen, unmöglich in der Lage sein können, bedarfsgerechte Angebote abgeben zu können, ggf. – worauf die ASt ausdrücklich hingewiesen hat – im Rahmen von Bietergemeinschaften oder unter Einbeziehung von geeigneten Subunternehmern. Die App der ASt befindet sich unstreitig im entsprechenden Zertifizierungsprozess; die erforderlichen vertraglichen Einbindungen niedergelassener und zugelassener Fachärzte stellt sich danach im Grundsatz nicht als unüberwindbare Hürde dar. Die ASt hat selbst darauf hingewiesen, dass es Praxisverbünde gebe, denen zahlreiche Hautärzte angeschlossen seien; könne man einen Praxisverband als Kooperationspartner gewinnen, so hätte man auf einen Schlag z.B. 100 Ärzte von den Agseitig vorausgesetzten 300 Ärzten gewonnen. Zwischen den Verfahrensbeteiligten war es auf Nachfrage der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung auch unstreitig, dass ein Hautarzt sich gegenüber mehreren Anbietern der für die nachgefragten Plattformdienste benötigten Apps binden kann, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass Marktteilnehmer die erforderliche Anzahl niedergelassener und zugelassener Hautärzte gewinnen können.

Ein wirtschaftliches Interesse der ASt am konkreten Auftragsgegenstand der Ag kann vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden, ebenso wenig wie ein potentieller Schaden, § 160 Abs. 2 . Die von den Ag durchgeführte Markterkundung, worauf noch in der Begründetheit einzugehen ist, hat überdies gerade keinen Beleg dafür liefern können, dass die Bg die nachgefragte Leistung exklusiv erbringen könnte. Den Ag war auf der Grundlage ihrer nur intern und entgegen

§ 28 Abs. 1 VgV ohne Marktkonsultation durchgeführten Internetrecherche zu dem für ihre Entscheidung nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV relevanten Zeitpunkt gar keine Prognose möglich, dass nur ein Unternehmen die nachgefragte Leistung liefern kann und Wettbewerb – auch unter Berücksichtigung von Bietergemeinschaften oder Subunternehmern – ausgeschlossen ist. Marktteilnehmern wie der ASt ist auf diese Weise vielmehr die Möglichkeit genommen worden, eine den Beschaffungsbedarf abdeckende Lösung bis zum von den Ag in ihren Anforderungen grundsätzlich avisierten Zeitpunkt des Vertragsbeginns entwickeln und anbieten zu können, obwohl dies im Hinblick auf die geringen Marktzutrittsschranken nicht ausgeschlossen erscheint.

Die von der ASt bemängelten Vergaberechtsverstöße stützt sie auf ohne Weiteres bieterschützende Vorschriften gemäß § 160 Abs. 2 S. 1 GWB, § 97 Abs. 6 GWB. Vor diesem Hintergrund droht ihr nach § 160 Abs. 2 S. 2 GWB ein entsprechender Schaden, da sie keine Chance auf einen Zuschlag in einem erforderlichen wettbewerblichen Vergabeverfahren hat.

c) Die ASt ist ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig nachgekommen.

d) Der Nachprüfungsantrag ist rechtzeitig innerhalb der Frist nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB bei der Vergabekammer des Bundes eingereicht worden.

2. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Zwar haben die Ag ihren Beschaffungsgegenstand sachgemäß definiert, sie haben auch die Auftragsvergabeparameter nicht entgegen § 14 Abs. 6 VgV künstlich eingeschränkt (a). Allerdings liegen die Voraussetzungen für die Wahl des Vergabeverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV nicht vor (b).

a) Der Beschaffungsgegenstand ist vergaberechtskonform festgelegt worden. Eine Wettbewerbseinengung durch künstliche Einschränkung der Auftragsvergabeparameter und damit ein Verstoß gegen § 14 Abs. 6 VgV ist nicht festzustellen.

aa) Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich in der Bestimmung ihres Beschaffungsgegenstandes frei; dieser muss gleichwohl willkür- bzw. diskriminierungsfrei festgelegt worden sein und sich aus sachlichen und auftragsbezogenen Gründen rechtfertigen lassen (std. Rspr., vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2016 – VII-Verg 1/16, Beschluss vom 17. August 2022 – VII-Verg 53/21, jeweils m.w.N.). Diesen Anforderungen wird der Beschaffungsgegenstand der Ag gerecht.

Die Modelle der ASt und das der Bg, für welches die Ag sich entschieden haben, unterscheiden sich grundlegend. Die ASt bietet mit ihrem Modell nicht nur eine Plattform an, welche durch niedergelassene Ärzte zur Online-Beratung genutzt wird, sondern sie bietet darüber hinaus auch die medizinische Beratung als Dienstleistung als solche an, nämlich durch ihre 22 angestellten Ärzte. Die Ag haben sich für das reine Plattformmodell, bei dem der Auftragnehmer eine App zur Verfügung stellt, die medizinische Beratungsleistung jedoch durch niedergelassene und kassenärztlich zugelassene Fachärzte durchgeführt wird, die auch die etwaige anschließende Vor-Ort-Weiterbehandlung durchführen, entschieden. Diese Entscheidung ist auftragsbezogen und gedeckt durch einen sachlichen Grund. Zu Recht weisen die Ag darauf hin, dass sie an vorhandene Strukturen – die niedergelassenen dermatologischen Praxen – anknüpfen wollen anstatt parallele Strukturen – in Gestalt von angestellten Ärzten eines Auftragnehmers – aufzubauen. Ein Grund hierfür ist die Gewährleistung einer nahtlosen und bruchfreien Versorgung ihrer Versicherten. Auf diese Weise sehen die Ag doppelte Behandlungsstrukturen, die zu entsprechenden Mehrkosten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung führen können, vermieden. Gleichzeitig halten die Ag auf diese Weise die ihren Versicherten grundsätzlich zustehende freie Arztwahl für bestmöglich sichergestellt. All dies sind fraglos sachliche Gründe, die sich aus den von den Ag zu beachtenden regulatorischen Rahmenbedingungen des Sozialversicherungsrechts ergeben. Es steht außer Frage, dass diese Erwägungen, die zur Festlegung des streitgegenständlich definierten Beschaffungsbedarfs auf Seiten der Ag geführt haben, auftragsbezogen sind. Die Ag haben in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben, dass es ihnen bei ihrer Beschaffung auch darum gegangen sei, ein Signal an die niedergelassene Fachärzteschaft zu geben, um zu verhindern, dass niedergelassene Hautärzte Praxen schließen und die von den Ag für wichtig erachtete Möglichkeit der Vor-Ort-Behandlungsmöglichkeit durch niedergelassene Hautärzte, nicht durch Parallelstrukturen zu gewährleisten. Dass es andere Krankenkassen geben mag, die – wie die ASt ausgeführt hat – ihren Beschaffungsbedarf anders definiert haben, was der ASt ermöglicht habe, auf der Grundlage ihres Geschäftsmodells ohne grundlegende Modifikationen – erfolgreich – anbieten zu können, steht dem nicht entgegen; unstreitig ist, dass auch die ASt eine kompetente Online-Beratung mit ihren angestellten Ärzten durchführen kann. Daraus folgt aber nicht, dass die Ag sich eine Leistung – die ärztliche Beratungsleistung – als Teil des Beschaffungsgegenstand aufdrängen lassen müssen, den sie gar nicht beschaffen wollen. Insoweit besteht kein offener Beschaffungsbedarf, denn die Erbringung der medizinischen Beratungsleistung ist über die niedergelassenen Hautärzte bereits gesichert. Das Gleichbehandlungsgebot erfasst nicht Umstände, die nicht auf die Ausschreibung zurückzuführen sind, sondern die aus der unterschiedlichen Marktstellung der teilnehmenden Unternehmen resultieren; es besteht keine Verpflichtung eines Auftraggebers, unabhängig von der konkreten Ausschreibung bestehende Wettbewerbsvorteile und -nachteile auszugleichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Juli 2022 – Verg 13/21).

bb) Auch die auf dieser Grundlage von den Ag vorgegebenen Anforderungen für die ausgeschriebene Plattform für dermatologische Telekonsultationen sind dementsprechend sachgemäß und stellen keine künstlichen Einschränkungen der Auftragsvergabeparameter i. S.d. § 14 Abs. 6 VgV bzw. eine unzulässige produktspezifische Ausschreibung i.S.d. § 31 Abs. 6 VgV dar. Diese Vorschriften sind eine Ausprägung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. Nichtdiskriminierungsgebotes nach § 97 Abs. 2 GWB, dessen Maßgaben die Ag insofern eingehalten hat.

Die Vorgaben des Medizinprodukts nach Klasse IIa oder eines im Zertifizierungsprozess befindlichen Produkts nach Klasse I, der Plattformfunktion, der freien Arztauswahl und verfügbaren Dermatologen in jedem Bundesland sowie der nahtlosen, bruchfreien Versorgung und der frei auswählbaren kassenärztlich zugelassenen niedergelassenen Dermatologen in Deutschland und pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkassen als Konkretisierung der regionalen Präsenz folgen unmittelbar aus dem sachgemäß definierten Beschaffungsgegenstand. Auch zu den für die letzten beiden Kriterien vorgegebenen Mindestanzahlen von 300 frei auswählbaren kassenärztlich zugelassenen niedergelassenen Dermatologen bzw. 30 pro Einzugsgebiet der jeweiligen Krankenkasse sind auftragsbezogen und sachgemäß. Die Ag verfolgen damit das Ziel der bestmöglichen Gewährleistung der freien Arztauswahl und einer nahtlosen, bruchfreien Versorgung, so dass daran nichts Unsachgemäßes festzustellen ist.

Daran ändert auch nichts, dass die ASt meint, die Ag hätten sich mit dieser Zahl am Netzwerk der Bg orientiert. Die Ag haben zu den von ihnen vorgegebenen Anforderungen an den Umfang der auswählbaren niedergelassenen Kassenärzte lediglich darauf hingewiesen, dass sich das Modell der Bg in die die vorhandene öffentlich-rechtlich organisierte Struktur der Vertragsärzte eingliedere, was daraus folge, dass sich bereits über 300 niedergelassene Hautärzte deutschlandweit bei der Plattform der Bg angemeldet hätten und ihren Patienten den Online-Zugang zu reinem Hautcheck eröffneten. Damit nehmen die Ag Bezug auf das Modell der Bg, ohne dass daraus aber hervorgeht, dass die Ag sich damit spezifisch an den Zahlen der Bg orientiert hätte. Die Ag knüpfen damit vielmehr an ihren sachgemäßen Beschaffungsgegenstand an. In diesem Zusammenhang ist nachvollziehbar, dass eine hinreichende Anzahl an Ärzten erforderlich ist, um in diesem Rahmen eine entsprechende Versorgung zu gewährleisten. Insofern muss das Ziel der Ag berücksichtigt werden, dies durch eine hinreichende niedergelassene fachärztlich Kassenärzteschaft zu gewährleisten. Die Ag haben insofern zudem ausgeführt, dass die von ihr vorgegebenen zahlenmäßigen Anforderungen bedingt seien durch eine für den Versicherten zumutbaren Entfernung bis zum nächsten Dermatologen. Vor diesem Hintergrund sind die von den Ag festgelegten zahlenmäßigen Anforderungen nicht zu beanstanden.

Schließlich hat auch die ASt hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es grundsätzlich möglich ist und auch ihr selbst möglich wäre, diese Zahlenvorgaben abdecken zu können, ggf. durch Kooperation mit anderen Marktteilnehmern, die über entsprechende angeschlossene Fachärzte, insbesondere Praxisverbünde mit einer Vielzahl angeschlossener Ärzte, verfügen.

b) Es ist allerdings nicht festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV erfüllt sind, so dass das von den Ag gewählte Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, mithin der Weg der Direktvergabe an die Bg, fehlerhaft ist.

Nach § 119 Abs. 2 GWB steht öffentlichen Auftraggebern das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren, das stets einen Teilnahmewettbewerb erfordert, nach ihrer Wahl zur Verfügung. Die anderen Verfahrensarten stehen nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund des 4. Teils des GWB gestattet ist. Die Wahl eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ist vor diesem Hintergrund in § 14 Abs. 4 VgV als Ausnahmetatbestand ausgestaltet, was bedingt, dass die dortigen Tatbestände stets im Lichte der vergaberechtlichen Grundsätze nach § 97 Abs. 1, 2 GWB strikt zu handhaben sind. § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV verlangt vor diesem Hintergrund, dass der öffentliche Auftraggeber, der sich darauf berufen will, anhand einer hinreichend dokumentierten Markterkundung nachweisen muss, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe der Auftrag objektiv nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2017, VII-Verg 13/17).

Dass für den von den Ag beabsichtigten Auftrag gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV objektiv und alternativlos nur das Unternehmen der Bg in der Lage ist, die Leistungen zu erbringen, und ein Wettbewerb um die nachgefragten Leistungen objektiv ausgeschlossen ist, kann danach nicht festgestellt werden.

Für Auftragsinteressenten, die – wie die ASt – generell auf dem Markt der medizinischen Onlinediagnostik tätig sind, hat die mündliche Verhandlung ergeben dass es grundsätzlich möglich ist, eine von den Ag nachgefragte Onlineplattform zu etablieren, so dass ein potentieller Wettbewerb möglich ist und keine allzu hohen Marktzutrittsschranken bestehen. Die ASt hat bestätigt, dass die rein technischen Voraussetzungen einfach zu etablieren sind. Eine Anzahl von bundesweit mindestens 300 teilnehmenden Hautärzten ist, ebenfalls laut ASt in der mündlichen Verhandlung, ebenso wenig eine große Hürde; es sei erneut auf Verbünde von Hautarztpraxen verwiesen, die es ermöglichten, etwa 100 Ärzte “auf einen Schlag” zu gewinnen, wenn sich der Verbund anschließe. Für die Ärzte besteht auch keinerlei Hindernis, sich mehreren Online-Anbietern anzuschließen, also keine Exklusivitätsverpflichtung; im Gegenteil hat die Kooperation mit mehreren Anbietern den Vorteil, dass die Versicherten verschiedener Krankenkassen mit Online-Angeboten durch denselben Arzt bedient werden können, je nach dem, mit welchem Anbieter die Kasse einen Vertrag hat. Wenn die Ag als Ergebnis ihrer Internetrecherchen festgestellt haben, dass derzeit nur die Bg das gewünschte Modell anbietet, so greift dieses Abstellen allein auf die aktuelle Marktlage zu kurz. Die Ag hätten die Überlegung, dass Marktteilnehmer relativ schnell auf das nachgefragte Modell hätten einschwenken können, mit einbeziehen müssen. Bei dieser Sachlage kann eben gerade nicht nur ein bestimmtes Unternehmen den Auftrag erbringen, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist.

Es kommt hinzu, dass die von den Ag durchgeführte Markterkundung keinen Beleg dafür liefern kann, dass nur die Bg die nachgefragte Leistung alternativlos erbringen kann. Die nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV erforderliche Prognose, dass zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur ein Unternehmen die nachgefragte Leistung liefern könne, ist den Ag auf der Grundlage ihrer nur intern und entgegen den ausdrücklichen Vorgaben des § 28 Abs. 1 VgV ohne Marktkonsultation durchgeführten Internetrecherche nicht möglich. § 28 Abs. 1 VgV schreibt explizit vor, dass eine vor Einleitung eines Vergabeverfahrens durchzuführende Markterkundung nicht nur der Vorbereitung der Auftragsvergabe auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers dient, sondern auch “zur Unterrichtung der Unternehmen über seine Auftragsvergabepläne und -anforderungen” zu erfolgen hat. Dies soll dem Markt ermöglichen, sich auf einen kommenden, ggf. spezifischen Bedarf einzustellen und sich ggf. auf ein entsprechendes Beschaffungsvorhaben vorbereiten zu können (vgl. jüngst OLG Hamburg, Beschluss vom 6. April 2024, 1 Verg 1/23 zu § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV). Dem sind die Ag nicht gerecht geworden.

Abzustellen ist nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV auf den Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe des Angebotes. Im Lichte der vergaberechtlichen Grundsätze ist diese Maßgabe so auszuglegen, dass der öffentliche Auftraggeber, der sich auf diesen Ausnahmetatbestand berufen will, zu diesem Zeitpunkt eine Prognose anzustellen hat, um abzuschätzen, ob die Leistung in absehbarer Zeit, grundsätzlich bis zum Vertragsbeginn bzw. dem Zeitpunkt der Leistungserbringung, tatsächlich nur von einem Unternehmen erbracht werden kann und somit absehbar kein Wettbewerb zwischen mehreren Marktteilnehmern möglich sein wird (vgl. VK Bund, Beschluss vom 19. September 2022, VK 2-80/22). Dies ergibt sich im Lichte des Wettbewerbsgrundsatzes, § 97 Abs. 1 S. 1 GWB, wonach der auszuwählende Auftragnehmer die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel in der Regel und sofern der Auftrag es nicht ausnahmsweise anders erfordert erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung bzw. des Vertragsbeginns tatsächlich vorweisen, mithin über sie verfügen bzw. etwaig benötigtes Personal einstellen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2019 – VII-Verg 52/18 sowie Beschluss vom 26. Juli 2018 – VII-Verg- 28/18, je zur Frage der unternehmerischen Eignung). Dieser Grundsatz ist auch hier zu beachten. Die Ag haben dies im Grunde auch erkannt, weil sie ausweislich ihrer in der Vergabeakte dokumentierten Markterkundung vom 18. November 2024 ihre Kernforderung nach einem Medizinprodukt der Klasse IIa oder höher gemäß EU-MedizinprodukteVO daran geknüpft haben, dass diese Eigenschaft erst zu Vertragsbeginn vorliegen muss. Diesen wettbewerbsoffenen Ansatz haben die Ag allerdings weder auf die übrigen von ihnen aufgestellten Anforderungen erstreckt noch haben sie diesen Ansatz bei Durchführung der Marktkonsultation berücksichtigt. Es fehlen ihnen damit hinreichende Faktenkenntnisse, um die Marktsituation im Hinblick auf ihren – für sich genommen sachgemäß definierten – Beschaffungsbedarf sachgerecht und zuverlässig einschätzen zu können. Die Internetrecherche vermittelt zudem per se keine Erkenntnisse, ob und wie die am Markt tätigen Unternehmen ihr im Internet allgemein offeriertes Portfolio auf einen spezifischen Bedarf hin adaptieren können. Auch etwaig am Markt vorhandenes Innovationspotential kann so gar nicht identifiziert werden.

Die Entscheidung der Ag, eine Direktvergabe an die Bg durchzuführen, kann vor diesem Hintergrund keinen Bestand haben.

c) Die Entscheidung der Ag, eine Direktvergabe zugunsten der Bg durchführen zu wollen, verletzt die ASt vor diesem Hintergrund in ihren bieterschützenden Rechten, so dass die auf dieser Grundlage beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Bg zu untersagen ist, § 168 Abs. 1 GWB. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht werden die Ag daher ein unionsweites wettbewerbliches Vergabeverfahren unter Beachtung der festgestellten Rechtsauffassung der Vergabekammer bekannt zu machen haben. Dabei ist festzuhalten, dass die Ag nach den obigen Feststellungen an ihrem vergaberechtsgemäß definierten Beschaffungsbedarf festhalten können, allerdings auch nicht daran gehindert sind, ihren Bedarf oder ihre Anforderungen sach- und auftragsgemäß zu modifizieren.

III.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 182 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 und 2, Abs. 4 S. 1, 2 GWB und folgt dem tenorierten Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens.

1. Die ASt ist mit ihrem Nachprüfungsantrag nur teilweise durchgedrungen. Dies folgt aus einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise des mit dem Nachprüfungsantrag verfolgten Begehrens der ASt, die nicht allein an den formulierten Anträgen zu orientieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07. Dezember 2023, VII-Verg 51/22 sowie Beschluss vom 11. April 2022, VII-Verg 5/22).

a) Das Interesse der ASt war nicht nur darauf gerichtet, wie beantragt den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu verhindern. Mit ihrem Nachprüfungsantrag hat sie wirtschaftlich in erster Linie das Ziel verfolgt, den von den Ag definierten Beschaffungsgegenstand zu verwerfen, damit sie in einem aufzusetzenden wettbewerblichen Vergabeverfahren ein Angebot auf der Grundlage ihres aktuellen Geschäftsmodells abgeben kann, ohne für ein Angebot Modifikationen vornehmen zu müssen. Wäre die ASt mit diesem Vorbringen erfolgreich gewesen, hätte sie sich grundsätzlich auf ein neues Vergabeverfahren einstellen können, in dem sie ein Angebot auf der Grundlage ihres unveränderten Geschäftsmodells hätte abgeben können. Dass die ASt die Direktvergabe mangels vergaberechtsgemäßer Marktkonsultation für fehlerhaft gehalten hat und vorgebracht hat, jedenfalls auch den konkret geäußerten und sachgemäß definierten Bedarf der Ag bedienen zu können und wollen, wenn diese daran festhalten, stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als hilfsweises Begehren dar, mit dem die ASt hier durchgedrungen ist. Denn die ASt wird sich in einem entsprechenden Vergabeverfahren wirtschaftlich anders zu positionieren haben, um am Wettbewerb teilnehmen zu können, als es ihr bei einem Angebot auf Grundlage ihres unveränderten Geschäftsmodells möglich gewesen wäre. Insofern hat die ASt hat ihr Rechtsschutzziel mithin nur zum Teil erreicht. Bestätigt wird diese Beurteilung durch die Einlassung der ASt in der mündlichen Verhandlung auf die Frage der Vergabekammer, warum sie nicht das von den Ag gewünschte Modell umgesetzt und angeboten hat. Dies ist laut ASt nicht geschehen, da sie vorrangig ihr vorhandenes Modell durchsetzen und unverändert dieses Modell anbieten wollte.

b) Spiegelbildlich obsiegen Ag und Bg infolge des teilweisen Unterliegens der ASt ebenfalls teilweise und sind somit nur hinsichtlich des erfolgreichen Teils des Nachprüfungsantrags unterlegen und daher an den Kosten des Nachprüfungsverfahrens nur entsprechend den zu berücksichtigenden Grundsätzen des § 182 Abs. 3 S. 1, 2 GWB gesamtschuldnerisch zu beteiligen.

c) Die Bg ist in diesem Umfang mit der Ag als unterliegend zu betrachten, denn sie hat sich aktiv durch Einreichung von Schriftsätzen am Nachprüfungsverfahren beteiligt und dementsprechend Anträge gestellt. Die Notwendigkeit einer Beteiligung der Bg an den Kosten ergibt sich mithin daraus, dass die Bg umfangreich in der Sache vorgetragen und damit das Verfahren wesentlich durch Sach- und Rechtsvortrag gefördert hat (zur Beteiligung des beigeladenen Unternehmens an der Kostenlast auf der Seite der unterliegenden Auftraggeber bei solcher Förderung des Nachprüfungsverfahrens und Übernahme eines entsprechenden Kostenrisikos vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. August 2024, VII-Verg 13/24; BayObLG, Beschluss vom 26. März 2024, Verg 12/23).

Das Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens entspricht dem tenorierten Umfang. Ag und Bg auf der einen und die ASt auf der anderen Seite unterliegen bzw. obsiegen somit jeweils zur Hälfte.

2. Zu entscheiden ist auch über den Aufwendungsersatz, § 182 Abs. 4 S. 1 und 2 GWB. Hiernach werden die Aufwendungen von ASt, Ag und Bg im Hinblick auf das je hälftige Obsiegen bzw. Unterliegen jeweils gegeneinander aufgehoben. Einer Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat – einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

OLG Rostock zu der Frage der Anforderungen an die Begründung einer Gesamtvergabe von Planung und Bauleistung

OLG Rostock zu der Frage der Anforderungen an die Begründung einer Gesamtvergabe von Planung und Bauleistung

1. Allein die Erklärung eines Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren, er werde im Falle eines Unterliegens sein Beschaffungsvorhaben aufgeben, lässt die Antragsbefugnis nicht entfallen, solange nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen feststeht, dass eine Beschaffung ausgeschlossen ist.*) 
2. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Gesamtvergabe von Planung und Bauleistung (Festhaltung Senat, Beschluss vom 18.07.2024 – 17 Verg 1/24, IBR 2024, 532).*)
3. Zur Abgrenzung zwischen Leistungsbestimmungsrecht und Entscheidung über die Losvergabe.*)
OLG Rostock, Beschluss vom 10.01.2025 – 17 Verg 4/24
vorhergehend:
VK Mecklenburg-Vorpommern, 20.09.2024 – 2 VK 2/24

Gründe:

I.

Mit Bekanntmachung im EU-Amtsblatt vom 29.05.2024 – OJ S 103/2024 29/05/2024 – schrieb der Antragsgegner Totalunternehmerleistungen für die Planung und den Bau von Feuerwehrhäusern für Freiwillige Feuerwehren im Land Mecklenburg-Vorpommern als Rahmenvertrag im wettbewerblichen Dialog aus, nachdem zunächst eine Landesarbeitsgruppe einen Musterraumplan definiert hatte. Dabei wurde der Antragsgegner von seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten beraten.

Die Bekanntmachung enthält unter Ziffer “5.1. Los: LOT-0001”:

Titel: Totalunternehmerleistungen für die Planung und den Bau von Feuerwehrhäusern für Freiwillige Feuerwehren im Land Mecklenburg-Vorpommern

Beschreibung: Das Land Mecklenburg-Vorpommern möchte die Städte und Gemeinden des Landes beim Bau von Feuerwehrhäusern für Freiwillige Feuerwehren unterstützen. Der Auftragnehmer soll zwei Varianten von Feuerwehrhäusern planen – Langhaus und Kompakthaus – und diese dann auch selbst errichten (ggfs. mit Nachunternehmern). Hinsichtlich der Bauart wird diese Leistungsbeschreibung systemoffen gehalten. Die Feuerwehrhäuser sollen nach DIN 14092-1 für 2 Stellplätze der Stellplatzgröße 2 und für 25 Kameraden und 10 Kameradinnen errichtet werden. Das Gebäude sollte so auf dem zugewiesenen Grundstück geplant werden, dass Erweiterungsmöglichkeiten bestehen. Die beteiligten Bieter haben die Möglichkeit in einem wettbewerblichen Dialog, eigene Entwürfe vorzustellen. Den Zuschlag erhält der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Vorschlag. Es ist beabsichtigt, dass das Land das Vergabeverfahren durchführt und die Städte und Gemeinden nach Zuschlagserteilung selbstständig entscheiden können, ob sie die Leistungen des bezuschlagten Bieters entsprechend den im Vergabeverfahren festgelegten Bedingungen in Anspruch nehmen. Das Baugrundstück wird von der abrufenden Gemeinde zugewiesen.

Die vom Berater erstellte Dokumentation gem. § 8 VgV enthält als Begründung für das Absehen von einer Losaufteilung:

Begründung Totalunternehmer siehe Gutachten vom 23.11.2023

Dieses vor Einleitung des Vergabeverfahren eingeholte Rechtsgutachten der nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten behandelt die Frage der Zulässigkeit einer Rahmenvereinbarung und deren Laufzeit und führt zur Zulässigkeit der Gesamtvergabe an einen Totalunternehmer insbesondere aus:

Das Land verfolgt keinen konkreten Weg zur Lösung der Beschaffungsaufgabe, es steht lediglich das Ergebnis fest. Es soll daher im Rahmen eines wettbewerblichen Dialogs eine wirtschaftliche Lösung ermittelt werden. Diese Systemoffenheit bedingt jedoch eine Gesamtvergabe. Es ist nicht möglich bei einer losweisen Vergabe bzw. getrennten Vergabe von Planung und Bauausführung eine sinnvolle und wirtschaftliche Lösung zu ermitteln. Will man auch Fertighauslösungen zulassen, die das Land auch in Betracht zieht, kann ein Architekt, der nicht in die Arbeitsprozesse des Anbieters der Fertighausteile eingebunden ist, keine Aussagen zu den Herstellungsprozessen und den Herstellungskosten der Bauteile treffen. Insbesondere kann er keine Aussagen zu möglichen Skalierungseffekten treffen, die durch die Herstellung mehrerer gleichartiger Feuerwehrhäuser entstehen und ab welcher Anzahl diese eintreten würden. Würde man Planung und Bau also getrennt ausschreiben, bestünde die Gefahr, dass im Rahmen des wettbewerblichen Dialogs seitens des Planers keine Aussagen zur tatsächlichen Realisierbarkeit und zu den voraussichtlichen Kosten getroffen werden könnten. Es wäre somit nicht möglich, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich ein Markt für Nichtwohngebäude in Fertigbauweise erst entwickelt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein durchschnittlicher Architekt bzw. Ingenieur bereits so viel Erfahrung in dem Bereich gesammelt hat, dass er im Rahmen des Vergabeverfahrens eine belastbare Aussage treffen kann.

Würde man also auf eine getrennnte Ausschreibung von Planung und Baurealisierung bestehen, müsste man bei der Planervergabe in Kauf nehmen, dass keine realistischen Aussagen zu den Kosten getroffen werden können. Die andere Alternative wäre, dass man die Lösung der Aufgabe in Fertigbauweise von vornherein ausschließt und auf eine konventionelle Bauweise besteht, sodass der durchschnittliche Architekt oder Ingenieur aus seiner Erfahrung heraus belastbare Aussagen zur Umsetzbarkeit und zu den Kosten seines Planentwurfs treffen kann. Dies würde jedoch der durch das Land angestrebten Technologieoffenheit bei der Planung und Bauausführung widersprechen. Zudem soll eine Lösung gefunden werden, die im Sinne einer zeitnahen Errichtung der benötigten Feuerwehrgebäude schnell umsetzbar ist. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die auch mittels einer konventionellen Bauweise möglich ist, jedoch wir eine kürzere Bauzeit nur mit mindestens teilweiser Einbindung von Fertigbauteilen möglich sein.

… die Umsetzung in Fertigteilbauweise nur sinnvoll durch eine Einbindung des an der Bauausführung beteiligten Unternehmens im Rahmen des Vergabeverfahrens zur Vergabe der Planungsleistung erfolgen kann. Im vorliegenden Fall würde das Bestehen auf einer losweisen Vergabe bzw. einer Trennung von Planung und Bauausführung somit zu einer Vorfestlegung des Beschaffungsbedarfs des Auftraggebers führen und zu einer unwirtschaftlicheren Vergabe.

Nach Ausführungen zur Verfahrensart kommt es zu folgendem Ergebnis:

Eine Gesamtvergabe wäre voraussichtlich begründbar. Die Besonderheit, dass auch die Realisierung des Projektes in (teilweiser) Fertigbauweise nicht ausgeschlossen wird, also eine Systemoffenheit hinsichtlich der Realisierung besteht, bedingt die Beteiligung des bauausführenden Unternehmens in der Entwicklung der Planung. Ein Architekt, welcher nicht in die Prozesse der die Fertigbauteile herstellenden Unternehmens eingebunden ist, kann weder die konkreten Kosten und Möglichkeiten abschätzen, noch Synergieeffekte beurteilen. Eine getrennte Vergabe von Planung und Bau würde somit zu unwirtschaftlichen Angeboten führen. Das Vergabeverfahren kann als wettbewerblicher Dialog durchgeführt werden. Da hinsichtlich der Planung und Bauausführung der Feuerwehrhäuser keine konkreten Vorgaben bestehen und bewusst eine Systemoffenheit gelassen werden soll, also eine Leistung ausgeschrieben wird, die nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, erscheint die Durchführung eines wettbewerblichen Dialogs auch sinnvoll, um im Rahmen des Vergabeverfahrens wirtschaftliche Lösungen zu erarbeiten und die beste Lösung zu bezuschlagen.

Die Leistungsbeschreibung enthält u.a.:

Geplant ist die Errichtung von insgesamt 24 Gebäuden in zwei verschiedenen Ausführungen (Kompakt- bzw. Längsbauweise).

Auftraggeber für den Rahmenvertrag: Land MV

Auftraggeber für die Bauleistungen: Gemeinden …

II. …

2.0 erforderliche Planungsleistungen

Folgende Leistungen der Objektplanung gemäß HOAI 2021 Teil 3 sind Bestandteil der Leistungsbeschreibung:

– Abschnitt 1: Gebäude und Innenräume Folgende Leistungen der Objektplanung gemäß HOAI 2021 Teil 3 werden durch die Gemeinde separat beauftragt und sind nicht Bestandteil der Leistungsbeschreibung, müssen aber bei der Planung des Gebäudes auf dem Grundstück berücksichtigt werden und mit den Planern für die Freianlagen & Verkehrsanlagen abgestimmt werden:

– Abschnitt 2: Freianlagen

– Abschnitt 3: Ingenieurbauwerke

– Abschnitt 4: Verkehrsanlagen Folgende Leistungen der Fachplanung gemäß HOAI 2021 Teil 4 sind Bestandteil der Leistungsbeschreibung:

– Abschnitt 1: Tragwerksplanung

– Abschnitt 2: Technische Ausrüstung Weitere Leistungen als Bestandteil der Leistungsbeschreibungen:

– Nachweis nach GEG

– Brandschutznachweis

– Schallschutznachweis

– Lüftungskonzept Folgende Leistungen sind durch den Auftraggeber (AG) zu erbringen und dem Auftragnehmer (AN) zeitnah zur Verfügung zu stellen:

– Baugrundgutachten

– ggfs. Schadstoffgutachten

– Eingriffs- und Ausgleichbilanzierung

– Artenschutzgutachten

– Vermessungsarbeiten (Lage- und Höhenplan für die Genehmigungsplanung und Gebäudeabsteckung)

Der Antragsgegner garantiert aus dem Rahmenvertrag die Abnahme von 24 Feuerwehrhäusern, schätzt die tatsächliche Abnahmemenge auf 38 bei 6 bis 7 Gebäuden pro Jahr und legt die Höchstmenge auf 58 fest.

Die Bewerberunterlagen enthalten in Abschnitt A unter Ziffer 1.1 u.a.:

Aufgrund der Komplexität der Bauaufgabe werden eng miteinander verzahnte, interdisziplinäre Leistungsbilder nach der HOAI und Bauleistungen als Totalunternehmerleistungen abgefragt.

Diese umfassen im Wesentlichen folgende Planungsleistungen:

– Objektplanung Gebäude und Innenräume, §§ 33 ff. HOAI

– Tragwerksplanung, §§ 49 ff. HOAI

– Technische Ausrüstung, Anlagengruppen 1-5, 7-8, §§ 53 HOAI

– Nachweis nach GEG, Anlage 1.2 zur HOAI

– Schallschutznachweis, Anlage 1.2 zur HOAI

– Brandschutznachweis, Heft 17 der AHO-Schriftenreihe

– Lüftungskonzept sowie die gesamten Bauleistungen zur Errichtung des geplanten Gebäudes.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.06.2024, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ließ die Antragstellerin verschiedene Punkte rügen. Insbesondere verstoße die Totalunternehmervergabe gegen § 97 Abs. 4 GWB. Mit Antwort vom 27.06.2024 half der Antragsgegner der Rüge nicht ab.

Mit am 05.07.2024 bei der Vergabekammer eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin Nachprüfungsantrag gestellt. Sie biete als Unternehmen umfassende und integrierte Architektenleistungen an, insbesondere auch im Bereich des Feuerwehr- und Rettungswachenbaues. Eine Teilnahme am wettbewerblichen Dialog sei ihr indes nicht möglich, weil im Rahmen der Totalunternehmervergabe auch Bauleistungen und die in den Bewerberunterlagen aufgeführten Planungsleistungen angeboten werden müssten. Sie habe aber nur für die Planungsleistungen

– Objektplanung Gebäude und Innenräume, §§ 33 ff. HOAI

– Brandschutznachweis, Heft 17 der AHO-Schriftenreihe Interesse am Auftrag. Hierauf beziehe sich ihr Rechtsschutzinteresse. Aus der Ausschreibung sei zudem unklar, welche Städte und Gemeinden abrufberechtigt seien, was unter “weitere notwendige Planungsleistungen und soweit notwendig zu erstellende Gutachten” zu verstehen sei und ob die Beauftragung hierzu von den abrufenden Gemeinden erfolgen oder hierfür ein Vergabeverfahren stattfinden solle. Jedes Feuerwehrhaus werde an die örtlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen umfassend anzupassen sein. Die Ausschreibung von Totalunternehmerleistungen für Planung und Bau verstoße gegen § 97 Abs. 4 GWB. Eine besondere Komplexität der Leistung liege nicht vor.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. ein Nachprüfungsverfahren gemäß den §§ 107 ff. GWB (sic) einzuleiten,

2. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 4 und 6 GWB verletzt ist, und geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern, insbesondere, indem das Verfahren in den Stand vor Abgabe der Angebote zurückversetzt, die Ausschreibung in Lose aufgeteilt wird,

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der für die notwendige Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen aufzuerlegen,

4. festzustellen, dass die Beiziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erforderlich war.

Der Antragsgegner hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag abzulehnen,

2. die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären,

3. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten des Antragsgegners aufzuerlegen.

Er hat geltend gemacht, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil ein Beschaffungsbedarf des Antragsgegners nur bei Gesamtvergabe bestehe, nicht aber hinsichtlich einer Musterplanung. Zudem sei der Antrag unbegründet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erwiderung vom 12.07.2024 verwiesen.

Nach Gewährung von Akteneinsicht hat die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren beanstandet, es fehle an einer ordnungsgemäßen Dokumentation.

Mit Schriftsatz vom 06.09.2024 hat der Antragsgegner daraufhin ausgeführt, er habe sich das Gutachten vom 23.11.2023 zueigen gemacht und auf dieser Grundlage das Vergabeverfahren eingeleitet. Mit dem Schriftsatz beigefügter Anlage Ag1 vom 05.09.2024 werde die Dokumentation nachgeholt. Zugleich werde die Abwägung ergänzt. Es solle ein standardisiertes und seriell herstellbares Musterfeuerwehrhaus konzipiert und zu Festpreisen angeboten werden, das den Anforderungen entspreche. Hierdurch komme er seinen Aufgaben nach § 4 Nr. 2 BrSchG M-V nach. Gemeinden würden personell und materiell entlastet. Durch Skalierungseffekte würden Kostenersparnisse eintreten. Das Beschaffungsziel der seriellen Herstellung sei innovativ. Bei getrennter Vergabe werde die Lösung auf Vorgaben des Planers verengt. Durch die systemoffene Ausschreibung solle einer möglichst großen Bandbreite von Bauunternehmen, die Gebäude in Stein-, Holz-, Metall-, Modul- oder sonstiger Bauweise errichten, die Beteiligung an dem Wettbewerb gemeinsam mit Planern ermöglicht werden. Der Dialog müsse sowohl mit Planungsunternehmen als auch Bauunternehmen geführt werden, weil hier die Kenntnis der Produktionsprozesse, der Kalkulation und der Bauausführung erforderlich sei. Mit der Trennung von Planungs- und Bauleistungen sei das Beschaffungsziel nicht erreichbar.

Mit Beschluss vom 20.09.2024 hat die Vergabekammer dem Antragsgegner aufgegeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen und unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung neu bekannt zu machen, und zudem über die Kosten des Verfahrens entschieden. Zur Begründung hat sie insbesondere ausgeführt, der Antragsgegner habe bereits nicht dokumentiert, die im Gutachten des Beraters vom 23.11.2023 vorgeschlagene Entscheidung zur Gesamtvergabe – selbst – getroffen zu haben. Eine Nachholung im Nachprüfungsverfahren sei nicht möglich. Zudem sei bei der Gesamtvergabe der Beurteilungsspielraum überschritten. So habe der Auftraggeber neben der Innovation (serielles Musterfeuerwehrhaus) auch die Ziele der Verhältnismäßigkeit (z.B. Auftragsvolumen), der Umweltaspekte (z.B. Flächenschonung durch Anstatt Neubauten) und Mittelstandsschutz ermitteln und in die Abwägung einstellen müssen. Es fehle an einer Sachverhaltsermittlung, etwa hinsichtlich der Mehrkosten. Zu fordern sei eine fundierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einschließlich Risikobetrachtung.

Gegen den am 23.09.2024 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 02.10.2024 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er macht geltend, seine eigene Entscheidung sei durch das Gutachten und die E-Mail der Dezernentin vom 22.05.2024 (Anlage BF6) dokumentiert. Die mit Schriftsatz vom 05.09.2024 eingereichten Unterlagen stellten lediglich eine – vergaberechtlich zulässige – Nachholung und Ergänzung der Dokumentation dar. Zur Gesamtvergabe meint der Antragsgegner, hier sei in erster Linie das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers (das “Was”) betroffen. Es gehe um die Zusammenarbeit von Planer und Bauunternehmen in der – integralen – Planungsphase. Bei isolierter Vergabe würde der Wunsch nach Systemoffenheit lediglich auf die Kenntnisse und Fähigkeiten der Planer – die selbstverständlich auch Fertighauslösungen, Herstellungsprozesse und -kosten sowie Skalierungseffekte umfassten (II 11) – begrenzt und nicht das Fachwissen der bauausführenden Unternehmen einbezogen. Der Wettbewerb um die beste Idee für das neuartige Projekt würde somit verengt. Das Beschaffungsziel sei ein kostengünstiges und schnell zu errichtendes Feuerwehrhaus. Hierfür bedürfe es der Gesamtvergabe. Die Definition des Musterraumplans durch die Landesarbeitsgruppe sei aufgrund erheblichen Bedarfs erfolgt. Zur personellen und finanziellen Entlastung der Gemeinden sei eine möglichst serielle Herstellung der Feuerwehrhäuser angestrebt worden. Von der ursprünglich beabsichtigten getrennten Vergabe von Planungs- und Bauleistung sei nach Diskussion abgerückt worden, weil es bundesweit keine Erfahrungswerte aus bereits durchgeführten Projekten gegeben habe. Es sei klar geworden, dass bei getrennter Vergabe die Gestalt sowie die Art und Weise der Herstellung – etwa auch die Materialauswahl – eines Feuerwehrhauses maßgeblich durch den Planer vorgegeben würde und somit bei Ausschreibung der Bauleistung kein wesentlicher Spielraum mehr bestehe, neue und innovative Wege für einen seriellen und damit schnellen und möglichst kostengünstigen Bau der Feuerwehrhäuser zu entwickeln. Die Losaufteilung scheitere insoweit daran, dass es sich bei dem Musterfeuerwehrhaus um eine Innovation handele und man deshalb als Verfahrensart den wettbewerblichen Dialog gewählt habe. Fachlose seien im Übrigen nur zu bilden, wenn sich für die konkrete Leistung ein eigener Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen herausgebildet habe. Das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschluss vom 6. September 2023 – Verg 5/22 -, Rn. 36, juris) habe in anderer Sache entschieden, dies sei für Projektsteuerungsleistungen für die Neugestaltung von Ausstellungen nicht ersichtlich. Es lägen auch wirtschaftliche Gründe für die gebündelte Vergabe vor. Man habe die Prognose angestellt, dass das Mitwirken der Bauunternehmen bei der Planung zu einer Optimierung hinsichtlich der Kosten und zu Zeitvorteilen führen werde. Bezifferbar sei dies nicht, liege aber auf der Hand. Dass eine frühe Einbindung eines bauausführenden Unternehmens in die Planung zu Kostenvorteilen führe, habe etwa auch die Baukostensenkungskommission im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen in ihrem Endbericht aus November 2015 ausgeführt und darauf verwiesen, Investitions- und spätere Betriebskosten seien nach der Planung weitgehend festgelegt und deshalb solle Wissen über die Herstellungs- und Nutzungsprozesse in den Planungsprozess integriert werden, eine so optimierte Ausführungsplanung könne insbesondere bei Bauvorhaben ab ca. 10 Wohneinheiten Kostensenkungspotenziale bieten. Dass bei einer Gesamt-/Totalunternehmervergabe unter anderem wegen des erhöhten Koordinierungsaufwandes mit Mehrkosten zu rechnen sei, treffe auch bei einer Trennung zwischen Planungs- und Bauvergabe zu. Der mit der Gesamtvergabe verbundenen “Bündelung der Nachfragemacht” habe man durch Begrenzung der Rahmenvereinbarung auf ein Drittel des prognostizierten Bedarfs Rechnung getragen. In technischer Hinsicht sei die Verzahnung der Planungsleistungen mit der Bauausführung gerade Gegenstand der Beschaffung. So wisse ein Bieter, welcher serielle Bauteile für Gebäude herstelle, um die Möglichkeiten seiner Fertigungsprozesse und würde die Planung entsprechend auf diese Möglichkeiten ausrichten. Er würde keine Planung entwickeln, die er im Rahmen seines Fertigungsprozesses nicht leisten könne.

Der Antragsgegner beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer Schwerin vom 20.09.2024 – Aktenzeichen 2 VK 2/24 – aufzuheben und den Nachprüfungsantrag abzulehnen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten des Antragsgegners aufzuerlegen;

3. die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen;

2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Antragstellerin in beiden Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen;

3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären;

4. die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde nicht zu verlängern (sic).

Sie macht geltend, das Gutachten enthalte nur rechtliche Erwägungen zur Zulässigkeit der Gesamtvergabe, aber keine Abwägung. Diese könne nicht im laufenden Nachprüfungsverfahren nachgeholt werden, zumal es sich um Mindestangaben i.S.d. § 8 VgV handele. Die angeführten Ziele seien im Übrigen bei losweiser Vergabe ebenso umsetzbar. Die Leistungsbeschreibung sehe – wie auch die weiteren Vergabeunterlagen – nur klassische Planungsaufgaben vor, nicht eine integrale Planung. Schließlich seien die Abrufberechtigten nicht vergaberechtskonform konkretisiert und – angesichts der erforderlichen umfassenden örtlichen Anpassung – die Leistungen nicht so genau wie möglich angegeben.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt (§§ 171, 172 GWB). In der Sache bleibt sie ohne Erfolg.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 160 Abs. 2 GWB) und mit ihren Rügen nicht präkludiert (§ 160 Abs. 3 GWB).

Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Antragsgegner erklärt hat, außerhalb einer Gesamtvergabe gar kein Beschaffungsinteresse zu haben. Allein die Erklärung eines Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren, er werde im Falle eines Unterliegens sein Beschaffungsvorhaben aufgeben, lässt die Antragsbefugnis nicht entfallen, solange nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen feststeht, dass eine Beschaffung ausgeschlossen ist (vgl. auch Summa in: Summa/Schneevogl, jurisPK-Vergaberecht, 7. Aufl., § 160 GWB (Stand: 15.11.2024), Rn. 119). Das ist hier nicht der Fall.

Hinsichtlich der Rügeobliegenheit teilt der Senat die Auffassung der Vergabekammer, erst aus einer im laufenden Nachprüfungsverfahren gewährten Akteneinsicht erkannte Dokumentationsmängel seien nicht gesondert und unmittelbar gegenüber dem Auftraggeber zu rügen, sondern (nur) rechtzeitig in das bereits laufende Nachprüfungsverfahren einzuführen.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet, weil die Gesamtvergabe an einen Totalunternehmer nach Maßgabe des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB jedenfalls mit der gegebenen Begründung nicht erfolgen kann.

Zutreffend hat die Vergabekammer bereits darauf hingewiesen, dass das Gutachten vom 23.11.2023 inhaltlich keine Entscheidung über die Gesamtvergabe, erst recht keine solche des Auftraggebers darstellt. Berater können zwar in die Vorbereitung der Entscheidung eingebunden werden, sie aber nicht selbst treffen. Ob eine solche Entscheidung des Auftraggebers in der E-Mail vom 22.05.2024 (Anlage BF6) zu sehen ist oder anderenfalls der erstmals im laufenden Nachprüfungsverfahren vorgelegte Vermerk vom 05.09.2024 (Anlage Ag1) eine bei Abwägung von Transparenzgebot und Beschleunigungsgrundsatz vergaberechtlich zulässige (dazu Senat, Beschluss vom 6. Februar 2019 – 17 Verg 6/18; Beschluss vom 18. Juli 2024 – 17 Verg 1/24; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10 -, BGHZ 188, 200-233, Rn. 73; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Februar 2021 – Verg 23/20 -, Rn. 73; zu den Grenzen zuletzt OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. August 2024 – Verg 6/24, ZfBR 2024, 762, 767), die getroffene Entscheidung nicht lediglich nachträglich rechtfertigende Nachholung der Dokumentation darstellt, kann letztlich offen bleiben. Denn auch die dort angegebenen Gründe erfordern die Gesamtvergabe nicht.

a) Die Planung ist gegenüber der Bauleistung grundsätzlich fachlosgeeignet, weil dieser Teil der Leistung – nur darauf kommt es an dieser Stelle an – von speziellen Fachkräften erbracht wird (eigenes “Gewerk”), zudem für Planungsleistungen gegenüber Bauleistungen ein eigener Markt besteht und Planungsleistungen auch regelmäßig gesondert beauftragt werden. Das gilt auch für den von der Antragstellerin angestrebten Teilbereich der Planung. Ohne Belang ist demgegenüber in diesem Zusammenhang, ob sich für eine Gesamtleistung “Integrale Planung und Bau” (also für Totalunternehmerleistungen) ein eigenständiger Markt etabliert hat.

Nichts Anderes ergibt sich, wenn man die Ausschreibung hier nicht als zusammenfassende Vergabe einzelner Lose einer einheitlichen Leistung qualifiziert, sondern als Bündelung eigenständiger Planungs- und Bauleistungen (dazu Hertwig, NZBau 2024, 723 ff.). Dafür gilt der Grundsatz der getrennten Vergabe mit den dazu bestehenden Ausnahmen erst recht.

b) Zu den Grundsätzen der Losvergabe hat der Senat zuletzt in seinem Beschluss vom 18. Juli 2024 – 17 Verg 1/24 – Folgendes ausgeführt:

aa) Nach § 97 Abs. 4 S. 1 bis 3 GWB – dessen Inhalt von § 5 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 bis 3 EU VOB/A wiederholt wird – sind Leistungen in Losen zu vergeben und kann hiervon nur dann abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bereits vor Inkrafttreten war zum Schutz des Mittelstands die Aufteilung von Aufträgen in Teil- und Fachlose vorgesehen. Es sollten die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen werden. Mit der 2009 eingeführten Regelung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sollten der aus Sicht des Mittelstands zunehmenden Praxis der Bündelung von Auftragsvergaben entgegengewirkt und die Mittelstandsklausel in ihrer Wirkung verstärkt werden. Deshalb sollte von dem Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden können (BT-Drucksache 16/10117, S. 15). Dieses klare Regel-/Ausnahmeverhältnis bedeutet allerdings entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen, hier von der Antragstellerin zitierten Auffassung (Antweiler in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 97 Abs. 4 GWB Rn. 51; wohl auch Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 95) nicht, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. § 97 Abs. 4 GWB ist im Kontext der primären Ziele des Vergaberechts auszulegen, zu denen insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung gehört. Dabei sind auch die weiteren Grundsätze des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) sowie die vom Gesetzgeber in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele (Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte) im Blick zu behalten. Allerdings ergibt sich aus der klaren Wertung des Gesetzgebers, dass es nicht ausreicht, wenn der Auftraggeber anerkennenswerte Gründe für die Gesamtvergabe vorbringen kann; auch vermag die Entlastung des Auftraggebers von typischerweise mit einer losweisen Vergabe verbundenen Koordinierungsaufgaben oder sonstigem organisatorischem Mehraufwand für sich allein ein Absehen von einer Losvergabe nicht zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/1; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 – 15 Verg 2/22). Wortlaut, Systematik und Zweck des Gesetzes gebieten kein abweichendes Verständnis des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB. Auch den Materialien zum Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790) ist hierfür nichts zu entnehmen. Der Gesetzgeber wollte der – empfundenen – Praxis der Auftragsbündelung entgegenwirken, also die tatsächliche Wirkung der Mittelstandsklausel verstärken und Auftraggeber zur Dokumentation der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verpflichten (vgl. BT-Drucksache 16/10117, S. 15). Die Rechtsprechung hatte demgegenüber bereits unter Geltung des § 97 Abs. 3 GWB a.F. strenge Maßstäbe angelegt und ist von dem Regel-/Ausnahmeverhältnis ausgegangen. Dass der Gesetzgeber auch diese Maßstäbe ändern wollte, ist weder dem Wortlaut noch der Begründung der Gesetzesänderung zu entnehmen. Dementsprechend hat die vergaberechtliche Rechtsprechung auch unter Geltung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB hieran festgehalten.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt ein anderer Maßstab nicht daraus, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 BwBBG eine Gesamtvergabe in Abweichung von § 97 Abs. 4 GWB bereits dann zulässt, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe dies (nur) “rechtfertigen”. Zwar ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, es handele sich um einen niedrigeren Maßstab als das “Erfordern” nach § 97 Abs. 4 S. 3 GWB (BT-Drucksache 20/2353, S. 15). Dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, ein Erfordern könne nur bei objektiv zwingenden Gründen – also dem maximalen Grad – bejaht werden. Ohnehin könnte eine entsprechende Annahme des aktuellen Gesetzgebers das Verständnis des § 97 Abs. 4 GWB nicht ändern. Angesichts der gefestigten Rechtsprechung hätte der Gesetzgeber es vielmehr in der Hand gehabt, den Maßstab durch Änderung des § 97 Abs. 4 GWB anzupassen. Macht er das nicht, war dies offenbar nicht gewollt und besteht kein Anlass, die einheitliche Linie der Rechtsprechung zu ändern.

Ist die Entscheidung somit Ergebnis einer Abwägung, ist die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Zielerreichung keine Wagnisse und Risiken eingehen muss und einen sicheren Weg wählen darf (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20) oder die Gesamtvergabe – wie sie meint – nicht mit einem sicheren Weg begründet werden darf (so auch Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 97 GWB Rn. 94 a.E.), in dieser Allgemeinheit im erstgenannten Sinn zu beantworten. Eigenständige Bedeutung kommt dem indes nicht zu. Jedenfalls bei konkreten und erheblichen Risiken der Fachlosvergabe kann der Auftraggeber nicht gezwungen sein, sehenden Auges diesen Weg zu beschreiten. Andererseits ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die Gesamtvergabe nicht mit jeglichen, ggf. fernliegenden Risiken begründet werden kann (“sicherster Weg”). Das Gewicht des einzelnen Risikos ist nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß – nach den oben dargestellten Grundsätzen – im Einzelfall zu bestimmen.

bb) Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. jeweils zur Fachlosaufteilung OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18 -, Rn. 68-73; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18 -, Rn. 55-62; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 , Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/219; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 – 15 Verg 2/22). Die Entscheidung des Auftraggebers über die Gesamtvergabe ist deshalb von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Den Nachprüfungsinstanzen ist es im Umkehrschluss verwehrt, die Entscheidung des Auftraggebers durch eine eigene Beurteilung zu ersetzen, solange sie nicht auf eine einzige Entscheidungsmöglichkeit verdichtet ist. Soweit das Kammergericht (Beschluss vom 26. März 2019 – Verg 16/16) – worauf die Antragstellerin verweist – in einem obiter dictum (a.a.O. Rn. 27 a.E.) und damit nicht im Sinn des § 179 Abs. 2 GWB zur Vorlage veranlassend die Auffassung vertreten hat, anders als bei Teillosen bestehe bei Fachlosen kein Beurteilungsspielraum und sei die Entscheidung des Auftraggebers uneingeschränkt nachprüfbar, folgt der Senat dem nicht. Gründe für die Unterscheidung zwischen Teil- und Fachlosen sind nicht zu erkennen. Vielmehr ist an der bereits zuvor begründeten Rechtsprechung festzuhalten.

cc) Unter technischen und wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sind solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen. Dabei sind technische Gründe alle Aspekte, die zu einem vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsprofil in einem unauflöslichen Zusammenhang stehen. Dies kann auch bei komplexen, miteinander verflochtenen Dienstleistungen der Fall sein oder wenn die Aufteilung in Fachlose unverhältnismäßige Kostennachteile mit sich bringen oder zu einer starken Verzögerung des Vorhabens führen würde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21). Wirtschaftliche Gründe können auch darin liegen, dass es sich um ein eilbedürftiges Vorhaben wie die Fertigstellung eines Bauabschnitts einer vielbefahrenen Autobahn handelt. Weil es sich um auftragsbezogene Besonderheiten handelt, kann die mit einer Gesamtvergabe verbundene Straffung und Beschleunigung der Abläufe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20, dort naheliegende Verzögerung um mehrere Jahre und Folgekosten in Millionenhöhe, in anderen Entscheidungen auch weniger; Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 90).

An diesen Grundsätzen hält der Senat weiterhin fest. Die Überprüfung der Einhaltung des Beurteilungsspielraums setzt dabei voraus, dass die Nachprüfungsinstanzen die Argumentation des Auftraggebers zumindest nachzuvollziehen vermögen, auch wenn sie sie nicht teilen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat seine ständige Rechtsprechung, die den vorstehenden Grundsätzen entspricht, zuletzt erneut bestätigt und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gebot der Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen verlangt (Beschluss vom 21. August 2024 – Verg 6/24, ZfBR 2024, 762, 765). Soweit der Entwurf eines Gesetzes zur Transformation des Vergaberechts (Vergaberechtstransformationsgesetz – VergRTransfG) wie schon in § 3 BwBBG nun auch für § 97 Abs. 4 GWB eine Änderung von “erfordern” zu “rechtfertigen” vorschlägt (BR-Drucksache 591/24, S. 34, 55), bietet dies weiterhin keinen Anlass zu einem abweichenden Verständnis der geltenden Gesetzesfassung. Entsprechendes gilt für die vorgeschlagene Aufnahme zeitlicher Gründe und deren Abgrenzung zu technischen und wirtschaftlichen Gründen. Bereits nach derzeit geltender Fassung sind zeitliche Gründe insoweit relevant, als sie wirtschaftliche Auswirkungen haben (dazu Senat, Beschluss vom 18. Juli 2024 – 17 Verg 1/24 -, Rn. 71).

c) Diesen Grundsätzen genügen die vom Antragsgegner für die zusammenfassende Vergabe angeführten Gründe nicht.

aa) Der Antragsgegner führt primär an, sein Beschaffungsziel bei getrennter Vergabe nicht erreichen zu können. Dies vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

(1) In der vergaberechtlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass dem Auftraggeber ein weitreichendes Leistungsbestimmungsrecht zusteht, dessen Grenzen grundsätzlich gewahrt sind, wenn

– die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,

– vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,

– solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind und

– die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. August 2012 – VII-Verg 10/12; Beschluss vom 13. April 2016 – VII-Verg 47/15; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18).

Uneinheitlich beantwortet wird, ob die Leistungsbestimmung des Auftraggebers als dem Vergabeverfahren vorgeschaltete Entscheidung ausschließlich hieran zu messen ist und die Prüfung der Gesamtvergabe nur noch im Rahmen dieses Beschaffungsgegenstands erfolgt (so Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 9 Verg 3/07) oder ob die Grundsätze des § 97 Abs. 4 GWB bereits bei der Leistungsbestimmung zu beachten sind, weil sonst das Regel-Ausnahme-Verhältnis ins Gegenteil verkehrt würde (so wohl OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18).

Vorliegend kann diese Frage unbeantwortet bleiben, weil selbst bei Bindung an den vom Antragsgegner definierten Beschaffungsbedarf eine Losvergabe hier durchaus in Betracht kommt. Dabei versteht der Senat die Leistungsbestimmung nach den §§ 133, 157 BGB dahin, dass das gewünschte Beschaffungsziel ein Planungsergebnis für seriell, kosten- und aufwandgünstig herstellbare Feuerwehrhäuser und die Errichtung von bis zu 58 Feuerwehrgebäuden auf dieser Grundlage ist, wobei das Planungsergebnis auch außerhalb des Rahmenvertrags für Folgeaufträge verwendbar sein soll. Die Integration von Planungs- und Bauleistungen ist demgegenüber nur die Festlegung des Mittels, um dieses Ziel zu erreichen. Dann aber geht es bei der Integration nicht um das von der Beschaffungshoheit gedeckte “Was”, sondern um das “Wie” der Beschaffung, das ohne Weiteres den Detailregelungen des Vergaberechts unterworfen ist (zu einem ähnlichen Fall OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18). Ob also die gewünschte Integration einer getrennten Vergabe entgegensteht, ist an § 97 Abs. 4 S. 3 GWB zu messen.

(2) Das so verstandene Beschaffungsziel kann der Antragsgegner auch bei getrennter Vergabe erreichen.

Dass eine funktionale Leistungsbeschreibung vorliegt und die Vergabe im wettbewerblichen Dialog erfolgen soll, schließt die Aufteilung nicht aus. Zwar wird dies etwa im Zusammenhang mit komplexen IT-, Forschungs-, Beratungs- oder Pilotprojekten sowie sicherheitstechnischen Anlagen in Justizvollzugsanstalten, wenn dadurch die Sicherheit erhöht oder Fehlerquellen und Funktionsbeeinträchtigungen vermieden werden können, als technischer Grund im Sinn des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB diskutiert (vgl. MüKoEuWettbR/Knauff, 4. Aufl. 2022, GWB § 97 Rn. 266, beck-online; Kapellmann/Messerschmidt/Stickler, 8. Aufl. 2023, VOB/A § 5 Rn. 31). Eine solche Komplexität des Vorhabens mit ernsthaften Risiken für die Sicherheit oder Funktionsbeeinträchtigungen ist hier aber vom Antragsgegner nicht konkret und nachvollziehbar aufgezeigt. Funktionale Vorgaben und ein wettbewerblicher Dialog wären insbesondere bei sukzessiver Ausschreibung erst der Planungsleistungen und danach der Bauleistungen ebenso möglich. Dies gilt ebenso für das Beschaffungsziel, zu dem die Integration als solche wie ausgeführt nicht zählt. Eine solche Vorgehensweise hat der Antragsgegner aber nicht erwogen. Dabei würde auch nicht die Gefahr bestehen, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen. Es ist auch nicht belastbar ausgeführt, eine sukzessive Vorgehensweise sei aus zeitlichen, sich wirtschaftlich auswirkenden Gründen nicht möglich.

bb) Auch mit den darüberhinaus angeführten Gründen wäre die Abwägung des Antragsgegners von seinem Beurteilungsspielraum bereits deshalb nicht gedeckt, weil er teilweise unzutreffende, jedenfalls für den Senat nicht wenigstens ansatzweise nachprüfbare Annahmen zugrundelegte und wesentliche Aspekte nicht erwog.

So führt der Antragsgegner zwar aus, bei einer Totalunternehmervergabe sei unter anderem wegen des erhöhten Koordinierungsaufwandes mit Mehrkosten zu rechnen. Dies dürfte den typischerweise anfallenden Generalunternehmerzuschlag betreffen, der dessen Koordinierungsaufwand und zusätzliche Gewährleistungsrisiken abdeckt. Weshalb dies aber – nach Einschätzung des Antragsgegners – auch bei einer Trennung zwischen Planungs- und Bauvergabe zutreffen soll, ist für den Senat nicht nachzuvollziehen. Der vom Antragsgegner als Nachteil der Losvergabe angeführte zusätzliche Koordinierungsaufwand auf Auftraggeberseite ist andererseits ein typischer Mehraufwand, der zwar in der Abwägung Berücksichtigung finden kann, aber nur mit dem vom Gesetzgeber vorgegebenen, begrenzten Gewicht. Eine entsprechende Einordnung vermag der Senat indes nicht zu erkennen.

Unberücksichtigt – aus Sicht des Senats aber offensichtlich zu erwägen – ist das Risiko, dass bei Kombination von Planung und Bau im Rahmen von Bietergemeinschaften anders als bei getrennter Vergabe nicht für jeden Teilbereich der günstigste Anbieter zum Zuge kommt, sondern in einem Teilbereich ein isoliert betrachtet teurer Anbieter. Vor allem aber dürfte bei einer Bietergemeinschaft unter Einschluss oder gar Führung eines Bauunternehmens, das selbst Fertigteile herstellt, oder bei einem Angebot eines Bauunternehmens mit eigenen Planern das Ergebnis der Planung vorgezeichnet sein. Es besteht das Risiko, dass das Planungsergebnis nur zu einem Anbieter passt und insoweit bei Folgeaufträgen außerhalb des Rahmenvertrags nur dieses Unternehmen als Auftragnehmer in Betracht kommt. Das birgt Gefahren insbesondere hinsichtlich der Verfügbarkeit und des – dann nicht mehr gebundenen – Preises. Die angestrebte Wiederverwendbarkeit der Planung als wesentliches Element der Leistungsbestimmung wäre eingeschränkt. Eine sukzessive Ausschreibung erscheint da ergebnisoffener. Weshalb etwa Stahl- oder Modulbauweise – wenn sie denn wirtschaftlicher sind – bei einer Aufteilung der Leistungen nicht in Betracht kämen, erklärt sich dem Senat nicht.

Aus diesen Gründen erscheint auch die Erwartung des Antragsgegners, durch Einbindung eines Bauunternehmers – insbesondere wenn er zugleich Hersteller von Fertigteilen ist – ein kostengünstigeres und aufwandeffizienteres Ergebnis zu erzielen, nicht belastbar. Er verweist hierzu darauf, es könne – da sich ein Markt für Nichtwohngebäude in Fertigbauweise erst entwickele – nicht davon ausgegangen werden, ein durchschnittlicher Architekt verfüge bereits über die nötige Erfahrung in dem Bereich, um die Kosten abzuschätzen. Einerseits ist damit aber nicht ausgeschlossen, dass es Architekten gibt, die diese Anforderungen erfüllen. Andererseits gehört es zu den originären Aufgaben und Kompetenzen eines Architekten, verschiedene Bauweisen zu kennen und deren Vor- und Nachteile einschließlich der Kosten und Einsparpotentiale – auch durch eine serielle Bauweise – abzuschätzen und hierfür erforderlichenfalls Preisauskünfte einzuholen. Einsparpotentiale bei der Errichtung der Gebäude können zudem im Rahmen der Ausführungsplanung identifiziert werden. Jedenfalls zeigt der Antragsgegner belastbare Anhaltspunkte für seine Annahme nicht auf. Sie liegen für den Senat auch nicht auf der Hand. Hinsichtlich einer besonders kostengünstigen Gestaltung der Gebäude ist zwar denkbar, dass ein Hersteller von Fertigbauelementen unter Berücksichtigung der vorhandenen Produktionsanlagen und -weise weitergehende Ideen beisteuern könnte, etwa unter Berücksichtigung der möglichen Größe und Gestaltung der Fertigteile. Eine solche Einbindung wäre bei gesonderter Planung nur “informell” durch Nachfrage bei irgendeinem oder mehreren Anbietern durch den Planer möglich, ohne dass die Ausführung durch eben diesen Bauunternehmer sichergestellt wäre. Zugleich würde dies wiederum die Gefahr bergen, durch spezielle Vorgaben letztlich eine produktgebundene Ausschreibung zu erhalten. Ohne belastbare Anhaltspunkte handelt es sich insoweit aber nur um Möglichkeiten bzw. Hoffnungen des Auftraggebers. Die konkrete Gewichtung dieser Hoffnung und der dagegen abzuwägenden Risiken ist für den Senat nicht zu erkennen und nachzuvollziehen.

Die Öffnung des Wettbewerbs für große Systemhaushersteller, die ausschließlich mit eigenen Planern arbeiten, ist im Rahmen des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB gerade kein legitimes Anliegen. Im Übrigen sind diese – anders als bei einer Gesamtvergabe kleine und mittlere Unternehmen – bei einer getrennten Ausschreibung nicht ausgeschlossen. Vielmehr können sie im Wettbewerb eine auf die eigene Bauweise zugeschnittene Planung vorlegen und eine Kostenschätzung abgeben. Dass dabei trotz Geheimwettbewerbs Geschäftsgeheimnisse ernsthaft gefährdet wären, lässt sich den Ausführungen des Antragsgegners nicht entnehmen. Weder die Kalkulation noch Besonderheiten von Produktion, Logistik und Bau sind gegenüber Konkurrenten offenzulegen. Das gilt auch für Abmessungen der der – außerhalb des Rahmenvertrags ggf. mit anderen Bauunternehmen wiederverwendbaren – Planung zugrunde gelegten Standardbauteile. Richtig ist zwar, dass ein solcher Anbieter größeres Interesse an dem Gesamtauftrag als nur an der Planung haben dürfte, was bei getrennter Ausschreibung nicht sichergestellt wäre. Dies entspricht aber dem vom Gesetzgeber mit § 97 Abs. 4 S. 3 GWB verfolgten Zweck.

Den Antragsgegner entlastet auch nicht, dass ihm eine belastbare Einschätzung des Einsparpotentials wegen der Neuartigkeit des Herangehens – der “Innovation” – mangels Erfahrungswissens nicht möglich ist, er diese Erfahrungen aber ohne Gesamtvergabe nicht sammeln kann. Auch in einer solche Situation hat er Chancen und Risiken sorgfältig zu benennen und im Rahmen der Möglichkeiten einzuordnen. Die damit verbundenen Nachteile gegenüber privaten Auftraggebern haben ihren Grund im Vergaberecht und den damit verfolgten Zielen.

3. Für das weitere Vergabeverfahren weist der Senat darauf hin, dass hinsichtlich der Umgrenzung der abrufberechtigten Städte und Gemeinden und hinsichtlich der Vergabereife keine Bedenken bestehen. Die Abrufberechtigten sind hinreichend konkretisiert und dabei zugleich durch die Begrenzung auf Städte und Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern nicht ausufernd. Damit verbundenen Unwägbarkeiten begegnet der Antragsgegner durch Begrenzung des Rahmenvertrags auf maximal 58 Gebäude. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist eine Vergabereife bei einem Rahmenvertrag nicht erst dann anzunehmen, wenn die Abrufberechtigten im Einzelnen ihr Interesse an einer Auftragserteilung bekundet haben.

Ob die nach dem Vertrag geschuldeten in Abgrenzung von gesondert zu beauftragenden bzw. vom Auftraggeber bereitzustellenden Leistungen hinreichend bestimmt sind, dürfte hier insbesondere davon abhängen, ob sich hierzu Widersprüche in den Vergabeunterlagen finden. Eine Prüfung hat der Senat noch nicht vorgenommen.

4. Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 71 Satz 1, 175 Abs. 2 GWB. Die Kostenbefreiung des Antragsgegners ist keine Frage der Kostengrundentscheidung.

Die Notwendigerklärung hinsichtlich der anwaltlichen Vertretung auf Antragstellerseite beruht für das Verfahren vor der Vergabekammer auf § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG M-V. Die Erstattungsfähigkeit für den Beschwerderechtszug bedurfte keiner Tenorierung; sie folgt unmittelbar kraft Gesetzes aus § 175 Abs. 1 Satz 1 GWB (Senat, Beschluss vom 11. November 2021 – 17 Verg 4/21; Beschluss vom 5. Februar 2020 – 17 Verg 4/19).

Die Wertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG. Maßgebend ist dabei nicht die Kostenschätzung für das Gesamtvorhaben, sondern das auf einen Teil der Planung begrenzte Interesse der Antragstellerin.

Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt: Neue Wertgrenzen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen

Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt: Neue Wertgrenzen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen

Seit dem 1. Januar 2025 gelten neue Wertgrenzen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Diese Regelungen betreffen sowohl Liefer-, Dienst- und freiberufliche Leistungen als auch Bauleistungen und sollen den Vergabeprozess erleichtern. 

Neue Wertgrenzen in Bayern

Für Liefer-, Dienst- und freiberufliche Leistungen können in Direktaufträge nun bis zu einem Betrag von 100.000 Euro netto erteilt werden. Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb sowie Verhandlungsvergaben sind bis zum jeweiligen EU-Schwellenwert zulässig, der derzeit bei 221.000 Euro netto beziehungsweise 750.000 Euro netto liegt.

Im Bereich der Bauleistungen wurde die Wertgrenze für Direktaufträge auf 250.000 Euro netto angehoben. Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb sowie Verhandlungsvergaben können bis zu einem Auftragswert von 1.000.000 Euro netto durchgeführt werden.

Neue Wertgrenzen in Rheinland-Pfalz 

Für Bauleistungen nach der VOB/A gelten spezifische Wertgrenzen, die den Vergabeprozess vereinfachen sollen. Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb sind bis zu einem Auftragswert von 250.000 Euro netto zulässig, unabhängig von der Art des Gewerks. Für freihändige Vergaben und Verhandlungsvergaben liegt die Wertgrenze bei 100.000 Euro netto.

Im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen nach der UVgO gelten einheitliche Wertgrenzen. Sowohl für beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb als auch für freihändige Vergaben und Verhandlungsvergaben liegt die Obergrenze bei 100.000 Euro netto.

Eine Ausnahme gibt es für Bauleistungen im Rahmen des öffentlichen Wohnungsbaus: Hier beträgt die Wertgrenze für beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb 1.000.000 Euro netto. Diese Sonderregelung soll den Bau öffentlicher Wohnprojekte erleichtern und beschleunigen.

Neue Wertgrenzen in Sachsen-Anhalt

Für Liefer- und Dienstleistungen sind Beschränkte Ausschreibungen sowie Verhandlungsvergaben (mit und ohne Teilnahmewettbewerb) bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro netto möglich.

Direktvergaben dürfen bis zu einem Wert von 15.000 Euro netto erfolgen, wobei die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit stets einzuhalten sind. Auch im Bereich der Bauleistungen wurden die Wertgrenzen deutlich angehoben. Beschränkte Ausschreibungen (mit und ohne Teilnahmewettbewerb) sind nun bis zu einem Auftragswert von 1.000.000 Euro netto zulässig. Freihändige Vergaben können bis zu einem Wert von 150.000 Euro netto durchgeführt werden. Zudem gilt ab einem Auftragswert von 20.000 Euro netto die Verpflichtung, mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern.

Direktvergaben im Bauwesen sind ebenfalls bis zu einem Wert von 20.000 Euro netto möglich, unter Beachtung der Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitskriterien.

Für freiberufliche Leistungen in Sachsen-Anhalt liegt die Wertgrenze für Direktvergaben bei 80.000 Euro netto.

Erfolg auf ganzer Linie: Klärschlammentsorgung und Phosphor-Rückgewinnung in der Region Heilbronn bis 2034 gesichert

Erfolg auf ganzer Linie: Klärschlammentsorgung und Phosphor-Rückgewinnung in der Region Heilbronn bis 2034 gesichert

Ax Projects und Ax Rechtsanwälte haben das Projekt vergabe- und vertragsrechtlich begleitet

Nachhaltige Zukunft für Heilbronn
Die Stadt- und Landkreise Heilbronn setzen auf nachhaltige und zukunftssichere Lösungen bei der Klärschlammentsorgung. Ab dem Jahr 2029 wird die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm durch die Klärschlammverordnung verpflichtend. Dies stellt eine enorme Herausforderung für die Region dar.
Dank einer frühzeitigen, gemeinsamen Initiative mehrerer Kläranlagenbetreiber, der Heilbronner Versorgungs GmbH (HNVG) und des Landratsamtes Heilbronn wird die Klärschlammentsorgung mit Phosphor-Rückgewinnung bis 2034 sichergestellt. „Damit garantieren wir nicht nur die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern bietet auch zahlreiche Vorteile für die Bevölkerung der Region“, so Norbert Heuser, Landrat des Landkreises Heilbronn.
Zukunftssichere Entsorgung und nachhaltige Phosphor-Rückgewinnung
Phosphor ist ein wichtiger Rohstoff für die Landwirtschaft und die Produktion von Düngemitteln. Eine nachhaltige und effiziente Rückgewinnung sichert die Verfügbarkeit dieses wertvollen Stoffes für die Zukunft. Besonders für die Region Heilbronn ist es von großer Bedeutung, dass diese Rückgewinnung lokal und ressourcenschonend umgesetzt wird.
„Die frühe Planung und Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure ist ein Paradebeispiel für nachhaltige und zukunftsfähige Infrastrukturprojekte. Mit der Klärschlammentsorgung und der Phosphor-Rückgewinnung schaffen wir nicht nur eine gesetzeskonforme Lösung, sondern leisten auch einen Beitrag zur Ressourcenschonung und zum Umweltschutz. Das kommt direkt den Bürgerinnen und Bürgern zugute“, erklärt Timo Mechler, Abteilungsleiter Abwasser der Entsorgungsbetriebe der Stadt Heilbronn.
Bündelausschreibung als Erfolgsmodell für die Region
Bereits 2021 gründete sich ein Arbeitskreis unter der Führung der HNVG, der sich mit der sicheren Klärschlammentsorgung im Stadt- und Landkreis Heilbronn befasste.
Die operative Leitung übernahm Projektleiter Volker Schramm (HNVG), der es den Kläranlagenbetreibern ermöglichte, sich an einer Bündelausschreibung zu beteiligen. Ax Projects und Ax Rechtsanwälte haben das Projekt vergabe- und vertragsrechtlich begleitet. Dies führte zu einer erfolgreichen Vergabe der Klärschlammentsorgung und der Phosphor-Rückgewinnung an die MSE Mobile Schlammentwässerungs GmbH.
„Durch die Bündelausschreibung haben wir nicht nur die Kapazitäten für die Rückgewinnung von Phosphor gesichert, sondern auch Synergien geschaffen, die die Kosten optimieren und eine nachhaltige Entsorgungslösung für alle Beteiligten gewährleisten. Das stärkt unsere Region und sorgt dafür, dass die Bevölkerung langfristig von einer sicheren und umweltfreundlichen Klärschlammentsorgung profitiert“, so Frank Schupp, Geschäftsführer der HNVG.
Vorteile für Heilbronn und die Region:
Die nachhaltige Klärschlammentsorgung mit Phosphor-Rückgewinnung hat für die Bevölkerung in der Region Heilbronn viele positive Auswirkungen:

• Umwelt- und Ressourcenschonung Durch die Rückgewinnung von Phosphor wird ein wertvoller Rohstoff erhalten und die Umwelt geschont. Durch die nachhaltige Nutzung von Abfallstoffen und die Verringerung von Deponierung wird für eine effiziente und ressourcenschonende Abfallwirtschaft gesorgt.
• Langfristige Planungssicherheit: Die frühzeitige Sicherstellung der Entsorgungskapazitäten garantiert auch in Zukunft eine lückenlose Abwasserbehandlung und -entsorgung, wodurch die Infrastruktur der Region gestärkt wird.

„Wir als Abwasserzweckverband leisten mit der Beteiligung an der Bündelausschreibung nicht nur einen wertvollen Beitrag für die Region Heilbronn, sondern schützen nachhaltig das Klima und die Umwelt. Alleine durch die Einsparungen der Transportwege reduzieren wir den CO2-Ausstoß um bis zu 90 %.“ so Thorsten Morhaus, Geschäftsführer vom Abwasserzweckverband Unteres Sulmtal.

Die Bundeswehr schafft Nachfolger für den Radpanzer Fuchs an

Die Bundeswehr schafft Nachfolger für den Radpanzer Fuchs an

Der Transportpanzer Fuchs gilt bei der Bundeswehr als Alleskönner. Ursprünglich als reiner Truppentransporter entwickelt, bekam er im Laufe der Jahre immer mehr Funktionen zugeordnet. Über 1.000 Fahrzeuge wurden seit den 1980er Jahren an die Bundeswehr ausgeliefert, eingesetzt wird er in verschiedensten Ausführungen bei nahezu allen Truppengattungen des Heeres. Der je nach Ausführung bis zu 428 PS starke und teilweise schwimmfähige Fuchs ist inzwischen am Ende seiner Dienstlaufbahn angekommen und wird in den kommenden Jahren durch moderneres Material ersetzt. Auf den Auftrag hatte unter anderem das Rüstungsunternehmen Rheinmetall als Hersteller des Transportpanzers Fuchs gehofft. Der neue Fuchs Evolution wurde ins Ausschreibungs-Rennen geschickt, verlor aber letztendlich gegen das Angebot des finnischen Rüstungskonzerns Patria. Mit einer ersten Bestell-Freigabe durch den Verteidigungsausschuss des Bundestages Ende Januar 2025 wurde der Startschuss für den Austausch der Fuchs-Radpanzer gegeben.

Inkrafttreten der Ersten Änderungsverordnung zur Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen (NachprV) – wir machen Sie fit für die Praxis

Inkrafttreten der Ersten Änderungsverordnung zur Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen (NachprV) – wir machen Sie fit für die Praxis

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Bitte um Kenntnisnahme und Prüfung nachfolgend ein ausgereifter Vorschlag für den möglichen Inhalt einer topaktuellen Inhouse-Schulung für Sie und Ihre Leute bzw. Kolleg:innen zu einem topaktuellen Thema/ Themenkomplex.

Inkrafttreten der Ersten Änderungsverordnung zur Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen (NachprV) – wir machen Sie fit für die Praxis

Wir bringen Ihre Kenntnisse kurz und bündig und kompakt auf den neuesten Stand und machen Sie so richtig fit für Ihre aktuell anstehenden Auftragsvergaben. Wir vermitteln eingängig und ohne langes Geschwafel, was Sie wissen müssen. Mit Fällen und Beispielen aus der Praxis munitionieren wir Sie für jede Stufe des Vergabeverfahrens. Mögliche Fehlerquellen werden schonungslos aufgedeckt und kluge Vermeidungsstrategien (an)trainiert. WIR MACHEN SIE RICHTIG FIT. Sie müssen nicht Volljurist:in sein. Grundkenntnisse und Motivation genügen. Kommen Sie mit uns in die PUSCHEN.
Schulungsleiter ist der Unterzeichner.

Termine können im April 25 geplant werden. Terminvorschläge sind bspw 7./8.4.25..
Dauer jeweils 90 min, plus 30 min Diskussion.

Gut geeignet für zwischendurch als Powershot.
Als Teams oder in Präsenz.

Mit anspruchsvoller PowerPoint, die reingeht.
Teilnehmerzahl (Gruppe) bis 10 Personen.
Preis 400 Euro zzgl MWSt.. für die Gruppe als Teams/ in Präsenz. In Präsenz zzgl Reisekosten.

Haben Sie Interesse?

Sprechen Sie uns gerne an.

Ihre Hotline zum Schulungsleiter und zur Anmeldung: t.ax@ax-vergaberecht.de

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Inkrafttreten der Ersten Änderungsverordnung am 21. Juni 2024

Seit Inkrafttreten der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen (NachprV) vom 26. Februar 2021 (GVBI. S. 123) am 1. Juni 2021 ist eine wirksame Nachprüfung von Vergabeverfahren unterhalb des EU-Schwellenwertes in Rheinland-Pfalz möglich. Grundlage der Landesverordnung ist § 7a Mittelstandsförderungsgesetz vom 26. November 2019 (GVBI. S. 333).

Vergabeverfahren von wirtschaftlich bedeutsamen öffentlichen Aufträgen über Liefer-, Dienst- und Bauleistungen können seitdem vor der beim Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (MWVLW) eingerichteten Vergabeprüfstelle im Rahmen eines strukturierten Nachprüfungsverfahrens überprüft werden. Die Grundzüge für die strukturierte Nachprüfung von unterschwelligen Vergabeverfahren sind im Einführungsschreiben des MWVLW vom 31. März 2021 erläutert. Dieses Schreiben ist auch weiterhin auf der Homepage des MWVLW abrufbar.
Rheinland-Pfalz hatte mit diesem Nachprüfungsverfahren Neuland betreten und daher die Bestimmungen der vorbezeichneten Landesverordnung zunächst bis 30. Juni 2024 befristet. Vor einer Fortführung des Nachprüfungsverfahrens in Rheinland-Pfalz sollten die Bestimmungen der Landesverordnung und ihre Auswirkungen auf die Vergabepraxis evaluiert werden. Dies erfolgte im Lauf des Jahres 2023 auf der Grundlage interner Erkenntnisse der Vergabeprüfstelle und durch eine externe Befragung von an Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern.

Die Ergebnisse der Evaluation zeigten deutlich, dass sich die Bestimmungen über die Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich grundsätzlich bewährt haben. So hält eine deutliche Mehrheit der teilnehmenden Auftraggeber und Unternehmen die Möglichkeit der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens im Unterschwellenbereich für sinnvoll und sachgerecht. Neben der grundsätzlichen Akzeptanz wurden auch einige wenige Anregungen für eine Weiterentwicklung der Nachprüfungsregelungen gegeben. Der Bericht über die Evaluation ist auf der Homepage unseres Hauses ab ruf bar (https://mwvlw.rlp.de/themen/oeffentiiche-auftrmabe/nachpruefungsverfahren).
Beigefügt erhalten Sie nun die Erste Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen vom 12. Juni 2024 (GVBI. S. 188), die am 21. Juni 2024 in Kraft getreten ist. Nachfolgend werden die Änderungen und Ergänzungen der Landesverordnung kurz erläutert; zudem werden Ihnen zu den neuen Regelungen verschiedene Musterschreiben zur Verfügung gestellt, die über die Homepage des MWVLW abrufbar sind.

1. Nachprüfungsverfahren vor Ablauf der Angebotsfrist
(§ 5 Abs. 3 NachprV neu)
Der neue Absatz 3 des § 5 NachprV ermöglicht es, dass ein Bieter oder Bewerber nunauch vor Ablauf der Angebotsfrist ein Nachprüfungsverfahren anstoßen kann. Voraussetzung ist, dass ein Bieter oder Bewerber die Nichteinhaltung von Vergabevorschriften beanstandet, nachdem seiner zuvor erhobenen Rüge durch den Auftraggeber nicht ab geholfen wurde. Bisher musste sich das Unternehmen zunächst mit einem Angebot an dem Vergabeverfahren beteiligen, die Angebotsfrist und schließlich die Vorabinformation abwarten, bevor es mit einer Beanstandung Klärung durch die Vergabeprüfstelle herbeiführen konnte. Die neue Bestimmung führt somit zu einer zeitlich deutlich früheren Klärung von möglichen Vergaberechtsverletzungen und damit zur Beschleunigung des Vergabeverfahrens. Damit kann zudem unnötiger administrativer Aufwand sowohl bei dem Unternehmen als auch bei dem Auftraggeber vermieden werden.

Die Beanstandung muss innerhalb von sieben Kalendertagen nach Absendung der Mitteilung des Auftraggebers, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, gegenüber dem Auftraggeber geltend gemacht werden. In der Mitteilung über die Nichtabhilfe sind der Bieter oder Bewerber über die Beanstandungsfrist von sieben Kalendertagen und das weitere Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 3 zu informieren. Der weitere Verfahrensablauf nach Eingang der Beanstandung bei dem Auftraggeber wird durch den Hinweis auf § 5 Abs. 1 NachprV vorgegeben. Eine Mitteilung an das Unternehmen über die Nichtabhilfe der Beanstandung durch den Auftraggeber ist in dem Fall, in dem die Rüge kurz zuvor zu rückgewiesen wurde nicht erforderlich. Ansonsten würde dies zu einer unnötigen Doppelung führen.

Praxishinweis:
Muster für ein Nichtabhilfeschreiben zu § 5 Abs. 3 NachprV

2. Neuer Präklusionstatbestand nach § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV
Im unmittelbaren Zusammenhang mit der neuen Beanstandungsmöglichkeit nach § 5 Abs. 3 NachprV steht die Ergänzung in § 10 Abs. 3 NachprV. Hat der öffentliche Auftraggeber einer Rüge im laufenden Vergabeverfahren nicht abgeholfen und sind auf die Nichtabhilfemitteilung sieben Kalendertage verstrichen, kann der Bieter oder Bewerber in einem späteren Nachprüfungsverfahren mit diesem Einwand nicht mehr gehört wer den. Mit § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV wurde also ein weiterer Präklusionstatbestand auf genommen.

Diese Regelung ist § 160 Abs. 3 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Juni 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 190) für das Kartellvergaberecht nachgebildet. Es sei darauf hingewiesen, dass für die Fristberechnung der sie ben Kalendertage auf die Absendung der Nichtabhilfemitteilung durch den Auftraggeber und nicht auf den Eingang der Mitteilung beim Bieter oder Bewerber abzustellen ist. Im Zusammenwirken mit § 5 Abs. 3 (neu) dient § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV dazu, Vergabeverfahren zu beschleunigen.

3. Nachprüfungsverfahren nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens
(§ 5 Abs. 4 NachprV neu)
Im neuen § 5 Abs. 4 NachprV ist nun ausdrücklich die Möglichkeit einer Nachprüfung im Falle der Aufhebung eines Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber vorgesehen. Die Vergabeprüfstelle hatte in der Vergangenheit-wie im Oberschwellenbereich – auch über die Rechtmäßigkeit von aufgehobenen Vergabeverfahren entschieden. Wurde ein Vergabeverfahren aufgehoben, stellte sich jedoch die Frage, innerhalb welcher Frist eine mögliche Beanstandung gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber einzureichen war. Denn weder die Mitteilung über die Aufhebung nach § 17 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (BAnz. AI 19.02.2019 B2, 3) noch § 48 der Unterschwellenvergabeordnung (BAnz. AI 07.02.2017 B1; 08.02.2017 B1) sehen eine Belehrung über die Beanstandungsfrist oder weitere Informationen vor. Künftig sind daher im Aufhebungsschreiben die Bieter oder Bewerber über die Beanstandungsfrist von sieben Kalendertagen und das weitere Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 3 NachprV zu informieren. Der weitere Verfahrensablauf im Falle einer Beanstandung richtet sich ebenfalls nach § 5 Abs. 1 NachprV.

Praxishinweis:
• Muster für ein Aufhebungsschreiben mit Belehrung nach § 5 Abs. 4 NachprV
• Muster für eine Nichtabhilfemitteilung nach § 5 Abs. 4 NachprV

4. Frist für die Entscheidung der Vergabeprüfstelle (§ 9 Abs. 1 Satz NachprV)
Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 geregelte Entscheidungsfrist wurde von zwei auf drei Wochen verlängert. Dies ist eine Reaktion auf das Ergebnis der Evaluation. Mehr als 80% der überprüften Vergabeverfahren machten öffentliche Aufträge über umfangreiche und komplexe Bauleistungen aus. So musste festgestellt werden, dass die bisherige Entscheidungsfrist nach Vorlage der vollständigen Vergabeakte sehr häufig nicht einzuhalten war. Zur Gewährleistung einer sachgerechten Entscheidungsfindung wurde die Regelfrist für die Entscheidung daher auf drei Wochen festgesetzt. Die für Ausnahmefälle vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 beträgt nun höchstens zwei Wochen.

5. Zu den Schlussbestimmungen (§§ 12 und 13 NachprV)
Durch die erste Änderungsverordnung wurde die Möglichkeit der Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich für weitere drei Jahre bis 30. Juni 2027etabliert. Die Übergangsregelung wurde entsprechend angepasst.
Die Anwendung und die Auswirkungen der Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren sind durch das für die Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens zuständige Ministerium bis zum 30. Juni 2026 erneut zu evaluieren.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung im Einzelfall der Text der Landesverordnung maßgebend ist.

Inkrafttreten der Ersten Änderungsverordnung am 21. Juni 2024

Nachrichten - Inkrafttreten der Ersten Änderungsverordnung am 21. Juni 2024

Seit Inkrafttreten der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen (NachprV) vom 26. Februar 2021 (GVBI. S. 123) am 1. Juni 2021 ist eine wirksame Nachprüfung von Vergabeverfahren unterhalb des EU-Schwellenwertes in Rheinland-Pfalz möglich. Grundlage der Landesverordnung ist § 7a Mittelstandsförderungsgesetz vom 26. November 2019 (GVBI. S. 333).

Vergabeverfahren von wirtschaftlich bedeutsamen öffentlichen Aufträgen über Liefer-, Dienst- und Bauleistungen können seitdem vor der beim Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (MWVLW) eingerichteten Vergabeprüfstelle im Rahmen eines strukturierten Nachprüfungsverfahrens überprüft werden. Die Grundzüge für die strukturierte Nachprüfung von unterschwelligen Vergabeverfahren sind im Einführungsschreiben des MWVLW vom 31. März 2021 erläutert. Dieses Schreiben ist auch weiterhin auf der Homepage des MWVLW abrufbar.
Rheinland-Pfalz hatte mit diesem Nachprüfungsverfahren Neuland betreten und daher die Bestimmungen der vorbezeichneten Landesverordnung zunächst bis 30. Juni 2024 befristet. Vor einer Fortführung des Nachprüfungsverfahrens in Rheinland-Pfalz sollten die Bestimmungen der Landesverordnung und ihre Auswirkungen auf die Vergabepraxis evaluiert werden. Dies erfolgte im Lauf des Jahres 2023 auf der Grundlage interner Erkenntnisse der Vergabeprüfstelle und durch eine externe Befragung von an Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern.

Die Ergebnisse der Evaluation zeigten deutlich, dass sich die Bestimmungen über die Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich grundsätzlich bewährt haben. So hält eine deutliche Mehrheit der teilnehmenden Auftraggeber und Unternehmen die Möglichkeit der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens im Unterschwellenbereich für sinnvoll und sachgerecht. Neben der grundsätzlichen Akzeptanz wurden auch einige wenige Anregungen für eine Weiterentwicklung der Nachprüfungsregelungen gegeben. Der Bericht über die Evaluation ist auf der Homepage unseres Hauses ab ruf bar (https://mwvlw.rlp.de/themen/oeffentiiche-auftrmabe/nachpruefungsverfahren).
Beigefügt erhalten Sie nun die Erste Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen vom 12. Juni 2024 (GVBI. S. 188), die am 21. Juni 2024 in Kraft getreten ist. Nachfolgend werden die Änderungen und Ergänzungen der Landesverordnung kurz erläutert; zudem werden Ihnen zu den neuen Regelungen verschiedene Musterschreiben zur Verfügung gestellt, die über die Homepage des MWVLW abrufbar sind.

1. Nachprüfungsverfahren vor Ablauf der Angebotsfrist
(§ 5 Abs. 3 NachprV neu)
Der neue Absatz 3 des § 5 NachprV ermöglicht es, dass ein Bieter oder Bewerber nunauch vor Ablauf der Angebotsfrist ein Nachprüfungsverfahren anstoßen kann. Voraussetzung ist, dass ein Bieter oder Bewerber die Nichteinhaltung von Vergabevorschriften beanstandet, nachdem seiner zuvor erhobenen Rüge durch den Auftraggeber nicht ab geholfen wurde. Bisher musste sich das Unternehmen zunächst mit einem Angebot an dem Vergabeverfahren beteiligen, die Angebotsfrist und schließlich die Vorabinformation abwarten, bevor es mit einer Beanstandung Klärung durch die Vergabeprüfstelle herbeiführen konnte. Die neue Bestimmung führt somit zu einer zeitlich deutlich früheren Klärung von möglichen Vergaberechtsverletzungen und damit zur Beschleunigung des Vergabeverfahrens. Damit kann zudem unnötiger administrativer Aufwand sowohl bei dem Unternehmen als auch bei dem Auftraggeber vermieden werden.

Die Beanstandung muss innerhalb von sieben Kalendertagen nach Absendung der Mitteilung des Auftraggebers, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, gegenüber dem Auftraggeber geltend gemacht werden. In der Mitteilung über die Nichtabhilfe sind der Bieter oder Bewerber über die Beanstandungsfrist von sieben Kalendertagen und das weitere Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 3 zu informieren. Der weitere Verfahrensablauf nach Eingang der Beanstandung bei dem Auftraggeber wird durch den Hinweis auf § 5 Abs. 1 NachprV vorgegeben. Eine Mitteilung an das Unternehmen über die Nichtabhilfe der Beanstandung durch den Auftraggeber ist in dem Fall, in dem die Rüge kurz zuvor zu rückgewiesen wurde nicht erforderlich. Ansonsten würde dies zu einer unnötigen Doppelung führen.

Praxishinweis:
Muster für ein Nichtabhilfeschreiben zu § 5 Abs. 3 NachprV

2. Neuer Präklusionstatbestand nach § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV
Im unmittelbaren Zusammenhang mit der neuen Beanstandungsmöglichkeit nach § 5 Abs. 3 NachprV steht die Ergänzung in § 10 Abs. 3 NachprV. Hat der öffentliche Auftraggeber einer Rüge im laufenden Vergabeverfahren nicht abgeholfen und sind auf die Nichtabhilfemitteilung sieben Kalendertage verstrichen, kann der Bieter oder Bewerber in einem späteren Nachprüfungsverfahren mit diesem Einwand nicht mehr gehört wer den. Mit § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV wurde also ein weiterer Präklusionstatbestand auf genommen.

Diese Regelung ist § 160 Abs. 3 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Juni 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 190) für das Kartellvergaberecht nachgebildet. Es sei darauf hingewiesen, dass für die Fristberechnung der sie ben Kalendertage auf die Absendung der Nichtabhilfemitteilung durch den Auftraggeber und nicht auf den Eingang der Mitteilung beim Bieter oder Bewerber abzustellen ist. Im Zusammenwirken mit § 5 Abs. 3 (neu) dient § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV dazu, Vergabeverfahren zu beschleunigen.

3. Nachprüfungsverfahren nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens
(§ 5 Abs. 4 NachprV neu)
Im neuen § 5 Abs. 4 NachprV ist nun ausdrücklich die Möglichkeit einer Nachprüfung im Falle der Aufhebung eines Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber vorgesehen. Die Vergabeprüfstelle hatte in der Vergangenheit-wie im Oberschwellenbereich – auch über die Rechtmäßigkeit von aufgehobenen Vergabeverfahren entschieden. Wurde ein Vergabeverfahren aufgehoben, stellte sich jedoch die Frage, innerhalb welcher Frist eine mögliche Beanstandung gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber einzureichen war. Denn weder die Mitteilung über die Aufhebung nach § 17 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (BAnz. AI 19.02.2019 B2, 3) noch § 48 der Unterschwellenvergabeordnung (BAnz. AI 07.02.2017 B1; 08.02.2017 B1) sehen eine Belehrung über die Beanstandungsfrist oder weitere Informationen vor. Künftig sind daher im Aufhebungsschreiben die Bieter oder Bewerber über die Beanstandungsfrist von sieben Kalendertagen und das weitere Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 3 NachprV zu informieren. Der weitere Verfahrensablauf im Falle einer Beanstandung richtet sich ebenfalls nach § 5 Abs. 1 NachprV.

Praxishinweis:
• Muster für ein Aufhebungsschreiben mit Belehrung nach § 5 Abs. 4 NachprV
• Muster für eine Nichtabhilfemitteilung nach § 5 Abs. 4 NachprV

4. Frist für die Entscheidung der Vergabeprüfstelle (§ 9 Abs. 1 Satz NachprV)
Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 geregelte Entscheidungsfrist wurde von zwei auf drei Wochen verlängert. Dies ist eine Reaktion auf das Ergebnis der Evaluation. Mehr als 80% der überprüften Vergabeverfahren machten öffentliche Aufträge über umfangreiche und komplexe Bauleistungen aus. So musste festgestellt werden, dass die bisherige Entscheidungsfrist nach Vorlage der vollständigen Vergabeakte sehr häufig nicht einzuhalten war. Zur Gewährleistung einer sachgerechten Entscheidungsfindung wurde die Regelfrist für die Entscheidung daher auf drei Wochen festgesetzt. Die für Ausnahmefälle vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 beträgt nun höchstens zwei Wochen.

5. Zu den Schlussbestimmungen (§§ 12 und 13 NachprV)
Durch die erste Änderungsverordnung wurde die Möglichkeit der Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich für weitere drei Jahre bis 30. Juni 2027etabliert. Die Übergangsregelung wurde entsprechend angepasst.
Die Anwendung und die Auswirkungen der Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren sind durch das für die Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens zuständige Ministerium bis zum 30. Juni 2026 erneut zu evaluieren.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung im Einzelfall der Text der Landesverordnung maßgebend ist.

Ich bitte die Ressorts, die Vergabestellen sowie die Bewilligungsbehörden ihres Geschäftsbereichs entsprechend zu informieren. Die Rundschreiben zur Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich sind gemeinsam mit den Rechtsgrundlagen und den Mustervorlagen auf der Internetseite des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (https://mwvlw.rlp.de/thernen/oeff&fitlicheauftraeqeundverqabe/nachpruefungsverfahren) abrufbar.

Mit freundlichen Grüßen

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in Ausnahmefällen – Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb setzt systematische Markterkundung voraus

Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in Ausnahmefällen - Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb setzt systematische Markterkundung voraus

Die Vorschrift des § 14 Abs. 4 Nr. 2 b VgV, wonach der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben kann, wenn der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist, ist als Ausnahmetatbestand eng auszulegen. Es muss auch ausgeschlossen sein, dass für die Auftragsdurchführung weitere Unternehmen in Frage kommen, die die für den Auftrag notwendigen Fähigkeiten und Ausstattungen zwar noch nicht haben, aber rechtzeitig erwerben können.
OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2021 – 13 Verg 9/21

Ein öffentlicher Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb (also ohne Bekanntmachung) vergeben, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist.

Voraussetzung für eine Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb ist, dass es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsparameter ist.

Die Verkürzung des Wettbewerbs auf ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb setzt eine systematische Markterkundung als Faktenbasis der Wettbewerbsbeschränkung voraus.
VK Lüneburg, Beschluss vom 20.09.2021 – VgK-33/2021

Der Nichteintritt der Unwirksamkeit eines ohne Bekanntmachung vergebenen Auftrags nach § 135 Abs. 3 GWB setzt voraus, dass der öffentliche Auftraggeber der Ansicht ist, dass die Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung zulässig ist (Satz 1 Nr.1 der Vorschrift). Der Auftraggeber muss bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen dafür tatsächlich erfüllt sind, sorgfältig gehandelt haben. Dies kann in der Regel nur dann festgestellt werden, wenn entsprechende nach außen erkennbare Tatsachen vorliegen.
OLG Celle, Beschluss vom 09.11.2021 – 13 Verg 9/21

Lieferauftrag über ballistische Helme: Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässig

Lieferauftrag über ballistische Helme: Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässig

Die Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Vertrags endet 30 Kalendertage nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union. Notwendige Voraussetzung für diesen Fristbeginn ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung. Fehlt es in der Bekanntmachung an notwendigen Bestandteilen oder sind diese fehlerhaft, beginnt die Frist nicht zu laufen.
Die 30-Tages-Frist beginnt zudem nur dann zu laufen, wenn in der Bekanntmachung begründet wird, warum der Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben hat.

Wenn sich ein Auftraggeber auf die Verfristung des Vergabenachprüfungsantrags berufen will, indem er sich die Publizität des EU-Amtsblattes zu Nutze macht, muss er Sorge dafür tragen, dass der in die Bekanntmachung aufzunehmende Hinweis in Bezug auf die Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen richtig und die Rechtsbehelfsinstanz zutreffend bezeichnet ist.

Im Bereich der Gefahrenabwehr ist der Ausnahmetatbestand, der eine Vergabe von Aufträgen aus dringlichen zwingenden Gründen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässt, mit größerer Toleranz zu betrachten, da hier eine Vorhersehbarkeit in der Regel nicht gegeben ist. Bei einer akuten oder jedenfalls möglicherweise bevorstehenden Gefährdung von Menschen und der Abwehr bevorstehender terroristischer Angriffe handelt es sich regelmäßig um Umstände, bei denen ein Abwarten des Auftraggebers nicht erlaubt ist. In einem solchen (Ausnahme-)Fall ist die Auftragsvergabe dringlich und dem Auftraggeber ist es auch nicht zuzumuten, die (verkürzten) Fristen für das Nichtoffene Verfahren bzw. Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einzuhalten.

Im Rahmen der Beurteilung einer (allgemeinen) Gefährdungslage haben Auftraggeber eine Einschätzungsprärogative mit der Folge, dass ihre Beurteilung der Sicherheitslage von den Betroffenen hingenommen werden muss und nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen unterworfen werden kann.
VK Sachsen, Beschluss vom 17.06.2016 – 1/SVK/011-16

Auch wenn die Erwägungen für eine Direktvergabe weder Eingang in die Vergabeakte gefunden haben noch in der Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union angesprochen worden sind, ist es dem Auftraggeber nicht verwehrt, sich im Vergabenachprüfungsverfahren darauf zu berufen.
OLG Dresden, Beschluss vom 21.09.2016 – Verg 5/16

Ax Vergaberecht
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