Ax Vergaberecht

OLG Köln zu der Frage, dass ein Angebot als nicht formgerecht auszuschließen ist, wenn das Leistungsverzeichnis nur als pdf-Dokument eingereicht wird, obwohl der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegt hat, dass das Leistungsverzeichnis unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 einzureichen ist

OLG Köln zu der Frage, dass ein Angebot als nicht formgerecht auszuschließen ist, wenn das Leistungsverzeichnis nur als pdf-Dokument eingereicht wird, obwohl der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegt hat, dass das Leistungsverzeichnis unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 einzureichen ist

von Thomas Ax
Ein Angebot ist als nicht formgerecht auszuschließen, wenn das Leistungsverzeichnis nur als pdf-Dokument eingereicht wird, obwohl der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegt hat, dass das Leistungsverzeichnis unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 einzureichen ist.
Sowohl GAEB-Programme als auch Windows PCs oder das XML-Format sind allgemein verfügbar und mit allgemein verbreiteten Geräten kompatibel im Sinne von § 11a Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016.
OLG Köln, Urteil vom 07.02.2024 – 11 U 118/20

Gründe

I.

Die Klägerin, die ein auf Abbruch- und Sanierungsarbeiten spezialisiertes Bauunternehmen betreibt, verlangt vom Beklagten Ersatz entgangenen Gewinns wegen Nichtberücksichtigung bei einer Vergabe.

Am 7. Februar 2019 schrieb der Beklagte für das Bauvorhaben “JVA P.” die Schadstoffsanierung sowie Abbruch- und Geländearbeiten aus, nachdem eine Kostenberechnung eine Auftragssumme von 136.950,00 EUR netto ergeben hatte. Nach Ziffer 7 der Ausschreibungsbedingungen konnten Angebote elektronisch in Textform eingereicht werden. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots waren Anlagen aufgelistet, “die, soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen” waren, und zwar unter anderem

“Angebotsschreiben

Teile der Leistungsbeschreibung: Leistungsverzeichnis/Leistungsprogramm als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84″.

Die Klägerin gab unter dem 4. März 2019 ein Angebot ab, das mit einer Angebotssumme von 165.001,13 EUR netto abzüglich eines Nachlasses von 10 % (ergibt 148.501,02 EUR netto) das günstigste war. Dabei reichte sie die Angebotsunterlagen jedenfalls vollständig im PDF-Format ein. Der Beklagte schloss das Angebot der Klägerin von der Prüfung aus, da es nicht in Form einer GAEB-Datei eingereicht worden sei. Am 12. März 2019 hob er die Ausschreibung wegen des Eingangs unvollständiger Angebote sowie wegen einer Kostenüberschreitung in Höhe von 50 % im Verhältnis zur Kostenberechnung und zum Budget auf. Darüber informierte er die Klägerin zunächst nicht. Stattdessen schrieb er die Leistungen, ohne die Klägerin einzubeziehen, im Rahmen eines formlosen Verhandlungsverfahrens neu aus und beauftragte am 12. April 2019 einen Drittunternehmer; die Auftragssumme betrug 131.947,96 EUR netto.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Ersatz des Gewinns, der ihr nach ihrer Behauptung durch die Nichterteilung des Zuschlags auf ihr Angebot vom 4. März 2019 entstanden ist. Sie hält es für rechtswidrig, dass der Beklagte ihr Angebot von der Prüfung ausgeschlossen hat. Sie behauptet, sie habe das Leistungsverzeichnis auch in Form einer GAEB-Datei eingereicht.

Der Beklagte meint, er habe das Angebot der Klägerin nicht nur wegen Nichteinhaltung der festgelegten Form, sondern auch mangels Eignung ausschließen dürfen. Hierzu hat er behauptet, die Klägerin habe für das Bauvorhaben “Z., L.” unberechtigte Nachträge zu sittenwidrig überhöhten Einheitspreisen geltend gemacht und habe sich bei der Berechnung von Stillstandskosten auf eine Baugeräteliste bezogen, die ursprünglich nicht Grundlage ihrer Kalkulation gewesen sei. Im Rahmen des Bauvorhabens “JVA N., Neubau Flügel C” habe sie Arbeiten an asbesthaltigen Baustoffen vorgenommen, ohne die einschlägigen Sicherheitsvorschriften zu beachten. Auch im Rahmen der Baumaßnahme “V. A.” habe die Klägerin mangelhafte Leistungen erbracht.

Durch Urteil vom 28. Juli 2020 (Bl. 267 ff. GA), auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens, der erstinstanzlich gestellten Anträge, der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil der Beklagte die Klägerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vom Vergabeverfahren habe ausschließen dürfen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Mit Urteil vom 25. August 2021 hat der Senat die landgerichtliche Entscheidung abgeändert und die Klage dem Grunde nach für berechtigt erklärt (Bl. 375 ff. GA). Der Bundesgerichtshof hat in der Folge das Grundurteil des Senats durch Urteil vom 16. Mai 2023 zum Az. XIII ZR 14/21 aufgehoben und den Rechtsstreit an den Senat zurückverwiesen (Bl. 72 ff. BGH-Heft).

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 36.307,31 EUR netto und Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.316,90 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise beantragt sie gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17. Januar 2024 (Bl. 430 f. GA) durch Vernehmung der Zeugen D., W., M. und B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17. Januar 2024 (Bl. 430 ff. ff. GA) Bezug genommen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber in der Sache letztlich nicht begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung des in der Ausschreibung liegenden vorvertraglichen Schuldverhältnisses zu. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

Der Beklagten hat das Angebot der Klägerin vom 4. März 2019 zu Recht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind unter anderem solche Angebote auszuschließen, die den Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 nicht entsprechen. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A 2016 legt der Auftraggeber fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind. Im Streitfall entsprach das Angebot der Klägerin nicht diesen Festlegungen.

1.

Wie der Bundesgerichtshof für den zweiten Rechtsgang bindend entscheiden hat, war der Beklagte grundsätzlich berechtigt, Festlegung zur Verwendung von elektronischen Mitteln in der getroffenen Weise zu treffen.

§ 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A 2016 berechtige den Auftraggeber auch, festzulegen, mit welchen elektronischen Mitteln im Sinne von §§ 11, 11a VOB/A 2016 Angebote einzureichen sind. Zur “Form” i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A 2016 gehören auch die elektronischen Mittel i.S.v. §§ 11, 11a VOB/A 2016. Werden diese festgelegten Mittel nicht verwendet, ist das Angebot nicht formgerecht eingereicht und gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 auszuschießen (BGHU Rn. 11 u. 29).

Die Beklagte hat in den Vergabeunterlagen festgelegt, dass das Leistungsverzeichnis unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 einzureichen ist (BGHU Rn. 28).

Dieser Vorgabe hat die Klägerin nicht genügt. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin das Leistungsverzeichnis nur als pdf-Dokument, nicht indes auch als GAEB-Datei eingereicht hat:

Die Aussage der Zeugin M. war allerdings nicht ergiebig; sie hatte an die Vollständigkeit des Angebots der Klägerin das in Rede stehende Vergabeverfahren betreffend keinerlei Erinnerung (Bl. 432 GA).

Der Senat folgt jedoch den insoweit in sich stimmigen und zudem überzeugenden Bekundungen der Zeugen W. und B., die übereinstimmend bekundet haben, dass die Klägerin ihr Angebot zwar mit zahlreichen Dokumente elektronisch eingereicht habe, aber ohne GAEB-Datei – weder das Leistungsverzeichnis noch ein anderes Dokument (Bl. 432 f. GA). Die Zeugin W. war dabei als Schriftführerin bei der Eröffnung der vier eingegangenen elektronischen Angebote zugegen. Der Senat verkennt nicht, dass diese Zeugen als Mitarbeiter des Beklagten ein Näheverhältnis zu diesem aufweisen. Er hat jedoch nicht den Eindruck gewonnen, dass sich die Zeugen hiervon bei ihrer Aussage hätten leiten lassen. Die Zeugin W. hat den Vorgang ohne jegliche Belastungstendenz beschrieben und erst auf Nachfrage angegeben, dass eine GAEB-Datei nicht dabei gewesen sei. Der Zeuge B. hat ebenfalls ohne Belastungstendenz beschrieben, dass er zwar schon in das Vergabeverfahren unterstützend eingebunden war, sich die Angebotsunterlagen aber nicht zeitnah angeguckt habe, sondern erst im letzten Jahr. Die Bekundungen des Zeugen B. entsprechen dem durch den Beklagte vorgelegten Ausdruck aus der elektronischen Vergabeplattform, aus der sich zahlreiche pdf-Dateien, indes keine GAEB-Datei ergibt (Anlage BZ 1, Bl. 402 f. GA), und werden somit durch objektive Umstände gestützt. Zudem konnte dieser Zeuge dem Senat und den Parteien im Rahmen der Beweisaufnahme auch eigenständigen Einblick in die elektronische Vergabeplattform des Beklagten verschaffen mit dem Ergebnis, dass – bezogen auf die Angebotsunterlagen der Klägerin – dort keine GAEB-Datei ersichtlich war (Bl. 433 GA). Die Klägerin hat diesem eindeutigen Ergebnis der richterlichen Inaugenscheinnahme nicht widersprochen.

Die Überzeugungskraft dieser Bekundungen der Zeugen W. und B. sowie des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der für die Klägerin tätige Zeuge D. abweichend bekundet hat, er habe auch die durch das Kalkulationsprogramm befüllte GAEB-Datei routinemäßig und ohne dass er nachdenken müsse hochgeladen auf die Vergabeplattform des Beklagten (Bl. 431 GA). Denn objektiv sind auf dieser Vergabeplattform die Angebotsunterlagen ohne die GAEB-Datei gespeichert, wobei der Zeuge B. überzeugend ausgeführt hat, dass sie auch nicht etwa gelöscht werden können (Bl. 433 GA). Es liegt daher nahe, dass dem Zeugen D. ein Versehen unterlaufen oder ein technischer Defekt beim Befüllen des Ordners vor dem Hochladen aufgetreten ist.

Soweit die Klägerin vorbringt, unvollständige Angaben lasse das Bietertool technisch gar nicht zu (Bl. 3 f. u. 414 GA), trifft diese vage, nicht näher beschriebene und aus sich heraus auch nicht verständliche Behauptung bereits nach den Angaben des von ihr benannten Zeugen D. nicht zu. Dieser hat nämlich bekundet, dass die mittels des von ihm verwendeten Kalkulationsprogramms “K.” befüllte GAEB-Datei neben anderen Dateien von ihm in einen Ordner gelegt und dieser Ordnerinhalt sodann auf die elektronischen Vergabeplattform hochgeladen werde. Dies gehe für ihn schon automatisch (Bl. 431 GA). Damit hat er indes lediglich eine von ihm verinnerlichte Routine, ausdrücklich aber keine technisch notwendige Verfahrensweise beschrieben. Der insoweit angetretene Sachverständigenbeweis (Bl. 4 GA) der Klägerin geht danach als offensichtliche Ausforschung ins Leere, zumal auch unverständlich wäre, inwieweit das Bietertool eine allgemeine technische Vorgabe zur zwingenden Einreichung einer GAEB-Datei treffen könnte, wo doch das vorgegebene technische Mittel im jeweiligen Vergabeverfahren durch den Auftraggeber bestimmt werden muss.

2.

Das vorgegebene Softwareprogramm GAEB-Datei erfüllt auch den Anforderungen von § 11a VOB/A 2016.

Nach dieser § 11 VgV entsprechenden Regelung müssen elektronische Mittel und deren technische Merkmale allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sein. Sie dürfen den Zugang von Unternehmen zum Vergabeverfahren nicht einschränken und die barrierefreie Ausgestaltung muss gewährleistet sein.

Hierzu stellte die Revisionserwiderung und stellt nun die Berufung darauf ab, dass die Systemvoraussetzung eines Windows PC und das verwendete XML-Format nicht allgemein verfügbar und kompatibel i.S.v. § 11a Abs. 1 S. 1 VOB/A 2016 sei (Bl. 65 f. BGH-Heft u. 414 GA).

Dies ist unzutreffend: Sowohl GAEB-Programme als auch Windows PCs oder das XML-Format sind allgemein verfügbar und mit allgemein verbreiteten Geräten kompatibel.

GAEB steht für “Gemeinsamer Ausschuss Elektronik im Bauwesen” und fördert die Rationalisierung im Bauwesen mittels Datenverarbeitung. Das einheitliche Format dient zum einfachen Austausch von Daten zwischen den am Bau Beteiligten. Ziel des GAEB ist eine effiziente Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) von Bauleistungen zu ermöglichen (zum Ganzen Vergabekammer Freistaat Thüringen, Beschluss vom 20. Mai 2020 – 250-4002-817/2020-E-003-SH K -, juris Rn. 132). Dieses Format ist allgemein verfügbar und kompatibel, kann also von allen Menschen gegen ein marktübliches Entgelt erworben werden und ist mit üblicherweise verwendeten Geräten bzw. Programmen nutzbar (s. dazu Schranner, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A u. B, 22. Aufl. 2023, § 11a VOB/A Rn. 2). Die Beklagte stellt nach Klägervortrag ein kostenloses Programm für den Versand nach dem GAEB-Standard zur Verfügung (Bl. 65 BGH-Heft); jeder Bieter kann damit dem GAEB-Standard entsprechen. GAEB-Dateien sind ferner – was die Bekundungen des Zeugen D. eindrücklich bestätigen – branchenüblich, was auch ihre übliche Verwendung indiziert (Prell, in: VergabeR-HdB, 3. Aufl. 2021, § 5 Rn. 58).

Zwar mag wiederum das Betriebssystem Windows eine Systemvoraussetzung sein. Auch Windows liegt aber – wie allgemein bekannt – nicht außerhalb üblicher Standards, sondern wird üblicherweise verwendet und ist allen Menschen zugänglich gegen ein markübliches Entgelt. Ob die GAEB-Dateien auch mit den Betriebssystemen von Apple oder dem Betriebssystem Linux hergestellt und bearbeitet werden können, ist insoweit entgegen der Ansicht der Berufung unerheblich. Allgemein verfügbar und kompatibel i.S.v. § 11a Abs. 1 S. 1 VOB/A 2016 ist jede am Markt frei verfügbare Standardlösung; unzulässig sind demgegenüber nur Sonderkonfigurationen, die besondere Programme oder besondere EDV-Fähigkeiten erfordern, die außerhalb üblicher Standards liegen und deshalb nur für einen eingeschränkten Kreis von Nutzern verwendbar sind (vgl. Planker, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/A u. B, 8. Aufl. 2022, § 11a VOB/A Rn. 2). Rechtlich gefordert ist mithin nicht etwa, dass jeglicher EDV-Standard akzeptiert wird.

Auch das XML-Format zählt schließlich zu den mit allgemein verbreiteter Hard- und Software kompatiblen Dateiformaten (Wichmann, in: Zielkow/Völlink, VergabeR, 4. Aufl. 2020, § 11 VgV Rn. 5).

Der Zugang zum Vergabeverfahren wird nach alledem vorliegend nicht i.S.v. § 11a Abs. 1 S. 2 VOB/A 2016 durch unzumutbare technische Hürden eingeschränkt.

OLG Düsseldorf zu der Frage, dass der öffentliche Auftraggeber im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb grundsätzlich die Eignung der Unternehmen prüft, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt und dass mit der positiven Eignungsprüfung – anders als im offenen Verfahren – ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet wird

OLG Düsseldorf zu der Frage, dass der öffentliche Auftraggeber im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb grundsätzlich die Eignung der Unternehmen prüft, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt und dass mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet wird

von Thomas Ax

Hat der Bieter ein vorheriges Nachprüfungsverfahren insgesamt für erledigt erklärt, spricht viel für die Begründung eines schützenswerten Vertrauenstatbestands zu Gunsten des Auftraggebers dergestalt, dass der Bieter die nach Einschätzung der Vergabekammer für unbegründet gehaltene Beanstandung bezüglich der Eignungsleihe endgültig fallen gelassen hat. Der erneuten Rüge der Unzulässigkeit der Eignungsleihe in einem weiteren Nachprüfungsverfahren stünde dann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Unternehmen grundsätzlich, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung – anders als im offenen Verfahren – ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet. Etwas anderes gilt, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat (hier: Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers).
Öffentliche Auftraggeber trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. Bei der Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen.
Vor diesem Hintergrund wird der durchschnittliche Bieter von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt beziehungsweise eine Selbstausführung vorgeschrieben wird. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist diese zulässig, da nicht auf das Übliche – ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche – ihren Ausschluss – hingewiesen werden muss.
Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren. Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden. Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde; die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2022 – Verg 47/21

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 26. Juni 2020 ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb betreffend ein Telemedizinisches Versorgungsprogramm für ihre Versicherten mit den Indikationen Herzinsuffizienz und/oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung EU-weit aus (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer …). Die Ausschreibung ist durch Bekanntmachungen vom …, Bekanntmachungsnummer …, in Bezug auf die Bewerberauswahl bei gleicher Anzahl der Referenzprojekte, und vom …, Bekanntmachungsnummer …, in Bezug auf die Eignungsanforderungen berichtigt worden.

Der Ausschreibungsgegenstand war die telemedizinische Versorgung von Versicherten der B. mit Herzinsuffizienz und/oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) im Rahmen eines Vertrages der Besonderen Versorgung nach § 140a Abs. 4a SGB V, wobei die Betreuung ein tägliches Telemonitoring von Zeichen und Beschwerden der behandlungsführenden Indikation bzw. Indikationen umfasst. Dafür werden die Versicherten mit indikationsspezifischen telemedizinischen Geräten ausgestattet. Die erhobenen Werte werden kontinuierlich und automatisch an den Auftragnehmer übermittelt und dort überprüft. Bei Auffälligkeiten wird ein Alarm beim Auftragnehmer ausgelöst und der Versicherte durch den Auftragnehmer kontaktiert, um die Ursache für die Auffälligkeit zu ermitteln und wenn möglich zu beheben. Neben diesen anlassbezogenen Kontakten erfolgt in regelmäßigen Abständen die Kontaktaufnahme durch den Auftragnehmer beim Versicherten zur allgemeinen Betreuung im Programm sowie zum Zweck von indikations- und gesundheitsbezogenen Schulungen.

Bewerber hatten ihre Eignung und Leistungsfähigkeit bezüglich der Organisation, Administration und Durchführung durch nach Art und Größe vergleichbare Referenzprojekte für gesetzlich Krankenversicherte in den letzten fünf Jahren nachzuweisen, wobei die Antragsgegnerin lediglich solche Bewerber als geeignet erachtet, welche wenigstens ein entsprechendes Referenzprojekt nachweisen können. Als Referenz eignete sich nach der Bekanntmachung in der Fassung der Änderungsbekanntmachung vom 23. Juli 2020 ein Projekt, bei dem gleichzeitig mindestens 5.000 Versicherte mit mindestens einer chronischen Erkrankung, darunter möglichst die Herzinsuffizienz, über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten telemedizinisch hinsichtlich mindestens einer chronischen Erkrankung betreut wurden. Die Versicherten sollten möglichst aus dem Bereich der GKV stammen. Das Referenzprojekt musste mit mindestens 20 Mitarbeitern in der telemedizinischen Betreuung durchgeführt worden sein (Ziffer VII.1.2 der Bekanntmachung in der Fassung der Berichtigung vom … unter Änderung von Ziffer III.1.3 der ursprünglichen Bekanntmachung).

Im Fall der Bildung einer Bewerbergemeinschaft konnten die diesbezüglichen Erklärungen gemeinsam erbracht werden, wobei die Erklärungen jeweils auf den Leistungsteil zu beziehen waren, den das jeweilige Mitglied der Bewerbergemeinschaft übernommen hat. Im Fall des Einsatzes von Nachunternehmern waren die Erklärungen für Nachunternehmer insoweit zu erbringen, wie sie auf die vom Nachunternehmer zu übernehmende Leistung anwendbar sind (Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung). Die Verpflichtungserklärung des benannten Dritt-/Nachunternehmers gegenüber dem Bieter war spätestens vor Zuschlagserteilung einzureichen (Ziffer III.1.1 der Bekanntmachung).

Der Preis war nicht das einzige Zuschlagskriterium (Ziffer II.2.5. der Bekanntmachung). Daneben sollten auch qualitative Aspekte mit maximal 60 von 100 Punkten Berücksichtigung finden (Ziffer 10 der Teilnahmebedingungen). Zu den jeweils mit 0 bis 6 Punkten zu bewertenden Qualitätskriterien gehörte als Nummer 8 auch die persönliche Präsentation der Angebotsunterlagen. Nach den Bewertungskriterien waren dabei die in der Leistungsbeschreibung zu den jeweiligen Kriterien dargestellten Beschreibungen und Anforderungen zu berücksichtigen, weil die dort aufgeführten Anforderungen Aspekte hervorheben, die der Auftraggeberin besonders wichtig sind. Insgesamt handelte es sich um 19 unterschiedlich gewichtete Einzelkriterien. 0 Punkte erhielt ein Bieter, wenn Ausführungen zu dem jeweiligen Kriterium fehlen oder in wesentlichen Punkten unzureichend oder unvollständig sind, 2 Punkte, wenn einzelne Unklarheiten bestehen, jedoch verständliche und wertbare Ansätze vorhanden sind, 4 Punkte, wenn die Anforderung voll erfüllt werden, und 6 Punkte, wenn die Anforderungen in besonderem Maße erfüllt werden. Die danach zu vergebenden Punkte konnten sich dabei durch einen Vergleich mit anderen Anbietern ergeben (Anlage B4 der Vergabeunterlagen).

Nach Ziffer III.2. der Bekanntmachung, Bedingungen für den Auftrag, Unterpunkt 1. musste der Bewerber zum berechtigten Personenkreis nach § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V gehören, also Hersteller von Medizinprodukten im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte sein. Dementsprechend wurde in den Teilnahmebedingungen, Anlage A0, die Erklärung, Medizinproduktehersteller i.S.d. § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V und damit berechtigt zu sein, mit einer gesetzlichen Krankenkasse einen Vertrag über besondere Leistungen nach § 140a Abs. 4a SGB V zu schließen, vom Bieter gefordert.

Die Antragstellerin, die Bestandsbieterin, und die Beigeladene sowie die im Parallelverfahren antragstellende, drittplatzierte Bieterin I. reichten nach erfolgreichem Teilnahmeantrag und unverbindlichem Erstangebot jeweils fristgerecht ein verbindliches Angebot ein. Mit Schreiben vom 8. Januar 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen; das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste. Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung, das Angebot der Beigeladenen sei wegen fehlender Referenzen auszuschließen, diese könnten nicht im Wege der Eignungsleihe nachgewiesen werden. Bezüglich der Bewertung sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb sie nur bei den Kriterien 4 und 6.2. und nicht auch bei den Kriterien 1.5., 2.2., 2.3. und 2.4. die Höchstpunktzahl erhalten habe. Diese Rüge wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14. Januar 2021 zurück. Die Eignungsleihe sei nicht in Abweichung von § 47 VgV ausgeschlossen worden, bei der Bewertung sei es ihr aus Gründen der Gleichbehandlung verwehrt, auf die Kenntnisse aufgrund der bisherigen guten Zusammenarbeit zurückzugreifen.

Die Antragstellerin beantragte am 18. Januar 2021 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer erteilte den rechtlichen Hinweis, der Referenznachweis im Wege der Eignungsleihe begegne keinen Bedenken, diese sei nicht ausgeschlossen worden; allerdings sei die Wertung problematisch, es sei nicht zulässig, in wettbewerbskonformer Weise erworbene Vorteile des bisherigen Leistungserbringers nicht zu berücksichtigen, auch müsse ein Angebot von Zusatzgeräten einen Niederschlag finden. Die Antragsgegnerin hat daraufhin das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt und das Vergabenachprüfungsverfahren für erledigt erklärt. Die Antragstellerin hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen, weil sie ihr Rechtsschutzziel erreicht habe.

Mit Schreiben vom 18. März 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin erneut mit, dass beabsichtigt sei der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Zwar habe die Neubewertung zur Bewertung des Angebots der Antragstellerin auch bei den Kriterien 1.5. und 2.3. zu der Höchstpunktzahl geführt, hierdurch ändere sich jedoch die Wertungsreihenfolge nicht. Mit Schreiben vom 24. März 2021 rügte die Antragstellerin erneut die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Weshalb die qualitätserhöhenden Umstände nicht auch bei den Kriterien 1.1., 2.4., 2.5., 6.1. und 8. zu einer Erhöhung geführt hätten, sei nicht nachvollziehbar. Zudem sei das Angebot der Beigeladenen wegen Einbindung eines Eignungsleihgebers, der auch nicht Medizinproduktehersteller sei, auszuschließen. Diese Rüge wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. März 2021 zurück, sie habe sich auf die von der Vergabekammer beanstandeten Kriterien beschränkt, eine Doppelbewertung der gleichen Punkte sei nicht erfolgt.

Die Antragstellerin beantragte daraufhin mit Anwaltsschriftsatz vom 12. April 2021 erneut die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu dessen Begründung sie ihr Rügevorbringen wiederholte und vertiefte. Die zu ihren Gunsten zu berücksichtigende qualitätserhöhende Aspekte müssten insgesamt berücksichtigt werden, stattdessen habe sich die Antragsgegnerin an ein vermeintliches Doppelverwertungsverbot gebunden gefühlt. Zudem müssten die qualitätserhöhenden Aspekte auch im Vergleich zu den Mitbietern berücksichtigt werden. Zudem sei das Angebot der Beigeladene wegen Einbindung eines Dritten, der nicht Medizinproduktehersteller sei, auszuschließen, zumal auch bereits die Eignungsleihe ausgeschlossen sei.

Nach Vorlage der in dem von der drittplatzierten Bieterin eingeleiteten parallelen Nachprüfungsverfahren von der Vergabekammer angeordneten Neudokumentation (Anlagenkonvolut BG 1) der Angebotsbewertung hat die Antragstellerin ihre Beanstandung der Bewertung auf das Kriterium 2.1. erweitert.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. die Antragsgegnerin anzuweisen, das Vergabeverfahren erneut in den Stand vor Beginn der Angebotsauswertung zurückzuversetzen und die Zuschlagsentscheidung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu treffen;

2. ihr Akteneinsicht zu gewähren;

3. die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und die mit Beschluss vom 14. April 2021 hinzugezogene Beigeladene haben beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen;

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter durch sie notwendig war.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben vorgetragen, die Antragstellerin sei mit dem vermeintlichen Verstoß gegen § 140a SGB V bereits wegen Erklärung des ersten Nachprüfungsverfahrens für erledigt ausgeschlossen, wegen der Unzulässigkeit der Eignungsleihe sei sie präkludiert. Die Bewertung halte sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums und weise keine Beurteilungsfehler auf.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2021 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zwar sei dieser insgesamt zulässig, da mit der Rückversetzung des Vergabeverfahrens und erneuter Zuschlagsentscheidung sich auch die Wertung der Beigeladenen als geeignet aktualisiert habe. Bei einem übereinstimmend für erledigt erklärten Nachprüfungsverfahren fehle es auch an einer erneuten Befassung entgegenstehenden bestandskräftigen Entscheidung der Vergabekammer. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Die Eignungsleihe sei in § 47 VgV ausdrücklich vorgesehen. Soweit § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V Abweichungen gestatte, fehle es am erforderlichen Ausschluss der Eignungsleihe. Im Gegenteil spreche die Zulassung der vollständigen Leistungserbringung durch Nachunternehmer in Ziffer 6 der Teilnahmebedingungen für die Zulässigkeit auch der Eignungsleihe. Dem stehe auch nicht § 140a Abs. 4a SGB V entgegen, der Gesetzgeber habe die Eignungsleihe auch im Rahmen dieser Sonderregelung gerade nicht ausgeschlossen. Letztendlich stehe einem Ausschluss aber bereits der mit der Zulassung zum Verhandlungsverfahren begründete Vertrauenstatbestand entgegen. Die Bewertung des Angebots lasse keine Fehler erkennen, nicht jede Übererfüllung müsse zu einer Bewertung mit mehr als vier Punkten führen. Dabei sei es auch sachgerecht, Mehrleistungen schwerpunktmäßig einzelnen Wertungskriterien zuzuordnen.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Die Wertung des Angebots der Beigeladenen sei mit § 140a Abs. 4a SGB V unvereinbar. Der Gesetzgeber habe diese Vertragsart nur für eine bestimmte Gruppe von Vertragspartnern zugelassen, wesentliche Leistungen würden aber von der Eignungsleihgeberin erbracht, die kein Medizinproduktehersteller sei. Ein gleichwohl geschlossener Vertrag sei unwirksam, weshalb ein auf ein solches Angebot erteilter Zuschlag gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstieße. Es liefe auch dem Gleichheitsgrundsatz zuwider, einen Bieter zu bezuschlagen, der die sozialrechtlichen Vorgaben nicht einhalte. Auch gehe es nicht an, zumindest eine Unsicherheit in Bezug auf die Eignungsleihe zu schaffen. Da eine Unvereinbarkeit der Angebotskonstruktion Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Angebots habe, könne einem Ausschluss auch kein mit der Zulassung zum Verhandlungsverfahren begründeter Vertrauenstatbestand entgegengehalten werden. Hinsichtlich der Bewertung ihres Angebots fehle es an einer Berücksichtigung der qualitätserhöhenden Aspekte ihres Angebots bei der Bewertung aller Angebote. Zudem habe sich die Antragsgegnerin aufgrund eines zu Unrecht angenommenen Doppelbewertungsverbots an der Berücksichtigung der qualitätserhöhenden Aspekte ihres Angebots in mehreren Qualitätskriterien gehindert gesehen. Eine Schwerpunktbildung hätte in der Angebotsdokumentation deutlicher zum Ausdruck kommen müssen. Im Einzelnen sei nicht ersichtlich, dass die Erfahrungen ihres Akquise-Personals beim Kriterium 1.1. Berücksichtigung gefunden hätten. Es sei verfehlt, dass ihre seit 20 Jahren erfolgreiche zusätzliche Methodik der Akquisition der Versicherten bei 2.1. als Schwäche gewertet worden sei. Die von ihr zur Verfügung gestellten Zusatzgeräte müssten auch bei den Kriterium 2.4. und 6.1. zur Höchstpunktzahl führen, die langjährige Erprobung ihrer Mitarbeiter auch beim Kriterium 2.5. Es erschließe sich auch nicht, weshalb ihre überzeugende, auch die Zusatzgeräte ausführlich vorstellende Präsentation nicht höher bewertet worden sei.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 6. Oktober 2021 – Aktenzeichen: VK 2 – 45/21 – aufzuheben;

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebotswertung zu wiederholen und die Zuschlagsentscheidung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts erneut zu treffen;

3. hilfsweise, die 2. Vergabekammer des Bundes zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über Sache neu zu entscheiden;

4. die Heranziehung ihrer Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären;

5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens vor der 2. Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin, die zusätzlich eine Auferlegung der Kosten des Eilverfahrens gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB beantragt, und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Die Antragsgegnerin trägt vor, die in § 47 VgV vorgesehene Möglichkeit der Eignungsleihe sei nicht ausgeschlossen worden, von der in § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V vorgesehenen Abweichungsbefugnis habe sie gerade keinen Gebrauch gemacht, wie sich auch aus dem internen Vergabevermerk ergebe. Einer Bezuschlagung des Angebots der Beigeladenen stehe § 140a Abs. 4a SGB V schon deswegen nicht entgegen, weil die Beigeladene als ihre vorgesehene Vertragspartnerin Medizinprodukteherstellerin sei. Im Übrigen stehe einem Ausschluss wegen mangelnder Eignung bereits der durch die Zulassung zum Verhandlungsverfahren begründete Vertrauenstatbestand entgegen. Auch ihre Bewertung der Angebote sei vergaberechtskonform. Die Hinweise der Vergabekammer seien selbstverständlich bei der zwischenzeitlichen Neubewertung unterschiedslos angewandt worden. Dabei habe sie sich auch keineswegs von einem imaginären Doppelverwertungsverbot leiten lassen, sondern bestimmte Faktoren schwerpunktmäßig einzelnen Wertungskriterien zugeordnet und dort maßgeblich einfließen lassen.

Die Beigeladene trägt ergänzend vor, die Bestimmung des § 140a Abs. 4a SGB V ziele allein auf den Vertragspartner, dessen “Helfer” müssten selbst nicht Medizinproduktehersteller sein. In Anbetracht des Regel-Ausnahme-Verhältnisses sei die Eignungsleihe auch im Anwendungsbereich des § 140a SGB V immer zulässig, wenn sie nicht explizit ausgeschlossen sei. Letztendlich sei wegen der voreiligen Erledigungserklärung des ersten Nachprüfungsverfahrens insoweit aber ohnehin materieller “Klageverbrauch” eingetreten. Bei einer “Zweitklage“, die nicht auf neue Tatsachen gestützt werde, könne der Einwand der erledigten Sache entgegengehalten werden.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag teils verworfen und teils zurückgewiesen hat.

2. In der Sache hat die Beschwerde der Antragstellerin jedoch keinen Erfolg, der Nachprüfungsantrag ist insgesamt zulässig, aber unbegründet.

a) Der Nachprüfungsantrag ist auch insoweit zulässig, als die Antragstellerin die Eignungsleihe als vergabe- und sozialrechtswidrig beanstandet. Die Erklärung des ersten Vergabeverfahrens für erledigt, hindert die erneute Geltendmachung der Rüge in prozessualer Hinsicht nicht.

Der Kostenbeschluss im ersten Nachprüfungsverfahren entfaltet keine Rechtskraft hinsichtlich der Hauptsache, da nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien über diese gerade nicht entschieden worden ist (BGH, Urteil vom 28. November 1991, I ZR 297/89, GRUR 1992, 203, 205 – Roter mit Genever). Die Erledigterklärung hat lediglich die Rechtshängigkeit des Antrags beendet (BGH, Urteil vom 21. Januar 1999, I ZR 135/96, NJW 1999, 1337 – Datenbankabgleich). Einer erneuten Geltendmachung der mit für erledigt erklärten Beanstandung der Eignungsleihe als vergabe- und sozialrechtswidrig steht daher in prozessualer Hinsicht nichts entgegen. Eine eventuelle Treuwidrigkeit dieses antragstellerischen Verhaltens ist eine Frage der Begründetheit.

b) Soweit die Antragstellerin den Eignungsnachweis im Wege der Eignungsleihe als vergabe- und sozialrechtswidrig beanstandet, ist ihr Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Beigeladenen nicht wegen fehlender Eignung gemäß § 57 Abs. 1 Halbsatz 1 VgV von der Wertung auszuschließen, verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren aus § 97 Abs. 6 GWB.

aa) Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob der erneuten Rüge der Unzulässigkeit der Eignungsleihe nicht der im Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, wurzelnde Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht. Die Antragstellerin hat das erste Nachprüfungsverfahrens insgesamt, also auch in Bezug auf die als vergaberechtswidrig beanstandete Eignungsleihe durch die Beigeladene, für erledigt erklärt, obwohl die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund des rechtlichen Hinweises der Vergabekammer, die allein die Wertung für problematisch erachtet hatte, das Vergabeverfahren lediglich bis vor die Angebotswertung zurückversetzt hat.

Zwar begründet das prozessuale Fallenlassen von Ansprüchen im Allgemeinen noch kein schutzwürdiges Vertrauen in einen endgültigen Verzicht auf diese. So ist das Vertrauen des Gegners in die Klagerücknahme nach § 269 Abs. 6 ZPO allein im Hinblick auf seinen Kostenerstattungsanspruch gestützt. Für den Fall des Entfallens der Rechtshängigkeit durch Erledigterklärung gilt zivilprozessual nichts anderes. Durch die Erklärung eines Anspruchs für erledigt, wird der Kläger nicht gehindert, diesen erneut gerichtlich geltend zu machen oder im Wege der Klageerweiterung wieder in das Verfahren einzuführen (vgl. zur Wiedereinführung eines für erledigt erklärten Auskunftsantrags im Wege der Klageerweiterung: BGH, Urteil vom 21. Januar 1999, I ZR 135/96, NJW 1999, 1337 – Datenbankabgleich).

Das im besonderen Maße dem Beschleunigungsgrundsatz unterliegende Vergabeverfahren begründet jedoch ein vorvertragliches Schuldverhältnis, das die Beteiligten zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet (Senatsbeschluss vom 28. Juni 2017, VII-Verg 2/17, NZBau 2018, 54 Rn. 19), woraus etwa die Pflicht des Bieters resultiert, das seinige zur zeitnahen Klärung von Zweifelsfragen beizutragen (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2018, Verg 41/16, ZfBR 2019, 820, 825/826).

Vor diesem Hintergrund hätte die Antragstellerin, wenn sie ihre Beanstandung hinsichtlich der als unzulässig gerügten Eignungsleihe hätte aufrecht erhalten wollen, das Nachprüfungsverfahren nur teilweise für erledigt erklären und im Übrigen fortführen müssen, um diesen strittigen Punkt einer raschen Klärung durch die Vergabekammer zuzuführen. Es erscheint mit dem Beschleunigungsgrundsatz nicht vereinbar, wenn dem Bieter in einem solchen Fall gestattet wird, das Ergebnis der neuen Wertung abzuwarten und dann, wenn es nicht zu dem erhofften Ergebnis führt, erneut die mangelnde Eignung des Zuschlagsprätendenten ins Feld zu führen. Da die Antragstellerin das Nachprüfungsverfahren insgesamt für erledigt erklärt hat, weil sie erklärtermaßen mit der erneuten Angebotswertung ihr Rechtsschutzziel erreicht hat, spricht zudem viel für die Begründung eines schützenswerten Vertrauenstatbestands zu Gunsten der Antragsgegnerin dergestalt, dass die Antragstellerin die nach Einschätzung der Vergabekammer für unbegründet gehaltene Beanstandung bezüglich der Eignungsleihe endgültig fallen gelassen hat. Dies kann vorliegend letztendlich aber alles dahinstehen, da der Nachprüfungsantrag ohnehin unbegründet ist.

bb) Die Antragstellerin war nicht aus einem anderen Grund nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, die fehlende Eignung der Beigeladenen geltend zu machen. Zwar hat die Antragsgegnerin die Beigeladene nach vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zum Verhandlungsverfahren zugelassen und zur Angebotsabgabe aufgefordert. Hierdurch ist aber kein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beigeladenen dahingehend begründet worden, dass ihre Eignung (abschließend) bejaht worden ist und nachträglich nicht anders beurteilt wird.

Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber zwar gemäß §§ 42 Abs. 1 Satz 1 und 52 Abs. 1 i.V.m. § 51 VgV die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen grundsätzlich, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung – anders als im offenen Verfahren – ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 33 – Stadtbahnprogramm Gera). Dass dieser Vertrauenstatbestand im Interesse einer fairen Risikoabgrenzung zwischen öffentlichem Auftraggeber und Bieterunternehmen einer späteren Verneinung der Eignung auf gleichbleibender Tatsachengrundlage entgegensteht, ist ein letztlich in § 242 BGB wurzelnder Grundsatz, der allgemein gilt und nicht auf Bauvergabeverfahren beschränkt ist. In den Letzteren hat er mit § 16 b Abs. 3 VOB/A EU lediglich eine ausdrückliche Regelung erfahren. Mitbieter im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb haben danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen (Senatsbeschluss vom 29. März 2021, VII-Verg 9/21, NZBau 2021, 632 Rn. 24 m. w. Nw.).

Ein solcher Vertrauenstatbestand kann jedoch nur dann begründet werden, wenn der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bewerber abschließend bejaht hat, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Hieran fehlt es folglich, wenn der Bieter – so wie hier – bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat. Wer weiß, dass dem öffentlichen Auftraggeber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung zum Verhandlungsverfahren die Grundlage für eine abschließende Prüfung seiner Eignung fehlte, kann legitimerweise kein Vertrauen in die Beurteilung seiner Eignung haben.

Zu den im Rahmen der Eignungsprüfung vorzulegenden Unterlagen gehört bei Inanspruchnahme einer Eignungsleihe eine ordnungsgemäße Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers. Ein Bieter, der sich im Rahmen der Eignungsprüfung auf die Kapazitäten anderer Unternehmen beruft, hat nachzuweisen, dass er tatsächlich Zugriff auf deren Mittel hat, weshalb in zweistufigen Vergabeverfahren das eignungsvermittelnde Unternehmen bereits innerhalb des Teilnahmewettbewerbs benannt und auch dessen Verfügbarkeit nachgewiesen werden muss (Opitz in Burghi/Dreher Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 122 GWB Rn. 39, 43). Der Systematik des § 47 VgV nach muss der Nachweis erbracht sein, wenn der öffentliche Auftraggeber nach Abs. 2 im Rahmen der Eignungsprüfung überprüft, ob die entsprechenden Drittunternehmen selbst die Eignungskriterien erfüllen und ob sie Ausschlussgründe aufweisen; denn vorgelagert ist nach § 47 Abs. 1 VgV die Prüfung der Eignung des Bieters selbst, der sich im Wege der Eignungsleihe auf Dritte bezieht (Tomerius in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 47 VgV Rn. 6).

Vorliegend hat die Beigeladene die Verpflichtungserklärung ihrer Eignungsleihgeberin erst im Rahmen des Verhandlungsverfahrens mit ihrem Angebot vorgelegt. Dies war zwar vergabekonform. Soweit nach § 42 Abs. 2 VgV bei Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nur solche Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufzufordern sind, die ihre Eignung – vollständig – nachgewiesen haben, kann hiervon nach § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach 140a SGB V abgewichen werden, was vorliegend geschehen ist. Nach Ziffer III.1.1.b) der Auftragsbekanntmachung war die Verpflichtungserklärung des benannten Dritt-/Nachunternehmers gegenüber dem Bieter spätestens vor Zuschlagserteilung einzureichen, wobei Drittunternehmer auch der Eignungsleihgeber ist. Kehrseite der folglich zulässigen und von der Beigeladenen genutzten Möglichkeit der Vorlage erst nach Zulassung zum Verhandlungsverfahrens ist aber, dass der öffentliche Auftraggeber die Eignung ersichtlich nicht abschließend prüfen und dementsprechend auch kein Vertrauen in das Ergebnis dieser Prüfung begründet werden kann.

cc) Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Beigeladenen zu Recht nicht mangels Eignung der Beigeladenen von der Wertung ausgeschlossen. Sie durfte sich zulässigerweise der Eignungsleihe bedienen. Den Vergabeunterlagen ist weder ein Ausschluss der nach § 47 Abs. 1 VgV grundsätzlich zusätzlichen Eignungsleihe noch ein Selbstausführungsgebot im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV zu entnehmen.

(1) Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Aus den Vergabeunterlagen muss für Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319 Rn. 7 – Parkhaus; BGH, Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn. 9 – Straßenausbau). Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (BGH, Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn. 9 – Straßenausbau). Für die Leistungsbeschreibung ergibt sich dies ausdrücklich aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV, wonach der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben ist, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 – LKW-Mautsystem III). Infolge der übergeordneten Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB, die durch §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV für einen Teilbereich nur näher ausgeformt werden, gelten die für die Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen für andere Teile der Vergabeunterlagen entsprechend (Senatsbeschluss vom 28. März 2018, VII-Verg 52/17, NZBau 2018, 563 Rn. 31).

Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera). Es kommt nicht darauf an, wie die Antragstellerin als einzelne Bewerberin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 40 – BSI, sowie vom 5 November 2014, VII-Verg 21/14, BeckRS 2015, 11625; Lampert in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77). Wie Mitbieter oder -bewerber die Vergabeunterlagen verstanden haben, kann für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters beziehungsweise Bewerbers von indizieller Bedeutung sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, X ZR 78/07, NZBau 2008, 592 Rn. 15 – BAB-Leiteinrichtungen; Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 – LKW-Mautsystem III; Lampert in Burgi/ Dreher, a. a. O.). Auf Abweichungen vom Üblichen ist hinzuweisen, da ein Bieter Ungewöhnliches grundsätzlich nicht erwarten muss (Lampert in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77).

(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte den Vergabeunterlagen ein Ausschluss der Eignungsleihe nicht entnommen werden. Die Zulässigkeit der Eignungsleihe und ihr Ausschluss stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, um das der durchschnittliche Bieter weiß.

Nach § 47 Abs. 1 VgV kann ein Bewerber oder Bieter für einen bestimmten öffentlichen Auftrag im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche und finanzielle sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen, wenn er nachweist, dass ihm die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen werden, indem er beispielsweise eine entsprechende Verpflichtungserklärung dieser Unternehmen vorlegt.

Zwar gestattet § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach 140a SGB V den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, abzuweichen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass § 47 Abs. 1 VgV der Umsetzung von Art. 63 Abs. 1 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU dient, weshalb das Recht eines Wirtschaftsteilnehmers, in Bezug auf die Kriterien für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen, nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eingeschränkt werden kann (EuGH, Urteil vom 7. April 2016, C-324/14, NZBau 2016, 373 Rn. 39 – Partner Apelski Dariusz/Zarzd Oczyszczania Miasta). Auch im Bereich der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach § 140a SGB V stellt der Ausschluss der Eignungsleihe folglich einen zu begründenden Ausnahmefall dar.

Vor diesem Hintergrund wird der durchschnittliche Bieter von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt beziehungsweise eine Selbstausführung vorgeschrieben wird. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist diese zulässig, da nicht auf das Übliche – ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche – ihren Ausschluss – hingewiesen werden muss. Allein die Tatsache, dass in den Vergabeunterlagen von “der Bieter” die Rede ist, erlaubt keinen Rückschluss auf einen Ausschluss der Eignungsleihe. Für die Eignungsleihe gilt nichts anderes. Es fehlte auch nicht an einem Hinweis auf den nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VgV erforderlichen Nachweis. Nach Ziffer III.1.1. der Auftragsbekanntmachung war eine Verpflichtungserklärung des benannten Dritt-/Nachunternehmers gegenüber dem Bieter spätestens vor Zuschlagserteilung einzureichen; der Eignungsleihgeber ist ein solcher Drittunternehmer. Der Umstand, dass das Formblatt die Passage zur Verpflichtungserklärung des Eignungsleihers nicht enthielt, ändert daran schon deswegen nichts, weil diese erst zu einem späteren Zeitpunkt einzureichen war.

Dieses aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis, vor dessen Hintergrund nicht die Zulässigkeit, sondern der Ausschluss der Eignungsleihe einer unmissverständlichen Erklärung bedarf, resultierende Bieterverständnis korrespondierte im Übrigen mit der uneingeschränkten Zulässigkeit eines Nachunternehmereinsatzes, worauf die Vergabekammer zu Recht hingewiesen hat. Zwar muss der Eignungsleihgeber nach § 47 VgV nicht zwangsläufig ein Nachunternehmer nach § 36 VgV sein, auch wenn sie in der Praxis vielfach identisch sind (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juni 2010, VII-Verg 13/10, NZBau 2011, 54, 55). Die Überlegungen, die zu einem Ausschluss der Eignungsleihe führen können, sind aber durchaus auf den Nachunternehmereinsatz zu übertragen. Sind die auszuführenden Aufgaben derart kritisch, dass die Anordnung einer Selbstausführung durch den Bieter i.S.d. § 47 Abs. 5 VgV veranlasst ist, würde die Zulassung eines Nachunternehmereinsatzes – jedenfalls bezüglich wesentlicher Teile des Auftrags – die mit dem Ausschluss einer Eignungsleihe verfolgte Zielsetzung faktisch konterkarieren.

dd) Auch der Umstand, dass die Eignungsleihgeberin der Beigeladenen nicht ebenfalls Herstellerin von Medizinprodukten im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745 ist, berührt die Eignung der Beigeladenen nicht. Es fehlt bereits an der Festlegung eines entsprechenden Eignungskriteriums.

Die Antragsgegnerin hat die Anforderung, dass der Bewerber zum berechtigten Personenkreis nach § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V gehören, also Hersteller von Medizinprodukten im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte sein muss, in der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer III.2., Bedingungen für den Auftrag, und nicht als Eignungsanforderung im Sinne des § 122 GWB formuliert. Dementsprechend hat sie in Teilnahmebedingungen, Anlage A0, die Erklärung, Medizinproduktehersteller i.S.d. § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V und damit berechtigt zu sein, mit einer gesetzlichen Krankenkasse einen Vertrag über besondere Leistungen nach § 140a Abs. 4a SGB V zu schließen, nur vom Bieter selbst gefordert. Dem ist die Beigeladene nachgekommen, die auch unstreitig tatsächlich Herstellerin von Medizinprodukten ist.

Eine auf das Fehlen dieser Eigenschaft bei der Eignungsleihgeberin gestützte Verneinung der Eignung scheitert folglich bereits am Fehlen einer entsprechenden Eignungsanforderung. Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen, wobei sie für den verständigen Bieter auch als Eignungskriterium erkennbar sein müssen, der vorliegend die Anführung unter Ziffer III.2., Bedingungen für den Auftrag, entgegenstand.

Zudem hätte die sozialrechtliche Vertragsbeschränkung in § 140a Abs. 3 Nr. 6, Abs. 4a SGB V gar nicht als Eignungskriterium formuliert werden können. Wie sich aus dem Wortlaut des § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB, § 42 Abs. 1 VgV ergibt, darf es sich bei den vom öffentlichen Auftraggeber herangezogenen Eignungskriterien ausschließlich um die in § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GWB genannten Kriterien handeln, die in §§ 42 ff. VgV weiter konkretisiert werden. Die Kriterien sind abschließend, für ungeschriebene Eignungskriterien, deren Verneinung zum Ausschluss des Bieters führen könnte, ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB kein Raum (Gnittke/Hattig in Müller-Wrede, GWB, § 122 Rn. 21 f.; Hausmann/von Hoff in Röwekamp/ Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 122 Rn. 16). Das gilt auch für das vom Senat in früherer Rechtsprechung als von Bieterunternehmen zu erfüllen geforderte Eignungsmerkmal der “rechtlichen Leistungsfähigkeit” (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2015, VII-Verg 20/15, BeckRS 2016, 2948 Rn. 23), für das nach der heutigen Gesetzessystematik über die gesetzlich geregelten Einzelaspekte hinaus kein Anwendungsbereich verbleibt (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2020, VII-Verg 36/19, NZBau 2020, 732 Rn. 45).

Im Übrigen steht das Fehlen der Medizinprodukteherstellereigenschaft bei der Eignungsleihgeberin dem Vertragsschluss mit der Beigeladenen und dessen Wirksamkeit ohnehin nicht entgegen. § 140a Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4a Satz 1 SGB V normiert lediglich eine Anforderung an den Vertragspartner der Antragsgegnerin, dieser muss Hersteller von Medizinprodukten im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745 sein.

Dass auch vom Vertragspartner eingebundene Dritte, wie Eignungsleihgeber und/oder Nachunternehmer Hersteller von Medizinprodukten seien müssen, wenn sie wesentliche Teile des Auftrags ausführen sollen, ist weder der Norm selbst noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Die Norm stellt allein auf den Vertragsschluss und damit auf die Person des Vertragspartners ab. Auch der Begründung des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation vom 9. Dezember 2019, durch dessen Art. 1 Nr. 24 in § 140a SGB V der Absatz 4a eingefügt worden ist, liefert keinen Anhalt dafür, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch alle in die Vertragsdurchführung involvierten Unternehmen Medizinproduktehersteller sein sollten. Die Regelung nach Abs. 4a Satz 1 zielt primär auf die Schaffung eines Anreizes zur Entwicklung innovativer Angebote und der Nutzung telemedizinischer Dienstleistungen, wobei vertraglich sichergestellt werden soll, dass die diagnostische Feststellung unter ärztlicher Einbindung erfolgt (BT-Drs. 19/13438, S. 61). Mit der Vorgabe, dass der Vertragspartner Medizinproduktehersteller zu sein hat, befasst sich die Begründung nur insoweit, als es sich bei den digitalen Versorgungsprodukten aufgrund des Verweises auf die Regelung des § 140 Absatz 3 Satz 1 Nummer 6 um Medizinprodukte handelt, wobei aber eine inhaltliche Beschränkung auf Medizinprodukte, die zugleich digitale Gesundheitsanwendungen nach § 33a sind, wird nicht vorgenommen wird (BT-Drs. 19/13438, S. 61). Dem kann eine besondere Bedeutung der Eigenschaft als Medizinproduktehersteller für alle Aspekte der Vertragsdurchführung nicht entnommen werden.

c) Die Bewertung des Angebots der Antragstellerin ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, die Wertungsentscheidung vergaberechtsfehlerfrei durchgeführt und ihre Entscheidung nunmehr auch transparent begründet.

Gemäß § 127 Abs. 1 GWB wird der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, wobei Grundlage eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers ist, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.

aa) Der öffentliche Auftraggeber hat die Bewertung selbst vorzunehmen; die Wertungsentscheidung ist nicht delegierbar, die an ihr beteiligten Personen müssen Vertreter des öffentlichen Auftraggebers sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 44). Diese haben zu prüfen, inwieweit die Angebote die in der Bewertungsmatrix aufgestellte Anforderung erfüllen (Senat, a. a. O. Rn. 48). Welche Anforderungen die Bewertungsmatrix aufstellt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera; Senatsbeschluss vom 18. September 2019, VII-Verg 10/19; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe erforderliche Fachwissen verfügt (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 41 – Lkw-Mautsystem III; Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 49).

Bei der Bewertung kommt dem öffentlichen Auftraggeber systemimmanent ein Beurteilungsspielraum zu (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen; Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 46). Es handelt sich um eine individuelle Wertungsentscheidung (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 46), die naturgemäß immer eine subjektive Note hat, da sie auf dem Hintergrund und auf der Erfahrung der betreffenden Persönlichkeit beruht (OLG München, Beschluss vom 25. September 2014, Verg 9/14, ZfBR 2015, 195, 198).

Diese muss allerdings in sich und in Relation zu den übrigen Angebotennachvollziehbar sein. Es muss klar sein, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VgV). Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen). Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde (OLG Düsseldorf, 2. Kartellsenat, Beschluss vom 13. Juni 2018, 2 U 7/16, BeckRS 2018, 15885 Rn. 104); die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 44), insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen). Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.

bb) Diesen Anforderungen wird die im Nachgang zum Hinweis der Vergabekammer im ersten Nachprüfungsverfahren überarbeitete und in Umsetzung der Entscheidung der Vergabekammer im Parallelverfahren der drittplatzierten Bieterin neu dokumentierte als Anlagenkonvolut BG 2 vorgelegte Bewertung durch ein Bewertungsteam aus drei Mitarbeiterinnen der Antragsgegnerin gerecht.

Die Bewertungsmatrix sieht eine Bewertung anhand der in der Leistungsbeschreibung zu den jeweiligen Kriterien formulierten Anforderungen vor, wobei ein diese voll erfüllendes Angebot mit 4 Punkten zu bewerten ist. Die Höchstpunktzahl von 6 Punkten ist hingegen Angeboten vorbehalten, die hierüberhinaus die Anforderungen in besonderem Maße erfüllen. Dabei können sich die vergebenen Punkte auch im Vergleich mit den anderen Anbietern ergeben. Jedem Kriterium ist über einen Prozentwert ein bestimmtes Gewicht zugewiesen. Die Prozentangaben addieren sich zu 60 Prozent, entsprechend 60 Punkten. Die verbleibenden 40 Prozent entfallen auf den Preis, wobei der Bieter mit dem niedrigsten Preis die vollen 40 Punkte enthält und die anderen Bieter im Verhältnis ihres Preises zu diesem entsprechend weniger (sogenannte “einfachen linearen Methode“, vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen).

Dabei muss nicht jedes “Mehr” gegenüber den in der Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen notwendiger Weise zu einer Bewertung mit der Höchstpunktzahl von 6 Punkten führen. Die Antragsgegnerin kann die Höchstpunktzahl erheblichen, das Angebot im jeweiligen Kriterium deutlich über das geforderte Maß hinaushebenden zusätzlichen Leistungen vorbehalten, wenn sie diesen strengen Maßstab gegenüber allen Bietern gleichermaßen walten lässt.

Vorliegend hat die Antragsgegnerin bei ihrer Bewertungspraxis einen solchen strengen Maßstab angewandt.

Die Antragsgegnerin war bei der Vergabe der Höchstpunktzahl durchgehend sehr zurückhaltend und hat diese bei – einschließlich der Präsentation – 19 Kriterien und damit bei drei Bietern 57 Einzelbewertungen gerade einmal acht Mal vergeben. Dabei lag allen Vergaben von 6 Punkten jeweils eine erhebliche Mehrleistung zugrunde.

Im Rahmen einer solchen strengen Bewertungspraxis ist es auch sachgerecht, Mehrleistungen, denen Bedeutung für verschiedene Kriterien zukommt, allein bei dem Kriterium zu berücksichtigen, für das sie die größte Bedeutung haben. Ausgehend hiervon ist die Bewertung des Angebots der Antragstellerin nicht zu beanstanden.

(1) So ist einsichtig, dass Zusatzleistungen wie die von der Antragstellerin über das in der Leistungsbeschreibung geforderte Geräteausstattung hinaus angebotene telemedizinisches Blutdruckmessgerät und das telemedizinisches Pulsoximeter allein im Kriterium 2.3, Telemonitoring, zu berücksichtigen, wo diese Geräte zur Erreichung der der Höchstpunktzahl geführt haben. Bei einer Berücksichtigung auch bei den Kriterien 2.4., Interventionsfall, und 6.1., Telemetriegeräte, würden zwei zusätzliche Geräte im Vergleich zu den Mitbietern vor dem Hintergrund der dann zu kumulierenden Leistungsanforderungen der drei Kriterien jedenfalls bei Anwendung eines strengen Maßstabs kein solches “Mehr” darstellen, als dass eine Vergabe von mehr 4 Punkten zu rechtfertigen wäre.

(2) Gleiches gilt für die Berücksichtigung der langjährigen Erprobung der Mitarbeiter der Antragstellerin allein im Kriterium 4, Personal, wo sie ebenfalls zur Bewertung mit 6 Punkten geführt haben. Eine zur Höchstpunktzahl führende Berücksichtigung auch im Kriterium 2.5., Coaching und Schulung, liefe auf eine Benachteiligung der ebenfalls streng bewerteten Mitbieter hinaus.

(3) Die Antragsgegnerin hat die Anforderungen im Kriterium 1.1, Einschreibung Versicherte, für voll erfüllt angesehen und dementsprechend mit 4 Punkten bewertet. Das ist unter Berücksichtigung der Leistungsbeschreibung Anlage B 2, Abschnitt II, nachvollziehbar und vom Bewertungsspielraum gedeckt.

Für die von der Antragstellerin vermisste Bewertung der Erfahrung ihres Akquisepersonals gilt das zuvor zur Berücksichtigung beim Personal Ausgeführte. Dass die Antragsgegnerin die Einbindung des Praxispersonals vor Ort als für das Kriterium nur am Rande relevant und beim Kriterium 3.1., Einbindung Leistungserbringer, berücksichtigt hat, ist sachgerecht und deckt sich mit dem Vorgehen bei der Bewertung der Angebote der Mitbieter. Ein Grund für eine zwingende Bewertung mit 6 Punkten ist auch im Übrigen im Vergleich mit den Mitbietern nicht ersichtlich.

(4) Die Antragsgegnerin hat die Anforderungen im Kriterium 2.1, Aufnahmegespräch, für voll erfüllt angesehen und dementsprechend mit 4 Punkten bewertet. Auch dies ist unter Berücksichtigung der Leistungsbeschreibung Anlage B 2, Abschnitt II, nachvollziehbar und vom Bewertungsspielraum gedeckt. Soweit die Antragstellerin die von ihr vorgeschlagene Übermittlung des ärztlichen Kooperationsvertrages durch den Teilnehmer als Schwäche beanstandet, entspricht dies der Vertragslage; nach § 4 Abs. 2 des Vertrages ist es Sache des Vertragspartners mit Einverständnis des versicherten Teilnehmers den behandelnden Arzt zu kontaktieren. Es ist allein Sache des öffentlichen Auftraggebers, die von ihm ausgeschriebene Leistung zu definieren und dabei im Interesse der sensiblen Arzt-/Patientenbeziehung auf bestimmte Akquiseformen zu verzichten.

Dabei zeigt gerade der Vergleich mit dem hier mit 6 Punkten bewerteten Mitbieter […], weshalb eine Bewertung des Angebots der Antragstellerin mit 6 Punkten nicht veranlasst war. So sieht dessen Angebot eine Ermittlung der digitalen Affinität bei allen Teilnehmern in Vorbereitung einer eher digitalen oder eher printbasierten Gestaltung des Verfahrensablaufs und die Eruierung des Kenntnisstands des Teilnehmers hinsichtlich seiner eigenen Erkrankung vor.

(5) Die Antragsgegnerin hat die Anforderungen im Kriterium 8., Persönliche Präsentation der Angebotsunterlagen, für voll erfüllt angesehen und dementsprechend mit 4 Punkten bewertet. Auch dies ist unter Berücksichtigung der hierfür formulierten Anforderung einer vollständig sicheren, verständlichen und konsistenten Vorstellung der geplanten Vorgehensweise, der Berücksichtigung der Anforderungen und der kompetenten Beantwortung der Fragen der Auftraggeberin nachvollziehbar und vom Bewertungsspielraum gedeckt. Soweit die Antragstellerin hier die Berücksichtigung der von ihr angeboten Zusatzgeräte vermisst, kann auf die vorstehenden Ausführungen zu (1) verwiesen werden. Generell stellt die Präsentation bereits bei den Kriterien berücksichtigter Mehrleistungen kein über die in der Anforderung geforderte Präsentation der geplanten eigenen Vorgehensweise hinausgehendes “Mehr” der Präsentation dar. Gleiches gilt für die kompetente Beantwortung aller Fragen. Ein Grund für eine zwingende Bewertung mit 6 Punkten ist auch im Vergleich mit den Mitbietern nicht ersichtlich.

VK Sachsen-Anhalt zu der Frage des Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen und zu der Frage der Rügeobliegenheit im Unterschwellennachprüfungsverfahren

VK Sachsen-Anhalt zu der Frage des Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen und zu der Frage der Rügeobliegenheit im Unterschwellennachprüfungsverfahren

von Thomas Ax

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 TVergG-SA gilt dieses Gesetz für öffentliche Aufträge i.S.d. §§ 103 bis 105 GWB, deren geschätzter Auftragswert die Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 GWB nicht erreicht, so dass grundsätzlich auch Konzessionen in den Anwendungsbereich des Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt fallen. Mangels konkreter Anwendungsvorschrift in der UVgO ist jedoch hinsichtlich der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein Nachprüfungsverfahren eröffnet. Auch im Unterschwellennachprüfungsverfahren gilt: Ohne rechtzeitige Rüge ist der Antragsteller mit Einwendungen, die er bis zur Angebotsabgabe hätte geltend machen können, ausgeschlossen.
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2024 – 3 VK LSA 25/24

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin hat in Anlehnung an die Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung – UVgO) das Vorhaben “Vergabe der gastronomischen Bewirtschaftung/Catering in der …” ausgeschrieben.

Dazu hat sich die Antragsgegnerin teilweise an den für eine Auftragsvergabe üblichen Formblättern orientiert.

Laut Vergabevermerk ist sie vorliegend von einer Dienstleistungskonzession ausgegangen.

Eine öffentliche Bekanntmachung wurde nicht vorgeschaltet. Die Schätzung des Gesamtauftragswertes beläuft sich auf einen Betrag in Höhe von 2.500.000,00 Euro netto.

Als Verfahrensart wurde die Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb gewählt. Die Antragsgegnerin hatte hierzu am 28.02.2024 eine Interessensabfrage an sieben ihr bekannte potenzielle Bieter gerichtet und sodann am 08.04.2024 die Angebotsaufforderung nebst Vergabeunterlagen über die e-Vergabe-Plattform eingestellt.

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden als Zuschlagskriterien folgende Punkte benannt:

1. Konzeption und Kalkulation von Beispielangeboten für verschiedene Veranstaltungsformate

2. Investitions- & Einrichtungsplan, Personalplan

3.Bewertungsskala

3.1. Weitere Zuschlagskriterien sind angefügter Bewertungsmatrix zu entnehmen. […]”

Dem in den Vergabeunterlagen enthaltenen “Informationsmemorandum” ist auszugsweise zu entnehmen:

“1.1 Ziel dieses Verfahrens ist Verpachtung der Gastronomieflächen in der … für die Erbringung gastronomischer Leistungen/Catering in der … zur Bewirtschaftung von Besuchern/Teilnehmern der dort stattfindenden Veranstaltungen.

Dafür sucht die Betreibergesellschaft der … genannt, einen kompetenten und leistungsfähigen Pächter (nachfolgend Caterer genannt).

1.4 Geschlossen werden soll ein Pachtvertrag über die Nutzung von Räumlichkeiten und Gastronomieflächen in der … mit der gesamtheitlichen gastronomischen Versorgungspflicht aller Veranstaltungen als festgesetzter und priorisierter Hauscaterer dem weitgehend eine Vorrangstellung zur Versorgung eingeräumt wird, welches jedoch kein Recht auf Exklusivität beinhaltet. Die Vergütung der Pacht gegenüber der … erfolgt auf Basis prozentualer Umsatzbeteiligung.

5 DIE BETREIBERGESELLSCHAFT

Die … ist mitjährlich über 400 Messe-, Sport-, Kultur- und TV-Veranstaltungen sowie Kongressen und Konferenzen mit 1 Mio. regionalen und überregionalen Besuchern das führende Unternehmen aus dem Bereich Messe-, Ausstellungs- und Veranstaltungsorganisation in Sachsen-Anhalt.

Die … Gesellschaft leistet einen wesentlichen und nachhaltigen Beitrag zur positiven Entwicklung von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Spott und Gesellschaft der Stadt ….

7 UMSATZ GASTRONOMIE/CATERING

Der Umsatz in der Gastronomie wird perspektivisch aufjährlich bis zu ca. 500.000 Euro netto prognostiziert.

8 UMFANG DER ZU ERBRINGENDEN LEISTUNGEN

Der Caterer übernimmt in Form der Priorisierung als fester Hauscaterer und Vertragspartner die gastronomische Versorgung von Tagungen, Kongressen, Bällen, Kultur- und Firmenveranstaltungen.

Dem Caterer obliegt darüber hinaus die Durchführung der gastronomischen Versorgung der in der stattfindenden Ausstellungsformaten.

Die gemeinsame Entwicklung eines Café- & Bistrokonzepts zur punktuellen (Pop-up Café o.ä.) und perspektivisch im Rahmen der Möglichkeiten kontinuierlichen Angebotes für die Öffentlichkeit ist ausdrücklich erwünscht. Konzeptionelle Vorschläge sind im zukünftigen Vergabeverfahren beizufügen bzw. vorzustellen.

Von … an Kunden unterbreitete gastronomische Offerten (erstellt durch sind bei Zustandekommen eines Vertrages zu übernehmen und zu gleichen Konditionen abzusichern. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Pré Opening Veranstaltungen und vereinzelte, bereits angefragte, Businessveranstaltungen.

9 AUSNAHMEN DER PRIORISIERUNG

#Einzelne Veranstaltungen/Veranstaltungsformen bzw. Veranstalter bedürfen der sogenannten Cateringfreiheit, da diese Veranstaltungen sonst in der … ggf. nicht stattfinden könnten.

In diesen Fällen kann die gastronomische Bewirtschaftung auch durch Dritte durchgeführt werden.

Diese Optionen werden jedoch nicht als offene Angebotsvariante kommuniziert, so dass der Hauscaterer immer erster Ansprechpartner zur Versorgung ist.

12 INVESTITIONSBEDARF

Bezogen auf vorstehende durch den Caterer zu erbringende Betriebsmittel, wird ein prognostizierter Investitionsbedarf von ca 70 TEuro zu erwarten sein, welcher aber durch offen gestaltbare Einrichtung in den betreffenden Bereichen individuell abweichen kann. Erwartet wird die Bereitstellung von Außenmobiliar im Bereich des Café-Bistros und der Seminarräume, Es erfolgt zu ggb. Zeit eine inhaltliche und visuelle Abstimmung.

13 BETRIEBS-NEBENKOSTEN

Alle durch das Betreiben der gastronomischen Einrichtungen in der … verursachten Betriebskosten, Nebenkosten und Nebenabgaben hat der Caterer selbst zu tragen. Dem Caterer obliegen die Reparaturen und ggf. der Abschluss von Wartungsverträgen, bezüglich des ihm mitverpachteten Inventars, gemäß Pkt. 11. Die notwendigen Versorgungsverträge für Energie, Wasser etc. sowie Wartungsverträge für das Großinventar hat … abgeschlossen und stellt dem Caterer diese jährlich nach Verbrauch in Rechnung.

Hierzu wird per Vertrag ein monatlicher Abschlag veranschlagt, welcher in der Jahresendabrechnung angerechnet wird. Der Abschlag kann an die dynamische Entwicklung der Verbrauchsabrechnung angepasst werden.

Die Kosten für die Abfallentsorgung und Reinigung/Entsorgung trägt der Caterer und werden ggf. pauschal umgelegt.

14 ZU LEISTENDES ENTGELT

Für alle getätigten baren und unbaren Umsätze des Caterers in der … Veranstaltungscatering ein Entgelt in Höhe von 15 % des F&B Nettoumsatzes und im Publikumscatering in Höhe von 15 % des Nettoumsatzes zuzüglich der jeweils gültigen Mehrwertsteuer.

Bewerber sind angehalten, gegebenenfalls eine höhere Umsatzbeteiligung anzubieten, möglicherweise auch erst ab einer bestimmten erreichten Umsatzgröße.

15 BEZAHLSYSTEM / ABRECHNUNG

Für Barzahlungen hat der Caterer ein geeignetes Kassensystem vorzuhalten, in welches jeder Verkauf an den Gast mit dem konkret gekauften Produkt eingebucht wird. Die Auswertungen des Kassensystems führen zum Umsatznachweis für die Abrechnung der Umsatzprovisionen gegenüber Bei Veranstaltungen mit Rechnungslegung erhält die eine Kopie der Endrechnung.

19 VERSICHERUNGEN

Der Caterer wird vertraglich verpflichtet, eine Betriebshaftpflichtversicherung einschließlich Sach-/Haftpflicht-Feuerversicherung mit einer Mindestdeckungssumme in Höhe von zehn Millionen Euro je Schadensfall für Personen-, Sach- und Vermögensschäden abzuschließen.

Die Versicherung muss mögliche Schadensfälle aus dem Betrieb der Gastronomieflächen, der gastronomischen Versorgung von Veranstaltungen in der … und insbesondere auch das Risiko der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber sowie gegenüber Dritten abdecken.

Dem Caterer wird dringend empfohlen, eine Betriebsunterbrechungsversicherung abzuschließen.”


Im Ergebnis der Angebotsaufforderung sind drei Angebote eingegangen.

Das Angebot der Antragstellerin lag im Rahmen der Wertung durch die Antragsgegnerin auf Rang 3.

Der Zuschlag auf das Angebot der Bezuschlagten (Rang 1) ist bereits mit Schreiben vom 12.06.2024 erfolgt. Entsprechende Absageschreiben wurden zum gleichen Zeitpunkt übersandt.

Mit Schreiben vom 19.06.2024 hat die Antragstellerin das Verfahren gegenüber der Antragsgegnerin gerügt. Zur Begründung führte die Antragstellerin an, die spezifischen Bewertungskriterien sowie deren Gewichtung seien nicht angegeben worden. Der Antragstellerin sei zudem nicht erläutert worden, in welchen Bereichen sie keine Punkte für ihr Angebot erhalten habe und warum ihr Angebot im Vergleich zu den anderen Angeboten schlechter bewertet worden sei. Im Weiteren lägen Verstöße gegen den Transparenzgrundsatz sowie S 134 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor. Eine pauschale und unspezifische Begründung für eine Ablehnung genüge den Anforderungen nicht.

Die Antragstellerin erläuterte mit Schreiben vom 20.06.2024 gegenüber der Vergabekammer das bis dahin aus ihrer Sicht geführte Verfahren. So habe sich die Antragstellerin an einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb nach der UVgO beteiligt. Ein Bietergespräch habe am 14.05.2024 stattgefunden. Am 14.06.2024 sei der Antragstellerin über die e-Vergabe-Plattform die Absagemitteilung vom 12.06.2024 unter dem Begriff “Interessenbekundungsverfahren” zugegangen. Da es sich eindeutig um eine Verhandlungsvergabe handele, sei für die Antragstellerin dieser Begriff nicht nachvollziehbar. Am 12.06.2024 habe die Bezuschlagte bereits mit der Personalsuche im Internet begonnen.

In dem bei der 3. Vergabekammer eingegangenen Nachprüfungsantrag vom 21.06.2024 monierte die Antragstellerin vor allem weiter das Bewertungsverfahren (Bewertungsmatrix Punktevergabe).

Mit E-Mail vom 25.06.2024 übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Einzelbewertung nebst Erläuterung ihres Angebotes.

Hierzu hat die Antragsgegnerin gegenüber der Vergabekammer unter dem 26.06.2024 Stellung genommen. Der Nachprüfungsantrag sei nach ihrer Ansicht unzulässig, da die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen nicht vom Anwendungsbereich des Tariftreue- und Vergabegesetzes Sachsen-Anhalt (TVergG LSA) erfasst sei. Die UVgO beinhalte ebenfalls keine Konzessionen. Aus diesem Grund gelte der nach S 19 TVergG LSA gewährte Primärrechtsschutz für Vergabeverfahren mit einem Nettoauftragswert unterhalb des Schwellenwertes nicht für Ausschreibungen eines Konzessionsgebers. Im Gegensatz zum öffentlichen Auftrag stamme bei der Konzession die Gegenleistung typischerweise nicht vom öffentlichen Auftraggeber, jedenfalls nicht in einem Umfang, der dem Konzessionsnehmer das Betriebsrisiko abnehmen würde. Entgegen dem öffentlichen Auftrag liege bei der Konzession ein “dreipoliges Entgeltlichkeitsverhältnis” zwischen Konzessionsgeber, Konzessionsnehmer und einem an den Konzessionsnehmer leistenden Dritten vor. Das Betriebsrisiko trage der Konzessionsnehmer. In der Einräumung eines Nutzungsrechts liege die eigentliche Gegenleistung des Konzessionsgebers. Die Antragsgegnerin gebe im vorliegenden Fall der Antragstellerin durch die Nutzung der Veranstaltungshalledie Möglichkeit, dort bei Veranstaltungen gegenüber Dritten Cateringleistungen gegen Entgelt anzubieten. Die Antragstellerin trage auch das Betriebsrisiko. Es sei ihr kein Exklusivrecht eingeräumt, Cateringleistungen für potenzielle Veranstalter zu erbringen. Dritte könnten auch auf andere Anbieter von Cateringleistungen zurückgreifen. Die Antragsgegnerin hat im Weiteren ausgeführt, die Nichterfassung von Konzessionsgebern ergebe sich aus dem in S 2 TVergG LSA definierten persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Für juristische Personen des Privatrechts werde in Abs. 2 eine entsprechende Geltung nur für den Fall angeordnet, dass die Voraussetzungen des S 99 Nr. 2 GWB erfüllt seien. Für einen Konzessionsgeber sei eine speziellere Regelung im GWB aufgenommen worden. Die in S 101 GWB enthaltene Personengruppe sei jedoch gerade nicht in den Anwendungsbereich des Landesvergabegesetzes aufgenommen worden. Dafür spreche auch die Regelung nach S 1 Abs. 2 TVergG LSA, welche im Unterschwellenbereich eine dynamische Verweisung auf die jeweils aktuelle Fassung der UVgO und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A Ausgabe 2019 (VOB/A) enthalte. Diese Regelwerke hätten bereits bei Inkrafttreten des TVergG LSA keine Bestimmung für Konzessionen enthalten. Im Folgenden führte die Antragsgegnerin weiter aus, dass das TVergG LSA bei Konzessionen nicht zur Anwendung komme. so dass insoweit auch kein Nachprüfungsverfahren möglich sei. Darüber hinaus sei die Einholung eines Primärrechtsschutzverfahrens auch deshalb nicht möglich, weil der Zuschlag bereits erteilt worden sei. Komme die Regelung des S 19 TVergG LSA nicht zur Anwendung, bestehe auch keine Vorabinformations- und Wartepflicht. Der Zuschlag habe somit unmittelbar erfolgen können.

Auf Nachfrage teilte die Vergabekammer der Antragsgegnerin mit, an ihrer Verfügung vom 24.06.2024 entsprechend festzuhalten.

Mit Schreiben vom 27.06.2024 wurde die Antragstellerin über die Aussetzung durch die Vergabekammer informiert.

Unter dem 01.07.2024 nahm die Antragsgegnerin erneut Steilung. Ergänzend trug sie noch vor, dass selbst bei Eröffnung eines Nachprüfungsverfahrens der Antrag in Bezug auf die behaupteten Vergaberechtsverstöße unzulässig wäre. Darüber hinaus wäre er auch nicht begründet. Die Antragstellerin sei mit sämtlichem Vorbringen (etwa zum Bewertungsverfahren) gemäß S 19 Abs. 4 TVergG LSA präkludiert.

Mit Schreiben vom 03.07.2024 wurde die Antragstellerin durch die erkennende Vergabekammer dahingehend angehört, dass ihr Antrag nach bisheriger Prüfung als unzulässig anzusehen sei. Nach Ansicht der Vergabekammer handele es sich vorliegend um eine Dienstleistungskonzession und es könne entgegen den Angaben in der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht von einem Liefer- oder Dienstleistungsauftrag ausgegangen werden. Die Konzession falle zwar grundsätzlich in den Anwendungsbereich des S 1 Abs. 1 S. 1 TVergG LSA. Mangels konkreter Anwendungsvorschrift in der UVgO könne hinsichtlich dieser Konzessionen jedoch kein Nachprüfverfahren eröffnet sein.

Mit Stellungnahme vom 10.07.2024 entgegnete die Antragstellerin, es sei zu keinem Zeitpunkt durch die Antragsgegnerin bekannt gemacht worden, dass es sich bei dem Vergabegegenstand um eine Dienstleistungskonzession handele. Aus den Vergabeunterlagen sei dies ebenfalls nicht zu entnehmen gewesen. Erst in ihrem Schreiben vom 26.06.2024 habe die Antragsgegnerin behauptet, es handele sich um eine Dienstleistungskonzession. Im Rahmen der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes sei eine Verhandlungsvergabe kommuniziert worden. Die Begründung der Antragsgegnerin sei unzulässig. Es handele sich eindeutig um die Vergabe eines Liefer- bzw. Dienstleistungsauftrages unter Einhaltung der verpflichtenden Regularien des TVergG LSA. Daher sei der Nachprüfungsantrag zulässig. Die Zuschlagserteilung sei auch unter Missachtung der Wartefrist aus S 19 Abs. 1 TVergG LSA erfolgt. Die Antragsgegnerin behaupte lediglich, dass es sich um eine Dienstleistungskonzession handele, um ein Nachprüfungsverfahren umgehen zu können. Der Antrag sei auch unter Beachtung der Schwellenwerte zulässig. Im Übrigen wiederholte die Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag. Zur Ergänzung des Vortrages hat sie Auszüge aus den Vergabeunterlagen angeführt.

Mit Schreiben vom 18.07.2024 an die 3. Vergabekammer teilte die Antragstellerin mit, die Antragsgegnerin eröffne entgegen der Verfügung der Vergabekammer die zu einer “Pre Opening Ausstellung” am 18.07.2024. Die Bezuschlagte habe sich bereits in den Räumlichkeiten eingerichtet und werde ab 18.07.2024 mit der gastronomischen Bewirtschaftung beginnen.

Mit weiterer Stellungnahme der Antragstellerin vom 25.07.2024 wiederholte sie ihren bisherigen Vortrag und wies darauf hin, dass gemäß dem Informationsmemorandum der Bieter als Caterer in Form der Priorisierung als fester Caterer und Vertragspartner insbesondere die gastronomische Versorgung von Tagungen, Kongressen, Bällen, Kultur- und Firmenveranstaltungen übernehmen solle. Nur bei einzelnen Veranstaltungen könne die gastronomische Bewirtschaftung auch durch Dritte erfolgen. Bieter und Antragsgegnerin legten Verkaufspreise und das Angebotsportfolio gemeinsam gegenüber den besuchenden Veranstaltern fest. Zudem habe die Antragsgegnerin “Pauschalen” für das Catering verlangt. Da dies wirtschaftlich den weit überwiegenden Anteil des öffentlichen Auftrags ausmache, könne der Bieter hier genau kalkulieren und trage keinerlei Betriebsrisiko, was jedoch das für eine Konzession maßgebliche Merkmal sei.

Mit Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 25.07.2024 ergänzte diese, dass es gerade auf den Vertragsgegenstand ankomme und nicht auf den in der Aufforderung zur Angebotsabgabe verwendeten Begriff des Liefer- bzw. Dienstleistungsauftrages. Maßgeblich sei, wie das Vertragsverhältnis konkret ausgestaltet sei. Ergänzend verwies die Antragsgegnerin darauf, dass der Schwellenwert für ein Nachprüfungsverfahren einer Dienstleistungskonzession nicht erreicht sei. Um eine Markttransparenz zu schaffen, sei ein Verfahren gewählt worden, um in Anlehnung an das Vergaberecht den Auftrag für diese Dienstleistungskonzession zu vergeben.

Aus Sicht der Antragstellerin sei gemäß Schreiben vom 12.08.2024 für das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession entscheidend, ob der Vertragspartner vorliegend das Betriebsrisiko trage. Die Antragsgegnerin trage zu Unrecht vor, dass dem Vertragspartner kein Exklusivrecht, Cateringleistungen für potenzielle Veranstalter zu erbringen, eingeräumt werde. Der Vertragspartner übernehme in Form der Priorisierung als fester Hauscaterer die gastronomische Versorgung von Veranstaltungen. Nur einzelne Veranstaltungen bedürften der “sog. Cateringfreiheit”. Die Antragstellerin räume ferner ein, dass die reine Bezeichnung des Vertragsgegenstandes irrelevant sei. Der vorliegende Auftrag sei jedoch für die Antragstellerin deshalb von Interesse, da das Betriebsrisiko minimal sei. Es fehle vorliegend an der erforderlichen Übernahme eines wesentlichen Teils des bisher bei der Antragsgegnerin liegenden Nutzungs- und Verwertungsrisikos durch einen Auftragnehmer. Es bestehe kein Risiko eines finanziellen Verlustes aus unternehmerischer Tätigkeit bzw. spiele dieses eine absolut untergeordnete Rolle. Zur Begründung führt die Antragstellerin Rechtsprechung an. Im Ergebnis handele es sich um einen Dienstleistungsauftrag deutlich oberhalb der Schwellenwerte. Die Angelegenheit sei nach ihrem Dafürhalten an die 1. oder 2. Vergabekammer abzugeben.

Mit Schreiben vom 28.08.2024 hörte die 3. Vergabekammer die Antragstellerin anknüpfend an die erste Anhörung und mit weiterer Begründung (und Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin) dahingehend an, dass aufgrund des Vorliegens einer Dienstleistungskonzession das Nachprüfungsverfahren nach S 19 TVergG LSA nicht eröffnet sei. Dabei wurde auch auf das von der Antragstellerin (maßgeblich) zu tragende Betriebsrisiko eingegangen.

Hierauf reagierte die Antragstellerin mit Stellungnahme vom 04.09.2024. Sie könne den angeführten Kriterien zur Abgrenzung anhand des Betriebsrisikos hinsichtlich des streitbefangenen Vertragsgegenstandes nicht folgen. Das Betriebsrisiko sei insbesondere dadurch erheblich minimiert, dass eine Leistung nur zu erbringen sei, wenn auch eine tatsächliche Nachfrage der Örtlichkeit bestehe, die Vertragslaufzeit für einen planbaren Zeitraum von fünf Jahren geschlossen werde, eine dynamische Preisanpassung möglich sei und das Ausmaß der Nachfrage durch vergleichbare Veranstaltungsstätten sowie bereits weit im Voraus geplante Veranstaltungen abgeleitet werden könne. Damit könne durch die Priorisierung von einer “Quasi-Monopolstellung” ausgegangen werden. Im Ergebnis sei nach Ansicht der Antragstellerin ein Dienstleistungsauftrag gegeben. Dazu führte sie entsprechende Rechtsprechung an.

Zur Vermeidung von Wiederholungen der Erwägungen der erkennenden Vergabekammer in der vorstehenden Anhörung wird auf die nachfolgende Würdigung im Beschluss verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakte Bezug genommen.


Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

dass der geschlossene Vertrag für von Anfang an unwirksam erklärt wird und dass bei fortbestehender Beschaffungsabsicht der Auftrag in einem neuen Vergabeverfahren vergeben wird.


Die Antragsgegnerin beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. die Bezuschlagte beizuladen.


II.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist unzulässig.

Die 3. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt ist gemäß den §§ 19 Abs. 2, 24 TVergG LSA i. V. m. der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Vergabekammern (Bek. des MW vom 17.04.2013 – 41-32570-17, veröffentlicht im MBI. LSA Nr. 14/2013) für die Nachprüfung des vorliegenden Vergabeverfahrens zwar örtlich, jedoch nicht sachlich zuständig.

Der Rechtsweg für ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer ist nicht eröffnet, denn die von der Antragsgegnerin ausgeschriebene gastronomische Bewirtschaftung/Catering in der stellt sich nach Überzeugung der Vergabekammer im Ergebnis als eine Dienstleistungskonzession und nicht als Dienstleistungsauftrag dar.

Insoweit aber ist die Zuständigkeit der 3. Vergabekammer für ein Nachprüfungsverfahren nicht gegeben, was sich aus Folgendem ergibt.

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 TVergG LSA gilt dieses Gesetz für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Sachsen-Anhalt i. S. der §§ 103 bis 105 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), deren geschätzter Auftragswert die Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 GWB nicht erreicht.

Seit dem 01.01.2024 beträgt der Schwellenwert für Dienstleistungskonzessionen 5.538.000 damit ist dieser vorliegend unterschritten.

Öffentliche Aufträge im Sinne der §§ 103 bis 105 GWB sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer-, Bau- und Dienstleistungen zum Gegenstand haben, ferner verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sowie Konzessionen.

Konzessionen können sich zwar auf Bau- oder Dienstleistungen beziehen. Einem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer können jedoch nur Vergabeverfahren unterzogen werden, die in den Anwendungsbereich einzuhaltender Regularien durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber fallen,

Hierzu sieht § 1 Abs. 2 S. 1 TVergG LSA vor, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 des GWB die Regelungen der UVgO bzw. des Abschnitts I der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) anzuwenden sind.

Während die VOB/A aber in § 23 Abs. 2 für die Vergabe von Baukonzessionen die §§ 1 bis 22 VOB/A für sinngemäß anwendbar erklärt, sieht die UVgO gerade keine entsprechende Anwendungsvorschrift für Dienstleistungskonzessionen vor. In der UVgO fehlt jegliche Regelung zu Konzessionen.

Anders als es der Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 TVergG LSA vermuten lässt, findet daher das TVergG LSA auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen keine Anwendung, so dass insoweit auch ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer nicht durchgeführt werden kann.

Die hier beanstandete Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb hat die Vergabe einer Dienstleistungskonzession und nicht den Abschluss eines Dienstleistungsauftrages zum Gegenstand.

Daher ist es auch unbeachtlich, dass die Zuschlagserteilung hier erfolgt ist, denn die in § 19 Abs. 1 TVergG LSA geregelte Wartefrist hatte die Antragsgegnerin nicht zu beachten.

Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg einwenden, das Nachprüfungsverfahren sei schon deshalb eröffnet, weil sich die Antragsgegnerin zur Durchführung einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb entschlossen hat. Dass in den Vergabeunterlagen nur die Verhandlungsvergabe und an keiner Stelle die Dienstleistungskonzession benannt ist, vermag die Eröffnung für ein Nachprüfungsverfahren jedenfalls noch nicht zu begründen. Allein hierdurch wird das streitbefangene Vergabeverfahren der Antragsgegnerin noch nicht dem Vergaberechtsregime unterstellt und einer Nachprüfung durch die Vergabekammer unterworfen. Daher kommt es in erster Linie auf den durch Auslegung objektiv zu ermittelnden materiellen Gehalt des Rechtsverhältnisses an und nicht etwa darauf, ob tatsächlich eine Verhandlungsvergabe durchgeführt worden ist.

Die Vergabekammer kann weder durch eine Angabe in der Aufforderung zur Angebotsabgabe noch in den weiteren Vergabeunterlagen sachlich zuständig werden. Es besteht kein Wahlrecht des Auftraggebers zwischen einer Dienstleistungskonzession und einem Dienstleistungsauftrag. Anderenfalls könnte die Vergabestelle im umgekehrten Fall bei Vorliegen eines Dienstleistungsauftrages durch einfache Bezeichnung des Beschaffungsvorgangs als Dienstleistungskonzession diesen dem Vergaberechtsregime entziehen.

Soweit die Antragstellerin ebenfalls meint, die Antragsgegnerin sei an die Bezeichnungen in ihren Vergabeunterlagen gebunden und müsse sich dementsprechend auch einer vergaberechtlichen Nachprüfung unterziehen, geht sie damit aus den genannten Gründen ebenfalls fehl.

Außerdem ist der internen Dokumentation (Vergabevermerk) zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin selbst von Anfang an von einer Dienstleistungskonzession ausgegangen ist.

Aus dem vorliegenden Sachverhalt kann nicht abgeleitet werden, dass ein an sich nicht vorgesehenes Nachprüfungsverfahren durch die Vergabekammer eröffnet wird. Eine etwaige Selbstbindung des öffentlichen Auftraggebers beschränkt sich auf sein eigenes Verhalten, vermag jedoch nicht eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens zu begründen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 15.04.2016, Az.: 7 Verg 1/16).

Die Dienstleistungskonzession nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB zeichnet sich durch das Betrauen eines oder mehrerer Unternehmen seitens des Konzessionsgebers mit der Erbringung und Verwaltung von Dienstleistungen mittels entgeltlichen Vertrages aus, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht.

So liegt hier der Fall.

In Abgrenzung zur Vergabe öffentlicher Aufträge geht gemäß § 105 Abs. 2 S. 1 GWB bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession das Betriebsrisiko für die Verwertung der Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer über.

Dies ist nach § 105 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 2 GWB der Fall, wenn unter normalen Betriebsbedingungen nicht gewährleistet ist, dass die Investitionsaufwendungen oder die Erbringung der Dienstleistungen wieder erwirtschaftet werden können und der Konzessionsnehmer den Unwägbarkeiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt ist, sodass dessen potenzielle geschätzte Verluste nicht vernachlässigbar sind.

Ob und inwiefern der Konzessionsnehmer bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung tatsächlich den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt ist und er das Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt, hängt nach der Rechtsprechung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. EuGH, Urteil vom 25.03.2020, Az.: Rs. C-451/08).

Mit der Übertragung des Rechts zur Nutzung auf den Konzessionsnehmer muss damit auch der Übergang eines wesentlichen Teils des Betriebsrisikos auf den Konzessionsnehmer verbunden sein. Allerdings reicht allein die Übernahme eines Risikos, ohne dass die übrigen Voraussetzungen des S 105 GWB erfüllt sind, für das Vorliegen einer Konzession nicht aus. Zu beachten ist, dass der Konzessionsgeber nicht mehr Risiken als diejenigen übertragen kann, die er selbst trägt. Erforderlich ist dabei jedoch nicht allein die Tragung eines erheblichen Risikos durch den Konzessionsnehmer, sondern die Übertragung des wesentlichen Teils des bisher beim Konzessionsgeber liegenden Risikos auf den Konzessionsnehmer. Zum einen darf unter normalen Betriebsbedingungen nicht gewährleistet sein, dass die Kosten für die Erbringung der Dienstleistungen wieder erwirtschaftet werden können (§ 105 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GWB). Zum anderen muss der Konzessionsnehmer tatsächlich den Unwägbarkeiten des Marktes in einer Weise ausgesetzt sein, dass potenzielle geschätzte Verluste für ihn nicht vernachlässigbar sind. Für die Tragung eines Risikos durch den Leistungserbringer (hier des Konzessionsnehmers) kommt es unter anderem darauf an, ob dieser sich den Gefahren eines Ausfalls seines Vergütungsanspruchs, der Nichtinanspruchnahme seiner Leistung oder den Risiken der Konkurrenz durch andere Wirtschaftsteilnehmer, einer nicht vollständigen Deckung der Betriebsausgaben durch die Einnahmen oder der Haftung für Schäden bei der Erbringung der Dienstleistung gegenübersieht (vgl. Ziekow/Völlink/Ziekow, 5. Aufl. 2024, GWB § 105 Rn. 24-32).

Auch nach Ansicht des EuGH ist zu beachten, dass das wirtschaftliche Betriebsrisiko der Dienstleistung als das Risiko zu verstehen ist, den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Eurawasser, Rdnrn. 66 u. 67), das sich im Risiko der Konkurrenz durch andere Wirtschaftsteilnehmer, dem Risiko eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit derjenigen, die die Bezahlung der erbrachten Dienstleistungen schulden, dem Risiko einer nicht vollständigen Deckung der Betriebsausgaben durch die Einnahmen oder dem Risiko der Haftung für einen Schaden im Zusammenhang mit einem Fehlverhalten bei der Erbringung der Dienstleistung äußern kann (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 27. 10. 2005 – Rs. C-234/03, Sig. 2005, 1-9317 = EuZW 2006, 153 Rdnr. 22 – Contse u. a. und Urteil Hans & Christophorus Oymanns, Rdnr. 74). Hingegen sind Risiken, die sich aus einer mangelhaften Betriebsführung oder aus Beurteilungsfehlern des Wirtschaftsteilnehmers ergeben, für die Einordnung eines Vertrags als öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder als Dienstleistungskonzession nicht entscheidend, da diese Risiken jedem Vertrag immanent sind, ob es sich dabei um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder um eine Dienstleistungskonzession handelt (EuGH, Urteil vom 10.03.2011 – Rs. C-274/09, Rn. 37, 38).

Zudem ist die Dienstleistungskonzession im Unterschied zum Dienstleistungsauftrag in der Regel durch ein Dreiecksverhältnis zwischen Auftraggeber, Leistungserbringer/ Konzessionsnehmer und Nutzern gekennzeichnet. Der Konzessionsnehmer trägt dabei das wirtschaftliche Risiko seiner Leistung und erhält seine Vergütung im Wesentlichen durch eine Zahlung vom Nutzer der Dienstleistungen. Dagegen liegt bei einem Dienstleistungsauftrag überwiegend nur eine bilaterale Beziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vor.

Unter Zugrundelegung dieser Prüfungsmaßstäbe hat die Vergabe der Antragsgegnerin – ungeachtet des Wortlautes in den Vergabeunterlagen tatsächlich eine Dienstleistungskonzession zum Gegenstand.

Ausweislich des in den Vergabeunterlagen enthaltenen Informationsmemorandums zielt das Vergabeverfahren auf die Verpachtung der Gastronomieflächen in der für die Erbringung gastronomischer Leistungen/ Catering für die dort stattfindenden Veranstaltungen mit einem leistungsfähigen Partner ab.

Die Vergabekammer sieht es als erwiesen an, dass dabei auch das Betriebsrisiko übergeht, denn der Konzessionsnehmer hat die Leistungen – die Erbringung gastronomischer Leistungen/ Catering – mit allen damit verbundenen möglichen Unwägbarkeiten selbst zu erbringen. Soweit dieser hierbei Verluste erwirtschaftet, hat er hierfür vollständig einzustehen.

Der Konzessionsnehmer wird entsprechend auf eigene Rechnung tätig. Ansprüche gegenüber der Antragsgegnerin für nicht beglichene Rechnungen ergeben sich aus den Vergabeunterlagen nicht.

Dem Konzessionsnehmer obliegt nach dem vorliegenden Informationsmemorandum darüber hinaus eine Vielzahl von weiteren Verpflichtungen.

So hat er hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen in einem nicht unerheblichen Umfang die hierfür erforderliche Organisation bereitzustellen, Investitionen zu tätigen sowie Personal und entsprechende Sachmittel vorzuhalten.

Dabei erscheint der Vortrag der Antragstellerin, das Betriebsrisiko minimiere sich erheblich dadurch, dass die zu erbringende Leistung nur erbracht werden müsse, wenn auch eine tatsächliche Nachfrage zur Buchung der Örtlichkeit bestehe, nicht überzeugend, zumal entsprechende feste Kostenpositionen durch den Konzessionsnehmer in jedem Fall vorzuhalten sind.

Es ist ungewiss, ob die hiermit verknüpften Ausgaben durch entsprechende Einnahmen gedeckt werden oder gar entsprechende Überschüsse erwirtschaftet werden können. So kann nicht vorausgesehen werden, welche Teilnehmerzahlen sich tatsächlich zu den beispielsweise erwähnten Kongressen, Tagungen, Firmenveranstaltungen sowie weiteren Veranstaltungsformen ergeben. Die tatsächliche Auslastung derbleibt ebenso unklar.

Soweit nach Ansicht der Antragstellerin von einer “Quasi-Monopolstellung” ausgegangen werden könne, vermag die von ihr hierzu angeführte Rechtsprechung nicht zu überzeugen.

Eine solche Monopolstellung wie etwa im Beschluss des OLG Brandenburg vom 12.01.2010 angesprochen (Beseitigungspflichtiger für Tierkörper/Tierkörperteile) ist bei der Antragstellerin im Hinblick auf die streitgegenständliche Leistung nicht annähernd zu erkennen.

Eine Monopolstellung von Caterern erscheint ohnehin geradezu fernliegend.

Außerdem kann hier eine genaue Nutzerzahl nicht im Voraus bestimmt werden. Eine solche Sicherheit ergibt sich insoweit naturgemäß auch nicht aus den Vergabeunterlagen.

Dies gilt umso mehr, da ausweislich Punkt 5 des Informationsmemorandums tatsächlich regional ähnliche weitere Veranstaltungsstätten als Konkurrenz existieren.

Daran ändert auch eine mögliche Planbarkeit aufgrund einer Vertragslaufzeit von fünf Jahren nichts, da dies allein keinen Einfluss auf die zu erwirtschaftenden Einnahmen hat.

Soweit die Antragstellerin meint, es fehle am nötigen Betriebsrisiko aufgrund einer bestehenden Priorisierung als Hauscaterer, geht sie fehl, da keinerlei verbindliche Zusagen für etwaige Umsätze bestehen. Dies ist nur pauschal Punkt 8 des Informationsmemorandums zu entnehmen. Dem stehen auch die unter diesem Punkt bereits unterbreiteten gastronomischen Offerten der Antragsgegnerin nicht entgegen. Eine weitere Unbekannte bleibt auch das Risiko aus Punkt 9 des Informationsmemorandums hinsichtlich Anzahl und Umfang der dort benannten Ausnahmen.

Es sei an dieser Stelle entgegen der Ansicht der Antragstellerin hervorzuheben, dass sich aus den Vergabeunterlagen die Pflicht für den Konzessionsnehmer zur Erbringung der Cateringleistungen ergibt, ein Anspruch hieraus jedoch nicht abgeleitet werden kann.

Es ist offensichtlich, dass die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen aus dem Informationsmemorandum mit nicht unerheblichen wirtschaftlichen Unsicherheiten verbunden ist. Es ist darin zwar aufgeführt, dass Hauscaterer in vergleichbaren Veranstaltungshäusern der Antragsgegnerin in vorangegangenen drei Jahren positive Umsatzzahlen zu verzeichnen gehabt hätten. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass der Konzessionsnehmer in den kommenden Jahren ebenfalls einen entsprechenden Umsatz erwirtschaften wird. Schließlich muss auch Berücksichtigung finden, dass die Leistungserbingung mit einer Neueröffnung der verbunden ist, der noch keine konkreten Erfahrungswerte zugrundeliegen.

Weitere Verpflichtungen hat der Konzessionsnehmer beispielsweise hinsichtlich sämtlicher Leistungen der Ausstattung, Betriebstechnik sowie deren Instandhaltung zu erfüllen. Der Antragstellerin obliegen laut Informationsmemorandum außerdem die Reparaturen und die Verpflichtung zum Abschluss von Wartungsverträgen, Versicherungen (siehe Punkt 13 und 19) sowie zur Einholung behördlicher Genehmigungen und Konzessionen.

Auch Investitionen in einem nicht unerheblichen Umfang sind durch den Konzessionsnehmer zu übernehmen (siehe Punkt 12 Informationsmemorandum). Es mag zwar sein, dass nach Ansicht der Antragstellerin das Erfordernis von Investitionen für sich allein genommen nicht genügt. In jedem Fall ist es aber in der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, zumal die Antragsgegnerin im Informationsmemorandum auf einen nicht unerheblichen Investitionsbetrag ausdrücklich hinweist. Ob davon ausgegangen werden kann, dass hier bereits bestehende Ressourcen zum Einsatz kommen können oder nach einer möglichen Tätigkeitsaufgabe einer Weiterverwendung zugänglich sind, ist hier nicht entscheidend. Die seitens der Antragstellerin hierzu angeführte Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 18.07.2007 – Rs. C-382/05, Rn. 42) ist auch im Übrigen nicht geeignet, für den vorliegenden Fall einen Dienstleistungsauftrag zu begründen.

Schließlich spricht auch die Beteiligung der Antragsgegnerin am Umsatz entsprechend Punkt 14 des Informationsmemorandums für die Ansicht der Vergabekammer, da in aller Regel von einem umgekehrten Fluss der Zuschusszahlung an einen Konzessionsnehmer auszugehen ist.

Für die Einordnung des Betriebsrisikos ist es letztlich nicht erforderlich, dass der Konzessionsnehmer das gesamte Risiko trägt. Für die Annahme einer Dienstleistungskonzession genügt grundsätzlich die Übernahme eines eingeschränkten Risikos. Ein solches sieht die Vergabekammer hier als gegeben an, da der Konzessionsnehmer insbesondere das Risiko übertragen bekommt, dass die aus der Inanspruchnahme ihrer Leistung erzielten Einnahmen die vorgesehenen Investitionsaufwendungen für die Aufnahme der Tätigkeit und die Kosten für die Erbringung der Dienstleistung nicht hinreichend abdecken können.

Dies lässt sich auch nicht aufgrund der seitens der Antragstellerin behaupteten Möglichkeit einer dynamischen Preisanpassung anders beurteilen, da auch Nachverhandlungen zu Preisgestaltungen der Abstimmung mit der Antragsgegnerin bedürfen und damit das Risiko bergen, dass der Konzessionsnehmer möglicherweise Abhängigkeiten ausgesetzt ist, die ihm während der fünfjährigen Vertragslaufzeit auferlegt werden. Im Übrigen trägt er auch das gesamte Haftungsrisiko (siehe Punkt 19 Informationsmemorandum).

Die Schlussfolgerung der Antragstellerin, aus der “Priorisierung” und “gemeinsamen Preisgestaltung” lasse sich eher ein bilaterales Verhältnis herleiten als ein für die Dienstleistungskonzession typisches Dreiecksverhältnis, geht dahingehend fehl, dass der Caterer sehr wohl in erster Linie in Abhängigkeit von Dritten, hier der Nutzer der steht, die seine Leistungen in Anspruch nehmen. Denn allein hieraus folgen seine Einnahmen.

Es sei nur am Rande hinsichtlich der seitens der Antragstellerin angeführten Entscheidung des OLG München, Beschluss vom 21.05.2008, Az.: Verg 5/08, Rn. 40, erwähnt, dass sich dieser Fall anders als vorliegend darstellt, da dort in dem streitbefangenen Verkehrsdienstleistungsvertrag ein nachträglicher Verlustausgleich gegenüber dem Leistungserbringer vorgesehen war, d. h., der prognostizierte Verlust sollte gegenüber dem Leistungserbringer ausgeglichen werden. Es war somit eine Zuschussleistung vorgesehen, die keiner weiteren Definition oder Eingrenzung unterlag. Eine sichere Aussage zu der Frage, ob das wirtschaftliche Risiko in nennenswertem Umfang beim Auftraggeber verbleibt, war hier nicht möglich und daher von einem Dienstleistungsauftrag statt einer Dienstleistungskonzession auszugehen. So gestaltet sich jedoch der vorliegende Fall gerade nicht. Etwaige Zuschüsse sind in keiner Weise vorgesehen, und es bestehen auch keine anderweitigen Risikoausgleiche für den Konzessionsnehmer.

Damit ist vorliegend von einer Dienstleistungskonzession auszugehen.

Für diese finden die Vorschriften des TVergG LSA jedoch aus den genannten Gründen keine Anwendung.

Die Frage, ob es sich bei der Antragsgegnerin um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, kann damit dahinstehen.

Unabhängig von alledem sei nur erwähnt, dass das (weitere) Vorbringen der Antragstellerin zu mangelhaften Bewertungskriterien oder der Anwendung einer fehlerhaften Bewertungsmethode verspätet bzw. gem. S 19 Abs. 4 (Nr. 1) TVergG LSA präkludiert wäre.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist aus den genannten Gründen unzulässig.

Von einer Beiladung der Bezuschlagten wurde daher abgesehen.

Kosten

VergabePraxis: Kurz belichtet: Voraussetzungen für einen Eintritt in die Preisprüfung und das Preisaufklärungsverlangen

VergabePraxis: Kurz belichtet: Voraussetzungen für einen Eintritt in die Preisprüfung und das Preisaufklärungsverlangen

von Thomas Ax

Gem. § 60 Abs. 1 VgV verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Wann letzteres der Fall ist, entscheidet der öffentliche Auftraggeber vor der eigentlichen Aufklärung auf Grundlage eines ihm zukommenden, von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.05.2018, VII-Verg 3/18). Der Beurteilungsspielraum ist von den Nachprüfungsinstanzen nur darauf hin überprüfbar, ob der öffentliche Auftraggeber den Sachverhalt vollständig ermittelt, die Entscheidung nachvollziehbar begründet und nicht willkürlich getroffen hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2017, Verg 8/17). Für seine Beurteilung kann er die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen wie die Angebotssummen anderer Bieter, eine ordnungsgemäß aufgestellte Kostenschätzung und/oder Daten aus früheren Ausschreibungen als Vergleichsmaßstab heranziehen (VK Westfalen, Beschluss vom 24.11.2021, VK 1 – 49/21 m. w. N.).

Die Festlegung einer starren, internen Aufgreifschwelle, die sich nicht an der Angebotsstruktur im konkreten Vergabeverfahren orientiert, verstößt gegen das Transparenz- und Nichtdiskriminierungsgebot, wenn sie erst nach Ablauf der Angebotsfrist festgelegt wird. Dürfte ein Auftraggeber erst nach Angebotsabgabe, also in Anbetracht der Angebotssummen anderer Bieter, eine starre Aufgreifschwelle, die sich nicht an der Angebotsstruktur im konkreten Vergabeverfahren orientiert, festlegen, so würde hiermit der Möglichkeit Tür und Tor geöffnet, gezielt Angebote, die im Gefüge der konkreten Angebotsstruktur keine Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Preis bieten, durch die nachträgliche Festlegung einer starren Aufgreifschwelle, dennoch einer Preisprüfung zu unterziehen. Nachweisbar wäre dies im Einzelfall nicht. Dass eine intern gebildete Aufgreifschwelle den Bietern nach der Rechtsprechung nicht vorab mitgeteilt werden muss (vgl. VK Bund, Beschluss vom 15.10.2014 – VK 2-83/14), steht dem Erfordernis einer Festlegung und entsprechenden Dokumentation vor Angebotsöffnung nicht entgegen.
Bezugspunkt für die prozentuale Abweichung ist nach der Rechtsprechung das nächst höhere Angebot. Dieses ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig mit 100 % anzusetzen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4/22 -; OLG Düsseldorf Beschluss v. 30.4.2014 – Verg 41/13). Setzt man das Angebot der Beigeladenen mit 100 % an, ergibt sich ein Preisabstand zur Antragstellerin von unter 16 %.
Bei der Ermittlung der Vergleichsangebote, dürfen Angebote von Bietern, die aufgrund von Ausschlussgründen mit kalkulationserheblicher Bedeutung auszuschließen sind, wie etwa bei einer Änderung der Vergabeunterlagen, nicht berücksichtigt werden (Ziekow/Völlink/Steck, 4. Aufl. 2020, VgV § 60 Rn. 3). Umgekehrt darf der Auftraggeber bei der Ermittlung des Bezugsangebots solche Angebote nicht unberücksichtigt lassen, die lediglich aus Gründen ausgeschlossen wurden, welche sich auf die Seriosität der Preisbildung nicht auswirken. Denn auch diese Angebote spiegeln das aktuelle Preisniveau am Markt wider.

Ließe man diese bei der Betrachtung außer Acht, so würde ein Angebot je nach Stand des Vergabeverfahrens möglicherweise an unterschiedlichen Bezugsangeboten gemessen. Es könnte je nach Bezugsangebot mal unangemessen niedrig und mal nicht erscheinen. Zur Beantwortung der Frage, ob das niedrigere Angebot unangemessen niedrig ist, ist ein solcher Ansatz ungeeignet.

Zwar steht die Wahl eines geeigneten sachgerechten Bezugspunkts für die Annahme eines unangemessen niedrigen Angebots dem Auftragsgeber grundsätzlich frei (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.07.2022 – 11 Verg 4/22). Der zulässige Rahmen wird jedoch hierbei von § 60 Abs. 1 VgV vorgegeben. Anlass zur Aufklärung müssen demnach der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zur erbringenden Leistung sein. Kalkulationsfehler in einem früheren Vergabeverfahren – wenn sie auch eingeräumt wurden – lassen per se keinen Rückschluss auf einen ungewöhnlich niedrigen Preis in einem neuen Vergabeverfahren zu.

Noch vor Einleitung der Preisprüfung ist eine Feststellung des öffentlichen Auftraggebers erforderlich, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4/22). Der Auftraggeber muss zunächst das Angebot anhand der vorliegenden Unterlagen prüfen. Erst und wenn sich das Angebot nicht mit den vorhandenen Unterlagen beurteilen lässt, ist der Bieter zur Aufklärung aufzufordern. Enthält das zu prüfende Angebot bereits eine ausführliche Kalkulationstabelle zur Zusammensetzung des SVS, aus der sich die Höhe der vom Bieter getätigten Zuschläge bereits entnehmen lässt, liegen die Kalkulationsgrundlagen insofern bereits offen. Bei der Entscheidung der Frage, ob das Angebot ungewöhnlich oder unangemessen niedrig ist, kommt dem öffentlichen Auftraggeber im Rechtssinn kein Beurteilungsspielraum zu (OLG Düsseldorf Beschl. v. 30.4.2014 – VII-Verg 41/13). Die genannten Prüfungskriterien stellen unbestimmte Rechtsbegriffe dar. Unbestimmte Rechtsbegriffe lassen nur eine richtige Deutung zu, unter die der Sachverhalt zu subsumieren ist (OLG Düsseldorf, aaO).

Auch nach Durchführung der Preisaufklärung darf der öffentliche Auftraggeber ein Angebot nur auf feststehender, tatsächlich gesicherter Tatsachengrundlage ausschließen, insbesondere müssen die Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots plausibel sein und auf einer tragfähigen Grundlage beruhen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. August 2014 – 15 Verg 7/14). Den Erwägungen des Auftraggebers muss sich dem entsprechend mit der gebotenen Gewissheit entnehmen lassen, dass der angebotene Preis nicht die Kosten deckt. Dem genügt es nicht, wenn der Auftraggeber zu zahlreichen Einzelpositionen nur eine eigene Kalkulation gegen die des Bieters setzt, ohne dass nachvollziehbar wird, dass er die Grenze der Auskömmlichkeit berechnet hat (OLG Karlsruhe, aaO).

Nicht zuletzt muss sich die Bewertung, dass die Aufklärung nicht zu einer zufriedenstellenden Erläuterung des Angebotspreises geführt hat, im Rahmen des eingeräumten Beurteilungsspielraums halten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4/22 -, Rn. 81 – 97; OLG Düsseldorf Beschl. v. 30.4.2014 – VII-Verg 41/13; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. August 2014 – 15 Verg 7/14). Wenn auf gesicherter Grundlage feststeht, dass ein Unterkostenangebot vorliegt, muss vom öffentlichen Auftraggeber eine Prognoseentscheidung getroffen werden, ob trotz des niedrigen Angebotspreises eine ordnungs- und vertragsgemäße Leistungserbringung zu erwarten ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4/22 -). Hierbei hat der öffentliche Auftraggeber eine Preisprüfung im Rechtssinn vorzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 30.4.2014 – VII-Verg 41/13). Diese muss sich auf den Gesamtpreis und die Einzelpreise des Angebots, die Auskömmlichkeit der Preise und den Gewinn der Bieterin beziehen (OLG Düsseldorf, aaO). Zu prüfen ist, ob die Gefahr besteht, dass der Bieter versucht ist, den Auftrag aufgrund des niedrigen Preises so unaufwändig wie möglich und damit auch nicht vertragsgerecht zu erfüllen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4/22). Die Feststellung unterliegt dabei der wertenden Entscheidung des Auftraggebers (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4/22 -). Hierbei ist auch das Verhältnis der ggf. ungedeckten Kosten etwa zum Gesamtumsatz des Bieters zu berücksichtigen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. August 2014 – 15 Verg 7/14). Die Prognoseentscheidung des Auftraggebers ist nur eingeschränkt überprüfbar. (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.07.2022 – 11 Verg 4/22; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.2014 – VII-Verg 41/13; VK Sachsen, Beschluss vom 25.05.2022 – 1/SVK/005-22).

VergabePraxis: Kurz belichtet: Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV kann auch dann eingreifen, wenn erforderliche Preise zwar eingetragen wurden und damit formal nicht fehlen, die angegebenen Preise jedoch offensichtlich unzutreffend sind

VergabePraxis: Kurz belichtet: Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV kann auch dann eingreifen, wenn erforderliche Preise zwar eingetragen wurden und damit formal nicht fehlen, die angegebenen Preise jedoch offensichtlich unzutreffend sind

Nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV sind Angebote von der Wertung auszuschließen, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.

Der Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV kann auch dann eingreifen, wenn erforderliche Preise zwar eingetragen wurden und damit formal nicht fehlen, die angegebenen Preise jedoch offensichtlich unzutreffend sind; Bieter dürfen trotz ihrer grundsätzlichen Kalkulationsfreiheit die Gesamtkosten im Hinblick auf § 53 Abs. 7 S. 2 VgV nicht beliebig einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen und dadurch möglicherweise Zahlungspflichten des Auftraggebers bei Vertragsabwicklung manipulieren (VK Bund, Beschluss vom 2. März 2023 – VK 2 – 10/23 – unter Hinweis auf grundlegend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – Verg 4/21).

So sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach der Vorschrift nicht nur solche Angebote grundsätzlich von der Wertung auszuschließen, in denen die erforderlichen Preisangaben gänzlich fehlen, sondern auch solche Angebote, die auf einer Mischkalkulation beruhen, bei der durch sogenanntes “Abpreisen” bestimmter ausgeschriebener Leistungen und sogenanntes “Aufpreisen” anderer angebotener Positionen Preise benannt werden, die die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch richtig wiedergeben (BGH, Beschluss v. 18.5.2004 – X ZR 7/04, Rdnr. 24 – ).

Dazu muss es sich aber handeln um erforderliche Preisangaben im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV.

Die Parallelvorschrift für oberschwellige Bauleistungen des § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A erfasst mit fehlenden “geforderten Preisen” nur Preisangaben, die für die Wertung des Angebots anhand der Zuschlagskriterien maßgeblich sind (VK Bund, Beschluss v. 18.7.2018 – VK 1-55/18). Dass nur das Unterlassen wertungsrelevanter Preisangaben zum Ausschluss des Angebots führen kann, ergibt sich für die genannte Vorschrift aus einer Gesamtschau der insoweit relevanten Normen (§ 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A und § 16 EU Nr. 3 VOB/A sowie des im Bereich der VOB/A grundsätzlich geltenden Nachforderungsgebots gemäß § 16a EU VOB/A). Ein darüber hinaus gehender Anwendungsbereich, der das Unterlassen jedweder Preisangaben erfasst, kann der Norm indes nicht entnommen werden und ist auch aus übergeordneten Transparenz- und Gleichbehandlungsgründen nicht geboten, weil eine Nachforderung der insoweit fehlenden Erklärungen keine Auswirkung auf den Wettbewerb um das wirtschaftlichste Angebot hat. Nichts anderes gilt nach Auffassung der Kammer für die Auslegung von § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV. Erforderliche Preisangaben im Sinne dieser Vorschrift können demnach nur solche Preisangaben sein, die für die Wertung des Angebots anhand der Zuschlagskriterien maßgeblich sind. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich im Umkehrschluss aus § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV 2. HS dass es sich bei den erforderlichen Preisangaben zudem jedenfalls um (nicht unwesentliche) eigenständige Preispositionen (“Einzelpositionen”) handeln muss.

Darüber hinaus müssen im Angebot Anhaltspunkte für eine unzulässige Preisverlagerung zwischen Leistungspositionen und ein Spekulationspotential im Sinne einer unzulässigen Mischkalkulation erkennbar sein.

Eine ausschlusswürdige Mischkalkulation ergibt wirtschaftlich für einen Bieter nur dann einen Sinn, wenn er regulär zu bepreisende Positionen entsprechend abpreist, um so den Preis niedriger zu kalkulieren, als er bei korrekter Bepreisung der betreffenden Positionen wäre, während er Positionen, die nicht regulär anfallen, von denen er aber annimmt, dass sie bei der Vertragsdurchführung oft anfallen werden, entsprechend aufpreist, um darin die anderweitig abgepreisten Leistungen einzukalkulieren. Nur bei einer solchen Sachlage könnte ein entsprechendes Kalkül überhaupt aufgehen (VK Bund, Beschluss vom 2. März 2023 – VK 2 – 10/23).

Für Erwägungen, die die Auskömmlichkeit des Angebots betreffen, ist im Übrigen im Rahmen der Prüfung des Ausschlussgrundes gem. § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV kein Raum. Das Erfordernis, alle geforderten Erklärungen abzugeben und insbesondere jeden in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Preise so wie gefordert vollständig mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird, dient nicht dem Zweck, unangemessen hohe oder niedrige Angebote aus der Wertung auszuscheiden; vielmehr soll sichergestellt werden, dass die Wirtschaftlichkeit des Angebots im Vergleich zu anderen Angeboten auf transparenter und alle Bieter gleichbehandelnder Grundlage festgestellt wird (BGH, Beschluss v. 18.5.2004 – X ZR 7/04).

VergabePraxis: Kurz belichtet: Eigenschaften der Fachkunde und Leistungsfähigkeit sind keine konkretisierten Kriterien

VergabePraxis: Kurz belichtet: Eigenschaften der Fachkunde und Leistungsfähigkeit sind keine konkretisierten Kriterien

von Thomas Ax

Fachkunde und Leistungsfähigkeit bilden gem. § 122 Abs. 1 GWB gemeinsam die Eignung. Eignungskriterien dürfen gem. § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ausschließlich die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen, wobei die Eignungskriterien vom öffentlichen Auftraggeber “im Einzelnen” festzulegen und in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind, § 122 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 GWB. Die möglichen, vom öffentlichen Auftraggeber festzulegenden Eignungskriterien werden in §§ 42 ff. VgV weiter und abschließend konkretisiert.

Die Eigenschaften der Fachkunde und Leistungsfähigkeit lassen sich unter keinem Gesichtspunkt den in § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GWB genannten und in §§ 42 ff. VgV konkretisierten Kriterien zuordnen. Vielmehr stellen sie lediglich den in § 122 Abs. 1 GWB aufgestellten Rahmen dar, der vom öffentlichen Auftraggeber gerade durch konkretere Vorgaben in von ihm aufzustellenden Eignungskriterien zu spezifizieren ist. Als Oberbegriffe stellen sie für sich allein keine Eignungskriterien dar, die Grundlage der Eignungsprüfung können.

Für ungeschriebene Eignungskriterien, deren Verneinung zum Ausschluss des Bieters führen könnte, ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB, nach geltender Rechtslage darüber hinaus kein Raum mehr (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Okt. 2020 – Verg 36/19). Ausdrücklich entschieden wurde dies bereits für das in früherer Rechtsprechung als von Bieterunternehmen zu erfüllen geforderte Eignungsmerkmal der “rechtlichen Leistungsfähigkeit” (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 01. 12. 2015 – Verg 20/15, vom 09. 11. 2011 – Verg 35/11, vom 04. 05. 2009 – Verg 68/08, vom 13. 08. 2008 – Verg 42/07, und vom 21. 02. 2005 – Verg 91/04), für das nach der heutigen Gesetzessystematik über die gesetzlich geregelten Einzelaspekte hinaus kein Anwendungsbereich verbleibt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Okt. 2020 – Verg 36/19).

Nichts anderes kann nach der oben dargestellten heutigen Regelungssystematik für das Merkmal der Fachkunde gelten. Die Berücksichtigung des Verhaltens von Bietern in früheren Auftragsverhältnissen ist nach der heutigen Regelungssystematik der Prüfung der Ausschlussgründe gem. §§ 123, 124 GWB, insbesondere § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorbehalten.

VergabePraxis: Kurz belichtet: Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, werden von der Wertung ausgeschlossen

VergabePraxis: Kurz belichtet: Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, werden von der Wertung ausgeschlossen

von Thomas Ax

Gem. § 57 Abs. 1 VgV werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, von der Wertung ausgeschlossen. Maßgeblich sind insoweit allein die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und Nachweise (KG Berlin, Beschluss vom 25.04.2022 – Verg 2/22). Das folgt für die Eignungskriterien aus § 122 Abs. 4 S. 2 GWB und für die Nachweise aus § 48 VgV. Gefordert werden kann danach allein, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) aus Sicht der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt (KG Berlin, Beschluss vom 25. 04.2022 – Verg 2/22). Kern der Eignungsprüfung ist die Feststellung, ob die bekanntgemachten Eignungskriterien erfüllt wurden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Dez. 2021 – 11 Verg 6/21). Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Beurteilung der Eignung ein Spielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (statt vieler OLG Düsseldorf Beschluss v. 12.8.2021 – Verg 27/21, BeckRS 2021, 56263 Rn. 34-36, beck-online).

Produktbezogene Leistungsbeschreibung ist unter Bedingungen zulässig

Produktbezogene Leistungsbeschreibung ist unter Bedingungen zulässig

von Thomas Ax

Nach § 31 Abs. 6 VgV darf grundsätzlich nicht auf bestimmte Produkte eines Herstellers verwiesen werden; die nachgefragte Leistung ist grundsätzlich ohne derartige Bezugnahmen zu beschreiben. Die Bezugnahme auf ein Referenzprodukt ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand andernfalls nicht hinreichend genau und allgemeinverständlich beschrieben werden kann, wobei in diesem Ausnahmefall der Zusatz “oder gleichwertig” erforderlich ist. Dass die Benennung eines Leitfabrikats mit dem Gleichwertigkeitszusatz nur ausnahmsweise zulässig ist, macht auch Sinn, denn für Bieter, die ein gleichwertiges Fabrikat anbieten wollen, bleibt stets eine gewisse Unsicherheit, ob der Auftraggeber die Gleichwertigkeit auch anerkennt. Daher ist in derartigen Fällen davon auszugehen, dass der Auftraggeber die Abgabe eines zweiten Hauptangebots veranlasst und ein solches zulässig ist; ein Bieter ist dann befugt, in einem Angebot das Leitfabrikat, in einem zweiten Angebot das gleichwertige Produkt anzubieten, um so mit dem Leitfabrikat jedenfalls ein wertungsfähiges Angebot im Wettbewerb zu haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015 – Verg 28/15).

Maßstab für die Zulässigkeit der Benennung eines Leitfabrikats ist nach § 31 Abs. 6 VgV nicht, welches Produkt der Auftraggeber für vorzugswürdig hält. Die Vorschrift stellt vielmehr darauf ab, ob das gewünschte Produkt ohne Verweis auf das Leitfabrikat nicht hinreichend genau beschrieben werden kann. Ein öffentlicher Auftraggeber hat sich stets auch mit den wettbewerblichen Auswirkungen seiner Vorgaben zu beschäftigen, § 97 Abs. 1 GWB (vgl. z.B. für Referenzanforderungen BayObLG, Beschluss vom 6. September 2023 – Verg 5/22). Hier sind die Vorgaben der Leistungsbeschreibung grundsätzlich mit dem Gleichwertigkeitszusatz versehen.

Auch wenn der Auftraggeber grundsätzlich frei ist in der Definition seines Beschaffungsbedarfs, so zieht das Gebot der Produktneutralität doch Grenzen. Dies gilt, wie § 14 Abs. 6 VgV deutlich macht, insbesondere dann, wenn wie hier nur ein Produkt übrigbleibt, das die Anforderungen erfüllen kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2017 – Verg 53/16). Dafür reicht nicht nur ein sachlicher Grund aus; dieser muss vielmehr besonders belastbar sein in dem Sinne, dass es keine vernünftige Alternative geben darf bzw. keine vernünftige Alternativlösung.

VK Kompakt – Voraussetzungen für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB

VK Kompakt - Voraussetzungen für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB

von Thomas Ax

1. Voraussetzung für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sind (kumulativ) eine erhebliche oder fortdauernde mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags, die zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.

2. Nach dem Wortlaut der Norm genügt es nicht, dass der Auftraggeber gekündigt, einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht oder eine Maßnahme ergriffen hat, die eine vergleichbare Rechtsfolge nach sich zieht. Die Konsequenzen müssen auch zu Recht gezogen worden sein. Da es sich dabei um eine Tatbestandsvoraussetzung handelt, müssen Auftraggeber eine entsprechende Rechtsprüfung (eingehend) dokumentieren, wozu neben der rechtlichen Würdigung auch der zu Grunde gelegte Sachverhalt gehört.

3. Der Ausschlusstatbestand erfasst zwar auch Leistungsstörungen bei öffentlichen Aufträgen anderer Auftraggeber. Dies entbindet aber nicht von der Dokumentation einer Prüfung der Rechtmäßigkeit der hieraus vom anderen Auftraggeber gezogenen Konsequenzen. Der Verweis auf eine erfolgte Kündigung oder auf vergleichbare Sanktionen Dritter genügt dem nicht.

4. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit es unter anderem die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen.

5. Der Antragsgegner hat eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde

6. Auch bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist eine eigene Entscheidung des Auftraggebers, die über ein bloßes “Abnicken” hinausgeht und entsprechend dokumentiert ist, erforderlich. Dabei kann sich der Auftraggeber die Ausführungen seiner Verfahrensbevollmächtigten zu eigen machen, indem er diese unter eigenverantwortlicher Abwägung einer eigenen Ermessensentscheidung zuführt.

VK Berlin, Beschluss vom 19.07.2024 – VK B 1-19/23

VK Kompakt – Auftraggeber muss Schlechtleistung beweisen

VK Kompakt - Auftraggeber muss Schlechtleistung beweisen

von Thomas Ax

1. Im Streitfall über die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB muss die Vergabestelle den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds führen, nämlich dass eine erhebliche oder fortdauernde Schlechtleistung zur Kündigung oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Es genügt nicht, dass der Auftraggeber gekündigt hat, es muss vielmehr mit hinreichender Sicherheit feststehen, dass dies auch zu Recht erfolgt ist.

2. Im Nachprüfungsverfahren gilt der insbesondere in § 167 GWB verankerte Beschleunigungsgrundsatz. Die Vergabekammer bzw. der -senat ist daher nicht gehalten, die Rechtmäßigkeit der streitigen Kündigung selbst im Wege einer vollumfänglichen Inzidentprüfung mit unter Umständen langwieriger Beweisaufnahme wie in einem Bauprozess zu klären. Vielmehr hat die Vergabekammer anhand des Vorbringens der Beteiligten und der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds auch mit hinreichender Sicherheit führen kann.

3. Einem Unternehmen kann sein Verhalten bei Erfüllung eines öffentlichen Auftrags als Mitglied einer Bietergemeinschaft, an die ein Auftrag vergeben wurde, im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zugerechnet werden, wenn ihm ein individueller Beitrag zu den während der Vertragsausführung auftretenden Mängeln zugerechnet werden kann und dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig war.

4. Hat ein Auftragnehmer mit rechtlichen Schritten gedroht oder solche unternommen, die er zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer noch ungeklärten Rechtslage für zulässig halten konnte, so ist bei der Prognoseentscheidung im Rahmen einer Ausschlussentscheidung vom öffentlichen Auftraggeber zu Gunsten des Auftragnehmers zu prüfen und zu berücksichtigen, ob dieser einer vertretbaren Rechtsauffassung folgte.

VK Südbayern, Beschluss vom 04.04.2024 – 3194.Z3-3_01-23-68

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