Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

VergMan ® – BayObLG zum Bieterwettbewerb bei dringlicher Interimsvergabe: Bestandsdienstleister hat kein voraussetzungsloses Privileg im Sinne einer gesicherten Chance auf einen Interimsauftrag durch Beteiligung am entsprechenden Verhandlungsverfahren

VergMan ® - BayObLG zum Bieterwettbewerb bei dringlicher Interimsvergabe: Bestandsdienstleister hat kein voraussetzungsloses Privileg im Sinne einer gesicherten Chance auf einen Interimsauftrag durch Beteiligung am entsprechenden Verhandlungsverfahren

von Thomas Ax

Die Vergabestelle hat auch im Rahmen der Dringlichkeitsvergabe im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb für einen angemessenen Bieterwettbewerb zu sorgen. In der Regel ist es nicht gerechtfertigt, bei der interimsweisen Vergabe nur einen einzigen von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einzubeziehen, jedenfalls wenn die Beteiligung weiterer Unternehmen ohne großen Zeitverlust möglich ist. Allerdings kann eine Begrenzung auf lediglich drei Bieter vergaberechtlich ordnungsgemäß sein (BayObLG VergabeR 2022, 411 – Schnelltests; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4. Dezember 2020, 15 Verg 8/20, NZBau 2021, 200 Rn. 38; OLG Frankfurt VergabeR 2014, 547; Dörn in Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Band 2, VgV § 14 Rn. 51). Für die Beurteilung, in welchem Umfang interessierte Bieter zur Angebotsabgabe einzuladen sind, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich. Eine pauschale Antwort des Inhalts, dass in das Verhandlungsverfahren über einen Interimsvertrag stets alle Bieter einzubeziehen seien, die ihr Interesse an einem Hauptvertrag durch Angebotsabgabe bekundet haben, verbietet sich. 
Auch in den Entscheidungen des OLG Dresden vom 24. Januar 2008 (WVerg 10/07, VergabeR 2008, 567) und des OLG Hamburg vom 8. Juli 2008 (1 Verg 1/08, VergabeR 2009, 97) wird ein solcher genereller Grundsatz für alle denkbaren Fälle ausweislich der Entscheidungsgründe nicht aufgestellt. Der Entscheidung des OLG Dresden lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der öffentliche Auftraggeber nach Aufhebung eines Verfahrens zur Vergabe eines Betreibervertrags, an dem sich sechs Bieter beteiligt hatten, nur mit dem Bestandsdienstleister in Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung für einen einjährigen Überbrückungszeitraum eingetreten war. Das OLG hat dies als vergaberechtswidrig angesehen, weil namentlich in Fällen einer nicht erfolgreich abgeschlossenen Ausschreibung ein anschließendes Verhandlungsverfahren jedenfalls mit den Bietern eben dieser Ausschreibung zu betreiben sei. Im Anschluss an diese Entscheidung hat es das OLG Hamburg in einem ähnlich gelagerten Fall als vergaberechtswidrig gewertet, dass im Wege der Freihändigen Vergabe Verträge über Schuldner- und Insolvenzberatungsdienstleistung für einen Interimszeitraum nur mit den dem öffentlichen Auftraggeber bereits durch die bisherige Zusammenarbeit bekannten sieben Beigeladenen geschlossen worden sind, obwohl das Interesse einer weiteren Bewerberin bekannt war und die Prüfung ihrer Eignung in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich gewesen wäre. Maßgeblich stellen diese Entscheidungen darauf ab, dass das beanstandete Vorgehen des öffentlichen Auftraggebers eine unzulässige Bevorzugung der der Vergabestelle bekannten Bestandsdienstleister darstellte und mit dem Gebot der Gleichbehandlung nicht vereinbar war. 

Die Kommentierung (Antweiler in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl 2020, GWB § 115 Rn. 25) stellt ab auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 30. Januar 2014 (11 Verg 15/13, VergabeR 2014, 547). Darin heißt es, dass der öffentliche Auftraggeber auch in Fällen besonderer Dringlichkeit der (Interims-)Vergabe gehalten sei, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen; etwas anderes könne sich je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben.

Maßgeblich ist, dass der Auftraggeber auch in Eilfällen einen angemessenen Bieterwettbewerb zu eröffnen hat, um dem Wettbewerbsprinzip Rechnung zu tragen. Ist ein Vergabeverfahren bereits eingeleitet, der Zuschlag aber durch ein Nachprüfungsverfahren blockiert, sind in die Interimsverhandlungen grundsätzlich diejenigen Bieter einzubeziehen, die ein Angebot abgegeben haben. Dabei kann der öffentliche Auftraggeber aber den Kreis der im Rahmen der Dringlichkeitsvergabe aufzufordernden Unternehmen auf eine angemessene Zahl begrenzen, sofern dabei der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt bleibt (BayObLG VergabeR 2022, 411 – Schnelltests). Dabei verlangt das Transparenzgebot eine nachvollziehbare Auswahl der Unternehmen, die zu Vertragsverhandlungen aufgefordert werden (BayObLG VergabeR 2022, 411 – Schnelltests; Dieckmann in Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV/UVgO, § 14 VgV Rn. 75; Völlink in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, VgV § 14 Rn. 66). 

Aus Sachgründen ist eine Beteiligung der Bestandsdienstleisterin am Verhandlungsverfahren nicht, insbesondere nicht aus Gründen der Gleichbehandlung, geboten. Ein Unternehmen hat nicht schon allein aufgrund des Umstands, dass es den Dienstleistungsauftrag innehat und zu seiner Fortführung in der Lage und willens ist, einen genuinen Anspruch auf Beteiligung an einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb hinsichtlich der Interimsvergabe.

Andernfalls hätte jeder Bestandsdienstleister ein voraussetzungsloses Privileg im Sinne einer gesicherten Chance auf einen Interimsauftrag durch Beteiligung am entsprechenden Verhandlungsverfahren. Das Interesse des Bestandsdienstleisters, den Zeitraum seiner Leistungserbringung über das Vertragsende hinaus zu verlängern, ist aber vergaberechtlich nicht geschützt (vgl. auch VK Südbayern, Beschl. v. 29. Dezember 2016, Z3-3-3194-1-47-11/16). 

BayObLG, Beschluss vom 31.10.2022 – Verg 13/22

VergMan ® – Nachprüfung: Bei „schweren“ Rechtsfragen darf der Auftraggeber einen Anwalt hinzuziehen

VergMan ® - Nachprüfung: Bei „schweren“ Rechtsfragen darf der Auftraggeber einen Anwalt hinzuziehen

von Thomas Ax

Die Kosten eines Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, wenn dessen Hinzuziehung erforderlich war. Die Frage, ob es für den öffentlichen Auftraggeber notwendig war, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist auf Grundlage einer differenzierenden Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund einer ex ante Prognose zu entscheiden. Gemäß § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG sind die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Hinzuziehung erforderlich war. Die Frage, ob es für den öffentlichen Auftraggeber notwendig war, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist auf Grundlage einer differenzierenden Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund einer ex ante Prognose zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006, X ZB 14/06 -; Senat, Beschluss vom 11.07.2011, a.a.O. -; Beschluss vom 10.03.2015, a.a.O.; Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergabeR, 5. Aufl. 2016, § 182 GWB (Stand: 24.11.2020) Rn. 84). Entscheidend ist Folgendes: Warf der Sachverhalt nicht einfach gelagerte Rechtsfragen auf? Betraf die Verteidigung nicht allein auftragsbezogene Sachfragen, sondern spezifisch vergaberechtliche Fragen, die einer rechtlichen Beratung bedurften? Gesichtspunkte wie die Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, die Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen, aber auch die Möglichkeit, aufgrund der sachlichen und personellen Ausstattung Fragen des Vergaberechts sachgerecht zu bearbeiten, können eine Rolle spielen. Konzentriert sich die Problematik eines Nachprüfungsverfahrens auf schlichte auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörenden Vergaberegeln, spricht im Allgemeinen mehr dafür, dass der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse im Rahmen seines originären Aufgabenkreises selbst organisieren und aufbringen kann, es im Nachprüfungsverfahren eines anwaltlichen Beistands also nicht bedarf (Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, a.a.O., Rn. 95). Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Auftraggeber sich in seinem näheren Aufgabenbereich die für ein Nachprüfungsverfahren notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse grundsätzlich selbst zu verschaffen hat, während er sich für nicht einfach gelagerte Rechtsfragen, die zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen hinzukommen, insbesondere wenn sie Bezüge zu höherrangigem Recht und Europarecht aufweisen, gegebenenfalls externen Rechtsrat einholen darf (vgl. Senat, Beschluss vom 11.07.2011, a.a.O.; Senat, Beschluss vom 10.03.2015, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG München, Beschluss vom 24.01.2012 – Verg 16/11 -).

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.06.2021 – 15 Verg 7/21

VergMan ® Nordrhein-Westfalen: Aktuelle Besondere Vertragsbedingungen des Landes Nordrhein-Westfalen zur Einhaltung des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen (BVB Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen)

VergMan ® Nordrhein-Westfalen: Aktuelle Besondere Vertragsbedingungen des Landes Nordrhein-Westfalen zur Einhaltung des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen (BVB Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen)

Der Auftragnehmer ist zur Einhaltung der Vorgaben des Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen verpflichtet. Die weiteren Vertragsbedingungen bleiben hiervon unberührt. Hierzu vereinbaren die Parteien Folgendes:

1. Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen

1.1. Der Auftragnehmer ist verpflichtet,

a) für Leistungen, deren Erbringung dem Geltungsbereich
– eines nach dem Tarifvertragsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1323) in der jeweils geltenden Fassung für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages,
– eines nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799) in der jeweils geltenden Fassung für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages oder
– einer nach den §§ 7, 7a oder 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158) in der jeweils geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnung unterfällt, seinen Beschäftigten (ohne Auszubildende) bei der Ausführung des Auftrags wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die in dem Tarifvertrag oder der Rechtsverordnung verbindlich vorgegeben werden.

b) für Leistungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auf Straße und Schiene (§ 1 Abs. Absatz 3 TVgG) seinen Beschäftigten (ohne Auszubildende) bei der Ausführung des Auftrags wenigstens das in Nordrhein-Westfalen für diese Leistung in einem einschlägigen und repräsentativen mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbarten Tarifvertrag vorgesehene Entgelt nach den tarifvertraglich festgelegten Modalitäten zu zahlen und während der
Ausführungslaufzeit Änderungen nachvollziehen.

c) bei der Ausführung der Leistung seinen Beschäftigten (ohne Auszubildende) wenigstens ein Entgelt in Höhe des allgemeinen Mindestlohns, nach den Vorgaben des Mindestlohngesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen. Diese Pflicht gilt auch, sofern das gemäß lit. a) und b) zu zahlende Entgelt das Mindeststundenentgelt nach dem Mindestlohngesetz unterschreitet.

1.2. Der Auftragnehmer trägt dafür Sorge, dass die bei der Ausführung des Auftrags beteiligten Nachunternehmen die in Ziffer 1.1. genannten Pflichten ebenfalls einhalten.

1.3. Ziffer 1.1., lit. c) gilt nur, sofern die ausgeschriebene Leistung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erbracht wird. Ziffer 1.1., lit. c) gilt nicht für Auftragnehmer, die unter § 224 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 sowie § 226 des Neunten Sozialgesetzbuches fallen.

2. Kontroll- und Prüfrecht
Der Auftraggeber ist berechtigt, die Einhaltung der unter Ziffer 1. genannten Verpflichtungen während der Auftragsausführung zu überprüfen. Hierzu ist der Auftragnehmer verpflichtet,

a) dem Auftraggeber auf dessen Verlangen die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, aus denen sich die Einhaltung der unter Ziffer 1. genannten Verpflichtungen zweifelsfrei ergibt. Sofern diese Unterlagen personenbezogene Daten enthalten, erfolgt die Vorlage in anonymisierter Form sowie unter Beachtung des Datenschutzrechts.

b) seine Beschäftigten auf die Möglichkeit solcher Kontrollen hinzuweisen.

3. Kündigung aus wichtigem Grund; Vertragsstrafe

3.1. Der Auftraggeber kann den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist unter anderem kündigen,

a) wenn der Auftragnehmer eine Pflicht aus Ziffer 1. verletzt,

b) wenn der Auftragnehmer nicht sicherstellt, dass die Nachunternehmen eine Pflicht aus Ziffer 1. einhalten oder

c) wenn der Auftragnehmer seinen Pflichten aus Ziffer 2. nicht nachkommt.

3.2. In den in Ziffer 3.1. genannten Fällen, verpflichtet sich der Auftragnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe, deren Höhe eins von Hundert, bei mehreren Verstößen bis zu fünf von Hundert des Auftragswertes beträgt. Dies gilt nicht, wenn der Auftragnehmer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens durch den Auftraggeber ist nicht ausgeschlossen, jedoch wird die verwirkte Vertragsstrafe auf den weiteren Schadensersatz des Auftraggebers angerechnet.

3.3. Im Übrigen berühren Ziffer 3.1. und 3.2. nicht die weiteren Rechte der Vertragsparteien.

VergMan ® für Bewerber und Bieter – sicher und effektiv und richtig Vergabeverstöße rügen: Wechsel der Verfahrensart im laufenden Verfahren: Rügeobliegenheit

VergMan ® für Bewerber und Bieter - sicher und effektiv und richtig Vergabeverstöße rügen: Wechsel der Verfahrensart im laufenden Verfahren: Rügeobliegenheit

Die ASt muss den Wechsel vom Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zum Wettbewerblichen Dialog im laufenden Vergabeverfahren rechtzeitig rügen (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB).

Auch die Berücksichtigung der verfristeten Rüge durch die Vergabekammer von Amts wegen ist nicht möglich. Wenn ein Verstoß gegen Vergabevorschriften nicht gerügt wird und damit präkludiert ist, kann die Kammer insoweit nicht mehr auf eine Abhilfe hinwirken, da der Antragsteller durch den präkludierten Verstoß auch nicht in eigenen Rechten verletzt sein kann (VK Nordbayern, B.v. 10.12.2020, RMF-SG21-3194-5-44; Blöcker in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Auflage, § 168 GWB, Rn. 26). In der Rechtsprechung und Literatur wird im Allgemeinen die Auffassung vertreten, dass Vergaberechtsfehler dann nicht von Amts wegen berücksichtigt werden dürfen, wenn eine entsprechende Rüge nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert wäre oder ist, da eine Rügepräklusion ihren Sinn verlöre, wenn der Mangel dennoch von Amts wegen eingeführt werden könnte (u.a. OLG Düsseldorf B.v. 23.6.2010 – Verg 18/10; OLG Schleswig B.v. 15.4.2011 – Verg 10/10; vgl. Diemon-Wies in PK Kartellvergaberecht § 110 GWB Rn. 30).

Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erachtet es das OLG München (B.v. 10.08.2017 – Verg 3/17, Rn. 97; auch OLG Celle, B.v. 02.02.2021, 13 Verg 8/20, Rn. 87) für zulässig, dass präkludierte Verstöße aufgegriffen werden, nämlich dann, wenn ein so schwerwiegender Fehler vorliegt, dass eine tragfähige Zuschlagsentscheidung bei einer Fortsetzung des Verfahrens praktisch nicht möglich ist, etwa weil nur willkürliche oder sachfremde Zuschlagskriterien verbleiben oder das vorgegebene Wertungssystem so unbrauchbar ist, dass es jede beliebige Zuschlagsentscheidung ermöglicht. Es genügt somit nicht, dass überhaupt Vergaberechtsverstöße vorhanden sind, da ansonsten die gesetzlich vorgegebene Rügeobliegenheit in der Tat leerlaufen würde. (OLG München, B.v. 10.08.2017, Verg 3/17, Rn. 97).

Ein solcher Sachverhalt ist nicht ersichtlich. Ein so schwerwiegender Vergabeverstoß, wenn ein solcher überhaupt vorliegen sollte, liegt im Hinblick auf den Verfahrenswechsel nicht vor.

Sowohl das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb als auch der Wettbewerbliche Dialog setzen einen Teilnahmewettbewerb voraus. Erst in der Verhandlungsphase bzw. Dialogphase ergeben sich Unterschiede zwischen beiden Verfahren.

Daher ist in dem vor Durchführung der Dialogphase und in Kenntnis der ASt erfolgten Verfahrenswechsel kein besonders schwerwiegender Vergabeverstoß im obigen Sinne zu sehen. Ob auch Dritte, die am Verfahren nicht teilgenommen haben, durch den Verfahrenswechsel in ihren Rechten verletzt wurden, kann dahinstehen, da dies jedenfalls zu keiner subjektiven Rechtsverletzung der ASt führt.

Aus diesem Grund sieht die Vergabekammer keinen Anlass, von Amts wegen die präkludierte Rüge der ASt aufzugreifen.

Vergabekammer Ansbach, Beschluss v. 05.08.2021 – RMF-SG21-3194-6-20

VergMan ® für Bewerber und Bieter – sicher und effektiv und richtig Vergabeverstöße rügen: Fälschliche Durchführung des Vergabeverfahrens nach den Vorgaben für Unterschwellenvergaben, hier der UVgO, statt nach GWB und VgV – Rügeobliegenheit

VergMan ® für Bewerber und Bieter - sicher und effektiv und richtig Vergabeverstöße rügen: Fälschliche Durchführung des Vergabeverfahrens nach den Vorgaben für Unterschwellenvergaben, hier der UVgO, statt nach GWB und VgV - Rügeobliegenheit

Macht die ASt als Vergabefehler geltend die fälschliche Durchführung des Vergabeverfahrens nach den Vorgaben für Unterschwellenvergaben, hier der UVgO, statt nach GWB und VgV, erscheint eine Rüge nicht nach § 160 Abs. 3 S. 2 GWB als entbehrlich: Wenn der Ast von Anfang bekannt ist, dass die AG ein solches Vergabeverfahren durchführt, weil die ASt selbst als Bieterin am Vergabewettbewerb beteiligt ist, erscheint es als nicht angemessen, die Freistellung von der Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 2 GWB anzuwenden.

Denn es ist nicht ratio legis dieser Freistellung, dass ein Unternehmen sich zunächst rügelos auf ein Vergabeverfahren unterhalb der Auftragsschwellenwerte einlässt bis zu einem Zeitpunkt, zu dem der Auftrag an ein konkurrierendes Unternehmen erteilt wurde, um im Anschluss unter Berufung auf § 160 Abs. 3 S. 2 GWB direkt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer einzureichen, mit dem die Unwirksamkeitsfeststellung des geschlossenen Vertrags beantragt wird.

Geboten erscheint in einer solchen Konstellation die Anbringung einer Rüge bereits während des laufenden Vergabeverfahrens, so die inhaltlichen Voraussetzungen der Rügetatbestände von § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 – 3 GWB zu bejahen sind, damit es nicht so weit kommt, dass der für vergaberechtswidrig gehaltene Vertrag überhaupt geschlossen wird. Es entspricht Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit, den Auftraggeber möglichst frühzeitig auf vermeintliche Fehler hinzuweisen und ihm damit die Möglichkeit zur Korrektur zu eröffnen.

Der Abschluss eines Vertrags, der Gefahr läuft, von der Vergabekammer nach § 135 GWB für unwirksam erklärt zu werden, hat für einen Auftraggeber gravierende Folgen, insbesondere wegen zivilrechtlicher Folgeprobleme mit dem Vertragspartner. Eine Freistellung von der Rügeobliegenheit in einer Konstellation wie der vorliegenden käme einem venire contra factum proprium gleich und würde Spekulationen auf den Zuschlagserhalt Vorschub leisten, wenn der vermeintliche Fehler direkt und erst vor der Vergabekammer thematisiert wird, sobald der Bieter erfährt, dass er den Auftrag nicht erhalten hat.

Dass ein Vergabeverfahren nach UVgO durchgeführt wird, ergibt sich bereits aus der Auftragsbekanntmachung, die mit „Öffentliche Ausschreibung nach UVgO“ überschrieben ist. Erkennbarkeit in tatsächlicher Hinsicht i.S.v. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB ist somit gegeben.

Ebenso ist für einen durchschnittlichen Bieter, auf den für die Frage nach der Erkennbarkeit des Vergabefehlers generell abzustellen ist, auch im Sinne einer laienhaften rechtlichen Bewertung erkennbar, dass bei vermeintlicher Überschreitung des Auftragsschwellenwerts für die europaweite Vergabe ein Vergabeverfahren nach anderen Regeln durchzuführen ist.

Dass das nationale Vergaberechtsregime zweigeteilt ist, stellt eine zentrale Grundlage dar, deren Kenntnis bei jedem Bieterunternehmen angenommen werden kann. Ggf kommt hinzu, dass auch konkret bei der ASt, also nicht nur bei einem abstrakten Bieterkreis, Problembewusstsein in Bezug auf die Differenzierung nach Ober- und Unterschwellenvergabeverfahren gegeben ist.

2. Vergabekammer des Bundes
VK 2 – 43/21

VergMan ® für öffentliche Auftraggeber – wir eröffnen öffentlichen Auftraggebern die entscheidenden Wertungsspielräume (2)

VergMan ® für öffentliche Auftraggeber – wir eröffnen öffentlichen Auftraggebern die entscheidenden Wertungsspielräume (2)

Öffentliche Auftraggeber beschaffen Dienstleistungen im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. Die Auftraggeber berücksichtigen bei der Wertung der Angebote entsprechend der bekannt gegebenen Gewichtung vollständig und ausschließlich die Kriterien, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind. Der Grundsatz des Transparenzgebotes bedeutet, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar und eindeutig in der Vergabebekanntmachung, konkreter allerdings noch in den Vergabeunterlagen zu formulieren sind. Alle ausreichend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter sollen die genaue Bedeutung dieser Bedingungen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können. Der Auftraggeber soll tatsächlich überprüfen können, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (EuGH, Urteil vom 14.07.2016, C‑6/15; EuGH Urteil vom 10.05.2012 – C-368/10; OLG Celle, Urteil vom 23.02.2016, 13 U 148/15). 

Es gibt geschlossene Bewertungssysteme und offene Wertungssysteme.

Bei den geschlossenen Bewertungssystemen steht bereits mit Erstellung der Vergabeunterlagen konkret und anhand objektiv überprüfbarer Werte fest, für welchen Leistungswert der Auftraggeber die höchstmögliche Punktzahl vergeben will. Bei den offenen Bewertungssystemen ist dies nicht der Fall, weil der Auftraggeber sich sachlich begründet vorbehält, erst nach Eingang der Angebote zu entscheiden, welches Angebot den vorab eindeutig beschriebenen Zuschlagskriterien am besten entspricht.

Offene Bewertungssysteme sind der Regelfall. Ein Beispiel für ein übliches offenes Bewertungssystem ist die Wertung des Preises nach dem üblichen und hier auch vom Antragsgegner angewandten System, dass das niedrigste Angebot die volle Punktzahl erhält, ein fiktives Angebot, welches einen vorab abstrakt definierten, aber erst nach Vorliegen der Angebote eindeutig bestimmbaren Wert erreicht, also z.B. doppelt so hoch ist wie das niedrigste Angebot, 0 Punkte erhält (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2015, 13 Verg 1/15). Alle anderen Preise, die dazwischen liegen dürften, werden linear interpoliert.

Beim offenen Bewertungssystem weiß der öffentliche Auftraggeber vorab nicht, welcher Bestwert erzielt werden wird, also im Beispiel wie niedrig der geringste Preis sein wird. Er muss aber vorab und transparent einen Bewertungsmaßstab aufstellen, der bereits eindeutig festgelegt, in welcher Abstufung die Angebote zueinander gewertet werden. Der Auftraggeber bestimmt mit der Festlegung des Wertes, für den 0 Punkte vergeben werden (das Doppelte {wie im vorliegenden Fall} oder auch nur das 1,5fache), darüber, wie steil er zwischen den eingehenden Preisen abstufen wird.

Die Abstufung der vergleichbaren Leistungswerte in den jeweiligen Angeboten zueinander ist mindestens ebenso wichtig, wie die Gewichtung der Zuschlagskriterien zueinander, was aber von der Rechtsprechung häufig übersehen wird. Ein erheblich gewichtetes Zuschlagskriterium, welches also zum Beispiel mit 50 % in die Wertung einfließen soll, kann nahezu bedeutungslos bleiben, wenn die vorgesehene Abstufung zwischen den eingehenden Angeboten so flach gewählt wird, dass auch ein in diesem Kriterium deutlich weniger wirtschaftliches Angebot nur unwesentlich weniger Punkte erhält, als das optimale Angebot. Ein Zuschlagskriterium mit einer geringen Gewichtung und einer hohen Abstufungstiefe kann zuschlagsrelevanter sein als ein Zuschlagskriterium mit einer hohen Gewichtung und einer geringen Abstufungstiefe.

Der Bieter kann aufgrund der mitgeteilten Faktoren der Gewichtung und Abstufungstiefe daher vorab nicht absolut, aber dennoch verlässlich erkennen, welche Folgen also im Beispiel ein das Mindestgebot überschreitender Preis hat, wie wichtig es ist, möglichst knapp zu kalkulieren. Das ist beim Preis und allen objektiv messbaren und linear interpolierbaren Werten wie Verbrauchswerten einfach.

Die Anwendung eines geschlossenen Bewertungssystems auf das Zuschlagskriterium Preis würde bedeuten, dass alle Angebote, die einen bestimmten aus den Vergabeunterlagen offen erkennbaren Preis unterschreiten, die volle Punktzahl erhalten. Der Auftraggeber würde bei einem geschlossenen Bewertungssystem danach abgeschichtet bestimmte Preisstufen benennen, die jeweils weniger Punkte erhalten. Das geschlossene Bewertungssystem dämpft beim Zuschlagskriterium Preis den Wettbewerb, weil niemand ein Interesse daran hat, einen niedrigeren Preis anzubieten als den vorab genannten Preis, der die volle Punktzahl erzielt.

Geschlossene Bewertungssysteme bieten sich an, wenn der Auftraggeber nicht das beste Ergebnis, sondern lediglich die Erfüllung bestimmter technischer Kennwerte fordert. Diese Kennwerte kann der Auftraggeber durchaus ambitioniert festlegen. Der öffentliche Auftraggeber hat aber kein Interesse daran, dass der für die Höchstpunktzahl vorgesehene Kennwert überschritten wird. Geschlossene Bewertungssysteme sind ungeeignet, wenn es um linear beliebig variierbare Verbrauchswerte geht, die dem Auftraggeber so wichtig sind, dass er den Bestwert als Zuschlagskriterium gewichten möchte, oder wenn der Auftraggeber kreative Leistung miteinander vergleichen will, die vorab nicht ohne weiteres beschreibbar sind. Hierzu gehören insbesondere die hier, wie auch in den zuvor entschiedenen Fällen der OLG Düsseldorf und Celle, streitigen qualitativen Konzepte zur Leistungserbringung.

Die Vergabekammer hat bei ihrer Überprüfung der Wertung den Beurteilungsspielraum der Vergabestelle zu beachten. Gegenstand der Überprüfung ist allein, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und die Wertungsentscheidung sich im Rahmen der Gesetze und der allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe hält (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2016, 13 Verg 10/15; vgl. OLG München, Beschluss vom 05.04.2012 Verg 3/12; OLG München, Beschl. v. 7. Apr. 2011, Verg 5/11; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7. Dez. 2009, VII-Verg 47/09, OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 24.02.2005 – Verg 88/04 – und vom 23.03.2005 – VII-Verg 68/04). Die Vergabekammer ist nicht Fachaufsichtsbehörde des Antragsgegners.

Die Anwendung offener Bewertungssysteme ist komplex, weil die zu bewertenden Leistungen nicht abschließend beschrieben werden können. Offene Bewertungen vorab nicht abschließend beschreibbarer Leistungen sind untrennbar mit einem subjektiven Element verbunden, weil es nicht möglich ist, die Wertschätzung, ob ein Projekt überaus fundiert dargestellt wird (9 – 10 Punkte), fundiert und gut dargestellt wird (7 – 8 Punkte), nachvollziehbar dargestellt wird (5 – 6 Punkte), nur teilweise nachvollziehbar dargestellt wird (3 – 4 Punkte), oder ob sich die Darstellung inhaltlich nicht mit der Thematik befasst (1 – 2 Punkte) von der Person des Bewertenden zu trennen. Dieser Effekt ist aus der Notengebung in der Schule, aber auch in der wissenschaftlichen Ausbildung, z.B. der Juristenausbildung, bekannt. Jeder Versuch, hier mehr Klarheit zu erzeugen, schafft mehr Worte im Begleittext der Vergabeunterlagen. Gerade bei der Bewertung von noch zu erstellenden Bieterkonzepten können detaillierte Vorgaben des Begleittextes problematisch sein, weil sie die Möglichkeiten der Bieter zur konzeptionellen Darstellung einschränken (VK Niedersachsen, Beschluss vom 04.10.2011 VgK 26/2011). Ein die Konzeptionsfreiheit nicht einengender Versuch, abstrakte Wertungskriterien konkret subsumierbar darzustellen, ist nicht geeignet, das subjektive Element der Bewertung zu beseitigen. Mehr Worte schaffen nicht mehr Vergabesicherheit.

Taugliche Instrumente zur Neutralisierung subjektiver Elemente sind nur die Bildung von Beurteilungsgremien (vgl. VK Niedersachsen Beschluss vom. 07.01.2014, VgK-40/2013), in denen sich die subjektiven Ansichten und Einflüsse vermutlich gegeneinander aufheben, oder die Einführung von Zweitbeurteilern, wie sie seit jeher im zweiten juristischen Staatsexamen und in Abiturprüfungen Anwendung finden.

Will der öffentliche Auftraggeber diese Unsicherheiten vermeiden, muss er auf ein geschlossenes Bewertungssystem ausweichen. Bei qualitativen Konzepten setzt dies voraus, dass der öffentliche Auftraggeber schon vorab weiß, welches Konzept im jeweiligen qualitativen Zuschlagskriterium das von ihm angestrebte Optimum darstellt. Der Auftraggeber erkundet den Markt allerdings selten, nämlich nur zu den Zeitpunkten der kommenden Vergabeentscheidung. Er kennt daher die aktuell in Anwendung befindlichen qualitativen Konzepte deutlich schlechter, als die Anbieter. Er ist daher gut beraten, das Optimum nicht vorab vorzugeben, sondern erst aufgrund der eingehenden und bei der Auswahl des Optimierungsziels frei gestaltbaren Angebote das Optimum auszuwählen. Das ist ihm nur möglich, wenn er ein offenes Bewertungssystem verwendet.

Wollte man die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschlüsse vom 16.12.2015, VII-Verg 24 15; vom 15.06.2016–VII Verg 49/15) oder auch die Rechtsprechung des OLG Celle (Urteil vom 23.02.2016 – 13 U 148/15) zum Anlass nehmen, dem öffentlichen Auftraggeber die – wie das OLG Düsseldorf selbst darstellt – weithin als statthaft geltende Verwendung offener Bewertungssysteme zu untersagen, würde dies nicht nur die Vergabepraxis vor die Aufgabe stellen, eine neue Bewertungssystematik zu entwickeln. Da es sich um allgemein anzuwendende Argumente handelt, müssten diese Argumente folgerichtig auch alle wertenden Prüfungsentscheidungen, in denen individuelle Leistungsabfragen gestellt werden, in Frage stellen. Als einzig legitimer Weg einer auch qualitativ anspruchsvollen Leistungsprüfung bliebe der Fragebogen mit offen oder verdeckt vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Im gesamten Ausbildungsrecht, aber auch im Dienstrecht wären die bisher verwendeten Benotungssysteme sofort zu verwerfen.

Die für die rechtliche Kontrolle dieser Systeme seit Jahrzehnten zuständigen und erfahrenen Fachgerichte haben die Richtigkeit und Brauchbarkeit abstrakter Wertungskriterien für inhaltlich nicht vorab abschließend beschreibbarer Leistungen nicht infrage gestellt, obwohl sie immer wieder Anwendungsdefizite feststellen (OVG Münster, Beschluss vom 29.08.2014 – Az. 6 B 788/14, fast alle Lehrer werden „sehr gut“ beurteilt; BAG, Urteil vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NJW 2015, 1128, zusammenfassend zur Anwendbarkeit von Schulnoten im Arbeitsrecht). Die Vergabekammer folgt dem, wie auch dem EuGH (EuGH, Urteil vom 14.07.2016, C‑6/15).

Der EuGH hat für ein ähnlich aber deutlich einfacher strukturiertes nur dreistufiges Bewertungsverfahren unter Rdnr. 27, 30 seiner Entscheidung dargestellt, weder Art. 53 Abs. 2 noch eine andere Vorschrift der Richtlinie 2004/18 begründe eine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, den potenziellen Bietern die Bewertungsmethode zur Kenntnis zu bringen, anhand deren er eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor in den Auftragsdokumenten festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt und eine Rangfolge für sie erstellt. Der öffentliche Auftraggeber müsse in der Lage sein, die Bewertungsmethode, die er zur Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, an die Umstände des Einzelfalls anzupassen. Damit widerspricht der EuGH der Auffassung des OLG Düsseldorf.

Das Vergaberecht soll einfach und anwenderfreundlich sein. Dazu bedarf es der Anknüpfung an bekannte und vertraute Methoden. Das wird nicht erleichtert, wenn ein weithin bekanntes und langfristig bewährtes Instrument der Bewertung in dem doch engen und der Öffentlichkeit unbekannten Segment des Vergaberechtes für unzulässig erklärt wird, obwohl die Rechtsprechung insgesamt keinen Zweifel an der Brauchbarkeit des Systems äußert.

Damit ist es dem öffentlichen Auftraggeber möglich, nach Vorliegen der Angebote zu prüfen, welches Angebot in welchem Zuschlagskriterium das von ihm gewünschte Optimum erreicht, daher für dieses Zuschlagskriterium die volle Punktzahl erhalten soll. Der Auftraggeber ist bei Verwendung offener qualitativer Zuschlagskriterien berechtigt, das Ranking der Angebote erst nach deren Öffnung festzustellen. Die Vergabekammer weist darauf hin, dass diese Vorgehensweise beim Preis seit jeher Standard ist.

Die zulässige Anwendung eines offenen Bewertungssystems entbindet den öffentlichen Auftraggeber nicht von der Verpflichtung, die Zuschlagskriterien vorab möglichst eindeutig zu beschreiben, damit Anwendungsfehler erkennbar werden. Es bedarf daher der klaren Vorgabe eindeutiger Ziele, nicht aber konkreter Inhalte für die Erfüllung der vorgegebenen Bewertungsstufen, damit der Auftraggeber daraufhin kontrolliert werden kann, ob er innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums blieb, als er die eingegangenen Angebote im Hinblick auf die Zielerreichung miteinander verglich. Beschreibt der Auftraggeber die Ziele nicht eindeutig, fehlt die Vergleichbarkeit und es droht wie in den von OLG Celle und OLG Düsseldorf kürzlich entschiedenen Fällen Willkür. Je klarer der Auftraggeber die Erwartungen beschreibt, desto transparenter und leichter ist die Bewertung des Erfüllungsgrades und desto geringer die Gefahr der Willkür (so auch OLG Celle Urteil vom 23.02.2016 – 13 U 148/15).

Eine vergleichende Bewertung der Angebote von Antragstellerin und Beigeladener darf nicht ausschließlich durch Punkte erfolgen, ohne die Gründe für die eingeschränkte Punktevergabe darzustellen. Nach der Rechtsprechung zur Dokumentation (VK Hamburg, Beschluss vom 07.04.2010, VK BSU 2/10) bedarf es einer stichwortartigen Begründung, welche die Wertungsentscheidung den Grundzügen nach vollziehbar macht. Ebenso geht die VK Brandenburg (Beschluss vom 12.11.2008, VK 35/08) davon aus, dass eine aussagekräftige Begründung hinsichtlich der Punktvergabe erforderlich ist, soweit der Auftraggeber Unterschiede feststellt und diesen Unterschieden auch in der Punktezumessung Ausdruck verleiht.

VergMan ® für Bewerber und Bieter – lassen Sie sich von dem Auftraggeber vollständig informieren (1)

VergMan ® für Bewerber und Bieter – lassen Sie sich von dem Auftraggeber vollständig informieren (1)

Der Antragsgegner muss mit der Bieterinformation gemäß § 134 Abs. 1 GWB 2016 alle Informationen übermitteln, die für eine vollständige Bieterinformation erforderlich sind. Andernfalls hat er gegen eine unmittelbar bieterschützende Vorschrift verstoßen (vgl. Fett in Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, 3. Auflage, 8. Los, § 101 a GWB, Rdnr. 14 ff., 44; Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 3. Auflage, § 101a GWB, Rdnr. 11 f.), allerdings liegt bei rechtzeitig erhobenem Nachprüfungsantrag darin keine selbständige Verletzung der Rechte der Antragstellerin.

Die Bieterinformation gemäß § 134 Abs. 1 GWB 2016 soll den unterlegenen Bieter über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung seines Angebotes unverzüglich informieren. Das bedeutet inhaltlich, dass die Information den unterlegenen Bieter in die Lage versetzen muss zu prüfen, ob sein Angebot gerecht beurteilt worden ist, oder ob nicht. Es ist daher im Sinne der Vermeidung eines Nachprüfungsverfahrens sinnvoll, rechtlich auch ausdrücklich geboten, den unterlegenen Bieter so genau über die Gründe seines Unterliegens zu informieren, dass er die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens selbst einschätzen kann.

Eine Bieterinformation sollte daher das eigene Ergebnis einschließlich der Unterkriterien enthalten, die Gesamtpunktzahl des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters, möglichst einschließlich der Zwischenergebnisse in den Unterkriterien. Je mehr der öffentliche Auftraggeber über das Angebot des Konkurrenten preisgibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der unterlegene Bieter diese Gründe versteht. Je weniger der Auftraggeber über die Wertung preisgibt, desto geringer sind die Anforderungen an die Substantiiertheit etwaiger Rügen zu stellen. Weiß der unterlegene Bieter nur wegen der Schweigsamkeit des Auftraggebers zu wenig, um konkrete Sachverhalte rügen zu können, so wird die Vergabekammer einer bloßen Verdachtsrüge nicht entgegenhalten, sie sei ins Blaue erhoben worden.

Je konkreter die Information über das Angebot des für den Zuschlag vorgesehenen Bieters ist, desto eher ist der Auftraggeber in der Lage, späten Rügen oder einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des bereits erteilten Zuschlags vorzuhalten, dass sie nicht unverzüglich oder rechtzeitig erhoben worden seien. Die nur unzureichende Information kann jedoch nicht alleine dazu führen, dass der erhobene Nachprüfungsantrag in der Hauptsache erfolgreich ist. Mit der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens ist der Zweck der Vorschrift– Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes für erfolglose Bieter – bereits erreicht. Die Vorschrift hat darüber hinaus keinen eigenständigen vergaberechtlichen Selbstzweck (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 08.07.2016, 1/SVK/012-16).

Allenfalls die Übernahme der Kosten eines aufgrund unvollständiger Informationen aus der Perspektive vor Antragstellung zu Recht erhobenen Nachprüfungsantrags, der sich nachträglich als überflüssig erweist, könnte dem Auftraggeber im Einzelfall auferlegt werden.

VergMan ® für öffentliche Auftraggeber – wir eröffnen öffentlichen Auftraggebern die entscheidenden Wertungsspielräume (1)

VergMan ® für öffentliche Auftraggeber – wir eröffnen öffentlichen Auftraggebern die entscheidenden Wertungsspielräume (1)

Bei der Angebotswertung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BGH, Urteil vom 4. April 2017, X ZB 3/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. März 2017, VII-Verg 39/16; OLG München, Beschluss vom 17. September 2015, Verg 3/15). Dieser ist von den Nachprüfungsinstanzen nur dahingehend überprüfbar, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermitteltem Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen der Entscheidung zugrunde gelegt wurden und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsansätze verstoßen wurde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. März 2017, VII-Verg 39/16).

Dies setzt voraus, dass die Wertungen anhand der aufgestellten Zuschlagskriterien vertretbar, in sich konsistent und in diesem Sinne nachvollziehbar sind. Dies gilt insbesondere auch bei der Bewertung qualitativer Zuschlagskriterien im Rahmen eines Konzeptwettbewerbs. In diesen Fällen wird den Bietern bewusst ein kreativer Freiraum zum Wettbewerb um bestmögliche Lösungsansätze eröffnet. Zur Gewährleistung dennoch vergleichbarer Angebote bedarf es hinreichend konkreter Zielsetzungen, die vom öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer funktionalen Leistungsbeschreibung i.S.d. § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB vorzusehen sind und die bei der Angebotswertung im Rahme einer Gesamtschau der Zuschlagskriterien und der übrigen Vergabeunterlagen zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2019, VII-Verg 56/18). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Auftraggeber nicht sämtliche denkbaren konzeptionellen Lösungsansätze der Bieter vorhersehen und abstrakt vorab bewerten kann. Entsprechend sind das Wertungssystem bzw. die Vorgaben, unter welchen konkreten Bedingungen ein Konzept mit welcher Note zu bewerten ist, systemimmanent nicht abschließend bestimmbar und daher kann ein Bieter auch seine Benotung nicht konkret vorhersagen. Aufgrund dieser einem Konzeptwettbewerb immanenten Offenheit für die konzeptionellen Angebote der Bieter ist es auch nicht zu beanstanden, sondern geboten, dass eine relativ vergleichende Bewertung der von den Bietern eingereichten Konzepte nach den bekannt gemachten Bewertungsmaßstäben gleichmäßig vorgenommen wird.

Voraussetzung für einen Konzeptwettbewerb mit einer Bewertung anhand eines abstrakt formulierten, offenen Bewertungsmaßstab ähnlich Schulnoten ist, dass die Bieter anhand der Vorgaben der Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung, erkennen können, worauf der jeweilige Auftraggeber Wert legt (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Erwartungshaltung der Ag, was diese für eine gute Leistungserbringung erwarte, muss erkennbar gewesen sein. Es reicht bspw. aus, wenn sich aus einer Anlage „Zuschlagskriterien _Bewertung“ ausdrücklich, ergibt, dass im Rahmen des Konzeptwettbewerbs der „geplante organisatorische Ablauf“ der auftragsgegenständlichen Dienstleistungen darzulegen ist, dass insbesondere die federführenden Mitarbeiter im Konzept namentlich zu benennen sind und die Namen mit den Angaben in einem Formblatt „Qualifikation Personal“ übereinstimmen sollen.

Die Anforderungen hinsichtlich der einzelnen Kriterien der qualitativen Konzeptbewertung können sodann in einer tabellarischen Übersicht durch Angabe weiterer Unterkriterien näher spezifiziert werden. Die zusätzliche Erläuterung der Notenstufen kann die ausdrückliche Erwartungshaltung der Ag enthalten, dass Wert auf nachvollziehbare, übersichtliche, vollständige Darlegungen gelegt wird, die eine sehr gute Leistungserbringung erwarten und diesbezüglich keine Fragen offenlassen. Dann genügt es im Rahmen der Konzeptbewertung, wenn die Ag unzureichende Darlegungen feststellt, die Fragen aufwerfen und nicht vollumfänglich beantworten.

Wenn eine Darstellung von „Verfahrensabläufen bei der standardisierten Berichterstattung“ in einem Unterkriterium explizit gefordert wird, ist es beurteilungsfehlerfrei zulässig, aufgrund einer mangelnden Prozessdarstellung des geforderten Verfahrensablaufs Punktabzüge vorzunehmen.

Es reicht dann nicht aus, wenn lediglich beanstandet wird, dass die Begründung des Punktabzugs nicht hinreichend konkret gewesen ist. Gleiches gilt für Punktabzüge bezüglich einer geforderten Darstellung des Beschwerde/Reklamationsmanagements des Bieters. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Verweis auf allgemein bestehende Hierarchieebenen (Objektleiter, Niederlassungsleiter, Geschäftsführer) als Eskalationsstufen nicht als hinreichend konkret und als alle Fragen beantwortend bewertet wird.

VergMan ® – Bieterstrategien – Bieterfragen und Rügen sind in Grenzen zulässige Bieterinstrumente

VergMan ® - Bieterstrategien - Bieterfragen und Rügen sind in Grenzen zulässige Bieterinstrumente

§ 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB, der EU-Richtlinienrecht umsetzt, ermöglicht ein Unternehmen bei unzulässigen Beeinflussungen eines Vergabeverfahrens auszuschließen. § 124 Abs. 1 Nr. 9 Buchstabe a) GWB erfasst dabei Fälle, in denen ein Unternehmen versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Die Regelung ist äußerst weit und bildet gegenüber den übrigen Buchstaben b) und c) eigentlich einen Auffangtatbestand.

Die Beeinflussung muss nicht in einem förmlichen Vergabeverfahren erfolgt sein. Sie kann auch darauf gerichtet sein, eine Auftrag im Wege einer Direktvergabe zu erhalten, wobei vier Konstellation unterschieden werden können:

(1.) die vom Unternehmen völlig unbeeinflusste Entscheidung des Auftraggebers, den Auftrag einem bestimmten Unternehmen direkt zu vergeben (Konviktion);

(2.) die Überzeugung des (gutgläubigen) Auftraggebers, dass der Auftrag direkt vergeben werden darf (Persuasion);

(3.) die gemeinsame gezielte Ausarbeitung einer Gestaltung zur ausschreibungsfreien Direktvergabe durch Auftraggeber und Unternehmen (Kollusion) und

(4.) das Anbieten von Zuwendungen mit dem Ziel, dass der Auftrag direkt an das Unternehmen vergeben wird (Korruption).

Als unlautere und damit unzulässige Einflussnahme hat die Rechtsprechung z.B. auch den Fall bewertet, in dem sich ein Bieter an politische Stellen seines Heimatstaats mit dem Ziel wendet, diese dazu zu bewegen, sich in einem laufenden Vergabeverfahren für eine Zuschlagserteilung an ein nationales Unternehmen zu verwenden. Unlauter ist es überdies, wenn ein Bieter sich etwa an politische Stellen seiner Heimatgemeinde wendet mit dem Ziel, diese dazu zu veranlassen, sich für einen „Deal“ zwischen den Bietern einzusetzen.

Es stellt keine unzulässige Beeinflussung des Auftraggebers durch einen Bieter dar, wenn er durch Bieteranfragen und Rügen versucht, den Auftraggeber zur Aufhebung oder Zurückversetzung des Vergabeverfahrens zu bewegen. Der stringente und manchmal möglicherweise auch hartnäckige Versuch, einen öffentlichen Auftraggeber im Wege von Rügen und gegebenenfalls einem sich anschließenden Nachprüfungsverfahren zu bewegen, vermeintlich vergaberechtswidrige Anforderungen zu verändern, damit die Chancen des betreffenden Bieters auf den Zuschlag steigen, ist weder unlauter noch unzulässig.

Es ist damit nicht unzulässig nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB, wenn ein Bieter durch Fragen, Rügen und einem Nachprüfungsverfahren eine Änderung der angeblich vergaberechtswidrigen Vergabeunterlagen oder Zuschlagskriterien erwirken will, um seine Zuschlagschancen zu verbessern. Damit verfolgt ein Bieter keine vergaberechtswidrigen Ziele, sondern es obliegt den gegebenenfalls angerufenen Nachprüfungsinstanzen zu entscheiden, ob der Bieter in seinen Rechten verletzt ist und welche geeigneten Maßnahmen zu treffen sind, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Dies allein ist Inhalt und Zweck des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes.

Auch die etwaige zeitliche Verzögerung des Abschlusses des Vergabeverfahrens und gegebenenfalls die Belastung und Bindung personeller Ressourcen in den Vergabestellen der öffentlichen Auftraggeber haben der europäische Richtliniengeber und deutsche Gesetzgeber mit der Schaffung des Rechtsschutzes bewusst als zumutbar und notwendig akzeptiert.

VergMan ® Vergabetipp: Prüfung und Wertung vom Nebenangeboten

VergMan ® Vergabetipp: Prüfung und Wertung vom Nebenangeboten

Es gilt: ein Nebenangebot ist vom Bieter inhaltlich so auszugestalten, dass der AG dieses ohne weiteres prüfen und werten kann.1 Hierzu hat der Bieter das Nebenangebot eindeutig und erschöpfend zu beschreiben.2 Hinsichtlich der Darlegungstiefe sollte sich der Bieter an der Leistungsbeschreibung des AG orientieren und deren Niveau zumindest nicht unterschreiten.3 Die Leistungsangaben des Bieters müssen somit hinsichtlich des Inhalts und der Eindeutigkeit den Anforderungen genügen, die die VOB/A bzw. UVgO im umgekehrten Fall an den AG für die Ausarbeitung und Aufstellung einer Leistungsbeschreibung stellt.4 Dabei geht es nicht um eine objektive Beweisführung. Unterlagen von dritter Seite (anerkannte Prüfberichte, Zulassungen oder Sachverständigengutachten) müssen nicht zwingend vorgelegt werden.5 Abhängig vom konkreten Beschaffungsvorhaben können unter anderem folgende Angaben erforderlich werden:

– Darstellung der Vollständigkeit des Nebenangebotes
– Hervorhebung der Abweichungen vom Amtsentwurf, soweit vorhanden6
– Technische Ausführbarkeit (wenn Leistung nicht in ATV oder Vergabeunterlagen geregelt ist)
– Erfüllung der einschlägigen technischen Vorschriften
– Kein Verstoß des Nebenangebotes gegen zwingende Vorgaben der Vergabeunterlagen
– Wirtschaftlichkeit des Nebenangebotes (Nebenangebote sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch  bei Vergütung durch Pauschalsumme7)).
– Angemessenheit des Preises in Relation zu der vom Bieter abweichend angebotenen Leistung
– Ermittlung der wertungserheblichen Vor- und Nachteile des Nebenangebotes gegenüber dem Amtsentwurf
– Erfüllung der Mindestanforderungen, bei nationalen Bauvergaben ggf. auch Gleichwertigkeit mit dem Amtsentwurf
– Zweckdienlichkeit der abweichend vorgeschlagenen Lösung8

(2) Nachforschung durch den Auftraggeber
Weist der Bieter die Erfüllung der Mindestanforderungen, bzw. (bei nationalen Bauvergaben) ggf. auch der Gleichwertigkeit nicht mit dem Nebenangebot nach, so besteht im Regelfall keine umfassende Prüfpflicht des AG.

Darüber hinaus muss das Angebot dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen, also mit einem bloßen ‚Ja‘ angenommen werden können. Ein Nebenangebot muss zu diesem Zweck alle Daten enthalten, die nötig sind, damit der AG sich ein klares Bild über den Inhalt verschaffen und so gewährleisten kann, dass das Angebot nicht ‚manipuliert‘ werden kann. Dies setzt eine vollständige, übersichtliche und nachvollziehbare Präsentation der Angebote durch die Bieter unter Berücksichtigung der speziellen subjektiven Anforderungen und vorhersehbaren möglichen Bedenken und Einwände des AG voraus.9 Dies umfasst preisliche Auswirkungen des Nebenangebotes, neben dem Angebotspreis auch die Betriebs- und Folgekosten. Fehlen in einem Nebenangebot solche Daten oder sind sie derart allgemein gehalten, dass ein Vergleich mit anderen Angeboten nicht möglich ist, so ist das Nebenangebot auszuschließen. Darüber hinaus sind auch bedingte Nebenangebote, deren Bedingungseintritt vom Bieter abhängig ist, unzulässig. Aus den vorgenannten Gründen empfiehlt es sich, auch bei nationalen Vergaben klare Mindestanforderungen zu benennen. Zur deutlichen Klarstellung: Nebenangebote müssen ebenso eindeutig sein, wie Hauptangebote. Während sich der Bieter bei der Abgabe eines Hauptangebotes auf die Eindeutigkeit des Amtsentwurfes verlassen kann, übernimmt er bei der Erstellung eines Nebenangebotes selbst das Risiko, dass sein Angebot annahmefähig ist. Auch Nebenangebote werden nicht nachverhandelt und nur im auch für Hauptangebote zulässigen Rahmen aufgeklärt.

1 BayObLG, VergR 2003, 70 f.
2 Vgl. OLG Frankfurt VergabeR 2002, 389; OLG Brandenburg VergabeR 2003, 70; OLG Koblenz VergabeR 2003, 72; OLG Koblenz VergabeR 2003, 699; VK Bund, VK 1-11/03; OLG München VergabeR 2010, 246.
3 OLG Koblenz, VergabeR 2003, 72.
4 VK Südbayern,36-0/03; 29-07/02.
5 Anders BayObLG VergabeR 2003, 207; Beck ‘scher VOB-Komm/Prieß A § 21 Rn. 47.
6 VK Lüneburg IBR 2013, 100.
7 VHB Formblatt 212, Nr. 5.3.
8 VK Nordbayern, 320.VK-3194-49/04.
9 OLG Naumburg, IBR 2000, 105, BayObLG, NZBau 2001, 118

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