Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

VK Nordbayern bestätigt unsere HOAI-Vergabestrategie

VK Nordbayern bestätigt unsere HOAI-Vergabestrategie

von Thomas Ax

Wir geben abgefragte Honorarparameter frei an:
* Honorarzone
* Honorarsatz
* Ggf. Nachlass in % auf Gesamthonorar
* Leistungsphasen (1-9) und Bewertung
* Abrechnungsmodus für mehrere Objekte § 11 Abs. 1+2 HOA1 (Angabe, ob eine getrennte oder zusammengefasste Honorarermittlung für die Objekte Schule / Turnhalle angeboten wird)
* Umbauzuschlag in % gern. § 36 HOAI (Kalkulationsvorgabe: nur für den Umbauanteil, ermittelt im prozentualen Verhältnis der anrechenbaren Kosten)
* Angaben zur Ermittlung des Umfangs der mitzuverarbeitenden Bausubstanz § 4 Absatz 3 HOAI – Oder alternativ: Angabe, ob berücksichtigt im Umbauzuschlag
* Abrechnungsmodus bzgl. Bauabschnittsbildung 1 zeitlich getrennter Ausführung (Angabe, ob und wie eine Zusammenfassung oder Trennung der anrechenbaren Kosten angeboten wird)
* Abrechnungsmodus für die Abbruchplanung (Angabe, ob und wie eine Trennung oder Zusammenfassung der anrechenbaren Kosten mit denen von Neubau/Umbau angeboten wird)

 Mögliche besondere Leistungen:
* LPH 2 – Anfertigen von 5 Stk. Präsentationsmodellen/ 3D-Animationen
* LPH 2+3, 5-8 – Planung KGR 600 (lose Ausstattung, Neu+Bestand) – (Angabe, ob und wie eine Trennung oder Zusammenfassung der anrechenbaren Kosten mit den der KG 300/400 angeboten wird)
* LPH 2-8 – Aufstellung, Fortschreibung und Koordination eines detaillierten Bauabwicklungskonzepts inkl. Interimsmaßnahmen und Baustelleneinrichtungsplanung
* LPH 5 – Erstellung von mit allen Fachplanern koordinierten Wandansichten/Raumblätter für 10 noch zu definierende Muster- Räume (M1:25)
* LPH 7 – Mitwirken bei Prüfung von bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten
* LPH 8 – Fotodokumentation
* LPH 9 – Überwachen der Mängelbeseitigung LPH 9

 Zeithonorar:
* Auftragnehmer
* Dipl.-Ing.
* Sonstige Mitarbeiter

Weiter wird vermerkt, dass mit dem Angebotsformular auch eine Musterhonorarberechnung einzureichen sei.

Die Möglichkeit, die abgefragten Honorarparameter frei anzugeben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nachdem die HOAI 2021 nach § 7 Honorarvereinbarungen zulässt und somit keine zwingenden preisrechtlichen Vorgaben mehr vorsieht, ist es auch zulässig, Vereinbarungen über einzelne Parameter der HOAI zu treffen; es ist auch zulässig, sich grundsätzlich an der Systematik der HOAI zu orientieren, jedoch Vereinbarungen über Honorarparameter zu treffen wie etwa hinsichtlich der Honorarzone, die nach alter Rechtslage objektiv bestimmt wurde. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach einem in den Vergabeunterlagen befindlichen Architektenvertragsmuster grundsätzlich die Vergütung nach der HOAI vorgesehen ist. Die Vereinbarung über die Honorarberechnung im Wege des von den Bietern angeforderten Honorarangebots ist nämlich als speziellere Regelung anzusehen. Für die Zumutbarkeit der Angebotskalkulation bzw. der Möglichkeit einer betriebswirtschaftlich vernünftigen Kalkulation (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 21.04.2021, VII-Verg 1/20) spricht: Die Bieter sind in der Lage, wertbare Angebote zu kalkulieren (VK Bund, B. v. 28.05.2020, VK 1-34/20). Mögliche Risiken bei der Kalkulation können kompensiert werden (zu diesem Aspekt Beck`scher Vergaberechtskommentar, § 121 GWB, Rn. 95), beispielsweise durch die Möglichkeit der freien Angabe des Honorarsatzes oder die Möglichkeit des Verzichts auf einen Nachlass. Hinzutreten kann, dass der Auftragsgegenstand auf Grundlage der Vergabeunterlagen hinreichend konkret ist. Damit ist nicht davon auszugehen, dass die spätere Planung als Grundlage für die spätere Honorarberechnung sich unzumutbar von den vorherigen Annahmen der Bieter entfernt.
VK Nordbayern, Beschluss vom 03.02.2025 – RMF-SG21-3194-9-37

Praxistipp: Bieterfragen dürfen nicht nur selektiv beantwortet werden

Praxistipp: Bieterfragen dürfen nicht nur selektiv beantwortet werden

von Thomas Ax

Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordert, dass ein öffentlicher Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gibt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter verstößt.

Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz erhebt einen umfassenden und unmittelbaren Geltungsanspruch. Im Hinblick auf die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei der Abgabe der Angebote sind die Bieter gleichmäßig über nachträgliche Ergänzungen oder Erläuterungen zu den Vergabeunterlagen zu informieren. Das bedeutet, dass wettbewerbsrelevante Fragen eines Bieters nicht ausschließlich individuell gegenüber diesem beantwortet werden dürfen, sondern die Antworten und, soweit es zwecks Nachvollziehbarkeit ihres Inhalts und ihrer Relevanz erforderlich ist, auch die gestellten Fragen allen Bietern mitzuteilen sind (VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2017 – VK 2-131/16).

Die unterlassene Weiterleitung von Bieterfragen und -antworten begründet einen schwerwiegenden Verfahrensfehler (VK Bund, Beschluss vom 10. März 2020 – VK 2 – 9/20).

Werden nur einem Unternehmen wettbewerbs- und preisrelevante Informationen zur Verfügung gestellt, kann diese Ungleichbehandlung die Vergleichbarkeit der Angebote aufheben und zur Rückversetzung oder im Ausnahmefall zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen. Dabei reicht es aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterbliebene Bieteröffentlichkeit auf die Angebotserstellung Auswirkungen hatte (BayObLG, Beschluss vom 1. August 2024 – Verg 19/23).

Ein Auftraggeber kann allenfalls im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Auskunft handelt. Der Begriff der zusätzlichen Auskunft ist dabei weit auszulegen. Sachdienlich sind Auskünfte, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun haben und Missverständnisse ausräumen oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworten (VK Thüringen, Beschluss vom 25. April 2019 – 250-4002-11352/2019-N-006-EF). Ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn offensichtlich ein individuelles Missverständnis des Bieters betroffen ist und die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde (VK Sachsen, Beschluss vom 24. August 2016 – 1/SVK/017-16 m. w. N.).

Die weite Auslegung des Begriffs der sachdienlichen zusätzlichen Auskunft ist geboten, weil die Bieter einen Anspruch haben, sich selbst eine Meinung über die Relevanz von zusätzlich erteilten Auskünften zu bilden und selbst einzuschätzen, inwieweit sie diesen Bedeutung für die eigene Angebotserstellung beimessen. Anderes gilt allenfalls für solche Fragen, deren Beantwortung sich in bloßen Wiederholungen von ohnehin bekannten und zweifelsfrei transparenten Vorgaben erschöpfen und die damit die Schwelle zur Auskunft oder Zusatzinformation nicht überschreiten, sondern die lediglich einem rein subjektiven, redundanten Informationsbedürfnis des Fragestellers entspringen. Nur in solchen Fällen kann es vorstellbar sein, dass eine bloße Wiederholung nicht allen Bietern zur Verfügung gestellt werden muss (VK Bund, Beschluss vom 28. Januar 2017 – VK 2 – 129/16). Die Weiterleitung der Antwort darf deshalb nicht von einer qualitativen Überprüfung des Frageinhaltes abhängig gemacht werden (Franzius in: Pünder/Schellenberg, § 12a VOB/A Rn. 13).
Es reicht daher für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterbliebene Bieteröffentlichkeit auf die Angebotserstellung Auswirkungen haben könnte (VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2017 – VK 2 -131/16; Völlink in: Ziekow/Völlink, § 12a VOB/A, Rn. 15 und § 20 VgV Rn. 15).

Im Ergebnis müssen alle interessierten Unternehmen die gleichen Informationen erhalten, damit sie die gleichen Erfolgschancen haben (VK Bund, Beschluss vom 10. März 2020 – VK 2-5/20).

Praxistipp: Restarbeiten müssen auch nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers erneut öffentlich ausgeschrieben werden

Praxistipp: Restarbeiten müssen auch nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers erneut öffentlich ausgeschrieben werden

von Thomas Ax

Trotz erfolgter Kündigung des Altauftrags handelt es sich um einen Fall der Ersetzung des Auftragnehmers während der Vertragslaufzeit (vgl. BayObLG, B. v. 21.02.2024, Verg 5/12). Gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB erfordern wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren. Nach § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB liegt eine wesentliche Änderung insbesondere vor, wenn ein neuer Auftragnehmer den Auftragnehmer in anderen als den in § 132 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 GWB vorgesehenen Fällen ersetzt.

Nach der Systematik des § 132 GWB kann in einem solchen Fall der Auftragnehmer ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GWB ersetzt werden. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GWB liegen hier jedoch nicht vor.
Damit ist § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GWB nicht anwendbar (vgl. BayObLG, B. v. 21.02.2024, Verg 5/12). Ebenso ist § 132 Abs. 3 GWB nicht einschlägig. Die Beauftragung des Drittunternehmens im Wege von Nachträgen mit Nachunternehmereinsatz stellt eine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags dar (vgl. VK Südbayern, B. v. 28.02.2023, 3194.Z3-3_0122-41). Im Übrigen kommt insbesondere § 3a Abs. 3 Nr. 4 EU VOB/A nicht in Betracht. Ungeachtet dessen, dass diese Vorschrift lediglich die Wahl der Verfahrensart betrifft, liegen deren Voraussetzungen nicht vor.

Eine äußerste Dringlichkeit der Leistung aus zwingenden Gründen infolge von Ereignissen, die die VSt nicht verursacht hat und nicht voraussehen konnte, so dass selbst die Fristen in § 10a EU, § 10b EU, § 10c EU VOB/A nicht eingehalten werden können, ist nicht gegeben.
Eine zügige Weiterführung der Arbeiten sowie eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung gemäß dem Haushaltsrecht genügen hierfür nicht.

Praxistipp: Wie weitgehend der Amtsermittlungsgrundsatz des § 163 Abs. 1 GWB durch die Rügeobliegenheit begrenzt?

Praxistipp: Wie weitgehend der Amtsermittlungsgrundsatz des § 163 Abs. 1 GWB durch die Rügeobliegenheit begrenzt?

von Thomas Ax

Es ist umstritten, wie weitgehend der Amtsermittlungsgrundsatz des § 163 Abs. 1 GWB durch die Rügeobliegenheit begrenzt wird. Im Allgemeinen wird die Auffassung vertreten, dass Vergaberechtsfehler dann nicht von Amts wegen berücksichtigt werden dürfen, wenn eine entsprechende Rüge nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert wäre oder ist, da eine Rügepräklusion ihren Sinn verlöre, wenn der Mangel dennoch von Amts wegen eingeführt werden könnte (vgl. OLG Düsseldorf B. v. 23.06.2010 – Verg 18/10; OLG Schleswig B. v. 15.04.2011 – Verg 10/10).

Vielfach ist schon fraglich, ob die von Amts wegen zu berücksichtigenden Verstöße für die ASt überhaupt erkennbar im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB waren. Die Erkennbarkeit muss sich dabei sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen. Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes auffallen muss.
So können von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter vertiefte Rechtskenntnisse, die es erlauben, die Vergaberechtskonformität eines Bewertungssystems zu beurteilen, nicht erwartet werden (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 28.09.2022 – VII-Verg 2/22).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird in ganz besonders gelagerten Fällen für gerechtfertigt gehalten, nämlich dann, wenn ein so schwerwiegender Fehler vorliegt, dass eine tragfähige Zuschlagsentscheidung bei einer Fortsetzung des Verfahrens praktisch nicht möglich ist, etwa weil nur willkürliche oder sachfremde Zuschlagskriterien verbleiben oder das vorgegebene Wertungssystem so unbrauchbar ist, dass es jede beliebige Zuschlagsentscheidung ermöglicht (vgl. OLG München, B. v. 10.08.2017 – Verg 3/17).

Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn die Vergaberechtsfehler die Fortsetzung des Vergabeverfahrens unmöglich machen, weil eine vergaberechtskonforme Wertung der vorliegenden Angebote und ein entsprechender Zuschlag auf der Grundlage der vorliegenden Ausschreibung nicht möglich ist (vgl. OLG Celle, B. v. 02.02.2021 – 13 Verg 8/20).

BGH zu der Frage der strafrechtlich relevanten Pflichtwidrigkeit, wenn der Bürgermeister nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt

BGH zu der Frage der strafrechtlich relevanten Pflichtwidrigkeit, wenn der Bürgermeister nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt

vorgestellt von Thomas Ax

Ein Entscheidungsträger handelt im Bereich der öffentlichen Verwaltung pflichtwidrig, wenn er nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt. Beim Unterlassen eines Preisvergleichs oder einer Ausschreibung kommt eine Strafbarkeit bei evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstößen in Betracht. Ein Vermögensnachteil kann bei der Haushaltsuntreue auch nach den Grundsätzen des persönlichen Schadenseinschlags eintreten.
BGH, Beschluss vom 08.01.2020 – 5 StR 366/19

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge – wie aus der Beschlussformel ersichtlich – überwiegend erfolgreich, im Übrigen aber im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

I.

1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

a) Der Angeklagte war seit 1. Oktober 2014 verbeamteter Oberbürgermeister der Kreisstadt H. . Diese beschäftigt etwa 450 Mitarbeiter und verwaltet einen Haushalt in Höhe von 90 bis 100 Millionen Euro. Nach der Geschäftsordnung des Stadtrats der Stadt H. war der Angeklagte zur eigenständigen Vergabe von Aufträgen bis zu einer Höhe von 25.000 Euro berechtigt. Höhere Ausgaben hatten der Stadtrat oder ein Ausschuss zu beschließen.

Seit mehreren Jahren gab es Hinweise darauf, dass Mitarbeiter des städtischen Baubetriebshofs während der Arbeitszeit private Tätigkeiten verrichteten, insbesondere im Staatsforst Holz fällten und auf eigene Rechnung verkauften. In seinem Wahlkampf 2014 hatte der Angeklagte versprochen, diese Missstände als Oberbürgermeister zu beseitigen; er wurde gewählt und trat am 1. Oktober 2014 sein Amt an.

Im Jahr 2015 verdichteten sich die Hinweise auf straf- und arbeitsrechtliches Fehlverhalten. Der Angeklagte bat den Leiter des Rechtsamts J. um Prüfung, ob die Überwachung von Mitarbeitern durch eine Detektei rechtmäßig sei, was dieser nach Recherche bejahte. In einer Fachbereichsleiterbesprechung Anfang September 2015 kamen die Beteiligten (Leiter der Kämmerei W. , Hauptamtsleiter M. , Leiter des Rechtsamts J. und der Angeklagte) überein, eine Detektei zu suchen und die Beauftragung geheim zu halten; die Kosten sollten aus dem Haushaltstitel “Personalbudget” bezahlt werden. Aufgrund einer Anzeige in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) vereinbarte der Zeuge J. mit der in D. ansässigen Detektei K. C. einen Termin mit deren Geschäftsführer L. und dem Angeklagten am 1. Oktober 2015.

Bei diesem Termin erteilte der Angeklagte der Detektei den Überwachungsauftrag. Als Nettopreise wurden für jeden eingesetzten Detektiv 100 Euro pro Stunde zwischen 8 und 18 Uhr an Werktagen sowie 150 Euro pro Stunde für die sonstige Zeit und an Samstagen und Sonntagen, die Übernahme von Sachkosten und Übernachtungskosten nach Aufwand sowie 15 Euro “Bereitstellungspauschale” für jeden eingesetzten Pkw pro Stunde zuzüglich einer Kilometerpauschale von 1,30 Euro vereinbart. Zusätzlich waren für die Abwicklung des Auftrags 25 % des Rechnungsnettobetrages als “Besondere Verwaltungs- und Bearbeitungskosten” vorgesehen. Der Vertrag konnte ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit beendet werden. Eine Überprüfung der Marktüblichkeit dieser Preise erfolgte nicht.

In Umsetzung des Vertrages begann am 1. November 2015 die Überwachung von drei Mitarbeitern des Baubetriebshofs durch zunächst zwei Detektive. Am 4. November 2015 wurde sie durch den Angeklagten auf Anraten des Zeugen L. auf drei Detektive erweitert. Dieser informierte den Angeklagten telefonisch regelmäßig über den Sachstand. Am 3. Dezember 2015 kam es auf Wunsch von L. zu einer Besprechung zwischen ihm, dem Angeklagten und den Zeugen M. und W. . Dabei wurden als Ergebnis der bisherigen Überwachung Videosequenzen gezeigt, auf denen Mitarbeiter der Stadt dabei waren, im Wald Holz zu sammeln und zu verladen. Eine Abschlagszahlung für die bisherigen Leistungen in Höhe von 100.000 Euro wurde vereinbart und am 6. Dezember 2015 nebst Umsatzsteuer gezahlt.

Der Angeklagte ließ die Überwachung bis 18. Dezember 2015 fortführen. Anschließend stellte die Detektei eine Rechnung über 276.762,43 Euro netto (328.157,29 Euro brutto), die der Angeklagte im Januar 2016 als sachlich und rechnerisch richtig abzeichnete und zur Zahlung freigab. Die Stadt H. zahlte in der Folgezeit darauf lediglich weitere 140.004,26 Euro, einschließlich der Abschlagzahlung also insgesamt 259.004,26 Euro brutto. Bezüglich des Restbetrages in Höhe von knapp 70.000 Euro berief sich der Zeuge J. darauf, dass die Vereinbarung des pauschalen Aufschlags in Höhe von 25 % unwirksam, die erbrachte Leistung teilweise mangelhaft und der Einsatz der Detektive nicht wirtschaftlich erfolgt sei. Die Detektei macht den Restbetrag klageweise gegen die Stadt H. geltend.

b) Zum Vorsatz des Angeklagten hat das Landgericht festgestellt, die Überwachung habe nach seiner Vorstellung von vornherein mindestens bis zum 18. Dezember 2015 erfolgen sollen. Er sei sich bei der Beauftragung bewusst gewesen, dass er damit den ihm eingeräumten Verfügungsrahmen von 25.000 Euro überschreite. Zudem habe er bei Abschluss des Vertrages billigend in Kauf genommen, dass die Preise der Detektei über dem üblichen Marktpreis lägen, die Stadt H. deshalb mit unnötig hohen Kosten belastet würde und ihr in Höhe der Differenz zwischen der vereinbarten Vergütung und dem Marktpreis ein Schaden entstehe.

c) Nach Auffassung der Strafkammer ist der Stadt H. ein “Vermögens(gefährdungs)schaden” in Höhe von mindestens 133.633,95 Euro entstanden. In diesem Umfang lägen die von der Detektei verlangten Preise über dem von einem Sachverständigen durch verdeckte Befragung von Marktteilnehmern ermittelten durchschnittlichen Marktpreis. Da die Stadt bislang nur einen Teil der Schlussrechnung bezahlt habe, habe sich der Schaden bislang lediglich in Höhe von 64.480,92 Euro realisiert.

II.

Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur überwiegenden Aufhebung des Urteils. Das Landgericht ist für die Frage einer Untreuestrafbarkeit teils von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen, teils sind die Feststellungen nicht durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegt.

1. Dem Angeklagten kam, wie die Strafkammer zutreffend festgestellt hat, als vertretungsberechtigtem Oberbürgermeister (vgl. § 59 des saarländischen Kommunalselbstverwaltungsgesetzes, KSVG) eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Stadt H. zu (vgl. zur Treupflicht von Bürgermeistern nur BGH, Urteile vom 8. April 2003 – 5 StR 448/02, NStZ 2003, 541; vom 8. Mai 2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 540; vom 9. Dezember 2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83; vom 29. August 2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, und vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, NStZ 2016, 600; Beschlüsse vom 25. April 2006 – 1 StR 539/05, wistra 2006, 306; vom 13. Februar 2007 – 5 StR 400/06, NStZ 2007, 579; vom 13. April 2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, und vom 19. September 2018 – 1 StR 194/18, NJW 2019, 378; vgl. zu Untreuehandlungen im Rahmen kommunaler Tätigkeit auch BGH, Beschluss vom 25. April 2019 – 1 StR 427/18, ZWH 2019, 282; Saliger/Schweiger, ZG 2018, 16; AnwK-StGB/Esser, 2. Aufl., § 266 Rn. 271 ff.; Meyer, KommJur 2010, 81; Mandsörfer, DVBl 2010, 479; Kiethe, NStZ 2005, 529; Allgaier, DÖD 2003, 121; Fabricius, NStZ 1993, 414; Neye, NStZ 1981, 369, je mwN).

2. Der Inhalt der Treupflicht des Angeklagten wurde durch die rechtlichen Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister bestimmt. Zum einen durfte er nach der Geschäftsordnung des H. er Stadtrats eigenständig nur Aufträge bis zu einer Höhe von 25.000 Euro vergeben. Zum anderen musste er bei der eigenen Auftragsvergabe die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten. Beide Pflichten, die das Landgericht jeweils als verletzt ansieht, galten unabhängig voneinander.

3. Ein nach § 266 StGB strafbarer Pflichtverstoß durch die Beauftragung der Detektei zu überhöhten Preisen wird durch die Feststellungen nicht getragen (a), während andererseits die Feststellung, der Angeklagte habe von vornherein einen Auftrag im Wert von über 25.000 Euro vergeben wollen und deshalb seine Treupflicht verletzt, nicht durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegt ist (b).

a) Soweit das Landgericht von einer strafbaren Treupflichtverletzung des Angeklagten durch die ungeprüfte Erteilung des Auftrags zu marktunüblich hohen Preisen ausgegangen ist, hat es jedenfalls teilweise einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt.

aa) Rechtsfehlerfrei ist allerdings der Ausgangspunkt der Strafkammer, dass der Angeklagte bei der Auftragsvergabe an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 7 LHO, § 82 2 KSVG) gebunden war. Es ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 70 mwN). Dieses Gebot soll die bestmögliche Nutzung der öffentlichen Ressourcen sicherstellen und bezweckt, dass die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln angestrebt wird. Seine Ausprägungen sind das Maximalprinzip, wonach mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis erzielt werden soll, und das Minimalprinzip (auch Sparsamkeitsprinzip), wonach das Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen ist. Es stellt dabei nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (vgl. zu alledem BGH, aaO, S. 70 f. mwN).

Der Sparsamkeitsgrundsatz verpflichtet deshalb nicht zur Kostensenkung um jeden Preis (vgl. BGH, Urteile vom 29. August 2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, und vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, NStZ 2016, 600). Der Entscheidungsträger handelt auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht etwa stets pflichtwidrig, wenn er nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt (BGH, Urteil vom 29. August 2007 – 5 StR 103/07 aaO; AnwK-StGB/Esser, 2. Aufl., § 266 Rn. 272). Eine Untreue kommt bei derartigen Ermessensentscheidungen vielmehr nur bei einem evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstoß, also dann in Betracht, wenn die Pflichtverletzung gravierend ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15, NJW 2017, 578; BVerfGE 126, 170, 217 f.; zusammenfassend Wegner, ZStW 2019, 319, je mwN).

Gerade bei der Beauftragung einer Detektei durch die öffentliche Hand wird der Auftraggeber angesichts der Ungeregeltheit des Berufsbildes (es gibt weder einen anerkannten Ausbildungsgang noch eine Berufsordnung noch eine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung) und der vom Landgericht geschilderten großen Unterschiede zwischen den Detekteien ganz wesentlich auf Faktoren wie Seriosität, Auftreten am Markt, Größe, Dauer des Bestehens, Empfehlungen, Bewertungen und den persönlichen Eindruck abstellen dürfen. Gibt der öffentliche Auftraggeber diesen Faktoren gegenüber dem Preis den Vorrang, liegt ein evidenter und schwerwiegender Pflichtverstoß fern.

bb) Dafür, dass es dem Angeklagten und den übrigen Beteiligten vorliegend vor allen Dingen um die Auftragsvergabe an einen seriösen und am Markt anerkannten Anbieter ging, spricht die Feststellung des Landgerichts, der Zeuge J. sei aufgrund einer in der NJW geschalteten Anzeige auf die Detektei aufmerksam geworden und nach Recherche im Internet zu dem Schluss gekommen, dass sie seriös und geeignet sei. Auf dieser Grundlage habe er einen Termin mit dem Zeugen L. und dem Angeklagten für den 1. Oktober 2015 in H. vereinbart. Die vereinbarten Preise waren nach dem eingeholten Sachverständigengutachten angesichts des pauschalen Aufschlags von 25 % zwar höher als die Preise anderer Detekteien (tagsüber anfallende Stundensätze dort zwischen 49 und 98 Euro gegenüber 125 Euro bei K. C. ), aber nicht derart überhöht, dass sie wirtschaftlich völlig aus dem Rahmen fielen.

Dass der Angeklagte vor der Auftragsvergabe gleichwohl nicht mehrere Angebote vergleichbar seriöser Detekteien eingeholt, sondern sich auf die Recherche des Zeugen J. verlassen hat, lässt sein Handeln – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – zwar pflichtwidrig erscheinen (vgl. zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch Art. 97 Abs. 1 GWB; vgl. zur möglichen Untreuestrafbarkeit bei Verstößen gegen das Vergaberecht Simonis, CCZ 2016, 70, 74 f.; Kretschmer, ZWH 2013, 355). Ein evidenter und schwerwiegender Pflichtverstoß im Sinne einer gravierenden Pflichtverletzung ist damit aber angesichts der Besonderheiten der beauftragten Dienstleistung (noch) nicht belegt.

b) Dass der Angeklagte seine Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt hat, dass er schon bei der Vertragsunterzeichnung am 1. Oktober 2015 bewusst die 25.000-Euro-Grenze für eigene Auftragsvergaben überschritt, wird nicht durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegt (vgl. zum Maßstab der revisionsgerichtlichen Kontrolle nur BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 – 5 StR 46/18 mwN).

Die Beweiswürdigung zu der Feststellung, dass der Angeklagte entgegen seiner Einlassung nicht von einer Überwachungsdauer von etwa zwei Wochen, sondern bereits bei Unterzeichnung des jederzeit mit sofortiger Wirkung kündbaren Vertrages von einem Überwachungszeitraum “mindestens bis 18. Dezember 2015” und deshalb angesichts der ihm bekannten Stundensätze von einem größeren Auftragsvolumen als 25.000 Euro ausgegangen ist, erweist sich als lückenhaft.

Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung damit begründet, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sei, keine Wiedervorlagefrist habe gefunden werden können, der Vertrag schließlich bis zum 18. Dezember 2015 durchgeführt worden sei, ohne dass der Angeklagte Maßnahmen zur Beendigung der Überwachung getroffen habe, der Termin am 3. Dezember 2015 auf Betreiben des Zeugen L. zustande gekommen sei, der Angeklagte trotz fast täglicher Telefonate mit der Detektei nicht über die Kosten des Einsatzes gesprochen, sondern gesagt habe, man solle weitermachen, und er erst im Laufe des Novembers 2015 dem Zeugen L. mitgeteilt habe, dass die Überwachung wegen der anstehenden Weihnachtsferien am 18. Dezember 2015 enden solle.

Bei dieser Würdigung hat das Landgericht gegenläufige Argumente nicht in seine Überzeugungsbildung eingestellt. So hat es nicht erkennbar bedacht, dass das Erreichen des Ziels des Vertrages – die beweiskräftige Überführung mehrerer Mitarbeiter – auch weit vor dem 18. Dezember 2015 möglich war. Überdies hat die Strafkammer nicht erörtert, dass der Angeklagte bei Vertragsschluss gerade nicht mit dem Zeugen L. vereinbart hatte, dass die Überwachung von vornherein bis 18. Dezember 2015 durchgeführt werden sollte. Zudem ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weshalb die – angesichts des Auftragsinhalts naheliegende – unbestimmte Dauer des Vertrages mit jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit, die tägliche Kontaktaufnahme mit der Detektei und schließlich die Mitteilung an den Zeugen L. erst im Laufe des November 2015, die Überwachung solle am 18. Dezember 2015 enden, dafür sprechen sollen, dass der Angeklagte bereits am 1. Oktober 2015 vorhatte, den Vertrag erst zum 18. Dezember 2015 enden zu lassen.

4. Dem Senat ist es verwehrt, den Schuldspruch auf durch Unterlassen begangene Untreue umzustellen.

a) Zwar sind die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Treupflichtverletzung durch Unterlassen nach den Feststellungen jedenfalls ab 3. Dezember 2015 belegt. Aufgrund der internen Begrenzung seiner Vergabemöglichkeit auf Aufträge bis 25.000 Euro hätte der Angeklagte entweder den Vertrag von vornherein bis zum Erreichen dieser Summe begrenzen oder durch fortlaufende Nachfrage bei der Detektei sicherstellen müssen, dass die Summe nicht überschritten würde. Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte spätestens in der Besprechung am 3. Dezember 2015 durch die Forderung einer Abschlagszahlung in Höhe von 100.000 Euro, dass der Rahmen eigenständiger Auftragsvergabe weit überschritten worden war. Die ihm obliegende und durch die Geschäftsordnung des Stadtrats der Stadt H. konkretisierte Treupflicht hätte spätestens in diesem Zeitpunkt gefordert, dass er den Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt und die Frage einer weitergehenden Beauftragung dem Stadtrat oder dem zuständigen Ausschuss überlassen hätte. Dass der Angeklagte angesichts des seit Jahren bestehenden Verdachts gegen städtische Mitarbeiter insoweit keine Eilkompetenz (vgl. auch § 61 KSVG) in Anspruch nehmen konnte, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt. Eine Kündigung mit sofortiger Wirkung war nach dem Vertrag rechtlich möglich und dem Angeklagten auch ohne weiteres zumutbar.

b) Es liegt nicht fern, dass durch diese – auch von der Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift angenommene – durch Unterlassen begangene gravierende Treupflichtverletzung ein Schaden in voller Höhe der ab 3. Dezember 2015 angefallenen Kosten entstanden ist. In diesem Fall käme es auf die Frage, ob der Angeklagte eine vergleichbar seriöse Detektei zu günstigeren Bedingungen hätte beauftragen können, nicht an.

aa) Hätte der Angeklagte pflichtgemäß spätestens am 3. Dezember 2015 den Vertrag mit der Detektei mit sofortiger Wirkung gekündigt, wären weitere Kosten vermieden worden (hypothetische Kausalität). Anders wäre es nur, wenn der Stadtrat oder der zuständige Ausschuss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen bis mindestens 18. Dezember 2015 (oder einen ähnlich langen Zeitraum) fortgeführt hätte, die Kosten also ohnehin angefallen wären. Dazu hat das Landgericht bislang – von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent – keine Feststellungen getroffen.

bb) Die als Gegenleistung für die Zahlungsverpflichtung ab 4. Dezember 2015 erbrachten Dienstleistungen der Detektei könnten für die Stadt H. unter dem Gesichtspunkt des – auch bei der Haushaltsuntreue relevanten (vgl. BVerfG, NJW 2013, 365, 367 mwN) – persönlichen Schadenseinschlags dann ohne kompensierbaren Wert gewesen sein, wenn sie aus Sicht der Stadt aufgrund der konkreten Situation subjektiv wertlos gewesen wären (vgl. zur Problematik ausführlich auch Schünemann, Leipziger Praxiskommentar Untreue, § 266 Rn. 293 ff. mwN). Dafür könnte etwa sprechen, dass – wie die Ahndung des Geschehens durch den saarländischen Datenschutzbeauftragten mittels Bußgeldbescheides nahelegt – die Grenzen zulässiger Mitarbeiterüberwachung dadurch überschritten worden sein könnten (vgl. zur arbeitsrechtlichen Zulässigkeit von Observationen BAG, NJW 2015, 2749 mwN; vgl. auch BAGE 157, 69 und BAGE 156, 370 sowie zur Rechtsprechung des EGMR Hembach NJW 2020, 128). Rechtswidrige Ermittlungshandlungen sind für eine an Recht und Gesetz gebundene Kommune regelmäßig subjektiv ohne Wert. Dies könnte der Angeklagte womöglich spätestens ab 3. Dezember 2015 auch erkannt haben (vgl. Anklageschrift). Eine anderweitige – hier angesichts der Dienstleistung allerdings nicht naheliegende – Kompensation der Ausgaben durch verwertbare Vermögenszuwächse ist bislang nicht geprüft worden.

5. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen somit zur Aufhebung der getroffenen Feststellungen, soweit es den Untreueschaden und den Vorsatz des Angeklagten betrifft (§ 353 Abs. 2 StPO). Die sonstigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen sind. Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

III.

Die weitergehende Revision ist unbegründet.

1. Verfahrenshindernisse bestehen nicht.

a) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht an der Identität der abgeurteilten mit der angeklagten Tat.

aa) Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Tat im Sinne dieser Vorschrift ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet. Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung sowie durch das Tatopfer bestimmt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 4 StR 555/18, NStZ 2019, 428 mwN).

bb) Gemessen hieran ist die abgeurteilte Untreue Gegenstand der zugelassenen Anklage. Diese legt dem Angeklagten zwar eine Untreue (durch Unterlassen) erst durch Fortführung des Detektivauftrags ab der Besprechung am 3. Dezember 2015 zur Last. Der in der Anklage ebenfalls geschilderte Vertragsschluss am 1. Oktober 2015 ist damit aber derart eng verknüpft, dass er mit der Fortführung des Vertrages nach der Auffassung des Lebens einen untrennbaren Zusammenhang bildet, dessen getrennte Aburteilung als unnatürliche Abspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 4. Juni 1970 – 4 StR 80/70, BGHSt 23, 270, 273 mwN).

b) Es ist auch kein Strafklageverbrauch dadurch eingetreten, dass der Saarländische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit am 3. Januar 2017 gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das saarländische Datenschutzgesetz durch Überwachung städtischer Mitarbeiter in der Zeit vom 2. November bis 18. Dezember 2015 einen Bußgeldbescheid erlassen und ein Bußgeld in Höhe von 1.500 Euro verhängt hat.

aa) Zwar handelt es sich bei den Vorwürfen im Bußgeldbescheid und im vorliegenden Verfahren um eine Tat im Sinne von § 264 Denn die Beauftragung der Detektei mit der Überwachung der Bauamtsmitarbeiter ist der einheitliche geschichtliche Vorgang, an den sowohl der Vorwurf der Untreue als auch der Bußgeldbescheid anknüpfen.

bb) Es ist aber durch das Bußgeldverfahren kein Strafklageverbrauch eingetreten. Nach § 84 2 OWiG stehen lediglich ein rechtskräftiges Urteil im Bußgeldverfahren, der Beschluss nach § 72 OWiG oder Beschlüsse des Beschwerdegerichts (§ 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 OWiG) der Verfolgung einer durch Bußgeldbescheid geahndeten Tat als Straftat entgegen. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte gegen den Bußgeldbescheid zwar Einspruch eingelegt. Anschließend hat die Staatsanwaltschaft aber das Verfahren zutreffend nach § 40 OWiG an sich gezogen, weil sie die prozessuale Tat auch als Straftat verfolgt hat.

2. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

a) Die Rüge nach § 338 1 und 5 StPO wegen Überschreitung zulässiger Dienstzeiten aufgrund der Durchführung einer Hauptverhandlung von 9:08 Uhr bis 22:18 Uhr ist unbegründet. Der Senat teilt schon nicht den Ausgangspunkt der Revision, ein überobligatorischer zeitlicher Einsatz des ursprünglich zutreffend bestimmten gesetzlichen Richters könne zu einem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG führen. Es kann dahinstehen, ob der Senat der Auffassung des 2. Strafsenats folgen könnte, wonach dies bei dem absoluten Dienstleistungsverbot des Mutterschutzes anders sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2016 – 2 StR 9/15, BGHSt 61, 296). Denn die vorliegende Konstellation einer möglichen Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit von Richtern, Staatsanwälten und Urkundsbeamten ist damit nicht vergleichbar.

Die Arbeitszeitvorschriften dienen zudem nicht dem Schutz des Beschuldigten, sondern dem der in der Justiz tätigen Personen. Der Angeklagte kann sich demnach auf ihre Verletzung nicht berufen, weil sein Rechtskreis dadurch nicht berührt ist. Dass er aufgrund der Dauer der Verhandlung selbst nicht in der Lage gewesen wäre, ihr zu folgen, trägt er nicht vor.

b) Ein Verstoß gegen § 243 4 Satz 1 StPO liegt nicht vor. Zwar dürften auch Gespräche über eine vollständige Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO der Mitteilungspflicht unterfallen (vgl. BVerfG, NStZ 2016, 422, 424; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 StR 571/15, NStZ 2016, 743, 744). Im vorliegenden Fall handelte es sich aber lediglich um ein Ansinnen des Verteidigers, das ausweislich des Gesprächsinhalts nicht auf Zustimmung stieß. Einseitige Wünsche und Anregungen stellen noch keine verständigungsbezogenen Erörterungen dar, sondern sollen solche lediglich vorbereiten (näher KK-StPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 42 f. mwN). Der Rüge steht auch entgegen, dass die Verfahrensbeteiligten nach der Mitteilung des Vorsitzenden gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, es habe bislang keine Erörterungen mit dem Ziel der Verständigung gegeben, erklärt haben, dass dieser Hinweis zutreffend sei und keiner Ergänzung bedürfe.

c) Die Rüge nach § 74 StPO (Befangenheit des Sachverständigen) ist unbegründet. Das Landgericht hat sich in seinem ablehnenden Beschluss mit den wesentlichen Ablehnungsgründen beschäftigt und diese in rechtlich zutreffender Weise beschieden. Gegen die Methode der Marktpreisermittlung durch eine simulierte Ausschreibung (verdeckte Befragung von Marktteilnehmern unter Vorgabe einer “Legende”) ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Etwaige Rechtsverstöße gegenüber den befragten Unternehmen betreffen den Rechtskreis des Angeklagten ohnehin nicht. Dass das Gericht den Sachverständigen bei seiner Tätigkeit anzuleiten und mit ihm deshalb Kontakt aufzunehmen hat, kann die Besorgnis der Befangenheit ohnehin nicht begründen, denn dazu ist das Gericht verpflichtet (§ 78 StPO).

Totalunternehmervergabe ist möglich

Totalunternehmervergabe ist möglich

von Thomas Ax

Nach § 97 Abs. 4 S. 1 bis 3 GWB – dessen Inhalt von § 5 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 bis 3 EU VOB/A wiederholt wird – sind Leistungen in Losen zu vergeben und kann hiervon nur dann abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bereits vor Inkrafttreten war zum Schutz des Mittelstands die Aufteilung von Aufträgen in Teil- und Fachlose vorgesehen. Es sollten die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen werden. Mit der 2009 eingeführten Regelung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sollten der aus Sicht des Mittelstands zunehmenden Praxis der Bündelung von Auftragsvergaben entgegengewirkt und die Mittelstandsklausel in ihrer Wirkung verstärkt werden. Deshalb sollte von dem Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden können (BT-Drucksache 16/10117, S. 15).

Dieses klare Regel-/Ausnahmeverhältnis bedeutet allerdings entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen, hier von der Antragstellerin zitierten Auffassung (Antweiler in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 97 Abs. 4 GWB Rn. 51; wohl auch Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 95) nicht, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. § 97 Abs. 4 GWB ist im Kontext der primären Ziele des Vergaberechts auszulegen, zu denen insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung gehört. Dabei sind auch die weiteren Grundsätze des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) sowie die vom Gesetzgeber in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele (Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte) im Blick zu behalten. Allerdings ergibt sich aus der klaren Wertung des Gesetzgebers, dass es nicht ausreicht, wenn der Auftraggeber anerkennenswerte Gründe für die Gesamtvergabe vorbringen kann; auch vermag die Entlastung des Auftraggebers von typischerweise mit einer losweisen Vergabe verbundenen Koordinierungsaufgaben oder sonstigem organisatorischem Mehraufwand für sich allein ein Absehen von einer Losvergabe nicht zu rechtfertigen.
Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18 -, Rn. 68-73, juris; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18 -, Rn. 55-62, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 27-29, juris, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21 -, Rn. 99, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 – 15 Verg 2/22 -, Rn. 57-58, juris).

Wortlaut, Systematik und Zweck des Gesetzes gebieten kein abweichendes Verständnis des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB. Auch den Materialien zum Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790) ist hierfür nichts zu entnehmen. Der Gesetzgeber wollte der – empfundenen – Praxis der Auftragsbündelung entgegenwirken, also die tatsächliche Wirkung der Mittelstandsklausel verstärken und Auftraggeber zur Dokumentation der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verpflichten (vgl. BT-Drucksache 16/10117, S. 15). Die Rechtsprechung hatte demgegenüber bereits unter Geltung des § 97 Abs. 3 GWB a.F. strenge Maßstäbe angelegt und ist von dem Regel-/Ausnahmeverhältnis ausgegangen. Dass der Gesetzgeber auch diese Maßstäbe ändern wollte, ist weder dem Wortlaut noch der Begründung der Gesetzesänderung zu entnehmen. Dementsprechend hat die vergaberechtliche Rechtsprechung auch unter Geltung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB hieran festgehalten.
Ist die Entscheidung somit Ergebnis einer Abwägung, ist die Frage, ob der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Zielerreichung keine Wagnisse und Risiken eingehen muss und einen sicheren Weg wählen darf (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 29, juris) oder die Gesamtvergabe nicht mit einem sicheren Weg begründet werden darf (so auch Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 97 GWB Rn. 94 a.E.), in dieser Allgemeinheit im erstgenannten Sinn zu beantworten.
Eigenständige Bedeutung kommt dem indes nicht zu. Jedenfalls bei konkreten und erheblichen Risiken der Fachlosvergabe kann der Auftraggeber nicht gezwungen sein, sehenden Auges diesen Weg zu beschreiten. Andererseits ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die Gesamtvergabe nicht mit jeglichen, ggf. fernliegenden Risiken begründet werden kann („sicherster Weg“). Das Gewicht des einzelnen Risikos ist nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß – nach den oben dargestellten Grundsätzen – im Einzelfall zu bestimmen.
Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. jeweils zur Fachlosaufteilung OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 11 Verg 4/18 -, Rn. 68-73, juris; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18 -, Rn. 55-62, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 27-29, juris, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21 -, Rn. 99, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 – 15 Verg 2/22 -, Rn. 57-58, juris).
Die Entscheidung des Auftraggebers über die Gesamtvergabe ist deshalb von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Den Nachprüfungsinstanzen ist es im Umkehrschluss verwehrt, die Entscheidung des Auftraggebers durch eine eigene Beurteilung zu ersetzen, solange sie nicht auf eine einzige Entscheidungsmöglichkeit verdichtet ist.

Soweit das Kammergericht (Beschluss vom 26. März 2019 – Verg 16/16 -, Rn. 26, juris) in einem obiter dictum (a.a.O. Rn. 27 a.E.) und damit nicht im Sinn des § 179 Abs. 2 GWB zur Vorlage veranlassend die Auffassung vertreten hat, anders als bei Teillosen bestehe bei Fachlosen kein Beurteilungsspielraum und sei die Entscheidung des Auftraggebers uneingeschränkt nachprüfbar, ist dem nicht zu folgen. Gründe für die Unterscheidung zwischen Teil- und Fachlosen sind nicht zu erkennen. Vielmehr ist an der bereits zuvor begründeten Rechtsprechung festzuhalten.
Unter technischen und wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sind solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen. Dabei sind technische Gründe alle Aspekte, die zu einem vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsprofil in einem unauflöslichen Zusammenhang stehen. Dies kann auch bei komplexen, miteinander verflochtenen Dienstleistungen der Fall sein oder wenn die Aufteilung in Fachlose unverhältnismäßige Kostennachteile mit sich bringen oder zu einer starken Verzögerung des Vorhabens führen würde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Mai 2022 – VII-Verg 33/21 -, Rn. 100, juris).
Wirtschaftliche Gründe können auch darin liegen, dass es sich um ein eilbedürftiges Vorhaben wie die Fertigstellung eines Bauabschnitts einer vielbefahrenen Autobahn handelt. Weil es sich um auftragsbezogene Besonderheiten handelt, kann die mit einer Gesamtvergabe verbundene Straffung und Beschleunigung der Abläufe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 – VII-Verg 10/20 -, Rn. 28, juris, dort naheliegende Verzögerung um mehrere Jahre und Folgekosten in Millionenhöhe, in anderen Entscheidungen auch weniger; Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 90).

Die Überprüfung der Einhaltung des Beurteilungsspielraums setzt dabei voraus, dass die Nachprüfungsinstanzen die Argumentation des Auftraggebers zumindest nachzuvollziehen vermögen, auch wenn sie sie nicht teilen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat seine ständige Rechtsprechung, die den vorstehenden Grundsätzen entspricht, zuletzt erneut bestätigt und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gebot der Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen verlangt (Beschluss vom 21. August 2024 – Verg 6/24, ZfBR 2024, 762, 765). Soweit der Entwurf eines Gesetzes zur Transformation des Vergaberechts (Vergaberechtstransformationsgesetz – VergRTransfG) nun auch für § 97 Abs. 4 GWB eine Änderung von „erfordern“ zu „rechtfertigen“ vorschlägt (BR-Drucksache 591/24, S. 34, 55), bietet dies weiterhin keinen Anlass zu einem abweichenden Verständnis der geltenden Gesetzesfassung. Entsprechendes gilt für die vorgeschlagene Aufnahme zeitlicher Gründe und deren Abgrenzung zu technischen und wirtschaftlichen Gründen. Bereits nach derzeit geltender Fassung sind zeitliche Gründe insoweit relevant, als sie wirtschaftliche Auswirkungen haben (dazu Senat, Beschluss vom 18. Juli 2024 – 17 Verg 1/24 –, Rn. 71, juris).

BGH zu der Frage, dass der bei einer Aufhebung des Vergabeverfahrens auszugleichende Schaden regelmäßig auch bei demjenigen Bieter, der das annehmbarste Angebot gemacht hat, nicht in dem Gewinn besteht, den er bei Ausführung des Auftrags erzielt hätte und der ihm dadurch entgangen ist, dass auf sein Angebot kein Zuschlag erteilt worden ist

BGH zu der Frage, dass der bei einer Aufhebung des Vergabeverfahrens auszugleichende Schaden regelmäßig auch bei demjenigen Bieter, der das annehmbarste Angebot gemacht hat, nicht in dem Gewinn besteht, den er bei Ausführung des Auftrags erzielt hätte und der ihm dadurch entgangen ist, dass auf sein Angebot kein Zuschlag erteilt worden ist

vorgestellt von Thomas Ax

Verletzt die Vergabestelle ihre Pflicht zur Rücksichtnahme durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens, ohne dass ein Aufhebungsgrund nach § 17 Abs. 1 VOB/A vorliegt, kann dies regelmäßig einen Anspruch eines Bieters auf Erstattung des negativen Interesses begründen. Nur unter besonderen Voraussetzungen besteht hingegen ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses (vgl. BGH, NZBau 2014, 310 Rn. 21 – Fahrbahnerneuerung I).
Der bei einer Aufhebung des Vergabeverfahrens auszugleichende Schaden besteht regelmäßig auch bei demjenigen Bieter, der das annehmbarste Angebot gemacht hat, nicht in dem Gewinn, den er bei Ausführung des Auftrags erzielt hätte und der ihm dadurch entgangen ist, dass auf sein Angebot kein Zuschlag erteilt worden ist. Auch wenn kein anerkannter Grund für die Aufhebung des Verfahrens vorliegt, ist der öffentliche Auftraggeber nicht zur Auftragsvergabe verpflichtet. Die Auftragsvergabe dient nicht dem Bieterinteresse, sondern allein der Befriedigung des öffentlichen Beschaffungsbedarfs (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2002 – X ZR 232/00, NZBau 2003, 168, 169 – Ziegelverblendung).
Will der öffentliche Auftraggeber diesen Bedarf – aus welchen Gründen auch immer – nicht weiterverfolgen und sieht er deshalb von der Erteilung eines Zuschlags ab, werden hierdurch keine Bieterrechte verletzt (BGH, NZBau 2014, 310 Rn. 20 – Fahrbahnerneuerung I). Die vergaberechtlichen Vorschriften mit bieterschützendem Charakter begründen kein Recht auf die Auftragserteilung, sondern nur das Recht eines jeden Bieters, der die Voraussetzungen hierfür erfüllt, auf Teilnahme am Wettbewerb unter fairen, transparenten und nichtdiskriminierenden Bedingungen und damit auf Wahrung der Chance auf einen Zuschlag. Die Bieter können demgemäß zwar die Beachtung aller für das Verfahren und die Zuschlagserteilung maßgeblichen Vorschriften erwarten, nicht aber die Auftragsvergabe selbst.

BGH, Urteil vom 08.12.2020 – XIII ZR 19/19

Tatbestand
Die Klägerin nahm an einer Ausschreibung der Beklagten teil und gab am 31. März 2016 mit 1.603.525,00 € das günstigste Angebot für die schlüsselfertige Errichtung eines Mehrfamilienhauses zur Unterbringung von Flüchtlingen ab. Die Parteien vereinbarten, die Angebotsbindefrist bis zum 13. Mai 2016 zu verlängern. Nachdem die Klägerin nicht bereit war, die Bindefrist nochmals zu verlängern, teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 8. Juni 2016 mit, die Ausschreibung werde wegen Wegfalls des Beschaffungsbedarfs aufgehoben. Am 29. September 2016 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ein Angebot zur schlüsselfertigen Errichtung eines Mehrfamilienhauses abzugeben. Der Aufforderung zugrunde lag ein Bauprojekt in derselben Lage und mit dem gleichen Leistungsverzeichnis wie bei der ersten Ausschreibung. Da die Klägerin dieses Mal nicht das günstigste Angebot abgegeben hatte, erhielt ein Dritter den Zuschlag.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von entgangenem Gewinn in Höhe von 53.900 €, der Kosten der Angebotserstellung von 2.630,17 € und des Entgelts für die Angebotsunterlagen von 150 € zuzüglich Zinsen und Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 150 € für die Angebotsunterlagen nebst Zinsen und anteiliger vorprozessualer Rechtsanwaltskosten verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 49.957,24 € verurteilt. Davon entfallen 48.600,24 € auf entgangenen Gewinn, 1.206,30 € auf Kosten für die Erstellung des Angebots und 150 € auf die bereits vom Landgericht zuerkannten Kosten für Angebotsunterlagen. Zudem hat das Berufungsgericht Zinsen und Rechtsanwaltskosten zuerkannt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der die Beklagte weiterhin die Klageabweisung erstrebt.
Gründe
Die Revision der Beklagten hat überwiegend Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB zu, weil die Beklagte durch die Aufhebung der Ausschreibung ihre Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB schuldhaft verletzt habe. Durch die Teilnahme der Klägerin an der Ausschreibung der Beklagten sei zwischen den Parteien ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen. Zu den vorvertraglichen Pflichten der Beklagten habe die Einhaltung der Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) gehört. Die Beklagte habe diese vorvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt, da sie die Ausschreibung ohne schwerwiegenden Grund gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A aufgehoben habe. Der behauptete Wegfall des Beschaffungsbedarfs wegen Änderung der politischen Verhältnisse habe tatsächlich nicht bestanden, da sich zum einen die Notwendigkeit für die Schaffung neuen Wohnraums gegenüber dem Beginn des Vergabeverfahrens nicht geändert habe und zum anderen der Gemeinderat am 9. Mai 2016 beschlossen habe, das Bauvorhaben voranzutreiben und nur die Auftragsvergabe vorläufig zurückzustellen. Am 8. Juni 2016, als die Beklagte der Klägerin die Aufhebung der Ausschreibung mitgeteilt habe, habe zwar kein annahmefähiges Angebot mehr vorgelegen, da die Klägerin nur bis 13. Mai 2016 an ihr Angebot gebunden gewesen sei. Allerdings habe der Gemeinderat bereits am 9. Mai 2016 beschlossen, das Vergabeverfahren nicht fortzuführen.
Die Klägerin habe neben der vom Landgericht zugesprochenen Erstattung der Gebühren für die Vergabeunterlagen von 150 € auch Anspruch auf Erstattung des entgangenen Gewinns in Höhe von 48.600,24 € und Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Erstellung des Angebots in Höhe von 1.206,30 € nebst Verzugszinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Personalkosten für die Angebotserstellung wären in die Kosten für die Errichtung des ausgeschriebenen Baus eingeflossen und hätten sich amortisiert, hätte die Beklagte der Klägerin den Auftrag erteilt und den vereinbarten Werklohn bezahlt. Durch die Möglichkeit der Klägerin, sich am zweiten Vergabeverfahren zu beteiligen, sei die Pflichtverletzung der Beklagten nicht kompensiert worden.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wegen schuldhafter Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht zusteht.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass durch die Teilnahme der Klägerin an der Ausschreibung der Beklagten ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 48/97, BGHZ 139, 259, 261).
b) In diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis hat die Beklagte eine Rücksichtnahmepflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB gegenüber der Klägerin verletzt, indem sie die Ausschreibung aufgehoben hat, ohne dass ein Grund nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A vorgelegen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – X ZB 18/13, NZBau 2014, 310 Rn. 21 – Fahrbahnerneuerung I).
aa) Die Ausschreibung fand in der ersten Jahreshälfte 2016 statt und ihr Wert lag deutlich unter dem Schwellenwert des § 106 GWB, der im Jahr 2016 für Bauaufträge 5.225.000 € betrug. Die Beklagte unterlag daher bei der Vergabe des Auftrags gemäß § 31 Abs. 2 GemHVO BW in der bis 27. Februar 2019 geltenden Fassung in Verbindung mit Nr. 2.1.1 VwV des Innenministeriums über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich den Vorschriften der VOB/A in der hier maßgeblichen Fassung vom 28. Oktober 2011 (vgl. zur unmittelbaren Geltung der VOB/A auch BGH, Urteil vom 6. Oktober 2020 – XIII ZR 21/19, juris Rn. 6 mwN – Ortenau-Klinikum).
bb) Die Aufhebung eines solchen Ausschreibungsverfahrens ist nur dann rechtmäßig, wenn ein Aufhebungsgrund nach § 17 VOB/A vorliegt. Jeder Bieter muss zwar mit der Möglichkeit rechnen, dass sich die in den vergaberechtlichen Bestimmungen zugelassenen Möglichkeiten verwirklichen, nach denen das Verfahren ohne Vergabe eines Auftrags beendet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283). Ist dies aber nicht der Fall und wird das Vergabeverfahren gleichwohl aufgehoben, verletzt die Vergabestelle ihre Pflicht zur Beachtung der für das Verfahren maßgeblichen Vorschriften.
cc) Im Streitfall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht durch die Vergabestelle bejaht.
(1) Nach § 17 Abs. 1 VOB/A kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen oder andere schwerwiegende Gründe bestehen. Der Aufhebungsgrund, der den Ausschreibenden nach § 17 Abs. 1 VOB/A zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt, muss nach Beginn der Ausschreibung eingetreten sein oder darf ihm jedenfalls vorher nicht bekannt gewesen sein (BGHZ 139, 280, 284; BGH, Urteil vom 6. Oktober 2020 – XIII ZR 21/19, juris Rn. 17 – Ortenau-Klinikum). Der Bieter darf erwarten, dass der Auftraggeber nicht leichtfertig ausschreibt, wie sich schon aus § 2 Abs. 6 VOB/A ergibt. Der Auftraggeber soll erst dann ausschreiben, wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann (vgl. BGHZ 139, 259, 264).
(2) Die Beklagte hat sich in ihrem Schreiben vom 8. Juni 2016 zwar auf den Aufhebungsgrund des § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A berufen und angeführt, “mangels zwischenzeitlich aufgetretenem Beschaffungsbedarf” werde die Ausschreibung aufgehoben. Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass der Aufhebungsgrund des § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht vorgelegen hat.
(a) An das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A sind als Ausnahmetatbestand strenge Anforderungen zu stellen. Berücksichtigungsfähig sind nur solche Gründe, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen. Im Einzelnen bedarf es für die Feststellung des schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind (BGH, NZBau 2014, 310 Rn. 25 – Fahrbahnerneuerung I). Das Gewicht des schwerwiegenden Grundes muss so groß sein, dass eine Bindung des Auftraggebers an die Bedingungen der Ausschreibung mit Recht und Gesetz unvereinbar wäre und von den Bietern erwartet werden kann, dass sie auf die rechtlichen und tatsächlichen Bindungen des Ausschreibenden Rücksicht nehmen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – X ZR 150/99, NZBau 2001, 637, 640).
(b) Der Wegfall des Beschaffungsbedarfs kommt als schwerwiegender Grund im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A in Betracht. Allerdings hat das Berufungsgericht aus dem Protokoll der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung vom 9. Mai 2016, in dem es heißt, der Bau solle “vorangetrieben und umgesetzt werden”, rechtsfehlerfrei geschlossen, dass der von der Beklagten angegebene Grund nicht vorlag. Die Beklagte hat die Beschaffung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entgegen den Mitteilungen an die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juni 2016 und nochmals mit Rechtsanwaltsschreiben vom 28. September 2016 nie vollständig aufgegeben.
(3) Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die zweckgebundene Förderung des Projekts ein wesentliches Kriterium für die Entscheidung der Beklagten gewesen sei und sich aus der Pflicht zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung ein Grund für die Aufhebung des Vergabeverfahrens ergebe, greift diese Rüge nicht durch. Denn die Beklagte hat sich in ihren Schreiben vom 3. Mai 2016 und vom 8. Juni 2016 gegenüber der Klägerin nicht darauf berufen, dass Fördervoraussetzungen weggefallen wären oder gefehlt hätten; sie hat auch in den Vorinstanzen keine Voraussetzungen einer Förderung oder Finanzierung vorgetragen, mit denen sich das Berufungsgericht hätte auseinandersetzen können.
c) Die Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB im vorvertraglichen Schuldverhältnis durch den Ausschreibenden begründet einen Schadensersatzanspruch des Bieters (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 Rn. 13 – Rettungsdienstleistungen II), der auf den Ersatz des Schadens gerichtet ist, der dem Bieter durch die mangelnde Beachtung der für das Verfahren und seine mögliche Aufhebung maßgeblichen Vorschriften entstanden ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klägerin auf dieser Grundlage einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen zuerkannt, die sie zur Wahrnehmung ihrer Chance auf einen Zuschlag vorgenommen hat und für hierzu erforderlich halten durfte. Über die vom Landgericht bereits zuerkannten Kosten für die Angebotsunterlagen von 150 € hinaus stehen der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB die Kosten für die Angebotserstellung in der vom Berufungsgericht zugesprochenen Höhe von 1.206,30 € nebst anteiligen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 192,50 € und Zinsen zu.
aa) Verletzt die Vergabestelle ihre Pflicht zur Rücksichtnahme durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens, ohne dass ein Aufhebungsgrund nach § 17 Abs. 1 VOB/A vorliegt, kann dies regelmäßig einen Anspruch eines Bieters auf Erstattung des negativen Interesses begründen. Nur unter besonderen Voraussetzungen besteht hingegen ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses (vgl. BGH, NZBau 2014, 310 Rn. 21 – Fahrbahnerneuerung I).
Der bei einer Aufhebung des Vergabeverfahrens auszugleichende Schaden besteht regelmäßig auch bei demjenigen Bieter, der das annehmbarste Angebot gemacht hat, nicht in dem Gewinn, den er bei Ausführung des Auftrags erzielt hätte und der ihm dadurch entgangen ist, dass auf sein Angebot kein Zuschlag erteilt worden ist. Auch wenn kein anerkannter Grund für die Aufhebung des Verfahrens vorliegt, ist der öffentliche Auftraggeber nicht zur Auftragsvergabe verpflichtet. Die Auftragsvergabe dient nicht dem Bieterinteresse, sondern allein der Befriedigung des öffentlichen Beschaffungsbedarfs (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2002 – X ZR 232/00, NZBau 2003, 168, 169 – Ziegelverblendung). Will der öffentliche Auftraggeber diesen Bedarf – aus welchen Gründen auch immer – nicht weiterverfolgen und sieht er deshalb von der Erteilung eines Zuschlags ab, werden hierdurch keine Bieterrechte verletzt (BGH, NZBau 2014, 310 Rn. 20 – Fahrbahnerneuerung I). Die vergaberechtlichen Vorschriften mit bieterschützendem Charakter begründen kein Recht auf die Auftragserteilung, sondern nur das Recht eines jeden Bieters, der die Voraussetzungen hierfür erfüllt, auf Teilnahme am Wettbewerb unter fairen, transparenten und nichtdiskriminierenden Bedingungen und damit auf Wahrung der Chance auf einen Zuschlag. Die Bieter können demgemäß zwar die Beachtung aller für das Verfahren und die Zuschlagserteilung maßgeblichen Vorschriften erwarten, nicht aber die Auftragsvergabe selbst.
bb) Dem Bieter, auf dessen Angebot bei Fortsetzung des Verfahrens und Vergabe des Auftrags allein ein Zuschlag hätte erteilt werden dürfen, steht deshalb grundsätzlich (nur) ein Anspruch auf Ersatz der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen zu (BGH, Urteil vom 3. Juli 2020 – VII ZR 144/09, NZBau 2020, 570 Rn. 40; Urteil vom 6. Oktober 2020 – XIII ZR 21/19, juris Rn. 12 – Ortenau-Klinikum; Palandt/Grüneberg, 79. Aufl., § 311 BGB Rn. 37; Rechtsgedanke des § 181 GWB). Denn er ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der öffentliche Auftraggeber alle vergaberechtlichen Vorschriften beachtet und demgemäß entweder von einer Ausschreibung abgesehen oder das Verfahren mit einem Zuschlag auf das beste Angebot abgeschlossen hätte. In jenem Fall hätte der betreffende Bieter die Aufwendungen unterlassen, in diesem hätte er sie durch die Auftragsausführung verdient.
cc) Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind Personalkosten für die Angebotserstellung auch ohne konkreten Nachweis des Bieters, dass er seine Mitarbeiter anderweitig hätte einsetzen können und dadurch Einnahmen erwirtschaftet hätte, die ihm entgangen sind, ersatzfähig, da die eingesetzte Arbeitskraft typischerweise einen Marktwert hat und bei wertender Betrachtung vom Schadensersatz nicht auszugrenzen ist (hierzu BGH, Urteil vom 24. November 1995 – V ZR 88/95, BGHZ 131, 220, 225 f. unter teilweiser Aufgabe von BGH, Urteil vom 29. April 1977, BGHZ 69, 34, 36; Urteil vom 8. Januar 2010 – V ZR 208/08, juris Rn. 9; Urteil vom 7. März 2001 – X ZR 160/99, juris Rn. 22).
dd) Gegen die Bemessung des Anspruchs erhebt die Revision keine Rügen; Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar.
2. Der revisionsrechtlichen Nachprüfung hält es hingegen nicht stand, dass das Berufungsgericht der Klägerin auch einen Anspruch auf Ersatz des Gewinns zugebilligt hat, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte.
a) Da das Vergaberecht, wie ausgeführt (Rn. 21), nur das Recht des Bieters auf Teilhabe am Vergabeverfahren und Wahrung seiner Chance bei der Auftragsvergabe schützt, kommt ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns regelmäßig dann in Betracht, wenn das Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abgeschlossen wird, der Zuschlag jedoch nicht demjenigen Bieter erteilt wird, auf dessen Angebot er bei Beachtung der maßgeblichen vergaberechtlichen Vorschriften allein hätte erteilt werden dürfen. In diesem und grundsätzlich nur in diesem Fall verdichtet sich der bloße Teilhabeanspruch zu einem Anspruch auf Schadensersatz für den entgangenen, aber tatsächlich anderweitig erteilten Zuschlag. Der Bieter, der diesen Zuschlag hätte erhalten müssen, ist demgemäß wirtschaftlich so zu stellen, wie er gestanden hätte, wäre der Auftrag ihm und nicht dem Dritten zugeschlagen worden.
b) Dem Abschluss eines Vergabeverfahrens mit dem Zuschlag an den “falschen” Bieter ist es gleichzustellen, wenn der öffentliche Auftraggeber ein wirtschaftlich und wertungsmäßig entsprechendes Ergebnis dadurch herbeiführt, dass er die Ausschreibung aufhebt, ohne dass ein anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt, und den Auftrag außerhalb eines förmlichen Vergabeverfahrens oder in einem weiteren Vergabeverfahren an einen Bieter vergibt, an den der Auftrag nach dem Ergebnis des aufgehobenen wettbewerblichen Verfahrens nicht hätte vergeben werden dürfen.
Dementsprechend besteht ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses, wenn der später vergebene Auftrag bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betrifft und die Auftragsvergabe wertungsmäßig als Zuschlag im ersten Vergabeverfahren an einen in diesem Verfahren nicht zuschlagsberechtigten Bieter anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 99/96, juris Rn. 35). Dies ist namentlich der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber die Ausschreibung nicht aus – im Hinblick auf die in diesem Verfahren mögliche Vergabe an den Bieter mit dem annehmbarsten Angebot – sachlichen und willkürfreien Gründen aufhebt, sondern das Vergabeverfahren aufhebt, um den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen anderen Bieter vergeben zu können (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 99/96, juris Rn. 35; BGH, NZBau 2014, 310 Rn. 21 – Fahrbahnerneuerung I).
c) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin auch als Bieterin mit dem annehmbarsten Angebot im ersten Vergabeverfahren keinen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses.
aa) Allerdings hätte die Klägerin in dem aufgehobenen Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten können.
(1) Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Voraussetzung erfüllt, dass das Angebot, das der Bieter im Vergabeverfahren abgegeben hat, in jeder Hinsicht den Anforderungen der Vergabeunterlagen entsprochen haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2010 – X ZR 86/08, NZBau 2010, 387 Rn. 16 – Abfallentsorgung; BGH, Urteil vom 5. Juni 2012 – X ZR 161/11, NZBau 2012, 652 Rn. 13 – Fachpersonalklausel).
(2) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich ferner, dass die Klägerin im ersten Vergabeverfahren das annehmbarste Angebot abgegeben hat.
bb) Rechtsfehlerfrei als erfüllt angesehen hat das Berufungsgericht ferner die weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses, dass der öffentliche Auftraggeber den Auftrag tatsächlich erteilt hat.
Gegenstand der zweiten Ausschreibung war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das gleiche Vorhaben, das bereits Gegenstand des ersten Ausschreibungsverfahrens war. Es ging um die Errichtung eines Bauprojekts in derselben Lage, es lag das gleiche Leistungsverzeichnis zugrunde, und die Vergabe stand in engem zeitlichem Zusammenhang mit der ersten Ausschreibung (vgl. hierzu BGH, NZBau 2020, 570 Rn. 41 mwN). Es lässt keinen Rechtsfehler erkennen, dass die Beklagte mit dem Vorbringen, es habe sich um ein anderes Bauvorhaben gehandelt, weil es – anders als das Bauprojekt, das Gegenstand der ersten Ausschreibung war – nicht mehr der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen habe dienen sollen, sondern der langfristigen Unterbringung sozial schwacher Personen, beim Berufungsgericht nicht durchgedrungen ist.
cc) Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben jedoch nicht, dass auch die weitere Anspruchsvoraussetzung erfüllt ist, dass der dem anderen Unternehmen in dem zweiten Vergabeverfahren erteilte Zuschlag wertungsmäßig einem Abschluss des – rechtswidrig aufgehobenen – ersten Vergabeverfahrens mit dem Zuschlag an einen in diesem Verfahren nicht zuschlagsberechtigten Bieter gleichzustellen und damit als der Klägerin in diesem ersten Verfahren entgangener Zuschlag anzusehen ist.
(1) Das Berufungsgericht hat keine Tatsachen festgestellt, die die Annahme tragen könnten, dass die Beklagte die Ausschreibung aufgehoben hat, um den Auftrag an einen bestimmten Bieter oder in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können.
(a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zweifelte die Beklagte nach der Eröffnung der Angebote im ersten Verfahren in der Erwartung eines Rückgangs der Anzahl unterzubringender Flüchtlinge, ob das ausgeschriebene Vorhaben realisiert werden müsse. Die Parteien vereinbarten deshalb zunächst eine Verlängerung der Angebotsbinde- und Zuschlagsfrist bis zum 13. Mai 2016. Am 9. Mai 2016 beschloss der Gemeinderat der Beklagten nach der im Berufungsurteil in Bezug genommenen Niederschrift seiner Sitzung einerseits, den Bau der Flüchtlingsunterkunft voranzutreiben, andererseits aber die Zurückstellung der Auftragserteilung und eine weitere Verlängerung der Zuschlagsfrist; die Verwaltung sollte in entsprechende Verhandlungen mit der günstigsten Bieterin (d.h. der Klägerin) eintreten. Die Beklagte trat demgemäß an die Klägerin mit der Bitte heran, die Bindefrist nochmals und nunmehr bis in den Herbst dieses Jahres zu verlängern. Als die Klägerin diese zweite Bitte um Fristverlängerung ablehnte, teilte die Beklagte mit, die Ausschreibung werde wegen Wegfalls des Beschaffungsbedarfs aufgehoben; im September 2016 forderte sie sodann die Klägerin erneut auf, ein Angebot für die Erstellung des Gebäudes abzugeben.
(b) Das Berufungsgericht hat zwar – rechtsfehlerfrei – angenommen, dass die Beklagte die Sachlage schuldhaft unzutreffend eingeschätzt habe, weil sich auch nach “Schließung der Balkanroute” im März 2016 die vom zuständigen Landratsamt für 2016 und 2017 prognostizierten Zahlen von der Gemeinde aufzunehmender Flüchtlinge nicht wesentlich geändert hätten und die Gemeinde unbeschadet des Umstands, dass das Landratsamt für 2018 keine Zahlen habe nennen wollen, erheblich mehr Personen habe unterbringen müssen, als ihr hierfür Räumlichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Es hat aber die Einschätzung der Beklagten nicht etwa als vorgeschoben angesehen, sondern die Erwartung eines geringeren Unterkunftsbedarfs vielmehr als “spekulativ bzw. unrealistisch” bezeichnet und ausdrücklich festgestellt, dass der Gemeinderat der beklagten Gemeinde eine erneute Lageeinschätzung des Landratsamts im September 2016 abwarten wollte. Das Berufungsgericht hat den festgestellten Sachverhalt dementsprechend dahin gewertet, dass der Gemeinderat die Entscheidung, ob gebaut wird oder nicht, lediglich habe aufschieben wollen.
(c) Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden. Der Ablauf der Ereignisse und der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 9. Mai 2016 zeigen, dass sich die Beklagte im Mai 2016 nicht dazu entschließen konnte, wie ursprünglich vorgesehen mit dem Bau des Gebäudes zu beginnen. Sie wollte sich Zeit verschaffen. Nachdem dies durch eine weitere Verlängerung der Angebotsbinde- und Zuschlagsfrist nicht mehr möglich war, weil die Klägerin dieser nicht zustimmte, wich die Beklagte in die Aufhebung der Ausschreibung aus.
Dieser Aufhebung lagen danach zwar die von ihr hierfür angeführten Gründe, nämlich der Wegfall des Beschaffungsbedarfs durch Rückgang der Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge, tatsächlich nicht zugrunde. Das Verhalten der Beklagten zielte aber nicht auf die Vergabe an einen in dem aufgehobenen Verfahren nicht zuschlagsberechtigten Auftragnehmer, sondern auf Zeitgewinn. In dem ausgeführten Sinne (Rn. 28) war dies im Hinblick auf die in dem aufgehobenen Verfahren mögliche Vergabe an die Klägerin als Bieterin mit dem annehmbarsten Angebot eine sachliche und willkürfreie Erwägung.
(2) Auch im Übrigen ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auftragsvergabe in dem zweiten Vergabeverfahren wertungsmäßig einem rechtswidrigen Zuschlag an einen anderen Bieter als die Klägerin im ersten, aufgehobenen Vergabeverfahren gleichzusetzen wäre.
d) Das Berufungsurteil ist hiernach aufzuheben, soweit das Berufungsgericht der Klägerin entgangenen Gewinn zuerkannt hat.
III. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden und die Berufung der Klägerin zurückweisen. Weitere Feststellungen sind weder erforderlich noch zu erwarten. Die Feststellungen des Berufungsgerichts entsprechen vielmehr dem Berufungsvorbringen der Klägerin, die Beklagte habe die Ausschreibung aufgehoben, weil sie den Bedarf falsch eingeschätzt und ihr Vorhaben habe zurückstellen wollen, um die Entwicklung abzuwarten.

BGH zu der Frage, ob Nebenangebote grundsätzlich zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium bildet

BGH zu der Frage, ob Nebenangebote grundsätzlich zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium bildet

vorgestellt von Thomas Ax

Ist in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallenden Vergabeverfahren der Preis das alleinige Zuschlagskriterium, dürfen Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden.

Nebenangebote sind in den Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A 2012 und in der Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung – SektVO) über die Angebotswertung (§ 16 EG Abs. 6 bis 10 VOB/A; § 29 SektVO) nicht Gegenstand besonderer Regelungen und auch nicht besonders erwähnt. Soweit § 16 EG Abs. 9 VOB/A 2012 bestimmt, Angebote nach § 13 EG Abs. 2 VOB/A 2012 seien wie Hauptangebote zu werten, wird damit lediglich klargestellt, dass Angebote mit (gleichwertigen) abweichenden technischen Spezifikationen im Sinne von § 7 EG Abs. 3 VOB/A 2012 der Sache nach Haupt- und gerade keine Nebenangebote darstellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. März 2011 – X ZR 92/09, VergabeR 2011, 709 – Ortbetonschacht).

Darüber hinaus ist in § 8 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b VOB/A 2012 (§ 16a Abs. 3 VOB/A 2009) und in § 8 Abs. 1 Satz 2 SektVO lediglich bestimmt, dass die öffentlichen Auftraggeber, wenn sie die Einreichung von Nebenangeboten zugelassen haben, in den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen festlegen müssen, denen diese Nebenangebote zu genügen haben, um gewertet werden zu können. Mit diesen Regelungen sind unionsrechtliche Vorgaben umgesetzt worden (vgl. Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. Nr. L 199 vom 9. August 1993; Art. 24 Abs. 3 VKR; Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste – Sektorenverordnung [SKR], ABl. Nr. L 134 vom 30. April 2004, S. 1).

Verlangt das anzuwendende Recht, für Nebenangebote (lediglich) Mindestanforderungen vorzugeben, ohne Regelungen darüber zu treffen, wie Nebenangebote im Verhältnis zu der als Hauptangebot vorgesehenen Ausführung (“Amtsvorschlag”) zu werten sind, ist eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote nicht gewährleistet, wenn für den Zuschlag allein der Preis maßgeblich sein soll. Ist beispielsweise ein den Mindestanforderungen genügendes Nebenangebot zwar geringfügig billiger als das günstigste Hauptangebot, bleibt es aber überproportional hinter dessen Qualität zurück und erweist es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung deshalb gerade nicht als das günstigste Angebot, müsste es mangels geeigneter Zuschlagskriterien, mit denen diese Diskrepanz in der Wertung erfasst werden kann, dennoch den Zuschlag erhalten, wenn nur der Preis berücksichtigt werden darf (vgl. auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2012, 185, 191).

Eine solche Wertungspraxis wäre unvereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip (§ 97 Abs. 2 GWB) und mit dem mit diesem in engem Zusammenhang stehenden, aus § 97 Abs. 5 GWB folgenden Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.

Dieser Mangel kann durch ungeschriebene Wertungskriterien regelmäßig nicht behoben werden.

BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – X ZB 15/13

Gründe

I. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf den Umbau einer in Betrieb befindlichen Straßenbahntrasse unter eingleisigem Fahrbetrieb des Straßenbahnverkehrs in einem bestimmten örtlichen Bereich der Stadt Gera (“Stadtbahnprogramm Gera”) und dort auf die von der Antragsgegnerin (Vergabestelle) unionsweit im offenen Verfahren ausgeschriebene Vergabe des Loses 2 (Straßen- und Tiefbauarbeiten).

1. Die von der Vergabestelle veröffentlichte Vergabebekanntmachung war nach dem Gliederungsschema des Anhangs II der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 842/2011 der Kommission vom 19. August 2011 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 (ABl. Nr. L 222 vom 27. August 2011, S. 1) gefertigt. Im Abschnitt III (rechtliche, wirtschaftliche und technische Angaben) hieß es 1 unter dem Gliederungspunkt III 1.4, dass besondere Bedingungen für die Ausführung des Auftrags gelten sollten, und zwar:

“- durchschnittlicher Jahresumsatz der letzten fünf Jahre mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich (Jahr mindestens 2,5 Mio. EUR netto)

– Gesamtumsatz …

– Nachweis mit Angebotsabgabe.”

Nach den Angaben in dem sich unmittelbar anschließenden, den Teilnahmebedingungen gewidmeten Abschnitt III 2 war die Eignung durch das Präqualifikationsverzeichnis oder durch Eigenangaben gemäß dem zu den Vergabeunterlagen gehörenden Formblatt 124 nachzuweisen.

Zu den Vergabeunterlagen gehörte auch die nach Formblatt 211 EU des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB 2008 – Stand August 2012) gestaltete Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. In diesem Vordruck ist unter dem die Nebenangebote betreffenden Gliederungspunkt vorgesehen, dass der Auftraggeber durch Ankreuzen einer der vorformulierten Varianten erklärt, ob und inwieweit Nebenangebote zugelassen sind. Im Streitfall konnten danach Nebenangebote für die gesamte Leistung in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben werden. In dem im Formblatt 211 EU unmittelbar folgenden Gliederungspunkt “Angebotswertung” kann der Auftraggeber die Wertungskriterien festlegen, und zwar durch Ankreuzen einer der beiden Rubriken “Mehrere Wertungskriterien gemäß Formblatt Wertungskriterien” oder “Wertungskriterium Preis (Nebenangebote nicht zugelassen)”. Im Streitfall war Letzteres angekreuzt. In Anbetracht der daraus resultierenden Widersprüchlichkeit der Vergabeunterlagen bekräftigte die Vergabestelle gegenüber den Bietern, dass Nebenangebote abgegeben werden könnten und der Preis das alleinige Wertungskriterium sein solle.

An der Ausschreibung beteiligten sich vier Unternehmen, die auch alle Nebenangebote abgaben. Die Antragstellerin reichte mit ihrem Angebot mit Blick auf die unter III 1.4 der Bekanntmachung geforderten Umsatznachweise eine Referenzliste mit Angaben zu Bauvorhaben, Vergabestellen, Jahreszahlen und Nettoauftragssummen ein. Die Vergabestelle gelangte nach Prüfung dieser Unterlagen zu der Einschätzung, dass die Antragstellerin ungeeignet sei, weil sie in den Jahren 2008 bis 2012 nicht die in der Vergabebekanntmachung unter III 1.4 vorausgesetzten Umsätze erreicht hatte. Später vermerkte die Vergabestelle in den Vergabeakten:

“Nach weiteren Recherchen auf der Internetseite der Antragstellerin und Durchsicht der insgesamt vorhandenen Unterlagen kann jedoch eingeschätzt werden, dass die Antragstellerin in der Lage sein könnte, diese geforderten Leistungen zu erbringen. Insbesondere aufgrund des geführten Gesprächs am 28. Februar 2013 wurde durch den Geschäftsführer ausführlich dargelegt, warum die Antragstellerin geeignet ist, diese Leistungen auszuführen. Unter Abwägung aller Fakten wird entschieden, die Antragstellerin trotz Unterschreitung der explizit geforderten Referenzobjekte in die Wertung einzubeziehen. Ein Ausschluss wäre für die Bieterfirma unangemessen hart.”

Von den Hauptangeboten war dasjenige der Antragstellerin das preislich günstigste vor dem der Beigeladenen. Die Vergabestelle bewertete jedoch ein Nebenangebot der Beigeladenen als das günstigste Angebot und informierte darüber, dass darauf der Zuschlag erteilt werden solle. Die Antragstellerin machte daraufhin geltend, Nebenangebote dürften nicht gewertet werden, und hat, nachdem die Vergabestelle der Rüge nicht abhalf, Vergabenachprüfung beantragt. Zeitlich danach entschied die Vergabestelle, die Antragstellerin “wegen Unterschreitung der explizit geforderten Referenzobjekte nicht in die Wertung einzubeziehen.”

2. Die Vergabekammer hat ausgesprochen, dass die Antragstellerin im Vergabeverfahren in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt und die Vergabestelle verpflichtet sei, das Vergabeverfahren unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung mit der Wertung beginnend zu wiederholen.

Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin erscheint dem vorlegenden Vergabesenat unbegründet. Er geht davon aus, dass die Abgabe von Nebenangeboten im Streitfall zwar zugelassen war, vertritt aber – wie das OLG Düsseldorf (VergabeR 2012, 185) – die Auffassung, Art. 24 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Vergabekoordinierungsrichtlinie – VKR) gestatte die Zulassung von Nebenangeboten nur, wenn der Zuschlag auf das – anhand einer Mehrzahl von Wertungskriterien zu ermittelnde – wirtschaftlichste Angebot erteilt werden solle, hingegen nicht, wenn, wie hier, alleiniges Zuschlagskriterium der Preis sei. So zu entscheiden hat sich der Vergabesenat durch eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts gehindert gesehen (Beschluss vom 15. April 2011 – 1 Verg 10/10, VergabeR 2011, 586) und die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II. Die Vorlage ist zulässig.

Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der sich mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht in Einklang bringen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 – S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr). So verhält es sich hier, weil die vom vorlegenden Vergabesenat erwogene Entscheidung mit der dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 7 15. April 2011 zugrunde liegenden Rechtsauffassung nicht zu vereinbaren wäre.

III. Die Divergenzfrage ist dahin zu entscheiden (§ 124 Abs. 2 Satz 3 GWB), dass Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallenden Vergabeverfahren der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium vorgesehen ist.

1. Zutreffend hat der Vergabesenat angenommen, dass im Streitfall die Einreichung von Nebenangeboten zugelassen war. Soweit in dem Formblatt 211 EU die angekreuzte Variante des Preises als alleiniges Wertungskriterium den Klammerzusatz “Nebenangebote nicht zugelassen” aufwies, handelt es sich bei diesem Zusatz ersichtlich nicht um eine angebotsbezogene, für die Bieter bestimmte Erklärung, sondern um einen an die Verwender dieses Vordrucks gerichteten rechtlichen Hinweis oder eine Empfehlung, dass nicht gleichzeitig die Unterbreitung von Nebenangeboten zugelassen werden sollte, wenn sie den Preis als alleiniges Wertungskriterium bestimmen. Die Vergabestelle, die sich nach den Feststellungen der Vergabekammer darüber bewusst hinweggesetzt hat, hätte diesen Zusatz jedenfalls streichen oder einen entsprechend angepassten Vordruck verwenden müssen, um Irritationen bei den Adressaten der Vergabeunterlagen zu vermeiden. Sie hat ihren abweichenden Willen, nach dem Preis zu werten und Nebenangebote gleichwohl zuzulassen, gegenüber den Bietern aber nachträglich bekräftigt.

2. Der Vergabesenat hat auch zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin mit ihrer auf die Zulassung von Nebenangeboten zielenden Rüge – anders als mit ihrer die Mindestbedingungen für Nebenangebote betreffenden Beanstandung – nicht nach § 107 Abs. 3 Nrn. 2 oder 3 GWB präkludiert ist. Er meint mit Recht auch, dass das Angebot der Antragstellerin nicht wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen auszuschließen ist. Auf die diese Punkte 11 behandelnden Ausführungen im Vorlagebeschluss (II 1 und 2 a der Gründe) wird Bezug genommen.

3. Es wäre vergaberechtswidrig, im Streitfall auf ein zugelassenes Nebenangebot den Zuschlag zu erteilen. Ist in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallenden Vergabeverfahren, wie hier, der Preis das alleinige Zuschlagskriterium (vorstehend III 1), dürfen Nebenangebote bereits nach dem Inhalt des anzuwendenden nationalen Vergaberechts, unabhängig von sich aus den vergaberechtlichen Richtlinien des Unionsrechts ergebenden Schranken, nicht zugelassen werden. Ist dies, wie hier, doch geschehen, dürfen diese Nebenangebote jedenfalls nicht gewertet werden.

a) Nebenangebote sind in den Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A 2012 und in der Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung – SektVO) über die Angebotswertung (§ 16 EG 6 bis 10 VOB/A; § 29 SektVO) nicht Gegenstand besonderer Regelungen und auch nicht besonders erwähnt. Soweit § 16 EG Abs. 9 VOB/A 2012 bestimmt, Angebote nach § 13 EG Abs. 2 VOB/A 2012 seien wie Hauptangebote zu werten, wird damit lediglich klargestellt, dass Angebote mit (gleichwertigen) abweichenden technischen Spezifikationen im Sinne von § 7 EG Abs. 3 VOB/A 2012 der Sache nach Haupt- und gerade keine Nebenangebote darstellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. März 2011 – X ZR 92/09, VergabeR 2011, 709 – Ortbetonschacht).

Darüber hinaus ist in § 8 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b VOB/A 2012 (§ 16a Abs. 3 VOB/A 2009) und in § 8 Abs. 1 Satz 2 SektVO lediglich bestimmt, dass die öffentlichen Auftraggeber, wenn sie die Einreichung von Nebenangeboten zugelassen haben, in den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen festlegen müssen, denen diese Nebenangebote zu genügen haben, um gewertet werden 14 zu können. Mit diesen Regelungen sind unionsrechtliche Vorgaben umgesetzt worden (vgl. Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. Nr. L 199 vom 9. August 1993; Art. 24 Abs. 3 VKR; Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste – Sektorenverordnung [SKR], ABl. Nr. L 134 vom 30. April 2004, S. 1).

b) Verlangt das anzuwendende Recht, für Nebenangebote (lediglich) Mindestanforderungen vorzugeben, ohne Regelungen darüber zu treffen, wie Nebenangebote im Verhältnis zu der als Hauptangebot vorgesehenen Ausführung (“Amtsvorschlag”) zu werten sind, ist eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote nicht gewährleistet, wenn für den Zuschlag allein der Preis maßgeblich sein soll. Ist beispielsweise ein den Mindestanforderungen genügendes Nebenangebot zwar geringfügig billiger als das günstigste Hauptangebot, bleibt es aber überproportional hinter dessen Qualität zurück und erweist es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung deshalb gerade nicht als das günstigste Angebot, müsste es mangels geeigneter Zuschlagskriterien, mit denen diese Diskrepanz in der Wertung erfasst werden kann, dennoch den Zuschlag erhalten, wenn nur der Preis berücksichtigt werden darf (vgl. auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2012, 185, 191). Eine solche Wertungspraxis wäre unvereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip (§ 97 2 GWB) und mit dem mit diesem in engem Zusammenhang stehenden, aus § 97 Abs. 5 GWB folgenden Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.

c) Dieser Mangel kann durch ungeschriebene Wertungskriterien regelmäßig nicht behoben werden. Soweit in der Rechtsprechung der Vergabesenate verlangt wird, dass zuschlagsfähige Nebenangebote über die Erfüllung der Mindestanforderungen hinaus mit dem Amtsvorschlag gleichwertig sein müssen 17

(vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, VergabeR 2011, 586, 591; OLG München, Beschluss vom 9. September 2010 – Verg 16/10; Brandenburgisches Oberlandesgericht, VergabeR 2009, 222; 2012, 124; OLG Frankfurt am Main, VergabeR 2012, 884, 894; vgl. auch Kues/Kirch, NZBau 2011, 335 ff.; Dittmann in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A § 16 Rn. 293 ff.; vgl. auch Vavra in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., § 16 VOB/A Rn. 62; zur Problematik insgesamt beispielsweise Bauer in: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkomm. zur VOB, 13. Aufl., § 16 EG VOB/A Rn. 183f ff.), mögen solche ungeschriebenen Gleichwertigkeitsprüfungen, die ersichtlich auch die Vergabestelle im Streitfall vorgenommen hat, zwar im Einzelfall durchaus geeignet sein, den Wert von Nebenangeboten im Verhältnis zu den abgegebenen Hauptangeboten zu beurteilen. Bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung genügt eine Gleichwertigkeitsprüfung, für die es keine benannten Bezugspunkte gibt, weil der Preis das einzige Zuschlagskriterium sein soll, jedoch nicht den Anforderungen an transparente Wertungskriterien, da für die Bieter bei Angebotsabgabe nicht mehr mit angemessenem Sicherheitsgrad voraussehbar ist, welche Varianten die Vergabestelle bei der Wertung noch als gleichwertig anerkennen wird und welche nicht mehr. Zudem droht eine Gleichwertigkeitsprüfung mit den Mindestanforderungen in Konflikt zu geraten, deren Erfüllung in der Regel ohne Aussagekraft für die Berücksichtigungsfähigkeit des Nebenangebots wäre. Dies kann auch nicht dadurch vermieden werden, dass die Vergabestelle, wie im Streitfall geschehen, die Gleichwertigkeit als Mindestanforderung definiert. Denn bestimmte oder bestimmbare konkrete Anforderungen an die anzubietende Leistung werden damit nicht formuliert.

d) Daraus die Konsequenz zu ziehen, dass Mindestanforderungen so konkret definiert werden müssen, dass die Vergleichbarkeit mit dem Qualitätsstandard und den sonstigen Ausführungsmerkmalen des Amtsvorschlags gewährleistet ist, wäre weder mit Sinn und Zweck der Zulassung von Nebenange-19 boten vereinbar, noch ist es nach dem Schutzzweck des Gebots der Vorgabe von Mindestanforderungen erforderlich.

aa) Die Zulassung von Nebenangeboten soll das unternehmerische Potenzial der für die Deckung des Vergabebedarfs geeigneten Bieter dadurch erschließen, dass der Auftraggeber Alternativlösungen vorgeschlagen bekommt, die er selbst nicht hätte ausarbeiten können, weil seine Mitarbeiter naturgemäß nicht in allen Bereichen über so weitreichende Fachkunde wie die Bieter verfügen (BGH, Urteil vom 30. August 2011 – X ZR 55/10, VergabeR 2012, 26 – Regenentlastung). Die Bedeutung der Zulassung von Nebenangeboten für die Gewinnung innovativer Lösungen hebt auch die kurz vor der Verabschiedung stehende, an die Stelle der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG tretende Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe hervor (vgl. Dokument PE-CONS 74/13 – 2011/0438 (COD), Erwägungsgrund 17a).

bb) Das Gebot, für Nebenangebote Mindestanforderungen festzulegen, dient der Transparenz, die die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter gewährleisten soll (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 – C-421/01, VergabeR 2004, 50 29 – Traunfellner). Öffentliche Auftraggeber sollen sich von vornherein auf bestimmte Vorgaben für Nebenangebote festlegen müssen, damit erschwert ist, Nebenangebote mit der vorgeschobenen Begründung zurückzuweisen, sie seien gegenüber Ausführungen nach dem Amtsvorschlag (Hauptangebot) minderwertig oder wichen davon unannehmbar ab.

cc) Je mehr diesem letzteren Regelungsziel durch die Anhebung der Mindestanforderungen Rechnung getragen wird, desto mehr bleiben die mit der Zulassung von Nebenangeboten verfolgten Zwecke unberücksichtigt. Die öffentlichen Auftraggeber müssten die zulässigen Alternativen weitgehend gedanklichplanerisch vorwegnehmen, und Nebenangebote könnten nur in dem dadurch vorgegebenen Rahmen ausgearbeitet werden. Dieser würde aber häu-20 fig hinter den Möglichkeiten der regelmäßig fachlich besser instruierten Anbieterseite zurückbleiben, so dass deren Potenzial zum Teil ungenutzt bliebe (vgl. BGH, VergabeR 2012, 26 19 – Regenentlastung). Dies wäre im Zweifel nicht nur zum wirtschaftlichen Schaden des Auftraggebers, sondern verfehlte auch gleichermaßen das Ziel, den Bietern die Möglichkeit zu geben, sich durch Nutzung ihres kreativen Potentials und eine dem Auftraggeber hierdurch eröffnete günstigere Alternative zu einem Zuschlag auf ein Hauptangebot einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen. Im Interesse eines möglichst lebhaften Vergabewettbewerbs wäre es deshalb unzweckmäßig, wenn die Mindestanforderungen für Nebenangebote den Vergabegegenstand in allen seinen Aspekten und Details beschrieben (vgl. auch OLG Koblenz, NZBau 2011, 58 f.).

dd) Wie eingehend und detailliert die an Nebenangebote gestellten Anforderungen in den Vergabeunterlagen beschrieben sein müssen, lässt sich in Anbetracht der Anwendungsbreite der Bestimmung und der Vielfältigkeit der auszuschreibenden Leistungen nicht allgemein festlegen, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung und der jeweiligen Gesamtumstände, insbesondere der Komplexität des einzelnen Vergabegegenstands, bestimmen. Generell sind Mindestanforderungen zweckmäßig, die Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen. Erforderlich, aber im Interesse des Transparenzgebots auch ausreichend ist, dass den Bietern – neben technische Diversität zulassenden technischen Spezifikationen – als Mindestanforderungen in allgemeinerer Form der Standard und die wesentlichen Merkmale deutlich gemacht werden, die eine Alternativausführung aus Sicht der Vergabestelle aufweisen muss. Dadurch wird, soweit möglich, vermieden, dass den Bietern Aufwand aus der Erarbeitung von Alternativvorschlägen erwächst, die von vornherein keine Aussicht auf Berücksichtigung haben. Zugleich werden die Auftraggeber gebunden und daran gehindert, Nebenangebote zurückweisen zu 23 können, die den Mindestanforderungen genügen, auf die sie sich festgelegt haben.

e) Die dem Ziel der Erschließung des wettbewerblichen Potentials entsprechende und damit vergaberechtskonforme Wertung von Nebenangeboten, die den vorgegebenen Mindestanforderungen genügen, ist durch Festlegung aussagekräftiger, auf den jeweiligen Auftragsgegenstand und den mit ihm zu deckenden Bedarf zugeschnittener Zuschlagskriterien zu gewährleisten. Sie müssen ermöglichen, das Qualitätsniveau von Nebenangeboten und ihren technischenfunktionellen und sonstigen sachlichen Wert über die Mindestanforderungen hinaus nachvollziehbar und überprüfbar mit dem für die Hauptangebote nach dem Amtsvorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen, so dass das wirtschaftlichste Angebot auf dieser Basis ermittelt und dabei gegebenenfalls auch eingeschätzt werden kann, ob ein preislich günstigeres Nebenangebot mit einem solchen Abstand hinter der Qualität eines dem Amtsvorschlag entsprechenden Hauptangebots zurückbleibt, dass es nicht als das wirtschaftlichste Angebot bewertet werden kann.

4. Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist im Streitfall nicht erforderlich. Die Anwendung des nationalen Rechts steht offenkundig nicht in Widerspruch zu den vergaberechtlichen Bestimmungen und Vorgaben des Unionsrechts.

Soweit der Senat in einem früheren Fall zum Ausdruck gebracht hat, dass er ohne die dort übereinstimmend erklärte Erledigung des Nachprüfungsverfahrens in der Hauptsache die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 24 Abs. 1 VKR eingeholt hätte (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 – X ZB 8/11, VergabeR 2013, 547), beruhte dies auf den besonderen Umständen jenes Falles. Gegenstand des Vergabeverfahrens war dort mit der Abholung und Zustellung von auf eine bestimmte Art und Weise bereitgestellten (vorsortierten) Briefsendungen eine in massen-24 hafter Wiederkehr zu erbringende homogene Dienstleistung. Als alleiniges Wertungskriterium dafür den Preis heranzuziehen, war vergaberechtlich ebenso sachgerecht, wie das Interesse der Vergabestelle anerkennenswert, gleichwohl Varianten angeboten zu bekommen, die sich nach den Umständen im Übrigen vom Hauptangebot nur in der modifizierten Vorsortierung der abzuholenden Sendungen unterscheiden konnten. Die Zulassung von Varianten hätte dort zwar (auch) die Notwendigkeit mit sich gebracht, die Preiswürdigkeit von Nebenangeboten zu vergleichen und zu bewerten, die die vorgegebenen Mindestbedingungen (vgl. Art. 24 Abs. 3 VKR, § 8 EG Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b VOB/A) auf unterschiedliche Weise erfüllten. Infolge der Homogenität der nachgefragten Leistung und nach den Umständen erschien eine unverfälschte Wertung von Haupt- und Nebenangeboten nach dem Preis aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Für die Entscheidung des dortigen Falls in der Hauptsache wäre es danach darauf angekommen, ob das Unionsrecht (Art. 24 Abs. 1 VKR) – etwa wie das nationale Recht durch das Institut der teleologischen Reduktion – eine Auslegung des nationalen Rechts erlaubt hätte, nach der Nebenangebote in einer solchen Konstellation zugelassen werden können, obwohl der Preis das einzige Zuschlagskriterium sein soll.

Der Streitfall ist damit nicht vergleichbar, und eine entsprechende Auslegung des nationalen Vergaberechts kommt mithin – wie ausgeführt – nicht in Betracht. Das ausgeschriebene Los umfasst zahlreiche Gewerke (Bauteilgruppen), namentlich den Gleisunterbau, Mastgründungen, Bahnstromanlagen, Haltestellen, Straßenbau, Gehwege, Parkmöglichkeiten, Lichtsignalanlagen, Markierungen und Beschilderungen, GVB-Koordinierungstrassen, Stützwände, Beleuchtung sowie diverse Versorgungsleitungen. Nebenangebote waren nach den Vergabeunterlagen zudem nur für die gesamte Leistung, nicht aber nur für eingegrenzte Bereiche zugelassen.

5. Im Streitfall ist es nach den vom Vergabesenat getroffenen Feststellungen zur Herstellung eines regulären Vergabewettbewerbs ausreichend, dass die vergaberechtswidrig zugelassenen Nebenangebote nicht gewertet werden. Eine Verzerrung des Wettbewerbs bei Wertung allein der Hauptangebote ist nicht zu besorgen, weil – anders als in dem vom Senat am 23. Januar 2013 entschiedenen Fall (BGH, VergabeR 2013, 547) – nicht geltend gemacht ist, dass ein Hauptangebot anders kalkuliert worden wäre, wenn Nebenangebote nicht zugelassen gewesen wären.

IV. Der Senat macht von der in § 124 Abs. 2 Satz 3 GWB eröffneten Möglichkeit Gebrauch, sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage zu beschränken, weil es nach dem Sach- und Streitstand zweckmäßig ist, dem Vergabesenat die Entscheidung in der Hauptsache zu übertragen.

1. Die Annahme der Vergabekammer und des Vergabesenats, die Vergabestelle könne sich im Nachprüfungsverfahren nicht mehr auf fehlende Eignung der Antragstellerin berufen, nachdem sie die Eignung im Vergabeverfahren bejaht hat, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Entgegen der Ansicht der Vergabekammer ist die Anforderung umsatzbezogener Angaben nicht deshalb unbeachtlich, weil sie in der Vergabebekanntmachung nicht unter dem richtigen, sondern einem benachbarten Gliederungspunkt gestellt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden und dabei auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abzustellen (BGH, Urteil vom 20. November 2012 – X ZR 108/10, VergabeR 2013, 208 Rn. 9 – Friedhofserweiterung; Urteil vom 15. Januar 2013 – X ZR 155/10, VergabeR 2013, 434 Rn. 9 – Parkhaussanierung). Bei einer an diesen – auch für das Verständnis der Bekanntmachung nach § 12 EG Abs. 2 VOB/A geltenden – Grundsätzen orientierten Auslegung 28 besteht kein Zweifel daran, dass die potenziellen Bieter den Angaben unter III 1.4 der Bekanntmachung entnehmen konnten, mit dem Angebot jährliche Nettoumsätze von mindestens 2,5 Mio. € mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich in den letzten fünf Jahren nachweisen zu sollen, auch wenn diese Rubrik an sich der Information über Bedingungen oder Vorschriften gilt, die bei der Auftragsausführung zu beachten sein sollen.

2. Die Vergabestelle war entgegen der Ansicht der Vergabekammer und des Vergabesenats nicht daran gebunden, dass sie die Eignung der Antragstellerin in einem früheren Stadium des im offenen Verfahren durchgeführten Vergabewettbewerbs bejaht hat.

a) Aus der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen lässt sich nicht herleiten, dass der Auftraggeber im offenen Verfahren an seine erste Beurteilung der Eignung eines Bieters gebunden wäre. Die Regelung in § 16 EG 2 Nr. 2 VOB/A gilt nur für das nicht offene und das Verhandlungsverfahren sowie den wettbewerblichen Dialog. Dort dürfen im Rahmen der Angebotswertung nur noch solche die Eignung betreffenden Umstände berücksichtigt werden, die nach Aufforderung zur Angebotsabgabe Zweifel an der Eignung des Bieters begründen. Der Grund für diese Regelung ist darin zu sehen, dass der Auftraggeber bei diesen Vergabearten die Eignung der Bewerber prüft, bevor er sie in den Wettbewerb einbezieht (vgl. § 6 EG Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 VOB/A für das nicht offene Verfahren). Dadurch wird ein Vertrauenstatbestand für die Bieter dahin begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber die Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage abweichend beurteilt (vgl. zum Vertrauensschutz der Bieter BGH, Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283). Eine entsprechende Regelung für den Schutz des Vertrauens der Bieter auf den Bestand der Beurteilung ihrer Eig-32 nung durch die Vergabestelle im offenen Verfahren ist in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen nicht vorgesehen. Dafür besteht auch kein Bedürfnis, weil die Bieter den mit der Erstellung des Angebots verbundenen Aufwand zumindest im Wesentlichen bereits vor der Eignungsprüfung durch die Vergabestelle erbracht haben.

b) Eine Bindung ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen über die Prüfung und Wertung der Angebote in § 16 EG VOB/A (§§ 20, 27 SektVO). Diese erfolgt zwar schrittweise (Prüfung auf Ausschlussgründe und der Eignung der Bieter, Aussonderung unangemessen hoher oder niedriger Angebote, Auswahl des günstigsten Angebots aus den in die engere Wahl gelangten Offerten). Damit soll aber vor allem einer Vermischung der Prüfungsgegenstände vorgebeugt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2008 – X ZR 129/06, VergabeR 2008, 641 Rn. 13 – Sporthallenbau). Mit dieser sachlogischen Ordnungsprinzipien folgenden Aufgliederung wird der Wertungsprozess aber nicht in rechtlich unabhängige Abschnitte aufgeteilt, deren Durchlaufen dem betreffenden Bieter jeweils eine Rechtsposition verschaffte, die einer nachträglichen abweichenden Beurteilung eines vorangegangenen Abschnitts entgegenstünde. Für die Prüfung der Eignung gilt insoweit keine Ausnahme. Dass die Vergabestelle sie einmal bejaht hat, steht einer späteren abweichenden Einschätzung im offenen Verfahren nicht von vornherein entgegen. Revidiert eine Vergabestelle ihre Beurteilung der Eignung eines Bieters zu dessen Nachteil, insbesondere nachdem dieser einen Nachprüfungsantrag gestellt hat, kann das lediglich Anlass geben, besonders kritisch zu prüfen, ob diese Entscheidung die im Interesse eines verantwortungsvollen Einsatzes öffentlicher Mittel gebotene Korrektur einer Fehleinschätzung darstellt oder von sachfremden Erwägungen getragen sein könnte.

Abweichendes ergibt sich nicht aus § 19 EG Abs. 1 VOB/A. Danach sollen Bieter, deren Angebote nach § 16 EG Abs. 1 VOB/A ausgeschlossen wur-34 den oder die nicht in die engere Wahl kommen, unverzüglich unterrichtet werden. Daraus folgt nicht, dass nicht informierte Wettbewerbsteilnehmer darauf vertrauen dürfen, ein formgültiges Angebot abgegeben zu haben und jedenfalls auch für die Auftragsausführung geeignet zu sein.

V. Danach bedarf die im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens ausgesprochene Verneinung der Eignung der Antragstellerin durch die Vergabestelle einer Überprüfung in der Sache, die zweckmäßigerweise dem Vergabesenat zu übertragen ist (§ 124 Abs. 2 Satz 3 GWB). Dafür weist der Senat auf Folgendes hin.

1. Die Vergabebekanntmachung enthält Anforderungen an den Nachweis der Eignung nicht nur unter dem Gliederungspunkt III 1.4, sondern auch in den dafür an sich vorgesehenen Rubriken unter III 2 In der Gesamtschau ergibt sich folgendes Bild: Die Vergabestelle wollte einerseits eine Auftragsvergabe davon abhängig machen, dass der betreffende Bieter in den letzten 5 Jahren mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich Jahresumsätze von 2.500.000 € erzielt hat (III 1.4 der Bekanntmachung). Andererseits hat sie für den Nachweis der Eignung unter anderem auf das zu den Vergabeunterlagen gehörende Formblatt 124 verwiesen (unter III 2 der Bekanntmachung). Dieses ist hinsichtlich der Umsatzangaben den Vorgaben der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen angepasst und verlangt die Angabe des Umsatzes in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, soweit dieser Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind (vgl. § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a VOB/A).

Aus diesen Angaben konnten die Adressaten der Vergabeunterlagen insgesamt entnehmen (§§ 133, 157 BGB analog), dass die Vergabestelle die unter III 1.4 angeführten komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich als mit der zu vergebenden Leistung vergleichbare Leistungen 36 im Sinne von § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a VOB/A verstanden wissen wollte und voraussetzte, dass damit ein jährlicher Umsatz von 2.500.000 € erzielt worden ist. Hinsichtlich des Auskunftszeitraums und der Gesamtumsätze waren die Angaben in der Bekanntmachung zu III 1.4 und III 2 widersprüchlich. Dass eine Vergabestelle weitergehende Eignungsnachweise verlangen kann (vgl. z.B. Art. 48 Abs. 2 Buchst. a Nr. i) VKR), verleiht den unter III 1.4 gestellten Anforderungen keinen einseitigen Vorrang, sondern der Widerspruch ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium dahin aufzulösen, dass die unter III 1.4 gestellten Anforderungen in dem Umfang gelten, in dem sie dem Formblatt 124 nicht widersprechen. Danach hätte die Antragstellerin Umsätze mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich von 2.500.000 € in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren nachweisen müssen.

2. Für die Frage, ob die nachträgliche Verneinung der Eignung sachfremd motiviert sein könnte, kann die ursprüngliche Beurteilung der Eignung von Aufschluss sein. Nach den dazu bisher getroffenen Feststellungen erscheint die jetzige Position der Vergabestelle jedenfalls nicht ohne Weiteres als vorgeschoben. Die Vergabestelle war zunächst zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin zwischen 2008 und 2012 nicht die vorgegebenen Jahresumsätze von 2.500.000 € erzielt hat und deshalb nicht geeignet war. Offenbar hat die Vergabestelle später an die Höhe der vorausgesetzten Jahresumsätze Konzessionen gemacht. Dies kann, muss aber nicht stets vergaberechtswidrig sein. Die Regelung in § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a VOB/A beruht ersichtlich auf der Prämisse, dass die in der Vergangenheit erzielten Umsätze aussagekräftig für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Bieters hinsichtlich des zur Vergabe anstehenden Auftrags sind. Die Bestimmung dient somit dem Schutz der Auftraggeberseite und soll der Vergeudung öffentlicher Mittel vorbeugen. Eine Vergabestelle kann zwar nachträglich zu der Einschätzung gelangen, dass die ihr anvertrauten öffentlichen Interessen auch bei Vergabe des Auftrags an ein Unternehmen gewahrt bleiben, das die insoweit zunächst für notwendig erach-39 teten Umsätze nicht erzielt hat. Dies muss aber plausible Gründe haben. Außerdem ist aus Wettbewerbsgründen zu bedenken, ob sich der Kreis der Teilnehmer nicht anders zusammengesetzt hätte, wenn die jetzt als ausreichend erachteten Umsätze von vornherein vorgegeben worden wären.

Die Vergabestelle hat zwar nach dem oben mitgeteilten Vermerk in den Vergabeakten angegeben, die Eignung der Antragstellerin “unter Abwägung aller Fakten” bejaht zu haben, sie hat in diesem Zusammenhang aber als einzigen substanziellen Gesichtspunkt angeführt, dass ein Ausschluss für die Antragstellerin unangemessen hart wäre. Diese Erwägung steht außerhalb des einer Vergabestelle bei der Eignungsprüfung zustehenden Beurteilungsspielraums. Die Prüfung der Eignung soll im Vorfeld der Auftragsvergabe das Risiko minimieren, dass der Einsatz öffentlicher Mittel seinen Zweck verfehlt, weil ein Unternehmen beauftragt wird, das mit der Erbringung der zugesagten Leistung überfordert ist, und in der Folge Zeit verloren geht und Mehrkosten entstehen. Dabei entscheidend auf Belange der Bieterseite abzustellen, ist vom Zweck des Entscheidungsspielraums der Vergabestelle nicht mehr gedeckt. Ob hier ein Fehlgebrauch des Beurteilungsspielraums vorlag oder der entsprechende Vermerk in den Vergabeakten die Erwägungen der Vergabestelle nur missverständlich wiedergibt, kann beim gegebenen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilt werden, weil die Vergabekammer und der Vergabesenat dazu, von ihrer Rechtsauffassung her folgerichtig, keine Feststellungen getroffen haben. 40 3. Die Vergabestelle wird die Prüfung der Eignung der Antragstellerin nunmehr unter Anpassung an die Prämisse, dass lediglich die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre berücksichtigt werden dürfen (oben V 1), und unter Berücksichtigung des vorstehend Ausgeführten im laufenden Nachprüfungsverfahren zu wiederholen und das Ergebnis vorzutragen haben.

BGH zu der Frage der Ersetzung eines früheren Angebotes durch ein überholendes weiteres Angebot

BGH zu der Frage der Ersetzung eines früheren Angebotes durch ein überholendes weiteres Angebot

vorgestellt von Thomas Ax

Ob ein Bieter mehrere Hauptangebote abgeben will, lässt sich zweifelsfrei bejahen, wenn er zur Einreichung den konventionellen Weg gewählt und alle Angebotsunterlagen gegenständlich in einem verschlossenen Umschlag eingereicht hat (vgl. § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 VOB/A 2016). Erfüllen darin mehrere Offerten die an das Hauptangebot gestellten Voraussetzungen, wird der Auftraggeber als Adressat dies als Ausdruck des Bieterwillens verstehen, mehrere Hauptangebote unterbreiten zu wollen. Das gilt umso mehr, als eine versehentliche Zusammenstellung mehrerer Hauptangebote in einer Briefsendung kaum anzunehmen ist.

Als vergleichbar eindeutig wird zu beurteilen sein, wenn der Bieter von der eröffneten Möglichkeit der elektronischen Angebotseinreichung Gebrauch macht und mehrere Hauptangebote einheitlich in einer elektronischen Sendung übermittelt.
Sendet ein Bieter auf elektronischem Wege ein Hauptangebot und mit gewissem zeitlichem Abstand (hier: etwa zwei Stunden) kommentarlos eine weitere als Hauptangebot erkennbare Offerte, ist dies regelmäßig, wenn nicht besondere Umstände auf einen abweichenden Willen des Absenders hindeuten, dahin zu verstehen, dass das spätere Angebot an die Stelle des früher eingereichten treten soll, nicht aber, dass beide als Hauptangebot gelten sollen.
Hier entfällt die Einheitlichkeit des Sendevorgangs als verbindender und auf den Willen zur Unterbreitung mehrerer Hauptangebote hindeutender Umstand. Die Übermittlung eines weiteren elektronischen Angebots unter solchen Umständen innerhalb der Angebotsfrist ist aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers als Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ohne Weiteres regelmäßig dahin zu verstehen, dass das spätere das frühere ersetzen soll. Er konnte das erste eingegangene Angebot nur als vom Bieter abschließend gewollte Offerte verstehen. Wird wenig später kommentarlos erneut ein Angebot gesendet, legt ohne auf einen abweichenden Willen des Absenders hindeutende Umstände schon die zeitliche Abfolge die Annahme nahe, dass dieses das Erstere ersetzen soll. Eine solche Ersetzung ist rechtlich möglich. Angebote können bis zum Ablauf der in den Vergabeunterlagen dafür festgelegten Frist abgegeben werden. Daraus folgt, dass sie erst mit dem Ablauf dieser Frist bindend werden (§ 145 BGB) und dementsprechend bis zu diesem Zeitpunkt auch ausgetauscht werden können. Dass beide gleichzeitig gelten sollen, wird der Auftraggeber als Empfänger im Zweifel schon deshalb nicht unterstellen, weil die Einreichung paralleler Hauptangebote nur in engen Grenzen statthaft ist und im Regelfall die Annahme angezeigt ist, dass ein Bieter nur ein Angebot abgeben will, um nicht Gefahr zu laufen, gar kein wertungsfähiges Gebot eingereicht zu haben. Solange nicht besondere Umstände Anlass zu der Annahme geben, dass etwas anderes gewollt sein könnte, ist deshalb grundsätzlich das später gesendete Angebot für sich als das maßgebliche und gewollte zu betrachten. Das gilt prinzipiell auch dann, wenn die Abweichung lediglich in der Wahl einer anderen technischen Spezifikation besteht. Möchte der Bieter in einem solchen Fall nur ein weiteres wertungsfähiges Hauptangebot nachreichen und nicht ein bereits abgegebenes ersetzen, kann und muss er dies in geeigneter Form zum Ausdruck bringen.
BGH, Urteil vom 29.11.2016 – X ZR 122/14

Tatbestand
Die Klägerin beteiligte sich an einem von einem Eigenbetrieb des beklagten Landes nach Maßgabe des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen durchgeführten Vergabeverfahren betreffend die Sanierung und den Neubau von Flächen eines Universitätsinstituts mit einem Angebot für das Gewerk Tischlerarbeiten. Die Vergabestelle hatte den Brutto-Auftragswert auf 138.248,73 € geschätzt. Die Angebotsfrist lief bis zum 25. April 2012.
Die Klägerin sendete am 24. Februar 2012 um 9:11 Uhr auf elektronischem Wege ein Angebot (im Folgenden: Angebot 1) über 268.201,96 € und um 11:02 Uhr ein weiteres Gebot (Angebot 2) über 268.580,38 €.
Die Einzelpreise beider Angebote unterschieden sich lediglich in zwei Positionen betreffend die Überarbeitung historischer, einflügliger Innentüren, und zwar waren in den Positionen 1.1.30 (“… mit drei Kassetten”) und 1.1.50 (“… mit sechs Kassetten”) die Einheitspreise umgekehrt zugeordnet, woraus vor dem Hintergrund unterschiedlicher Einheitsmengen für beide Positionen (3 Stück bzw. 6 Stück) die Preisdifferenz in Höhe von 378,42 € resultierte.
Im Öffnungstermin lagen Angebote von drei Bietern vor. Der Beklagte nahm von der Klägerin lediglich Angebot 2 in die Niederschrift über den Öffnungstermin auf. Dieses war das preisgünstigste, die anderen beiden Angebote waren um bis zu rund 3 % teurer.
Nachdem sie zunächst fehlende Erklärungen von einem Mitbewerber und der Klägerin angefordert und mit dieser auch ein Aufklärungsgespräch geführt hatte, hob die Vergabestelle das Vergabeverfahren auf und berief sich dafür auf die deutliche Überschreitung ihrer Kostenschätzung und darauf, dass die Angebote zwar preislich dicht zusammenlägen, in den Kostenansätzen für einzelne Leistungspositionen jedoch zum Teil nicht nachvollziehbar voneinander abwichen.
Die Klägerin stellte einen Nachprüfungsantrag, den die zuständige Vergabekammer als unzulässig verwarf und der bestandskräftig geworden ist, nachdem die Klägerin die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde nach Hinweisen des Beschwerdegerichts zurückgenommen hatte.
Die ausgeschriebenen Leistungen wurden im Oktober 2012 unterteilt in vier Teillose erneut ausgeschrieben und auch vergeben.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin in erster Linie Schadensersatz in Höhe ihres positiven, auf 27.111,47 € bezifferten Interesses verlangt und dafür geltend gemacht, es habe kein zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigender Grund vorgelegen; bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens hätte der Zuschlag auf ihr Angebot 2 erteilt werden müssen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung bis auf für erstattungsfähig erachtete Angebotserstellungskosten von 61,20 € abgewiesen (OLG Naumburg, VergabeR 2015, 489). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung des Beklagten weiter.

Gründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Beklagte die Ausschreibung zwar rechtswidrig aufgehoben und insoweit eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat (§ 280 Abs. 1 i. V. mit § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2 BGB), dass der Klägerin der Zuschlag aber auch bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens nicht hätte erteilt werden dürfen, weil ihre Angebote als vergaberechtlich unzulässiges Doppelangebot hätten ausgeschlossen werden müssen.

II. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. In der Rechtsprechung der Vergabesenate ist anerkannt, dass die Abgabe mehr als eines Hauptangebots nicht ausgeschlossen ist. Als unproblematisch wird es angesehen, wenn sich mehrere Angebote eines Bieters nicht nur im Preis, sondern darüber hinaus in der sachlich-technischen Ausführung unterscheiden, ohne dass die Abweichungen die Einordnung als Nebenangebot gestatteten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. März 2010 – Verg 61/09, VergabeR 2010, 1012, 1013 f.; Beschluss vom 9. März 2011 – Verg 52/10, VergabeR 2011, 598, 600 f.; OLG München, Beschluss vom 29. Oktober 2013 – Verg 11/13, VergabeR 2014, 436, 439 f.).
2. Dem ist jedenfalls zuzustimmen, soweit ein Bieter mehrere Hauptangebote mit Inhalten anbietet, die sich in dem von § 13 EU Abs. 2 i. V. mit § 7a EU VOB/A 2016 gesteckten Rahmen bewegen. Wäre ein solches Angebot allein abgegeben worden, wäre es nach § 16d EU Abs. 3 VOB/A 2016 wie ein Hauptangebot zu werten (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. März 2011 – X ZR 92/09, VergabeR 2011, 709 – Ortbetonschacht). Werden mehrere solche Hauptangebote abgegeben, besteht grundsätzlich keine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. Da ihre Gleichwertigkeit mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit nachgewiesen werden muss (§ 13 EU Abs. 2 VOB/A 2016), ist rechtlich sichergestellt, dass keine wirtschaftlich nachteilige Beschaffung getätigt wird.
3. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unterscheiden sich Angebot 1 und Angebot 2, abgesehen vom Preis, nur in der beabsichtigten Art der Ausführung und damit zusammenhängend in den Preisermittlungsgrundlagen. Gemäß Angebot 1 wäre der Auftrag vollständig mit den eigenen betrieblichen Mitteln der Klägerin ausgeführt worden; nach Angebot 2 war ein Nachunternehmer für anspruchsvollere Teilleistungen vorgesehen.
Es ist fraglich, ob bei dieser Ausgestaltung die Annahme eines insgesamt zum Angebotsausschluss führenden Mehrfach-Hauptangebots gerechtfertigt ist. Die beiden Angebote der Klägerin unterscheiden sich im Wesentlichen zwar nur im Preis. Ob der Bieter die Leistung allein oder unter Einsatz von Nachunternehmern ausführen möchte, ändert nichts daran, dass eine mit dem Leistungsverzeichnis identische Leistung erbracht werden soll. Zum Angebotsausschluss kann das zwingend aber nur dann führen, wenn unabdingbare Voraussetzung für die Wertungsfähigkeit mehrerer Hauptangebote eines Bieters ist, dass sie sich (auch) technisch-inhaltlich unterscheiden. Das kann indes zweifelhaft sein. Die vom Berufungsgericht im Streitfall für den Ausschluss herangezogenen Argumente überzeugen jedenfalls nicht.
a) Das Berufungsgericht meint, der Bieter verschaffe sich durch diese Angebotsgestaltung potenziell einen ungerechtfertigten wettbewerblichen Vorteil für den Fall, dass der Auftraggeber die Eignung des vorgesehenen Nachunternehmers verneinen sollte, weil er sich dann auf die Ausführung in Eigenarbeit zurückziehen könne.
Ob dies bei der gebotenen wertenden Betrachtung tragfähig ist, erscheint fraglich. Reicht ein Bieter, was, wie ausgeführt, vergaberechtlich zu Recht als unproblematisch angesehen wird, neben der von ihm eigentlich bevorzugten Ausführung mit einer vom Leistungsverzeichnis abweichenden, aber statthaften Spezifikation weitere Hauptangebote ein, etwa eines, das den im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Anforderungen explizit entspricht und andere, die nochmals abweichende Spezifikationen aufweisen, betreibt er diesen Aufwand ersichtlich ebenfalls, um dem Risiko zu begegnen, dass der Auftraggeber die Wertungsfähigkeit seiner eigentlich bevorzugten Ausführung verneinen könnte. Das Berufungsgericht zeigt somit keinen spezifisch vergaberechtlichen Unrechtsgehalt oder unredlichen Vorteil des Bieters auf, der auch eine Ausführung mit Nachunternehmereinsatz anbietet.
b) Das Berufungsgericht hat den Angebotsausschluss ferner damit begründet, die Klägerin hätte sich mit der gewählten Angebotsgestaltung ungerechtfertigte wettbewerbliche Vorteile verschaffen können, indem sie nach Ablauf der Angebotsfrist eines ihrer beiden – jeweils unvollständigen – Angebote lückenhaft hätte belassen können, damit es ausgeschlossen wird, und nur das andere vervollständigte, um sich nur damit weiter um den Zuschlag zu bewerben. Die Gefahr einer derartigen Manipulation durch einen Bieter habe sich im Anwendungsbereich der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen objektiv dadurch erhöht, dass der Auftraggeber bei unvollständigen Angeboten zur Nachforderung der fehlenden Erklärungen und Nachweise verpflichtet sei und es der Bieter durch die Erfüllung der Nachforderung bzw. durch deren Nichterfüllung in der Hand habe, ob er an jedes seiner Angebote gebunden bleibe oder nicht.
Diese Erwägung begegnet rechtlichen Bedenken. Die vom Berufungsgericht als Ausschlussgrund herangezogene abstrakte Gefahr einer Manipulation des Vergabewettbewerbs dadurch, dass der Bieter nur eines seiner Angebote durch Nachreichung fehlender Unterlagen zuschlagsreif machen könnte, ist kein spezifisches Problem der Einreichung mehrerer Hauptangebote, sondern kann sich prinzipiell genauso bei Einreichung einer einzigen Offerte ergeben. Gerade für solche Konstellationen war dieses Problem auch Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen und Erörterungen (vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 19. März 2002 – Verg 2/02, VergabeR 2002, 252 und dazu Gröning, NZBau 2003, 86 ff.; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkomm. zur VOB, 11. Aufl. 2008 A § 25 aF Rn. 127).

Ungeachtet dieses vermeintlichen Manipulationspotenzials hat die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, wie das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, in ihrer Ausgabe 2009 erstmals die Verpflichtung der Auftraggeber begründet, fehlende Erklärungen nachzufordern. Dies ist aufgrund von Erfahrungswerten aus der Praxis im Interesse eines umfassenden Wettbewerbs geschehen, um den Ausschluss von Angeboten aus vielfach nur formalen Gründen zu verhindern und die Anzahl der am Wettbewerb teilnehmenden Angebote nicht unnötig zu reduzieren (vgl. die Eingangshinweise des Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen, BAnz 155a vom 15. Oktober 2009 und Einführungserlass des BMVBS unter anderem zur Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen 2009 vom 10. Juni 2010 – B 15 – 8163.6/1 S. 7). Diese Regelungen sind über die Einbeziehung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in der jeweils aktuellen Fassung in der Vergabeverordnung (vgl. § 2 VgV vom 12. April 2016) geltendes Recht. Dass sie gegen höherrangiges Recht verstießen, zeigt das Berufungsgericht nicht auf. Schon deshalb bestehen Bedenken gegen seine eher rechtspolitisch geprägte Befürwortung von Angebotsausschlüssen wegen der abstrakten Gefahr, Bieter könnten von den rechtlich zulässigen Möglichkeiten der Nachreichung von Erklärungen einen selektiven und damit unredlichen Gebrauch machen.
4. Die Tragfähigkeit der vom Berufungsgericht für den Angebotsausschluss gegebenen Begründung bedarf indes keiner abschließenden Beurteilung. Seine Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil es rechtsfehlerhaft angenommen hat, die Klägerin habe (hintereinander) zwei Hauptangebote abgegeben.
a) Für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist nach allgemeinen Grundsätzen darauf abzustellen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Das gilt auch für die hier interessierende Frage, ob zwei im vergaberechtlichen Sinne als Hauptangebote zu verstehende Offerten abgegeben wurden.
Zwar ist die Auslegung individualvertraglicher Erklärungen im Grundsatz dem Tatrichter vorbehalten. Das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung ist aber – ohne dass es einer entsprechenden Verfahrensrüge bedürfte (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 – XII ZR 194/93, BGHZ 131, 297, 301 f.) – für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn dabei gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden (st. Rspr. z.B. BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 – III ZR 61/05, WM 2006, 871, 872). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen, deren Einhaltung das Revisionsgericht nachzuprüfen hat, gehört insbesondere, dass der Tatrichter von ihm festgestellte wesentliche Tatsachen bei der Auslegung gebührend berücksichtigt (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 – III ZR 166/05, NJW 2006, 3777).
b) Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes sind die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern. Es hat zwar den Einwand der Klägerin, sie habe Angebot 2 statt des Angebots 1 und nicht selbständig neben diesem eingereicht, nicht übergangen, es hat dabei aber für die rechtliche Beurteilung wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.
aa) Ob ein Bieter mehrere Hauptangebote abgeben will, lässt sich zweifelsfrei bejahen, wenn er zur Einreichung den konventionellen Weg gewählt und alle Angebotsunterlagen gegenständlich in einem verschlossenen Umschlag eingereicht hat (vgl. § 13 EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 VOB/A 2016). Erfüllen darin mehrere Offerten die an das Hauptangebot gestellten Voraussetzungen, wird der Auftraggeber als Adressat dies als Ausdruck des Bieterwillens verstehen, mehrere Hauptangebote unterbreiten zu wollen. Das gilt umso mehr, als eine versehentliche Zusammenstellung mehrerer Hauptangebote in einer Briefsendung kaum anzunehmen ist.

Als vergleichbar eindeutig wird zu beurteilen sein, wenn der Bieter von der eröffneten Möglichkeit der elektronischen Angebotseinreichung Gebrauch macht und mehrere Hauptangebote einheitlich in einer elektronischen Sendung übermittelt.

bb) Im Streitfall wurden beide Angebote jedoch getrennt in einem Abstand von etwa zwei Stunden gesendet. Hier entfällt die Einheitlichkeit des Sendevorgangs als verbindender und auf den Willen zur Unterbreitung mehrerer Hauptangebote hindeutender Umstand. Die Übermittlung eines weiteren elektronischen Angebots unter solchen Umständen innerhalb der Angebotsfrist ist aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers als Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ohne Weiteres regelmäßig dahin zu verstehen, dass das spätere das frühere ersetzen soll. Er konnte das erste eingegangene Angebot nur als vom Bieter abschließend gewollte Offerte verstehen. Wird wenig später kommentarlos erneut ein Angebot gesendet, legt ohne auf einen abweichenden Willen des Absenders hindeutende Umstände schon die zeitliche Abfolge die Annahme nahe, dass dieses das Erstere ersetzen soll. Eine solche Ersetzung ist rechtlich möglich. Angebote können bis zum Ablauf der in den Vergabeunterlagen dafür festgelegten Frist abgegeben werden. Daraus folgt, dass sie erst mit dem Ablauf dieser Frist bindend werden (§ 145 BGB) und dementsprechend bis zu diesem Zeitpunkt auch ausgetauscht werden können. Dass beide gleichzeitig gelten sollen, wird der Auftraggeber als Empfänger im Zweifel schon deshalb nicht unterstellen, weil die Einreichung paralleler Hauptangebote nur in engen Grenzen statthaft ist und im Regelfall die Annahme angezeigt ist, dass ein Bieter nur ein Angebot abgeben will, um nicht Gefahr zu laufen, gar kein wertungsfähiges Gebot eingereicht zu haben. Solange nicht besondere Umstände Anlass zu der Annahme geben, dass etwas anderes gewollt sein könnte, ist deshalb grundsätzlich das später gesendete Angebot für sich als das maßgebliche und gewollte zu betrachten. Das gilt prinzipiell auch dann, wenn die Abweichung lediglich in der Wahl einer anderen technischen Spezifikation besteht (oben II 2). Möchte der Bieter in einem solchen Fall nur ein weiteres wertungsfähiges Hauptangebot nachreichen und nicht ein bereits abgegebenes ersetzen, kann und muss er dies in geeigneter Form zum Ausdruck bringen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Umstand, dass das spätere Angebot kommentarlos übermittelt wurde, kein Indiz dafür, dass beide Angebote parallel gelten sollten. Ein solches Verhalten ist im Zweifel so zu interpretieren, dass ein wertungsfähiges Angebot erhalten bleibt. Die Vergabestelle selbst hat im Übrigen keine entsprechenden Zweifel am Gewollten gehegt, sondern Angebot 2 als dasjenige angesehen, das allein abgegeben werden sollte. Anders ist es nicht zu verstehen, dass sie allein dieses Angebot in das Protokoll über die Angebotsöffnung aufgenommen hat. Die Klägerin hat dem nicht widersprochen und nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war auch nur Angebot 2 Gegenstand des nach § 15 VOB/A 2009 geführten Aufklärungsgesprächs. Die Parteien haben insoweit also übereinstimmend nur Angebot 2 als Gegenstand des Vergabeverfahrens angesehen.
III. Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar und ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die weiteren geltend gemachten Ausschlussgründe zu Recht verneint.
1. Mit ihrem als Gegenrüge zu behandelnden Einwand, die Klägerin verhalte sich treuwidrig (§ 242 BGB), wenn sie die Erstattung des positiven Interesses verlange, obwohl sie sich nicht in der zweiten Ausschreibung um den Auftrag beworben habe, kann die Revision nicht gehört werden. Sie zeigt schon keinen hierzu in den Vorinstanzen gehaltenen und vom Landgericht übergangenen oder vom Berufungsgericht unerwähnt gelassenen Tatsachenvortrag auf. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht allein getroffenen Feststellungen, dass der Beklagte den Gegenstand des aufgehobenen Vergabeverfahrens in modifizierter Form, aufgeteilt in vier Teillose, erneut ausgeschrieben und die Klägerin sich darum nicht beworben hat, lässt sich ein rechtshemmender Einwand gegen die geltend gemachte Schadensersatzforderung nicht begründen.
2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen eines anderen schwerwiegenden Grundes (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009, § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016) rechtsfehlerfrei verneint.
Die Beklagte hat dazu vorgetragen, eine fachkundige Kostenschätzung habe den fraglichen Betrag (138.248,73 €) ergeben und dies in das Wissen eines Architekten des einbezogenen Planungsbüros gestellt. Das Berufungsgericht ist diesem von ihm zutreffend als gegenbeweislich eingeordneten Beweisantritt mit der Begründung nicht nachgegangen, der Beklagte habe seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Macht der Kläger für seinen auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichtete Schadensersatzanspruch geltend, der Auftraggeber hätte das Vergabeverfahren nicht aufheben dürfen, weil der dafür angeführte Grund (§ 17 EU Abs. 1 VOB/A 2016) nicht vorgelegen habe, muss er darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für den vom Auftraggeber herangezogenen Aufhebungsgrund nicht gegeben waren. Prozessual obliegt dem Kläger insoweit der Beweis negativer Tatsachen. Nach ständiger Rechtsprechung trifft den Prozessgegner der für eine negative Tatsache beweisbelasteten Partei eine sekundäre Darlegungslast, deren Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, der der Gegner aber jedenfalls so konkret nachkommen muss, dass der beweisbelasteten Partei eine Widerlegung möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2010 – XII ZR 175/08, BGHZ 185, 1 Rn. 20 mwN; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 284 Rn. 24 mwN).
Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann es zwar einen schwerwiegenden und deshalb zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigenden Grund darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 20. November 2012 – X ZR 108/10, VergabeR 2013, 208 Rn. 18 – Friedhofserweiterung: Urteil vom 8. September 1998 – X ZR 99/96, BGHZ 139, 280). Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann aber Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen (BGH, VergabeR 2013, 208 Rn. 18 – Friedhofserweiterung).
Das Berufungsgericht hat den Einwand des Beklagten, die Klägerin behaupte ohne jegliche tatsächliche Anhaltspunkte eine unzulängliche Kostenschätzung, zu Recht schon mit Blick darauf nicht gelten lassen, dass diese Schätzung auf einer nicht mehr aktuellen Haushaltsunterlage beruhte. Es hat zutreffend angenommen, dass dem Beklagten – worauf schon das Landgericht hingewiesen hatte – oblegen hätte, die Vertretbarkeit der Kostenschätzung mit substanziiertem Sachvortrag zu unterlegen. Die Frage der Vernehmung des benannten Zeugen hierzu stellte sich danach nicht.
3. Das Berufungsgericht hat zu Recht eine Bindungswirkung nach § 179 Abs. 1 GWB an die Entscheidung der Vergabekammer verneint. Diese hatte im Rahmen ihrer Ausführungen zu der angenommenen Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags die Ansicht geäußert, das Angebot der Klägerin wäre nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g VOB/A 2009 wegen vorsätzlich unzutreffender Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung auszuschließen gewesen.
Nach § 179 Abs. 1 GWB ist das ordentliche Gericht, wenn ein Verfahren vor der Vergabekammer stattgefunden hat, an deren bestandskräftige Entscheidung bzw. an die Beschwerdeentscheidung gebunden, wenn wegen eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften Schadensersatz begehrt wird. Mit dieser Bindungswirkung soll im Interesse der Verfahrensökonomie eine nochmalige Prüfung derselben Sach- und Rechtsfragen im Rahmen des Schadensersatzprozesses vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 13/9340 S. 22 zu RegE § 133 GWB). Von der Bindungswirkung ist aber nur das erfasst, was den im Nachprüfungsverfahren in der Sache nach § 168 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 oder § 178 GWB ergangenen Ausspruch in tatsächlicher Hinsicht und in der rechtlichen Beurteilung trägt. Das betrifft in erster Linie einen von den Nachprüfungsinstanzen bejahten Verstoß der Vergabestelle gegen Bestimmungen über das Vergabeverfahren, deren Einhaltung nach § 97 Abs. 6 verlangt werden kann. Bindungswirkung kann auch – umgekehrt – der Verneinung eines geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes zukommen (vgl. Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 3. Aufl., § 124 Rn. 2). Desgleichen kann von der Bindungswirkung erfasst sein, wenn sich der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren im Rahmen der sachlichen Prüfung des Nachprüfungsantrags nach den Grundsätzen der Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten auf Voraussetzungen für den Ausschluss des Angebots des Antragstellers beruft und deren Erfüllung bestands- oder rechtskräftig bejaht wird. Schon mit Blick auf die einschneidende Rechtsfolge der Bindungswirkung nach § 179 Abs. 1 GWB, derzufolge die Verletzung einer Bestimmung über das Vergabeverfahren oder auch die Ausschlussreife eines Angebots im Schadensersatzprozess nicht mehr infrage gestellt werden kann, kann dies aber nur im Rahmen einer in der Sache zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags ergehenden Entscheidung geschehen.

Im Streitfall betrifft die bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer demgegenüber lediglich die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für den angebrachten Nachprüfungsantrag und damit nur den Zugang zum Nachprüfungsverfahren.
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch in der Sache einen Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g VOB/A 2009 verneint. Die Einreichung lückenhafter Angebotsunterlagen mag in Anbetracht der von vornherein geplanten Einschaltung eines Nachunternehmers nachlässig gewesen sein, stellt sich aber schon angesichts des eingereichten Formblatts 221, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulatorische, auf Nachunternehmereinsatz hindeutende Angaben enthielt, nicht als vorsätzlich falsche Angabe über die eigene Eignung dar.
5. Auch die Voraussetzungen des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführten § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2009 sind nicht erfüllt. Danach sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig; Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen müssen zweifelsfrei sein. Der erstere Tatbestand schließt zwar gegenständliche Manipulationen der Vergabeunterlagen ebenso ein wie die Abgabe eines davon abweichenden Angebots. Beides liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin hat auch keine Eintragungen im Angebot geändert, sondern die Unterlagen nachträglich vervollständigt.
IV. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden. Das landgerichtliche Urteil ist insgesamt wiederherzustellen.
V.

Kurz belichtet: Bei dem Begriff “vergleichbare Leistung” ist allein auf die kategoriale Vergleichbarkeit abzustellen

Kurz belichtet: Bei dem Begriff "vergleichbare Leistung" ist allein auf die kategoriale Vergleichbarkeit abzustellen

von Thomas Ax

Zweck von Referenzen i.S.v. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV ist es, die tatsächliche Fähigkeit des Bieters zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung nachzuweisen. Das OLG Celle (Urteil vom 23.05.2019 – 13 U 72/17) hat diesbezüglich zutreffend ausgeführt:

“Bei dem Begriff “vergleichbare Leistung” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen ist. Dabei bedeutet die Formulierung “vergleichbar” nicht “gleich” oder gar “identisch”, sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 58; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 11 Verg 8/06; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 28. Juni 2016 – 54 Verg 2/16; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 39; VK Bund, Beschluss vom 14. Dezember 2011 – VK 1- 153/11). Die Referenzen für die Ausführung vergleichbarer Leistungen sind Teil einer Prognosegrundlage für die (spätere) Phase der Leistungserbringung.

Deshalb geht es nicht um einen “1:1” Vergleich bereits abgearbeiteter Aufträge mit dem zu vergebenden Auftrag, sondern allein darum, ob im Hinblick auf bereits durchgeführte Aufträge die Prognose gerechtfertigt ist, dass die fachliche und technische Leistungsfähigkeit auch im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag gegeben ist. Diese Auslegung des Begriffs der “Vergleichbarkeit” wird auch regelmäßig dem Sinn des Vergabeverfahrens und dem Wettbewerb gerecht, da anderenfalls alle Bewerber, die die ausgeschriebene Leistung bisher nicht oder nicht so in ihrem Programm hatten, von vornherein ausgeschlossen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 11 Verg 8/06; OLG München, a.a.O., Rn. 49). Erforderlich, aber auch ausreichend ist deshalb die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters auch für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen (vgl. OLG München, a.a.O., Rn. 47; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2014 – 11 Verg 1/14, sowie Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 11 Verg 8/06; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 39; Schleswig-Holsteinisches OLG, a.a.O., Rn. 111, VK Bund, a.a.O.).”

Anzulegen ist mithin (nur) ein Ähnlichkeitsmaßstab (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.2.2024 – Verg 23/23; MüKoEuWettbR/Hölzl, 4. Aufl. 2022, VgV § 46 Rn. 16 Beck VergabeR/Mager, 3. Aufl. 2019, VgV § 46 Rn. 15). Es kommt – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatzes, § 97 Abs. 1 GWB – gerade nicht auf eine völlige oder auch nur weitgehende Übereinstimmung früherer Leistungen mit der ausgeschriebenen Leistung an, sondern allein auf die kategoriale Vergleichbarkeit. Erforderlich ist allein, dass die “Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet” (OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 02/18). Zu diesem Zweck muss “jedenfalls ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zwischen der referenzierten Leistung und der ausgeschriebenen Leistung besteh[en]” (OLG Frankfurt, Beschl. vom 23. Dez. 2021 – 11 Verg 6/21, ZfBR 2022, 295, 299).

Bei der Anwendung dieses Maßstabs “kommt der Vergabestelle, die regelmäßig über spezifisches Fachwissen und fachliche Erfahrung verfügt, ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu” (OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 02/18). Diesen hat das OLG Celle zutreffend wie folgt gekennzeichnet:

“Zwar steht der Vergabestelle bei der Prüfung der Eignung eines Bieters grundsätzlich ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das gilt namentlich für die Überprüfung von Referenzen und die Beurteilung von deren Vergleichbarkeit (vgl. OLG München, Beschluss vom 12. November 2012, Verg 23/12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. April 2014 – 11 Verg 1/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2008 – VIIVerg 54/08). Die Überprüfung der Vergleichbarkeit ist deshalb darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden ist sowie allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt haben (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 51; Summa in: jurisPK -Vergaberecht, 4. Aufl., § 16 VOB/A 2012 Rn. 311).”

Beim Fehlen von – ggf. weiteren – Vorgaben, welche Art von Referenzaufträgen der Auftraggeber “als geeignet ansieht, liegt eine “geeignete” Referenz bereits dann vor, wenn der Leistungsgegenstand der Art nach in der Vergangenheit bereits erbracht wurde” (Ziekow/Völlink/Goldbrunner, 5. Aufl. 2024, VgV § 46 Rn. 14). Für sachwidrige Erwägungen und damit für eine willkürliche Handhabung bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist sowohl die Festlegung der Anforderungen an Referenzen als auch deren Bewertung in einer besonders wettbewerbsorientierten Weise erfolgt (zur Gebotenheit siehe auch MüKoEuWettbR/Hölzl, 4. Aufl. 2022, VgV § 46 Rn. 16 m.w.N.).

Das Ziel des Nachweises der tatsächlichen Befähigung zur Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags setzt auch nicht voraus, dass die betreffenden Referenzen sich auf abgeschlossene Aufträge beziehen (Voppel/Osenbrück/Bubert VgV/Voppel, 4. Aufl. 2018, VgV § 46 Rn. 31; a.A. Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal/Ackermann/Jauch, 3. Aufl. 2022, VgV § 46 Rn. 22; zur entgegengesetzten Problematik eines von der Vergabestelle geforderten “erfolgreichen Abschlusses” OLG Schleswig, Beschluss vom 28.6.2016 – 54 Verg 2/16, NZBau 2016, 593). Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren “passgenauer” Ablauf letztlich zufällig ist, kann der gewünschte Nachweis auch dadurch erbracht werden, dass die Leistungserbringung bereits seit längerer Zeit erfolgt (vgl. MüKoEuWettbR/Hölzl, 4. Aufl. 2022, VgV § 46 Rn. 17). Damit scheiden soeben begonnene Aufträge als Referenz aus.

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