Zur Gewährleistung der Ex-Post-Transparenz im oberschwelligen Vergabeverfahren ist § 39 VgV
von Thomas Ax
Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB sind öffentliche Aufträge und Konzessionen im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren zu vergeben.
„Das Transparenzgebot verpflichtet den Auftraggeber zu offenem, erkennbarem und nachvollziehbarem Beschaffungsverhalten. Hierdurch sind Anforderungen an die Gestaltung des Beschaffungsverhaltens selbst kombiniert mit solchen an die Kommunikation dieses Verhaltens. Diese Grundmaxime durchzieht das gesamte Vergabeverfahren und soll im Wesentlichen die Gefahr einer Günstlingswirtschaft oder willkürlichen Entscheidung des Auftraggebers ausschließen.“1
Zentrale Vorschrift zur Gewährleistung der Ex-Post-Transparenz im oberschwelligen Vergabeverfahren ist § 39 VgV. Danach hat der öffentliche Auftraggeber spätestens 30 Tage nach der Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder nach dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung eine Vergabebekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zu veröffentlichen (vgl. § 39 Abs. 1 VgV).2 Nach § 39 Abs. 4 Satz 1 VgV umfasst diese Vergabebekanntmachung jedoch nur die abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen, nicht aber die auf ihrer Grundlage vergebenen Einzelaufträge.
Die Literatur führt hierzu insgesamt aus:
„Die nachträgliche Bekanntmachung der Auftragsvergabe und der Ergebnisse des Vergabeverfahrens dient der sog. Ex-post-Transparenz. Sie erlaubt Marktteilnehmern zum einen, anhand der Wettbewerbsergebnisse die eigene Positionierung mit Blick auf den künftigen Wettbewerb zu überprüfen. Sie ermöglicht zum anderen in begrenztem Umfang eine nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verfahrens. Auch wenn die Rechtsschutzmöglichkeiten für nicht berücksichtigte Bieter nach dem Zuschlag stark limitiert sind, kann die Information, wer den Zuschlag erhalten hat oder zu welchem Preis der Auftrag erteilt wurde, in Einzelfällen auch im Nachhinein Abhilfemaßnahmen eröffnen. Das gilt insbesondere bei Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, bei denen der Zuschlag innerhalb des Zeitfensters des § 135 Abs. 2 GWB auch nachträglich noch angegriffen werden kann. Darüber hinaus kann die Information über die Auftragsvergabe unrechtmäßig übergangenen Bietern die Geltendmachung von Schadensersatz erleichtern. Die nachträgliche Bekanntmachung ermöglicht auch den Aufsichtsbehörden, bis zu einem gewissen Grad die Rechtmäßigkeit der Vergabepraxis nachzuvollziehen und ggf. wettbewerbswidrige Praktiken aufzudecken. Die Ex-post-Transparenz hat damit insgesamt eine wichtige disziplinierende Funktion zur Sicherung des Vergabewettbewerbs.“3
Dies einschränkend, sieht § 39 Abs. 6 VgV demgegenüber abschließende und eng auszulegende4 Ausnahmetatbestände vor, wonach der öffentliche Auftraggeber im Einzelfall nicht verpflichtet ist, einzelne Angaben zu veröffentlichen. Dies ist dann möglich, wenn deren Veröffentlichung den Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, den berechtigten geschäftlichen Interessen eines Unternehmens schaden oder den lauteren Wettbewerb zwischen Unternehmen beeinträchtigen würde.
Zur Auslegung dieser Ausnahmetatbestände führt die Literatur aus:
„Angaben, deren Veröffentlichung den Gesetzesvollzug behindern würde, müssen unterbleiben (Nr. 1). Dabei handelt es sich um Angaben, deren Weitergabe nach gesetzlichen Vorschriften verboten ist (z. B. nach dem GWB, dem UWG oder aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben).“5
In Betracht kommen hierbei ausschließlich Gesetze, deren Zielrichtung die Untersagung der Weitergabe von Informationen ist.6 Inwieweit das Datenschutzrecht zu Einschränkungen führt, hängt von der Art der Daten (insbesondere personenbezogene Daten) ab und von einer eventuellen wirksamen Einwilligung. „Nicht in die Bekanntmachung aufzunehmen sind ferner Angaben, deren Veröffentlichung dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen würde (Nr. 2). Nr. 2 ist ein Auffangtatbestand zu Nr. 1 und betrifft Informationen, deren Geheimhaltung nach dem Gesetz vorgeschrieben oder aus sonstigen Gründen (z. B. projektbezogen) geboten ist (etwa bei militärischen oder sonstigen, dem Geheimnisschutz unterliegenden Beschaffungen).
Die Veröffentlichung muss ferner unterbleiben, wenn die Angaben berechtigte geschäftliche Interessen eines Unternehmens schädigen würden (Nr. 3). Darunter fallen vor allem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Auftragnehmers. Informationen, die einen Rückschluss auf die Kalkulation oder Produktions- und Verfahrensabläufe des Auftragnehmers zulassen und deren Bekanntwerden seine Wettbewerbsposition gegenüber Wettbewerbern nachteilig beeinflussen können, dürfen nicht weitergegeben werden. Diese Regelung steht in engem Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 S. 2 VgV, wonach der Auftraggeber verpflichtet ist, die Angebote und deren Anlagen auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens vertraulich zu behandeln.
Angaben, deren Veröffentlichung den lauteren Wettbewerb zwischen Unternehmen beeinträchtigen würde, dürfen ebenfalls nicht gemeldet werden (Nr. 4). Der Auftraggeber muss solche Informationen zurückhalten, deren Veröffentlichung einzelnen Unternehmen Wettbewerbsvorteile bei künftigen Vergaben einbringen können. Ausreichend ist, dass solche Angaben geeignet sind, die Wettbewerbssituation zu beeinträchtigen. Die Veröffentlichung sollte daher so abstrakt gehalten sein, dass sich daraus keine Rückschlüsse auf technische und kaufmännische Konzepte sowie Wettbewerbsstrategien und Marktstellung des erfolgreichen Bieters ableiten lassen.“7
Für die Erbringung von anderen besonderen Leistungen8, worunter beispielsweise rechtliche Beratungen fallen, regelt § 66 Abs. 3 VgV davon abweichend:
Der öffentliche Auftraggeber, der einen Auftrag zur Erbringung von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen vergeben hat, teilt die Ergebnisse des Vergabeverfahrens mit. Er kann die Vergabebekanntmachungen quartalsweise bündeln. In diesem Fall versendet er die Zusammenstellung spätestens 30 Tage nach Quartalsende.
1 Dörr, a.a.O., § 97 GWB Rn. 31 [Hervorhebungen diesseits].
2 Die Vergabebekanntmachung ist verpflichtend nach dem Muster „DE Standardformular 3 – Bekanntmachung vergebener Aufträge“ zu erstellen, abrufbar unter: https://simap.ted.europa.eu/documents/10184/49051/t02_de.pdf. Veröffentlichte Vergabebekanntmachungen können im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (Tenders Electronic Daily) eingesehen werden, abrufbar unter:
TED-Startseite – TED Tenders Electronic Daily (europa.eu). Ein direkter Link zu allen Bekanntmachungen vergebener Aufträge von zentralen Regierungsbehörden findet sich unter: Suchergebnis – TED Tenders Electronic Daily (europa.eu).
3 Krohn, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar (Band 2), 3. Auflage 2019, § 39 VgV Rn. 10 f.
4 Völlink, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 39 VgV Rn. 9.
5 Völlink, a.a.O., § 39 VgV Rn. 10 mwN [Hervorhebungen diesseits; UWG = Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb].
6 Franzius, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 39 VgV Rn. 26.
7 Völlink, a.a.O., § 39 VgV Rn. 10, 11, 12 mwN [Hervorhebungen diesseits].
8 Vergleiche zum Begriff der besonderen Leistungen näher etwa Kraus, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 130 GWB Rn. 10 ff.