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OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

OLG Schleswig zu der Frage, dass der Auftragnehmer eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen darf, sondern sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären muss

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Auftragnehmer darf eine kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Angebotsabgabe klären. Das gilt insbesondere dann, wenn sich für ihn aus der Leistungsbeschreibung die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgebend abstellen will (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
2. Reichen die dem Auftragnehmer überlassenen Unterlagen für eine zuverlässige Kalkulation nicht aus, darf er nicht “ins Blaue hinein” und mit der für ihn günstigsten Ausführungsvariante kalkulieren (Anschluss an BGH, Urteil vom 25.06.1987 – VII ZR 107/86, IBRRS 1987, 0611).
3. Die Regelung des § 2 Abs. 5 VOB/B ist nicht anwendbar, wenn die (vermeintlich) geänderte Leistung bereits vom bestehenden vertraglichen Leistungsumfang umfasst ist, etwa weil ein bestimmter vertraglicher Erfolg auf eine erkennbar kalkulatorisch unklare Leistungsbeschreibung angeboten wurde (Anschluss an BGH, IBR 1992, 349).
4. Die Anordnung einer Änderung des Bauentwurfs kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen. Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das beschriebene Leistungssoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die geforderte Ausführung gehöre zur vertraglichen Leistung und sei mit den vereinbarten Preisen abgegolten.
5. Notwendig ist jedoch, dass der Auftragnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Auftraggeber bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.
6. Muss der Auftragnehmer erkennen, dass der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung anders versteht als er, hat er den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass er bei seiner Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist und durch die vorgesehene Ausführung ein Mehraufwand entstehen wird. Nur dann darf er in der Übergabe geänderter Pläne eine Änderungsanordnung sehen.
OLG Schleswig, Urteil vom 09.12.2022 – 1 U 29/21
vorhergehend:
LG Flensburg, 01.04.2021 – 2 O 373/13
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 247/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns.

Die Beklagte schrieb Rohbauarbeiten für den Neubau eines Schulgebäudes nebst Sporthalle aus (Anlage B 1, AB). Sie erteilte der Klägerin am 06.08.2009 den Auftrag unter Einbeziehung der VOB/B. Die Streithelfer waren planende und die Bauaufsicht führende Architekten. Nach Durchführung der Arbeiten und Abnahme stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung vom 09.11.2010 (Anlage K 1, AB). Nach Streit über die Abrechnung stützte sie sich zuletzt auf die Forderungsaufstellung vom 11.05.2011 (Anlage K 3, AB).

In verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses, zum Beispiel Position 4.1.2.150, war die Herstellung von Stahlbetonunterzügen nach der Statik vorgesehen. In verschiedenen Positionen, zum Beispiel Position 4.2.1.260, war das Mauern tragender Innenwände vorgesehen. In verschiedenen Positionen, unter anderem Position 4.2.1.290, war eine Zulage für das Mauern der letzten Schicht nach Ausschalen der Stahlbetondecke bzw. -balken vorgesehen. Aus der Statik ergab sich, dass es sich bei den Stahlbetonunterzügen überwiegend um nicht tragende obere Wandabschlüsse handeln sollte. Die Klägerin erstellte zunächst die sogenannten Unterzüge als nicht tragende Betonbauteile und stützte sie ab, bis die tragende Wand darunter aufgemauert war. Die Klägerin kündigte in einer Baubesprechung vom 18.11.2009 (Prot. Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) Mehrkosten an. Sie stellte mit Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage K 38.1, AB) eine Behinderungsanzeige und meldete Mehrkosten an. Sie verlangte schließlich eine Mehrvergütung von 250.687,38 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 17, AB und Bl. 588 d. A).

In der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis (S. 4, Anlage B 1, AB) war in einem Bauzeitplan der Beginn der Gesamtbaumaßnahme für die 33. Kalenderwoche 2009 vorgesehen. Die Rohbauarbeiten sollten von August 2009 bis März 2010 ausgeführt werden, der wesentliche Teil der Leistungen bis Dezember 2009. In detaillierten Bauzeitplänen, etwa vom 04.08.2009 und 09.09.2009 (Anlagen K 41.2, K 41.3, Bl. 267 – 268 d. A.) war der Abschluss der Betonarbeiten und der Verblendarbeiten bis Dezember 2010 vorgesehen.

Die Klägerin hat behauptet, bei einem Unterzug handele es sich um eine selbsttragende Konstruktion, die die Last der Decke aufnehme und einen Freiraum überbrücke. Aus dem Leistungsverzeichnis sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich tatsächlich um nicht tragende Balken als oberen Wandabschluss habe handeln sollen. Die Statik habe ihr bei der Erstellung des Angebots nicht vorgelegen. Sie sei erst an 27.08.2009 übergeben worden. Erst durch die Anweisung des Statikers vor Ort habe sich die danach vorgesehene Bauweise ergeben. Im Leistungsverzeichnis (etwa Position 4.2.1.290) sei vorgesehen gewesen, dass zunächst die Decken und die Balken herzustellen und erst dann die tragenden Wände aufzumauern gewesen seien. Sie habe in ihrer Kalkulation zunächst die Herstellung der Unterzüge und deren Notabstützung, dann die Herstellung der Decken vorgesehen. Stattdessen sei die Schalung für die Decken und die Unterzüge in einem Arbeitsgang herzustellen gewesen, was einen Mehraufwand bedeutet habe, da die Schalung länger habe vorgehalten werden müssen und kein Wechsel von einem Bauteil zum anderen möglich gewesen sei. Die Unterzüge hätten bis zur Aushärtung der Wände abgestützt werden müssen. Es habe sich eine bauzeitverlängernde Leistungsminderung ergeben. Unter anderem habe beim Mauern um die Stützen herum gearbeitet werden müssen. Die Arbeiten seien entgegen der Kalkulation in den strengen Winter 2009/10 gerückt.

In den später von der Beklagten übergebenen Bauzeitplänen liege eine Beschleunigungsanordnung gegenüber dem Bauzeitplan aus der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis. Die Beklagte habe eine Fertigstellung der Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 gefordert. Die Rohbauarbeiten seien nunmehr bis zur 51. KW 2009 abzuschließen gewesen. Ihr stehe deswegen eine Mehrvergütung von 51.470,58 Euro netto nach dem Nachtrag vom 08.11.2010 (Anlage K 18, AB) zu.

Die Klägerin hat die Zahlung von 497.132,05 Euro nebst Zinsen und Kosten verlangt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, im Leistungsverzeichnis sei von Stahlbetonunterzügen die Rede, weil die Bewehrung in die Decke einbinde, was bei Balken nicht immer der Fall sei. Es handele sich dabei um den Sprachgebrauch im Betonbau. Die gewünschte Bauweise habe sich neben der Statik auch aus Plänen ergeben. Die Statik habe der Klägerin bei Angebotsabgabe und Beauftragung vorgelegen, was ihr Geschäftsführer eingeräumt habe (Schreiben vom 05.05.2010, Anlage B 14, Bl. 505 – 506 d. A.). Es sei zunächst die Wand zu erstellen, dann die Decke und der Unterzug zu schalen gewesen. Ein zusätzlicher Leistungsaufwand sei nicht angefallen. Die Reihenfolge der Arbeiten ergebe sich auch aus den Bauzeitplänen der Beklagten und der Klägerin (Anlage B 13, Bl. 490 d. A., Anlagen B 16, B 17, Bl. 1039 – 1045 d. A.).

Aus dem Bauzeitplan in der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis ergebe sich, dass der Rohbau bis Dezember 2009 so weit habe abgeschlossen sein sollen, dass die vorgesehenen Folgegewerke hätten tätig werden können. So sei ein Fenstereinbau ohne Verblendmauerwerk nicht möglich, für die Ausbaugewerke sei ein geschlossener Bau notwendig gewesen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 427.021,46 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es, soweit es in der Berufungsinstanz noch darauf ankommt, ausgeführt, wegen der Herstellung der Balken stehe der Klägerin eine Mehrvergütung von 253.596,85 Euro netto zu. Es handele sich um eine geänderte Leistung. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ergebe als Leistungssoll selbsttragende Unterzüge, was sich aus den Ausführungen der Sachverständigen ergebe.

Geplant gewesen seien dagegen Balken. Es komme nicht darauf an, ob bei der Abgabe des Angebots die Statik vorgelegen habe. Das Leistungsverzeichnis sei eindeutig, so dass keine Notwendigkeit bestanden habe, die Statik heranzuziehen, um es zu überprüfen, auch wenn im Leitungsverzeichnis auf die Statik Bezug genommen werde. Das Risiko eines Widerspruches zur Statik trage die Beklagte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen habe das Leistungsverzeichnis eine bestimmte Reihenfolge der Leistungserbringung vorgesehen, wonach zunächst die Unterzüge und dann das Mauerwerk zu erstellen gewesen seien, was sich insbesondere aus den Positionen 4.2.1.290 und 3.2.1.240 ergebe. Dass eine andere Vorgehensweise nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro geführt hätte, sei unerheblich, weil sie dem Inhalt des Leistungsverzeichnisses widersprochen habe.

Wegen einer Beschleunigung des Bauablaufes stehe der Klägerin ein Mehranspruch in Höhe von 44.720,78 Euro netto zu. In den Bauzeitplänen vom 04.08.2009 und 09.09.2009 hätten leistungsändernde Anordnungen gelegen. Nach dem Leistungsverzeichnis seien nur die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 fertigzustellen gewesen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen seien wesentlich die Hülle und das Innenmauerwerk. Nach den Bauzeitplänen habe die Klägerin aber auch das Verblendmauerwerk im Jahr 2009 herstellen sollen. Das sei nicht wesentlich, weil es für Folgegewerke nicht entscheidend gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Herstellung der Unterzüge verstoße die Auslegung des Leistungsverzeichnisses durch das Landgericht gegen die Grundsätze der Auslegung. Der Bauvertrag sei als sinnvolles Ganzes auszulegen, wobei alle Vertragsbestandteile einzubeziehen seien. Bei öffentlichen Vergaben komme es auf den objektiven Bieterhorizont an. Es gebe keinen Lehrsatz, dass Unklarheiten zu Lasten des Erstellers eines Leistungsverzeichnisses gingen.

Widersprüche seien nach Möglichkeit aufzulösen. Es seien die Umstände des Einzelfalls und die konkreten Verhältnisse des Bauwerks zu berücksichtigen. Das Landgericht habe die Angaben in der Statik unberücksichtigt gelassen. Es habe nur Teile des Wortlauts des Leistungsverzeichnisses berücksichtigt. Es habe die Auslegung nicht der Sachverständigen überlassen dürfen. Nach den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen sei bei dem Ausschalen von Wand- und Deckenflächen zum Teil mit erheblichen Zeitverzögerungen zu rechnen gewesen. Im Leistungsverzeichnis sei jeweils Bezug auf die Position in der Statik genommen. Dies sei Bestandteil der Leistungsbeschreibung. Für einen objektiven Bieter, der die Umstände gekannt habe, sei klar gewesen, dass es sich um nichttragende Bauteile handele, wenn tragende Wände darunter zu errichten gewesen seien. Es habe auch keine zu überspannenden Öffnungen gegeben.

Die Zulage sei nur für die letzte Steinschicht unter den Balken vorgesehen gewesen. Eine Änderung des Auftrags habe es nicht gegeben, da die Statik nicht vom Leistungsverzeichnis abgewichen sei und sie nach dem Schreiben vom 05.05.2010 der Klägerin vor Auftragserteilung vorgelegen habe.

Es fehle eine Anordnung zur Beschleunigung der Bauzeit. Diese liege nicht in der Übersendung des Bauzeitplans, denn die Architekten seien nicht berechtigt gewesen, für sie rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. Die Betonarbeiten hätten ohnehin bis Weihnachten 2009 fertiggestellt werden müssen, da sie zu den wesentlichen Teilen des Rohbaus gehört hätten. Die Klägerin habe dagegen vorgetragen, es sei die Fertigstellung der Betonarbeiten entgegen des Vertrages gefordert worden. Der Nachtrag habe nichts mit Verblendarbeiten zu tun.

Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 (Bl. 1400 ff. d. A.) weist die Beklagte ergänzend auf Teile der Leistungsbeschreibung hin. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen heiße es, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handele, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht werde und die Ausschalung von Wänden und Decken zum Teil mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden könne und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen sei (S. 2, Anlage B 1, AB). Die Klägerin habe deswegen nicht mit der Wiederverwendung von Schalungen kalkulieren dürfen.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 gebe es keine Beschleunigungsanordnung. Nach dem Leistungsverzeichnis habe ein Gerüst für die Verblendarbeiten und die nachfolgenden Gewerke für 10 Wochen vorgehalten werden sollen (Pos. 1.2.1.010, Anlage B 1, AB). Die Verblendarbeiten hätten vor der Erstellung des Dachüberstandes beendet sein müssen. Die Zimmererarbeiten hätten nach dem Terminplan im Leistungsverzeichnis im November 2009 beginnen sollen.

Die Streithelfer tragen vor, das Leistungssoll sei nicht geändert worden. Die Leistung sei immer gleich beschrieben gewesen. Die Schalung sei von der Vergütung umfasst gewesen. Es fehle jedenfalls einer Abgrenzung der Mehrkosten zu den Kosten der ohnehin vorzuhaltenden Schalung. Wegen der global-funktionalen Beschreibung der Leistung habe die Klägerin die Statik einsehen müssen.

Der Mehraufwand sei bei einer anderen Reihenfolge der Bauausführung vermeidbar gewesen. Die Klägerin habe sich eigenmächtig für die aufwendigere Bauweise entschieden, entgegen der Vorgaben in der Ausführungsplanung und der Statik. Aus dem Leistungsverzeichnis habe sich diese Reihenfolge nicht ergeben.

Es fehle eine Mehrvergütungsankündigung. Die Klägerin habe gegen ihre Hinweispflicht verstoßen, indem sie nicht auf Mehrkosten hingewiesen habe.

Sie behaupten, die Statik sei der Beklagten mit Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) übersandt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 01.04.2021 – 2 O 373/13 – zu ändern, die Klage in Höhe weiterer 355.407,82 Euro abzuweisen und sie zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen 123.724,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2011.

Die Streithelfer schließen sich dem Antrag der Beklagten an.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 tragen sie vor, die Statik sei nicht Teil der Ausführungsunterlagen gewesen. Erst der Statiker habe darauf hingewiesen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend hätten sein sollen. Einen konkreten Hinweis auf die dadurch längere Standzeit der Schalung habe sie den Architekten spätestens bei der Baubesprechung am 18.11.2022 gegeben. Der Vertreter der Beklagten, Herr B1, habe nur selten an Baubesprechungen teilgenommen. E habe sich von den Streithelfern vertreten lassen. Sie habe die Mitteilung von Mehrkosten in ihrem Schreiben vom 13.04.2010 an die Streithelfer und Herrn B1 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.) dargestellt, in dem es heiße, sie seien schon vor der Ausführung angezeigt worden. In ihrer Antwort vom 13.04.2010 (Anlage BB 7, Bl. 1431 – 1431R d. A.) hätten die Streithelfer die Kenntnis nicht bestritten. Zwar treffe es zu, dass die Betonarbeiten im Jahr 2009 abgeschlossen worden seien, aus dem Schreiben vom 13.04.2010 ergebe sich aber, dass Herr B1 bereits vor den Arbeiten Kenntnis von dem Mehraufwand gehabt habe. Die Beklagte habe von dem Mehraufwand auch Kenntnis erlangt, weil durch die zusätzlichen Abfangungsmaßnahmen ein “Stützenwald” entstanden sei und die Arbeiten länger gedauert hätten.

Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs seien die Innenwände nach dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses zunächst ohne die letzte Schicht zu mauern gewesen. Erst später seien die letzten Schichten zu mauern gewesen. Nach den Bauzeitplänen der Parteien seien erst die Innenwände zu mauern gewesen, dann die Stahlbetonarbeiten auszuführen gewesen. Später hätten die Lücken geschlossen werden sollen. Das sei die übliche Reihenfolge. Sie habe darin kein Problem gesehen, weil sie von selbsttragenden Bauteilen ausgegangen sei. Die von ihr gewählte Reihenfolge sei bekannt gewesen. Sie habe mit Schreiben vom 14.04.2010 (Anlage BB 9, Bl. 1436 d. A.) Bedenken gegen das nachträgliche Aufmauern der Wände angemeldet, die von den Streithelfern mit Schreiben vom 15.04.2010 (Anlage BB 10, Bl. 1425 d. A.) zurückgewiesen worden seien.

Hinsichtlich des Nachtrages 7 sei die Überschrift missverständlich. Sie beschreibe nicht den Inhalt des Nachtrages. Der Hintergrund der Beschleunigung ergebe sich aus dem Gutachten der Sachverständigen vom 21.02.2020, S. 21 – 23. Sie habe die gesamte Leistung erbringen sollen. Der Abbau des Krans bedeute das Ende der Rohbauarbeiten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Sachverständigen K1 und Vernehmung des Zeugen K2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 04.02.2022 (Bl. 1355 – 1360 d. A.) und vom 18.11.2022 (Bl. 1539 – 1546 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache bis auf einen geringen Teil in der Sache erfolgreich.

Der Klägerin steht kein Werklohnanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB wegen der Nachträge 6 und 7 zu.

1. Der Klägerin steht kein Mehrkostenanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B wegen einer Leistungsänderung bei der Herstellung der Unterzüge zu. Sie hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Änderungsanordnung erfolgt ist.

a) Ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B entsteht, wenn sich die Preisgrundlage für eine im Vertrag vorgesehene Leistung ändert, etwa weil die Leistung anders ausgeführt werden soll als ursprünglich vorgesehen (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3, 5, 6, 9). Dagegen liegt ein Fall des § 2 Abs. 6 VOB/B vor, wenn eine vertraglich noch nicht vorgesehene Leistung gefordert wird, der Leistungsinhalt also erweitert wird, ohne dass der bisherige Leistungsinhalt geändert wird (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 8). Das korrespondiert mit den Regelungen in § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B, aus denen sich ergibt, wann der Auftragnehmer Anordnungen des Auftraggebers nachkommen muss, nämlich bei Änderungen des Bauentwurfs und bei Zusatzleistungen, die zur Ausführung der vereinbarten Leistung erforderlich werden (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 1 Abs. 3 VOB/B, Rn. 2, § 1 Abs. 4 VOB/B, Rn. 1, 3).

Ob die von den Streithelfern zitierte Entscheidung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2021, 22 U 245/20) die Vorschriften anders auslegen will, wird nicht deutlich. Jedenfalls wäre eine Revision nicht wegen einer Abweichung von dieser Entscheidung zuzulassen, weil die Entscheidung nicht auf der Auslegung des § 2 Abs. 5, 6 VOB/B beruht. Sie geht vielmehr davon aus, dass die VOB/B in dem zu beurteilenden Fall nicht wirksam in den Vertrag einbezogen war.

Danach ist die Vorschrift des § 2 Abs. 5 VOB/B einschlägig. Denn die Herstellung von Unterzügen war von Anfang an vorgesehen. Es geht allein darum, auf welche Weise sie hergestellt werden sollten.

b) Die Ausführung der Unterzüge, wie die Statik sie vorsah, wich von der Ausführung ab, von der die Klägerin nach dem Leistungsverzeichnis ausgehen durfte. Die Unterzüge sollten danach überwiegend nicht als freitragende Bauteile errichtet werden. Diese Abweichung ist als Änderung des Bauentwurfs i. S. d. § 2 Abs. 5 VOB/B zu werten.

aa) Bei einer öffentlichen Ausschreibung ist der Vertragsinhalt durch die Auslegung der Leistungsbeschreibung zu bestimmen. Eine Änderung der Preisgrundlage kommt nur in Betracht, wenn sich durch einen späteren Eingriff des Auftraggebers der vereinbarte Leistungsinhalt geändert hat (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 5).

(1) Der Inhalt einer öffentlichen Ausschreibung ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei es auf den objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen, mit der angefragten Leistung vertrauten Bieters ankommt (BGH, Beschluss vom 07.01.2014, X ZB 15/13; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.10.2020, 11 Verg 9/20). Nach den allgemeinen Auslegungsgrundlagen ist bei der Auslegung von dem Wortlaut der Erklärung auszugehen. Es sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger der Erklärung bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren (BGH, Beschluss vom 13.10.2011, VII ZR 222/10). Die Auslegung hat unter Berücksichtigung des Vertragsinhalts, der sonstigen Umstände und des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks zu verfolgen (BGH, Urteil vom 30.06.2011, VII ZR 13/10).

(2) Bei der Auslegung ist danach nicht allein auf den Wortlaut der Positionen des Leistungsverzeichnisses und dort allein auf die Bedeutung des Worts “Unterzüge” abzustellen. Die Auslegung hat jedoch von der Bedeutung dieses Wortlauts auszugehen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen ist unter einem Unterzug ein selbsttragendes Bauteil zu verstehen. Konkrete Anhaltspunkte Zweifel an dieser Feststellungen i. S. d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zeigt die Berufung nicht auf.

(3) Die Statik kann nur dann zur Auslegung der Vereinbarung herangezogen werden, wenn sie der Klägerin bei Angebotserstellung bekannt war. Das hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.

Die Statik war nicht Teil der Vergabeunterlagen. Sie ist nicht in den von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Unterlagen enthalten. Bestandteil der Vergabeunterlagen waren einige Zeichnungen, von denen unklar geblieben ist, ob sich aus ihnen ergab, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten.

Das Schreiben vom 13.08.2009 (Bl. 1373 d. A.) allein ist nicht geeignet, den Beweis zu erbringen, dass die relevanten Teile der Statik übersandt worden sind. In dem Schreiben wird ein Satz statische Unterlagen nach einer Planliste erwähnt, ohne dass deutlich wird, welche Unterlagen das gewesen sind. Es kann sich auch nur um die erwähnten Schalpläne gehandelt haben. Zudem ist aus dem Schreiben allein nicht erkennbar, ob die Unterlagen tatsächlich beilagen.

Im Übrigen wäre die Übergabe zwar vor dem Vertragsschluss, aber nach dem Angebot erfolgt. Grundlage für die Kalkulation konnte die Statik damit nicht mehr werden. Sie wäre für die Auslegung des Leistungsverzeichnisses und damit für das Verständnis des Angebots der Klägerin vom 29.06.2009 unerheblich. Es kommt so auch nicht darauf an, ob sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 05.05.2010 (Anlage B 14, Bl. 504 – 506 d. A.) ergibt, dass ihr die Statik bei Auftragserteilung vorlag.

Auch dann wäre der Preis anzupassen. Es dürfte sogar so sein, dass bei einer Änderungsanordnung vor Vereinbarung einer Leistung nicht § 2 Abs. 5 VOB/B eingreift, sondern der übliche Preis heranzuziehen ist (Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB, 21 Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 3).

(4) Dass in den die Unterzüge betreffenden Positionen des Leistungsverzeichnisses (Pos. 3.1.1.480, 3.1.1.490, 3.1.1.500, 3.1.1.510, 3.1.1.520, 3.1.2.180, 3.1.2.190, 3.1.2.200, 3.1.2.210, 4.1.2.150 – 4.1.2.240, 4.1.2.420, 4.1.2.430) jeweils auf die Statik Bezug genommen wurde, bedeutet nicht, dass die Klägerin sie hätte anfordern müssen. Denn sie musste allein aufgrund dieses Hinweises keinen Anlass zu der Annahme haben, dass sich aus der für die Erstellung des Angebots nicht übergebenen Statik angebotsrelevante Umstände ergaben.

(5) Aus dem weiteren Inhalt der die Unterzüge betreffenden Positionen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich überwiegend nicht um selbsttragende Bauteile handeln sollte. Nach den Ausführungen der Sachverständigen im Termin vom 04.02.2022 (Prot. S. 3, Bl. 1357 d. A.) sprechen weder die Maße noch die Anzahl der Unterzüge gegen die Annahme, dass selbsttragende Bauteile geplant waren.

(6) Aus dem Umstand, dass im Leistungsverzeichnis auch tragende Innenwände vorgesehen waren (Pos. 3.2.1.210, 3.2.1.270, 4.2.1.260, 4.2.1.320, 4.2.1.360), lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass die Unterzüge nicht selbsttragend sein sollten. Es kann nach den Ausführungen der Sachverständigen bautechnisch Sinn ergeben, zum Schutz des Mauerwerks dieses erst nach Abschluss der Betonarbeiten aufzumauern. Auch müssen lange Unterzüge teilweise unterstützt werden, was auch durch tragende Innenwände möglich ist (Prot. v. 04.02.2022, S. 3, 5, Bl. 1357, 1359 d. A.).

Auch der Wortlaut der Zulagepositionen für das spätere Mauern der letzten Schichten unter der Stahlbetondecke bzw. dem Stahlbetonbalken nach dem Ausschalen der Stahlbetondecke (Pos. 3.2.1.240, 3.2.1.290, 4.2.1.290, 4.2.1.340, 4.2.1.380) weist nicht eindeutig auf nicht selbsttragende Bauteile hin.

Nach den Ausführungen der Sachverständigen wird der Begriff Balken sowohl für selbsttragende als auch für nicht selbsttragende Betonbauteile verwendet (Prot. v. 04.02.2022. S. 5 f., Bl. 1359 f. d. A.).

bb) Auch wenn die Statik von Anfang an die Ausführung der Unterzüge weitgehend als nichttragende Bauteile vorsah, ist in der Ausführung nach der Statik eine andere Ausführung der Leistung zu sehen. Denn der Vertragsinhalt auf der Grundlage der dargestellten Auslegung des Leistungsverzeichnisses sah die Ausführung als tragende Bauteile vor.

Dass die Statik von Anfang an die Ausführung als nichttragende Bauteile vorsah, ist unstreitig. Die Klägerin hat nur bestritten, dass die Statik ihr bei der Erstellung des Angebots vorlag, aber nicht behauptet, dass sie nachfolgend geändert worden wäre. Sie hat nur von der Übergabe einer Nachtragsstatik gesprochen, ohne zu behaupten, dass die Änderung die hier relevante Leistung betraf oder dass sie der Angebotserstellung nachfolgte. Sie ist dem Vortrag der Beklagten, dass die Statik wegen der Ausführung der Unterzüge nie geändert worden ist, nicht entgegengetreten. Sie ist auch den Feststellungen des Landgerichts nicht entgegengetreten, nach denen es einen Widerspruch zwischen der Statik und dem Text des Leistungsverzeichnisses gab. Zumindest hat die Klägerin keinen Beweis für eine nachträgliche Änderung angeboten.

Auch in der Berufungserwiderung macht die Klägerin nur geltend, dass die Statik erst am 27.08.2009 geprüft und ihr auf einer CD mit dem Datum 30.09.2009 übergeben worden sei. Sie bezieht sich dabei auf Statiken, die am 02.09.2008 bzw. 17.03.2009 aufgestellt worden sind (Anlage BB 3, Bl. 1250 – 1251 d. A.), und damit deutlich vor dem Angebot.

c) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass eine der Beklagten zurechenbare Leistungsanordnung erfolgt ist.

aa) Für eine Leistungsanordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B notwendig ist eine rechtsgeschäftliche, mit Vertretungsmacht abgegebene Erklärung, in der der Bauherr die geänderte Bauweise anordnet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.10.2013, 22 U 21/13). Die Anordnung kann ausdrücklich, aber auch konkludent erfolgen, etwa dadurch, dass der Auftraggeber in Kenntnis geänderter Bedingungen die Arbeiten fortsetzen lässt (Ingenstau/ Korbion/Keldungs, VOB, 21. Auflage, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rn. 20). Eine Anordnung kann in der Übergabe geänderter Pläne liegen (KG, Urteil vom 21.04.2016, 27 U 81/15; Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340). Es ist nicht notwendig, dass der Auftraggeber dabei den Willen hat, das Bausoll zu ändern. Er kann auch davon ausgehen, die verlangte Ausführung sei vom Bausoll gedeckt (Kapellmann, Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 2 VOB/B, Rn. 340).

Notwendig ist jedoch, wie bei jeder Willenserklärung, dass der Auftraggeber die Erklärung oder das Verhalten des Auftraggebers nach dem objektiven Empfängerhorizont als Änderungsanordnung auffassen darf. Der Auftragnehmer muss annehmen dürfen, dass dem Bauherrn bewusst ist, dass er etwas anderes will als ursprünglich vereinbart.

bb) Es ist danach nicht ausreichend, dass der Klägerin die Statik übergeben worden ist und sie unstreitig danach bauen sollte. Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass aufseiten der Beklagten das Leistungsverzeichnis anders verstanden wurde als aufseiten der Klägerin. Es war für die Klägerin erkennbar, dass die Statik hinsichtlich der Ausführungsart der Unterzüge nie geändert worden war. Sie musste erkennen, dass die Streithelfer den Begriff anders verwendet hatten als er gemeinhin zu verstehen ist.

In dieser Situation musste die Klägerin einem Vertreter der Beklagten deutlich machen, dass sie bei ihrer Kalkulation von anderen Voraussetzungen ausgegangen war und durch die vorgesehene Ausführung nunmehr erheblicher Mehraufwand entstehen werde. Nur dann durfte sie in der Übergabe der Statik oder in dem Zulassen der Fortsetzung der Arbeiten eine Änderungsanordnung sehen.

cc) Inwieweit die Streithelfer von diesen Umständen Kenntnis erhalten haben, kann dahinstehen. Denn sie hatten unstreitig keine Vertretungsmacht für die Beklagte. Sie konnten so keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen für diese abgeben.

Etwaige Kenntnisse der Streithelfer waren der Beklagten nicht analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen. Ein Geschäftsherr muss sich entsprechend § 166 Abs. 1 BGB und mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch die Kenntnis eines Wissensvertreters zurechnen lassen. Wissensvertreter ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten (BGH, Urteil vom 26.05.2020, VI ZR 186/17).

Die Streithelfer waren nicht in eine solche Art und Weise in die Organisation der Beklagten eingebunden.

Sie waren allein damit betraut, das Bauvorhaben zu planen und zu überwachen, damit die Schulgebäude mangelfrei errichtet werden konnten. Dazu gehörte nicht die Kenntnisnahme und Weiterleitung von Informationen, die zu Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Bauunternehmerin und der Bauherrin führen konnten.

Die Klägerin durfte zudem nicht davon ausgehen, dass die Streithelfer etwaige Kenntnisse von der Problematik an die Beklagte weiterleiten würden. Denn die Streithelfer hatten das Leistungsverzeichnis verfasst und waren damit für die Wahl des missverständlichen Begriffes “Unterzug” verantwortlich. Sie hätten sich bei einer Weiterleitung der Informationen an die Beklagte selbst belastet. Sie zeigten sich auch nicht einsichtig, sondern waren mit der Geltendmachung von Mehrkosten nicht einverstanden. In einer solchen Situation muss sich der Unternehmer an den Bauherrn selbst wenden.

Diese Frage ist ebenso zu beurteilen wie bei der Erteilung eines Bedenkenhinweises nach §§ 13 Abs. 3, 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B. Auch mit einem Bedenkenhinweis muss sich der Unternehmer jedenfalls dann direkt an den Bauherrn wenden, wenn er Bedenken gegen Anordnungen oder Planungen des Architekten selbst hat (BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; OLG Oldenburg, Urteil vom 15.10.1997, 2 U 178/97) oder der Architekt sich der Bedenkenanmeldung durch den Unternehmer verschließt (BGH, Urteil vom 19.01.1989, VII ZR 87/88; BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 309/95; Senat, Urteil vom 24.05.2019, 1 U 71/18; OLG Düsseldorf, Baurecht 1995, 244, 245; OLG Celle, Urteil vom 21.10.2004, 14 U 26/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013, 23 U 185/11; Ingenstau/Korbion/Wirth, VOB, 21. Aufl., § 13 Abs. 3 VOB/B, Rn. 78).

Ob der Beklagten ein Planungsverschulden der Streithelfer anzurechnen ist, ist unerheblich, weil die Klägerin nicht Schadensersatz geltend macht, sondern Werklohn.

dd) Auch Herr B1 war nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen für die Beklagte gegenüber der Klägerin bevollmächtigt. Die Klägerin durfte das auch nicht annehmen. In dem von dem Bürgermeister unterschriebenen Auftragsschreiben vom 06.08.2022 (Anlage B 1, AB) wird Herr B1 als Mitarbeiter im Gebäudemanagement bezeichnet. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist mit einer solchen Position regelmäßig nicht verbunden.

Ob Wissen von Herrn B1 der Beklagten analog § 166 Abs. 2 BGB zuzurechnen wäre, kann offenbleiben.

Denn es steht nicht fest, dass er von den oben bezeichneten Umständen Kenntnis hatte.

ee) Schriftverkehr mit der Beklagten – oder auch nur mit den Streithelfern – aus dem Jahr 2009 legt die Klägerin nicht vor. Als einzige schriftliche Unterlage aus dem fraglichen Zeitraum legt sie das Protokoll der Baubesprechung vom 18.11.2009 (Anlage K 42, Bl. 448 d. A.) vor, in der Mehrkosten wegen längerer Schalungszeiten angekündigt wurden. Ob das Protokoll einem Vertreter der Beklagten zur Kenntnis gelangt ist, ist unbekannt. Das folgt nicht allein daraus, dass Herr B1 im Verteiler genannt wird.

Nach dem Vortrag der Klägerin sollen Mehrkosten dabei zum ersten Mal zur Sprache gebracht worden sein.

Das wäre erheblich nach dem Beginn der Betonarbeiten gewesen. Auch die Höhe der Mehrkosten wird in dem Protokoll nicht näher dargelegt. Es soll nachfolgend eine erste Kostenzusammenstellung vom 15.12.2009 gegeben haben. Auch eine solche legt die Klägerin nicht vor.

Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf ihr Schreiben vom 13.04.2010 (Anlage BB 6, Bl. 1429R – 1430 d. A.), in dem angeführt wird, der Mehrbedarf und die Gründe dafür seien “Ihnen” vor Ausführung der Arbeiten bekannt gemacht worden. Das Schreiben ist als solches nicht zum Beweis geeignet, weil es unstreitig nach dem Abschluss der Betonarbeiten verfasst worden ist. Ob und auf welche Weise die Vertreter der Beklagten Kenntnis erhalten haben sollen, ergibt sich daraus zudem nicht. Ob die Streithelfer die Darstellung bestritten haben, ist unerheblich. Auf solche vorprozessualen Vorgänge sind die prozessualen Regeln nicht anzuwenden.

ff) Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Termin vom 04.02.2022 (insoweit nicht protokolliert) soll über die Frage gesprochen worden sein, nachdem die Anforderungen aus der Statik bekannt geworden waren. Es ist aber offengeblieben, mit wem gesprochen worden ist und wie genau die Angaben dabei waren.

gg) Es reicht nicht aus, wenn durch den Mehraufwand nunmehr ein “Stützenwald” entstand, oder, dass die Dauer der Arbeiten sich verlängerte. Die Vertreter der Beklagten mussten keine Vorstellung davon haben, auf welche Weise oder mit welchem Aufwand die Klägerin die Unterzüge herstellen wollte. Sie konnten so nicht erkennen, ob sich etwas geändert hatte.

hh) Der Senat ist nach der Aussage des Zeugen K2 nicht überzeugt, dass Vertreter der Beklagten die notwendigen Informationen erhalten haben.

Der Zeuge K2 hat bekundet (Prot. v. 18.11.2022, S. 2 ff., Bl. 1540 ff. d. A.), es sei gegenüber dem bauleitenden Architekten Herrn F1 dargelegt worden, dass es zu Mehrkosten komme. Nach seiner Erinnerung sei Herr B1 auch im Thema gewesen. Herr B1 habe an Baubesprechungen teilgenommen und die Protokolle erhalten. Überwiegend sei mündlich gesprochen worden, es habe aber auch jede Menge Schriftverkehr gegeben. Mehrkosten sei widersprochen worden. Eine genaue Situation könne er nicht mehr erinnern. Das Schreiben vom 13.04.2010 habe er verfasst. Herr F1 habe einmal handschriftlich eine Zahl notiert, die zur Lösungsfindung habe dienen sollen. Das habe aber nicht zu einer Einigung geführt.

Die Aussage ist weder für sich noch im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 13.04.2010 glaubhaft. Es fehlen Realkennzeichen für die Aussage, dass Herr K2 oder ein anderer Vertreter der Klägerin mit Herrn B1 über die Mehrkosten und deren Ursachen gesprochen haben. Herr K2 konnte keine konkrete Situation schildern, in der es zu einem solchen Gespräch gekommen sein soll.

Herr K2 schränkte seine Aussage teilweise dahin ein, dass er aufgrund des Schriftverkehrs davon ausgehe, Herr B1 sei informiert gewesen, Herr B1 sei verschiedentlich auf der Baustelle gewesen und habe das Thema wahrgenommen oder man sei zwar bei Baubesprechungen teilweise in verschiedenen Gruppen über die Baustelle gegangen, er gehe aber davon aus, dass das Thema unter anderem Herrn B1 bekannt gewesen sei (Prot. v. 18.11.2022, S. 2, 3, Bl. 1540, 1541 d. A.). Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass Herr K2 nur aufgrund der auf der Baustelle geführten Gespräche darauf schließt, dass auch Herr B1 informiert gewesen sei. Im Übrigen ist nicht glaubhaft, dass es eine große Anzahl von Schreiben aus dem Jahr 2009 zu dem Problem gab. Die Klägerin hat solche Schreiben, wie gesagt, nicht vorgelegt.

Die Aussage wird nicht dadurch glaubhaft, dass Herr K2 bekundet hat, er habe das Schreiben vom 13.04.2010 verfasst und die darin aufgeführten Punkte seien seinerzeit angesprochen worden. Das ersetzt nicht die fehlende Erinnerung daran, in welcher Situation mit wem ein solches Gespräch geführt worden sein soll.

Ob der Streithelfer Herr F1 einmal mit dem Ziel einer Einigung eine Zahl notiert hat, ist unerheblich. Ihm fehlte jedenfalls die Vertretungsmacht für die Beklagte. Im Übrigen fehlt zu einem solchen Vorgang Vortrag der Klägerin.

d) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht nach den Regelungen des § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Sie hat nicht dargelegt, jedenfalls nicht bewiesen, dass ein Vertreter der Beklagten die geänderte Leistung anerkannt hat oder die geänderte Leistung einem Vertrete der Beklagten unverzüglich angezeigt worden ist.

Das würde wiederum ein Bewusstsein einer geänderten Leistung bei einem Vertreter der Beklagten voraussetzen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

e) Abgesehen von dem fehlenden Anspruchsgrund hat die Klägerin auch die Höhe des Anspruchs nicht plausibel dargelegt.

aa) Ein erheblicher Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass die Klägerin die Schalungen für die Unterzüge nicht mehrmals verwenden konnte, weil die nicht selbsttragenden Unterzüge abgestützt werden mussten. Die Klägerin durfte bei ihrer Kalkulation allerdings nicht von einer mehrfachen Verwendung der Schalung ausgehen.

In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen ist geregelt, dass es sich bei den Stahlbetonarbeiten um Raumtragewerke handelt, die Tragkraft erst nach der Abbindezeit für das gesamte Raumtragewerk erreicht wird und die Ausschalung von Wänden und Decken z. T. mit erheblicher Zeitverzögerung stattfinden kann und nur in Abstimmung mit dem Statikbüro durchzuführen ist (S. 2, Anlage B1, AB). Die Klägerin musste danach damit rechnen, dass die Schalung länger vorgehalten werden musste, nämlich bis der Statiker das Ausschalen genehmigte.

Es handelt sich dabei nicht vornehmlich um eine technische Frage, sondern um die Auslegung der Vertragsbedingungen. Es ist deswegen nicht erheblich, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 ausgeführt hat, bei normalen Abbindezeiten habe die Schalung öfter verwendet werden können. Ein früheres Ausschalen sei mit Zustimmung des Statikers möglich. Nach der Abbindezeit sei die Zustimmung nicht notwendig (Prot. S. 6 f, Bl. 1543 f. d. A.). Die Sachverständige hat damit nur ein übliches Vorgehen auf einer Baustelle geschildert. In den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen wurde aber gerade klargestellt, dass mit Zeitverzögerungen zu rechnen war. Die Klägerin hätte deswegen nicht ohne Nachfrage den üblichen Bauablauf ihrer Kalkulation zugrunde legen dürfen. Das gilt auch dann, wenn der Begriff des Raumtragewerks im Betonbau nicht üblich ist (Prot. v. 18.11.2022, S. 7, Bl. 1545 d. A.). Ein solcher erkennbarer Widerspruch hätte erst recht zu der Nachfrage führen müssen, was gemeint war.

Nach der Aussage des Zeugen K2 gibt es sogar einen Anhaltspunkt dafür, dass die von der Klägerin geltend gemachte Problematik ihre Ursache darin hatte, dass sie den Hinweis in den besonderen technischen Vertragsbedingungen nicht beachtet hat. Er hat bekundet, es habe sich herausgestellt, dass die Tragfähigkeit nur durch das Gesamtwerk, nämlich die Unterzüge und das Dach, habe hergestellt werden können (Prot. v. 18.11.2022, S. 4, Bl. 1542 d. A.). Das deutet auf den in den Vertragsbedingungen beschriebenen Umstand, hin, dass die Tragkraft erst nach Fertigstellung und Abbindezeit des gesamten Raumtragewerks erreicht wird.

bb) Ein Teil der Mehrkosten soll dadurch entstanden sein, dass das Aufmauern der tragenden Wände zwischen der Abfangung der Unterzüge erschwert gewesen sei und sich unter anderem dadurch eine Bauzeitverzögerung ergeben habe. Diese Kosten wären vermeidbar gewesen, wenn vor der Herstellung der Unterzüge die Wände gemauert worden wären. Nach den Ausführungen der Sachverständigen hätte das Vorgehen in anderer Reihenfolge auch bei der Annahme, dass die Klägerin zunächst von freitragenden Bauteilen ausgehen durfte, nur zu Mehrkosten von 752,47 Euro netto geführt (EGA v. 11.02.2020, S. 14).

Die von der Klägerin gewählte Reihenfolge war nicht im Leistungsverzeichnis vorgeschrieben. Aus ihm ergibt sich keine bestimmte Reihenfolge der Arbeiten. Eher ergibt sich, dass die Wände größtenteils vor der Erstellung der Decken hergestellt werden sollten. Auf die gegenteiligen Ausführungen der Sachverständigen (Prot. v. 12.02.2021, S. 3 f., Bl. 1021 f. d. A.) kommt es nicht an, weil es sich nicht um technische Fragen handelt. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ist eine Rechtsfrage. Es kommt für die Auslegung auch nicht darauf an, ob die Rechtsanwälte der Beklagten im Nachhinein geäußert haben, die Vorgehensweise der Klägerin sei richtig gewesen.

Für die Positionen, die die Herstellung der tragenden Innenwände vorsahen, war jeweils eine Zulage für das spätere Mauern der letzten Schichten vorgesehen (Pos. 3.2.1.210 und 3.2.1.240, 3.2.1.270 und 3.2.1.290, 4.2.1.260 und 4.2.1.290, 4.2.1.320 und 4.2.1.340, 4.2.1.360 und 4.2.1.380 des LV). Bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergab sich daraus, dass die tragende Innenwand bereits mit Ausnahme der letzten Schichten hergestellt sein sollte, bevor die Stahlbetondecke hergestellt wurde, denn sonst hätte es nicht der Beschreibung “später” bedurft, die eine Unterbrechung der Arbeiten nahelegt.

Hätten erst die Decken und danach die Wände hergestellt werden sollen, hätte es keines Zusatzes, der auf eine Unterbrechung der Arbeiten hinweist, bedurft.

Dass das Aufmauern der Wände vor den Betonarbeiten geplant war, ergibt sich aus den Bauzeitplänen. So sah etwa der Plan der Beklagten (Anlage B 13, Bl. 490 d. A.) das Aufmauern von Wänden im Untergeschoss für die 37./38. Kalenderwoche, das Herstellen der Stahlbetondecke jedoch erst für die 38./39. Kalenderwoche vor. Im Erdgeschoss sollte das Aufmauern der Wände in der 40./41. Kalenderwoche erfolgen, das Herstellen der Decken in der 42. Kalenderwoche. Ähnliches ergibt sich aus dem von der Klägerin erstellten Bauzeitplan vom 21.09.2009 (Bl. 1039 ff. d. A.). Danach hätte etwa das Aufmauern der Wände im Untergeschoss bis zur 39. Kalenderwoche dauern sollen, das Herstellen der Decke hätte in der 38./39. Kalenderwoche geschehen sollen. Der Ablauf der Herstellung von Mauerwerk und Decke im Erdgeschoss hätte nicht verändert werden sollen. Außerdem war zu einem späteren Zeitpunkt die Herstellung restlichen Ziegelmauerwerks vorgesehen, wobei es sich um das Aufmauern der letzten Schichten handeln dürfte.

Dieser Auslegung des Leistungsverzeichnisses und der Bauzeitpläne hat die Klägerin in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 ausdrücklich zugestimmt. Soweit sie geltend gemacht hat, die von ihr – danach frei gewählte – Vorgehensweise sei der Beklagten bekannt gewesen, ist das unerheblich.

Abgesehen davon, dass unklar geblieben ist, ob für die Beklagte Vertretungsberechtigte Kenntnis hatten, kann aus dem bloßen Umstand, dass dem Bauherrn eine vom Unternehmer frei gewählte Reihenfolge der Arbeiten bekannt ist, kein Mehrkostenanspruch erwachsen.

Die Klägerin hat auf den Hinweisbeschluss vom 18.02.2022 nicht dargelegt, welche Mehrkosten entstanden wären, wenn sie zunächst die Wände gemauert hätte, oder, aus welchem Grund eine solche Reihenfolge nicht möglich gewesen sein soll, als ihr die Anforderungen aus der Statik bekannt wurden. Dabei ist von Bedeutung, dass bereits im Untergeschoss der Sporthalle (Titel 3.1.1) Unterzüge vorgesehen waren und aus den Anforderungen der Statik an sie Rückschlüsse für die Ausführung der Unterzüge jedenfalls im Obergeschoss der Sporthalle hätten gezogen werden müssen.

Die Klägerin hat nur geltend gemacht, dass sich die Mehrkosten auf das Mauern der letzten Schichten bezögen. Eine solche Einschränkung geht weder aus dem Nachtrag 6 noch aus ihrem Vortrag in diesem Rechtsstreit hervor. Im Gegenteil geht die Vorbemerkung des Nachtrags (Ziff. 3 der Beschreibung des Mehraufwands, S. 2) offensichtlich von der Herstellung des gesamten unter den Unterzügen angeordneten Mauerwerks aus. Außerdem ist unstreitig, dass die Klägerin die gesamten Wände erst nach der Herstellung der Unterzüge aufgemauert hat. Sie selbst spricht von einem “Stützenwald“, der auf der Baustelle entstanden sei.

2. Mehrkosten nach dem Nachtrag 7 für eine Beschleunigung des Bauablaufes stehen der Klägerin nicht zu.

Tatsächlich ist eine relevante Beschleunigung des Bauablaufes nicht erfolgt. Zumindest fehlt es an einer der Beklagten zurechenbaren Beschleunigungsanordnung.

a) Die Klägerin macht mit dem Nachtrag 7 Mehrkosten dafür geltend, dass die Betonarbeiten bis Weihnachten 2009 fertigzustellen waren. Das war zwischen den Parteien indes bereits im Vertrag vom 06./20.08.2009 vereinbart worden.

aa) Das dem Vertrag zugrunde liegende Leistungsverzeichnis enthielt in der Vorbemerkung bereits einen groben Bauzeitplan, nach dem die wesentlichen Teile der Rohbauarbeiten bis Dezember 2009 beendet sein sollten (S. 4 der Vorbemerkungen, Anlage B 1, AB). Aus dem für die Ausbaugewerke vorgesehenen Leistungsbeginn ist zu erkennen, dass das Bauwerk zu diesem Zeitpunkt bereit für den Einbau der Fenster und ab da geschlossen für den Beginn des Innenausbaus sein musste. Nach den Ausführungen der Sachverständigen (1. EGA v. 11.02.2020, S. 22) ist daraus jedenfalls zu schließen, dass die Betonarbeiten abgeschlossen sein mussten. Die Herstellung der Sohle, der Außenwände sowie der Decken war notwendig, um einen geschlossenen Bau zu erreichen.

bb) Die Überschrift des Nachtrags ist nicht missverständlich. Er enthält das, was mit der Überschrift angekündigt wird, nämlich Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis Dezember 2009, die indes bereits ursprünglich vertraglich geschuldet war. Die beiden Positionen weisen Schalarbeiten und die Zuteilung eines zweiten Poliers jeweils bis zum 18.12.2009 aus. Es ging somit nicht um die Fertigstellung der Betonarbeiten innerhalb eines verkürzten, vor Dezember 2009 endenden Zeitraums. Das entspricht auch dem durchgehenden Vortrag der Klägerin.

Insofern kann sich die Klägerin nicht auf die Ausführungen der Sachverständigen in dem Ergänzungsgutachten vom 11.02.2020 (S. 21 – 23) stützen. Zwar heißt es dort, nach einem geänderten Bauzeitenplan hätten die Betonarbeiten bis Oktober 2009 statt bis Weihnachten fertiggestellt sein sollen.

Der Senat verkennt auch nicht, dass die Sachverständige im Termin vom 18.11.2022 erklärt hat, aufgrund einer Verkürzung des Zeitraums für die Betonarbeiten auf den 04.11.2009 habe schneller gearbeitet werden müssen (Prot. S. 6, Bl. 1544 d. A.). Das entspricht nicht dem Vortrag der Klägerin. Sie hat in dem Nachtrag keine Kosten für die Fertigstellung der Betonarbeiten bis zum 04.11.2009 kalkuliert.

cc) Eine Verkürzung des ursprünglich vertraglich vorgesehenen Leistungszeitraums scheidet auch wegen des in dem in den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis enthaltenen Bauzeitplan vorgesehenen Beginns der Zimmerer- und Dacharbeiten im November 2009 aus. Die Klägerin musste erkennen, dass die Wände und Decken bis dahin fertiggestellt sein mussten.

Die Klägerin hatte nach dem Leistungsverzeichnis (Pos. 1.2.1) ein Gerüst für die Folgegewerke nach Erstellung der Rohbauarbeiten zu erstellen. Das Gerüst war unter anderem für Arbeiten am Dach notwendig. Die Aufstellung des Gerüsts setzte voraus, dass der Rohbau bereits stehen musste, jedenfalls die Wände, an denen das Gerüst aufzustellen war.

Der Beginn der Arbeiten an dem Dachstuhl und dem Dach setzt voraus, dass zu diesem Zeitpunkt der Rohbau soweit steht, dass das Dach darauf errichtet werden kann. Auch das setzt die Fertigstellung der Wände und der Decken voraus.

b) Im Übrigen fehlte selbst im Falle einer relevanten Baubeschleunigung für einen Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B eine rechtsgeschäftliche Anordnung eines Vertreters der Beklagten. Die von der Klägerin herangezogenen Bauzeitpläne sind ihr von den Streithelfern übergeben worden. Diese waren nicht für rechtsgeschäftliche Erklärungen im Namen der Beklagten bevollmächtigt.

3. Das Urteil des Landgerichts ist in Höhe von 71.613,64 Euro rechtskräftig geworden. Insoweit hat die Beklagte das Urteil nicht angegriffen. In Höhe von insgesamt 354.997,98 Euro war die Klage abzuweisen. In Höhe der Differenz von 409,84 Euro zu dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag von 427.021,46 Euro war die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

Der von der Beklagten angegebene Zahlbetrag von 123.724,23 Euro beruht auf einem offensichtlichen Rechenfehler. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man den von der Beklagten angegriffenen Betrag von 355.407,82 Euro von der ursprünglichen Klagesumme von 479.132,05 Euro abzieht. Tatsächlich ist von der Höhe der Verurteilung auszugehen. Der Antrag der Beklagten ist dahin auszulegen, dass sie in erster Linie die Klagabweisung in Höhe von 355.407,82 Euro anstrebt, nicht die Verurteilung zur Zahlung von 123.724,23 Euro.

Im Übrigen käme eine Verurteilung in dieser Höhe nicht in Betracht, weil die Klägerin die teilweise Klageabweisung durch das Landgericht nicht angegriffen hat.

Die Klage ist in Höhe von 301.780,25 Euro brutto (253.596,85 Euro netto) abzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 6 zusteht. Diesen Betrag hat das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt. Das Landgericht hat sich für die Höhe des Betrages auf das Gutachten der Sachverständigen gestützt (Urt. S. 42, 44), die diesen Betrag ermittelt hatte (GA v. 07.03.2017, S. 97). Bei dem vom Landgericht auch genannten Betrag von 253.941,25 Euro netto (Urt. S. 43) handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler.

Die Beklagte ist bei der Berechnung des angegriffenen Betrages von dem letzteren Betrag ausgegangen.

Der Angriff ist daher um 409,84 Euro brutto (344,40 Euro netto) zu hoch. In dieser Höhe ist ihre Berufung unbegründet. Sie war entsprechend zur Zahlung weiteren Werklohns nebst Zinsen zu verurteilen. Wegen der Verurteilung zur Zinszahlung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, das von der Beklagten insoweit nicht angegriffen worden ist.

Die Klage ist in Höhe weiterer 53.217,73 Euro brutto (44.720,78 Euro netto) zurückzuweisen, weil der Klägerin kein weiterer Werklohn nach dem Nachtrag 7 zusteht. Das Landgericht hat diesen Betrag seiner Verurteilung zugrunde gelegt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt.

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

BGH zu der Frage, dass das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (“kann”) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden.
2. Die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen steht der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (Anschluss an BGH, IBR 2007, 530).

BGH, Urteil vom 05.12.2023 – VI ZR 34/22
vorhergehend:
OLG Koblenz, 29.12.2021 – 5 U 1484/21
LG Koblenz, 29.07.2021 – 1 O 363/18

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach ärztlicher Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten vom 5. Juli 2020 im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 mündlich erläutert. Die Klägerin hat den Sachverständigen im Termin als befangen abgelehnt und dies anschließend in einem Schriftsatz begründet. Mit Schreiben vom 18. April 2021 hat der Sachverständige dazu Stellung genommen. Daraufhin hat die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch mit einem neuen Schriftsatz auch darauf gestützt, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 in unangemessener Weise Kritik am Befangenheitsantrag sowie an ihrem Prozessbevollmächtigten und dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung geübt habe. Das Landgericht hat das Gesuch der Klägerin, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht (4. Zivilsenat) den Beschluss des Landgerichts abgeändert und das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Es hat ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob die zunächst geltend gemachten Gründe rechtzeitig angebracht worden seien, da es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Jedoch habe der Sachverständige mit seiner Stellungnahme vom 18. April 2021 die Grenzen der gebotenen Neutralität und Sachlichkeit überschritten, indem er das Prozessverhalten und die Persönlichkeitsstruktur des Klägervertreters analysiert und negativ bewertet habe.

3

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (5. Zivilsenat) hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4

Das Berufungsgericht hat – soweit im vorliegenden Zusammenhang relevant – ausgeführt, dass die Klägerin einen Behandlungsfehler oder eine fehlerhafte Aufklärung nicht nachgewiesen habe. Das Gutachten des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 und das Ergebnis der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vom 4. Februar 2021 seien weiterhin verwertbar. Das Landgericht sei nicht verpflichtet gewesen, ein neues Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, bestehe auch aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Im vorliegenden Fall sei die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke aus dem Prozessverlauf ersichtlich.

5

Ein neues Sachverständigengutachten müsse nicht deshalb eingeholt werden, weil der Sachverständige die Beantwortung entscheidungserheblicher Fragen verweigert habe oder dessen angeblich widersprüchliche Aussagen hätten aufgeklärt werden müssen. Der Sachverständige müsse auch nicht erneut zur Erläuterung seines Gutachtens geladen werden. Ein Behandlungsfehler sei nicht nachgewiesen.

II.

6

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet (§ 412 Abs. 2 ZPO) und seine Entscheidung auf die Ausführungen des abgelehnten Sachverständigen gestützt hat.

7

1. Gemäß § 412 Abs. 2 ZPO kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist. In diesem Fall darf ungeachtet des Wortlauts des § 412 Abs. 2 ZPO (“kann”) das Gutachten des abgelehnten Sachverständigen grundsätzlich nicht mehr verwertet werden (vgl. Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8, § 412 Rn. 29; Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl., § 412 Rn. 1; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 406 Rn. 18, § 412 Rn. 2; Berger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 406 Rn. 66; BeckOK ZPO/Scheuch, 50. Ed. 1.9.2023, § 406 Rn. 39; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16, § 412 Rn. 7; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15, § 412 Rn. 3; Katzenmeier in Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Aufl., § 412 Rn. 2).

8

2. Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel liegen nicht vor.

9

a) Das Berufungsgericht hat nicht annehmen dürfen, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin unzulässig sei.

10

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich sei, weil sie damit verfahrensfremde Zwecke verfolge. Ablehnungsanträge, welche ausschließlich zur Prozessverschleppung oder zur Verfolgung anderer verfahrensfremder Zwecke gestellt würden, seien aufgrund fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Verfolgung verfahrensfremder Zwecke sei aus dem Prozessverlauf ersichtlich. In ihrer Stellungnahme zum Sachverständigengutachten habe sich die Klägerin noch einige seiner Aussagen zu eigen gemacht und lediglich die fehlerhafte Zugrundelegung eines falschen Sachverhalts gerügt. Als der Sachverständige jedoch bei seinen der Klägerin ungünstigen Feststellungen geblieben sei, sei der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit angebracht worden. Danach sei offensichtlich, dass die Klägerin die ihr unliebsame Folge der Beweisaufnahme dadurch zu umgehen versucht habe, durch die Ablehnung des Sachverständigen die Einholung eines neuen Gutachtens zu erreichen. Diese unzulässige, weil rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik bzw. dieses Ziel ergebe sich schließlich auch aus der Berufungsbegründung, in der die Klägerin mitgeteilt habe, sie hätte ein eigenes Gutachten eingeholt, wenn das Landgericht – statt direkt die Klage abzuweisen – darauf hingewiesen hätte, dass es das Sachverständigengutachten verwerten wolle.

11

bb) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts widerspricht der Bindungswirkung der im Ablehnungsverfahren getroffenen Entscheidung. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat ein anderer Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen für begründet erklärt. Diese Entscheidung unterliegt gemäß § 512, § 406 Abs. 5 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, das an sie gebunden ist.

12

cc) Im Übrigen trägt der Verfahrensablauf nicht die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Das Prozessverhalten der Klägerin stellt entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts keine rechtsmissbräuchliche Prozesstaktik dar, um eine unliebsame Folge der Beweisaufnahme zu umgehen, sondern die Wahrnehmung eines prozessualen Rechts. Denn es steht einer Partei frei, vom Ablehnungsrecht (§ 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) in den durch § 406 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO bestimmten zeitlichen Grenzen Gebrauch zu machen.

13

b) Zwar steht die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen der Verwertbarkeit seines Gutachtens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat und gleichzeitig kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 12; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rn. 8; Siebert in Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 16; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 15). Die Entscheidung über die Frage der weiteren Verwertbarkeit ist nicht mehr Teil des Ablehnungsverfahrens. Ein Ablehnungsgesuch ist ein einheitlich zu behandelnder Antrag, der entweder insgesamt zurückzuweisen ist oder zur Feststellung der Befangenheit des Abgelehnten führt. Welche Folgen die erfolgreiche Ablehnung insbesondere im Hinblick auf die bisherige Mitwirkung des abgelehnten Sachverständigen hat, ist vom Gericht im Rahmen seiner Entscheidung, welche Beweise noch zu erheben sind, zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2007 – VII ZB 18/06, NJW-RR 2007, 1293 Rn. 11).

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aa) Allerdings hat das Berufungsgericht schon keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin den Ablehnungsgrund in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat.

15

bb) Zudem hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, es bestehe kein Anlass zu der Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung seiner bisherigen Gutachten beeinträchtigt gewesen sei.

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(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe zunächst weder in der Vorbereitung oder in der Begutachtung an sich noch in der schriftlichen Ausarbeitung des Sachverständigen vom 5. Juli 2020 einen Ablehnungsgrund gesehen. Ein Ablehnungsgesuch sei erst nach der mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 4. Februar 2021 angebracht worden. Zwar habe ein anderer Senat des Oberlandesgerichts das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt. Allerdings habe dieser eindeutig zwischen dem Verhalten des Sachverständigen bei der Begutachtung und seiner anschließenden schriftlichen Stellungnahme vom 18. April 2021 zum Befangenheitsantrag differenziert und ausgesprochen, dass ein Befangenheitsgrund erst mit seiner Stellungnahme gegeben sei. Er habe herausgearbeitet, dass es zum Zeitpunkt des Befangenheitsgesuchs an einem Befangenheitsgrund gemangelt habe. Daraus ergebe sich, dass Fehlverhaltensweisen des Sachverständigen bei der Vorbereitung der Begutachtung oder der Begutachtung selbst, die eine Ablehnung rechtfertigen könnten, hier nicht vorlägen. Es sei folglich nicht rechtsfehlerhaft gewesen, dass das Landgericht das schriftliche Gutachten und dessen mündliche Erläuterung verwertet habe. Die Ausführungen des Sachverständigen hätten vor dem 18. April 2021 gelegen. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre eine Fortsetzung der Tätigkeit des Sachverständigen nicht mehr hinnehmbar gewesen, weil er sich dem Prozessbevollmächtigten gegenüber unsachlich geäußert habe. Da der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren, worauf allein der Befangenheitsgrund im weiteren Schriftsatz der Klägerin gestützt sei, bestehe auch aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei der Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei.

17

(2) Aus diesen Erwägungen des Berufungsgerichts ergibt sich zunächst nur, was die Klägerin im Sinne von § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO als Grund, der geeignet gewesen ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen (Befangenheitsgrund), geltend gemacht hat und was als Befangenheitsgrund angenommen worden ist. Soweit das Berufungsgericht anschließend meint, es bestehe kein Anlass zur Besorgnis, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei Erstellung des Gutachtens beeinträchtigt gewesen sei, beschränkt es sich auf den Hinweis, dass der Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor der Erstellung des Gutachtens nicht aufeinandergetroffen seien und somit kein Anlass für den Sachverständigen bestanden habe, das Verhalten des klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu bewerten und zu kritisieren. Das Berufungsgericht verhält sich jedoch nicht näher dazu, ob die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen bereits zuvor beeinträchtigt gewesen sein könnte. Daraus, dass eine (mögliche) Beeinträchtigung der Unvoreingenommenheit sich nicht schon früher offenbart hat, folgt nicht, dass eine solche auch nicht vorgelegen hat. Die zur Befangenheit des Sachverständigen führende Kritik am klägerischen Prozessbevollmächtigten betraf insoweit hier gerade auch dessen Verhalten in der mündlichen Verhandlung, anlässlich derer sich der Sachverständige gutachterlich geäußert hatte. Deshalb ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei kein Anlass zur Besorgnis bestand, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen könne schon bei seinen mündlichen Ausführungen in der Verhandlung beeinträchtigt gewesen sein.

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c) Schließlich kann offenbleiben, ob – wie die Revisionserwiderung meint – trotz erfolgreicher Ablehnung eines Sachverständigen die Verwertbarkeit seines Gutachtens auch dann in Betracht kommt, wenn die Partei, die sich auf die Befangenheit des Sachverständigen beruft, den Ablehnungsgrund nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise provoziert hat. Denn auch dann käme die Verwertung des Gutachtens jedenfalls nur in Betracht, wenn kein Anlass zu der Besorgnis besteht, dass die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen schon bei dessen Erstellung (und ggf. Erläuterung) beeinträchtigt gewesen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

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3. Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

OLG München zu der Frage, dass sich die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge bemisst

vorgestellt von Thomas Ax

1. Das Schweigen des Auftraggebers auf ein Nachtragsangebot des Auftragnehmers gilt – auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr – nicht als Annahme des Nachtragsangebots.
2. Die Höhe der Vergütung für eine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B bemisst sich nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge, wenn sich die Parteien nicht über die Nachtragshöhe einigen können.
3. Der Auftragnehmer muss substanziiert zu den tatsächlich angefallenen Mehrkosten vortragen. Das gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer mit seinem einen Nachunternehmer einen Pauschalpreisvertrag geschlossen hat, der auch andere Arbeiten umfasst.
OLG München, Beschluss vom 03.02.2023 – 28 U 5927/22 Bau
vorhergehend:
OLG München, Beschluss vom 19.12.2022 – 28 U 5927/22 Bau
LG München II, 31.08.2022 – 3 O 860/20 Bau
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 44/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn in Anspruch.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 29.084,11 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v.1.141,90 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (die Klägerin hatte zuletzt die Verurteilung der Beklagten zu einer Zahlung i.H.v. 165.931,97 Euro nebst Zinsen sowie außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 3.039,50 Euro beantragt).

Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt I. Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Verurteilung der Beklagten, soweit ihrer Klage nicht in erster Instanz stattgegeben wurde, weiter. Wegen der Berufungsrügen der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt II. Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin zuletzt:

1. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgerichts München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere 136.847,97 EUR nebst Zinsen aus 132.507,21 EUR i.H.v. 8%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 20.10.2019, sowie Zinsen aus 4.340,65 Euro i.H.v. 8%-Punkten über den Basiszinssatz ab 18.07.2018 zu zahlen.

2. Das am 31.08.2022 verkündete Urteil des Landgericht München II unter dem Aktenzeichen 3 O 860/20 wird, soweit es der Klage nicht stattgegeben hat, abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt an die Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.897,60 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen der Stellungnahme der Beklagten zur Berufung der Klägerin wird auf die zusammenfassende Darstellung in der Senatsverfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt III. Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 19.12.2022 darauf hingewiesen, dass und warum er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Hierzu ging fristgemäß eine Gegenerklärung der Klägerin vom 16.01.2023 ein.

Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 31.08.2022, Aktenzeichen 3 O 860/20 Bau, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 19.12.2022 Bezug genommen.

Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 16.01.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass.

Hierzu ist Folgendes auszuführen:

1. Vergütung für die Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 (94.714,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in ihrer Gegenerklärung haben die Berufungsrügen der Klägerin, mit denen diese sich dagegen wendet, dass das Landgericht ihr keine Vergütung für Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 zugesprochen hat, keine Aussicht auf Erfolg.

a) Nachdem die Parteien im vorliegenden Fall keinen BGB-Vertrag, sondern einen VOB-Vertrag geschlossen haben, gehen die Ausführungen in der Gegenerklärung, wonach sich die Höhe der Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB an der taxmäßigen Vergütung und in Ermangelung einer solchen an der üblichen Vergütung bemesse, ins Leere.

Die Parteien haben sich durch die Vereinbarung der VOB vertraglich auf die Geltung der Preisanpassungsregelungen der VOB im Falle geänderter und zusätzlicher Leistungen geeinigt.

Ein Rückgriff auf § 632 Abs. 2 BGB scheidet deshalb aus.

b) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach die Klägerin einen Vergütungsanspruch für die Arbeiten aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 gem. § 2 Abs. 6 VOB/B nicht schlüssig dargelegt hat.

aa) Die Klägerin ist für den geltend gemachten Anspruch auf zusätzliche Vergütung darlegungs- und beweispflichtig.

bb) Der Ausgangspunkt, § 2 Abs. 6 VOB/B, lautet:

1. Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt.

2. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren.

cc) Dem klägerischen Sachvortrag ist bereits keine schlüssige Darstellung zu entnehmen, inwiefern es sich bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags überhaupt um im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen – in Abgrenzung zu Arbeiten, welche der Beseitigung eigener Mängel dienten – handelte.

Der diesbezügliche Sachvortrag ist in sich widersprüchlich. Die Klägerin hatte Arbeiten in den 256 Hotelzimmern mit 15. Nachtrag vom 26.07.2018 (Anlage K 09) angeboten. Auf Seite 1 des Nachtrags ist davon die Rede, dass sämtliche von der Klägerin verursachten Mangelpunkte beseitigt werden und sämtliche zusätzlichen Punkte, die nicht unter einen Mangelpunkt fallen, nochmals nachgearbeitet werden.

Unstreitig haben sich die Parteien über die Höhe der Vergütung für die Leistungen der Klägerin in den 256 Hotelzimmern nicht geeinigt. Die Beklagte hat den von der Klägerin erstellten Nachtrag gerade nicht unterzeichnet. Ebenso unstreitig hat die Beklagte die Arbeiten der Klägerin aber ausführen lassen.

In der Schlussrechnung vom 20.12.18 (Anlage K 18) rechnet die Klägerin gegenüber der Beklagten “Besondere Zusatzleistungen für Hotel- und Boardinghaus” ab und zwar lt. Pos. NA 15.01 betreffend “Fremdmängel- und Zusatzleistungen” bzw. “Ausbesserungsarbeiten” in 284 Zimmern mit einem Pauschalpreis pro Zimmer.

Hinsichtlich sämtlicher 284 Zimmer, für deren Bearbeitung die Klägerin Vergütung beansprucht, fehlt es somit an hinreichend substantiiertem Sachvortrag der Klägerin, dem sich entnehmen ließe, dass bzw. inwieweit es sich bei den nun abgerechneten Arbeiten um im Vertrag nicht vorgesehene zusätzliche Leistungen i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B und nicht um die Beseitigung eigener Mängel handelte.

Mit Schriftsatz vom 10.03.2022 (dort Seite 3, 4) trug die Klägerin vor, dass es bei dem 15. Nachtrag um “Verschönerungsarbeiten und Mangelbeseitigungen” gegangen sei und “dass sowohl die Beseitigung von Mängeln als auch zusätzliche Leistungen zusammen abgearbeitet werden und man dafür eine günstigere Pauschale vereinbart” Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 17.03.2022 ging es bei den mit dem 15. Nachtrag angebotenen Leistungen “nur um weitere Verschönerungarbeiten“, wobei “aber eine Stunde für weitere Mängelbeseitigung auf unsere Kappe geht“.

Demgegenüber wurde mit Schriftsatz vom 25.04.2022 behauptet, dass es nicht um Mängel des Werks der Klägerin gegangen sei, sondern Leistungen aufgrund eines höheren, vom Bauherr geforderten Standards.

Ebenso argumentierte die Klägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 01.08.2022 (dort Seite 2).

Die Beklagte hatte daher auch mehrfach eingewandt, dass es sich bei den Leistungen des 15. Nachtrags teilweise um die Beseitigung der eigenen Mängel der Klägerin gehandelt habe und bestritten, dass der 15. Nachtrag nur Arbeiten umfasst habe, die auf das hohe Qualitätsniveau des Bauherrn zurückzuführen seien, so mit Schriftsatz vom 03.03.2022 (dort Seite 3), Schriftsatz vom 25.05.2022 (dort Seite 2) und im Schriftsatz vom 09.08.2022 unter Verweis auf die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 2).

Schon das Landgericht hatte die Klägerin mit Verfügung vom 03.02.2022 (dort Seite 2 oben) darauf hingewiesen, dass diese die Beweislast für ihre Behauptung trage, dass zusätzlich zur Pauschale Leistungen beauftragt und ausgeführt worden seien. Die Klägerin hat ihren Sachvortrag dennoch nicht derart ergänzt, dass ihm zu entnehmen wäre, inwiefern es bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags um zusätzlich beauftragte Arbeiten und nicht um die Beseitigung eigener Mängel ging.

Soweit die Klägerin in ihrer Schlussrechnung und mit ihrer Klage Vergütung für Arbeiten an mehr als 256 Zimmern geltend macht, dies betrifft 28 Zimmer, hat sie darüber hinaus nicht vorgetragen, welche gegenüber ihrem Nachtragsangebot zusätzlichen Zimmer sie bearbeitet haben will. Der durch die Klägerin vorgelegten Stundenaufstellung nach Bautagesberichten (Anlage 60) bzw. den Bautagesberichten (Anlage K 61) ist dies ebenso wenig zu entnehmen.

dd) Die Beklagte hat das Nachtragsangebot Nr. 15, was die Vergütungsabrede angeht, auch nicht nach dem Grundsatz des § 362 Abs. 1 BGB angenommen.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 unter Gliederungspunkt IV. 1. a) ausführlich dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass § 362 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Soweit sich die Klägerin in ihrer Gegenerklärung auf ein Urteil des OLG München vom 07.02.2017, Az. 9 U 2987/16 bezieht, welches einen Projektsteuerungsvertrag mit werkvertraglichem Schwerpunkt als Geschäftsbesorgungsvertrag gewertet habe, kann die dortige Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. In dem vom 9. Senat des OLG München entschiedenen Fall ging es um einen Projektsteuerungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter. Diesen Vertrag stufte der 9. Senat nicht als Werkvertrag ein. Demgegenüber geht es bei dem zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits geschlossenen Vertrag über die Ausführung verschiedener Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks und auch bei den Leistungen aus dem Nachtragsangebot Nr. 15 ihrem Schwerpunkt nach unzweifelhaft um den Austausch Werkleistung gegen Werklohn.

Der vorliegende Fall ist auch nicht mit dem vom OLG Brandenburg mit Urteil vom 04.10.2012, Az. 12 U 39/12 entschiedenen Fall eines Winterdienstvertrages vergleichbar, der im Hinblick auf die Übernahme der ansonsten dem Eigentümer obliegenden Verkehrssicherungspflicht als Geschäftsbesorgungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter qualifiziert wurde. An einer derartigen Übernahme von Pflichten des Auftraggebers fehlt es bei der Ausführung von Arbeiten aus dem Bereich des Malerhandwerks ersichtlich. Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 mitgeteilten Ansicht fest, dass insbesondere aus der Auftraggeberhaftung für Nachunternehmer in Bezug auf den Mindestlohn nicht folgt, dass der Nachunternehmer, der seinen Arbeitnehmern den Mindestlohn bezahlt, hiermit ein Geschäft des Hauptunternehmers besorgen würde.

Es kann dahingestellt bleiben, ob jeder Werkvertrag auch eine Geschäftsbesorgung beinhaltet. Selbst wenn das so wäre, würde dies einen Vertrag über die Ausführung von Werkleistungen aus dem Bereich des Malerhandwerks seinem eindeutigen Schwerpunkt nach nicht zu einem Geschäftsbesorgungsvertrag machen.

ee) Nachdem die Klägerin bereits das Vorliegen von Zusatzarbeiten i.S. § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B nicht substantiiert vorgetragen hat, erfolgen die Ausführungen zur Höhe der Vergütung gem. § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B lediglich hilfsweise.

Der Senat hält an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten und begründeten Auffassung fest, dass und warum das Landgericht einen Vergütungsanspruch der Klägerin nach § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B zu Recht verneint hat.

Es kann dabei vorliegend dahingestellt bleiben, ob das zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ergangene Urteil des BGH vom 08.08.2019, Az. VII ZR 34/18, in welchem der BGH eine Abkehr vom Prinzip der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung vorgenommen hat und für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen i.S. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B auf die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge abgestellt hat, auf § 2 Abs. 6 VOB/B übertragbar ist.

Denn die im Falle von zusätzlichen Leistungen vorzunehmende Preisanpassung steht in jedem Fall unter der Prämisse der Wahrung des Äquivalenzprinzips. Es soll vermieden werden, dass keine Vertragspartei durch die zusätzlichen Arbeiten einen nicht gerechtfertigten Vorteil erhält oder einen nicht gerechtfertigten Nachteil erleidet. Genau dies wäre aber der Fall, wenn der Unternehmer, unabhängig davon, ob ihm für die Ausführung der zusätzlichen Arbeiten überhaupt Kosten entstehen, dennoch hierfür einen Vergütungsanspruch realisieren könnte. Für den hier vorliegenden Fall, dass der Unternehmer die zusätzlichen Leistungen durch einen Nachunternehmer ausführen lässt, ist sein Vergütungsanspruch der Höhe nach daher maximal durch die an seinen Nachunternehmer gezahlte Vergütung, evtl. zzgl. Wagnis und Gewinn, begrenzt.

Soweit die Klägerin meint, dass die Kosten der zusätzlichen Leistung für die Preisfindung nicht relevant wären, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 Nr. 2 Satz 1 VOB/B, dass dies nicht zutrifft. Im Übrigen sind auch im Rahmen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen, ebenso im Rahmen des § 2 Abs. 5 VOB/B und für ab dem 01.01.2018 abgeschlossene Bauverträge auch im Rahmen des § 650 c Abs. 1 BGB die tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn. Auch der BGH hat in seinem vorgenannten zu § 2 Abs. 3 VOB/B ergangenen Urteil “auf die durch den Einsatz der Nachunternehmer unmittelbar verursachten Kosten” (Tz. 30), die im dortigen Fall, anders als im vorliegenden Fall, unstreitig waren, zurückgegriffen und dies u.a. damit begründet, “dass diese ohne Weiteres ermittelt werden können und insofern eine realistische Bewertung ermöglichen” (Tz. 32).

Das in der Gegenerklärung angeführte Urteil des BGH vom 14.03.2013, Az. VII ZR 142712 ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zum einen erging das Urteil zu § 2 Abs. 5 VOB/B, zum anderen verhält sich das Urteil nicht zu der im vorliegenden Fall vorliegenden Fallkonstellation, dass der Unternehmer die zusätzlichen Arbeiten durch einen Nachunternehmer ausführen lässt.

Nachdem die Klägerin trotz eines Hinweises des Landgerichts nicht zu den ihr für die Ausführung des 15. Nachtrags durch den Nachunternehmer entstandenen Kosten vorgetragen hat, stellt sich die insoweit erfolgte Klageabweisung durch das Landgericht als zutreffend dar.

Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der klägerische Sachvortrag zu den für die Ausführung des 15. Nachtrags entstandenen Kosten bereits in sich widersprüchlich ist. Einerseits behauptet die Klägerin im Schriftsatz vom 05.07.2022 (dort Seite 3), dass ihr nachweisbar Kosten in Höhe von 97.332,48 Euro entstanden seien, von denen sie lediglich 94.714,00 Euro geltend mache.

Andererseits behauptet sie im Schriftsatz vom 01.08.2022, dass es ihr aufgrund des mit ihrer Nachunternehmerin geschlossenen Vertrages und des Abrechnungsverhaltens ihrer Nachunternehmerin eine detaillierte Zuordnung der Arbeiten zu den Leistungspositionen des 15. Nachtrags nicht möglich sei. Trotz des durch das Landgericht erteilten Hinweises vom 22.06.2022 hat die Klägerin weder zu den ihr tatsächlich entstandenen Kosten vorgetragen noch eine Rechnung ihrer Nachunternehmerin bzw. einen Zahlungsbeleg vorgelegt.

ff) Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B.

Nach dieser Vorschrift steht dem Auftragnehmer, der eine Leistung ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abwendung vom Auftrag ausgeführt hat, dann eine Vergütung zu, wenn der Auftraggeber diese nachträglich anerkennt.

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an derartigen eigenmächtigen Leistungen, da die Arbeiten des 15. Nachtrags mit Wissen und Billigung der Beklagten ausgeführt wurden und sich die Parteien lediglich nicht über die Vergütung geeinigt hatten.

gg) Der Senat hält auch an seiner in der Verfügung vom 19.12.2022 dargelegten Auffassung fest, wonach sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht aus Bereicherungsrecht ergibt.

Rechtsgrund für eine etwaige Vergütung, hätte die Klägerin substantiiert das Vorliegen von Zusatzarbeiten und ihr durch den Einsatz des Nachunternehmers vorgetragene Kosten vorgetragen, wäre der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag. Es liegt somit nicht der Fall vor, dass die Arbeiten des 15. Nachtrags ohne Rechtsgrund erfolgt wären. Indem die Klägerin der Beklagten die Ausführung der Arbeiten angeboten hat und die Beklagte damit einverstanden war, dass die Klägerin die Arbeiten ausführt und die Arbeiten entgegengenommen hat, haben die Parteien einen Rechtsgrund für die Arbeiten der Klägerin geschaffen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung für den Nachtrag geeinigt haben.

Soweit die Klägerin unter Verweis auf die Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1481 meint, dass die Beklagte das Nachtragsangebot der Klägerin konkludent angenommen habe, weshalb auch die Preise des Nachtragsangebots gelten würden, überzeugt auch dies nicht. Dem steht im vorliegenden Fall schon entgegen, dass die Parteien, nachdem die Beklagte sich mit der von der Klägerin im 15. Nachtrag geforderten Vergütung nicht einverstanden erklärt hatte, Verhandlungen über die Vergütung geführt hatten, welche jedoch zu keiner Einigung führten. Der Senat verweist hierfür auf das Schreiben der Beklagten vom 20.09.2018 (Anlage K 27) sowie die Aussage des Zeugen H. (dort Seite 4).

Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung einen möglichen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag in den Raum stellt, verfängt dies ebenso wenig. Die Leistungen der Klägerin auf den 15. Nachtrag erfolgten gerade nicht auftragslos, sondern auf der Grundlage dessen, dass sich die Parteien darüber geeinigt hatten, dass die Klägerin die Arbeiten des 15. Nachtrags ausführt. Der Umstand, dass sich die Parteien nicht über die Vergütung geeinigt haben, qualifiziert die Ausführung der Arbeiten der Klägerin nicht als auftragslos.

Der Kommentierung in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage 2015, Rn. 1482, 1483 ist nicht zu entnehmen, dass der Auftragnehmer, wenn trotz Ankündigung der Mehrkosten eine Preisvereinbarung nicht zustande kommt, bereicherungrechtliche Ansprüche gegen den Auftraggeber geltend machen könnte. In Anbetracht der speziellen Vorschriften der VOB/B für die Geltendmachung von Mehr- oder Minderleistungen ist, anders als beim BGB-Vertrag ein Rückgriff auf bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht möglich. (siehe hierzu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 1393).

2. Vergütung für die Überarbeitung der Flure (“Beschädigung Flure“, 30.000,00 Euro netto)

Auch unter Berücksichtigung der in ihrer Gegenerklärung vorgebrachten Argumente der Klägerin stellt sich die Entscheidung des Landgerichts, dass der Klägerin die in ihrer Schlussrechnung vom 20.12.2018 (Anlage K 18) auf Seite 6 unter “Leistungsmehrungen zur Pauschale” “Beschädigungen Flure” geltend gemachte Vergütung nicht zuzusprechen sei, als zutreffend dar.

Die Klägerin hat bereits nicht substantiiert zu einer Beauftragung dieser Leistungen vorgetragen.

Ausweislich der Schlussrechnung der Klägerin geht es bei dieser Position um die “Entfernung der Beschädigungen in den Fluren vor Erstellung des Anstrichs“, wobei sich die Klägerin auf eine “Vereinbarung Mail vom 05.02.2018” bezieht.

Das Landgericht hat daher zutreffend gesehen, dass die Parteien im Mai 2018 unstreitig eine Gesamtpauschale vereinbart hatten, von der auch diese Arbeiten umfasst waren.

Ein Beauftragung dieser Leistung zusätzlich zur Gesamtpauschale hat die Klägerin weder dargelegt noch nachgewiesen.

Soweit sich die Klägerin zur Darlegung einer solchen über die Gesamtpauschale hinausgehenden Beauftragung im Schriftsatz vom 14.05.2020 (dort Seite 6) auf eine Verzugsanzeige der Beklagten vom 30.08.2018 (Anlage K 28) bezieht und meint, dass sich hieraus eindeutig eine Aufforderung an die Klägerin ergebe, die Flure auszubessern, überzeugt dies nicht.

Tatsächlich handelt es sich bei der vorgelegten Anlage K 28 um eine an die Klägerin gerichtete E-Mail vom 25.06.2018 mit dem Betreff “Stand Mängelbeseitigung Malerarbeiten“, mit dem die Beklagte der Klägerin ein Verzugsschreiben ihres Bauherrn übermittelt und einen Terminplan für die noch durchzuführenden Arbeiten, u.a. die Reinigung des Flurs und Malerarbeiten. Aus dem Inhalt der vorgelegten Anlage ergibt sich, wie das Landgericht richtig bewertet hat, bereits nicht, ob es sich bei den geforderten Arbeiten um Mängelbeseitigung oder um zusätzliche Malerarbeiten handelt, wobei der Betreff der Anlage eher für Ersteres spricht. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da der Anlage K 28 jedenfalls nicht zu entnehmen ist, dass die Beklagte die Klägerin einen neuen Auftrag erteilt hätte, Beschädigungen in den Fluren zu beseitigen. Aus der Anlage K 28 ergibt sich gerade nicht, dass die Beklagte mit dieser E-Mail eine neue, von der Gesamtpauschale nicht erfasste Leistung der Klägerin auslösen wollte. Hierfür fehlt es auch an einer näheren Spezifikation dieser Leistung, z.B. welche Flure bearbeitet werden sollten. Von einer zusätzlichen Vergütung für die Leistung ist in der Anlage K 28 ebenso wenig die Rede. Nachdem die Klägerin für die Beauftragung einer Zusatzleistung darlegungs- und beweispflichtig ist, gehen solche Unklarheiten zu ihren Lasten.

Im Übrigen hat die Klägerin auch eine Ausführung der abgerechneten Arbeiten in den Fluren nicht nachgewiesen. Das Landgericht hat sich für diese Bewertung zutreffend auf die Aussage des Zeugen H. bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 17.03.2022 (dort Seite 3) gestützt. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die Flure nach den Arbeiten des Schreiners nachgearbeitet werden sollten, aber dann eine Umstellung auf Tapete erfolgte, so dass es nicht zu einer Ausführung der ursprünglich vorgesehenen Arbeiten der Klägerin kam. Soweit die Klägerin in ihrer Gegenerklärung meint, dass sich aus der Aussage des Zeugen H. ergebe, dass die Klägerin durchaus dort Arbeiten ausgeführt habe, verfängt dies nicht. Der Äußerung des Zeugen: “Es war so, dass es zunächst auch Ausführungen der Klägerin in den Fluren gab, jedoch waren diese nicht in der Form erfolgt, dass eine Abnahme hätte erfolgen können, daher wurde dann auf die Tapete umgestellt.” ist klar zu entnehmen, dass die durch die Klägerin zunächst in den Fluren ausgeführten Arbeiten nicht abnahmefähig waren. Gleiches gilt für die weitere Äußerung des Zeugen zu dieser Thematik auf Seite 7 unten, Seite 8 oben des Protokolls. Aus den Angaben des Zeugen H. ergibt sich in der Gesamtschau gerade nicht, dass die Klägerin an den Fluren Arbeiten, die über die Beseitigung eigener Mängel hinausgingen, durchgeführt hätte. Hinzu kommt, dass jeglicher substantiierter Sachvortrag der Klägerin dazu fehlt, welche gegenüber dem ursprünglichen Auftrag zusätzlichen Leistungen sie trotz Umstellung des Bauherrn auf Tapete in den Fluren überhaupt noch durchgeführt hat.

Entgegen der in der Gegenerklärung vertretenen Auffassung der Klägerin ergibt sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die Überarbeitung der Flure auch nicht aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B. Die Vorschrift regelt einen Vergütungsanspruch für Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag ausführt, die jedoch nachträglich vom Auftraggeber anerkannt werden. Die Vorschrift ist, auch unter Zugrundelegung des eigenen Sachvortrags der Klägerin, wonach ihr für diese Arbeiten ein zusätzlicher Auftrag erteilt worden sei, nicht einschlägig. Im Übrigen hat die Klägerin, wie oben dargelegt, auch die Ausführung der von ihr abgerechneten Arbeiten weder dargelegt noch nachgewiesen.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO 47, 48 GKG bestimmt.

VergabePrax – Von der Redaktion

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Praxistipp: Vergabeverfahren erfordert fristgerechtes Angebot, das die Erteilung des Zuschlages ermöglicht

Praxistipp: Vergabeverfahren erfordert fristgerechtes Angebot, das die Erteilung des Zuschlages ermöglicht

von Thomas Ax

Bei der Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen tritt die öffentliche Hand wie ein privater Auftraggeber als Nachfrager am Markt auf und schließt privatrechtliche Verträge ab. Die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand ist somit ein fiskalischer Vorgang, der dem Zivilrecht unterfällt (Völlink in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, VOB/A-EU, § 18 EU, Rn. 2, m. w. N.). Damit gilt auch das BGB, insbesondere die Regeln der §§ 145 ff. BGB. Der Zuschlag, der vor Ablauf der Bindefrist erfolgt und das abgegebene Angebot (Antrag, § 145 BGB) nicht abändert, enthält die Annahme des Angebotes (§§ 147 ff. BGB) durch den Auftraggeber und bringt den Vertrag zustande (vgl. Völlink in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, VOB/A-EU, § 18 EU, Rn. 1 5 vgl. Rüßmann, Bürgerliches Vermögensrecht, S. 121). Diese Regeln sind der Kern auch des Vergabeverfahrens, sie sind der Hintergrund der unterschiedlichen Vergabearten, des Regelwerks der VOB/A und der konkreten Maßgaben des Antragsgegners im streitgegenständlichen Vergabeverfahren. Ist das Vergabeverfahren auf das Zustandekommen eines Vertrages durch den Zuschlag des öffentlichen Auftraggebers ausgerichtet, so erfordert dies ein fristgerechtes Angebot, das die Erteilung des Zuschlages auch ermöglicht. Das ist zB dann nicht der Fall, wenn das “Angebot” zunächst nur als invitatio ad offerendum angesehen werden kann, bei der der Erklärende sich die Entscheidung über den Vertragsschluss vorbehalten will und der fehlende Rechtsbindungswille für den Erklärungsempfänger auch erkennbar ist (Fritzsche, Der Abschluss von Verträgen, §§ 145 ff. BGB, JA 2006, 674, 675).

Praxistipp: Nachprüfungsverfahren ohne Erfolgsaussicht, wenn Bieter auch bei Vermeidung des Vergabefehlers keinerlei Aussicht auf den Zuschlag hat

Praxistipp: Nachprüfungsverfahren ohne Erfolgsaussicht, wenn Bieter auch bei Vermeidung des Vergabefehlers keinerlei Aussicht auf den Zuschlag hat

von Thomas Ax

Zwingende Voraussetzung für den Erfolg eines Nachprüfungsverfahrens ist ein Schaden bzw. eine Verletzung in eigenen Rechten. Die Notwendigkeit einer tatsächlichen Rechtsverletzung geht insoweit über die für die Zulässigkeit des Antrags ausreichende Möglichkeit einer Rechtsverletzung hinaus. § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB fordert, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Rechtsverstöße der Vergabestelle müssen sich danach auch ausgewirkt haben oder noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers auswirken können. Die Vergabekammer hat nach § 168 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GWB zu prüfen, ob ein Antragsteller tatsächlich in seinen Rechten verletzt ist. Es genügt nicht, dass eine bieterschützende Vorschrift missachtet wird. Der Antragsteller muss sich auf diese Verletzung vielmehr auch konkret berufen können, d. h. die Vorschrift muss zu seinen Lasten verletzt sein (OLG München, Beschluss vom 05.11.2009 – Verg 15/09; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom .06.2012 – 1 VK 16/12; Beschluss vom 28.05.2009 – 1 VK 21/09). Ein Nachprüfungsverfahren kann keinen Erfolg haben, wenn eindeutig feststeht, dass auch bei Vermeidung des Vergabefehlers der Bieter keinerlei Aussicht auf den Zuschlag hat (OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 – Verg 2/10). Das ist offensichtlich dann der Fall, wenn das Angebot eines Bieters in jedem Fall keine Berücksichtigung finden kann.

Haftung eines mit der Objektplanung beauftragten Ingenieurs für Vergaberechtsverstöße?

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Haftung eines mit der Objektplanung beauftragten Ingenieurs für Vergaberechtsverstöße?

Übernimmt der mit der Objektplanung Gebäude nach § 34 HOAI 2013 beauftragte Ingenieur vertraglich sämtliche Grundleistungen des Leistungsbildes in den Leistungsphasen 6 „Vorbereitung der Vergabe“ und 7 „Mitwirkung bei der Vergabe“ ohne Einschränkungen, so hat er für Vergaberechtsverstöße bei der Zusammenstellung der Vergabeunterlagen, bei der formellen Prüfung der Angebote und bei der zeitnahen Dokumentation des Verlaufs des Vergabeverfahrens, hier insbesondere bezüglich der Angebotsaufklärung und der Einhaltung des Nachverhandlungsverbots, im Rahmen der werkvertraglichen Gewährleistungsrechte einzustehen.

Seiner zivilrechtlichen Verantwortlichkeit steht die Pflichtenlast des Bauherrn im Außenverhältnis als öffentlicher Auftraggeber gegenüber den Teilnehmern des Vergabeverfahrens bzw. als Zuwendungsempfänger gegenüber dem Zuwendungsgeber nicht entgegen; sie kann allenfalls im Rahmen eines Mitverschuldens des Bauherrn Berücksichtigung finden.

Der öffentliche Auftraggeber ist vergaberechtlich verpflichtet, die Entscheidungen im Vergabeverfahren und ganz besonders die Entscheidung über die Auswahl des Bestbieters in Eigenverantwortung zu treffen. Denn der öffentliche Auftraggeber ist Normadressat des Vergaberechts. Unabhängig davon, ob die Vergabestelle bei ihm selbst eingerichtet ist oder ob er sich einer externen Vergabestelle bedient, hat er die Einhaltung des Vergaberechts im Außenverhältnis zu den Bietern zu verantworten (vgl. nur Wiedemann in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 364). In vergaberechtlicher Hinsicht ist die Mitwirkung eines oder mehrerer Berater an der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens zulässig, soweit sie die Grenze der bloßen Unterstützung nicht überschreitet. Diese Unterstützung kann – je nach dem Umfang des konkreten Auftrags – in der Aufklärung der objektiven Entscheidungsgrundlagen bestehen, welche in der fachlichen Praxis als für die vorgesehene Beurteilung maßgeblich und geeignet angesehen werden, in deren nachvollziehbarer Darlegung und dort, wo Entscheidungsalternativen bestehen, in deren Aufzeigen. Vergaberechtlich obliegt es dem Auftraggeber, alle Vorarbeiten des Beraters nachzuvollziehen, kritisch zu prüfen und sodann die Entscheidung unter Berücksichtigung dieser Grundlagen sowie unter eigener Ausfüllung der Beurteilungs- und Ermessensspielräume zu treffen (vgl. EuGH, Urteil v. 18.10.2001, C-19/00 „SIAC Construction Ltd../.County Council of County of Mayo“, VergabeR 2002, 31, Rz. 44 f.; OLG Naumburg, Beschluss v. 26.02.2004, 1 Verg 17/03 „Versicherungsberater I“, VergabeR 2004, 387, in juris Rz. 69; zuletzt: OLG Karlsruhe, Beschlüsse jeweils v. 16.12.2020, 15 Verg 4/20 „Partnerschaft I“, VergabeR 2021, 367, in juris Rz. 26 ff., und 15 Verg 5/02 „Partnerschaft II“, unveröffentlicht).

Diese Verpflichtung im Außenverhältnis schließt es jedoch nicht aus, dass der Auftraggeber sich – z.B. im Hinblick auf unzureichende eigene Kapazitäten zur Erfüllung dieser Aufgaben oder mit dem Ziel der Professionalisierung – eines externen Mitwirkenden bedient und im Innenverhältnis zu diesem Dritten die Organisation der Vergabe der Einzelaufträge einschließlich der damit verbundenen Teilaufgaben vollständig überträgt. Mit dieser Übertragung kann er sich in den vorgenannten Außenverhältnissen nicht exkulpieren, weswegen er gehalten ist, die ihr obliegende Eigenverantwortung durch eine intensive Kontrolle und eine eigene finale Entscheidungsfindung wahrzunehmen. Ob bei einem an das Vergaberecht gebundenen öffentlichen Auftraggeber die zu erbringende Dienstleistung auch die zur Einhaltung des Vergaberechts notwendigen Einzelschritte umfasst, ist zivilrechtlich betrachtet eine Frage der Auslegung des Vertrags im Einzelfall (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.06.2014, I-17 U 5/14, VergabeR 2014, 837, in juris Rz. 22 f. für einen Projektsteuerungsvertrag; OLG München, Urteil v. 30.01.2001, 13 U 4744/00, BauR 2001, 981, in juris Rz. 6). In dem zuletzt genannten Streitfall hatte bereits das Landgericht festgestellt, dass sich der Planer nicht zu einer eingehenden rechtlichen Prüfung des Vergabe- und Zuwendungsverfahrens verpflichtet und dass er auf diese Einschränkung auch ausdrücklich hingewiesen hatte (ebenda, in juris Rz. 7 f.).

Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz, RDG) in der bis zum 30.09.2021 geltenden Fassung vom 12.12.2007 (künftig: RDG a.F.) einen entwicklungsoffenen Erlaubnistatbestand geschaffen, um den mitunter schnelllebigen Änderungen der verschiedenen Berufsbilder gewerblicher und freiberuflicher Dienstleister angemessen Rechnung zu tragen (vgl. Deckenbrock/Henssler in: Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl. 2021, § 5 Rn. 13 ff.). Danach sind Nichtjuristen Rechtsdienstleistungen erlaubt, welche im Zusammenhang mit einer anderen Dienstleistung stehen und unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des RDG als eine Nebenleistung zu bewerten sind. Maßgeblich ist, dass die Rechtsdienstleistung die Tätigkeit des Dienstleisters nicht insgesamt prägt und dass über die für die Haupttätigkeit erforderliche berufliche Qualifikation ein gewisser Mindestqualitätsstandard auch für die rechtliche Beratung als Nebenleistung gewährleistet ist (vgl. Deckenbrock/Henssler, a.a.O., § 5 Rn. 31 ff.). Unerheblich ist hingegen, ob die Rechtsdienstleistung zivilrechtlich als vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflicht einzuordnen ist (ebenda, Rn. 38 unter Verweis auf BT-Drs. 16/3655, S. 52).

Für Architekten, Ingenieure, Baubetreuer und Projektsteuerer war eine Zulässigkeit rechtsberatender Nebenleistungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren bereits unter dem systematisch engeren Regime des Rechtsberatungsgesetzes anerkannt (ebenda, § 5 Rn. 45 f.). Durch die Gesetzesänderung sind diese Befugnisse nicht verringert worden. In diesem Sinne ist die Übernahme der Organisation und Abwicklung des Vergabeverfahrens grundsätzlich eine zulässige Nebenleistung des Planers. Das kommt nicht zuletzt auch in der Beibehaltung der Beschreibung des Leistungsbildes in den LPh 6 und 7 nach § 34 Abs. 3 HOAI 2013 zum Ausdruck. Es kann im vorliegenden Fall offenbleiben, wo die Erlaubnis zur Ausführung von Rechtsdienstleistung endet, jedenfalls z.B. bei der Vertretung in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren oder bei der rechtlichen Beratung in zivilrechtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren. Die hier von der Klägerin als verletzt angesehenen Leistungspflichten betrafen jeweils die in den Grundleistungen nach § 34 i.V.m. Anlage 10.1 HOAI 2013 ausdrücklich aufgeführten Organisationsleistungen.

Dabei ist nicht die zunehmende Komplexität und Schwierigkeit des Vergaberechts zu verkennen, welche insbesondere durch die Einbeziehung strategischer und über einzelwirtschaftliche Belange hinausgehender Aspekte die tradierten Bereiche der planerischen Leistungen überschreitet. Es ist jedoch zuerst Sache der Vertragsparteien, in ihrem Vertrag ggf. individuell die Reichweite und die Grenzen der Rechtsdienstleistungen des Planers festzulegen – was jedenfalls im vorliegenden Fall nicht im Sinne einer Einschränkung des Aufgabengebietes der Beklagten geschehen ist -, und sodann eine Obliegenheit des Planers in eigenen Angelegenheiten, auf die Grenzen seiner Kompetenzen jeweils hinzuweisen, u.U. Bedenken anzumelden oder auf die zusätzliche Inanspruchnahme rechtsberatender Dienstleistungen, sei es innerhalb der Organisationsstrukturen der öffentlichen Hand, sei es extern durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts, hinzuwirken.

Vorlage von Referenzen als grundsätzlich geeigneter Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit anzusehen?

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Vorlage von Referenzen als grundsätzlich geeigneter Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit anzusehen?

Referenzen sind zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Bewerber grundsätzlich statthaft. Öffentliche Aufträge werden gemäß § 122 Abs. 1 GWB an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben. Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich die Befähigung und Erlaubnis zu Berufsausübung (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 GWB), die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (Nr. 2) und die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen. Sie müssen gemäß § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen (in Umsetzung von Art. 58 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie 2014/24/EU). Bei der Bestimmung dessen, was durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt und ihm angemessen ist, ist dem Auftraggeber ebenso wie bei der Prüfung der Eignung ein Entscheidungsspielraum zuzuerkennen, der einer lediglich eingeschränkten Nachprüfung der Nachprüfungsinstanzen auf Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums unterliegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Juni 2018, VII-Verg 4/18 mit weiteren Nachweisen). Relevant sind dabei unter anderem die Art und Komplexität des Auftrags sowie das Gewicht, das eine ordnungsgemäße Auftragserfüllung für den Auftraggeber hat (vgl. Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 122 GWB, Rn. 24 unter Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Juni 2018, VII-Verg 4/18).

Im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bewerber kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 VgV (in Umsetzung von Art. 58 Abs. 4 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU) Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Bewerber oder Bieter über die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie ausreichende Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können. Nach Art. 58 Abs. 4 Unterabsatz 2 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU können die öffentlichen Auftraggeber von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen, ausreichende Erfahrung durch geeignete Referenzen aus früher ausgeführten Aufträgen nachzuweisen. (Weitere) Nachweise für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit kann sich der Auftraggeber auf Basis der abschließenden Auflistung in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 11 VgV (entsprechend Art. 60 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU unter Verweis auf Anhang XII Teil II lit. a bis k) vorlegen lassen. Gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV (entspricht Anhang XII Teil II lit. a) kann sich der öffentliche Auftraggeber geeignete Referenzen über früher ausgeführte Aufträge in Form einer Liste der in den letzten höchstens drei Jahren erbrachten wesentlichen Liefer- oder Dienstleistungen mit Angabe des Werts, des Zeitpunkts sowie des Empfängers vorlegen lassen. Referenzen stellen dabei den zentralen Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit dar (vgl. Goldbrunner in: Ziekow, § 46 VgV Rn. 14). Die besondere Bedeutung von Referenzen ist bereits aus Art. 58 Abs. 4 Unterabsatz 2 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU abzuleiten, der den Nachweis ausreichender Erfahrung durch geeignete Referenzen eigens erwähnt und damit ausdrücklich hervorhebt. Im Unterschied dazu sind die übrigen Eignungsnachweise in Anhang XII Teil II lit. b bis k enthalten und „nur“ über den Verweis in Art. 60 Abs. 4 Richtlinie anwendbar.

Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren durch den öffentlichen Auftraggeber?

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren durch den öffentlichen Auftraggeber?

Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung durch den öffentlichen Auftraggeber kann nicht schematisch, sondern nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022, VII-Verg 15/22 sowie Beschluss vom 21. Dezember 2022, VII-Verg 37/22). 

Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen. Neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen können auch rein persönliche Umstände bestimmend sein (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022, VII-Verg 15/22 sowie Beschluss vom 21. Dezember 2022, VII-Verg 37/22).

Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörenden Vergaberegeln konzentriert.Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss sich der öffentliche Auftraggeber selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten. Umgekehrt kann die Beteiligung eines Rechtsanwalts notwendig sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfach gelagerte Rechtsfragen, insbesondere verfahrensrechtlicher oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als jener der Vergabeverordnungen zu entscheiden sind. Insoweit kann auch berücksichtigt werden, inwieweit die Vergabestelle über geschultes Personal und Erfahrung mit Vergabeverfahren verfügt. Schließlich kann auch der Gesichtspunkt der so genannten prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung einfließen.

Innovatives Markterkundungsverfahren für die kommunale Entsorgungswirtschaft

Erfolgreiches Vergabeverfahren zur Einführung einer Haftraumtelefonie in NW

von Thomas Ax

Kommunale Entsorgungsleistungen umfassen zB:

– Einsammlung und Transport von Restabfall

– Einsammlung und Transport von Bioabfall

– Behälterdienst für Rest- und Bioabfall sowie Altpapier

– Einsammlung und Transport von Sperrmüll

– Einsammlung und Transport von Gartenabfall.

Der Auftraggeber kann sinnvollerweise ein Markterkundungsverfahren gemäß § 28 VgV hinsichtlich der Einsammelleistungen von Abfällen durchführen.

Das Markterkundungsverfahren ist kein Vergabeverfahren gemäß den Vorgaben des GWB und der VgV. Das Markterkundungsverfahren dient der Entscheidungsvorbereitung, ob und in welcher Form zu einem späteren Zeitpunkt wettbewerbliche, transparente und gleichbehandelnde Vergabeverfahren durchgeführt werden. Es besteht kein Anspruch auf die spätere Durchführung eines Vergabeverfahrens oder auf eine bestimmte Berücksichtigung der Ergebnisse der Markterkundung. Die Unternehmen sind nicht an ihre Realisierungsvorschläge gebunden. Der Auftraggeber ist nicht an die Ergebnisse der Markterkundung gebunden. Bei dem Markterkundungsverfahren handelt es sich nicht um einen Beschaffungsvorgang, der bereits die Vergabe eines öffentlichen Auftrags bezweckt und/oder bewirkt.

Für das Markterkundungsverfahren sind folgende Rahmenbedingungen zu berücksichtigen:

– Die Interessenbekundung ist unter Verwendung der hierfür vorgesehenen Unterlagen einzureichen.

– Etwaige Anfragen sind über das elektronische Vergabeportal einzureichen,

– Die Teilnehmer des Verfahrens sind nicht an ihre Angaben und Aussagen gebunden,

– Eine Erstattung der Kosten, die den Teilnehmern durch die Bearbeitung in diesem Verfahren entstehen, ist ausgeschlossen,

– Unterlagensprache: Deutsch.

Interessenbekundungen sind unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars per Email oder über die Vergabeplattform einzureichen.