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KG, Urteil vom 24.09.2021 – 7 U 35/15 zur Beweislastumkehr bei gescheitertem gemeinsamen Aufmaß

KG, Urteil vom 24.09.2021 - 7 U 35/15 zur Beweislastumkehr bei gescheitertem gemeinsamen Aufmaß

1. Der Werklohnanspruch des Auftragnehmers wird unabhängig von einer förmlichen Abnahme fällig, wenn der Auftraggeber diese endgültig verweigert und sich darauf beschränkt, die Rechnung wegen aus seiner Sicht fehlender Prüfbarkeit anzugreifen und hilfsweise Schadensersatz wegen behaupteter Fertigstellungsmehrkosten geltend zu machen. In einem solchen Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis.
2. Prüfbar ist eine (Schluss-)Rechnung, wenn sie – gegebenenfalls unter Beifügung von Aufmaßen und anderen Unterlagen – nachvollziehbar angibt, welche Massen der Auftragnehmer für welche Positionen berechnet, welche Leistungen mit diesen Positionen gemeint sind und welcher Einheitspreis für sie angesetzt wird. Der Auftraggeber muss die Berechtigung der Forderung, gemessen an den vertraglichen Vereinbarungen, überprüfen können.
3. Um die tatsächliche Bauleistung zu ermitteln, bedarf es in der Regel des Aufmaßes. Das Aufmaß ist grundsätzlich vor Ort und nicht nur auf der Basis von Plänen zu nehmen.
4. Scheitert das vereinbarte gemeinsame Aufmaß, führt das nicht zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Auftragnehmers hinsichtlich der von diesem festgestellten Leistungsangaben, sondern diese verbleibt beim Auftragnehmer.
5. Eine Beweislastumkehr ist nur anzunehmen, wenn der Auftraggeber zu einem gemeinsamen Aufmaß aufgefordert wird, dieser aber die Teilnahme grundlos verweigert und ein neues Aufmaß nicht mehr möglich ist.
6. Eine vom Auftraggeber eines Bauvertrags formulierte Klausel, wonach von der Schlussrechnung des Auftragnehmers ein Betrag i.H.v. 0,27 % der Netto-Abrechnungssumme für Kosten der in Abzug gebracht wird, ist keine Preisnebenabrede und daher der AGB-Kontrolle entzogen.
7. Der Auftraggeber ist berechtigt, einen Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags unberechtigt und endgültig verweigert und es deshalb dem Auftraggeber nicht zugemutet werden kann, das Vertragsverhältnis fortzusetzen.
KG, Urteil vom 24.09.2021 – 7 U 35/15

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt als Subunternehmerin von der Beklagten, die ihrerseits als Subunternehmerin von der ### beauftragt war, Zahlung von Restwerklohn aus einem von der Beklagten vorzeitig gekündigten Bauvertrag vom 25. September 2009 über Montageleistungen an Fassade und Dach des Bauvorhabens Abfallverbrennungsanlage ###. Bauherrin war die Gemeinde ### mit der ### als Planungsunternehmerin. Die Parteien vereinbarten u.a. Einheitspreise und die Geltung der VOB Teile B und C.

Vor dem Landgericht Berlin hat die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 240.486,79 Euro nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 7.332,66 Euro geltend gemacht, die Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus Vertragsstrafe in Höhe von 3.693,38 Euro, aus Schadensersatz wegen Mehraufwand in Höhe von 218.206,53 Euro und aus Avalkosten in Höhe von 2.122,58 Euro erklärt.

Am 8. September 2014 hat das Landgericht die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Nach Einspruch hat das Landgericht der Klage unter Verrechnung der Avalkosten unter Abzug von 2.123,58 Euro (anstelle zutreffender 2.122,58 Euro) in Höhe von 68.894,33 Euro stattgegeben und die weitergehende Klage sowie die übrigen Hilfsaufrechnungen für unbegründet erachtet.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge sowie des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 26. Januar 2015 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 101 des Landgerichts Berlin – 101 0 174/13 – Bezug genommen. Gegen das den Parteien am 10. Februar 2015 zugestellte Urteil haben beide Parteien am 9. März 2015 Berufung eingelegt und diese nach einmaliger Verlängerung der Frist mit Berufungsbegründung vom 11. Mai 2015 begründet.

Die Klägerin trägt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen ergänzend vor, das Landgericht habe bezüglich der Rechnung ### (Anlage K 10) zu Unrecht Abzüge für Wasser und Strom in Höhe von 3.623,99 Euro sowie eine Bauleistungsversicherung in Höhe von 283,55 Euro vorgenommen. Bezüglich der Rechnung ### (Anlage K 12) habe das Landgericht zu Unrecht die Berechtigung der Kündigung aus wichtigem Grund, eine fehlende Prüffähigkeit der Rechnung und eine unzureichende Darlegung des Vergütungsanspruchs angenommen. Insbesondere habe es eine Vereinbarung zwischen den Parteien am ### 2010 gegeben, von einer Kündigung zunächst abzusehen.

Bezüglich der Rechnung ### (Anlage K 13) sei das Landgericht unter Verletzung der Hinweispflicht unzutreffend ebenfalls von einer nicht schlüssigen Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen.

Schließlich stehe ihr auch ein Anspruch auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten in einem Gesamtumfang von 7.332,66 Euro netto zu (Rechnungen Anlagen K 14 bis 24). Ferner sei die Begründung des Landgerichts hinsichtlich der Abnahme und der IFBS Richtlinie 8.01 fehlerhaft.

Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil gegen die Berufungsangriffe der Beklagten und tritt diesen im Einzelnen entgegen. Zutreffend sei es nicht zu einem gemeinsamen Aufmaß gekommen, weil die Beklagte die Vorlage sogenannter Rotstrichzeichnungen zur Voraussetzung erklärt habe. Das Landgericht habe aber zu Recht festgestellt, dass Ziff. 3.3 des Verhandlungsprotokolls keine Voraussetzungen für ein gemeinsames Aufmaß darstelle; dies ergebe sich insbesondere aus Ziffer 10.2, wonach die Rotstrichzeichnungen gerade nicht Voraussetzung für eine Abnahme sein sollten. Die Beklagte sei ihren Mitwirkungspflichten, die ihr, der Klägerin, die Erstellung der Rotstrichzeichnungen erst ermöglicht hätten, nicht nachgekommen.

Infolge der Kündigung sei sie, die Klägerin, auch nicht mehr zur Vorlage von Rotstrichzeichnungen verpflichtet. Ferner habe sie, die Klägerin, mit der Rechnung Nr. auch die der Rechnung zugrundeliegenden und von ihr erstellten Aufmaße beigefügt (K 11).

Die Behauptung der Beklagten, sie habe sämtliche Pläne bereits vor Vertragsunterzeichnung übergeben, sei unzutreffend. Die Pläne seien auch nicht bei der Unterzeichnung des Verhandlungsprotokolls übergeben worden. Die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. September 2016 vor dem Landgericht überreichten Pläne habe sie nie erhalten, vielmehr seien ihr die Zeichnungen lediglich elektronisch per E-Mail als PDF zur Verfügung gestellt worden.

Zutreffend habe das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte die für gerechtfertigt angesehene Rechnung geprüft habe und sich nicht auf fehlende Prüffähigkeit berufen könne. Nebenleistungen seien nur insoweit geschuldet und mit dem Preis gemäß § 2 VOB/B abgegolten, als sie in den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (AN)- DIN .18299 ff. in Abschnitt 4 (VOB/C) als solche genannt seien. Selbst wenn die Ausführungen der Beklagten zu den technischen Anforderungen an die Ausführung von Attiken und Ortgängen, bei Tropfprofilen an Attiken, für Fenster-, Tür- und Toreinfassungen bei Außenschalen, für Fenster, Türen und Tore, für Firste und Grate zuträfen, handele sich dabei aber nicht um Nebenleistungen im Sinne von Abschnitt 4 der VOB/C, die sie, die Klägerin, ohne gesonderte Vergütung hätte erbringen müssen.

Soweit die Beklagte hinsichtlich der Position 3 der Rechnung ### behaupte, im Bereich des Daches seien die Ausschnitte für die Rauch- und Wärmeabzugsanlagenöffnungen zu groß gewesen, habe die Beklagte die Ursache dafür gesetzt, weil sie ihr, der Klägerin, fehlerhafte Pläne mit fehlerhaften Angaben zur Größe der Ausschnitte sowie fehlerhaftes Material zur Verfügung gestellt habe.

Die Klägerin bestreitet schließlich auch die von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche sowie die Höhe der erweiternd geltend gemachten Avalprovisionen. Darüber hinaus bestünde keine Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen, da die Beklagte die Aufrechnung erklärt habe.

Weiter behauptet die Klägerin, Anschlussarbeiten durchgeführt zu haben. Es sei bereits nicht möglich, Kassetten und Trapezbleche ohne die Herstellung von Anschlüssen begleitend zu den Montagearbeiten ordnungsgemäß zu montieren.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts vom 26. Januar 2015 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen;

2. hilfsweise unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 26. Januar 2015 und unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts vom 8. September 2014 die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere

a. 169.468,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. April 2010 zu zahlen;

b. 7.332,66 Euro nebst Zinsen in Höhe .von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Februar 2014 zu zahlen;

3. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 26. Januar 2015 das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 8. September 2014 aufrechtzuerhalten;

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag ergänzend vor, das Landgericht habe zu Unrecht einen Zahlungsanspruch aus der Rechnung bejaht und sei ebenfalls zu Unrecht von einer Abnahme bzw. einem Abnahmeverzicht und der Prüffähigkeit der Rechnung ausgegangen. Sie, die Beklagte, habe lediglich eine Plausibilitätsberechnung vorgenommen. Eine förmliche Abnahme sei aufgrund des Verschuldens der Klägerin nicht erfolgt, denn zum einen habe die Klägerin entgegen 3.3 des Verhandlungsprotokolls die erforderlichen Rotstrichzeichnungen nicht vorgelegt, zum anderen habe sie beim gemeinsamen Termin keine Unterlagen für eine gemeinschaftliche Aufmaßerstellung mit sich geführt.

Allerdings habe sie, die Beklagte, ein Aufmaß erstellt, so dass die Maße beweisbar gesichert worden seien.

Hingegen habe die Klägerin ohne Aufmaß die Maße vollkommen willkürlich bestimmt. Auch die diesbezüglich angenommene Beweislastverteilung des Landgerichts sei unzutreffend. Entgegen der Behauptung der Klägerin seien dieser sämtliche Montagepläne vollständig übergeben worden, so dass sie die notwendigen Rotstricheintragungen hätte durchführen können.

Im Übrigen habe sie, die Beklagte, deutlich gemacht, dass es nie zu einer vollständigen Leistungserbringung gekommen sei und in jedem Montagebereich die erforderlichen Neben- und Abschlussarbeiten fehlen würden. Zwischen den Parteien sei die Ausführung der Fassadenverkleidung gemäß der IFBS-Richtlinie 8.01 und den gängigen technischen Vorschriften für Fassadenverkleidungen vereinbart worden, wozu auch ohne zusätzliche Erklärung im Leistungsverzeichnis zu Pos. 1-4 Eckbleche, Attikaverkleidungen, Regenabweiser usw. gehörten. Zu den Vertragsgrundlagen zähle auch die technische Beschaffungsunterlage der Firma Roll Inova – die sogenannte TBU -, die den Aufbau der Fassade klar beschreibe. Ferner habe sie auf die Unzulässigkeit der Unterteilung des Einheitspreises für die Gesamtleistung der Positionen 1 und 2 hingewiesen, den Positionen 2, 3 und 12 habe sie in Gänze widersprochen.

Da die Klägerin ihre Leistung nicht vollständig erbracht und auch die Unterlagen gemäß Ziffer 3.4 des Verhandlungsprotokolls nicht Vorgelegt habe, sei eine Schlusszahlung nicht fällig geworden. Dennoch habe sie der Klägerin eine Vergütung zugestanden, aber nicht entsprechend der von der Klägerin vorgenommenen Aufteilung des Einheitspreises, sondern unter Zugrundelegung einer von ihr, der Beklagten, angenommenen Aufteilung des Einheitspreises und ermittelten Aufmaße. Bei der Aufteilung des Einheitspreises sei auch kein anderer Einheitspreis angenommen worden, sondern in dem Preis von 50,61 Euro als Gesamtpreis seien die Montage von Kassetten (10,00 Euro), Dämmung (4,05 Euro), Trapezblechen (20,00 Euro) sowie die Anschlussarbeiten gemäß der IFBS-Richtlinie 8.01 (16,56 Euro) enthalten. Danach habe der Klägerin allenfalls ein Nettobetrag von 38.324,95 Euro (44.073,69 Euro brutto) zugestanden. Abzüglich der Kosten für Wasser und Strom, der Bauwesenversicherung und des Sicherheitseinbehalts sowie der unstreitig bereits geleisteten Zahlungen ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 5.416,20 Euro.

Unberücksichtigt habe das Landgericht gelassen, dass die Klägerin wesentliche Teile der Fassade mit Montage von Kassetten, Dämmung und Trapezblechen in Rechnung gestellt habe, obwohl aufgrund der örtlichen Gegebenheiten überhaupt nur eine Anbringung der Trapezbleche ohne Kassetten und Dämmung möglich gewesen sei.

Hinsichtlich der Position 3 habe sie unter Beweisantritt die Mangelhaftigkeit der Arbeiten vorgetragen, sodass feststehe, dass die Klägerin dafür keine Vergütung verlangen könne. Bezüglich der Position 12 verweise sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Dort seien ebenfalls Beweisangebote wegen der Nebenleistungen erfolgt.

Gegen die Forderung aus der Rechnung ### erklärt die Beklagte erneut hilfsweise die Aufrechnung mit eigenen Kosten zur Fertigstellung nach erfolgter Kündigung von insgesamt 192.015,43 Euro sowie wegen Kosten von Drittfirmen in Höhe von insgesamt 213.566,55 Euro. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf Seite 21 der Berufungsbegründung (Bd. II, Bl. 68) Bezug genommen. Sie mache mit dem entstandenen Schaden Kosten der Ersatzvornahme geltend und entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht Kosten wegen nicht rechtzeitiger Fertigstellung. Eine Pflicht zur Fristsetzung nach § 5 VOB/B entfalle, da aufgrund des durch die Klägerin schuldhaft verursachten Baustellenverweises eine Fertigstellung durch die Klägerin ausgeschlossen gewesen sei.

Gleichzeitig mache sie, die Beklagte, erweiternd neben den bereits vom Landgericht in Abzug gebrachten Avalprovisionen in Höhe von 2.123,58 Euro (geltend gemacht worden waren lediglich 2.122,58 Euro) weitere 3.090,60 Euro Avalprovisionen (für den Zeitraum 01. Juli 2014 bis 31. Dezember 2016, Bl. 9 Bd. III) nebst Verzugszinsen für die bereits berücksichtigten Provisionen in Höhe von 451,41 Euro (Bl. 8 Bd. III) geltend.

Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil gegenüber den Berufungsangriffen der Klägerin, tritt diesen im Einzelnen entgegen und erklärt auch insoweit hilfsweise die Aufrechnung mit obigen Gegenansprüchen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird, soweit es nicht wegen der besseren Übersichtlichkeit in den Entscheidungsgründen dargestellt wird, auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 16. Mai 2017 (Bd. III, Bl. 118 f.), 27. März 2018 (Bd. III, Bl. 198) und vom 29. September 2020 (Bd. V, Bl. 89 f.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. ### vom 9. Januar 2018, vom 8. Juni 2018 und vom 17. März 2021 sowie bezüglich seiner mündlichen Anhörung auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 14. Juni 2019 (Bl. 74 ff. Bd. V) und vom 24. August 2021 (Bd. VI, Bl. 40 ff.) Bezug genommen.

Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ### sowie ### und ### aufgrund des Beschlusses des Senats vom 28. Juni 2019. Wegen des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vorn 28. Juni 2019 (Bl. 77 Bd. IV d.A.), 8. Oktober 2019 (Bl. 156 ff. Bd. IV) und vom 11. August 2020 (Bl. 44 ff. Bd. V) verwiesen.

II.

Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und damit des erkennenden Gerichts zur Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit ist gegeben. Ungeachtet des Wortlauts der Regelung des § 513 Abs. 2 ZPO ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in jedem Stadium des Verfahrens, mithin auch im Rechtsmittelverfahren durch das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Mai 2018 – 7 U 112/17). Auf das Vertragsverhältnis ist, wie das Kammergericht in dem vorangegangenen Verfahren zum Geschäftszeichen 21 U 174/20 und der Bundesgerichtshof nachgehend in dem Verfahren VII ZR 349/21 erkannt haben, deutsches Recht nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGGVG anwendbar, da sich die Parteien dem deutschen materiellen Recht unterworfen haben.

Im Übrigen ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte jedenfalls gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGWO infolge einer rügelosen Einlassung der Beklagten begründet worden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZR 15/05, NJW 2007, 3501 [3502]).

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind gemäß § 511 ff. ZPO zulässig und dabei insbesondere rechtzeitig eingelegt und nach einmaliger Fristverlängerung auch fristgerecht begründet worden.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, die Berufung der Beklagten ist begründet.

Sofern das Landgericht rechtsfehlerhaft angebotene Beweiserhebungen nicht durchgeführt hat, hat der Senat diese nachgeholt (§ 538 Abs. 1 ZPO). Eine Zurückverweisung an das Landgericht kam demgemäß nicht in Betracht.

Auf das Rechtsverhältnis finden die Vorschriften des BGB in der bis Ende 2017 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 39 EGBGB) sowie die VOB/B (2006).

1. Rechnung ###

Die Rechnung ### vom ### 2019 (Anlage K10 und geprüfte Fassung Anlage B10) ist Gegenstand beider Berufungen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zu dieser Position die Zahlung von 74.924,55 Euro begehrt, wovon das Landgericht 71.017,91 Euro als begründet angesehen hat. Soweit das Landgericht davon die als begründet angesehene Hilfsaufrechnung mit den Avalkosten in Höhe von 2.123,58 Euro (zutreffend: 2.122,58 Euro) hat durchgreifen lassen, greift die Klägerin dies mit der Berufung nicht an und begehrt nur noch den weiteren vom Landgericht abgewiesenen Betrag wegen der Verrechnung mit den vereinbarten Umlagen von 3.623,09 Euro (3 % der Bruttoschlussrechnungssumme für Wasser und Strom) und 283,55 Euro (0,27 % der Nettoabrechnungssumme für Bauleistungsversicherung). Die Beklagte greift mit ihrer Berufung den für begründet angesehenen Teil insgesamt an.

Außerdem macht sie mit ihrer Berufung weitere Avalprovisionen in Höhe von 3.090,60 Euro geltend.

Soweit das Landgericht die Fälligkeitsvoraussetzungen der Werklohnforderung der Klägerin bejaht hat, bleibt das Vorbringen der Beklagten im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Unstreitig ist das Werk von der Beklagten nicht wie vereinbart förmlich abgenommen worden. Soweit das Landgericht gleichwohl unter dem Gesichtspunkt des beiderseitigen Verzichts auf die förmliche Abnahme von einer Abnahme spätestens seit März 2010 ausgegangen ist, kann dies und die Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu einer stillschweigenden Abnahme (BGH, Urteil vom 13. Juli 1989, Az. VII ZR 82/88, NJW 1990, 43 [44]; BGH, Urteil vom 3. November 1992, Az. X ZR 83/90, NJW 1993, 1063 [1064]) auf die Abnahme nach Kündigung zu übertragen ist, dahinstehen.

Denn vorliegend ist der Werklohnanspruch der Klägerin unabhängig von einer förmlichen Abnahme deshalb fällig, weil die Beklagte diese endgültig verweigert und sich in der Berufungsinstanz darauf beschränkt, die Rechnung wegen der aus ihrer Sicht fehlenden Prüffähigkeit anzugreifen und hilfsweise Schadensersatz wegen der Fertigstellungskosten geltend zu machen. In einem solchen Fall wird der Werklohnanspruch auch ohne Abnahme fällig (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007, Az. VII Z BGH, Urteil vom 13. Juli 1989, Az. VII ZR 82/88, NJW 1990, 43 [44]R 183/05, NJW 2008, 511 [515]). Es entsteht ein Abrechnungsverhältnis, bei dem sich der Werklohn auf der einen Seite und auf Zahlung gerichtete Gewährleistungsansprüche auf der anderen Seite verrechenbar (Minderung) oder aufrechenbar (Kostenerstattung, Schadenersatz) gegenüberstehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002, Az. VII ZR 315/01, NJW 2003, 288; BGH, Urteil vom 23. Juni 2005, Az. VII ZR 197/03, NJW 2005, 2771 [2772]; BGH, Urteil vom 11. Mai 2006, Az. VII ZR 146/04, NJW 2006, 2475 [2476)).

b) Die Rechnung ist entgegen der Ansicht der Beklagten prüffähig. Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die Beklagte die Rechnung auch tatsächlich geprüft hat. Der Einwand der Beklagten, sie habe lediglich eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen, greift nicht durch. Insbesondere aus ihrem bereits erstinstanzlich ins Feld geführten Vorbringen (Duplik vom 20. August 2014, Bl. 148 ff. Bd. I d. A.) ergibt sich, dass die Beklagte die einzelnen Rechnungspositionen einer Überprüfung unterzogen hat, weshalb sich nicht erschließt, was die Beklagte unter einer Plausibilitätskontrolle versteht. Außerdem hat die Beklagte die tatsächlichen Feststellungen hierzu in dem angefochtenen Urteil (UA S. 3) nicht angegriffen, nach denen eine Rechnungsprüfung durch sie stattgefunden habe.

Im Übrigen gilt Folgendes:

Prüfbar i. S. d. § 14 Nr. 1 VOB/B ist die Rechnung, wenn sie – ggf. unter Beifügung von Aufmaßen und anderen Unterlagen – nachvollziehbar angibt, welche Massen der Auftragnehmer für welche Positionen berechnet, welche Leistungen mit diesen Positionen gemeint sind und welcher Einheitspreis für sie angesetzt wird. Eine prüffähige Abrechnung setzt voraus, dass der Besteller die Berechtigung der Forderung, gemessen an den vertraglichen Vereinbarungen, überprüfen kann. Die Voraussetzungen, unter denen diese Prüfung möglich ist, hängen von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999, Az. VII ZR 399/97, NJW 1999, 1867 [1868]). In vielen Fällen sind Aufmaßzeichnungen erforderlich, um dem Auftraggeber die Feststellung zu ermöglichen, worauf sich bestimmte Aufmaßblätter bzw. Aufmaßberechnungen beziehen (vgl. KG, Urteil vom 9. Juni 2009, Az. 21 U 182/0). Die Prüffähigkeit der Schlussrechnung ist aber kein Selbstzweck, sondern richtet sich danach, in welchem Umfang der Besteller im Einzelfall des Schutzes nach § 14 Nr. 1 VOB/B bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2005, Az. X ZR 191/02, NJW-RR 2005, 1103). Außerdem ist der Teil der Forderung fällig, der prüfbar abgerechnet ist und der nach Abzug der Abschlags- und Vorauszahlungen verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003, Az. VII ZR 288/02, NJW-RR 2004, 445 [446]). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist von einer Prüffähigkeit auszugehen.

c) Um die tatsächliche Bauleistung zu ermitteln, bedarf es in aller Regel zunächst des Aufmaßes. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass das Aufmaß grundsätzlich vor Ort und nicht nur auf der Basis von Plänen zu nehmen ist. Das von den Parteien beabsichtigte gemeinsame Aufmaß ist unstreitig gescheitert.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt dies allerdings nicht zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Auftragnehmers hinsichtlich der von diesem festgestellten Leistungsangaben, sondern diese verbleibt beim Auftragnehmer. Zwar ist eine Beweislastumkehr anzunehmen, wenn der Auftraggeber zu einem gemeinsamen Aufmaß aufgefordert wird, dieser aber die Teilnahme grundlos verweigert und ein neues Aufmaß nicht mehr möglich ist (BGH, Urteil vom 22. Mai 2003, Az. VII ZR 143/02, NJW 2003, 2678; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Rn 1449 mwN).

Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

Unstreitig sind beide Parteien zum Termin erschienen. Die Beklagte hat das gemeinsame Aufmaß auch nicht grundlos verweigert. Denn selbst wenn die Behauptung der Klägerin zutreffen sollte, die Beklagte habe die Vorlage von “Rotstrichzeichnungen” gemäß Ziffer 3.3 des Verhandlungsprotokolls zur Voraussetzung des Aufmaßes gemacht, wäre hierin keine grundlose Verweigerung des Aufmaßes zu erblicken.

Zunächst stellt die Vorlage von Rotstrichzeichnungen vorliegend keine unmittelbare Voraussetzung der Abnahme dar, da sie unter Ziffer 10 des Verhandlungsprotokolls gerade nicht aufgeführt ist. Allerdings sind nach Ziffer 3.3 des Protokolls die Rotstrichzeichnungen sieben Werktage vor Abnahme einzureichen. Auch wenn die Abnahme nicht gleichzusetzen ist mit dem Aufmaß, so wird hierin deutlich, dass den Rotstrichzeichnungen besondere Bedeutung zukommt und für die Prüfung der tatsächlichen Ausführungen wesentlich sind. Die Verpflichtung zur Vorlage der Rotstrichzeichnungen ist auch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch die Kündigung entfallen.

Dabei kann jedenfalls in diesem Punkt die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Beklagte ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und die Montagepläne entsprechend Ziffer 3.1 in “ausgeplotteter” Form zur Verfügung gestellt hat, dahinstehen. Denn selbst nach dem Vortrag der Klägerin sind ihr die Pläne elektronisch im Format DIN A4 übermittelt worden. Es wäre ihr daher zumindest möglich gewesen, die entsprechenden Rotstricheintragungen darin vorzunehmen und der Beklagten vor dem Termin zu übermitteln bzw. diese spätestens zum Aufmaßtermin mitzuführen. Das hat die Klägerin jedoch unstreitig nicht getan, sondern die Rotstrichzeichnungen erst mit der Rechnung als Anlage übermittelt. Eine Verweigerung des Aufmaßes unter diesen Voraussetzungen durch die Beklagte war damit nicht grundlos, so dass die Klägerin beweispflichtig für die von ihr erbrachten Leistungen bleibt. Fehlt es an einem gemeinsamen Aufmaß, hat der Auftragnehmer vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die in der Rechnung geltend gemachten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind (Werner/Pastor, aaO Rn. 1449 f.).

Das von der Klägerin vorgelegte Aufmaß (Anlage K 11) ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar und wird von der Beklagten bestritten. Die Klägerin bezieht sich lediglich auf ihr Aufmaßergebnis in den Anlagen K 10 und K 11, aus denen sich insbesondere die umstrittenen farbigen Eintragungen (Rotstrichzeichnungen) nicht ergeben. Es ist ihren eingereichten Schwarz/Weiß-Kopien nicht zu entnehmen, welche Bereiche konkret bearbeitet worden sein sollen und wie sie ihre Flächenergebnisse errechnet hat. Damit hat die Klägerin nicht die Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag erfüllt. Denn ein für das Aufmaß darlegungspflichtiger Werkunternehmer hat nach allgemeiner Auffassung Tatsachen vorzutragen, die dem Gericht gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen ermöglichen, die für die Ausführung angefallene Mindestvergütung zu schätzen (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 13. Juli 2006 – VII ZR 68/05; Werner/Pastor, aa0, Rn 1508 mwN).

Hieran fehlt es bereits, weshalb auch keine Beweisaufnahme über die klägerseits behaupteten Maße durchzuführen war, soweit diese über die beklagtenseits eingeräumten Maße hinausgingen.

Vorliegend hat die Klägerin lediglich Zeugen für das von ihr erzielte “Messergebnis” zu den von ihr erbrachten Leistungen benannt, ohne vorzutragen, auf welchen tatsächlichen Wahrnehmungen und/oder welchen Handlungen und dabei gemachten Wahrnehmungen die Zeugen tätig geworden sind und das Bauvorhaben beobachtet haben, um hierzu nachprüfbare Tatsachenangaben machen zu können.

Die Vernehmung der Zeugen wäre demnach auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.

Demgegenüber hat die Beklagte ihr Aufmaß (Anlagen BK 10 und BK 11) nachvollziehbar dargelegt, weshalb der Senat im Grundsatz von diesen Maßen ausgegangen ist.

d) Zwischen den Parteien ist die Aufteilung des vereinbarten Einheitspreises von 50,61 Euro für die Positionen 1 und 2 dieser Rechnung streitig. Während die Klägerin bei der Montagepreiskalkulation für eine Zusammensetzung in drei Leistungsbereiche streitet (30,37 Euro Kassetten + 4,05 Euro Dämmung + 16,19 Euro Trapeze), behauptet die Beklagte, dass in dem Einheitspreis die Montage von Kassetten (10,00 Euro), Dämmung (4,05 Euro) und Trapezblechen (20,00 Euro) sowie die Anschlussarbeiten (Montage Eck-, Kant- und Tropfprofile) gemäß IFBS-Richtlinie 8.01 (16,56 Euro) enthalten seien, welche die Klägerin auch ohne zusätzliche Erklärung im Leistungsverzeichnis hätte erbringen müssen, aber nicht erbracht habe.

Der Senat legt den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag unter Berücksichtigung der vereinbarten Montage nach Maßgabe der Vorschriften der IFBS-Richtlinie 8.01, der Vorgaben in der E-Mail vom ### 2009 (Anlage BK 14) und des danach überarbeiteten Angebots vom ### 2009, das Grundlage der Auftragserteilung war, dahingehend aus, dass die zu den Positionen 1 und 2 ausgewiesenen Einheitspreise auch die Montage aller Eck-, Kant- und Tropfprofile (Bsp. Tür- und Fensterrahmen, Fassadenecken, Attikaabdeckungen usw.) umfassen. So hat die Beklagte in der E-Mail vom ### 2009 (Bd. III Bl. 95 d.A.) um ein überarbeitetes Angebot der Klägerin gebeten, in der u.a. berücksichtigt werden sollte, dass das Angebot die Montage aller Eck-, Kant- und Tropfprofile enthalten sollte. Ausweislich der Auftragserteilung durch die Beklagte mit Schreiben vom ### 2009 (Anlage K3) ist das daraufhin überarbeitete Angebot vom ### 2009 Grundlage des Auftrags geworden. Die insofern gleichlautenden Beschreibungen der Leistungspositionen 1 und 2 des Leistungsverzeichnisses enthalten jeweils den Zusatz “Inkl. aller allgemeinen verlegetechnischen Vorschriften der IFBS-Richtlinie 8.01“. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte in der benannten E-Mail vor Auftragserteilung ausdrücklich klargestellt hatte, dass das Angebot die Montage der Anschlussarbeiten enthalten sollte und in der entsprechenden Position in dem Leistungsverzeichnis der Hinweis auf die verlegetechnischen Vorschriften der IFBS-Richtlinie 8.01 enthalten ist, ist der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag so auszulegen, dass die in der in der IFBS-Richtlinie 8.01 aufgeführten Anschlussarbeiten ebenfalls geschuldet und von dem Einheitspreis umfasst waren, auch wenn diese nicht explizit im Leistungsverzeichnis aufgeführt waren.

Diese Anschlussarbeiten hat die Klägerin unstreitig nicht erbracht.

Soweit die Klägerin bestreitet, dass sie die Eck-, Kant- und Abschlussarbeiten nicht vorgenommen habe (Bd. IV, Bl.55), handelt es sich um neuen Vortrag, den sie nicht hinreichend substantiiert hat. Die Klägerin hat in erster Instanz und zunächst auch in zweiter Instanz vorgetragen, die Herstellung von Ecken der Fassaden, Akttika-Verkleidungen und Regenabweiser seien nicht Gegenstand der beauftragten Leistung gewesen (Bd.l, Bl. 101, 107; Bd. II, Bl. 143; Bd. III, Bl. 46 ff.) und daher auch nicht im Einheitspreis enthalten, weshalb sie diese auch nicht ohne gesonderte Vergütung hätte erbringen müssen. Damit ist es bereits als unstreitig anzusehen, dass sie die streitgegenständlichen Anschlussarbeiten nicht ausgeführt hat. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021 (Bd. V Bl. 175 d.A.) eingewandt hat, es sei auch gar nicht möglich, Kassetten und Trapezbleche ohne die Herstellung von Anschlüssen ordnungsgemäß zu montieren, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Die Beklagte ist diesem Einwand substantiiert entgegengetreten (Bd. V Bl. 193 d.A.), indem sie ausgeführt hat, dass die fehlenden Anschluss- und Eckarbeiten gemäß der IFPS-Richtlinie unabhängig von den vorausgehenden Montagearbeiten der Kassetten-, Wärmedämmungsverlegungen und Montage der Trapezprofile seien, weshalb die Montage dieser Arbeiten durchgeführt werden könnten, ohne dass hierfür Eckanschlüsse vorab gefertigt werden müssten. Dies hat auch der Sachverständige in der mündlichen Erläuterung seines Ergänzungsgutachtens vom 17. März 2021 im Termin am 24. August 2021 bestätigt (Bd. VI Bl. 41 d.A.).

Auch der Einwand der Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Mai 2021 (Bd. V Bl. 175 f.), es sei nicht unstreitig, dass sie die Anschlussarbeiten nicht ausgeführt habe, weil sie in den Bereichen, in denen sie die Montage ausgeführt habe, Dichtbänder eingebaut habe, was ohne Ausführung von Anschlussarbeiten nicht möglich gewesen sei, verhilft der Berufung der Klägerin nicht zum Erfolg. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten hierzu mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021 (Bd. V Bl. 192 ff.) handelt es sich hierbei um Befestigungsmaßnahmen, ohne die eine Montage zwar in der Tat nicht möglich sei, aber eben nicht um Anschlussarbeiten. Dies hat auch der Sachverständige in der mündlichen Erläuterung seines Ergänzungsgutachtens bestätigt. Der Sachverständige hat hierzu nachvollziehbar und überzeugend angegeben, und auch in diesem Punkt schließt sich der Senat den Angaben des Sachverständigen nach eigener Prüfung an, dass das Anbringen der Dichtbänder eindeutig zu den Montagearbeiten und nicht zu den Anschlussarbeiten gehöre, -und das Anbringen von Dichtbändern zur Erbringung der Montageleistungen gehöre. Es gebe lediglich bei den Anschlussarbeiten “immer wieder” Stellen, wo Dichtbänder angebracht werden müssten.

Zu der Frage, welche Anteile bei der Herstellung der Metallfassade die einzelnen Teilleistungen am Gesamtaufwand und somit am Einheitspreis von 50,61 Euro/m2 haben, hat das Gericht entsprechend der Beschlüsse vom 16. Mai 2017 (Bd. II, Bl. 116 f.) und 27. März 2018 (Bd. III, Bl. 198) und 29. September 2020 (Bd. V. Bl. 89 f.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Dabei steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zweifelsfrei für den Senat fest (§ 286 ZPO), dass die einzelnen Teilleistungen bei der Herstellung der Metallfassade bei den Positionen 1 und 2 der Rechnungen wie folgt zu bewerten sind:

Montage Kassetten

13,59 Euro

Herstellen Anschlüsse Kassetten

6,65 Euro

Verlegung Wärmedämmung

4,05 Euro

Montage Trapezprofile

19,67 Euro

Herstellen Anschlüsse Trapezprofile

6,65 Euro

Soweit der Sachverständige Dr.-Ing. ### zunächst in seinen schriftlichen Gutachten vom 9. Januar 2018 und 8. Juni 2018 (und auch im zweiten Ergänzungsgutachten vom 17. März 2021) zu einer anderen Aufteilung des Einheitspreises (Montage Kassette 20,24 Euro/m2, Verlegen Wärmedämmung 4,05 Euro/m2 und Montage Trapezblech 26,32 Euro/m2) gekommen ist, waren diese nicht zugrunde zu legen, weil der Sachverständige bei dieser Berechnung noch nicht die Leistungsanteile unter Berücksichtigung des Anteils der Fassadenanschlüsse an Ecken, Wänden, Dächern, Öffnungen etc. im Verhältnis zur abrechenbaren Fassadefläche berücksichtigen konnte, die – wie bereits ausgeführt – vertraglich geschuldet und als Teilleistungen von der Klägerin nicht erbracht worden sind.

Dabei hat der Sachverständige auf S. 5 in seinem Ergänzungsgutachten vom 8. Juni 2018 ausgeführt, dass grundsätzlich für nicht erbrachte Teilleistungen (Anschlüsse) aus baubetrieblicher Sicht Abzüge vorzunehmen seien. Eine präzise Bewertung der Leistungen unter Berücksichtigung des Anteils der Fassadenanschlüsse an- Ecken, Wänden, Dächern, Öffnungen etc. im Verhältnis zur abrechenbaren Fassadenfläche war ihm in den ersten beiden Gutachten vom 9. Januar und 28. Juni 2018 jedoch nicht möglich, weil die Beurteilung ohne Einbeziehung der durch die Beklagte zur Verfügung gestellten maßstäblichen Zeichnungen erfolgte und das Bausoll damit nicht genau definierbar war.

Soweit die Klägerin insoweit bestritten hat, dass ihr diese Pläne zur Angebotsbearbeitung vorgelegen haben, ist dieses Bestreiten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) widerlegt, weshalb diese Pläne der weiteren Beweiserhebung durch das zweite Ergänzungsgutachten des Sachverständigen ### vom 17. März 2021 aufgrund des Beschlusses des Senats vom 29. September 2020 zugrunde gelegt worden sind.

Die Zeugen ### und ### haben bei ihrer Vernehmung vor dem Senat im Termin vom 8. Oktober 2019 (Bl. 156 ff. Bd. IV) zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) nachvollziehbar und widerspruchsfrei und damit glaubhaft angegeben, auf dem streitgegenständlichen Bauvorhaben in Luxemburg als Bauleiter (Zeuge ###) bzw. als rechte Hand desselben (Zeuge ###) eingesetzt gewesen zu sein und über Zeichnungen verfügt und diese mit dem Geschäftsführer der Klägerin durchgesprochen zu haben. Bei diesen Zeichnungen habe es sich um die Montagepläne der Anlagen BK 13 a, BK 13 b und BK 13 c gehandelt. Die Übergabe der Montagepläne an den Geschäftsführer der Klägerin sei nach Baufortschritt jeweils im Baubüro erfolgt. Der Zeuge ### ergänzte seine Bekundungen weiter dahingehend, dass er selbst beobachtet habe, dass Mitarbeiter der Klägerin diese Montagepläne auf der Rüstung benutzt hätten. Der Zeuge ### führte weiter glaubhaft und nachvollziehbar aus, dass es sich um Fassadenzeichnungen gehandelt habe, deren genauen Inhalt er zwar nicht mehr erinnere, aber ohne die die streitgegenständlichen Arbeiten gar nicht hätten ausgeführt werden können. Er konnte sich darüber hinaus auch – genauso wie der Zeuge ### – daran erinnern, dass die Zeichnungen mit den Mitarbeitern der Klägerin auf der Rüstung durchgesprochen worden seien, wobei er präzisierte, dass es sich dabei vornehmlich um die ebenfalls in der Sitzung vom 11. August 2020 (Bl. 44 ff. Bd. V) vor dem Senat vernommenen Zeugen ### gehandelt habe, da diese bei der Klägerin als Bauleiter beschäftigt gewesen seien.

In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin unstreitig stellt, dass sie vor und während der Bauausführung per E-Mail Pläne im Datenformat PDF übersendet bekommen hat, so dass ihr diese bekannt waren, wenn auch, wie sie behauptet, ohne maßstäblich übertragbare Maßangaben (Bd. III, Bl. 142). Dass eine Übersendung von Planungsunterlagen per E-Mail mit PDF-Dateien von Beklagten- an Klägerseite stattgefunden hat, hat auch die Zeugin ### bei ihrer Vernehmung vor dem Senat in der Sitzung vom 11. August 2020 (Bl. 44 ff. Bd. V) bestätigt. Diese gab darüber hinaus weiter an, dass sämtlicher Schriftverkehr über ihren Schreibtisch als Geschäftsführerin gegangen sei und “sie“, die Klägerin, sukzessive Teile von Plänen im DIN-A-4-Format erhalten habe, die teilweise gefaxt und zeitweise per E-Mail im PDF-Format übersandt worden seien. Die Pläne der Anlage BK 13a bis 13c seien der Klägerin erst nach der Kündigung übergeben worden. Die gefaxten oder auch zuvor übergebenen Pläne seien Teilausschnitte davon. Ob diese in der Summe die großen Pläne ergeben würden, wisse sie nicht. Große Ausführungszeichnungen hätten sie nicht erhalten, insbesondere habe sie der Geschäftsführer der Klägerin nicht mitgebracht. Vor der Kündigung des Vertrages sei sie nicht regelmäßig bei Besprechungen im Baubüro anwesend gewesen. Im Büro der Baustelle sei zwar ein Plotter vorhanden gewesen, dieser habe jedoch zeitweise nicht funktioniert. Sie glaube, es ausschließen zu können, dass geplottete Pläne von Herrn ### an ihren, der Zeugin, Vater, dem Geschäftsführer der Klägerin, übergeben worden seien. Sie habe in dem Zusammenhang auch angeregt, dass die Pläne durch den Bauleiter der Kundin in einem anderen Baubüro hätten ausgeplottet werden können, was abgelehnt worden sei. Anhand der kleinen Pläne seien die Arbeiten ausgeführt worden oder es sei ohne Pläne vorgearbeitet worden. Das Fehlen der ausgeplotteten Pläne sei per E-Mail und telefonisch von ihr beanstandet worden. Die ihr vorgehaltenen Pläne der Anlage BK 13 a bis 13c hätten erst nach der Kündigung vorgelegen.

Sofern die Zeugen ### zu dieser entscheidungserheblichen Frage in der Sitzung vom 11. August 2020 (Bl. 44 ff. Bd. V) vernommen worden sind, waren deren Angaben unergiebig, da sie zu den entscheidungserheblichen Tatsachen ihrem Bekunden nach keine Erinnerung (mehr) hatten, was angesichts des inzwischen mehr als zehn Jahre zurückliegenden Zeitraums und der Angabe des Zeugen ###, nach der er seitdem auf etwa 300 Baustellen als Bauleiter gearbeitet hat, durchaus lebensnah erscheint. Beide Zeugen hatten auch keinerlei Erinnerung daran, ob es Probleme mit der Bauausführung und/oder Übergabe von Montageplänen gegeben habe.

Im Übrigen bleibt die Klägerin die Erklärung schuldig, wie sie überhaupt ein Angebot hat erstellen und in der Folge die Arbeiten hat ausführen können, wenn ihr die Pläne nicht vorlagen.

Die Zeugin ### konnte hierzu auch keine eigenen Wahrnehmungen wiedergeben, sondern äußerte letztlich lediglich Vermutungen, denn aufgrund ihrer Angaben steht bereits fest, dass sie bei Besprechungen auf der Baustelle nicht regelmäßig anwesend gewesen ist und schon deshalb aus eigener Wahrnehmung hierzu nichts zu bekunden hatte.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat für die Aufteilung des Einheitspreises der Positionen 1 und 2 die Feststellungen des Sachverständigen Dr.-Ing. ### in seinem. 2. Ergänzungsgutachten vom 17. März 2021 zugrunde gelegt (vgl. Tabelle 5: Zusammensetzung Einheitspreis, S. 9 des Gutachtens).

Die Aufteilung des Einheitspreises und die gutachterlichen Ausführungen sind alle in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Die Klägerin greift diese auch nicht substantiell an. Die Beklagte bezeichnet die Ausführungen des Sachverständigen in ihrer letzten Stellungnahme zu dem zweiten Ergänzungsgutachten (Bl. 183 f. Bd. V) ausdrücklich als zutreffend. Mit zutreffenden und nachvollziehbaren Erwägungen, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht, kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass bei einem (unstreitigen) Einheitspreis von 50, 61Euro/m2 ein Abzug bei den abgerechneten Leistungen für nicht erbrachte Teile von insgesamt 13,30 Euro/m2 für fehlende Anschlussarbeiten bei Kassetten- und Trapezprofilanschlüssen von jeweils 6,65 Euro vorgenommen werden müsse (vgl. Seite 8 f. des Ergänzungsgutachtens vom 17. März 2021).

Soweit die Klägerin den vom Sachverständigen festgesetzten Anteil für den Aufwand der Montage der Kassetten in Höhe von 40 % der Gesamtleistung (= 20,24 Euro/m2) in Zweifel zieht und insbesondere einen Mehraufwand aufgrund Verwendung einer Hebeeinrichtung behauptet, hat der Sachverständige hierzu in seinem Ergänzungsgutachten vom 8. Juni 2018 bereits plausibel und nachvollziehbar Stellung genommen und darauf verwiesen, dass das verwendete Hebegerät nicht relevant sei, da sich ein eventueller Mehraufwand auf alle Teilleistungen gleich auswirke.

Hieraus kann die Klägerin mithin keine für sie günstigen Folgen ableiten.

Sofern die Klägerin weiter die von dem Sachverständigen angestellten Berechnungen und Berechnungsgrundlagen in ihrem Schriftsatz vom 14. Mai 2021 (Bl. 172 ff. Bd. V d.A.) angegriffen und Ergänzungsfragen formuliert hat, auf die der Senat Bezug nimmt, sind diese durch die erneute Anhörung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. August 2021 (Bl. 41 ff. Bf. VI d. A.) aufgeklärt worden. Insoweit hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, und der Senat schließt sich den zutreffenden Erwägungen nach eigener Prüfung an, dass es sich bei dem Baupreislexikon welches durch die Firma ### herausgegeben werde, nicht um ein Technikregelwerk handele, sondern um ein Kalkulations-Tool, mit welchem die Löhne und Preise nahezu tagesaktuell ermittelt werden könnten. Er selbst habe bei seiner Kalkulation, insbesondere was die Abzüge für die nicht erbrachten Teile der streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin anginge, jedoch nicht auf das Baupreislexikon zurückgegriffen, sondern lediglich die dort dargestellten Aufwandswerte genutzt. In diesem Punkt würden sich auch keine Unterschiede ergeben, sondern europaweit derselbe Aufwand anfallen. Der Standort des Bauvorhabens in ### spielt nach alldem also keine Rolle für die Preisfindung.

Dies überzeugt nach Auffassung des Senats insbesondere deshalb, weil es, wie der Sachverständige weiter zutreffend ausführt, vorliegend lediglich um die Lohnkosten zwecks Aufschlüsselung des fest vereinbarten Einheitspreises ging, den die Parteien als solchen auch nicht angreifen. Alternative Erkenntnisquellen zur Baupreisfindung würden nach den Angaben des Sachverständigen zwar existieren, allerdings würden sich diese in der Regel nur auf Rohbauleistungen beziehen, und nicht auf Fassaden. Im Übrigen sei das Baupreislexikon schon allein deshalb bei der Preisbildung vorzuziehen, weil es im Gegensatz zu gedruckten Regelwerken nahezu tagesaktuell sei.

Die Klägerin behauptet darüber hinaus auch weiteren Mehraufwand, weil ein Austausch der C-Profile durch U-Profile erforderlich geworden sei (Bd. 111, Bl. 174 d.A.) und die Kassetten entgegen der Leistungsbeschreibung nicht mit Bolzen, sondern mittels der Herstellung von Langlöchern an der Fassade montiert worden seien (Bd..111, Bl. 174/175).

Hierzu gilt Folgendes:

Die von der Klägerin behaupteten Abweichungen vom Leistungsverzeichnis würden Preisgrundlagenänderungen nach § 2 Abs. 5 VOB/B darstellen, für die ein neuer Preis hätte vereinbart werden können. Dass die Klägerin dies jemals verlangt hat, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, so dass dieser behauptete Mehraufwand, wenn es ihn denn tatsächlich gegeben hat – die Beklagte bestreitet dies -, nicht im Rahmen des Anteils für den Aufwand der Montage der Kassetten zu berücksichtigen ist.

e) Bei Zugrundelegung der von dem Sachverständigen ermittelten Aufteilung der Einheitspreise für die Positionen 1 und 2 aus der Rechnung vom ### 2010 und der erbrachten Leistungen, wobei – wie dargelegt – hier grundsätzlich von den ermittelten Maßen der Beklagten auszugehen war, steht der Klägerin aus dieser Rechnung ein Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 44.008,49 Euro netto bzw. 50.009,76 Euro brutto zu. Von diesem Anspruch sind Abzüge für Wasser und Strom und für die Bauwesenversicherung vorzunehmen sowie die bereits erbrachten Zahlungen abzuziehen, so dass noch ein restlicher Vergütungsanspruch in Höhe von 3.895,91 Euro verbleibt, der jedoch aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit Avalzinsen erloschen ist, § 389 BGB.

Im Einzelnen:

Aus dem aus 13 Positionen bestehenden Auftrags-Leistungsverzeichnis (Anlage K 6) hat die Klägerin lediglich die Positionen 1-3 und 12 als teilweise erbracht abgerechnet, die das Landgericht fehlerhaft ohne Beweisaufnahme als begründet angesehen hat.

Zu Pos. 1 der Rechnung:

Nach dem Auftragsleistungsverzeichnis (Anlage K 6) waren auf 2.139 m2 Kassetten, Wärmedämmplatten und Trapezprofile an der Fassade der Kesselhauswand zum Einheitspreis von 50,61 Euro zu montieren.

Da die Klägerin, wie an anderer Stelle ausgeführt, darlegungs- und beweispflichtig für die von ihr tatsächlich erbrachten Leistungen ist, der Vortrag zum Aufmaß aber zum einen nicht schlüssig ist und zum anderen von der Beklagten bestritten wird, ist grundsätzlich das Aufmaß der Beklagten zugrunde zu legen.

Diese hat hinsichtlich der Kassetten folgende Maße ermittelt:

Fassade F

692,62 m2

Fassade 12.2

167,83 m2

Fassade D

490,62 m2

Insgesamt ergibt dies eine Fläche von 1.351,07 m2. Unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen ermittelten 13,59 Euro/m2 folgt daraus ein Gesamtbetrag in Höhe von 18.361,04 Euro.

In Bezug auf die Wärmedämmung hat die Beklagte folgende Maße angenommen:

Fassade F

692,20 m2

Fassade 12.2

0,00 m2

Fassade D

0,00 m2

Bei einer Fläche von 692,20 m2 x 4,05 Euro ergibt dies einen Gesamtbetrag von 2.803,41 Euro.

Hinsichtlich der Trapezbleche hat die Beklagte folgende Maße zugestanden:

Fassade F

692,62 m2

Fassade 12.2

0,00 m2

Fassade D

0,00 m2


Bei einer Fläche von 692,62 m2 x 19,67 Euro ergibt dies einen Gesamtbetrag von 13.623,84 Euro.

Insgesamt sind daher 34.788,29 Euro für die Position 1 in Ansatz zu bringen.

Zu Pos. 2 der Rechnung:

Die Position entspricht der Position 1, betrifft aber die Fassade Müllbunker Kesselhaus, die nach Leistungsverzeichnis (Anlage K 6) mit 113 m2 zum Einheitspreis von 50,61 EURO in Auftrag gegeben und von der Klägerin mit entsprechender Fläche als voll erbracht zum Preis von 50,61 Euro/m2 abgerechnet wurde.

Die Beklagte hat in ihrer Rechnungsprüfung (Anlage B 10 und B 11) statt der 113 m2 sogar deutlich darüber hinausgehende 198,88 m2 für Kassetten, 198,88 m2 für Trapezprofile, aber nur 96,8 m2 für Dämmplatten angeführt. Der Ansatz für die Wärmedämmung ist dabei allerdings nicht nachvollziehbar. Denn nach der von der Beklagten selbst eingereichten Skizze (Anlage B 13) ist ein Aufbau von innen nach außen (Kassette Dämmung Trapezblech) vorgesehen. Wenn die Beklagte daher für Kassetten und Trapezbleche jeweils ca. 198 m2 anerkennt, dann ist nicht verständlich, wieso die Fläche der eigentlich dazwischenliegenden Dämmung nur geringere 97 m2 betragen soll. Für die Anteile, die der Berechnung für die Dämmung zugrunde gelegt werden, sind daher dieselben Flächen wie für die Trapezprofile anzusetzen, d.h. 198,88 m2.

Danach ergibt sich für die Position 2 ein Gesamtbetrag in Höhe von 7.420,20 Euro, der sich wie folgt zusammensetzt:

198,88 x 13,59 Euro = 2.702,77 Euro 198,88 x 4,05 Euro = 805,47 Euro 198,88 x 19,67 Euro = 3.911,97 Euro

Zu Pos. 3 der Rechnung:

Laut Auftragsleistungsverzeichnis (Anlage K 6) betraf diese Position den Warmdachaufbau Kesselhaus mit Trapezprofilen, Dampfsperre, Wärmedämmung 25 cm zweilagig, Dachentwässerung (Gullys, Fallrohre, Notablauf, Sekuranten), Dampfsperre überlappend verlegt inkl. Verlegung von Gehwegplatten und Gummimatten. Die Fläche sollte 600 m2 und der Einheitspreis 47,40 EURO betragen. Die Klägerin hat je 600 m2 Trapezprofile und “Verl. Dämmung” zu Einheitspreisen von 30,81 EURO und 16,59 Euro abgerechnet und behauptet, die Leistung voll erbracht zu haben (Bd. I, Bl. 14). Die Beklagte hat dies hinreichend substantiiert bestritten und vorgetragen (Bd. I, Bl. 66; Bd. III, Bl. 6), dass die Leistungen nicht wie behauptet erbracht worden seien, sondern lediglich einige Quadratmeter Trapezprofile verlegt worden seien, jedoch weder Dämmung aufgebracht, Dampfsperren ausgeführt noch Gullys, Fallrohre oder Notablauf für Sekuranten (lt. Internet: Absturzsicherungen), Gehweg- und Gummiplatten verlegt worden seien. Bei der Verlegung der Trapezbleche habe die Klägerin zudem sämtliche Ausschnitte zu groß ausgeschnitten bzw. seien diese nicht nach Verlegeplan verlegt worden, so dass sie einschließlich des Dämmmaterials wieder hätten entfernt werden müssen (Bd. III, Bl. 90).

Grundsätzlich hat die Klägerin die fehlerhaften Ausschnitte für die Rauch- und Wärmeabzugsanlage-Öffnungen (RWA) unstreitig gestellt (Bd. III, Bl. 43 f.), jedoch unter Beweisantritt vorgetragen, dass die nur erfolgt sei, weil die Beklagte insoweit fehlerhafte Pläne mit falschen Angaben zur Größe der Ausschnitte und entsprechend auch fehlerhaftes Material zur Verfügung gestellt habe, was sie, die Klägerin, nicht habe erkennen können (Bd. I, Bl. 113; Bd. II, Bl. 144). Die von der Beklagten vorgelegten Zeichnungen (Anlage BK 12 und BK 13) hätten ihr im Zeitpunkt der Ausführung nicht vorgelegen, im Übrigen seien in der Anlage BK 13 keine Öffnungen dargestellt (Bd. III, Bl. 108). Die Beklagte bestreitet dies und hat ebenfalls Beweis durch Zeugenvernehmung und Sachverständigengutachten angeboten (Bd. I, Bl. 151; Bd. II, Bl. 65, 187; Bd. III, Bl. 88 ff.).

Unabhängig von der Frage der Beweislast für die (fehlende) mangelfreie Erbringung der berechneten Leistung ist der Vortrag der Klägerin jedenfalls nicht ausreichend substantiiert, weshalb auch eine Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung ausscheidet. Denn eine Aushändigung fehlerhafter Pläne durch die Beklagte als Ursache für die mangelhafte Werkleistung wäre nur dann schlüssig vorgetragen, wenn die Klägerin diese Pläne vorgelegt hätte, um anhand ihres Inhalts prüfen zu können, worin das Fehlerhafte in der Planzeichnung zu sehen sei. Der Senat kann auf der vorgetragenen Grundlage aber insbesondere nicht feststellen, ob der Vortrag der Klägerin entscheidungserheblich und gegebenenfalls beweisbedürftig wäre.

Damit war der erhobene Anspruch auf Zahlung von 28.440,00 Euro hinsichtlich der Position zu 3. mangels schlüssiger Darlegung zurückzuweisen.

Zu Pos. 12 der Rechnung:

Beauftragt waren. laut Leistungsverzeichnis (Anlage K 6) der Einbau von 53 Fenstern, Wandöffnungsanschluss für Fenster inklusive aller allgemeinen verlegetechnischen Vorschriften der IFBS-Richtlinie 8.01 zum Einheitspreis von 148,42 Euro. Die Klägerin hat 20 Fenster als voll erbracht abgerechnet. Die Beklagte hat die vollständige Erbringung bezüglich dieser 20 Fenster bestritten (Bd. I, Bl. 67 f.) und hält allenfalls einen Anteil von 90,00 Euro vom Einheitspreis für angemessen. Sie begründet dies damit, dass vorliegend nur zwei von sechs erforderlichen Arbeitsschritten erbracht worden seien, nämlich die Ausschnitte der Öffnungen in die fertige Fassade und das Einsetzen der Fenster in die Fassade.

Das Landgericht hat die Forderung als begründet angesehen, weil die Anschlussarbeiten in Position 12 nicht aufgeführt seien und zur IFBS-Richtlinie 8.01 nicht substantiiert vorgetragen sei. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Denn die Beklagte hat unter Hinweis auf die Vereinbarung in dem Leistungsverzeichnis, dass der Einbau der Fenster inklusive aller allgemeinen verlegetechnischen Vorschriften der IFBS-Richtlinie 8.01 vereinbart war und. der detaillierten Darlegung, welche Tätigkeiten eine ordnungsgemäße Montage erfordert hätte (Bd. I Bl. 67 d.A.) und welche Arbeitsschritte die Klägerin lediglich erbracht habe, substantiiert vorgetragen. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, dem im einzelnen entgegenzutreten und die Vollständigkeit des Fenstereinbaus nach Maßgabe der verlegetechnischen Vorgaben der Richtlinie darzulegen. Dies ist nicht geschehen.

Dass die Klägerin entsprechend der Behauptung der Beklagten nach dem Leistungsverzeichnis verpflichtet gewesen ist, die Fenster erst nach einer Montageanleitung zusammenzubauen, ist allerdings nicht erkennbar. Im Regelfall werden Fenster bereits in fertig montiertem Zustand mit Verglasung auf die Baustelle geliefert. Die Klägerin war nicht mit der Herstellung und Lieferung von Fenstern beauftragt, sondern nur mit dem “Einbau von Fenstern“. Sie war daher auch nicht zur Verglasung verpflichtet. Darauf kommt es aber im Ergebnis auch nicht an, denn unstreitig sind die 20 Fenster zusammengebaut worden.

Wenn die Klägerin es nicht gewesen sein will, muss es die Beklagte selbst oder eine sonstige Drittfirma gewesen sein. Der Transport der Fenster zum konkreten Montageort dürfte im geschuldeten Leistungsumfang der Klägerin dagegen mit enthalten sein. Auch dies ist aber geschehen. Soweit die Klägerin ferner meint (Bd. I, Bl. 114), sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Ausschnitte in der Fassade herzustellen, dürfte diese Leistung eigentlich schon Gegenstand der geschuldeten Fassadenherstellung entsprechend den übergebenen Plänen gewesen sein (vgl. Anlage K 11). Entsprechend den Besonderheiten der Fassade und der hierfür geltenden und vereinbarten Richtlinie war die Klägerin zweifelsohne auch verpflichtet, den Einbau der Fenster nach diesen Maßstäben umzusetzen. Dies ist offensichtlich nicht bzw. nicht vollständig geschehen, denn die Klägerin behauptet selbst (Bd. I, Bl. 115), dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, die Fenster- und Laibungsbleche zu montieren und Dichtungen einzusetzen. Dies gehört im Normalfall zum ordnungsgemäßen Einbau von Fenstern. Nach der Richtlinie sind die Dichtungen und auch Sohlbänke einzusetzen. Ist dies – wie offensichtlich unstreitig – nicht geschehen, so hat die Klägerin ihre Leistung auch bei den berechneten 20 Fenstern noch nicht vollständig erbracht. Wie sie auf welche sonstige Weise die Fenster eingebaut haben will, hat die Klägerin nicht dargetan. Ihr pauschaler Vortrag (Bd. I, Bl. 114), sie habe die “Rahmen der Fenster vertragsgemäß eingebaut“, ist unter Beachtung der vorstehenden Umstände zu unsubstantiiert und der angetretene Zeugenbeweis (Bd. I, Bl. 114) würde auf eine im Zivilprozess unzulässige Ausforschung hinauslaufen.

Soweit die Beklagte auch Sicherungsarbeiten, wie Marken der Scheiben und Warnhinweise, solange die Scheiben noch nicht festmontiert waren, als nicht erbracht beanstandet (Bd. I, Bl. 68), ist eine entsprechende Leistungsverpflichtung weder aus dem Leistungsverzeichnis noch aus der Richtlinie erkennbar.

Auf der Grundlage der im Übrigen nachvollziehbaren Darlegung der Beklagten, weshalb für 20 Fenster als Wert jeweils 90,00 Euro zugrunde zu legen waren, hat der Senat den Wert der erbrachten Leistung auf dieser Grundlage gemäß § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin sich in erheblichem Umfang nicht an die Anforderungen für den Einbau der Fenster gehalten hat, den die Beklagte schlüssig darlegt.

Dies ergibt für die Rechnungsposition einen Anspruch von 1.800,00 Euro als berechtigte Forderung der Klägerin.

f) Abzug für Strom/Wasser, Versicherung und Sicherheitseinbehalt

Soweit das Landgericht für Wasser/Strom gemäß Ziffer 14.6 des Verhandlungsprotokolls (Anlage K 1) 3% der Bruttoschlussrechnungssumme und für die Bauwesenversicherung gemäß Ziffer 8.1 des Protokolls 0,27% der Nettoabrechnungssumme und danach insgesamt 3.623,09 Euro und 283,55 Euro abgezogen hat, sind die Berufungsangriffe der Klägerin ebenfalls nichtberechtigt, da die Vereinbarung zwischen den Parteien so getroffen worden ist und auch keine Wirksamkeitshindernisse bestehen. Mit dem erst in zweiter Instanz vorgetragenen Abzug eines Sicherheitseinbehalts ist die Beklagte ausgeschlossen.

aa) Versicherung

Bezüglich der Versicherungsbeteiligung ist der Text im Protokoll der Beklagten formularmäßig vorgedruckt. Dennoch unterliegt die Klausel über die Bauwesenversicherung nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, weil sie keine Preisnebenabrede regelt. Leistungsbeschreibungen, die dazu dienen, die Art und den Umfang der vertraglichen Leistungspflicht unmittelbar zu regeln, sind der Inhaltskontrolle entzogen (BGH, Urteil vom 10. Juni 1999, Az. VII ZR 365/98, NJW 1999, 3260; BGH, Urteil vom 06. Juli 2000, Az. VII ZR 73/00, NJW 2000, 3348).

Nach dem Inhalt des Protokolls wurde eine Bauleistungsversicherung abgeschlossen, lag also bei Vertragsschluss schon vor. Die Klägerin hätte sich diese ohne Weiteres vorlegen lassen können, wozu sie damals offensichtlich keine Veranlassung gesehen hat. Soweit die Klägerin diese Versicherung jetzt im Nachhinein bestritten hat, ist dies unerheblich, einer Erhebung der von der Beklagten angetretenen Beweise (Bd. II, Bl. 118) bedarf es nicht.

bb) Strom- und Wasserkosten

Bezüglich der Strom- und Wasserkosten hat das Landgericht darauf abgestellt, dass es sich hierbei um eine Individualabrede handelt, die nicht der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB unterliegt. Dies greift die Klägerin zu Recht an. Zwar spricht es indiziell dafür, dass dann; wenn in einem vorformulierten Vertragstext handschriftlich eine nicht vorgesehene und auch nicht im Wege der “Lückenausfüllung” zu ergänzende gesonderte Regelung hinzugesetzt wird, es sich um eine Individualvereinbarung handelt (BGH, Urteil vom 12. Mai 1992, Az. XI ZR 258191, NJW 1992, 2285 [2286]). Stichhaltig ist die Argumentation des Landgerichts nach dem Gesetzeswortlaut des § 305 BGB jedoch nicht, worauf die Klägerin in der Berufung zu Recht hinweist. Maßgebend ist vielmehr, dass diese Klausel tatsächlich individuell ausgehandelt wurde, was mehr als ein bloßes Verhandeln bedeutet (Grüneberg in: Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 305 Rn. 20). Für eine beabsichtigte« mehrfache Verwendungsabsicht der Beklagten spricht die Klausel selbst, denn die generalisierende Formulierung deutet auf eine Vereinbarung der Umlage auch mit den anderen Baubeteiligten hin.

Die Klägerin hat zudem unter Beweisantritt bereits erstinstanzlich nachvollziehbar vorgetragen, dass bei ihren Arbeiten kaum Strom und Wasser verbraucht worden und deswegen auch nur eine Beteiligung von 3 °/00 und nicht 3 % vereinbart worden sei (Bd. I, Bl. 116 f. und Bd. II, Bl. 32 f.). Auch dies spricht für die individuelle Aushandlung unter Berücksichtigung der konkreten Verbrauchssituation der Klägerin. Danach ist vorliegend von einer Vereinbarung von zumindest 3 ‰ auszugehen, die auch einer Inhaltskontrolle standhält. Die Beweislast dafür, dass es sich um eine AGB-Klausel handelt bzw. nur 3 %o vereinbart wurden, trifft zwar die Klägerin, die sich darauf beruft (Palandt a.a.O. Rn. 23).

Die Beklagte hat die Behauptung, dass die Vereinbarung nur 3 %o betroffen habe, jedoch nicht konkret bestritten.

cc) Sicherheitseinbehalt

Erstmals im Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 (Bd. III, Bl. 7) hat die Beklagte auch einen Sicherheitseinbehalt von 5 % der Bruttoabrechnungssumme geltend gemacht. Ein solcher ist zwar in Ziffer 9.5 des Verhandlungsprotokolls grundsätzlich vereinbart worden, allerdings wird dort auf die Dauer der Verjährungsfrist gemäß Ziffer 12 des Verhandlungsprotokolls verwiesen, die dazu überhaupt keine Aussage enthält Gewährleistungsfristen nach VOB/B oder BGB sind inzwischen jedoch abgelaufen und die Beklagte begehrt vorliegend auch keine Mangelbeseitigung mehr, so dass ein Anspruch auf den Sicherheitseinbehalt nicht mehr besteht.

2. Rechnung ###

Mit der Rechnung (Anlage K 12) hat die Klägerin entgangenen Gewinn von 15% für nicht mehr erbrachte Leistungen in Höhe von 14.045,14 EUR geltend gemacht, die das Landgericht zu Recht abgewiesen hat. Die Klägerin greift dies mit ihrer Berufung ohne Erfolg an. Ihr steht ein entsprechender Anspruch nicht zu.

Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Rechnung als nicht prüffähig angesehen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte die Rechnung innerhalb der Frist des § 1.6 Nr. 3 VOB/B als nicht prüffähig beanstandet hat, wie zwischen den Parteien streitig ist. Selbst wenn eine entsprechende Zurückweisung nicht erfolgt wäre, hätte dies nur zur Folge, dass eine Sachprüfung des geltend gemachten Vergütungsanspruchs erfolgen müsste, wozu auch dessen schlüssige Darlegung gehört. Dies ist weder in der Rechnung noch sonst geschehen. Zu Recht hat das Landgericht auf das im Vorverfahren zwischen den Parteien erlassene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 6. März 2014 – VII ZR 349/12 – Bezug genommen, in dem der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der Unternehmer zur Darlegung seiner Forderung ersparte Aufwendungen und anderweitigen Erwerb vorzutragen und zu beziffern hat und nicht die hier erfolgte Beschränkung auf die Behauptung eines bestimmten Gewinnentgangs ausreicht.

Letztlich kann auch dies dahinstehen, denn der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Vergütung der nicht erbrachten Leistungen zu, weil die fristlose Kündigung vom ### 2010 (Anlage K 7) aus wichtigem Grund aus den zutreffenden Gründen des Landgerichts berechtigt war und es sich mithin nicht um eine freie Kündigung im Sinne von § 8 Nr. 1 VOB/B gehandelt hat.

a) Nach bislang richterrechtlich geprägten Grundsätzen, die zwischenzeitlich. Eingang in die seit dem 1. Januar 2018 geltende, hier gemäß Art. 229 § 39 EGBGB noch nicht unmittelbar anwendbare Vorschrift des § 648a BGB gefunden haben, besteht in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 314 BGB nämlich ein – eine Vergütungspflicht für nicht erbrachte Leistungen ausschließendes – außerordentliches Kündigungsrecht des Auftraggebers, wenn der Werkunternehmer Vertragspflichten derart verletzt, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (vgl. nur BGH, NJW 2016, 1945 [1949], Rdnr. 40 mit weiteren Nachweisen; beispielhaft aus dem Schrifttum Joussen/Vygen in: Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Aufl. 2020, vor §§ 8, 9 VOB/B Rdnr. 14).

Unabhängig von § 8 Abs. 3 VOB/B ist der Auftraggeber also nur dann berechtigt, das Vertragsverhältnis außerordentlich zu kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Vertragspflichten in dem vorbezeichneten Sinn gravierend verletzt. Ein solcher Sachverhalt kann auch gegeben sein, wenn es zu einer vom Auftragnehmer zu vertretenden ganz beträchtlichen Verzögerung des Bauvorhabens gekommen ist und es dem Auftraggeber bei der gebotenen Gesamtwürdigung nicht zugemutet werden kann, eine weitere Verzögerung durch Nachfristsetzung hinzunehmen oder eine solche von vornherein keinen Erfolg verspricht (BGH, Urteil vom 08. März 2012 –VII ZR 118/10). Eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung ist in Fällen der schwerwiegenden Vertragsverletzung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). Eine fristlose Kündigung ohne Nachfristsetzung ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Auftragnehmer trotz Abmahnungen des Auftraggebers mehrfach und nachhaltig gegen eine Vertragspflicht verstößt und wenn das Verhalten des Auftragnehmers ein hinreichender Anlass für die Annahme ist, dass der Auftragnehmer sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 –VII ZR 140/95). Insbesondere ist der Auftraggeber berechtigt, einen Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn. der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags unberechtigt und endgültig verweigert und es deshalb der vertragstreuen Partei nicht zumutbar ist, das Vertragsverhältnis fortzusetzen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98).

Diese Voraussetzungen liegen hier in der Gesamtschau vor. Die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs für die infolge der Kündigung nicht mehr erbrachten Leistungen gemäß § 8 Nr. 1 Absatz 2 VOB/B, § 649 Satz 2 BGB sind damit nicht gegeben.

Das Landgericht hat insoweit auf den im vorangegangenen Verfahren erlassenen Beschluss des Kammergerichts vom 27. Januar 2012 – 21 U 174/10 – Bezug genommen und sich dessen Gründe zu den Ziffern 5 und 6 nach eigener Würdigung zu eigen gemacht. Auch der Senat geht aus diesen zutreffenden Gründen davon aus, dass die Kündigung vom 28. Januar 2010 aus wichtigem Grund gerechtfertigt war.

Der 21. Zivilsenat des Kammergerichts führt in seinem Beschluss vom 27. Januar 2012 zu der außerordentlichen Kündigung aus:

5. Ein Anspruch auf Vergütung für infolge der Kündigung der Beklagten nicht erbrachte Leistungen dürfte der Klägerin nicht zustehen. Der Vergütungsanspruch für nicht erbrachte Leistungen gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B i.V.m. 649 Satz 2 BGB setzt voraus, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist und in eine sog. “freie” Kündigung gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B umgedeutet werden kann. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Januar 2010 dürfte jedoch wirksam sein.

Der Auftraggeber eines VOB/B-Vertrages ist berechtigt, den Vertrag wegen positiver Vertragsverletzung fristlos zu kündigen, wenn durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers der Vertragszweck so gefährdet ist, dass es dem vertragstreuen Auftraggeber nicht zumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – VII ZR 271/01; Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95; Vygen in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 17. Auflage 2010, § 8 Abs. 3 VOB/B, Rn 17, 26; Werner in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Auflage 2011, Rn 1752, 1761). Diese Voraussetzungen dürften im Streitfall erfüllt sein.

Die Beklagte hat schlüssig vorgetragen, dass die Mitarbeiter der Klägerin trotz vorheriger Abmahnung durch den Sicherheitsbeauftragten auf der Baustelle und durch die Beklagte wiederholt gegen die vertraglich von der Klägerin übernommene Verpflichtung zur Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen der Bauherrin auf der Baustelle verstoßen hätten. Aus dem als Anlage B1 vorgelegten Schreiben der Bauherrin vom 27. Januar 2010, dem im Anlagenkonvolut B2 vorgelegten Bericht der von der Bauherrin beauftragten Sicherheitsfirma vom 2./3. November 2009 und der mit eben diesem Anlagekonvolut vorgelegten E-Mail der Bauherrin vom 5. November 2009 ergibt sich, dass am 2. November 2009, 5. November 2009, 21. Januar 2010 und 27. Januar 2010 jeweils Sicherheitsverstöße von Mitarbeitern der Klägerin, darunter auch ihrem Bauleiter, von der Bauherrin bzw. deren Bauleitung und Sicherheitsbeauftragten moniert und geahndet wurden. In dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2010 (Anlage K7, dort Seite 2, Punkt 1, 3. Pfeilstrich) räumt die Klägerin zudem selbst Sicherheitsverstöße mehrerer ihrer Mitarbeiter ein. Das diesbezügliche pauschale prozessuale Bestreiten der Klägerin ist bereits wegen des Widerspruchs zu diesem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten unschlüssig und im Übrigen auch nicht hinreichend substantiiert. Insoweit hätte die Klägerin zu den Vorfällen, die zu den Ahndungen wegen Sicherheitsverstößen geführt haben, näher vortragen müssen. Der Klägerin sind die schuldhaften Pflichtverletzungen ihrer Mitarbeiter nach § 278 BGB zuzurechnen.

6. Durch den Baustellenverweis der Klägerin als juristische Person wurde der Zweck des Bauvertrages der Parteien auch derart gefährdet, dass der Beklagten die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar geworden sein dürfte. Wegen ihres Verweises von der Baustelle war die Klägerin nicht mehr in der Lage, ihre Vertragspflichten durch eigene Leistungen zu erfüllen. Für die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung aus der Sicht der Beklagten spricht vorliegend weiterhin der Umstand, dass der Baustellenverweis durch die Bauherrin rechtmäßig und daher nicht angreifbar war. Aufgrund der hohen Unfallgefahr auf der Großbaustelle und dem damit verbundenen hohen Haftungsrisiko der Bauherrin hatte diese ein erhebliches und berechtigtes Interesse an der Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. Durch die mehrfachen und hartnäckigen Verstöße mehrerer Mitarbeiter der Klägerin – darunter auch ihres Bauleiters – gegen diese Sicherheitsbestimmungen trotz eindringlicher vorheriger Abmahnungen hat die Klägerin sich als untauglich erwiesen, die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften durch ihre Mitarbeiter sicherzustellen. Die Bauherrin musste das damit verbundene erhöhte Haftungsrisiko nicht hinnehmen und durfte die Klägerin als juristische Person von der Baustelle verweisen. Aus diesem Grund dürfte die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin auch unter Beachtung des zwischen den Bauvertragsparteien bestehenden Kooperationsgebots nicht verpflichtet gewesen sein, sich bei der Bauherrin gegen den Baustellenverweis zur Wehr zu setzten.

Diesen zutreffenden Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an.

Die Beklagte hat schlüssig dargetan (Bd. I, Bl. 51 ff.), dass die Mitarbeiter und sogar der Bauleiter der Klägerin selbst wiederholt gegen die sicherheitstechnischen Vorgaben der vereinbarten Baustellenordnung (Anlage K 9) verstoßen haben und in diversen Schreiben von der Bauleitung und der Beklagten abgemahnt wurden (vgl. Schreiben und E-Mails vom ### 2010 (Anlage B 3), ### 2009 (Anlage B 4), 2. und 5. November 2009 (Anlagen B 5 bis B 7) und vom ### 2010 (Anlage B 8)), Dass die Vorwürfe gegen ihre Mitarbeiter unberechtigt sein könnten, ergibt sich auch aus dem Schreiben der Klägerin vom 2010 nicht und die Klägerin hat diese Rügen auch nicht bestritten (Bd. I, Bl. 89 ff.). Soweit die Klägerin ausgeführt hat, dass dies stets daran gelegen habe, dass die Beklagte ihren Mitwirkungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei, ist dies unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Die Vorwürfe lauteten im Wesentlichen dahin, dass die Mitarbeiter keine Sicherungsgurte trotz bestehender Absturzgefahr trugen. Was dies damit zu tun haben soll, dass das Gerüst keinen ausreichenden Abstand von der Fassade gehabt haben soll oder keine Möglichkeit bestanden habe, die Kassetten mittels Einsatzes einer Hebeeinrichtung zwischen dem Stahlbauskelett und dem Gerüst einzufädeln, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar. Eine Absturzsicherung am Gerüst war so oder so möglich. Allenfalls hätten eben mangels genügenden Zwischenraums die Kassetten nicht eingefädelt werden können. Dies rechtfertigt indes nicht die Verstöße gegen die Sicherungsvorschriften. Die Klägerin hätte gemäß §§ 4 Nr. 3, 6 Nr. 1 VOB/B schriftlich eine Behinderung anzeigen müssen. Soweit die Klägerin behauptet (Bd. I, Bl. 92), sie habe die Beklagte im Zusammenhang mit jeder Rüge eines Verstoßes gegen die Sicherungsvorschriften aufmerksam gemacht, teilweise auch schriftlich, ist dies bestritten (Bd. I, Bl. 143) und auch unsubstantiiert. Entsprechende Behinderungsanzeigen hat die Klägerin weder vorgelegt noch behauptet sie solche nach Zeit, Inhalt und Erklärungsempfänger hinreichend konkret. Demgegenüber hat die Beklagte detailliert und unter Beweisantritt vorgetragen (Bd. I, Bl. 140 ff.), dass das Gerüst von der Fa. ### erst gemäß der im Detail getroffenen Absprache mit der Klägerin errichtet worden ist und auch sicherheitstechnisch abgenommen Wurde. Dem ist die Klägerin nicht mehr entgegengetreten. Aus dem Verhandlungsprotokoll ergibt sich auch keine Verpflichtung der Beklagten zur Bereitstellung eines Krans (vgl. Ziffer 14.5.) oder eine Vereinbarung hinsichtlich der Erstellung des Gerüsts in einem bestimmten Abstand.

Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigen die über einen längeren Zeitraum gerügten Sicherheitsverstöße ihrer Mitarbeiter, für die sie gemäß § 278 BGB einzustehen hat auch den schließlich am ### 2010 von der Oberbauleitung ausgesprochenen Baustellenverweis der Klägerin. Nachdem bereits zuvor einzelne Mitarbeiter nach wiederholten Verstößen von der Baustelle verwiesen wurden und die Klägerin offensichtlich nicht in der Lage war, die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften durch ihre Mitarbeiter nachhaltig sicherzustellen, war der Baustellenverweis der Klägerin berechtigt und aus diesem Grund war auch die Beklagte befugt, das Subunternehmerverhältnis ohne Verstoß gegen Treu und Glauben aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, da ihr eine Vertragsfortsetzung auf dieser Grundlage nicht mehr zumutbar war. Die Problematik ist zwischen den Parteien auch umfassend in den wechselseitigen Schriftsätzen behandelt worden, sodass entgegen der Auffassung der Klägerin auch kein Verstoß gegen die Hinweispflichten und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs festgestellt werden kann, zumal die Klägerin auch in der Berufung keinen weiteren Vortrag dazu abgegeben hat.

Soweit die Klägerin nunmehr mit der Berufungsbegründung vorträgt, es habe eine Vereinbarung zwischen den Parteien am ### 2010 gegeben, von einer Kündigung zunächst bis zum ### 2010, 12 Uhr, abzusehen und die Beklagte habe trotz dieser Vereinbarung die Kündigung ausgesprochen, kann sie mit diesem – von der Beklagten bestrittenen Vortrag nicht mehr gehört werden, § 531 Absatz 2 ZPO. Es handelt sich insoweit um neuen Vortrag, da die Klägerin dies in erster Instanz schriftsätzlich nicht vorgetragen und auch keinen Beweis angetreten hat.

Ungeachtet dessen hat die Klägerin aber auch selbst vorgetragen, dass der – zu jener Zeit aus der Geschäftsführung abberufene (vgl. Anlage B 21) – Geschäftsführer der Beklagten in

der Besprechung am ### 2010 geäußert habe, dass er eine Aussage zur Rechtslage nicht treffen wolle (was die Offenhaltung einer Kündigungsmöglichkeit impliziert) und

dass die das Datum vom ### 2010 tragende Kündigung ohnehin erst am ### 2010 mittels einer Übersendung per Telefax um 9:56 Uhr ausgesprochen worden sei, so dass die Ausführungen der Klägerin zur Unwirksamkeit der Kündigung keinen Bestand haben können.

3. Rechnung ###

Mit dieser Rechnung (Anlage K 13) macht die Klägerin eine Vergütung von 151.517,10 Euro für Regiearbeiten und Wartezeiten geltend, die das Landgericht mangels Darlegung der Voraussetzungen der §§ 6 Nr. 6 VOB/B, 642 BGB (Wartezeiten) und § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (Regiearbeiten) zutreffend als nicht begründet angesehen hat.

Die Klägerin greift dies ausschließlich damit an, dass das Landgericht hierbei das rechtliche Gehör verletzt habe. Ihr Prozessbevollmächtigter habe auf die entsprechenden mündlichen Ausführungen der Vorsitzenden Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2015 erklärt, dass die Absicht bestehe, den bisherigen Sachvortrag zu ergänzen. Das Landgericht hätte daher Gelegenheit zur weiteren Äußerung geben müssen. Dies ist unsubstantiiert und kann dahinstehen, denn unabhängig davon, dass sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung kein Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Schriftsatzfrist ergibt, trägt die Klägerin auch in der Berufung nicht substantiiert dazu vor, was sie denn erheblich in diesem Sinn zur Ergänzung ihres Vorbringens vorgetragen hätte. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Berufungsbegründung, wenn sie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers darzulegen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Erstgerichts geführt hätte (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 445/19). Dies hat die Klägerin nicht getan. Eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs vermag der Senat daher nicht festzustellen.

4. Hilfsaufrechnungen der Beklagten

Der restliche Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.895,21 Euro ist in Höhe von 2.122,58 Euro durch Aufrechnung mit der bereits erstinstanzlich geltend gemachten Avalkosten erloschen, § 362 Abs. 1 BGB. Die Feststellungen des Landgerichts Berlin sind insoweit nicht mit der Berufung der Klägerin angegriffen worden und damit nicht Gegenstand der Berufung.

Nach Abzug dieser Kosten verbleibt ein restlicher Vergütungsanspruch in Höhe von (3.895,21 Euro – 2.122,58 Euro =) 1.773,33 Euro.

Soweit die Beklagte erstinstanzlich außerdem zunächst mit der Vertragsstrafe in Höhe von 3.693,36 Euro hilfsweise aufgerechnet hat, macht sie diesen Anspruch, den das Landgericht als unbegründet angesehen hat, mit ihrer Berufung ersichtlich nicht mehr geltend.

Des Weiteren fordert die Beklagte Ersatzansprüche in Höhe von 219.601,79 Euro (Bd. II, Bl.68) und hat mit diesen Ansprüchen hilfsweise aufgerechnet. In erster Instanz hatte sie Mehraufwand von 218.206,53 EUR für Fertigstellungsarbeiten sowie Mängelbeseitigungsmaßnahmen zur Aufrechnung gestellt (Bd. I, Bl. 73 f. und Korrektur Bd. I, Bl. 161), die die Klägerin zulässig mit Nichtwissen bestritten hat (Bd. I, Bl. 124).

Die Berechnung auf Seite 22 der Berufungsbegründung (Bd. II, Bl. 68) ist nicht nachvollziehbar. Die behaupteten Gegenansprüche von 405.581,98 EUR aus der Fertigstellung übersteigen das gesamte Auftragsvolumen mit der Klägerin (228.464,84 EUR) um immerhin rund 77,5% und den von der Beklagten berechneten Anteil der nicht erbrachten Leistungen (185.980,19 EUR) um sogar 118%. Die Beklagte hatte nach eigenen Angaben ein Auftragsvolumen von 1,12 Mio. (Bd. I, Bl. 72), sodass hier naheliegt, dass hier Kosten der ohnehin zu erbringenden Mehrleistungen eingerechnet werden.

Entgegen ihrer Berufungsrüge (Bd. II, Bl. 66) hat die Beklagte in der ersten Instanz keineswegs die Ersatzmaßnahmen, die nach der fristlosen Kündigung und dem Baustellenverweis notwendig gewesen sein sollen, im Einzelnen aufgeführt und unter Beweis gestellt. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klägerin auch Kosten für die Mangelbeseitigung berechnet hat, ohne dazu und zu den Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 7 bzw. 13 Nr. 7 VOB/B konkret vorzutragen. Die Einreichung der Anlagen B 37 ff. kann einen substantiierten Vortrag nicht ersetzen. Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die pauschale Differenzberechnung der Klägerin weder unter § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz noch unter § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 2 VOB/B subsumierbar ist. Die Beklagte behauptet eigene Arbeitslöhne in Höhe von 168.847,00 EUR gehabt zu haben, für die dem Landgericht Lohnbelege übersandt worden sein sollen. Dies war lediglich angekündigt (vgl. Bd. I, Bl. 161), ist jedoch weder in erster Instanz noch in zweiter Instanz geschehen. Selbst wenn sie sie eingereicht hätte, wird dadurch entsprechender schriftsätzlicher Vortrag nicht entbehrlich, worauf das Landgericht ausdrücklich hingewiesen hat. Es ist weder dargetan noch unter Beweis gestellt, welche eigentlich der Klägerin obliegenden Tätigkeiten welcher Arbeitnehmer wann ausgeführt haben soll. Dies ergibt sich auch nicht aus der Anlage B 42.

Gleiches gilt auch bezüglich der Kosten der Drittfirmen, wobei beispielsweise die Rechnungen der Fa. ### und ### bereits vom ### 2009 stammen und daher keine Arbeiten nach Kündigung zur Fertigstellung betroffen haben können. Welche Arbeiten geleistet wurden, ergibt sich daraus ebenfalls nicht. Ebenso lassen die späteren Rechnungen die Arbeiten und ihre Zuordnung konkret nicht erkennen. Die angetretenen Beweise (Bd. II, Bl. 67) wären auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.

Der Senat vermag daher mangels schlüssiger Darlegung der Forderung die Mehrkosten der festzustellen noch zu schätzen.

Die Hilfsaufrechnung in Höhe von 3.090,60 Euro bezüglich der Avalzinsen im Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis 31.12.2016 hat dagegen Erfolg.

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016 ihren Anspruch auf Avalprovisionen um 3.090,60 Euro gemäß Rechnung vom ### 2016 erweitert hat (Bd. III, Bl. 9, Anlage BK 12 [Bd. III, Bl. 10 ff.], Zeitraum 01. Juli 20.14 bis 31. Dezember 2016), hat die Klägerin dies zunächst zwar bestritten und einen aktuellen Nachweis gefordert (Bd. III, Bl. 50 f.). Dass diese tatsächlich angefallen sind, ist nunmehr aber aufgrund der Einreichung der Anlage BK 17 durch die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 25. September 2019 (Bl. 142 Bd. IV) hinreichend belegt, ohne dass noch ein Vortrag von Klägerseite hierzu erfolgt wäre, sodass der Beklagtenvortrag als zugestanden anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Hinsichtlich der Einführung des Inhalts der Anlage BK 17 gilt die Vorschrift des § 533 ZPO, denn es handelt sich um eine neue Aufrechnung. Eine ausdrückliche Einwilligung von Klägerseite liegt nicht vor. Ein Schweigen der Partei kann jedoch als vermutete Einwilligung auszulegen sein (in diesem Sinne: Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 533 ZPO, Rn 24). Hierfür spricht bereits der Gesichtspunkt, dass die Klägerin mit der Berufung die erstinstanzliche bereits berücksichtigte Avalzinsforderung der Beklagten in Höhe von 2.122,58 Euro mit der Berufung nicht mehr beanstandet und sich zu der erweiterten Forderung in zweiter Instanz bestreitend zur Sache eingelassen hat. Im Ergebnis kommt es aber auf die Einwilligung der Klägerin nicht an. Denn die Erweiterung ist jedenfalls sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO. Sachdienlichkeit ist dann gegeben, wenn die Zulassung der Aufrechnung zur umfassenden Beilegung des Streits der Parteien beiträgt und einem andernfalls zu gewärtigenden Folgeprozess vorbeugt (Musielak/Voit/Ball, 18. Aufl. 2021, ZPO § 533 Rn. 13). Eine solche Sachlage ist hier zweifelsfrei gegeben und der erweiterte Antrag zulässig.

Sofern die Beklagte keine formelle Aufrechnungserklärung abgegeben hat, gilt Folgendes:

Für eine Aufrechnungserklärung reicht es aus, dass der Wille der Partei erkennbar ist, ihre Gegenforderung zur Verrechnung zu stellen. Die Erklärung muss jedoch nicht ausdrücklich und kann nach allgemeinen Grundsätzen auch stillschweigend erfolgen oder in einem tatsächlichen Vorgang liegen, soweit der Erklärungsinhalt und/oder die äußeren Umstände mit hinreichender Deutlichkeit auf einen Aufrechnungswillen schließen lassen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. April 2021 – 11 U 43/20). Dies ist hier gegeben, die Beklagte stellt hinreichend klar, dass die Aufrechnung (hilfsweise) von einem etwaigen der Klägerin (noch) zustehenden Vergütungsanspruch abzuziehen sei.

Verzugszinsen in Höhe von 451,41 Euro auf die zur Aufrechnung gestellten und bereits vom Landgericht berücksichtigten ersten Provisionsbeträge in Höhe von 2.122,58 Euro stehen der Beklagten nicht zu. Insoweit ist bereits kein Verzug gegeben.

Zusammenfassend hat die Klägerin nur aus der Rechnung vom ### 2010 über 120.769,55 Euro einen Vergütungsanspruch in Höhe von 44.008,49 Euro netto bzw. 50.009,76 Euro brutto, der sich wie folgt berechnet:

o Pos. 1 der Rechnung:

Kassetten:

Fassade F

692,62 m2

Fassade 12.2

167,83 m2

Fassade D

490,62 m2

Insgesamt: 1.351,07 m2 x 13,59 Euro/m2 = 18.361,04 Euro

Wärmedämmung:

Fassade F

692,20 m2 (oder auch 692,62? Bd. III/5)

Fassade 12.2

0,00 m2

Fassade D

0,00 m2

Insgesamt: 692,20 m2 x 4,05 Euro/m2 = 2.803,41 Euro

Trapezbleche:

Fassade F

692,62 m2

Fassade 12.2

0,00 m2

Fassade D

0,00 m2

Insgesamt 692,62 m2 x 19,67 Euro = 13.623,84 Euro

Gesamtergebnis: 34.788,29 Euro

o Pos. 2 der Rechnung

Kassetten: 198,88 m2 x 13,59 Euro/m2 = 2.702,77 Euro Wärmedämmung: 198,88 m2 x 4,05 Euro/m2 = 805,47 Euro Trapezbleche: 198,88 m2 x 19,67 Euro/m2 = 3.911,97 Euro

Gesamtergebnis: 7.420,20 Euro

o Pos. 3 der Rechnung: kein Vergütungsanspruch

o Pos. 12 der Rechnung

20 Fenster x 90 Euro = 1.800 Euro

Gesamt: 44.008,49 Euro netto

zzgl. 6.601,27 Euro (15% Steuern)

= 50.009,76 Euro brutto

abzgl. 118,82 Euro (0,27% vom Netto für Versicherung)

abzg1.150,03 Euro (0,3% vom Brutto für Wasser/Strom)

abzgl. 45.845,00 Euro (geleistete Zahlungen)

= 3.895,91 Euro

abzgl. 2.122,58 Euro (mit der Berufung nicht angegriffen)

abzgl: 3.090,60 Euro (erfolgreiche Aufrechnung durch Beklagte)

Von den für diese Rechnung ursprünglich beanspruchten 120.769,55 Euro war zusammenfassend lediglich ein Zahlungsanspruch in Höhe von brutto 50.009,76 Euro gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der weiter vorzunehmenden Abzüge und den bereits gezahlten 45.845,00 Euro sowie der hilfsweise erklärten Aufrechnung mit den Avalkosten verbleibt keine mehr von der Beklagten auszugleichende Restforderung.

5. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist aus den zutreffenden Gründen des Landgerichts nicht begründet. Das Berufungsvorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, ein abweichendes Ergebnis zu rechtfertigen. Soweit die Klägerin jetzt darauf abstellt, dass die Tätigkeit schon zur Vermeidung der Kündigung und wegen ihrer Unkenntnis des deutschen Rechts zu ihrer rechtlichen Beratung erforderlich gewesen sei, mag dies zutreffen, jedoch ergibt sich daraus kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte, zumal die Kündigung aus oben aufgeführten Gründen berechtigt war.

6. Da keine Hauptforderung mehr besteht, die zu verzinsen wäre, ist ein Zinsanspruch ebenfalls nicht gegeben.

7. Die von der Klägerin begehrte Schriftsatzfrist war nicht zu gewähren. Der Schriftsatz der Beklagten vom 11. August 2021 – soweit sich der Antrag im Termin am 24. August 2021 auf einen Schriftsatz vom 1. August 2021 bezog, ist hiermit offensichtlich der Schriftsatz der Beklagten vom 11. August 2021 gemeint – enthielt keinen neuen, entscheidungserheblichen Vortrag. Es war auch nicht erforderlich, der Klägerin Gelegenheit zu geben, schriftlich zu den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen Stellung nehmen. Das Nachreichen einer schriftlichen Beweiswürdigung kann grundsätzlich nicht verlangt werden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1990, Az, XII ZR 101/89, NJW 1991, 1547). Nur wenn eine sofortige Verhandlung über das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zumutbar ist, z.B. weil der Sachverständige in der mündlichen Erörterung Fragen aufgeworfen hat, zu denen sich die Partei ohne sachkundige Beratung nicht äußern kann, ist der Partei Gelegenheit zu einer nachträglichen Stellungnahme nach Vorliegen des Protokolls zu geben (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 33. Auf. 2020, § 285 Rn. 2 m.w.N.). Das war hier jedoch nicht der Fall.

Der Sachverständige ist ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 24. August 2021 (Seite 2, Bl. 41, Bd. VI d. A.) lediglich zur Erläuterung seines Ergänzungsgutachtens vom 17. März 2021 und diesbezüglich auch begrenzt auf die von der Klägerin selbst aufgeworfenen Ergänzungsfragen angehört worden. Der Umfang der von der Klägerin selbst angestoßenen ergänzenden Beweisaufnahme war damit von vornherein begrenzt, die Fragestellungen überschaubar und die Äußerungen des Sachverständigen gut verständlich und nicht besonders komplex. Der Sachverständige gab auch keine neuen Erklärungen ab, die über das Beweisthema oder über die Beantwortung der von der Klägerin schriftlich angekündigten Erklärungen hinausgingen. Die Parteien hatten anschließend Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme und die Sach- und Rechtslage wurde im Rahmen der dann geführten Vergleichsgespräche unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme erneut erörtert. Eine Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu den Erläuterungen des Sachverständigen war vor diesem Hintergrund entbehrlich.

In der Gesamtschau greift die Berufung der Beklagten, sofern sie auf die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufrechterhaltung des klageabweisenden Versäumnisurteils gerichtet ist, durch und die Berufung der Klägerin ist insgesamt erfolglos. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, war nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO).

VK Bund, Beschluss vom 14.09.2023, VK 1-61/23 zur Aufgreifschwelle

VK Bund, Beschluss vom 14.09.2023, VK 1-61/23 zur Aufgreifschwelle

1. Der öffentliche Auftraggeber verlangt vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen.
2. Eine Preisprüfung ist regelmäßig bei Bestehen eines Preisunterschieds von 20 % zum nächsthöheren Angebot durchzuführen. Das Erreichen der Aufgreifschwelle löst eine Pflicht zur Aufklärung der Preise aus.
VK Bund, Beschluss vom 14.09.2023 – VK 1-61/23

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin führt derzeit ein europaweites offenes Verfahren zur Vergabe eines Rahmenvertrages für die Gebäudereinigung am Standort […] durch. Der Zuschlag soll auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen. Nach dem Hinweisblatt “Wichtige Informationen” werden der Nettopreis sowie der “optimale Leistungsansatz” mit jeweils 50% gewichtet. Dort heißt es auch:

“Der Kalkulation sind die zum Angebotsschlusstermin geltenden Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks sowie die zum Angebotsschlusstermin geltenden Beitragssätze der Sozialversicherung zu Grunde zu legen.”

Die Antragstellerin wies mit Schreiben vom 6. Juni 2023 darauf hin, dass die Antragsgegnerin in der übermittelten Datei zum anzuwendenden Stundenverrechnungssatz nicht zwischen den drei verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen (voll sozialversicherungspflichtig, Midi-Jobber, Mini-Jobber) unterscheide. Hierdurch komme es zu unterschiedlichen Arbeitgeberanteilen bei der Sozialversicherung, die sich auf die Kalkulation auswirkten, indem je nach Beschäftigungsverhältnis höhere oder niedrigere Stundenverrechnungssätze (SVS) anzusetzen sind. Diese Vorgehensweise sei zwar möglich, führe aber zu aufwendigen Aufklärungsersuchen bei der Prüfung der Angebote. Der Kalkulationsdatei sei nicht zu entnehmen, ob die gesetzlich vorgesehenen Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung tatsächlich in der Preisbildung berücksichtigt würden. Dieses Schreiben solle die Antragsgegnerin indes nicht als vergaberechtliche Rüge betrachten, ein Rechtsverstoß sei noch nicht begangen.

Die Antragsgegnerin wies den Vorhalt mit Schreiben vom 9. Juni 2023 zurück:

“Das von der Vergabestelle geforderte “Blankoformular Stundenverrechnungssatz” ist für eine zulässige Mischkalkulation vorgesehen. […] Dabei liegt es in der kalkulatorischen Freiheit des Bieters, wie er hier bei Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes den Kräfteeinsatz berücksichtigt (Anteile voll sozialversicherungspflichtige Kräfte + Midi-Jobber + Mini-Jobber) = 100%. Soweit hier ein Bieter mit überwiegend Midi-Jobbern plant, werden demzufolge seine Kosten für die Abgaben SV höher liegen als bei dem Bieter, der mit voll sozialversicherungspflichtigen Kräften plant. Aber diese Angabe kann auch in den Vordruck einfließen. Aus den genannten Gründen wird durch die Vergabestelle keine Änderung der Matrix und der Angebotsfrist vorgenommen.”

Die Antragstellerin gab fristgerecht in der Angebotsfrist zum 13. Juni 2023 ein Angebot ab.

Die Antragsgegnerin versandte an die drei bestplatzierten Bieter jeweils Aufklärungsschreiben. Mit Schreiben vom 21. Juni 2023 bat sie die Beigeladene um

“ausführliche Erklärung und Begründung, wie eine ordnungsgemäße Reinigungsleistung in Bezug auf den Angebotspreis und im Hinblick auf die Einhaltung arbeits- und tarifrechtlicher Bestimmungen sichergestellt”

werde. Zusätzlich bat sie um Aufklärung bestimmter Positionen der Kalkulation mit Angabe der Ansätze. Die Antragsgegnerin wies in ihrem Schreiben darauf hin, dass der angebotene Preis langfristig die Selbstkosten eines Unternehmens decken solle, damit dieses überlebensfähig bleibe und die Leistung vertragskonform erbringen könne. Preise seien in der Regel auch Qualitätsindikatoren. Nicht aufgeklärt wurde der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeträgen. Mit Antwort vom 22. Juni 2023 erläuterte die Beigeladene ausführlich die von der Antragsgegnerin aufgeworfenen Fragen, dabei führte sie entsprechende Rechnungen auf und begründete ihre Kalkulation. Diese sei auskömmlich und marktkonform.

Mit weiterem Schreiben vom 26. Juni 2023 wies die Antragstellerin darauf hin, dass es angesichts der vorgegebenen SVS-Matrix der Antragsgegnerin zwingend eines Aufklärungsersuchens an die Bieter bedürfe. Dies sei eine drittschützende Regelung des Vergaberechts. Den von ihr erteilten Hinweis bat sie ausdrücklich nicht als Rüge zu verstehen. Ein zwar noch drohender, aber noch nicht begangener Rechtsverstoß liege noch nicht vor.

Mit Schreiben gemäß § 134 GWB vom 10. Juli 2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das Angebot aufgrund der Preisgestaltung den Zuschlag nicht erhalten könne. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.

Die Antragsgegnerin half den daraufhin erhobenen Rügen der Antragstellerin vom 11. und 12. Juli 2023 mit Schreiben vom 13. Juli 2023 nicht ab.

2. Mit Schreiben ihrer zu diesem Zeitpunkt bestellten Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Juli 2023 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt.

a) Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Ihr Vortrag sei nicht präkludiert. Die Antragstellerin habe rechtzeitig nach der Bieterinformation vom 10. Juli 2023 gerügt und wende sich nunmehr nur noch (nach Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung) gegen die Wertung der Antragsgegnerin. Der Antragstellerin drohe ein materieller Schaden. Ihre Platzierung auf Rang 7 stehe dem nicht entgegen, denn durch Neuwertung der Angebote unter Berücksichtigung der von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstöße erscheine es zumindest möglich, dass die Antragstellerin eine substanzielle Chance auf Zuschlag erhalte.

Der Antrag sei begründet. Die Antragsgegnerin sei ihren gesetzlich normierten Aufklärungs- und Prüfpflichten nicht nachgekommen. Auch ein Nichterreichen der Aufgreifschwelle bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten (20%ige Abweichung zum nächstteureren Angebot) schließe einen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften nicht aus. Nach Art. 58 Abs. 1 Richtlinie 2014/24/EU sowie §§ 123 und 124 GWB seien die Wettbewerber zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften verpflichtet. So müsse nach § 128 Abs. 1 GWB das Unternehmen bei Ausführung des öffentlichen Auftrags die geltenden Regeln, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung einhalten. Daraus leite sich eine Aufklärungs- und Prüfpflicht des Auftraggebers ab. Die Prüfung setze sich in § 56 Abs. 1 VgV (fachliche Richtigkeit) fort und werde von § 60 Abs. 2 und 3 VgV flankiert. Eine fiktive Gegenüberstellung der Angebotsdaten der Antragstellerin zum obsiegenden Bieter besage nichts über die Rechtskonformität der Kalkulation und die Einhaltung der Kalkulationsvorgaben durch diesen.

Die Antragsgegnerin prüfe in ihren Gebäudereinigungsausschreibungen offenbar grundsätzlich nicht die Midi-Job-Regelung, die zum 1. Oktober 2022 in Kraft getreten und zum 1. Januar 2023 modifiziert worden sei. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, sich die Personalansätze der Aufschlagskalkulation konkret dahingehend erläutern zu lassen, ob und inwieweit bei der Auftragsausführung Midi-Jobber eingesetzt werden sollen. Vom Bundesinnungsverband gebe es aktuelles “Lehrmaterial Kalkulation in der Gebäudereinigung”. Danach läge der Arbeitgeberanteil für Minijobber insgesamt 7,36% oberhalb des regulären hälftigen Arbeitgeberanteils für voll sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter. Für Midi-Jobber differierten die niedrigeren Aufschläge beim Arbeitgeberanteil in Abhängigkeit des konkreten Monatslohns jedes Mitarbeiters; bei 2.000 Euro Euro brutto werde der reguläre hälftige Arbeitgeberanteil erreicht. Im Markt der Gebäudereiniger seien rund 85% der Beschäftigten im Midi-Job-Bereich tätig. Daraus leite sich für den Regelfall ab, dass Unternehmen höhere Kalkulationsaufschläge als für voll sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter wählen müssten, um den gesetzlichen Vorschriften gerecht werden zu können. Im Rahmen einer Ausschreibung sei es möglich, für eine belastbare Kostenkalkulation zum Leistungsbeginn eine interne Quotierung der Beschäftigungsverhältnisse vorzunehmen. Es sei ohne Vorliegen besonderer Umstände wettbewerbswidrig, Midi-Jobber einzuplanen, aber trotzdem mit voll sozialversicherungs-pflichtigen Mitarbeitern zu kalkulieren.

Unklar sei auch die Kalkulation der Vorabeiterposition, die kein Zuschlagskriterium sei. Die Prüfung der Vorarbeiterposition bei der Beigeladenen sei zweifelhaft (der im Gegensatz zu ihrem eigenen Angebot doppelte Stunden-Einsatz generiere mehr als 15.000 Euro Kosten zu Lasten der Beigeladenen).

Die Antragstellerin beantragt weitergehende Akteneinsicht, insbesondere Einblick die inhaltlichen Aussagen zur Wertung der Beigeladenen. Sie verweist auf den Beschluss des KG vom 18. Mai 2022, Verg 7/21. Geschwärzte Schriftsätze und sonstige Unterlagen müssten im Hinblick auf das Grundrecht auf rechtliches Gehör unberücksichtigt bleiben.

Erstmals in der mündlichen Verhandlung macht die Antragstellerin weitere Vergabeverstöße geltend. Zum einen moniert sie eine mangelnde Transparenz der Vergabeunterlagen gemäß § 29 VgV, § 97 Abs. 1 GWB, indem die Antwort der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2023 auf das “Rüge”-Schreiben der Antragstellerin vom 6. Juni 2023 nicht allen Interessenten der Ausschreibung beispielsweise als Bieterfrage und -antwort zugänglich gemacht wurde. Zum anderen macht sie eine fehlerhafte Wertungsmatrix in Form einer defekten Excel-Datei in den Vergabeunterlagen geltend.

Die Antragstellerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten,

1. der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und die Wertung und Prüfung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer vergaberechtskonform zu wiederholen;

2. der Antragstellerin vorab Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;

3. die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

b) Die Antragsgegnerin beantragt,

1. den Antrag zu Ziffer 1 vom 20. Juni 2023 zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens sowie ihrer Aufwendungen aufzuerlegen.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die Antragstellerin habe das beanstandete vergaberechtliche Fehlverhalten frühzeitig erkannt, aber mit einer Rüge bis kurz vor dem geplanten Vertragsschluss gewartet. Es seien mehr als zehn Tage nach positiver Kenntnis verstrichen. Der Antrag sei gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB unzulässig.

Der Antrag sei unbegründet. Die Midi-Job-Problematik sei ihr bekannt. Jedoch habe der Auftraggeber keinen Einfluss auf den Personalbestand des Dienstleisters und die jeweilige Arbeitsmarktsituation. Welches Personal beschäftigt werde (Mini/Midi/Vollzeit), könne von der Antragsgegnerin nicht vorgegeben werden. Es komme auf die jeweilige regionale Verfügbarkeit der Arbeitskräfte sowie auf die unterschiedlichen Personalplanungen der einzelnen Bieter an. Die kalkulatorischen Personalkosten könnten nur individuell berechnet werden. Eine Festlegung im Vorfeld würde den tatsächlichen späteren Personaleinsatz nicht widerspiegeln und einen Eingriff in die unternehmerische Kalkulationshoheit bedeuten. Alle Bieter hätten zudem als vorgegebenes Eignungskriterium u.a. eine Eigenerklärung zur Tariftreue, Einhaltung der Bestimmungen zum Mindestlohn sowie Mindestarbeitsbedingungen abgeben müssen. Es seien somit keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Verstöße gegen § 128 Abs. 1 GWB gegeben seien. Im “Hinweisblatt Wichtige Informationen” sei darauf hingewiesen worden, dass der Kalkulation die zum Angebotsschlusstermin geltenden Tarifverträge sowie Beitragssätze der Sozialversicherung zugrunde zu legen seien. Somit hätten sich alle Bieter mit den notwendigen Kalkulationsaufschlägen auseinandersetzen müssen.

Die Antragsgegnerin habe ihre Plausibilitätsprüfung durch Sichtung und Überprüfung der geforderten eingereichten Unterlagen, Auswertung und Gegenüberstellung der Angebotspreise sowie Marktpreisprüfung und Berücksichtigung beider Zuschlagskriterien (Nettopreis und optimaler Leistungsansatz) durchgeführt. Personalkonzepte seien nicht Bestandteil der Ausschreibung und seien nicht als Zuschlagskriterium definiert. Sie habe nicht gegen § 60 VgV verstoßen. Es seien keine Anhaltspunkte für eine unseriöse Kalkulation oder Marktverdrängungsabsicht ersichtlich.

Es habe aufgrund des geringen Abstands zwischen erstem und zweitem Angebot sowie auch zur Antragstellerin keine Pflicht zur Aufklärung bestanden. Die Antragsgegnerin habe sich allerdings selbst dazu verpflichtet, bei Unterschreiten der sogenannten Aufgreifschwelle im Gebäudereinigerhandwerk (70% Aufschlag auf den Stundenlohn der Lohngruppe 1, 13,00 Euro x 1,7 = 22,10 Euro) die drei nach der Wertung bestplatzierten Angebote aufzuklären. Die Differenz zwischen den Angeboten spiegele den aktuellen Marktpreis wider.

c) Mit Beschluss vom 24. Juli 2023 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil die Antragstellerin mit ihrem Vortrag zu den Vergabeunterlagen präkludiert sei. Die Antragstellerin habe nach Nichtabhilfemitteilung spätestens am 19. Juni 2023 einen Nachprüfungsantrag stellen müssen.

Der Nachprüfungsantrag sei hilfsweise auch unbegründet. Es bestehe keine vergaberechtliche Anforderung, genaue Angaben über den Anteil der für Auftragsdurchführung vorgesehenen geringfügig Beschäftigten oder sogenannten Midi-Jobber zu verlangen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Leistungsversprechen zweifelhaft sei oder dass Unternehmen nur deshalb günstiger als sie selbst anbieten würden, weil sie sozial- oder arbeitsrechtliche Vorschriften nicht einhielten, habe die Antragstellerin aber nicht benannt. Auch sei eine Kalkulation mit ausschließlich voll sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern nicht unrechtmäßig. So sei es auch nicht unmöglich, den Auftrag hier allein mit voll sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern durchzuführen. Im Wesentlichen hänge dies von den vertraglich vorgegebenen Reinigungszeitfenstern ab. Die Reinigung in den Tagesrandzeiten erfordere eher den Einsatz geringfügig Beschäftigter. Dieses Problem stelle sich hier nicht, denn alle Bereiche der Kaserne könnten von Montag bis Donnerstag zwischen 7 und 16 Uhr und am Freitag zwischen 7 und 11 Uhr gereinigt werden, also während gewöhnlicher Arbeitszeiten. Der Auftrag könne daher unproblematisch ausschließlich mit voll sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern ausgeführt werden. Eine weitere Aufklärung sei nicht notwendig. Der Kalkulationsansatz sei nämlich unmittelbar aus der Berechnung des Stundenverrechnungssatzes ersichtlich, dort wo die normalen Vorgaben der gesetzlichen Sozialversicherung für voll beschäftigtes Personal eingetragen seien. Auf eine unternehmensspezifische Quote von Beschäftigten im Mini- und Midi-Job-Bereich komme es nicht an. Kein Bieter sei gehalten, eine solche Durchschnittsquote seines Unternehmens in jedem einzelnen Auftrag abzubilden. Auf einen “Branchenschnitt” komme es nicht an. Die Beigeladene bestreitet eine Quote von 85% im Branchenschnitt.

Es bestehe kein weitergehendes Recht auf Akteneinsicht. Unterlagen der Vergabeakte, aus denen Preise oder die Preiskalkulation ersichtlich seien oder Rückschlüsse erlaubten, seien Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen. Eine Ausforschung ihrer Kalkulationsgrundlagen komme nicht in Betracht.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen beantragen,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin keine weitergehende Akteneinsicht zu gewähren;

3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen und

4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen zur notwendig zu erklären.

Die Vergabekammer hat nach vorheriger Zustimmung der Antragsgegnerin der Antragstellerin teilweise Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.

In der mündlichen Verhandlung am 21. August 2023 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern. Die Beigeladene hat auf eine Teilnahme verzichtet. Die Vertreter der Antragstellerin erklärten in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, dass sie in Bezug auf die von ihr geltend gemachte Mini-/Midi-Job-Problematik keinen Vergabeverstoß mehr im Hinblick auf die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen geltend machen.

Der Vorsitzende hat mit Verfügungen vom 22. August und 7. September 2023 die Entscheidungsfrist bis zum 21. September 2023 einschließlich verlängert.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der teilweise unzulässige Nachprüfungsantrag ist unbegründet.

1. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise unzulässig.

a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, sofern ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Das für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB erforderliche Interesse am Auftrag hat die Antragstellerin durch die Abgabe eines Angebots hinreichend dokumentiert. Sie macht geltend, in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein.

Der Antragstellerin droht ein Schaden, obwohl ihr Angebot nach der Wertung der Antragsgegnerin nur auf dem siebten Rang liegt. Ein Schaden droht grundsätzlich dann, wenn ein Antragsteller im Fall eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte, wenn also die Aussichten des Bieters auf die Erteilung des Auftrags durch den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß zumindest verschlechtert worden sein können. Erst wenn eine Verschlechterung offensichtlich ausgeschlossen ist, ist der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022 – Verg 25/21; BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09). Die Antragstellerin trägt vor, es sei nicht auszuschließen, dass alle sechs vor ihr liegenden Angebote kalkulatorisch fehlerhaft mit der Midi-Job-Problematik umgegangen seien und die Antragsgegnerin dies nicht korrekt geprüft habe. Aufgrund dessen ist nicht gänzlich auszuschließen, dass die Antragstellerin bei einem Feststellen grundlegender Mängel der Wertung eine Chance auf den Zuschlag hat.

b) Die Antragstellerin hat die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gerügt, soweit sie sich auf die Fehlerhaftigkeit der Angebotswertung bezieht. Diese konnte sie erst nach Mitteilung der Absage nach § 134 GWB geltend machen. Nicht mehr geltend macht die Antragstellerin nach der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung, dass die die monierte Mini-/Midi-Job-Problematik bereits im Hinblick auf die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen (Datei/Formular zur Berechnung des Stundenverrechnungssatzes) einen Vergabeverstoß darstelle. Die Vergabekammer entscheidet daher nicht darüber, ob der im Vorfeld der Angebotsabgabe Schreiben vom 6. Juni 2023 geltend gemachte Vergabeverstoß allein deshalb keine Rüge im Sinne des § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB darstellt, weil die Antragstellerin diese in ihren Schreiben ausdrücklich nicht als förmliche Rüge verstanden haben wollte.

Soweit die Antragstellerin erstmalig in der mündlichen Verhandlung einen Vergabeverstoß im Sinne einer mangelnden Transparenz der Vergabeunterlagen gemäß § 29 VgV, § 97 Abs. 1 GWB vorträgt, indem die Antwort der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2023 auf das “Rüge”-Schreiben der Antragstellerin vom 6. Juni 2023 nicht allen Interessenten der Ausschreibung beispielsweise als Bieterfrage und -antwort zugänglich gemacht wurde, bleibt dieser Vortrag gemäß § 167 Abs. 2 Satz 2 GWB unbeachtet. Dies gilt ebenfalls für die erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte möglicherweise fehlerhafte Wertungsmatrix in Form einer defekten Excel-Datei in den Vergabeunterlagen. Zudem sind die vorgenannten Vergabeverstöße auch mangels Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Voraussetzung für eine Rügepräklusion ist die positive Kenntnis der Antragstellerin der tatsächlichen Umstände und zugleich die zumindest aufgrund laienhafter vernünftiger Wertung gewonnene positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften. Die Kenntnis im vorgenannten Sinn ergibt sich hier bereits aus dem Umstand, dass sich diese Verstöße in tatsächlicher Hinsicht bereits vor Angebotsabgabe ereignet haben und damit der Antragstellerin auch seit mehr als zehn Tagen bekannt waren. Von einer Kenntnis in rechtlicher Hinsicht ist ebenfalls auszugehen, denn die Antragstellerin – zumal seinerzeit vertreten durch einen Verfahrensverfahrensbevollmächtigten – war offensichtlich in der Lage diese Umstände ohne weitere Hinweise der Vergabekammer in die mündliche Verhandlung einzubringen.

3. Der Nachprüfungsantrag ist im Übrigen unbegründet. Es bestand grundsätzlich keine Pflicht der Antragsgegnerin zur Aufklärung der Preise des Angebots der Beigeladenen nach § 60 Abs. 1 VgV (unter lit. a). Die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung, nach dennoch erfolgter Aufklärung der Preise und Kosten den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, begegnet keinen Bedenken (unter lit. b).

a) Es bestand grundsätzlich keine Pflicht der Antragsgegnerin zur Aufklärung der Preise des Angebots der Beigeladenen nach § 60 Abs. 1 VgV. Der öffentliche Auftraggeber verlangt gemäß § 60 Abs. 1 VgV vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Eine Preisprüfung ist nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig bei Bestehen eines Preisunterschieds von 20 % zum nächsthöheren Angebot durchzuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2019 – Verg 49/18). Das Erreichen der Aufgreifschwelle löst eine Pflicht zur Aufklärung der Preise nach § 60 Abs. 1 VgV aus.

Hier liegt der Abstand des Angebots der Beigeladenen zum nächsthöheren Angebot des zweitplatzierten Angebots erheblich niedriger als 20%. Selbst im Vergleich zum Angebot des an siebter Stelle platzierten Angebot der Antragstellerin wird die Aufgreifschwelle für die Preisprüfung bei weitem nicht erreicht. Auch wenn man im konkreten Fall eine Aufklärungspflicht annehmen wollte, vermag dies keine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu begründen, denn die Antragsgegnerin hat die Preisangebote aufgeklärt (siehe hierzu im Folgenden).

b) Bei der gleichwohl von Antragsgegnerin im Rahmen ihres Aufgreifermessens durchgeführten Aufklärung der Preise ist sie zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, der Zuschlag könne auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.

(1) Die Antragsgegnerin hat aufgrund einer intern gesetzten “Aufgreifschwelle” bei der Vergabe von Gebäudereinigungsleistungen eine Aufklärung der drei bestplatzierten Angebote und damit auch des Angebots der Beigeladenen vorgenommen. Diese Aufgreifschwelle macht sie bei Unterschreiten eines Aufschlags von 70% auf den Stundenlohn der Lohngruppe 1 fest. Die Schwelle liegt nach der Rechnung der Antragsgegnerin bei einem Stundenverrechnungssatz von 22,10 Euro, ausgehend von einem Tarif-Mindestlohn von 13,00 Euro (siehe Seite 5, Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2023).

Neben den drei erstplatzierten Angeboten hat auch das Angebot der Antragstellerin (an siebter Stelle der Wertungsreihenfolge) diese Aufgreifschwelle mit ihrem Stundenverrechnungssatz unterschritten. Eine Aufklärung hat bei der Antragstellerin lediglich aufgrund ihres abgeschlagenen Rangplatzes nicht stattgefunden. Aufgrund von Effizienzerwägungen ist es der Antragsgegnerin zuzugestehen, nicht sämtliche eingegangenen Angebote aufzuklären, sondern (zunächst) nur die ersten drei Angebote.

Mithilfe der Aufklärung prüft der Auftraggeber gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VgV die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann neben der Wirtschaftlichkeit gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VgV auch gemäß Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB, der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften betreffen. Der Auftraggeber “darf” den Zuschlag auf das Angebot ablehnen, wenn er die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Hierbei ist ihm ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt. Die Ablehnung des Zuschlags ist grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. April 2023 – Verg 26/22). Er ist verpflichtet das Angebot abzulehnen, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten ungewöhnlich niedrig sind, weil die Verpflichtungen nach § 60 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VgV nicht eingehalten werden (§ 60 Abs. 3 Satz 2 VgV).

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Zuschlag wegen einer Nichteinhaltung der Verpflichtungen nach § 60 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VgV, § 128 Abs. 1 GWB nicht auf das Angebot der Beigeladenen erteilen darf, sind aufgrund der vorgenommenen Aufklärung nicht ersichtlich. Zwar hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Aufklärung des Angebots der Beigeladenen nicht die Angaben im Stundenverrechnungssatz zu den Arbeitgeberanteilen der Sozialversicherungsbeiträge aufgeklärt. Sie vertritt allerdings insoweit die Auffassung, dass sie keine Vorgaben bezüglich des Anteils an Mini-/Midi-Jobbern/Vollzeitbeschäftigten im Personalstamm der Bieter machen könne. Hierfür komme es auf die regionale Verfügbarkeit der Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt sowie die unterschiedlichen Personalplanungen der einzelnen Bieter an. Die Personalkosten könnten (u.a. wegen der gleitenden Veränderung der Arbeitgeberanteile bei Midi-Jobs) von jeder Firma nur individuell kalkuliert werden.

Dieser Argumentation ist zu folgen. Eine Vergleichbarkeit der Angebote zum Zeitpunkt der Wertung wäre – folgte man der Auffassung der Antragstellerin – nur bei Vorgabe einer prozentualen Quotierung der unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse im Vorfeld, also einer verbindlichen Vorgabe zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe, herstellbar. Eine solche Quotierung würde aber den späteren tatsächlichen Personalbestand eines Bieters/Auftragnehmers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht abbilden. Über den Zeitraum des Rahmenvertrags von vier Jahren muss der Bieter daher im Rahmen der Kalkulation zur Angebotserstellung zu einer prognostischen Einschätzung der Arbeitgeberanteile auch im Hinblick auf den Anteil der gleitenden Veränderung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung pro Arbeitsvertrag jedes einzelnen Mitarbeiters greifen. Diese prognostische Berechnung setzt sich zusammen aus der individuellen Verfügbarkeit von Arbeitskräften, die der Bieter durch Arbeitsverträge bereits an sich gebunden hat oder zukünftig an sich binden kann. Ein weiterer Faktor für die Kalkulation der einzusetzenden Arbeitskräfte sind für den Bieter die Rahmenbedingungen der Ausschreibung, das heißt die vertraglich vorgegebenen Reinigungsfenster. Eine Verfügbarkeit von Arbeitnehmern wird bei einem Einsatz in Randzeiten (frühmorgens, abends, nachts) anders aussehen, als bei einem Einsatz zu üblichen Tageszeiten. Eine Vorgabe durch den Auftraggeber zur Berücksichtigung von Beschäftigten im Mini-/Midi-Bereich würde jedenfalls in die unternehmerische Personalplanung eingreifen und einen Eingriff in die Kalkulationsfreiheit der Bieter darstellen. Vielmehr hat der Bieter bei der Kalkulation seines Angebots seine Personalplanung im Stundenverrechnungssatz in Form einer prognostischen Berücksichtigung seiner Personalressourcen für den Auftrag (auch unter Berechnung der verschiedenen individuellen Arbeitgeberanteile im Rahmen der sogenannten Gleitzone bis 2.000 Euro Einkommen) abzubilden. Dies entspricht einer internen Quotierung der Beschäftigungsverhältnisse des jeweiligen Bieters zum Zwecke der Kalkulation für den konkreten Auftrag. Allerdings bedarf die Berechnung der Arbeitgeberanteile an den Sozialversicherungsbeiträgen der einzelnen Bieter keiner weiteren Aufklärung durch die Antragsgegnerin. Durch die in der Tabelle Stundenverrechnungssatz abgebildeten Anteile ist bereits ersichtlich, ob der Bieter jeweils den hälftigen Arbeitgeberanteil (mit vollbeschäftigten Mitarbeitern) oder einen höheren Arbeitgeberanteil mit einem Anteil Mini-/Midi-Jobbern zugrunde legt. Da die Antragsgegnerin sich keine Personalkonzepte vorlegen lässt und stattdessen aber die Bieter in den Vergabeunterlagen unter “Wichtige Informationen” darauf hinweist, dass der Kalkulation die zum Angebotsschlusstermin geltenden Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks sowie die zum Angebotsschlusstermin geltenden Beitragssätze der Sozialversicherung zu Grunde zu legen sind, überträgt sie die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Berücksichtigung der Beitragssätze der Sozialversicherung in den Verantwortungsbereich der Bieter. Die Antragsgegnerin muss damit im Rahmen ihrer Konzeption des Vergabeverfahrens keine weitergehende Aufklärung im Hinblick auf die Kalkulation des Arbeitgeberanteils an den Sozialversicherungsbeiträgen des Stundenverrechnungssatzes betreiben. Anderes kann gelten, wenn sich aufgrund der Angaben im Angebot eines Bieters in der Berechnung des Stundenverrechnungssatzes offensichtlich Unklarheiten ergeben.

Dann hat der Auftraggeber Anlass, die Angaben zur Kalkulation des Arbeitgeberanteils zu überprüfen.

Im Übrigen liegen aber auch in tatsächlicher Hinsicht keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beigeladene ihren Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung nicht korrekt kalkuliert haben könnte. Wie die Beigeladene schriftsätzlich vorgetragen hat, biete sich der Auftrag aufgrund der Rahmenbedingungen (der vertraglich vorgegebenen Reinigungsfenster: Montag bis Donnerstag zwischen 7 und 16 Uhr und am Freitag zwischen 7 und 11 Uhr) an, mit voll sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern auszuführen. Der Auftrag könne unproblematisch ausschließlich mit voll sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern ausgeführt werden. Nichts anderes hat sie auch ihrer Kalkulation zugrunde gelegt.

(2) Im Hinblick auf die Überprüfung der übrigen Positionen der Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes, hier insbesondere der von der Antragstellerin bemängelte Anteil der Kalkulation der Löhne für Aufsichten/Vorarbeiter (Ziffer 3.10 des Formblatts Stundenverrechnungssatz), sind keine Fehler erkennbar.

Nach § 5 Abs. 7 des Objektvertrags hat der Auftragnehmer eine Reinigungskraft zwecks Wahrnehmung einer Vorarbeiterfunktion zu benennen. Diese Reinigungskraft ist grundsätzlich nicht selbst mit den zu überwachenden Reinigungsarbeiten betraut. Die für Kontrolle und Aufsicht im Objekt vorgesehenen täglichen Arbeitsstunden waren in Anlage 8 der Angebotsunterlagen separat anzugeben. Eine Mindeststundenanzahl war nicht gefordert. Im Rahmen der Aufklärung hat die Beigeladene ausgeführt, wie sie ihr Angebot unter Beachtung der Freistellung des Vorarbeiters während der Reinigungszeit kalkuliert hat (Seite 4, Antwortschreiben vom 22. Juni 2023 auf die Aufklärung der Antragsgegnerin). Die Antragsgegnerin hat auf die Rüge der Antragstellerin hin die Wertung einer erneuten Prüfung unterzogen (siehe Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2023). Da es keinen vorgeschriebenen zeitlichen Mindesteinsatz des Vorarbeiters gab, war aus Sicht der Vergabekammer im Ergebnis eine weitergehende Überprüfung der Kalkulation dieser Position nach der Antwort der Beigeladenen auf das Aufklärungsersuchen nicht notwendig. Die Beigeladene hat hier im Detail ausgeführt, wie der von ihr angebotene Quadratmeterpreis im Vergleich zur Auftragsausführung 2015-2019 aufgrund der aktuellen Anforderungen der Ausschreibung anders kalkuliert wurde. Sie sichert im Aufklärungsschreiben zusätzlich zum Angebotsschreiben “noch einmal” zu, dass eine vertragskonforme dauerhafte Leistungserbringung sichergestellt sei. Die Antragsgegnerin durfte dies ihrer Angebotswertung zugrunde legen.

3. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf eine weitergehende Akteneinsicht in den Vergabevermerk zu, soweit sie Details der Kalkulationsprüfung des Angebots der Beigeladenen begehrt.

Der Anspruch auf Akteneinsicht hat im Nachprüfungsverfahren eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion (vergl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022 – Verg 25/21; Beschluss vom 20. Dezember 2019 – Verg 35/19). Der Umstand, dass Bewertungsentscheidungen auch darauf hin zu überprüfen sind, ob die jeweilige Wertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden, betrifft nicht den Umfang des Akteneinsichtsrechts des unterlegenen Mitbewerbers, sondern lediglich den Umfang der Überprüfungspflicht der Nachprüfungsinstanzen, die im GWB-Vergaberecht – anders als im kontradiktorischen Verfahren nach der Zivilprozessordnung – zur Amtsermittlung verpflichtet sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen dieser Amtsermittlung auch Umstände berücksichtigt werden können, deren Offenlegung mit Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen abzulehnen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022 – Verg 25/21 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des KG (Beschluss vom 18. Mai 2022, Verg 7/21). Das KG hatte sich mit sog. “geschwärzten” Unterlagen oder Schriftsätzen, die anderen Verfahrensbeteiligten nicht zugänglich gemacht werden sollten, auseinandergesetzt. Nach Auffassung des Gerichts liegt es in der autonomen Entscheidung eines Beteiligten, ob er Sachvortrag zur Grundlage des Nachprüfungsverfahrens machen möchte oder im Hinblick auf ein von ihm als überwiegend wichtig angesehenes Geheimhaltungsinteresse verbergen möchte. Dieser Sachvortrag würde weder Gegenstand der Akten der Vergabekammer noch Bestandteil der Gerichtsakten, welcher der Entscheidung und Verhandlung zugrunde gelegt werden könne. Den Nachprüfungsinstanzen sei es verwehrt, Vorbringen, das anderen Verfahrensbeteiligten nicht zur Kenntnis gegeben worden ist und zu dem sie sich nicht äußern konnten, zur Grundlage ihres Verfahrens und ihrer Entscheidung zu machen. Dies würde jene Verfahrensbeteiligten in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzen und ist im Hinblick auf die Bindung der Nachprüfungsinstanzen an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) unzulässig. Zur Frage einer Akteneinsicht hat sich das KG hingegen ausdrücklich nicht geäußert. Die vom KG entschiedene Fallkonstellation eines für geheim erklärten Sachvortrags liegt hier gerade nicht vor. Für die Frage der Akteneinsicht gilt damit das oben Ausgeführte.

Für die Einsicht in weitere Teile der Vergabeakte heißt das:

Die Einsicht in die von der Vergabekammer geschwärzten Teile des Vergabemerks ist gemäß § 165 Abs. 2 GWB wegen des entgegenstehenden Geheimhaltungsinteresses der Beigeladenen in Ausführungen des Vergabevermerks zur Überprüfung ihres Angebots, die Rückschlüsse auf ihre Kalkulation erkennen lassen, zu versagen. Im Übrigen haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene schriftsätzlich Sachverhalt vorgetragen, auch in Bezug auf Angebotsinhalte der Beigeladenen. Ein weitergehendes Offenlegungsinteresse der Antragstellerin ist nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, 2, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 VwVfG.

Die Antragstellerin hat sich mit ihrem Nachprüfungsantrag ausdrücklich, bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zur Beigeladenen gestellt, da sie ihren Antrag darauf stützt, dass auf deren ungewöhnlich niedriges Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe. In einem solchen Fall entspricht es der Billigkeit im Sinne des § 182 Abs. 4 S. 2 GWB, der unterliegenden Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen, weil sich diese aktiv durch die schriftsätzliche Stellung von Anträgen und deren Begründung am Nachprüfungsverfahren beteiligt und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen hat (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2014 – Verg 41/13).

Hierüber hinaus war die Zuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Beigeladene notwendig, um die erforderliche “Waffengleichheit” gegenüber der während des Verfahrens bis kurz vor Abschluss anwaltlich vertretenen Antragstellerin herzustellen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Mai 2019 – Verg 55/18).

IV.

(…)

Ax unterstützt Universitätsklinikum Halle (Saale) vergaberechtlich

Ax unterstützt Universitätsklinikum Halle (Saale) vergaberechtlich

Informationen zur Universitätsmedizin Halle (Saale)

Forschung, Lehre und Krankenversorgung sind die drei Säulen der Universitätsmedizin Halle (Saale). Sie verbindet die traditionsreiche Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und das Universitätsklinikum Halle (Saale) als Maximalversorger in besonderem Maße:

Forschende, Lehrende und Behandelnde arbeiten Hand in Hand. Wissenschaftler:innen ergründen Krankheiten und deren Ursachen. Sie forschen, um neue Heilmittel und Therapiemöglichkeiten zu finden. Diese Erkenntnisse werden in der Lehre an Studierende weitergegeben. Und die Ergebnisse aus der Forschung können auch in die Krankenversorgung einfließen. So sind die Behandlungen für unsere Patient:innen auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand. Andererseits bieten spezielle, unbekannte Krankheitsbilder neue Ansätze für die Forschung und die Lehre – das alles unter dem Dach der Universitätsmedizin Halle (Saale) (im Folgenden UKH genannt).

Etwa 40.000 Patient:innen kommen jährlich zur stationären Behandlung zu uns an unseren Hauptstandort in der Ernst-Grube-Straße in Halle (Saale). Des Weiteren werden unsere ambulanten Therapie- und Diagnostikmöglichkeiten pro Jahr in 195.000 Fällen genutzt.

Ax unterstützt Entsorgungsbetriebe der Stadt Heilbronn bei Projekt Nordumfahrung Frankenbach / Neckargartach Offener Kanalbau Böllinger Straße (BA1 + 3a)

Ax unterstützt Entsorgungsbetriebe der Stadt Heilbronn bei Projekt Nordumfahrung Frankenbach / Neckargartach Offener Kanalbau Böllinger Straße (BA1 + 3a)

Die Stadt Heilbronn plant die Nordumfahrung Frankenbach/ Neckargartach, die sich von der Neckartalstraße Richtung Osten entlang dem Industriegebiet Böllinger Höfe bis zur Einmündung auf die B39 zwischen Kirch-hausen und Frankenbach zieht. Die Straßenplanungen, beauftragt durch das Amt für Straßenwesen der Stadt Heilbronn, laufen bei der ARGE der Büros Emch und Berger sowie der Planungsgruppe Bau aus Karlsruhe. Diese sind nicht Bestandteil dieser Ausschreibung.

Die Entwässerungsplanung obliegt den Entsorgungsbetrieben der Stadt Heilbronn (EBH). Die BIT Ingenieure wurden von den EBH mit der Planung der Bauabschnitte BA 1, BA 2, BA 3 und BA 5 beauftragt. Diese befinden sich zwischen der Böllinger Straße und der Wimpfener Straße. Die Bauabschnitte BA 1 und BA 3 a sind Bestandteil dieser Ausschreibung.

Diese Ausschreibung umfasst den BA 1 im westlichen Bereich der Buchener Straße bis zur Kreuzung mit der Böllinger Straße sowie den BA 3a welcher den Anteil des BA3 abbildet, der in der Böllinger Straße verläuft. Hier werden Misch- und Regenwasserkanal parallel, jeweils in DN 1200 mit gleicher Fließrichtung in offener Bauweise, verlegt.

Die vorhandenen Anschlüsse (Haus-, Grundstücks- und Straßenentwässerung) werden im Rahmen der Verlegearbeiten zunächst auf einen provisorischen Mischwasserkanal, innerhalb der Baugrube, umgeschlossen. Der bestehende Mischwasserkanal wird im Rahmen der Neuverlegung abschnittsweise zurück gebaut. Der Regenwasserkanal wird vorsorglich für die Entwässerung des BG Steinäcker, sowie der Nordumfahrung verlegt und hat aktuell noch keine Beaufschlagung.

Die ebenfalls in der Trasse vorhandene Wasserleitung wird parallel zu den neuen Kanaltrassen neu verlegt. Hierzu wird durch die HNVG im Vorfeld eine Notversorgung aufgebaut. Im Rahmen der Verlegearbeiten muss im Kreuzungsbereich Böllinger- zur Buchener Straße ein Gas- und eine Gas-Hochdruckleitung unterquert werden. Entsprechende Sicherungsarbeiten sind mit ausgeschrieben.

Um zukünftig den heutigen Mischwasserabfluss über die neue Trasse Böllinger Straße leiten zu können, wird im Rahmen der Maßnahme ein Verbindungsbauwerk BA01_KM005 in der Buchener Straße errichtet. Dieses verbindet die heutige MW-Trasse mit der zukünftigen Kanalführung. Das Verbindungsbauwerk soll in ortbetonbauweise errichtet werden. Hierzu wird sowohl um die bestehende Mischwasserleitung DN 700, als auch die neue Mischwasserleitung ein Bauwerk errichtet. Somit ist sowohl die Wasserhaltung während dem Bau als auch die Ableitung nach Fertigstellung gewährleistet. Der Umschluss innerhalb des Schachtes erfolgt im Rahmen des späteren Baus RÜB59neu (BA 5) und ist nicht Bestandteil dieser Ausschreibung.

Projektbeteiligte

Auftraggeber, in dessen Namen die Ausführung der Arbeiten erfolgt:

▪ Entsorgungsbetriebe der Stadt Heilbronn Weipertstraße 41 74076 Heilbronn

Weitere an der Maßnahme Beteiligte, die nicht Auftraggeber dieser Ausschreibung sind:

▪ Amt für Straßenwesen Cäcilienstraße 49 74072 Heilbronn

▪ Heilbronner Versorgungs GmBH Weipertstraße 41 D-74076 Heilbronn

Die Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung der Leistungen erfolgt durch:

▪ BIT Ingenieure AG Lerchenstraße 12 74072 Heilbronn

OLG Schleswig -Beschluss vom 24.11.2023- zu der Frage, dass eine Handwerkskammer nicht öffentlicher Auftraggeber ist

OLG Schleswig -Beschluss vom 24.11.2023- zu der Frage, dass eine Handwerkskammer nicht öffentlicher Auftraggeber ist

1. Eine Handwerkskammer ist zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber, weil sie keiner qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit unterliegt. Die bloße Rechtsaufsicht, Rechtmäßigkeits- oder Rechnungshofkontrolle ist mangels entsprechender Einflussmöglichkeiten nicht ausreichend.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der “überwiegenden Subventionierung” i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB ist der Zeitpunkt der Ausschreibung. Entscheidend ist, in welcher Höhe der Auftraggeber mit Fördermitteln bei seiner Gesamtkalkulation gerechnet hat.
OLG Schleswig, Beschluss vom 24.11.2023 – 54 Verg 6/23

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin schrieb mit Auftragsbekanntmachung vom ### im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (###) “Planungsleistungen für Baugrund und Wasserhaltung” im Offenen Verfahren aus. Diese Bezeichnung findet sich unter II. 1.4) und II.2.4) der EU- Bekanntmachung. Als Bezeichnung des Auftrags ist unter 11.1.1) Bezeichnung des Auftrags “###” angegeben.

Als zuständige Stelle für Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren ist in der EU-Bekanntmachung die Antragsgegnerin selbst benannt.

Die Laufzeit des Vertrages ist mit 01.08.2023 bis 30.08.2026 angegeben.

Der Preis ist das einzige Zuschlagskriterium.

Als geschätzter Gesamtwert für den Auftrag ist in der EU-Bekanntmachung 76.000 EUR ohne Mehrwertsteuer angegeben.

Unter III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit werden als Eignungskriterien benannt:

“Als Eigenerklärung sind vorzulegen:

– Angaben zu den für die Ausführung der Leistung zur Verfügung stehenden Arbeitskräften

– Ausführung von Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind.”


Das Leistungsverzeichnis enthält in der Position 1.11 folgende Formulierung:

“Probeentnahme von Aushubböden durch einen akkreditierten Probeentnehmer auf dem ### incl. An- und Abfahrten im Zuge der Erdarbeiten”

Teil der Vergabeunterlagen war das Dokument

“### der ###.

Vorplanung (LPH 2) “kleiner” ### mit reduziertem ###

Baubeschreibung zur Vorplanung (LPH 2) Stand: 15.03.2023 (VORABZUG)”


Sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene gaben ein Angebot ab. Die Antragstellerin gab das günstigste Angebot ab und war zunächst für den Zuschlag vorgesehen. Am 29.06.2023 wurde die Antragstellerin gebeten, einen geeigneten Nachweis zur Akkreditierung hinsichtlich des Punktes 1.11 des Leistungsverzeichnisses zu übersenden. In der Folge legte die Antragstellerin bis zum 30.06.2023 Urkunden vor. Mit E-Mail vom selben Tag forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin erneut zur Übersendung einer Akkreditierungsurkunde auf. Die Antragstellerin übersandte sodann eine Akkreditierung für das Labor und führte zu den Anforderungen an die Probeentnahme nach § 8 Satz 1 der Ersatzbaustoffverordnung aus. Mit E-Mail vom 03.07.2023 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass eine Akkreditierung für die Probeentnahme bislang nicht vorgelegt worden, diese ab dem 01.08.2023 jedoch zwingend erforderlich sei. Mit E-Mail vom selben Tag fragte die Antragstellerin nach, um welche Akkreditierung es sich handele. Die Akkreditierung nach DIN EN ISO 17 020 und 17 025 werde unter gewissen Umständen in dem novellierten Bundesbodenschutzgesetz abgefragt, für die in Position 1.12/1:13 bzw. für die entsprechende Probenahme Pos. 1.11 zu erbringende Leistung sei keine Akkreditierung vorzulegen. Grundlage für die Probeentnahme für die ordnungsgemäßen Abfalluntersuchungen sei in Deutschland die LAGA PN 98. Es würden für die abgefragten Leistungen alle formalen und technischen Voraussetzungen erfüllt. Am 13.07.2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass das Angebot der Antragstellerin im weiteren Verfahren keine Berücksichtigung finden werde. Aufgrund der Korrespondenz werde davon ausgegangen, dass die Antragstellerin die Voraussetzung eines akkreditierten Probenehmers nicht erfülle. Eine Beauftragung eines Unternehmens ohne die geforderte Akkreditierung würde ein Abweichen von den festgelegten Kriterien und eine Benachteiligung potentieller Bieter, die in Kenntnis der Anforderung von einer Abgabe eines Angebots abgesehen haben, bedeuten. Die Antragstellerin wandte sich am selben Tag gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin. Es sei ihr keine für die abgefragte Leistung notwendige Akkreditierung bekannt, die Antragsgegnerin möge diese benennen. Die am 01.08.2023 in Kraft getretene BBodSchV n.F. enthalte Übergangsregelungen bis zum 01.08.2028. Bei Abgabe des Angebots sei es nicht notwendig erschienen, den intransparent genannten Begriff “Akkreditierung” aufzuklären, da die Antragstellerin darauf vertraut habe, dass sich die Antragsgegnerin nur auf die Einhaltung der geltenden Rechts- und Normlage berufe. Mit Schreiben vom 18.07.2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie bei ihrer Entscheidung bleibe. Die Entscheidung der Fachabteilung hinsichtlich der Anforderungen an die Probenahme beruhe ungeachtet gesetzlicher Vorgaben auf einer sorgfältigen Einschätzung.

Aufgrund besonderer Umstände zur Bodenbeschaffenheit im Bereich der geplanten Baumaßnahme werde die Probenahme durch einen akkreditierten Probenehmer für erforderlich gehalten. Die BBodSchV stehe dem nicht entgegen. Spätestens ab dem 01.08.2028 sei die Probenahme von einem akkreditierten Probenehmer durchzuführen. Der Antragsgegnerin sei es unbenommen, bereits vorher die Akkreditierung des Probenehmers zu fordern. Der Wortlaut des Leistungsverzeichnisses sei eindeutig gewesen und lasse kein abweichendes Verständnis zu. Einem interessierten Ingenieurbüro sei spätestens seit Bekanntwerden der Neufassung der BBodSchV der Begriff der Akkreditierung bekannt. Die Antragstellerin habe auch Aufklärungsfragen stellen können. Ein Abweichen von dem selbst aufgestellten Leistungsverzeichnis würde einen Vergabeverstoß darstellen. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin nicht als Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB anzusehen sei.

Am 28.07.2023 stellte die Antragstellerin bei der Vergabekammer Schleswig-Holstein einen Nachprüfungsantrag, der am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt wurde.

Am 16.08.2023 erteilte die Vergabekammer Schleswig-Holstein einen rechtlichen Hinweis, in dem sie ihre vorläufige Einschätzung mitteilte, dass die Antragsgegnerin – jedenfalls derzeit noch – kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB sei.

Nach dem rechtlichen Hinweis der Vergabekammer erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen den Zuschlag. Die Vergabekammer teilte Antragsgegnerin und Beigeladener mit, dass eine etwaige Zuschlagserteilung nichtig sei, da sie gegen das gesetzliche Zuschlagsverbot verstoßen würde.

Die Antragstellerin trat der vorläufigen Bewertung der Vergabekammer zur fehlenden Eigenschaft der Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin entgegen. Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin sei öffentlicher Auftraggeber, jedenfalls ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 4 GWB. Das Projekt ### der ### habe eine geschätzte Bausumme von jedenfalls über 90 Millionen EUR und werde nach Kenntnismöglichkeiten der Antragstellerin überwiegend mit Mitteln des Landes und weiterhin aus Mitteln des Bundes finanziert. Derzeit würden 59 Millionen EUR für das Vorhaben aus Landesmitteln stammen, dies habe das ### zum Haushalt 2023 am 13.12.2022 mitgeteilt. Allein die Finanzierungsabsicht sei maßgeblich für die Frage, ob die Antragsgegnerin Auftraggeberin nach § 99 Nr. 4 GWB sei. Abzustellen sei dabei auf den Begriff der Subventionen. Dies umfasse auch Sachleistungen, Garantien, Bürgschaften und Darlehen, aber auch Entbindung von einer Leistungspflicht oder Belastungsminderung. Es komme nicht darauf an, ob ein Fördermittelantrag bereits vorliege oder gestellt worden sei, entscheidend sei allein, in welcher Höhe der Auftraggeber mit Subventionen zum Zeitpunkt der Ausschreibung bei seiner Gesamtkalkulation rechne. Mangels Förderbescheid müsse auf andere Kalkulationsüberlegungen zurückgegriffen werden, insbesondere auch auf die öffentlichen Pressemitteilungen von Land und Bund. Bereits mit der ersten Ausschreibung zu einem Vorhaben müsse feststehen, ob der Auftraggeber öffentlicher Auftraggeber sei. Es komme darauf an, ob die Antragsgegnerin mit einer Subvention von mehr als 50 % rechne. Dies sei nicht im Sinne einer sicheren Erwartung einer Förderung, sondern schlicht als mathematische Kostenberechnung zu verstehen. Zur Planung und Realisierung des Projekts würden auch zahlreiche Ingenieurleistungen benötigt. Dies ergebe sich aus der Baubeschreibung zur Vorplanung der K. vom 15.03.2023. Die Gesamtheit aller Lose habe die Antragsgegnerin auf 22,84 Mio. EUR geschätzt. Die Überschreitung des EU-Schwellenwertes ergebe sich auch aus dem Vergabevermerk im Rahmen der Erläuterung der Vergabeart. Die ausgeschriebene Leistung sei auch nicht dem 20 % Kontingent des § 3 Abs. 9 VgV zugeordnet worden. Die hier ausgeschriebene Planungsleistung für Baugrund und Wasserhaltung des ### stehe mit Tiefbaumaßnahmen und vor allem mit Schulgebäuden in Verbindung. Eine zeitlich dem endgültigen Fördermittelbescheid vorangehende Beauftragung der Planung sei der Normalfall, schon allein deshalb, weil ein großer Teil der Planungsleistungen bereits erbracht sein müsse, bevor die notwendige EW-Bau erstellt werden könne. Auf sichere Fördermittel könne es auch bereits deshalb nicht ankommen, da diese unter dem Vorbehalt der Verwendungsnachweisprüfung stehe, also erst am Ende der Bauphase realisiert werde. Aus den Nebenbestimmungen eines vorläufigen Zuwendungsbescheides ergebe sich, dass Planungslose auch vor Erhalt des endgültigen Fördermittelbescheides für das Gesamtvorhaben nach dem 4. Teil des GWB auszuschreiben seien. Der Bescheid müsse ansonsten in Bezug auf die Planungsleistungen gleich wieder aufgehoben werden. Auch die Entscheidung der VK Südbayern zeige, dass es nicht darauf ankomme, ob Fördermittel wirklich sicher seien. Vorliegend habe die Antragsgegnerin sogar bereits Kontakt mit den Fördermittelgebern gehabt, es seien bereits konkrete Summen in Haushalten bereitgestellt worden.

Die Antragsgegnerin habe bei ihrer Gesamtkalkulation für das Vorhaben mit Subventionen in Höhe von mehr als 50 % gerechnet. Hätte die Antragsgegnerin keinerlei qualifizierte Vorstellung über eine künftige Förderung, liege keine Vergabereife vor und die Ausschreibung dürfe gar nicht erfolgen. Die Antragsgegnerin habe selbst erklärt, dass sie das Vorhaben ohne überwiegende Förderung nicht finanzieren könne. Die Antragsgegnerin habe 2019 ihr Budget mit 23 Mio. EUR genannt. Die Beteiligung des Landes habe seinerzeit 38 Mio. EUR, die des Bundes 31. Mio. EUR betragen. Nach Baukostensteigerung habe sich die Antragsgegnerin das Projekt nicht mehr leisten können und weitere Landesmittel beantragen müssen. Ausreichend Fördermittel für die “große Variante” habe es nicht gegeben, für die kleine Variante stünden aber bereits mit den Landesmitteln in Höhe von 59 Mio. EUR mehr als die Hälfte der 90 Mio. EUR zur Verfügung. Fehle es an einer Dokumentation, aus der sich ergebe, warum die Antragsgegnerin trotz angeblich öffentlich geäußerten Fehlens einer anderen Finanzierungsmöglichkeit von weniger als 50 % ausgehen solle, dürfe das jedenfalls nicht der Antragstellerseite zur Last fallen. Es seien dann öffentlich bekannte Informationen wie Presserklärungen heranzuziehen. Soweit die Antragsgegnerin vortrage, auch die kleine Variante koste mittlerweile 130 Mio. EUR, müsse die Antragsgegnerin bei gleichbleibender Eigenbeteiligung von einer noch höheren Subvention ausgehen. Es fehle diesbezüglich aber auch an einer substantiierten Schätzung der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin sei zudem auch öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 GWB. Die Eingriffsmöglichkeit des Staates beziehe sich bei der Antragsgegnerin nicht nur auf eine klassische Rechtsaufsicht. Darüber hinaus gebe es vielmehr weitgehende Genehmigungserfordernisse bei Bezirksänderungs- und Auflösungsrechten. Der Schwellenwert für Dienstleistungen sei überschritten. Gleichartige Leistungen seien zu addieren. Die Antragstellerin sei ein Planungsbüro mit besonderer Kompetenz im Bereich der Geotechnik und anspruchsvollem Erd-, Straßen-, Leitungs- und Deponiebau. In dem Dokument “Aufforderung zur Abgabe eines Angebots” seien die für das Verfahren relevanten Unterlagen benannt. Weder dort noch in der Bekanntmachung werde die Akkreditierung als Eignungsvoraussetzung oder eine abzugebende Akkreditierungsurkunde als Nachweis genannt. Der Ausschluss wegen eines nicht aufgestellten Eignungskriteriums verstoße gegen § 57 Abs. 1 VgV gegen § 122 Abs. 4 GWB sowie gegen das Transparenzprinzip aus § 97 Abs. 1 S. 1 GWB. Das Eignungskriterium sei nicht wirksam aufgestellt und auch nicht verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin habe – unabhängig davon, dass das Eignungskriterium nicht wirksam gefordert wurde – auch nicht wirksam nachgefordert. Eine Information nach § 134 GWB habe sie bislang nicht erhalten. Der gewährte Umfang der Akteneinsicht sei rechtswidrig. Die Antragstellerin habe aus § 165 Abs. 1 GWB einen Anspruch auf Kenntnisnahme der vollständigen Dokumentation der Vergabeakte. Bei den Schwärzungen handele es sich nicht um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Den Schätzwert des eigenen Loses kenne die Antragstellerin, ebenso die Planungskosten insgesamt, die sich aus Seite 120 der Baubeschreibung ergebe. Die Korrespondenz der Antragsgegnerin mit Fördermittelgebern sei unvollständig. Wenigstens die hätte aber übermittelt werden müssen, wenn sich die Antragsgegnerin darauf berufe, nicht mit Fördermitteln zu rechnen. Besonders schwerwiegend sei, dass die Antragstellerin keinen Vermerk erhalten habe, indem die Antragsgegnerin prüfe, ob sie öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 4 GWB sei, denn es komme hierbei auf die Vorstellung der Antragsgegnerin an. Besonders schwer wiege weiter, dass keinerlei Akteninhalt zu der relevanten Frage der Aufstellung der Eignungskriterien übermittelt worden sei.

Die Antragstellerin hat bei der Vergabekammer beantragt:

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren “Vergabe Planungsleistungen für Baugrund und Wasserhaltung – Maßnahme ### der ###, unter der Vergabenummer ###, bekanntgemacht im EU-Amtsblatt unter der Nummer ###” unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor Prüfung der Eignung, hilfsweise vor Prüfung der Angebote, höchst hilfsweise vor Bekanntmachung, zurückzuversetzen.

2. Hilfsweise wird festgestellt, dass der Ausschluss der Antragstellerin rechtswidrig war.

Die Antragsgegnerin hat bei der Vergabekammer beantragt,

den Nachprüfungsantrag zu verwerfen.

Die Antragsgegnerin sei im vorliegenden Verfahren weder ein öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 GWB noch nach § 99 Nr. 4 GWB. Es handele sich zwar um eine Maßnahme nach § 99 Nr. 4 GWB, eine Subventionierung von mehr als 50 % liege jedoch nicht vor. Zu der Maßnahme liege weder ein Förderbescheid noch ein Förderantrag vor. Zwar sei für die Zukunft geplant, das Vorhaben mit Bundes- und Landesmitteln zu finanzieren, die Planung werde aber aufgrund der Baupreissteigerungen derzeit verhandelt. Hierzu sei eine Task-Force gebildet worden, eine Entscheidung über die Finanzierung und entsprechende Finanzierungsanteile sei aber noch nicht getroffen. Sollte sich eine Finanzierungsmöglichkeit ergeben, sei noch die Entscheidung der Vollversammlung der Antragsgegnerin erforderlich, um das Projekt zu beginnen und einen Förderantrag zu stellen. Ohne eine Finanzierung erfahre das Projekt ### keine Realisierung. Die Antragsgegnerin fühle sich jedoch aus Gründen der geplanten und erhofften Finanzierung des Projekts in Abstimmung mit den potentiellen Fördermittelgebern und aus den gegebenen eigenen Vergabeleitfäden an die Einhaltung des Vergaberechts gebunden. Aus der Selbstbindung könne aber keine Zuständigkeit der Vergabekammer folgen. Die Finanzierung des Projekts werde intensiv diskutiert, es lägen bislang lediglich Absichtserklärungen vor. Die Antragsgegnerin sehe sich trotz der Unklarheit darüber, ob das Projekt überhaupt und wenn ja in welchem Umfang realisiert werde, aufgrund des schlechten Zustands der vorhandenen Bildungsstätten zur weiteren Planung gezwungen, um einen Zeitverlust zu vermeiden.

Bei der Antragsgegnerin handele es sich auch nicht um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB. Es werde insoweit auf die Ausführungen der VK Bund (Beschluss vom 22.08.2018 – VK 1-77/18) sowie des EuGH (Urteil vom 12.09.2013 – Rs. C-526/11) verwiesen.

Die Antragsgegnerin habe auf die Unzuständigkeit der Vergabekammer zuletzt im Schreiben vom 18.07.2023 hingewiesen, sie habe auch zu keinem Zeitpunkt den Anschein der Zuständigkeit der Vergabekammer erweckt. Die Wahl des Vergabeverfahrens sei anhand der geschätzten Summe aller Planungsleistungen für das gesamte Projekt erfolgt.

Aus der von der Vergabekammer angeforderten Historie zum Bauvorhaben und seiner Finanzierung ergebe sich:

Die Berufsbildungsstätten in ### und ### hätten in den Jahren 2012 und 2013 modernisiert werden sollen. Die ### sei dabei noch von Gesamtkosten in einem einstelligen Millionenbereich ausgegangen. Ein Gutachten habe empfohlen, einen Variantenvergleich zwischen Modernisierung und Neubau vorzunehmen. Dieses habe mit einer Neubauempfehlung geendet und ein Gesamtvolumen, Stand 2017, von 86,2 Mio. EUR prognostiziert. Ein weiteres Gutachten habe ebenfalls für den Neubau plädiert. In Folge dessen sei ein Architektenwettbewerb vorbereitet worden, dessen Ergebnis seit 2019 vorliege. Der Preisträger habe den Auftrag zunächst für die ersten vier Leistungsphasen erhalten. Anfang 2020 habe sich herausgestellt, dass die geschätzten Baukosten nicht zu halten seien. Die Planungen wurden daher vorübergehend eingestellt und Einsparoptionen erwogen. Im September 2021 habe die Antragsgegnerin entschieden, zweigleisig weiterzuarbeiten. Die “kleine Lösung” befinde sich derzeit in der Entwurfsplanung. Der Rahmenterminplan sehe den Beginn Ende 2025 vor, stehe jedoch unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die zu Beginn des Jahres 2022 eingesetzte Task Force verfolge einen anderen planerischen Ansatz zur Realisierung der “großen Lösung” zum ### mit einer Vierteilung des Raumprogramms vor. Es stehe hierzu noch eine Machbarkeitsstudie aus. Angesichts von aktuell geschätzten 130 Mio. EUR für den kleinen ### und 200 Mio. EUR für den großen Trave-Campus sei die Antragsgegnerin auf staatliche Zuwendungen angewiesen. Die bisher beauftragten und die im Mai 2023 ausgeschriebenen Planungsleistungen würden zu 100 % von der Antragsgegnerin finanziert. Erst mit Zuwendungsbescheid bestehe die Möglichkeit, dass die Planungsleistungen rückwirkend anteilig bezuschusst würden. Das ursprüngliche konkrete Vorhaben bestehe schon lange nicht mehr. Die Antragsgegnerin könne nach derzeitigem Stand nicht einmal vortragen, welchen Inhalt ein Fördermittelantrag haben könne. Die Zuständigkeit der Vergabekammer würde von einem ungewissen und in der Zukunft liegenden Ereignis abhängen. Eine Zusage bezüglich der kleinen Lösung zu deutlich höheren Kosten als die damalige große Lösung sei vor dem Hintergrund der Auskunft des Wirtschaftsministeriums und der Task Force zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Vergabe unwahrscheinlich. Mittlerweile werde für die sogenannte “kleine Lösung” als Gesamtkalkulation eine aktuelle Schätzung von 130 Mio. EUR ausgewiesen, die in Aussicht gestellte Landesförderung von 59 Mio. EUR läge damit unter 50 %. Eine weitergehende Förderung sei der Antragsgegnerin nicht in Aussicht gestellt worden. Laut Ausführungen des damaligen Wirtschaftsministers ### verlöre die Antragsgegnerin bei der kleinen Lösung zudem nahezu alle in Aussicht gestellten Fördermittelansprüche. Die Antragsgegnerin könne daher auch nicht mit einer bestimmten Höhe an Fördermitteln oder Subventionen rechnen. Eine Realisierungsmöglichkeit ergebe sich derzeit weder für die kleine noch für die derzeitige große Lösung. Verwertbare und in die Planung eines konkreten Projekts eingehende Auskünfte aus der Task Force lägen derzeit nicht vor. Die Realisierung und Art der Realisierung liege nicht mehr in der alleinigen Entscheidungsbefugnis der Antragsgegnerin. Es sei derzeit unklar, ob und gegebenenfalls für welches Projekt ein Fördermittelantrag gestellt werde.

Die Vergabereife für die Planungsleistungen liege unabhängig vom Gesamtvorhaben vor. Die Eigenfinanzierung liege im Risikobereich der Antragsgegnerin, diese sei auch gesichert. Es handele sich vorliegend um eine Einzelvergabe losgelöst von einem konkreten Umsetzungsziel, so dass schon fraglich sei, ob überhaupt eine Addition mit weiteren, hypothetischen Planungsleistungen zu erfolgen habe. Bei einer grundsätzlichen Änderung der Entwurfsplanung durch die Task-Force werde für die Planungsleistungen der Antragsgegnerin keine Förderung erfolgen. Bei einer Realisierungsmöglichkeit einer Bildungsstätte in der derzeit von der Antragsgegnerin angenommenen Form, werde der Zuwendungsgeber über die Rechtsfolge etwaiger Vergabeverstöße entscheiden. Der Nachprüfungsantrag sei in der Sache unzulässig, da die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen auch präkludiert sei. Das Leistungsverzeichnis umfasse auf zwei DIN A4 Seiten lediglich 14 Positionen. Zu zwei Positionen unmittelbar nach der streitgegenständlichen Position habe die Antragstellerin Aufklärungsfragen gestellt. Die Anforderung der Position 1.11 sei für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter erkennbar gewesen, insbesondere nach der Sensibilisierung durch die Neufassung der BBodSchV vom 9. Juli 2021. Die Antragstellerin habe den Punkt sogar aktiv zur Kenntnis genommen. Dies ergebe sich aus der Formulierung im Schreiben vom 13.07.2023, in dem sie ausführe, es sei nicht notwendig erschienen, bei Abgabe des Angebots den im Leistungsverzeichnis intransparent genannten Begriff “Akkreditierung” aufzuklären, da darauf vertraut worden sei, dass sich die Antragsgegnerin nur auf die Einhaltung der geltenden Rechtslage berufe. Ein Vertrauen auf eine selbst gesetzte Annahme sei nicht vom Vergaberechtsschutz umfasst. Die Antragstellerin besitze keine Akkreditierung. Die Akkreditierungen von Unternehmen seien öffentlich einsehbar, die Vorlage als Nachweis daher nicht gefordert. Die Aufforderung zur Stellungnahme sei daher auch keine Nachforderung gewesen, sondern lediglich die Möglichkeit den sich aus der Einsichtnahme in die Datenbank ergebenden Verdacht zu entkräften, etwa indem vorgetragen werde, dass die Akkreditierung unmittelbar bevorstehe.

Auch im Falle einer Wiederholung würde die Antragstellerin, dann bei der Bietereignung, ausscheiden. Werde die Akkreditierung als Beschaffenheitsvereinbarung angesehen, wäre das Angebot der Antragstellerin unrichtig gewesen. Eine Benennung der Kapazitäten anderer Unternehmen sei im Angebot der Antragstellerin nicht erfolgt. Die Verhältnismäßigkeit der Selbstausführung könne den schwierigen Bodenverhältnissen entnommen werden. Die Möglichkeit zur Stellungnahme sei daher auch keine Nachforderung gewesen. Das Leistungsverzeichnis sei von der zuständigen Fachabteilung erstellt worden. Es habe in der Vergangenheit verschiedene Gutachten über die Bodenbeschaffenheit mit zum Teil erheblich divergierender Ergebnisse gegeben. Auch im Bereich der Feststellung des Grundwasserstandes habe es Probleme gegeben. Die konkrete Verwendung des Grundstücks sei aufgrund der noch nicht sicheren Finanzierung zudem völlig unklar. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens wäre jedenfalls unverhältnismäßig.

Das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen ist mit Beschluss der Vergabekammer vom 30.08.2023 beigeladen worden. Die Beigeladene beabsichtigte keine eigenen Anträge zu stellen.

In der mündlichen Verhandlung am 25.09.2023 haben die Verfahrensbeteiligten zur Sach- und Rechtslage wiederholend und vertiefend ausgeführt.

Die Antragstellerin hat zunächst im Hinblick auf die behauptete Einordnung der Handwerkskammer als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 4 GWB darauf verwiesen, dass für das Projekt laut öffentlicher Aussagen der Antragsgegnerin sowohl Förderungen aus Mitteln des Landes sowie des Bundes vorgesehen seien. Gegenstand der Ausschreibung sei ein Projekt in Höhe von 90 Mio. EUR. Allein die Landesförderung würde 59 Mio. EUR betragen. Die Planungskosten seien laut der den Vergabeunterlagen beigefügter Vorplanung mit einer Summe von 22,83 Mio. EUR veranschlagt. Vorliegend handele es sich um ein bekanntes Vorhaben, das nur realisiert werden könne, wenn es gefördert werde. Entscheidend sei, womit die Antragsgegnerin rechne, also eine innere Tatsache. Die Ursprungsplanung sei mit 90 Millionen EUR geschätzt worden. Für die Frage, ob ein Auftraggeber öffentlicher Auftraggeber sei, komme es auf den Beginn der Ausschreibung an. Die Antragsgegnerin habe den Auftrag auch nach VgV ausgeschrieben. Im Vergabevermerk habe die Antragsgegnerin bei der Wahl der Vergabeart dokumentiert, dass die Planungsleistungen in ihrer Gesamtheit den EU-Schwellenwert überschreiten würden. Weiterhin sei die gewährte Akteneinsicht zu gering. So enthalte der Brief des ehemaligen Ministers Schwärzungen, so dass sich aus diesem “Lückentext” keine Höhe der Förderungen ergäben. Bei der Frage der Einordnung der Vergabekammer in die Vorschrift des § 99 Nr. 2 GWB gehe es in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion zur erforderlichen Staatsnähe nicht mehr um die gesetzlichen “Zwangsbeiträge”, sondern um Kontrollen und Genehmigungsvorbehalte.

Die Antragsgegnerin hat in Zusammenhang mit einer etwaigen Zuordnung zu § 99 Nr. 4 GWB darauf verwiesen, dass es darauf ankomme, womit die Antragsgegnerin nicht nur rechne, sondern auch rechnen dürfe. Eine etwaige Förderung müsse fundiert sein. Auf Nachfrage der Antragstellerin erklärte die Antragsgegnerin, dass sie derzeit nicht mit den Fördermitteln rechnen dürfe. In weiter Vergangenheit sei dies anders gewesen, zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise auch wieder, nämlich dann, wenn ein konkretes Projekt – mit hinreichender Finanzierungszusage – neu zustande komme. Derzeit stehe nicht fest, was, wann und wie gebaut werde. Auch aus dem Umstand, dass Haushaltsmittel in den Haushalt eingestellt worden seien, könne nichts anderes geschlossen werden. Für eine Subvention müsse ein dem Grunde und der Höhe nach bestimmter Rechtsanspruch bestehen.

Die aktuelle Ausschreibung beziehe sich auf die möglicherweise erfolgende Umsetzung der kleinen Variante. Die im Jahr 2022 begonnene Task Force befasse sich aktuell parallel mit einem komplett anderen Bauvorhaben. Hier gehe es dem Grunde nach um die Umsetzung der “großen Lösung” allerdings mit erheblichen Abwandlungen, nämlich der Realisierung von 4 statt einem Baukörper. Die Vollversammlung im Dezember werde dazu voraussichtlich noch keine Entscheidung treffen.

Eine europaweite Ausschreibung sei freiwillig und überobligatorisch zum einen erfolgt, um ein transparentes Verfahren im Wettbewerb durchzuführen und ein wirtschaftliches Angebot zu erhalten. Zum anderen, um den möglichen hohen Anforderungen auch bei einer späteren potentiellen Förderung zu genügen. Sie habe sich in dem Verfahren bewusst selbst als Nachprüfungsstelle benannt.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit dem angegriffenen Beschluss vom 29.09.2023 mit der Begründung verworfen, der Nachprüfungsantrag sei nicht statthaft.

Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ergebe sich nicht aus dem Umstand, dass die ### europaweit ausgeschrieben hat. Durch die Ausschreibung möge sich die ### selbst an das Vergaberecht gebunden haben, die Eröffnung des Rechtswegs zu der Vergabekammer sei jedoch nicht disponibel. Eine der Voraussetzungen für die Eröffnung des Rechtswegs zur Vergabekammer bestehe darin, dass die ausschreibende Stelle Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB, hier öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB sei. Die Antragsgegnerin sei zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB, weder nach § 99 Nr. 2 GWB noch nach § 99 Nr. 4 GWB. Der Rechtsweg zur Vergabekammer sei daher nicht eröffnet. Die Vergabekammer sehe sich aus diesem Grund an einer Entscheidung in der Sache gehindert.

Die Antragsgegnerin sei keine öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 2 GWB. Danach sei öffentlicher Auftraggeber auch eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht unter § 99 Nr. 1 GWB falle und die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern sie überwiegend von Stellen nach Nr. 1 oder 3 finanziert werde oder ihre Leitung der Aufsicht dieser Stellen unterliege oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organs durch diese Stellen bestimmt worden sei.

Zwar handele es sich bei der Antragsgegnerin um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dies ergebe sich zum einen aus § 90 Abs. 1 der Handwerksordnung für die Handwerkskammern allgemein, aber auch zusätzlich aus § 1 Abs. 2 der Satzung der Antragsgegnerin für diese speziell.

Sie sei auch zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen.

Die weiteren Voraussetzungen des § 99 Nr. 2 GWB, aus der sich eine besondere Staatsnähe ergeben würde, lägen jedoch nicht vor.

Die Antragsgegnerin werde nicht von Stellen nach § 99 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB überwiegend finanziert. Die Antragsgegnerin habe am 08.08.2023 eine Finanzierungsübersicht übermittelt, die auf der eigenen Internetseite frei zugänglich sei. Aus dem dort veröffentlichten Diagramm ergäben sich die prozentualen Anteile der Einnahmen der ###. Eine überwiegende Finanzierung durch Stellen nach § 99 Nr. 1 oder Nr. 3 sei dort nicht erkennbar. Ein Großteil der Finanzierung erfolge über die Beiträge der Mitglieder.

Die Leitung der Antragsgegnerin unterliege auch nicht der Aufsicht im Sinne des § 99 GWB. Eine Aufsicht liege nach dieser Vorschrift nur dann vor, wenn Stellen nach Nummer 1 oder Nummer 3 durch die Ausübung der Aufsichtsbefugnis auf das Beschaffungsverhalten des Unternehmens einwirken können. Zwar sei ein Teil der Beschlüsse der Vollversammlung nach § 113 Abs 1 HwO von der obersten Landesbehörde nach § 106 Abs. 2 HwO zu genehmigen, so auch die Wahl des Vorstandes, sowie die Wahl des Geschäftsführers, gegebenenfalls des Hauptgeschäftsführers oder die Änderung der Satzung. Dabei habe die oberste Landesbehörde bei der erforderlichen Genehmigung nach § 106 Abs. 5 HwO zu prüfen, ob die Vorgaben der Richtlinie EU 2018/958 in der jeweils geltenden Fassung eingehalten wurden. Hierbei handele es sich jedoch um eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle. § 115 HwO formuliere zur Staatsaufsicht allgemein, dass sich diese, soweit nichts anderes bestimmt ist, darauf beschränke, dass Gesetz und Satzung beachtet und die den Handwerkskammern übertragenen Aufgaben erfüllt werden. § 43 der Satzung der Antragsgegnerin verweise insoweit auf die Regelung der HwO. Eine solche nachträgliche Kontrolle erfülle das Kriterium der Aufsicht über die Einwirkungsmöglichkeit Leitung grundsätzlich nicht.

Eine im Sinne einer inhaltlichen Einflussnahme auf Vergabeverhalten ist durch den Genehmigungsvorbehalt nicht verbunden. Im Rahmen des rechtlich Zulässigen entscheide die Handwerkskammer/die Leitung der Handwerkskammer über die laufende Tätigkeit selbst.

Schließlich seien auch die Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 c) GWB nicht erfüllt. Es seien nicht mehr als die Hälfte der Mitglieder eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans des betreffenden Rechtsträgers durch Stellen nach Nr. 1 oder 3 bestimmt worden. Die Geschäftsführung werde durch die Vollversammlung gewählt. “Zur Aufsicht berufene Organe” im Sinne der Norm seien nur diejenigen, die im Einzelfall eine Stellung innehaben, die einen potenziellen Einfluss auf die Geschäftspolitik hätten. Dies ist nicht erkennbar.

Die Antragsgegnerin sei für das streitgegenständliche Verfahren auch kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 4 GWB. Nach dieser Vorschrift seien öffentliche Auftraggeber auch natürliche oder juristische Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter § 99 Nr. 2 GWB fielen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen dieses Vorhaben zu mehr als 50 % subventioniert würden. Zweck der Vorschrift sei es, die Verwendung öffentlicher Gelder nicht nur dann an die Vorgaben des Vergaberechts zu binden, wenn die Gebietskörperschaften und sonstigen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 – 3 GWB unmittelbar selbst Auftraggeber seien, sondern auch dann, wenn sie die ihnen zur Verfügung stehenden Geldmittel über Subventionen an Dritte weiterleiten und so nur noch indirekt an der Ausschreibung beteiligt seien.

Bei den geplanten Vorhaben, “großer” ### bzw. “kleiner” ###, handele es sich, von der Antragsgegnerin auch nicht bestritten, um unter die Vorschrift fallende Bauvorhaben. Die Aufzählung in § 99 Nr. 4 GWB sei zwar abschließend, die einzelnen Bezeichnungen seien jedoch weit auszulegen, so dass auch Berufsschulen und allgemein Bildungsstätten in den Anwendungsbereich der Vorschrift fielen. Beim “großen” ### und beim “kleinen” ### handele es sich zur Überzeugung der Vergabekammer zwar um Vorhaben die einen Neubau der Bildungsstätte auf dem ###, aber nicht in beiden Varianten die Landesberufsschulen und alle Fachbereiche zum Gegenstand habe. Bereits daraus ergebe sich, dass es sich nicht um dieselben Vorhaben handelt. Die Ausgestaltung im Sinne von “alles unter einem Dach” werde dabei aufgegeben. Im Juli 2018 sei ein Architektenwettbewerb gestartet worden. Beschrieben worden sei der Gegenstand der Beschaffung auszugsweise mit “Neubau einer Berufsbildungsstätte mit integrierter Berufsschule und Fortbildungszentrum” für die Antragsgegnerin auf einem 49.500 m2 großen Grundstück. Grundlage für den Wettbewerb stelle ein mit den Fördermittelgebern abgestimmtes und freigegebenes Ideal-Raum-Programm dar. Für die Umsetzung des Neubaus seien rund 90 Mio. EUR brutto Gesamtkosten für KG 200-700 als auskömmlich veranschlagt. Der erste Preisträger habe in dem anschließenden Vergabeverfahren den Auftrag für die ersten vier Leistungsphasen erhalten. Für dieses Vorhaben habe die Antragsgegnerin mit einer 75 %-igen Finanzierung seitens des Bundes und des Landes gerechnet. Dies ergebe sich aus der Presseinformation der Antragsgegnerin vom 07.03.2019 und 09.07.2019. Dabei sollte die Förderung mit 38 Mio. EUR vom Land und 31 Mio. EUR vom Bund kommen. Die weitere Planung hätten im Jahr 2020 gezeigt, dass das Vorhaben des großen ### deutlich teurer werden würde und von den bis zu diesem Zeitpunkt in Aussicht gestellten Mitteln nicht getragen würde. 2021 habe sich die Antragsgegnerin daraufhin entschlossen, zweigleisig weiterzuarbeiten. Bei der kleinen Lösung sollte laut Beschreibung der Historie zum Trave-Campus auf Landesberufsschulen und einige Fachbereiche verzichtet werden. Parallel dazu wurde versucht mit einem neuen planerischen Ansatz den großen ### zu realisieren. Die Finanzierung sei unklar.

Ob der ursprünglich geplante große ### und der möglicherweise (weiter) entwickelte große ### der Task Force noch als ein Vorhaben angesehen werden könne, könne dahinstehen, denn die ausgeschriebene Dienstleistung stehe – unstreitig – im Zusammenhang mit dem “kleinen” ### Dies ergebe sich eindeutig aus der Vergabeunterlage “Vorplanung (LPH 2) “kleiner” ### mit reduziertem ###”.

Ein Schätzwert für das Vorhaben “kleiner” ### bzw. der isolierten Planungsleistungen insgesamt ergebe sich aus den Vergabeunterlagen, die die Vergabekammer erhalten habe, nicht. Dies sei zur Überzeugung der Vergabekammer jedoch unschädlich, da die zu addierenden Planungsleistungen, zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht streitig, jedenfalls – auch im Falle der Umsetzung des “kleinen” ### – den Schwellenwert von 215.000 EUR überschreiten werde.

Die streitgegenständliche Ausschreibung sei von der Antragsgegnerin auf 76.000 EUR geschätzt worden.

Für den “kleinen” ### gebe es noch keine auch nur ansatzweise verbindlichen Aussagen zu einer Subventionierung des konkreten Vorhabens “kleiner ###”, aus dem sich ergeben könnte, dass die Antragsgegnerin mit einer Subventionierung in ausreichender Höhe für die Umsetzung des Projekts rechnen kann und darf. Die Realisierung des Bauvorhabens sei zum derzeitigen Zeitpunkt noch völlig unklar. Sicher sei zwar, dass die Umsetzung des Projekts nur möglich sein werde, wenn eine Subventionierung von deutlich mehr als 50 % erfolgen werde, die tatsächliche Umsetzung sei jedoch zum derzeitigen Zeitpunkt und erst recht zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht sicher. Die ursprünglich in Aussicht gestellten Mittel bezögen sich auf den damaligen “großen” ###, diese Lösung werde auch in der Task Force unter Federführung des Bundes allerdings mit erheblichen Änderungen weiterverfolgt.

Dafür, dass der Bund sich auch an einer kleinen Lösung beteiligen will, gebe es keine Anhaltspunkte.

Soweit die Antragstellerin meine, bereits die aufgestockten Landesmittel, die laut Pressemitteilung des Finanzministeriums ab 2023 in Höhe von 59 Mio. EUR eingeplant seien, führten dazu, dass eine Subventionierung von mehr als 50 % erreicht sei, folge die Vergabekammer dem nicht.

Zum einen müsste auch die Finanzierung des Restbetrages sichergestellt sein, sei es aus Eigen- oder aus weiteren Fremdmitteln. Sonst sei das Vorhaben insgesamt noch nicht vergabereif. Anhaltspunkte dafür, dass der Bund oder die Antragsgegnerin oder beide gemeinsam den Differenzbetrag finanzieren würde, gebe es nicht. Es sei damit schon fraglich, ob für die ausgeschriebene Dienstleistung vor diesem Hintergrund überhaupt in den Anwendungsbereich des § 99 Nr. 4 GWB fallen könne, wenn das geplante Vorhaben noch nicht vergabereif sei. Die Vergabekammer sei nicht dieser Auffassung, denn wenn schon das Bauprojekt nicht sicher sei, dieses aber erst den Tatbestand der Vorschrift begründe, könnten nicht “dazugehörige” Dienstleistungen eigenständig die Voraussetzung des § 99 Nr. 4 GWB erfüllen. Die Antragsgegnerin schreibe hier insoweit auf eigenes Risiko aus. Das habe sie in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt. Zwar hoffe sie auf eine nachträgliche Förderung, könne und werde die ausgeschriebene Leistung jedoch gegebenenfalls aus Eigenmitteln finanzieren. Bei dem geschätzten Auftragswert, aber auch bei den konkreten Angeboten erscheine dies der Vergabekammer auch plausibel.

Selbst wenn man, entgegen der Auffassung der Vergabekammer, zu dem Ergebnis komme, dass die Dienstleistung bei fehlender Vergabereife des Bauprojekts in den Anwendungsbereich des § 99 Nr. 4 GWB fallen könne, fehle es zumindest derzeit an einer 50 %-igen Subventionierung des Gesamtvorhabens. Diese würden entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht bereits durch die etwaig im Landeshaushalt eingeplanten Mittel in Höhe von 59 Mio. EUR überschritten. Es sei schon nicht klar, ob die Landesmittel vor dem Hintergrund der Haushaltsknappheit tatsächlich zur Verfügung stünden. Im Einzelplan 16.07 seien zwar unter dem Titel 893 06 für “Investitionen für die Aus- und Weiterbildung für eine Baumaßnahme der Handwerkskammer Lübeck” 2 Mio. EUR als “SOLL” eingestellt und erläutert mit “Vorgesehen ist ein Ersatzbauwerk für die Überbetriebliche Berufsbildungsstätte P.”. Solange keine haushaltsrechtliche Verpflichtung vorhanden sei, könne jedoch von der Planung abgewichen werden. Weiter sei unklar, ob die eingeplanten Mittel für den großen ### oder auch für den kleinen ### gleichermaßen zur Verfügung, stünden. Dies könne vor dem Hintergrund des Schreibens des damaligen Wirtschaftsministers zumindest fraglich sein, für den Fall, dass Bereiche, für die das Land dann Verantwortung tragen müsste, aus dem Konzept herausfallen und diese dann anderweitig vom Land finanziert werden müssten. Die Antragsgegnerin könne und dürfe derzeit – noch – nicht mit einer Subventionierung von mehr als 50 % rechnen. Zwar komme es nicht auf eine erst nachträglich zu beurteilende Höhe der Förderung nach Verwendungsnachweisprüfung an. Die Vergabekammer halte es grundsätzlich für möglich, dass auch Auftraggeber, die die Förderung noch nicht erhalten oder noch nicht einmal beantragt hätten, im Einzelfall öffentliche Auftraggeber im Sinne der Vorschrift sein können. Das setze aber zumindest voraus, dass die Finanzierung in einem gewissen Maße sicher sei, etwa, weil im Regelfall nach Förderrichtlinien oder Förderpraxis mit einer Förderung von mehr als 50 % zu rechnen sei. So liege der Sachverhalt hier aber nicht. Ein derartiger Fördertatbestand oder -automatismus liege nicht vor.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde vom 16.10.2023 und hat zugleich die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den ihren Nachprüfungsantrag zurückweisenden Beschluss der Vergabekammer Schleswig- Holstein vom 29.09.2023 beantragt.

Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, es handele sich bei der Antragsgegnerin jedenfalls um einen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nr. 4 GWB. Das Vorhaben werde im Falle der Realisierung zu mehr als 50% von Land und Bund subventioniert.

Es komme nach h.M. in Rechtsprechung und Literatur für den Zeitpunkt der Auftraggebereigenschaft (allein) darauf an, in welcher Höhe der Auftraggeber mit Subventionen zum Zeitpunkt der Ausschreibung bei seiner Gesamtkalkulation rechne. Auf die Stellung eines Fördermittelantrages oder gar Erhalt eines Fördermittelbescheides komme es damit gerade nicht entscheidend an. Lägen etwaige Fördermittelanträge oder Subventionsbescheide noch nicht vor, sei für die Bemessung der 50%-Grenze auf andere Kalkulationsüberlegungen zurückzugreifen, insbesondere auch die öffentlichen Pressemitteilungen von Land und Bund maßgeblich, soweit hierin öffentliche Fördermittel in Aussicht gestellt werden (Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 10.12.2020 – 54 Verg 4/20). Ein sog. “Förderautomatismus”, wie ihn die Vergabekammer als maßgeblich betrachte sei keine Voraussetzung. Hier rechne die Beschwerdegegnerin auch deswegen zweifellos Höhe mit mehr als 50% Förderung durch Bund und Land, weil es eine andere Finanzierungsmöglichkeit nicht gebe.

Auf den unbelegten Vortrag oder die bestrittenen Behauptungen der Beschwerdegegnerin, wonach nicht mit Fördermitteln kalkuliert werde, komme es nicht an. Es sei rechtsfehlerhaft, wenn die Vergabekammer es zur Antragsablehnung “ausreichen” lasse, dass die Beschwerdegegnerin durch Nichtmitteilung eigener Kalkulationsüberlegungen vorgebe, keine Kalkulation der Gesamtmaßnahme vorgenommen zu haben.

Davon unabhängig liege ein sog. “Förderautomatismus” bei richtiger Bewertung entgegen der Ansicht der Vergabekammer hier auch vor. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin Fördermittel beantragen werde, die politischen Entscheidungen – und damit der entsprechende Wille – hierüber seien längst öffentlich kommuniziert.

Hilfsweise gehe die Antragstellerin davon aus, dass die Antragsgegnerin auch öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 lit. b GWB sei.

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die beantragte Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und hat zur Begründung auf ihr großes Interesse an einer Fortsetzung der Planungen auch auf eigene Kosten verwiesen. Eine inhaltliche Stellungnahme bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten.

Der Senat hat auf den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde mit Beschluss vom 25.10.2023 beschlossen, dass die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 29.09.2023, Az. VK-SH 13/23 einstweilen bis zum 30.11.2023 verlängert wird.


II.

1. Der Antrag der Antragstellerin vom 16.10.2023 auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den ihren Nachprüfungsantrag zurückweisenden Beschluss der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 29.09.2023 (Antrag zu 4. der Beschwerdeschrift) ist nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB zulässig.

Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 GWB hat die sofortige Beschwerde aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer, wobei diese Wirkung zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist entfällt, § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Nach § 173 Abs. 2 GWB wird der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Abwägung sind unter anderem die Erfolgsaussichten der Beschwerde, die Aussichten des Antragstellers auf Erhalt des Auftrags und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen.

Bei der Auslegung ist das unionsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde haben daher entscheidendes Gewicht, sodass nur ausnahmsweise Gründe des Allgemeinwohls überwiegen können (Losch in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 173 GWB, Rn. 47; Wilke in: MKVergabeR I, 2. Aufl., § 173 GWB, Rn. 47). Hat die sofortige Beschwerde bei summarischer Prüfung hohe Erfolgsaussichten, wird dem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung in der Regel stattzugeben sein, hat sie dagegen nur geringe Erfolgsaussichten, ist ein schutzwürdiges Interesse an der Verlängerung in der Regel nicht anzunehmen (Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 173 GWB, Rn. 52 f.; Wilke in: MKVergabeR I, 2. Aufl., § 173 GWB, Rn. 50).

Nach summarischer Prüfung gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass die sofortige Beschwerde der Antragstellerin keine oder nur geringe Aussicht auf Erfolg hat, sodass kein überwiegendes Interesse an einer Verlängerung der aufschiebenden Wirkung besteht. Es ist auch im Übrigen kein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an einer Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ersichtlich.

Vorliegend hat die Beschwerde allenfalls eine geringe Aussicht auf Erfolg. Im Rahmen der von ihm durchzuführenden summarischen Prüfung gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Vergabekammer die Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrages zu Recht abgelehnt hat.

Die Antragsgegnerin ist nicht öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB. Sie unterfällt weder § 99 Nr. 2 GWB (dazu lit. a) noch § 99 Nr. 4 GWB (dazu lit. b).

a) Die Antragsgegnerin ist keine juristische Person, die einer qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit unterliegen würde. Eine überwiegende staatliche Finanzierung (Nr. 2 a) sowie eine mehrheitliche Organbesetzung liegt ohnehin nicht vor.

Anders als die Antragstellerin meint, fehlt es auch an einer Leitung der Aufsicht nach Nr. 2 b), weil die Antragsgegnerin lediglich einer Rechts- und keiner Fachaufsicht unterliegt. Daher ist eine Handwerkskammer zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber kein öffentlicher Auftraggeber, der unter § 99 Nr. 2 GWB fällt (VK Bund, Beschluss vom 22. August 2018 – VK 1-77/18 -; VK Bund, Beschluss vom 16. November 2018 – VK 1-99/18 -).

Eine bloße Rechtsaufsicht, Rechtmäßigkeits- oder Rechnungshofkontrolle ist mangels entsprechender Einflussmöglichkeiten grundsätzlich nicht ausreichend (ganz überwiegende Auffassung, vgl. etwa BeckOK VergabeR/Bungenberg/Schelhaas, 29. Ed. 31.1.2023, GWB § 99 Rn. 82; m.w.N.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 12. September 2013 – Rs. C-526/11 -, für eine Ärztekammer). Selbst wenn man eine qualifizierte Rechtsaufsicht, die sich auch auf die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung erstreckt und aufgrund laufender Eingriffsmöglichkeiten eine hinreichende Einflussnahme ermöglicht, ausreichen ließe (vgl. etwa Beck VergabeR/Dörr, 4. Aufl. 2022, GWB § 99 Rn. 59), würde eine solche laufende Kontrolle hier nicht vorliegen.

b) Die Antragsgegnerin unterfällt mit der streitgegenständlichen Ausschreibung auch nicht § 99 Nr. 4 GWB.

Die Vergabekammer hat in der angegriffenen Entscheidung zu Recht darauf abgestellt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Ausschreibung der streitgegenständlichen Leistung nicht von einer mehr als hälftigen Förderung einer Gesamtbaumaßnahme im Sinne des § 99 Nr. 4 GWB durch die öffentliche Hand auszugehen ist, mit der Folge dass die hier ausgeschriebene Planungsleistung für Baugrund und Wasserhaltung als damit in Verbindung stehende Dienstleistung ebenfalls § 99 Nr. 4 GWB unterfallen würde. Daher kann vorliegend auch offen bleiben, ob es ohnehin nicht auf eine umfassende Betrachtung des Gesamtvorhabens ankommt, sondern nur auf die vom jeweiligen Einzellos umfassten Positionen, soweit diese nicht zu über 50 % gefördert werden (in diese Richtung etwa VK Bund, Beschluss vom 16. November 2018 – VK 1-99/18 -).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der “überwiegenden Subventionierung” ist aus Gründen der Rechtssicherheit der Zeitpunkt der Ausschreibung: Entscheidend ist also, in welcher Höhe der Auftraggeber mit Fördermitteln bei seiner Gesamtkalkulation gerechnet hat (Beck VergabeR/Dörr, 4. Aufl. 2022, GWB § 99 Rn. 123). Der Anwendungsbereich der Nr. 4 ist daher nur dann eröffnet, wenn der vergebenden Stelle zum Zeitpunkt der Ausschreibung mehr als 50 % der Projektkosten als Subventionen zur Verfügung gestellt werden (Masing in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 99 GWB, Rn. 104). Ausschlaggebend für die Berechnung ist der Zeitpunkt der Ausschreibung. Aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit muss zu diesem Zeitpunkt feststehen, ob eine europaweite Ausschreibung stattzufinden hat oder nicht. Etwaige Änderungen im Laufe des Verfahrens können an der Eigenschaft oder der fehlenden Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber nichts mehr ändern. Auf spätere Auszahlungen kann es daher nicht ankommen, ausschlaggebend ist vielmehr, in welcher Höhe der Auftraggeber mit Fördermitteln bei seiner Gesamtkalkulation gerechnet hat (OLG München, Beschluss vom 10. November 2010 – Verg 19/10 ).

Hier ist bereits fraglich, ob überhaupt eine Gesamtbaumaßnahme im Sinne des § 99 Nr. 4 GWB hinreichend konkret absehbar ist. Die ursprünglich anvisierte Planung für den “großen” ### ist angesichts der fehlenden Finanzierung der deutlich erhöhten Baukosten jedenfalls in dieser Form nicht mehr geplant. Vielmehr ist die vorliegende Ausschreibung dem (Gesamt-)Projekt “kleiner” ### zuzuordnen. Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren – wie auch schon vor der Vergabekammer – ihren Ausführungen die Annahme zu Grunde legt, die ausgeschriebenen Planungsleistungen für Baugrund und Wasserhaltung bezögen sich auf das ursprüngliche Projekt “großer” ### geht sie schon im Ausgangspunkt fehl. Bereits aus den Vergabeunterlagen für die hier streitgegenständliche Ausschreibung folgt, dass die Ausschreibung die Vorplanung für den “kleinen” ### mit reduziertem ### zum Gegenstand hat.

Vorliegend steht eine Förderung des hier streitgegenständlichen kleinen ### jedoch noch nicht fest, vielmehr ist noch nicht absehbar, ob eine Förderung des Projektes in diesem Umfang überhaupt erfolgen wird. Angesichts des Schreibens des damaligen Wirtschaftsministers ist für den Fall, dass Bereiche, für die das Land dann Verantwortung tragen müsste, aus dem Konzept herausfallen und diese dann anderweitig vom Land finanziert werden müssten zumindest mit einer Reduzierung der für das Projekt “großer” ### in Aussicht gestellten Mittel zu rechnen. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass sich die Aussicht für eine Förderung seitens des Landes seit dem Schreiben des damaligen Wirtschaftsministers angesichts der sich verschärfenden Haushaltslage stetig weiter verschlechtert haben dürfte.

Soweit die Antragstellerin anführt, das Land habe in einer Pressemitteilung eine Finanzierung von 59 Millionen Euro angesetzt, dringt sie damit im Ergebnis nicht durch. Inwieweit für die Beantwortung der Frage, ob ein Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert wird, auf Pressemitteilungen der öffentlichen Hand, etwa des Landes, zurückgegriffen werden kann, kann dabei dahinstehen. Soweit die Antragstellerin zur Stützung dieser Annahme auf eine Entscheidung des Senates Bezug nimmt (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 10. Dezember 2020 – 54 Verg 4/20 -), lässt sich ein solches Verständnis nicht auf diese Entscheidung stützen. Vielmehr war dieser Umstand im Rahmen der zitierten Entscheidung des Senates unstreitig.

Im Ergebnis kann die Beantwortung dieser Frage vorliegend dahinstehen:

Die zitierte Mitteilung des Landes bezieht sich gerade nicht auf das hier streitgegenständliche Vorhaben “kleiner ###”, sondern auf das Vorhaben “großer ###”. Die Vergabekammer hat in ihrer Entscheidung festgestellt, dass für das Vorhaben “kleiner ###” noch keine Förderzusage vorliege, vielmehr sei die Realisierung zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss der Vergabekammer auf den Seiten 20 – 22 wird Bezug genommen.

Zwar wendet die Antragstellerin in diesem Zusammenhang im Ausgangspunkt zu Recht ein, dass die Antragsgegnerin eine Umsetzung des gesamten Projektes letztlich nur dann wird erreichen können, wenn sie Fördermittel von über 50% erhält. Das gilt auch für das Projekt “kleiner” ###.

Im vorliegenden Fall besteht jedoch – worauf die Vergabekammer zu Recht hingewiesen hat – die Besonderheit, dass – mangels in Aussicht gestellter Förderung für das hier streitgegenständliche gesamte Vorhaben – eine Umsetzung des (gesamten) Projektes gerade nicht absehbar ist. Anders als etwa in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des OLG München vom 10. November 2010 – Verg 19/10 -, handelt es sich vorliegend “nur” um die Ausschreibung einer mit den in Nr. 4 beschriebenen Maßnahmen in Verbindung stehenden Dienstleistung, während die Förderung und damit die Realisierbarkeit der Maßnahme “kleiner” Trave-Campus selbst nicht absehbar ist. Dementsprechend dient die hier ausgeschriebene Planungsleistung für Baugrund und Wasserhaltung im Ergebnis der Vorbereitung einer konkreten Planung, in deren Verlauf die Antragsgegnerin die Realisierbarkeit und insbesondere die diesbezüglichen Fördermöglichkeiten prüfen kann.

In diesem Zusammenhang hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Antragsgegnerin die hier streitgegenständliche Leistung auf eigenes Risiko ausgeschrieben hat, bevor das Projekt selbst vergabereif ist und die Antragsgegnerin die ausgeschriebene Leistung gegebenenfalls aus Eigenmitteln finanzieren wird. Damit steht eine Finanzierung für das gesamte Projekt gerade noch nicht fest. Demgegenüber ist für die Finanzierung der hier ausgeschriebenen Dienstleistung eine Förderung durch die öffentliche Hand weder zwingend erforderlich noch fest eingeplant. Durch die Ausschreibung der streitgegenständlichen vorbereitenden Dienstleistung auf eigenes Risiko, ohne dass die Antragsgegnerin mit einer mehr als 50%igen Förderung der Gesamtmaßnahme rechnen konnte, unterfällt die Antragsgegnerin nicht § 99 Nr. 4 GWB.

Ergänzend merkt der Senat an, dass die Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg haben dürfte, da es der Antragsgegnerin freigestanden haben dürfte, eine Akkreditierung für die Probenentnahme auch vor Ablauf der Übergangsfrist der BBodSchV n.F.zu verlangen. Einen durchgreifenden Verstoß gegen das Transparenzgebot vermag der Senat in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen. Das Angebot der Antragstellerin konnte demnach wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen werden, da eine nach § 53 Abs. 7 VgV unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen bereits vorliegt, wenn der Bieter ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt, insbesondere etwa dann, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht.

2. Der Antrag auf erweiterte Akteneinsicht ist demnach ebenfalls zurückzuweisen. Das Recht auf Akteneinsicht besteht in dem Umfang, in dem es zur effektiven Durchsetzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin erforderlich ist, was nur bezüglich entscheidungsrelevanter Aktenbestandteile gilt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2021 – Verg 9/21 -). Akteneinsicht ist in dem Umfang zu gewähren, der zur Durchsetzung des objektiven Rechts, bezogen auf das konkrete Rechtsschutzziel, notwendig ist, soweit keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2022 – 54 Verg 7/22 -). Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen hat die Antragstellerin demnach keinen Anspruch auf weitere Einsicht in die Vergabeakten, weil die sofortige Beschwerde erfolglos bleiben dürfte.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB sind Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die einheitlich in der Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu befinden ist.

OLG Schleswig -Beschluss vom 27.11.2023- zu der Frage, ob Vorschriften über die Preisprüfung drittschützend sind

OLG Schleswig -Beschluss vom 27.11.2023- zu der Frage, ob Vorschriften über die Preisprüfung drittschützend sind

1. Der öffentliche Auftraggeber muss eine Preisprüfung durchzuführen und in diesem Rahmen von dem betreffenden Bieter Aufklärung verlangen, wenn der Angebotspreis ungewöhnlich niedrig erscheint.
2. Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gem. § 60 Abs. 1, 2 VgV die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen.
3. Die Vorschriften über die Aufklärungspflicht nach § 60 Abs. 1 VgV, die Vorgaben über die Vornahme der Prüfung nach Maßgabe von § 60 Abs. 2 VgV und die Beachtung der Vorschriften gem. § 60 Abs. 3 VgV sind drittschützend.
OLG Schleswig, Beschluss vom 27.11.2023 – 54 Verg 4/23

Gründe

I.

Mit Bekanntmachung vom ### im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union – ### Vergabe-Nr. ### – berichtigt durch Bekanntmachung vom ### im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union – ### – hat die Antragsgegnerin den Auftrag “Schüler*innenbeförderung der Förderzentren; Schüler*innenbeförderung für die Schuljahre 2023/2024 bis 2025/2026 mit der Option zweimal um jeweils ein Jahr zu verlängern” im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Nach Ziffer I.3 der Auftragsbekanntmachung stehen die Auftragsunterlagen online zur Verfügung.

Die Beschaffung umfasst nach II.2 der Auftragsbekanntmachung die Beförderung von den Wohnungen der Schülerinnen und Schüler zu den Schulstandorten ### (Los 1) und ### (Los 2) und zurück sowie Einzelbeförderungen von Schüler/innen im Los 3.

In jedem Los sind Schulfahrten und Sondertouren (z.B. bei Ausflügen, Klassenfahrten oder in den Ferien) zu planen und durchzuführen. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, wobei der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium ist. Beabsichtigt ist der Abschluss eines Vertrages über drei Jahre vom 1. August 2023 bis zum 31. Juli 2026 mit der zweimaligen Verlängerungsoption um ein Jahr, Ziffer II.2.7 der Auftragsbekanntmachung.

Ziffer VIII “Preiskalkulation” der Auftragsunterlage “Allgemeine Leistungsbeschreibung und Hinweise zur Angebotserstellung und zur Preiskalkulation Vergabe-Nr. ###” lautet u.a.:

“In den angebotenen Kilometer- und Tourenpreisen müssen sämtliche preisbeeinflussende Faktoren berücksichtigt sein. Die angebotenen Preise müssen die vollständige und vertragsgemäße Durchführung der Leistung umfassen.

Die Vergütung der Leistungen des*der Auftragnehmer*in erfolgt in Form eines wöchentlichen Tourenpreises je Los. Der Aufwand für zu berücksichtigende Besonderheiten in der Beförderung der Schüler*innen ist damit abgegolten. Hierzu zählt u.a.:

(…)

Die jeweiligen Preise sind von dem*der Bieter*in in dem jeweils beigefügten Preisblatt … einzutragen. Die anzugebenden Preise verstehen sich Netto zzgl. der gesetzlich gültigen Umsatzsteuer.

(…)

Der*die Bieter*in hat die jeweiligen Strecken des Loses, für die er*sie eine Angebotsabgabe plant, als Kalkulationsgrundlage zu ermitteln.

Nach Zuschlagserteilung ist der*die Auftragnehmer*in verpflichtet, innerhalb einer Frist von 3 Wochen der Auftraggeberin eine detaillierte Aufstellung der Wochenkilometerleistung, soweit die Daten der eingesetzten Fahrzeuge (Fahrzeugtyp, Kennzeichen ###) zu übermitteln. Die Angaben des*der Auftragnehmer*in gelten als Vertragsbestandteile und werden als Anlage zum Vertrag aufgeführt.

(…)”

Ziffer IX. enthält eine Preisgleitklausel für Veränderungen der Personalkosten und der Kraftstoffkosten. Ziffer X. “Sonderregelungen Pandemie” lautet u.a.:

“Bei mehrtägigen Komplettausfällen, zum Beispiel durch pandemiebedingte Schulschließungen, erhält der*die Auftragnehmer*in für den Zeitraum der Schulschließungen eine Erstattung in Höhe von 85% der anfallenden Fixkosten der Schüler*innenbeförderung.

Falls einzelne Fahrten in den Zeitraum der Schulschließung fallen und von der*dem Auftragnehmer*in erbracht werden, erhält er*sie dafür je Los den vertraglich festgelegten Kilometerpreis, abzüglich der Fixkosten.

Unter Fixkosten sind Kosten zu verstehen, die auch ohne Erbringung der Leistung bestehen, zum Beispiel Leasingraten, Verwaltungskosten oder Lohnkosten.

(…)”

Nach Ziffer XI der Leistungsbeschreibung erfolgt die “Abrechnung” monatlich nach Übersenden der tatsächlich gefahrenen Kilometer und Routen.

Aus der Anlage 7 der Auftragsunterlagen “Gewichtung der Wertungskriterien” ergeben sich folgende, bereits unter VI.3) der Auftragsbekanntmachung genannte Zuschlagskriterien und deren Gewichtung:

1. die Gesamtkilometer zu 50%; Grundlage der Punktebewertung ist dabei eine Wertungszahl, die ermittelt wird aus den sich bei einer Subtraktion von Erfahrungskilometern mit den angebotenen Kilometern dividiert durch 1.000 multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (50%),

2. der Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer inklusive aller preisbeeinflussenden Faktoren Schulfahrten zu 35%, dabei ergibt sich die Wertungszahl aus dem angebotenen Preis multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (35%),

3. der Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer inklusive aller preisbeeinflussenden Faktoren Sonderfahrten zu 10%, dabei ergibt sich die Wertungszahl aus dem angebotenen Preis multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (10%),

4. der Preis der Anfahrtspauschale für Sonderfahrten, dabei ergibt sich die Wertungszahl aus dem angegebenen Preis multipliziert mit dem Gewichtungsfaktor (5%).

Das – losbezogen – wirtschaftlichste Angebot soll nach dem Vorbringen der Parteien das Angebot mit der geringsten Punktzahl aus der Summe der obigen Wertungszahlen sein.

Die Erfahrungskilometer wurden nicht in den Vergabeunterlagen bekannt gegeben, sondern von der Antragsgegnerin nach Maßgabe der im Schuljahr 2022/2023 für das Schuljahr 2021/2022 durch die Beigeladene endgültig abgerechneten Kilometer ermittelt und der Auswertung mit 5711 km für das Los 1 und mit 2481 für das Los 2 zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin hatte auf entsprechende Nachfrage der Vergabekammer unter dem 25. April 2023 hierzu mitgeteilt, dass die Erfahrungskilometer einbezogen worden seien, um ein realistischeres Bild der Wirtschaftlichkeit für die Erfüllung des Auftrages zu schaffen; die Bieterin, die realistischer mit ihrer Einschätzung an die jeweiligen Erfahrungskilometer heranrücke, werde besser bewertet. Auf dem Formular “Angaben zum Angebot” hatten die Bieter für die Lose jeweils eine Los-Endsumme netto, die Umsatzsteuer und die Los-Endsumme brutto anzugeben

In den mit dem Angebot einzureichenden Preisblättern für die Lose 1 bis 3, den Anlagen 1 – 3 zur Leistungsbeschreibung, waren von den Bietern anzugeben (alle Preise waren als Nettopreise anzugeben):

1) wöchentlicher Tourenpreis für alle Hin- und Rücktouren einschließlich Fahrten für Unterrichtsangebote inkl. aller preisbeeinflussenden Faktoren,

a) prozentualer Anteil der Personalkosten am wöchentlichen Tourenpreis,

b) prozentualer Anteil der Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt der Fahrzeuge am wöchentlichen Tourenpreis,

2) Gesamtkilometer für alle Hin- und Rücktouren und Fahrten für Unterrichtsangebote in einer Kalenderwoche,

3) Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer inkl. aller beeinflussenden Faktoren für Schulfahrten,

4) Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer inkl. aller beeinflussenden Faktoren für Sonderfahrten,

5) Anfahrtspauschale für Sonderfahrten,

6) Zusätzlicher Preis je Busbegleitung pro gefahrenen Kilometer.

In den Preisblättern zu den Losen 1 und 2 heißt es u.a. jeweils im zweiten Absatz:

“Sollten sich Veränderungen durch Schüler*innenwechsel ergeben, werden die eingesparten oder zusätzlichen Kilometer nach dem im Preisblatt angegebenen Kilometerpreis umgerechnet.”

Die Antragstellerin und die Beigeladene, die derzeitige Auftragnehmerin, reichten jeweils Angebote ein, wobei sie bei den jeweiligen Los-Endsummen in dem Formular “Angaben zum Angebot” für die Lose 1 und 2 die in den jeweiligen Preisblättern angegebenen Werte für den “wöchentlichen Tourenpreis für alle Hin- und Rücktouren einschließlich Fahrten für Unterrichtsangebote inkl. aller preisbeeinflussenden Faktoren” eingetragen hatten.

Die Antragstellerin erhielt am 16. März 2023 das Informationsschreiben der Antragsgegnerin über die Absage nach § 134 GWB unter Hinweis auf ein niedrigeres Hauptangebot. Die Antragsgegnerin teilt dort mit, dass die Antragstellerin nach Auswertung der Angebote im Hinblick auf die Wertungskriterien in den Losen 1 und 2 jeweils nicht das niedrigste Hauptangebot vorgelegt habe. Die Punktzahlen des Angebots der Antragstellerin lägen für das Los 1 bei 3,22 und für das Los 2 bei 3,36, während die Beigeladene bei Los 1 eine Punktzahl von 1,85 und bei Los 2 eine Punktzahl von 1,96 Punkten erreicht habe.

Mit Schreiben vom 21. März 2023 erhob die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin eine Rüge mit dem Ziel, das Angebot der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen und ihr den Auftrag zu erteilen. Die Antragsgegnerin wies die Rüge der Antragstellerin mit Schreiben vom 5. April 2023 zurück. Die Antragstellerin stellte daraufhin am 6. April 2023 bei der Vergabekammer Schleswig-Holstein einen Nachprüfungsantrag. Auf die Verhandlung vom 15. Mai 2023 hat die Vergabekammer Schleswig-Holstein das Nachprüfungsverfahren (Az. VK-SH 06/23) mit bestandskräftigem Beschluss vom 23. Mai 2023 in der Hauptsache wie folgt entschieden:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, auf der Grundlage der bisher unterlassenen Auskömmlichkeitsprüfung das Angebot der Beigeladenen zu bezuschlagen.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor § 60 VgV bzw. Auskömmlichkeitsprüfung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen.

Die Antragsgegnerin trat sodann mit E-Mail an die Beigeladene vom 1. Juni 2023 in die Preisprüfung ein. Die Beigeladene beantwortete im Rahmen einer sich daran anschließenden E- Mail Korrespondenz die Fragen der Antragsgegnerin und übersandte Unterlagen zu ihrer Kalkulation. Die Antragsgegnerin bejahte die Plausibilität der Angaben der Beigeladenen und die Auskömmlichkeit deren Angebots mit einem Vermerk vom 22. Juni 2023.

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 28. Juni 2023 ihre Absicht mit, der Beigeladenen den Auftrag zu erteilen. Sie habe die ihr im Beschluss der Vergabekammer vom 23. Mai 2023 auferlegte Prüfung nach § 60 VgV durchgeführt und im Ergebnis keine Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen. Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 29. Juni 2023 die beabsichtigte Zuschlagserteilung u.a. unter Hinweis darauf, dass die Preisprüfung nicht sachgerecht durchgeführt worden und das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei. Die Antragsgegnerin teilte am gleichen Tage und ferner mit Schreiben vom 3. Juli 2023 (Anlage Ast 6) mit, der Rüge nicht abzuhelfen.

Die Antragstellerin stellte am 7. Juli 2023 bei der Vergabekammer Schleswig-Holstein erneut einen Nachprüfungsantrag. Dort machte sie u.a. geltend, dass die Preisprüfung nicht sachgerecht durchgeführt worden sei, insbesondere der für Pos. 3 von der Beigeladenen angegebene Preis zu niedrig sei und hiermit die Vorgaben aus der Leistungsbeschreibung und die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt werden könnten.

Die Vergabekammer hat am 7. Juli 2023 beschlossen, den Nachprüfungsantrag der Antragsgegnerin nicht zuzustellen. Der Nachprüfungsantrag sei nicht zustellungsreif, da er jedenfalls offensichtlich unzulässig sei. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 7. Juli 2023 hat der Senat (Az. 54 Verg 3/23) mit Beschluss vom 11. Juli 2023 den Nachprüfungsantrag der Antragsgegnerin zugestellt, die Zuschlagsprätendentin beigeladen und mit weiterem Beschluss vom 19. Juli 2023 den Beschluss der Vergabekammer vom 7. Juli 2023 aufgehoben und die Vergabekammer Schleswig-Holstein verpflichtet, das Nachprüfungsverfahren unter Beachtung der sich aus dem Beschluss des Senats ergebenden Rechtsauffassung des Senats durchzuführen.

Die Antragstellerin hat beantragt:

1. Der Antragsgegnerin aufzugeben, den Zuschlag im Ausschreibungsverfahren für Schüler*Innenbeförderung der Förderzentren, Schüler*Innenbeförderung für die Schuljahre 2023/2024 bis 2025/2026 mit der Option 2 x um jeweils ein Jahr zu verlängern, Vergabenummer 52.2.900.23 nicht dem Bieter ### zu erteilen,

2. Das Angebot des Bieters ### auszuschließen,

3. Der Antragsgegnerin aufzugeben, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabe festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,

hilfsweise

für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Erteilung des Zuschlages durch Aufhebung oder in sonstiger Weise festzustellen, dass eine Rechtsgutverletzung vorgelegen hat.

4. Einsicht in die Vergabeakte gem. § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Vergabekammer hat der Antragstellerin Akteneinsicht in die Korrespondenz zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zur Preisprüfung aus der Vergabeakte durch die elektronische Übersendung teilgeschwärzter Unterlagen am 3. August 2023 gewährt. Von der Schwärzung betroffen sind nahezu alle inhaltlichen Angaben der Beigeladenen sowie Teile der Fragen der Antragsgegnerin und Einzelheiten des Vermerks der Beigeladenen vom 22. Juni 2023.

Die Vergabekammer hat ihre auf die Sitzung vom 22. September 2023 ergangene, den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückweisende Entscheidung vom 29. September 2023 im Wesentlichen wie folgt begründet: Der zulässige Nachprüfungsantrag sei nicht begründet. Aufgrund des bestandskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 23. Mai 2023 (Az. VK-SH 06/23) sei in Anbetracht der Preisabstände nur eine Preisprüfung nach § 60 VgV geboten. Das Nachprüfungsverfahren beschränke sich auf diesen Aspekt, neue Vergaberechtsverstöße seien weder vorgetragen noch erkennbar. Die Antragsgegnerin habe die erforderliche Prüfung nunmehr ordnungsgemäß vorgenommen. Der von der Antragstellerin gerügte Verstoß gegen § 60 VgV liege nicht vor. Die Antragsgegnerin habe die erforderliche Preisprüfung sachgemäß und gründlich durchgeführt. Aufgrund dieser dokumentierten Prüfung sei sie in plausibler Weise ohne erkennbare Beurteilungs- oder Ermessensfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass der von der Beigeladenen angebotene Preis nachvollziehbar und auskömmlich sei.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 12. Oktober 2023 mit im Wesentlichen den folgenden Beschwerdeangriffen:

Ihr sei nicht in dem gebotenen Umfang Akteneinsicht gewährt worden. Es fehle ihr an der Möglichkeit, die Angaben der Beigeladenen zu beurteilen. Ihr sei es nicht ermöglicht worden, die von der Vergabestelle aufzuklärende Preisdifferenz aus der Wertung nachzuvollziehen. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt habe, werde es erst durch transparente Akteneinsicht möglich, weitere Rügen zu erheben. Dies werde durch die vorgenommenen Schwärzungen unterbunden. Der Antragstellerin liege bis heute weder eine inhaltliche Stellungnahme der Antragsgegnerin noch eine sonstige konzeptionelle Darstellung der Beigeladenen vor, wie sich die Überprüfung des außergewöhnlich niedrigen Preises darstelle. Insbesondere die vollständige Schwärzung der Antwort vom 20. Juni 2023 zu dem Punkt “Preis pro besetzt gefahrenen Kilometer” sei zwingend zu offenbaren.

Ferner seien die Erläuterungen zu den Differenzen bzw. die Antworten (S. 2/3) offenzulegen. Aus den Differenzen könnte die Antragstellerin erkennen, wie groß die Abweichungen seien. Derzeit könne sie weder erkennen, welche Preise zugrunde gelegt worden seien noch worauf diese beruhten.

Die Fragen der Antragsgegnerin in Bezug auf die Auskömmlichkeitsantworten der Beigeladenen seien ohne weitere Erläuterung unverständlich und ohne weitere Darstellung nicht zu bewerten.

Die Ausführungen auf Seite 16 der Entscheidung der Vergabekammer zur Akteneinsicht ließen sich mit den Darlegungen des Senats zur Akteneinsicht in dem Beschluss vom 20. Juli 2023 nicht vereinbaren.

Weder die Antragsgegnerin – noch die Vergabekammer in ihren diversen Entscheidungen – erläuterten den Inhalt der Preisposition 3. Dies sei geboten, um sich dieser Position nähern zu können. Die Antragstellerin habe insoweit dargelegt, dass es sich mathematisch nicht erklären lasse, dass diese Position, die nach den Ausführungen der Antragsgegnerin die einzige signifikante Abweichung darstelle, alle Kostenpositionen beinhalte, die zur Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften erforderlich seien. Hierbei sei zunächst zu prüfen, ob der Bieter die Schlüssigkeit seines Angebots aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll begründen könne (vgl. VK Bund, Beschluss vom 22.03.2005 – VK 3-13/05). Damit höre jedoch die Überprüfung nicht auf. Es sei ferner zu prüfen, ob die Wirtschaftlichkeit der Erbringung der Dienstleistung gewährleistet sei, die Besonderheiten der angebotenen Dienstleistungen berücksichtigt worden seien und die Verpflichtungen nach § 128 GWB, insbesondere für die Dienstleistung geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften eingehalten worden seien (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 10.09.2020, Rs. C-367/19).

Wenn die Vergabekammer in ihrem Beschluss zu dem Ergebnis gelange, dass die Wirtschaftlichkeit gewährleistet sei, sei dies nicht ausreichend, um die Vorgaben, welche bei einem ungewöhnlich niedrigen Preis zu prüfen seien, zu berücksichtigen. Ein Angebot sei dann auch zwingend gemäß § 60 Abs. 4 VgV auszuschließen, wenn es unter Verstoß gegen § 128 GWB zustande gekommen ist.

Zwar führe der Beschluss der Vergabekammer auf S.13 aus, dass der gesetzliche Mindestlohn eingehalten sei – es fehle jedoch zum Einen die Überprüfung der weiteren gesetzlichen Vorgaben und zum Anderen auch die Beurteilung, die zu der Annahme führe, dass die gesetzlichen Vorgaben über den Preis Pos. 3 abgedeckt seien.

Die Antragstellerin beantragt in dem Verfahren der sofortigen Beschwerde (54 Verg 5/23):

1. Die Entscheidung der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 29.09.2023 Az. VK-SH 11/23 aufzuheben,

2. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist,

3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Zuschlag nicht an die Fa. ### GmbH & Co KG zu erteilen und deren Angebot auszuschließen,

4. geeignete Maßnahmen zu treffen, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen,

5. Einsicht in die Vergabeakten gem. § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren, hilfsweise für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlages durch Aufhebung oder in sonstiger Weise erledigt hat, festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.

Die Antragstellerin beantragt in diesem Verfahren:

Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern.

Die Antragsgegnerin hat bisher einen Antrag nicht angekündigt.

Die Beigeladene beantragt im Verfahren 54 Verg 5/23,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt in diesem Verfahren,

den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB abzulehnen.

Sie tritt den Angriffen der sofortigen Beschwerde entgegen und führt im Wesentlichen aus:

Die Beschwerdeangriffe rechtfertigten eine vom Beschluss der Vergabekammer abweichende Entscheidung nicht. Der Antragstellerin sei in ausreichender Weise Akteneinsicht gewährt worden; die Prüfung der Antragsgegnerin nach § 60 VgV sei nicht zu beanstanden.

Die Vergabekammer sei mit der gewährten Akteneinsicht über das der Beigeladenen Zumutbare hinausgegangen, habe das Offenlegungsinteresse der Antragstellerin gegenüber ihrem Geheimhaltungsinteresse deutlich bevorzugt. Ein Anspruch der Antragstellerin auf die Kenntnis der von der Beigeladenen angebotenen Preise sowie der Bestandteile, aus denen sich die Preiskalkulation zusammensetze, bestehe nicht. Damit wäre jegliches Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen preisgegeben. Die Antragstellerin habe auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen sowohl die Struktur ihrer Kalkulation als auch das Vorgehen der Antragsgegnerin bei der Auskömmlichkeitsprüfung ohne weiteres nachvollziehen können. Eine weitergehende Akteneinsicht führte dazu, dass die Beigeladene in zukünftigen Vergabeverfahren im Verhältnis zur Antragstellerin erhebliche Nachteile erleiden müsste. Die Prüfung der Antragsgegnerin nach § 60 VgV sei nicht zu beanstanden.

Der Senat hat die Akten des Nachprüfungsverfahrens Vergabekammer Schleswig-Holstein, Az. VK SH 6/23 beigezogen.

II.

Der zulässige Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde ist begründet, § 173 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GWB (A).

Die Antragstellerin hat nach den §§ 175, 165 Abs. 2 GWB einen Anspruch auf erweiterte Akteneinsicht, dem der Senat durch die in Ziffer 2 des Tenors beschriebene Verfahrensweise unter Beachtung des Geheimhaltungsbedürfnisses der Beigeladenen Rechnung trägt; der weitergehende Antrag auf Akteneinsicht war zurückzuweisen (B).

A.

Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde vom 12. Oktober 2023 ist nach § 173 GWB zulässig und begründet.

Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 GWB hat die sofortige Beschwerde aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer, wobei diese Wirkung zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist entfällt, § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht nach § 173 Abs. 1 Satz 3 auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Nach § 173 Abs. 2 GWB wird der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Interessenabwägung sind unter anderem die Erfolgsaussichten der Beschwerde, die Aussichten des Antragstellers auf Erhalt des Auftrags und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen, § 173 Abs. 2 Satz 4 GWB. Bei der Auslegung ist das unionsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde haben daher entscheidendes Gewicht, sodass nur ausnahmsweise Gründe des Allgemeinwohls überwiegen können (Losch in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 173 GWB, Rn. 47; von Werder in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 173 GWB, Rn. 47 f.). Hat die sofortige Beschwerde bei summarischer Prüfung hohe Erfolgsaussichten, wird dem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung in der Regel stattzugeben sein, hat sie dagegen nur geringe Erfolgsaussichten, ist ein schutzwürdiges Interesse an der Verlängerung in der Regel nicht anzunehmen (Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 173 GWB, Rn. 52 f.; von Werder in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 173 GWB, Rn. 50).

Die hiernach gebotene Interessenabwägung fällt zugunsten des Antrages der Antragstellerin aus. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat bei summarischer Prüfung Aussicht auf Erfolg; das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens tritt dahinter zurück. Die Antragstellerin hat bei einem Ausschluss des Angebots der Beigeladenen oder der Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor die Bekanntmachung des Auftrages auch eine Aussicht, den Auftrag zu erhalten.

Es besteht Anlass zu der Annahme, dass eine nach den §§ 57, 60 VgV zu beanstandende Preiskalkulation der Beigeladenen vorliegt. In Betracht kommt ggf. auch eine die Rechte der Antragstellerin verletzende Intransparenz der Ausschreibungsunterlagen.

Die Regelungen über die Aufklärungspflicht nach § 60 Abs. 1 VgV, die Vorgaben über die Vornahme der Prüfung nach Maßgabe von § 60 Abs. 2 VgV und auch die Beachtung der Vorschriften gemäß § 60 Abs. 3 VgV sind drittschützend (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 2017 – X ZB 10/16, Rn. 23 ff.), so dass die Antragstellerin insoweit nach den §§ 160 Abs. 2, 97 Abs. 6 GWB antragsbefugt ist.

Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gemäß § 60 Abs. 1 und 2 VgV die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen, § 60 Abs 3 Satz 2 VgV. Nach dem Inhalt des bestandskräftigen Beschlusses der Vergabekammer vom 23. Mai 2023 (VK-SH 06/23, dort Seite 23 ff.) steht fest, dass der Preis für das Angebot der Beigeladenen ungewöhnlich niedrig war, weshalb die Antragsgegnerin eine Preisprüfung durchzuführen und in diesem Rahmen von der Beigeladenen insoweit Aufklärung zu verlangen hatte, § 60 VgV.

Nach den aus der Aufklärung des Angebots durch die Antragsgegnerin aus der Korrespondenz mit der Beigeladenen neu gewonnenen Erkenntnissen zu der Kalkulation der Beigeladenen könnte sich der Vortrag der Antragstellerin bestätigen, wonach die Beigeladene für den in den Losen 1 und 2 jeweils wertungsrelevanten Preis pro Besetztkilometer Schulfahrten nicht den für sie auskömmlichen, von ihr aber im Falle einer etwaigen Auftragserteilung nach ihrer Vorstellung im Rahmen der Abrechnung über den wöchentlichen Tourenpreis geltend zu machenden Preis angegeben hat.

Sollte dieses Vorgehen jedoch als zulässig anzusehen und nicht nur ein Verständnis der Angaben in den Vergabeunterlagen nach den §§ 133, 157 BGB in Betracht kommen, könnten die Angaben in den Vergabeunterlagen zu Tourenpreis, Gesamtkilometerzahl je Woche und Preis je Besetztkilometer Schulfahrten den nach § 97 Abs. 6 GWB bieterschützenden Transparenzgrundsatz verletzen.

Anhaltspunkte dafür, dass die im wöchentlichen Tourenpreis für die Schulfahrten in Los 1 und 2 berücksichtigten Kostenansätze der Beigeladenen nicht auskömmlich sind, liegen nicht vor. Insoweit dürfte die Preisprüfung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden sein.

B. Die Antragstellerin kann nach den §§ 175, 165 GWB lediglich in dem sich aus dem Beschlusstenor zu 2) ergebenden Umfang weitere Akteneinsicht in die Vergabeakten verlangen; der weitergehende Antrag war zurückzuweisen.

Nach § 165 Abs. 4 GWB kann eine von der Vergabekammer versagte Akteneinsicht nur im Zusammenhang mit der sofortigen Beschwerde nach § 171 GWB angegriffen werden. Dementsprechend kann im Beschwerdeverfahren auch überprüft werden, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführerin weitergehende Einsicht in bestimmte, dem Vergabeverfahren zuzuordnende Akten zu bewilligen ist, um die Akteneinsicht diesbezüglich gegebenenfalls nachzuholen (OLG Düsseldorf NZBau 2009, 334 – Bahnhof O.). Dies ist zum Teil der Fall.

Das Recht auf Akteneinsicht besteht nur dann und in dem Umfang, in dem es zur effektiven Durchsetzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin erforderlich ist, was nur bezüglich entscheidungsrelevanter Kenntnisse gilt und soweit andere Möglichkeiten der Sachaufklärung nicht bestehen, § 70 Abs. 2 Satz 4 GWB. Akteneinsicht ist nach dem auch für das Beschwerdeverfahren anzuwendenden Maßstab des § 165 Abs. 2 GWB zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten ist. Bei den im Rahmen der Preisprüfung nach § 60 VgV offen zu legenden Kalkulationsgrundlagen der Angebote und den mit der Preisermittlung zusammenhängenden Daten und Inhalten kann es sich um Geschäftsgeheimnisse des Bieters handeln. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf rechtliches Gehör, der eine Kenntnis der Vergabeakten als Entscheidungsgrundlage erfordert, und dem Schutz von Geheimnissen. Diese Interessen sind gegeneinander abzuwägen. Akteneinsicht ist in dem Umfang zu gewähren, der zur Durchsetzung des objektiven Rechts, bezogen auf das konkrete Rechtsschutzziel, notwendig ist, soweit keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – X ZB 10/16, Rn. 39 ff.; OLG Düsseldorf NZBau 2021, 632, Rn. 27; OLG München NZBau 2016, 591, Rn. 27 f.).

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen besteht ein Anspruch der Antragstellerin auf Kenntnisnahme von den von der Beigeladenen vorgenommenen und erst im Rahmen der Preisprüfung vom Juni 2023 zu Tage getretenen Differenzierung ihrer Kalkulation im Hinblick auf den wertungsrelevanten Preis je Besetztkilometer für Schulfahrten und die Tourenpreise je Woche. Infolge einer Offenlegung dieser Verfahrensweise im Wege der Akteneinsicht sind Nachteile, vor denen die Beigeladene in zukünftigen Vergabeverfahren bewahrt werden müsste, nicht zu erwarten. Da sich die erheblichen Einzelheiten dieser Verfahrensweise nicht lediglich aus den textlichen Antworten der Beigeladenen, sondern auch aus den ihren Antworten beigefügten – und Geschäftsgeheimnisse beinhaltenden – Kalkulationen erschließen lassen, kommt eine Gewährung von Akteneinsicht durch Übersendung teilgeschwärzter Unterlagen nicht in Betracht. Der Senat wird die Akteineinsicht für die Antragstellerin vornehmen ohne Preisgabe kalkulatorischer Ansätze der Beigeladenen durch die Unterrichtung der Antragstellerin in allgemeiner Form (vgl. hierzu: BGH, aaO, Rn. 55).

Ein Anspruch der Antragstellerin auf Kenntnisnahme von den betragsmäßigen Einzelheiten der Kalkulation des Angebots der Beigeladenen besteht hiernach nicht. Bei den kalkulatorischen Ansätzen der Beigeladenen zu den einzelnen Kosten sowie Wagnis und Gewinn handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen, bei deren Offenlegung diese im künftigen Wettbewerb mit der Antragstellerin mit Wahrscheinlichkeit Nachteile erleiden würde. Nach vom Senat geteilter Auffassung des Bundesgerichtshofs kann in sinngemäßer Anwendung von § 76 Abs. 1 Satz 3 GWB (§ 71 Abs. 1 Satz 3 GWB a.F.) im Nachprüfungsverfahren von dem Grundsatz abgewichen werden, dass die Entscheidung nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden darf, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten, soweit Beigeladene aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Akteneinsicht nicht gewährt und der Akteninhalt aus diesen Gründen auch nicht vorgetragen worden ist (BGH, aaO, Rn. 59 ff.). Die geheimhaltungsbedürftigen Informationen dürfen auch dann verwertet werden, wenn sich die Beteiligten hierzu nicht äußern konnten; dem Geheimschutz wird in den schriftlichen Gründen dadurch Rechnung getragen, dass die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe nicht angegeben werden.

VergabePrax Sondermeldung: Dramatischer Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs

VergabePrax Sondermeldung: Dramatischer Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist ein wesentliches Element des EU-Binnenmarkts. Sie ermöglicht es den Behörden in den Mitgliedstaaten, beim Erwerb von Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen, indem sie die Unternehmen auswählen, die die beste Leistung bieten. Dies trägt wiederum zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Märkten und zum Schutz des öffentlichen Interesses bei. Der Hof stellte fest, dass der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in den vergangenen 10 Jahren zurückgegangen ist und dass die 2014 erfolgte Reform der EU-Richtlinien offenbar nicht dazu geführt hat, diesen Trend umzukehren. Insgesamt ist kein ausreichendes Bewusstsein für den Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorhanden. Die verfügbaren Daten werden nicht systematisch genutzt, um die Ursachen für den Rückgang des Wettbewerbs zu ermitteln, sondern es werden nur vereinzelte Maßnahmen zum Abbau von Hindernissen ergriffen. Der Hof gelangt zu dem Schluss, dass die wichtigsten Ziele der EU-Reform von 2014, durch die der Wettbewerb sichergestellt werden sollte, wie die Vereinfachung und Verkürzung der Vergabeverfahren, nicht erreicht worden sind und dass einige der Ziele sogar zu einer Verringerung des Wettbewerbs führen können. Der Hof empfiehlt, die Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge klar festzulegen und zu priorisieren, die Lücken bei den über die Vergabe öffentlicher Aufträge erhobenen Daten zu schließen, die Überwachungsinstrumente zu verbessern, um eine bessere Analyse zu ermöglichen, die Ursachen eingehender zu analysieren und einen Aktionsplan zur Überwindung der wichtigsten Wettbewerbshindernisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorzulegen.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Insgesamt gelangt der Hof zu dem Schluss, dass der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt in den letzten 10 Jahren zurückgegangen ist. Es fehlt das Bewusstsein dafür, dass Wettbewerb bei der Vergabe von Aufträgen eine grundlegende Voraussetzung für die Erzielung eines optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnisses darstellt. Die Kommission und die Mitgliedstaaten haben die verfügbaren Daten nicht systematisch genutzt, um die Ursachen des begrenzten Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu ermitteln, und sie ergriffen nur vereinzelte Maßnahmen zum Abbau der Hindernisse.

Im Jahr 2021 waren drei Schlüsselindikatoren, die der Messung des Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge dienen (“Keine Ausschreibung”, “Verfahren mit nur einem Bieter”, “Anzahl der Bieter”), in den meisten Mitgliedstaaten nach wie vor unbefriedigend. Direktvergaben machten rund 16 % aller Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Binnenmarkt aus (siehe Ziffern 31–33).

Über 40 % aller Auftragsvergaben erfolgten im Rahmen von Verfahren mit nur einem Bieter. Die Datenanalyse des Hofes zeigt auch, dass sich der Anteil der Verfahren mit nur einem Bieter in den 27 EU-Mitgliedstaaten zwischen 2011 und 2021nahezu verdoppelt hat, während sich die Zahl der Bieter pro Verfahren fast halbiert hat (siehe Ziffern 35–36).

Erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen deuten darauf hin, dass die öffentlichen Auftraggeber der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Vergabepraxis unterschiedliche Ansätze verfolgen. Zudem stellte der Hof fest, dass diese Indikatoren in den verschiedenen Wirtschaftszweigen ein uneinheitliches Bild abgaben, was den Anteil der öffentlich vergebenen Aufträge und die Entwicklung der Indikatoren in den vergangenen 10 Jahren betrifft (siehe Ziffern 34, 37–39). Darüber hinaus analysierte der Hof auch andere Aspekte der Leistung des öffentlichen Auftragswesens im EU-Binnenmarkt, wie die direkte grenzübergreifende Auftragsvergabe, die nach wie vor nur 5 % aller Auftragsvergaben ausmacht. Außerdem kann sich der unzureichende Wettbewerb auf die Beschaffungspreise auswirken und zu höheren Kosten führen. Da die Kommission keine Preisdaten überwacht, ist unklar, inwieweit sich der rückläufige Wettbewerb bereits auf die Kosten von öffentlichen Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen ausgewirkt hat (siehe Ziffern 41–46).

Die 2014 durchgeführte Reform der Richtlinien zielte darauf ab, die Vergabe öffentlicher Aufträge einfacher und flexibler zu gestalten, die Transparenz der Verfahren zu erhöhen, einen leichteren Zugang für KMU zu gewährleisten und das öffentliche Auftragswesen strategisch zu nutzen, um zur Erreichung der politischen Ziele der EU beizutragen. Die Datenanalyse des Hofes ergab, dass sich infolge dieser Reform die Vorgehensweise der öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen noch nicht deutlich verbessert hat. Was den Aspekt der Vereinfachung betrifft, so stellte der Hof keine deutliche Verbesserung fest, die dazu beigetragen hätte, öffentliche Aufträge attraktiver zu machen. Die durchschnittliche Dauer der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge hat sich seit 2011 um die Hälfte erhöht.

Initiativen wie die Einheitliche Europäische Eigenerklärung und elektronische Formulare zeigen, dass sich die Kommission bemüht, die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu vereinfachen und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu verringern; welche Auswirkungen diese Initiativen haben, muss sich jedoch erst noch zeigen. Damit solche Initiativen Wirkung entfalten können, müssen sie auf breiter Ebene eingeführt werden. Dies erfordert eine anhaltende Unterstützung durch die Kommission (siehe Ziffern 48–56).

114 Der Hof gelangt ferner zu dem Schluss, dass die anderen Ziele noch nicht erreicht wurden, da seine Analyse zeigt, dass sowohl die Ausschreibungsraten als auch die Teilnahme von KMU an öffentlichen Vergabeverfahren im geprüften Zeitraum unzureichend blieben. Die Förderung der strategischen Auftragsvergabe mit dem Ziel, ökologische, soziale oder innovative Aspekte stärker zu berücksichtigen, hatte insgesamt nur begrenzte Auswirkungen, da der Anteil der Verfahren, bei denen andere Zuschlagskriterien als der Preis zugrunde gelegt werden, trotz der Reform von 2014 sehr begrenzt ist. Einige Ziele der Reform von 2014 sind nicht auf eine Förderung des Wettbewerbs ausgerichtet, sondern stehen diesem mitunter sogar entgegen, und die verschiedenen Aspekte der Leistung des öffentlichen Auftragswesens werden nicht erfasst (siehe Ziffern 57–66).

Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs gemäß Artikel 287 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV.

Abweichungen von der Vergabeunterlage oder ein Vorbehalten technischer Änderungen rechtfertigen einen Angebotsausschluss

Abweichungen von der Vergabeunterlage oder ein Vorbehalten technischer Änderungen rechtfertigen einen Angebotsausschluss

von Thomas Ax

Selbst geringfügige Abweichungen von der Vergabeunterlage oder auch nur ein Vorbehalten technischer Änderungen rechtfertigen einen Angebotsausschluss. Aus § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV folgt, dass Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind, von der Wertung ausgeschlossen werden. Jeder Bieter darf nur das anbieten, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat und sich nicht durch eine Abweichung von den Vergabeunterlagen einen (kalkulatorischen) Vorteil verschaffen (OLG Naumburg, Beschluss vom 12. September 2016- 7 Verg 5/16). Eine Änderung an den Vertragsunterlagen liegt bereits dann vor, wenn das Angebot eine einzige Vorgabe der Leistungsbeschreibung inhaltlich nicht einhält; es genügen dabei selbst geringfügige Abweichungen von den Vorgaben der Vergabestelle für einen Angebotsausschluss (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Juni 2011- 15 Verg 7/11; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Oktober 2012- 1 VK 38/12). Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen liegen immer dann vor, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet, als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt. In solchen Fällen ist nicht gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder Hinsicht miteinander vergleichbar sind, vgl. Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2017, § 57 VgV Rn. 50 ff. Irrelevant ist, ob sich die Änderungen in den Vergabeunterlagen selbst manifestieren oder in anderer Weise, etwa dadurch, dass in einem zusätzlichen Begleitschreiben Vorbehalte oder Einschränkungen (dieses Angebot gilt unter der Annahme, dass …) formuliert werden, vgl. Voppel in Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, 4. Auflage 2018, § 53 Rn. 33. Der Bieter ist vielmehr ohne Einschränkungen an die in den Vergabeunterlagen im Einzelnen präzisierte Nachfrage des öffentlichen Auftraggebers gebunden. Selbst wenn sich die Bieterin technische Änderungen in ihrem Angebot vorbehält, überträgt sie das grundsätzlich ihr obliegende Risiko einer fehlerbehafteten Angebotsgestaltung auf die Auftraggeberseite. Dies entspricht weder dem vergaberechtlichen System von Angebot und Annahme noch dem Willen des Auftraggebers. Insoweit deckt sich das Angebot nicht mit den Vergabebedingungen, so dass eine Änderung der Vergabeunterlagen gegeben ist, vgl. VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2018, 3 VK LSA 63/18. Aufklärungsgespräche des öffentlichen Auftraggebers mit dem Ziel, etwaige Änderungen an den Vergabeunterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist zu korrigieren, stellen eine unzulässige Nachverhandlung im Sinne des § 15 Abs. 5 bzw. § 16 Abs. 9 VgV dar (vgl. BGH, Beschluss vom 18.09.2007, X ZR 89/04; OLG Celle, Beschluss vom 19.02.2015 13 Verg 12/14).

Das gilt entsprechend für das Verhandlungsverfahren, wenn richtigerweise erstverbindliche Angebote gefordert werden und über die erstverbindlichen Angebote verhandelt wird.

Nur wenn lediglich indikative Angebote im Verhandlungsverfahren gefordert werden, ist ein Angebotsausschluss nicht bei jeder Abweichung von den Vergabeunterlagen zulässig, denn Sinn und Zweck sowie Besonderheit des Verhandlungsverfahrens ist es, dass der Angebotsinhalt nicht von vorneherein feststehen muss, sondern – im Gegensatz zum Offenen und Nichtoffenen Verfahren – im Rahmen von Verhandlungsrunden mit den Bietern fortentwickelt, konkretisiert und verbessert werden kann. Stellt der Auftraggeber demgegenüber eindeutig und unmissverständlich zwingende Mindestanforderungen an die Angebote auf, sind diese Anforderungen – dies gilt auch für indikative Angebote – zwingend zu beachten.

Das Leistungsbestimmungsrecht als Power-Recht des Auftraggebers

Das Leistungsbestimmungsrecht als Power-Recht des Auftraggebers

von Thomas Ax

Das Leistungsbestimmungsrecht ist das Recht des Auftraggebers, den genauen Inhalt der gewünschten vertraglichen Leistung weitestgehend selbst zu bestimmen. Auch im Rahmen von Beschaffungen der öffentlichen Verwaltung gilt der Grundsatz, dass der Einkäufer entscheidet, was er beschaffen will. Dieser Grundsatz ist Ausfluss der Vertragsfreiheit. Für das Vergaberecht bedeutet das: Der Auftraggeber entscheidet grundsätzlich über das „ob und was“ der Beschaffung. Das Vergaberecht regelt die Art und Weise, also das „wie“ der Beschaffung.

Das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers ist dem Vergabeverfahren vorgelagert. Es wird vom Vergaberecht nicht ausdrücklich geregelt, steht aber mit vergaberechtlichen Regelungen in Wechselwirkung. Einige vergaberechtliche Normen schränkten die Freiheit des Auftraggebers daher mittelbar ein: 

Der Auftraggeber muss darauf achten, dass er den Wettbewerbs-, Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn er die Leistungsparameter zu stark einschränkt und dadurch einzelne Bieter ohne sachlichen Grund vom Wettbewerb ausschließt.

Der Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung (vgl. § 31 Abs. 6 VgV) soll verhindern, dass der öffentliche Auftraggeber die Leistung so beschreibt, dass er den Zuschlag zwangsläufig nur noch auf das von ihm bevorzugte Produkt erteilen kann.

Der Auftrag muss zum Zeitpunkt der Bekanntmachung vergabereif sein. Daher sollte der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung fertig gestellt haben und den Bietern zur Verfügung stellen können. 
Der Grundsatz der Vergabereife ist auch bieterschützend. Bieter können sich also im Wege eines Nachprüfungsverfahrens wehren, wenn sie der Auffassung sind, dass ein Auftrag noch nicht vergabereif ist und die Leistungsbeschreibung daher nicht alle Aspekte der Leistung berücksichtigt. 

Die Rechtsprechung ist weitgehend einzelfallbezogen. Das OLG Düsseldorf hat aber Kriterien entwickelt, anhand derer die Leistungsbestimmung des Auftraggebers zu prüfen ist: 

  • Die Bestimmung des Leistungsgegenstandes muss sachlich gerechtfertigt sein. 
  • Der Auftraggeber muss für seine Leistungsbestimmung nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angeben. 
  • Die Bestimmung der Leistung muss willkürfrei erfolgen. 
  • Die Gründe für die Bestimmung der Leistungen müssen tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein. 
  • Die Bestimmung des Leistungsgegenstands darf andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminieren.


Das OLG Düsseldorf ging 2016 mit Blick auf das neue Vergaberecht davon aus, dass eine Markterkundung nicht erforderlich ist. Anderes hatte der EuGH im Jahr 2009 für einen durchaus ähnlich gelagerten Fall entschieden. Die Rechtslage ist hier derzeit nicht abschließend geklärt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Direktvergaben im Wege von Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb. § 14 Abs. 6 VgV sieht nämlich vor, dass ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit einem Bieter nur durchgeführt werden darf, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsparameter ist. Ob eine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung vorhanden ist, kann gegebenenfalls nur durch eine Markterkundung geklärt werden.

Grundsätzlich ist immer, wenn es möglich ist, auch Wettbewerb zu schaffen. Zum Beispiel in dem der Auftraggeber mindestens drei Angebote einholt. Zuletzt entschieden vom OLG Rostock im November 2021 im Hinblick auf die Luca-App. Das OLG hatte die Leistungsbestimmung als rechtmäßig angesehen. Allerdings hätte der Auftraggeber drei Angebote einholen müssen. Denn er wusste zum Zeitpunkt der Vergabe an den Hersteller der Luca-App, dass auch andere Wettbewerber am Markt eine Lösung zur digitalen Kontaktverfolgung anbieten können.

Insgesamt gilt auch hier: Wer schreibt der bleibt. Die Bestimmung des Auftragsgegenstandes ist im Wege eines Vergabevermerks zu dokumentieren und zu begründen. Andernfalls besteht das Risiko, dass Nachprüfungsinstanzen ein Vergabeverfahren aufgrund von Dokumentationsmängeln aufheben, obwohl die Bestimmung des Leistungsgegenstandes eigentlich nicht zu beanstanden ist. 

„Nachteile“ des Leistungsbestimmungsrechts
Der weite Ermessensspielraum der Auftraggeber bei der Bestimmung der Leistung zukommt, hat auch Nachteile. Insbesondere trägt der Auftraggeber das Risiko, dass der Leistungsgegenstand tatsächlich nicht geeignet ist. Es ist nicht die Aufgabe des Vergaberechts, den Auftraggeber vor technischen und wirtschaftlichen unsinnigen Aufträgen zu schützen, so das OLG Düsseldorf.

Bieter haben zudem grundsätzlich kaum Möglichkeiten, auf die Leistungsbestimmung Einfluss zu nehmen.

VK Bund zu der Frage, dass eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch in Bezug auf diejenigen Teilleistungen vorzunehmen ist, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind

VK Bund zu der Frage, dass eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch in Bezug auf diejenigen Teilleistungen vorzunehmen ist, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der öffentliche Auftraggeber kann sich in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Anforderung des Formblatts 223 nach Angebotsabgabe vorbehalten. Dass eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch in Bezug auf diejenigen Teilleistungen vorzunehmen ist, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind, macht die Anforderung nicht unverhältnismäßig und damit nicht unwirksam.
2. Wird ein nachgefordertes Formblatt in weiten Teilen nicht ausgefüllt, fehlen die geforderten Angaben bzw. Erklärungen. Ein Fehlen ist auch im Fall von nicht vollständig vorgenommenen Eintragungen gegeben.
3. Die Möglichkeit der Nachforderung besteht nur in Bezug auf Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind.
VK Bund, Beschluss vom 19.10.2023 – VK 2-78/23

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentliche am […] die im Rubrum genannte unionsweite Auftragsbekanntmachung für die Durchführung eines nichtoffenen Vergabeverfahrens zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung zur Beschaffung von Leistungen […] Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.

In der Aufforderung zu Angebotsabgabe (Ziff. D) war die Vorgabe enthalten, dass die Aufgliederung der Einheitspreise entsprechend Formblatt 223 auf Verlangen der Vergabestelle ausgefüllt vorzulegen ist. Das elektronische Formular für das FB 223 enthielt im pdf-Format 81 Seiten und u.a. eine Fußnote 2, die für die u.a. zu befüllenden Spalten Zeitansatz, Lohn, Material, Geräte und sonstige Kosten Folgendes vorgab:

“Ist bei allen Teilleistungen anzugeben, unabhängig davon ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.”

Die Ag stellte bei der Prüfung des preisgünstigsten Angebotes der ASt eine erhebliche Abweichung des Angebotspreises von der Schätzung des Angebotspreises in Höhe von […] bzw. von weiteren eingegangenen Angebote von […] bzw. […] fest. Im Hinblick auf die von der Ag zugrunde gelegten internen Richtlinien nach Ziff. 5.3 zu 321 VHB (Vergabehandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes) stellte sie Zweifel an der Angemessenheit der Preise fest und entschied, gemäß den Vorgaben dieser internen Richtlinien, von der ASt das Formblatt 223 zur Aufgliederung der Einheitspreise anzufordern.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2023 teilte die Ag der Antragstellerin (ASt) daher mit, ihr Angebot komme für den Zuschlag in Betracht und bat die ASt, für ihr Unternehmen und ggf. für von ihr eingesetzte Nachunternehmer oder für Mitglieder einer Bieter-/Arbeitsgemeinschaft spätestens bis einschließlich zum 17. Juli 2023 folgende Unterlagen vorzulegen: – FB 223 – Aufgliederung der Einheitspreise entsprechend FB 223 – FB 236 – Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen (EU).

Die Ag wies in dem Schreiben an die ASt darauf hin, dass das Angebot ausgeschlossen werde, wenn die angeforderten Unterlagen “nicht vollständig innerhalb der Frist vorgelegt” würden; es erfolge keine weitere Nachforderung.

Die ASt übermittelte die vorgenannten Unterlagen der Ag fristgemäß. Für das FB 223 verwendete die ASt ein von den Formatvorgaben der von der Ag mit den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellten pdf-Formulars zu einzelnen Passagen abweichendes Formular mit insgesamt 25 Seiten, datierend vom 17. Juli 2023; u.a. enthielt das FB 223 der ASt eine Spalte “Stoffe” (statt wie von der Ag in ihrem Formular an dieser Stelle vorgegeben “Material”). Die ASt machte in diesem Formular im Einzelnen Angaben zu den Ordnungsziffern des Leistungsverzeichnisses. Überwiegend, so auf den Seiten 1 bis 20 zu den Ordnungsziffern 01.01.0010 bis 04.01.0070, füllte die ASt nur die Spalten “Stoffe” und “Angebotener Einheitspreis” aus. Der angebotene Einheitspreis entsprach dort jeweils den Stoffkosten. Entsprechend ausgefüllt waren u.a. die Zeilen zu den LV-Positionen der Kapitel 2.1 (Anschlussarbeiten), 2.4 (Demontage und Entsorgung), 2.6 (Arbeiten an Bestandsanlagen) sowie 3.5 und 3.6, die u.a. Installations- und Nachrüstarbeiten enthielten.

Das Ergebnis der Prüfung des von der ASt eingereichten ausgefüllten FB 223 dokumentierte die Ag in ihrem Vergabevermerk (Stand: 28. August 2023) bzw. dem Vermerk Arbeitshilfe Angebotsprüfung Teil 2, dort Ziff. 2.2 und 2.3 (Stand: 21. August 2023). Die Ag stellte nach Prüfung des von der ASt eingereichten ausgefüllten FB 223 fest, dass die ASt darin keine Angaben zum Zeitansatz sowie zu Lohn-, Material-, Geräte- und sonstigen Kosten für die Nachunternehmerleistungen getätigt habe, weshalb eine Prüfung der Einheitspreise nur für die Arbeiten der ASt selbst, nicht aber für die von ihr beabsichtigten Nachunternehmer möglich sei. Die im FB 223 der ASt gemachten Angaben genügten daher nicht den auftraggeberseitig angeforderten Informationen. Nach interner Befragung des Justitiariats der Ag hielt die Vergabestelle der Ag fest, das von der ASt eingereichte ausgefüllte FB 223 sei unvollständig und daher so zu behandeln, als sei es nicht vorgelegt worden. Bei dem FB 223 handele es sich um eine erst auf Verlangen der Ag vorzulegende Erklärung, woraus letztlich folge, dass das Angebot der ASt wegen Nichtvorlage nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A und wegen einer verweigerten Auskunft nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen sei.

Mit Schreiben vom 14. August 2023 übermittelte die Ag auch der Bg eine Aufforderung zur Vorlage der Formblätter FB 223 und FB 236 bis zum 21. August 2023. Die Bg übermittelte diese Unterlagen der Ag fristgemäß und vollständig ausgefüllt auch in Bezug auf die Nachunternehmerleistungen. Die Ag hielt hierzu im Vergabevermerk fest, auch der Angebotspreis der Bg weiche von der Schätzung der Ag um […] ab, weshalb Zweifel an der Angemessenheit des Preises bestünden und gemäß Ziff. 5.3 der Richtlinien zu 321 VHB die Aufgliederung der Einheitspreise gemäß FB 223 auch von der Bg anzufordern gewesen sei. Die Prüfung des von der Bg fristgemäß eingereichten ausgefüllten FB 223 hätten keine Auffälligkeiten ergeben. die auf eine unangemessen niedrige Kalkulation hindeuteten. Weiterhin sei festzustellen, dass die Angebote der drei verbliebenen Bieter nicht mehr als +/- 10% von der mittleren Angebotssumme abwichen, so dass auch dieser Umstand den Rückschluss auf eine ordnungsgemäße Gesamtkalkulation zulasse. Die Bg und die von ihr eingesetzten Nachunternehmer seien zudem geeignet. Im Ergebnis werde empfohlen, der Bg den Zuschlag zu erteilen.

Mit Schreiben vom 4. September 2023 informierte die Ag die ASt über den an den Bieter […] beabsichtigten Zuschlag. Die Ag teilte ferner mit, das Angebot der ASt werde von der Wertung ausgeschlossen, weil “die nachgeforderte Aufgliederung der Einheitspreise im Formblatt 223 unvollständig ausgefüllt eingereicht wurde und es somit nicht die auftraggeberseitig geforderten Informationen enthielt, die zur Preisprüfung notwendig gewesen wären.”

Mit Schreiben vom 6. September 2023 rügte die ASt gegenüber der Ag den Ausschluss ihres Angebotes

“aus folgenden Gründen: Die mit Nachricht vom 11.07.2023 nachgeforderten Unterlagen wurden von […] am 14.07.2023 fristgerecht und vollständig nachgereicht. Darüber hinaus enthielt die Aufforderung vom 11.07.2023 keinen Hinweis, dass weitere Unterlagen/Informationen für eine Preisprüfung benötigt werden. (…)”

Die Ag half der Rüge der ASt nicht ab und wies sie mit Schreiben vom 13. September 2023 zurück. Die Ag führte darin aus, es sei bei der Prüfung des Angebots der ASt festgestellt worden, dass es erheblich von der Kostenschätzung der Ag und den Preisen anderer Angebote abweiche und daher möglicherweise ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis sei. Da auf ein solches Angebot nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A kein Zuschlag erteilt werden dürfe, sei im Hinblick auf die bei der Ag aufgekommenen Zweifel das ausgefüllter Formblatt 223 anzufordern gewesen. Die Ag sei aufgrund ihrer internen Richtlinien dazu angehalten gewesen. Dies sei vorgeschrieben bei Abweichungen des Angebotspreises in Höhe von zehn Prozent und mehr im Vergleich zur Preisermittlung des Auftraggebers. In einem solchen Fall sei von Zweifeln an der Angemessenheit niedriger Preise auszugehen. Die Ag habe sich dementsprechend in der Aufforderung zur Angebotsabgabe auch die Anforderung des Formblattes 223 vorbehalten, die hinsichtlich der ASt daher auch geboten gewesen und erfolgt sei. Zwar habe die ASt die Aufgliederung fristgemäß eingereicht, bei Prüfung der Vollständigkeit sei aber festzustellen gewesen, dass diese nicht alle geforderten Angaben enthalten habe, was zum Ausschluss des Angebots der ASt geführt habe. Die ASt habe im Formblatt 223 keine Angaben zum geforderten Zeitansatz sowie zu Lohn-, Material- Geräte- und sonstigen Kosten gemacht. Das Angebot der ASt sei ferner nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen gewesen, da die ASt binnen der von der Ag zur Nachreichung gesetzten Frist eine nur unvollständige Aufgliederung der Einheitspreise übermittelt habe. Vor diesem Hintergrund scheide eine weitere Nachforderung der fehlenden Angaben aus.

2. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 20. September 2023, eingegangen bei der Vergabekammer des Bundes und von dieser an die Ag übermittelt an demselben Tag, beantragt die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

a) Die ASt hält den Ausschluss ihres Angebots nach § 16 EU Abs. 4 S. 1 VOB/A bzw. § 15 EU Abs. 2 VOB/A für fehlerhaft. Für einen Ausschluss des Angebotes nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A fehle es an der zentralen Voraussetzung, dass die ASt die hier geforderte Unterlage des FB 223 nicht eingereicht habe. Das FB 223 sei von der ASt gerade eingereicht worden; eine körperlich vorhandene Unterlage könne nicht als fehlend deklariert und nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A ausgeschlossen werden. Entsprechendes habe die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur gleichlautenden Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV bereits entschieden. In jedem Fall sei die Ag vor einem Ausschluss des Angebots aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet gewesen, die ASt zu einer Vervollständigung aufzufordern. Dies folge aus den Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH vom 18. Juni 2019 (X ZR 86/17).

Auch ein Ausschluss nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A scheide aus. Die Vorschrift setze ein Aufklärungsverlangen voraus, die der betroffene Bieter unbeantwortet habe verstreichen lassen. Ein solches Aufklärungsverlangen seitens der Ag liege allerdings nicht vor. Das erstmalige Anfordern des FB 223 sei schon begrifflich kein Aufklärungsverlangen im Sinne von § 15 VOB/A-EU.

Auch nach § 16d EU Abs. 1 VOB/A dürfe das Angebot der ASt nicht ausgeschlossen werden. Nach dieser Vorschrift sei eine Aufklärung über die Ermittlung der Preise oder Kosten in Textform bei der ASt geboten gewesen, die aber nicht erfolgt sei. Der öffentliche Auftraggeber dürfe das Angebot nicht ohne eine solche Aufklärung unberücksichtigt lassen. Die Ag habe der ASt aber nicht einmal zu erkennen gegeben, die Angemessenheit des Angebotspreises der ASt prüfen zu wollen und der ASt auch keine Möglichkeit eingeräumt, eine etwaige Unangemessenheit des Angebotspreises zu widerlegen. Die Ag habe das nachgeforderte und nachgereichte Formblatt bereits in vorherigen Ausschreibungen eingereicht, ohne dass dies von der Ag beanstandet worden sei.

Schließlich trägt die ASt vor, die Preise ihrer Nachunternehmer hätten keiner Aufklärung durch die Ag unterliegen dürfen. Insofern seien deren Kosten aus deren Angeboten an den Bieter zu bestimmen. Die Nachunternehmerangebote seien, ohne dass es zum Auftragsfalle komme, für den Auftraggeber aber nur beschränkt aussagekräftig. Es sei daher ausreichend, wenn ein Bieter die in sein Angebot übernommenen Nachunternehmerpreise übernehme, ohne diese aufzuschlüsseln. Er könne im Rahmen der Preisaufklärung zudem nicht verpflichtet werden, die Urkalkulationen der Nachunternehmer offenzulegen. Die von der Ag bemängelten Positionen im FB 223 beträfen aber gerade allesamt Nachunternehmerleistungen. Eine weitere Aufgliederung dieser Nachunternehmerpreise sei gegenüber der Ag weder sinnvoll noch vergaberechtlich geboten gewesen. Die ASt habe zudem nunmehr im Nachprüfungsverfahren als Anlage 6 ein vollständig ausgefülltes FB 223 zur Akte des Nachprüfungsverfahrens eingereicht. Dies sei die Ag zu berücksichtigen verpflichtet, um ihrer Aufklärungspflicht gegenüber der ASt zu genügen. Ohne eine solche Aufklärung dürfe die Ag das Angebot der ASt nicht ausschließen.

Überdies befürchtet die ASt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da auch die Angebote der anderen Bieter deutlich von der Kostenschätzung der Ag abwichen. Die Ag müsse daher sicherstellen, auch insofern die Angemessenheit der Preise zu prüfen.

Hinsichtlich des nach § 134 GWB den unterlegenen Bietern mitzuteilenden Namens des Zuschlagsdestinatärs sei die Ag dieser Verpflichtung nicht hinreichend nachgekommen. Die Ag habe im Informationsschreiben nach § 134 GWB nur eine ersichtlich unvollständige Firma mitgeteilt.

Des Weiteren führt die ASt im Antragsschriftsatz vom 20. September 2023 (a.a.O., Seite 6) aus, die ASt habe das von ihr eingereichte Formblatt zur Aufgliederung der Einheitspreise in gleicher Weise bereits in vorherigen Ausschreibungen eingereicht, ohne dass die Ag dies beanstandet bzw. dies zu einem Ausschluss ihres Angebotes geführt gehabt habe. Sie hat hierauf in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen und ist der Ansicht, die Ag habe diesen Aspekt, da sie nicht widersprochen habe, zugestanden. Die ASt beteilige sich regelmäßig an Vergabeverfahren der Ag. Der ASt sei bekannt, dass die Ag das Formblatt 223 regelmäßig von allen Bietern abfordere, das die ASt sodann regelmäßig in einer wie auch in diesem Vergabeverfahren übermittelten ausgefüllten Fassung eingereicht habe, ohne dass die Ag daran Anstoß genommen und das Angebot der ASt ausgeschlossen habe. Bei Bedarf habe die Ag entsprechend bei der ASt nachgefragt bzw. entsprechende Vervollständigungen zu Aufgliederungen der Nachunternehmerleistungen verlangt.

Die ASt beantragt,

1. ein Nachprüfungsverfahren nach §§ 160 ff. GWB über die im Rubrum aufgeführte Ausschreibung der Ag einzuleiten und der Ag diesen Nachprüfungsantrag gemäß § 163 Abs. 2 S. 3 GWB zu übermitteln,

2. der Ag aufzugeben, das Angebot der ASt wieder in die Wertung aufzunehmen und über die Vergabe erneut zu entscheiden,

3. der ASt gemäß § 165 GWB Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,

4. der Ag die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der ASt aufzuerlegen, und

5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt für notwendig zu erklären.

b) Die Ag beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag mit allen Einzelanträgen abzuweisen,

2. der ASt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Ag für notwendig zu erklären.

Die Ag ist der Ansicht, das Angebot der ASt sei zu Recht nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A und § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen. Die ASt habe das von der Ag zu Recht angeforderte FB 223 nicht innerhalb der von der Ag gesetzten Frist vollständig eingereicht. Die ASt habe für den überwiegenden Teil der Positionen des Leistungsverzeichnisses keine Aufgliederung von Einheitspreisen vorgenommen, sondern den Einheitspreis mit den Material- bzw. Stoffkosten gleichgesetzt. Jedenfalls bei den Positionen, die eindeutig zu erbringende Arbeiten wie Installationen oder Demontagen beträfen, fehle eine solche Aufgliederung im von der ASt eingereichten ausgefüllten FB 223, da bei den entsprechenden Positionen notwendigerweise Lohnkosten anfielen, die aber nicht aufgegliedert worden seien. Das FB 223 der ASt sei somit nicht nur unvollständig, sondern damit nicht eingereicht worden.

Das FB 223 sei bei der ASt rechtmäßig angefordert worden. Die Ag habe sich die Anforderung in der Angebotsaufforderung ausdrücklich vorbehalten gehabt. Hintergrund der Anforderung seien erhebliche Abweichungen des Angebotspreises der ASt vom Schätzwert der Ag bzw. von den übrigen Angeboten gewesen, die nach den Richtlinien der Ag eine Preisaufklärung nach sich gezogen habe, wonach die Aufgliederung der Einheitspreise anzufordern gewesen sei, was danach auch bei der ASt erfolgt sei. Die im Hinblick auf § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A anerkannten und in den Verwaltungsrichtlinien der Ag zugrunde gelegten Aufgreifschwellen von mindestens 10% Abstand zwischen dem hier betroffenen Angebot der ASt und der Schätzung der Ag bzw. den anderen Angebotspreisen sei erreicht gewesen.

Die Vorlage der aufgegliederten Einheitspreise sei der ASt auch zuzumuten gewesen. Dies gelte unabhängig davon, ob die ASt entsprechende LV-Positionen selbst oder durch Nachunternehmer ausführen lassen wolle. Die ASt habe sich bereits nicht darauf berufen, dass ihr Angaben für ihre Nachunternehmer unmöglich bzw. nicht zumutbar seien. Überdies sei die entsprechende Maßgabe bereits mit den Vergabeunterlagen, nämlich im damit zur Verfügung gestellten Formular 223, dort in der Fußnote 2, klar und unmissverständlich vorgegeben worden. Diese Maßgabe habe die ASt rügelos akzeptiert. Die Ag habe der ASt zudem eine angemessene Frist zur Einreichung des ausgefüllten FB 223 gegeben; die mit Schreiben der Ag vom 11. Juli 2023 der ASt bis zum 17. Juli 2023 gesetzte Frist habe die ASt mit ihrer Antwort vom 14. Juli 2023 sogar noch unterschritten.

Soweit die ASt meine, die Ag hätte das FB 223 nur mit einem expliziten Hinweis auf die anstehende Angemessenheitsprüfung des Preises der ASt verknüpft anfordern dürfen, gehe die ASt fehl. § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A setze nicht voraus, dass der Auftraggeber darlege, warum eine Unterlage angefordert werde. Bei dem FB 223 zur Aufgliederung der Einheitspreise sei einem fachkundigen Unternehmen wie der ASt überdies ohnehin klar, dass sich die über die Zusammensetzung der Einheitspreise nach den im entsprechenden Formblatt genannten Kategorien informieren wolle, mithin über die Preisbestandteile der Einheitspreise. Das FB 223 solle eine Prüfung ermöglichen, die über die mit dem Angebot eingereichten FB 221 bzw. 222 hinausgingen. Die ASt habe aus dem übermittelten Submissionsspiegel außerdem gewusst, bestplatziert zu sein und die deutlichen Abstände zwischen den eingegangenen Angeboten erkennen können. Als erfahrener Bieterin habe ihr somit klar sein müssen, dass die Ag zu einer Prüfung der Angemessenheit der Preise gehalten sei.

Eine nochmalige Nachforderung gegenüber der ASt komme nicht in Betracht. Die Ag habe sich im Anforderungsschreiben bereits klar positioniert und eine weitere Nachforderung bei Unvollständigkeit ausgeschlossen. Soweit die ASt meine, die Ag habe entgegen § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VOB/A die Angemessenheitsprüfung nicht in Rücksprache mit dem Bieter durchgeführt, gehe sie fehl. Die Maßgabe bezwecke jedenfalls nicht, eine unvollständige Aufklärungsantwort eines Bieters auf ein insofern zuvor eindeutig gestelltes Aufklärungsverlangen durch weitere Nachforderungen zu vervollständigen. Dadurch solle nur ermöglicht werden, dass der Auftraggeber die Plausibilität einer vollständigen Preisaufklärung ggf. gemeinsam mit dem Bieter aufzuklären habe. Die ASt habe hier allerdings das von ihr eingereichte FB 223 unvollständig ausgefüllt, weil sie für weite Bereiche gar keine Aufgliederung der benannten Einheitspreise in die verschiedenen Kategorien angegeben habe. Dies betreffe insbesondere die Bereiche, in denen notwendigerweise Lohnkosten anfielen, zu denen die ASt in weiten Teilen nur Material- bzw. Stoffkosten eingetragen habe.

Nach allem komme der Ausschluss auch nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A in Betracht, da das von der ASt eingereichte unvollständig ausgefüllte FB 223 zugleich eine Verweigerung der Aufklärung sei. Die Angaben seien für die erforderliche Prüfung der Angemessenheit des Preises der ASt nicht verwertbar.

Der Zuschlag dürfe an die ASt zudem auch gem. § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A nicht ergehen. Der Preis erscheine unangemessen niedrig, ohne dass dies aber zufriedenstellend nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A habe aufgeklärt werden können.

Soweit die ASt bemängelt habe, die Ag habe im Vorabinformationsschreiben nach § 134 GWB die Firma der Bg nicht korrekt benannt, habe die ASt diesen Umstand zu spät gerügt. Die ASt habe bereits in ihrem Rügeschreiben vom 6. September 2023 die Bg, wenn auch unvollständig, benannt, ohne aber die Unvollständigkeit zu beanstanden. Die Unvollständigkeit der Angabe im Absageschreiben der Ag sei der ASt somit bekannt gewesen; sie habe davor mutwillig die Augen verschlossen. Überdies habe die ASt einen Nachprüfungsantrag stellen können und sei durch die unvollständige Benennung der Bg nicht in ihrem Recht auf primären Vergaberechtsschutz beschnitten worden. Daher könne ihrem Antrag insofern auch in der Sache kein Erfolg beschieden sein.

Soweit die ASt sich darauf berufe, die Ag habe eine Verwaltungspraxis zugestanden, wonach die Ag bereits in vergangenen Vergabeverfahren das Formblatt zur Aufgliederung der Einheitspreise in einer Weise akzeptiert, hat die Ag in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, der Vortrag der ASt sei insofern wegen Verstoßes gegen den Beschleunigungsgrundsatz unbeachtlich. Die im Nachprüfungsantrag enthaltene Äußerung der ASt, die ASt habe schon in anderen Vergabeverfahren das nachgereichte Formblatt 223 in selbiger Weise wie im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren eingereicht, habe die Ag dahin verstanden, dass die ASt die von ihr selbst erstellte Fassung des Formblattes schon immer bei entsprechenden Einreichungen verwendet habe. Dass die ASt damit auf eine entsprechende Verwaltungspraxis der Ag habe rekurrieren wollen, wonach angeblich nicht vollständig ausgefüllte Formblätter 223 nicht zum Angebotsausschluss führten, gehe aus dem Nachprüfungsantrag nicht hervor. Auch habe die ASt diesen Vortrag nicht substantiiert.

Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag sei erforderlich. Die Ag unterhalte zwar ein Justitiariat, allerdings sei es ihr zuzubilligen, sich in einem gerichtsförmlichen Nachprüfungsverfahren anwaltlich vertreten zu lassen, hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit mit der anwaltlich vertretenen ASt.

3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte erteilt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach Abs. 165 Abs. 2 GWB nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer in elektronischer Form vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.

Die mündliche Verhandlung hat am 5. Oktober 2023 stattgefunden.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags begegnet keinen Bedenken. Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 155, 106 Abs. 1 GWB, ein der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnender öffentlicher Auftrag mit einem oberhalb der für die europaweite Vergabe angesiedelten Auftragsschwellenwert, sind eindeutig erfüllt und bedürfen vor diesem Hintergrund keiner näheren Darlegung. Die Antragsbefugnis, § 160 Abs. 2 GWB, ist in Bezug auf die ASt als Teilnehmerin am Wettbewerb ebenfalls erfüllt. Ihren Ausschluss, der am 4. September 2023 kommuniziert wurde, hat die ASt am 6. September 2023 und damit binnen der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt, so dass das Nachprüfungsverfahren auch unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung der Rügeobliegenheit eröffnet ist.

2. Das Angebot der ASt ist jedoch zu Recht nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A ausgeschlossen worden, so dass der Nachprüfungsantrag unbegründet ist.

a) Die Ag hat sich in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Anforderung des Formblatts 223 nach Angebotsabgabe vorbehalten.

Dieser Vorbehalt ist wirksam. Dass laut Fußnote 2 des Formblatts eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch in Bezug auf diejenigen Teilleistungen vorzunehmen ist, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind, macht die Anforderung nicht etwa unverhältnismäßig und damit möglicherweise unwirksam. Zwar ist es mit Aufwand für Bieter wie Nachunternehmer verbunden, die Einheitspreise des Angebots aufschlüsseln zu müssen; denkbar sind Fälle, in denen ein Bieter bei seinen Nachunternehmern aufgrund des Aufwands auf Schwierigkeiten stoßen könnte, eine entsprechende Zuarbeit zu erhalten. Der Bieter muss jedoch auch vergaberechtlich dem Auftraggeber gegenüber für seinen Nachunternehmer einstehen, denn nur der Bieter selbst befindet sich in einem Vertragsanbahnungsverhältnis zum Auftraggeber, nicht der Nachunternehmer. Wenn ein Bieter Nachunternehmer in die Auftragsausführung einzubinden beabsichtigt, so hat der Auftraggeber mangels einer direkten Beziehung zum Nachunternehmer keine Möglichkeit, bei diesem eine Preisaufklärung über das Formblatt 223 für dessen Teilleistungen einzufordern; die Nachunternehmerleistung ist vielmehr der Sphäre des Bieters zuzurechnen. Es ist auch davon auszugehen, dass der Nachunternehmer seinerseits ein wirtschaftliches Interesse hat, die Zuarbeit zu leisten, da der Erhalt des Nachunternehmerauftrags von der Zuschlagserteilung an den Bieter abhängig ist. Wird das Angebot wegen unvollständiger Ausfüllung des Formblatts 223 ausgeschlossen, so geht auch der Nachunternehmer leer aus. Den mit der Ausfüllung des Formblatts 223 verbundenen Aufwand hält die Ag so gering wie möglich, indem lediglich der für den Zuschlag vorgesehene Bieter die Aufschlüsselung der Einheitspreise auf konkrete Anforderung beizubringen hat; genau so ist sie hier vorgegangen, eine standardmäßige Abforderung dieses Formblatts schon mit Angebotsabgabe ist gerade nicht gefordert. Ganz abgesehen davon, dass die ASt keine Probleme mit einer fristgerechten Erlangung der Angaben durch die Nachunternehmer geltend gemacht hat, weder der Ag gegenüber im Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren, ist die im Formblatt 223 geforderte Einheitspreisaufschlüsselung auch bezüglich Nachunternehmerleistungen wirksam (zur Zumutbarkeit einer Preisaufschlüsselung im Formblatt 223 auch bezüglich Nachunternehmerleistungen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021 – Verg 13/21).

b) Die Anforderung bei der ASt war nicht willkürlich, sondern erfolgte ebenfalls zulässigerweise. Da die ASt das Angebot mit dem niedrigsten Preis abgegeben hatte und dieser sowohl deutlich unter der Auftragswertschätzung der Ag lag als auch unter dem nachfolgenden Angebot, ist die Ag zu Recht davon ausgegangen, dass eine Preisprüfung nach § 16d EU Abs. 1 VOB/A erforderlich ist. Dieser rechtlichen Verpflichtung ist die Ag nachgekommen, indem sie von der ASt als Bestbieterin das Formblatt 223 anforderte, um die nötigen Daten für die materielle Preisprüfung zu erhalten. Die Ausübung der in der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorbehaltenen Anforderung des Formblatts 223 war damit sachlich indiziert bzw. notwendig, die Frist war angemessen und seitens der ASt unbeanstandet.

Die Anforderung wurde nicht etwa deswegen unwirksam oder in anderer Weise unbeachtlich für die ASt, weil die Ag im Rahmen der Anforderung das Stichwort “Preisprüfung” nicht explizit als Motivation für die Anforderung erwähnt hat. Fraglich ist schon im Ansatz, ob es rechtlich gefordert ist, einen Grund anzuführen, wenn ein Auftraggeber Angaben anfordert, deren Anforderung er sich in der Angebotsaufforderung vorbehalten hatte. Aus fachkundiger Bietersicht, und die ASt als erfahrene Teilnehmerin an Vergabeverfahren prägt diesen relevanten Horizont mit, war hier auch ohne Nennung des Begriffs Preisprüfung deutlich, dass das Anfordern des Formblattes 223 zu diesem Zweck erfolgte. Die Ag hatte im Anforderungsschreiben angeführt, dass das Angebot der ASt für den Zuschlag in Betracht käme; daraus ergibt sich, dass die Ag vor Zuschlagserteilung noch eine preisliche Prüfung anhand der Preisaufschlüsselung im Formblatt 223 vorzunehmen beabsichtigte.

c) Unstreitig ist, dass die ASt das Formblatt 223 zwar fristgemäß, jedoch in weiten Teilen unausgefüllt eingereicht hat. Die Formularspalten “Zeitansatz/Stunden, Löhne, Geräte, Sonstiges” wurden nicht ausgefüllt, soweit die ASt eine Leistungserbringung mit Nachunternehmern vorgesehen hat. Das Formblatt 223 fordert aber in seiner Fußnote 2 ausdrücklich, dass die Angaben auch in Bezug auf Teilleistungen vorzunehmen sind, die durch Nachunternehmer erbracht werden sollen. Von den insgesamt 25 eingereichten Seiten wurden ca. 20,5 Seiten diesbezüglich nicht ausgefüllt. Das eingereichte Formular ist mithin in weiten Teilen unvollständig.

Infolge der Nicht-Eintragung der geforderten Angaben bzw. Erklärungen fehlen diese i.S.v. § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A, denn ein Fehlen ist nicht nur dann gegeben, wenn ein gefordertes Dokument, hier das Formblatt 223, in Gänze nicht eingereicht wird, sondern auch im Falle von nicht vollständig vorgenommenen Eintragungen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021, a.a.O.). Nicht das gesamte Formblatt 223 ist die abzugebende Erklärung, sondern dieses besteht aus einer Vielzahl einzutragender Einzelerklärungen. Soweit die ASt auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 18. September 2019 zum Aktenzeichen Verg 10/19 Bezug nimmt und daraus ableitet, lediglich unvollständige Erklärungen fielen nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 16 Nr. 4 S. 1 S. 1 VOB/A, so ist der dortige Sachverhalt ein anderer als vorliegend. In der Entscheidung vom 18. September 2019 ging es anders als vorliegend nicht um ein auszufüllendes Formular, sondern um eine Darlegung in Form eines Fließtextes, in welchen der betroffene Bieter auf einen Gebäudereinigungsauftrag darzulegen hatte, mit welchen besonderen Methoden der Durchführung der Reinigungsdienstleistung Einsparpotentiale generiert werden sollten. Thema dieser Entscheidung war nicht eine unvollständige, sondern eine vollständige, inhaltlich aber – vermeintlich – unzureichende Erklärung. Die Entscheidung beinhaltet keine Aussage dahin, dass ein unvollständig ausgefülltes Formblatt 223 nicht unter den Ausschlusstatbestand des § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A fällt.

Aufgrund des Umfangs der fehlenden Einzelangaben gibt es vorliegend keinen Anlass, darüber zu entscheiden, ob eine geringfügige Auslassung möglicherweise dazu führen könnte, von einem Angebotsausschluss absehen zu können. Eine solche Fallgestaltung liegt nicht vor.

d) Eine Nachforderung der unterbliebenen Angaben kommt nicht in Betracht. Die Nachforderungsmöglichkeit ist nur eröffnet in Bezug auf Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind, denn im Rahmen der Angebotserstellung stehen die Bieterunternehmen regelmäßig unter hohem Zeitdruck, so dass typischerweise versäumt werden kann, alle geforderten Unterlagen und Erklärungen mit dem Angebot einzureichen. Eine Situation erhöhten Zeitdrucks besteht indes nicht mehr, wenn der Auftraggeber erst nach Angebotsabgabe Erklärungen anfordert (grundlegend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 – Verg 37/14). Dieser Rechtsgedanke hat Eingang gefunden in die vergaberechtlichen Vorschriften, hier in § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A, wonach es keine Nachforderung gibt, wenn die Erklärungen erst auf gesondertes Anfordern nach Angebotsabgabe einzureichen sind. Ebenso wenig kommt eine Aufklärung nach § 15 EU Abs. 3 VOB/A in Betracht, denn um den Fehler zu heilen, müsste das Formblatt 223 ergänzt werden um die fehlenden Preisangaben. Eine Vervollständigung einer unvollständigen Preisaufschlüsselung geht über eine bloße Aufklärung hinaus.

3. Neben § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A ist der Ausschluss des Angebots der ASt auch nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A erforderlich, wonach ein Angebot u.a. dann auszuschließen ist, wenn ein Bieter geforderte Angaben nicht binnen der hierfür gesetzten angemessenen Frist erteilt. Aus obigen Darlegungen (sub II.2.) ergibt sich zwanglos, dass diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen zu verweisen ist (zu § 15 EU Abs. 2 VOB/A ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021, a.a.O.).

4. Dem Ausschluss des Angebots der ASt stehen keine Vertrauensschutzgesichtspunkte infolge einer etwaigen anderen Verwaltungspraxis in der Vergangenheit entgegen. Das Vorhandensein einer derartigen bisherigen Praxis der Ag hat die ASt nicht dargelegt. Die ASt hat hierzu lediglich pauschal und ohne hieraus rechtliche Folgen zu benennen in ihrem Nachprüfungsantrag vorgetragen, dass das nachgereichte Formblatt “in selbiger Weise in vorherigen Ausschreibungen eingereicht” worden sei, ohne dass dies jemals von der Ag beanstandet worden sei, geschweige denn zu einem Ausschluss des Angebots der ASt geführt habe. Auf diesen Passus hat die ASt sich in der mündlichen Verhandlung berufen und sinngemäß geltend gemacht, dass daher auch im vorliegenden Vergabeverfahren kein Ausschluss vorgenommen werden dürfe.

Hier stellt sich abgesehen von der Frage nach der materiellen Berechtigung dieses Vortrags das formelle Problem, dass die Ag ihr beabsichtigtes Vorgehen in Fällen, in denen auf Anforderung nach Angebotsabgabe Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht werden, der ASt gegenüber schon bei Anforderung des Formblattes 223 unmissverständlich transparent gemacht hatte. Die Ag wies nämlich in dem Schreiben an die ASt vom 11. Juli 2023, mit dem das Formblatt 223 angefordert wurde, darauf hin, dass das Angebot ausgeschlossen werde, wenn die angeforderten Unterlagen “nicht vollständig innerhalb der Frist vorgelegt” würden; es werde keine Nachforderung erfolgen. Auch wenn man zugunsten der ASt unterstellt, dass hier mangels Beschwer der ASt zu diesem Zeitpunkt – sie hatte noch kein unvollständiges Formblatt 223 eingereicht, ihr Angebot war noch nicht ausgeschlossen worden – noch keine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 1 GWB bestand, so hätte die ASt den ihres Erachtens gegebenen Aspekt einer entgegenstehenden Verwaltungspraxis in der Vergangenheit in der gegen ihren Angebotsausschluss gerichteten Rüge adressieren müssen. Da dies nicht geschehen ist, kam die Ag weder auf die Idee noch musste sie auf die Idee kommen, dass die ASt sich auf eine entgegenstehende Praxis berufen könnte, und war damit auch nicht in der Lage, sich in Aufarbeitung der Rüge mit diesem Punkt auseinanderzusetzen.

Der Vortrag der ASt ist zudem nicht substantiiert. Wenn – was schon im Ansatz problematisch wäre – ein Angebot, das nach den vergaberechtlichen Vorschriften zwingend ausgeschlossen werden muss, aus Gründen des Vertrauensschutzes doch in der Wertung verbleiben soll, so könnte es sich nur um einen ganz besonderen Ausnahmefall handeln. Wenn die ASt meint, dem Ausschluss stehe hier eine bisherige andere Verwaltungspraxis entgegen, so wäre die Benennung und Darlegung konkreter Vergabeverfahren erforderlich gewesen, in denen bei einer gleichgelagerten Konstellation kein Ausschluss vorgenommen wurde. Der Vergabekammer sind Grenzen bezüglich der Überprüfbarkeit von anderen, abgeschlossenen und in der Vergangenheit liegenden Vergabeverfahren gesetzt. Konkrete Vergabeverfahren hat die ASt aber auch in der mündlichen Verhandlung nicht benannt. Eine telefonische Rückfrage des Verfahrensbevollmächtigten der Ag in einer Verhandlungspause im Justitiariat der Ag erbrachte jedenfalls spontan keine Erkenntnis dahin, dass es eine solche abweichende Verwaltungspraxis gegeben hätte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1, 2 und 5 sowie Abs. 4 S. 1, 3 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 VwVfG (Bund). Danach hat die ASt als unterliegende Partei die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) zu tragen. Gleiches gilt für die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag. Die Bg ist nicht als mit der Ag obsiegende Partei anzusehen, denn sie hat sich nicht am Nachprüfungsverfahren beteiligt und damit auch kein Kostenrisiko auf sich genommen. Folglich hat sie ihre Aufwendungen selbst zu tragen.

Die Hinzuziehung des anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Ag war notwendig. Zwar ging es inhaltlich lediglich um eine nicht besonders schwierige oder komplexe materielle Rechtsfrage, der Ausschlussbedürftigkeit des Angebots der ASt infolge unvollständiger Angaben im nach Angebotsabgabe angeforderten Formblatt 223. Mit dieser Rechtsfrage musste die Ag schon im Vergabeverfahren umgehen. Es ergaben sich jedoch ungewöhnliche verfahrensrechtliche Fragestellungen, indem die ASt in der mündlichen Verhandlung überraschend den Vertrauensschutzaspekt angeführt hat. Hierauf war durch die Ag spontan prozessual zu reagieren, indem verspätetes Vorbringen geltend gemacht wurde. Angesichts dieser prozessualen Besonderheit, die für die Notwendigkeit der Anwaltshinzuziehung spricht, gibt die prozessuale Waffengleichheit den letztendlichen Ausschlag, denn auch die ASt war im Nachprüfungsverfahren anwaltlich vertreten.

IV.

(…)