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OLG Hamm zu der Frage der von der Regelung der DIN ausgehende Vermutungswirkung

OLG Hamm zu der Frage der von der Regelung der DIN ausgehende Vermutungswirkung

1. Die Außenwandabdichtung mittels Kombinationslösung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung entspricht für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – trotz Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik.

2. Die von der Regelung der vorgenannten DIN ausgehende Vermutungswirkung sieht der Senat – insbesondere aufgrund der Vielzahl an aufgetretenen Schadensfällen – als widerlegt an.

OLG Hamm, Urteil vom 14.08.2019 – 12 U 73/18

Gründe

A.

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten u.a. Zahlung eines Vorschusses für die Beseitigung der Mängel, die dazu geführt haben, dass der Keller ihres neu errichteten Hauses feucht ist.

Mit notariellem Bauträgerkaufvertrag vom 11.05.2012 erwarben die Klägerinnen von der Beklagten das später so bezeichnete Hausgrundstück X-Straße 10. Die Beklagte verpflichtete sich, auf diesem Grundstück ein Wohnhaus (Doppelhaushälfte) zu errichten.

Der notarielle Kaufvertrag enthält unter § 4 Regelungen zur Bauverpflichtung der Beklagten. Folgendes ist dort u.a. geregelt: “Der Verkäufer verpflichtet sich, das Vertragsobjekt nach der Baubeschreibung und den Exposéplänen herzustellen. (…) Die Baubeschreibung nebst Flächen- und Kubaturberechnung sind als Anlagen 3 und 4 als wesentlicher Bestandteil der heutigen Vereinbarung dieser Niederschrift beigefügt (…).”

§ 2 des notariellen Vertrages regelt Rechte und Ansprüche des Käufers bei Mängeln und enthält unter Ziff. 3. folgenden Passus: “Hinsichtlich des Gebäudes gilt das werkvertragliche Leistungs-Störungsrecht des BGB (…).”

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 11.05.2012 des Notars Y, UR 126/2012, Anlage K1, Bl. 8 ff. d.A., verwiesen.

Nach der durch notariellen Vertrag in Bezug genommenen Baubeschreibung war u.a. in Ziff. 1.7 eine senkrechte Isolierung gemäß DIN 18195, Teil 6, gegen zeitweise aufstauendes Wasser vorgesehen. Der für die Beklagte tätige Architekt Dipl.-Ing. D, der im vorliegenden Rechtsstreit Streitverkündete zu 3.), sah eine Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung an den Kelleraußenwänden vor, die auch so ausgeführt wurde.

Die Beklagte beauftragte u.a. die Streithelferinnen zu 1.) und zu 2.) mit der Ausführung der Bauleistungen, die in der Zeit vom 04.07. bis 06.07.2013 die Bauwerksaußenabdichtung herstellten.

Das fertiggestellte Gebäude wurde den Klägerinnen am 15.07.2013 übergeben; der Einzug erfolgte im September 2013. Die Eigentumsumschreibung auf die Klägerinnen zu je ½ fand statt.

Anfang Juni 2014 stellten die Klägerinnen fest, dass in zwei Kellerräume des Hauses Nässe eingedrungen war.

Mit an den Geschäftsführer der Beklagten gerichteter Email vom 10.07.2014 wies die Klägerin zu 1.) auf den Wasserschaden hin und bat um schnellstmögliche Klärung (Anlage K2, Bl. 27 d.A.).

Am 16.07.2014 fand ein Ortstermin in den betroffenen Kellerräumen statt, an dem u.a. die Klägerinnen, der Geschäftsführer der Streithelferin zu 2.) und ein Mitarbeiter der Streithelferin zu 1.) teilnahmen. Die Feuchtigkeitsschäden wurden von den Beteiligten gesichtet, ohne eine Bauteilöffnung vorzunehmen.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.07.2014 setzten die Klägerinnen der Beklagten eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 16.08.2014 (Anlage K15, Bl. 105 d.A.).

Mit Schreiben vom 18.07.2014 (Anlage K17, Bl. 106 d.A.) wies die Streithelferin zu 1.) darauf hin, dass eine Bauteilöffnung zwar möglich, aber aufwändig und langwierig sei und schlug vor, ohne vorhergehende Bauteilöffnung eine Kellerwandinnensanierung nach dem sog. INTRASIT-System durchzuführen. Die Beklagte schloss sich dem von der Streithelferin zu 1.) unterbreiteten Sanierungsvorschlag an und setzte die Klägerinnen hiervon in Kenntnis.

Die Klägerinnen beauftragten sodann, da sie dem von der Beklagten unterbreiteten Sanierungsvorschlag kein Vertrauen schenkten, einen Sachverständigen der DEKRA, Herrn Dipl.-Ing. T, mit der Begutachtung des Schadens und der Überprüfung der von der Beklagten vorgeschlagenen Sanierungsmethode. Die Klägerinnen setzten die Beklagte über die Beauftragung des Sachverständigen in Kenntnis.

Der Sachverständige T teilte den Klägerinnen mit Schreiben vom 25.07.2014 (Anlage K3, Bl. 28 f. d.A.) nach Durchführung eines Ortstermins mit, dass er von dem vorgeschlagenen Sanierungssystem mittels INTRASIT-Methode abrate, da diese Maßnahme nicht die Ursache, nämlich die schadhafte Abdichtung erdberührter Bauteile, sondern nur das Symptom des Mangels beseitige und somit nicht zu einer fachgerechten Beseitigung des Mangels führen könne. Weiter teilte der Sachverständige mit, dass aus seiner Sicht eine Freilegung der betroffenen Außenwandbereiche unumgänglich sei. Der Sachverständige schlug den Klägerinnen vor, die betroffene Außenwand freizulegen, um die Schadensstelle zu lokalisieren, und einen entsprechenden Sanierungsvorschlag mit den Beteiligten abzustimmen. Für die Erstellung des Gutachtens stellte der Sachverständige T den Klägerinnen unter dem 26.08.2014 einen Betrag von 440,30 Euro in Rechnung (Anlage K8, Bl. 38 d.A.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.07.2014 teilten die Klägerinnen der Beklagten mit, dass die vorgeschlagene Kellerwandinnensanierung die Ursache für die Nässeschäden nicht beseitigen könne, und wiesen darauf hin, dass die Ursache der Schäden durch Freilegen der Abdichtung von außen ermittelt werden müsse (Anlage K18, Bl. 107 d.A.).

In der Folgezeit verhandelten die Parteien darüber, ob und in welcher Weise eine Bauteilöffnung vorgenommen werden sollte. Es wurde Einigkeit darüber erzielt, den Estrich in Teilbereichen zu entfernen.

Am 18.09.2014 fand ein Ortstermin in den Kellerräumen der Klägerin statt, an dem neben den Klägerinnen der Geschäftsführer der Beklagten, der Geschäftsführer der Streithelferin zu 2.) und der DEKRA-Sachverständige Dipl.-Ing. T teilnahmen. Dabei wurde in einem der Kellerräume in Bodenhöhe der Kelleraußenecke der Estrich teilweise entfernt und festgestellt, dass der Feuchtigkeitsschaden über die Kelleraußenwand entstanden sein musste.

Mit Schreiben vom 26.09.2014 (Anlage B2, Bl. 71 d.A.) empfahl die Streithelferin zu 1.), bezugnehmend auf die Ergebnisse des vorgenannten Ortstermins, nochmals eine Kellerwandinnensanierung nach dem INTRA-SIT-System, wobei nicht nur die betroffene Ecke, sondern auch die daneben liegenden Steine, also mindestens drei Steine je Seite, behandelt werden sollten.

Der DEKRA-Sachverständige T stellte den Klägerinnen unter dem 29.10.2014 für seine weitere Tätigkeit einen Betrag von 440,30 Euro in Rechnung (Anlage K9, Bl. 40 f. d.A.).

Mit Schreiben vom 01.12.2014 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, dass an der vorgeschlagenen Kellerwandinnensanierung festgehalten werde und keine Veranlassung für darüber hinaus gehende Arbeiten bestehe (Anlage K5, Bl. 32 f. d.A.).

Daraufhin beantragten die Klägerinnen im Januar 2015 beim Landgericht Bochum (Beiakte I- 2 OH 4/15) die Einleitung eines – inzwischen abgeschlossenen – selbstständigen Beweisverfahrens.

Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. U erstattete am 28.01.2016 ein schriftliches Sachverständigengutachten, das er am 12.10.2016 und 27.04.2017 jeweils schriftlich ergänzte.

Der Sachverständige stellte fest, dass von außen Feuchtigkeit in die Kellerräume eintrete und die geplante und ausgeführte Art der Abdichtung grundsätzlich für den hier vorliegenden Wasserlastfall “aufstauendes Sickerwasser” (und auch den Wasserlastfall “Bodenfeuchte”) nicht geeignet sei, eine Abdichtung nach den anerkannten Regeln der Technik herzustellen. Da bereits die Planung der Abdichtung mangelhaft sei, habe er die ausgeführte Abdichtung nicht weiter auf Ausführungsmängel untersucht.

Zwar könne die DIN 18195 (“Bauwerksabdichtungen”) in der Fassung ab 2010 dahingehend interpretiert werden, dass die geplante und ausgeführte Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall “aufstauendes Sickerwasser” – abweichend von der bis zum Jahre 2010 geltenden Fassung der DIN 18195 – zulässig wäre. Die Änderungen seien aber durch den Normenausschuss der DIN 18195 vorgenommen worden, obwohl den Mitgliedern das Ergebnis einer im Jahre 2009 durchgeführten Befragung unter allen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der BRD für die Fachgebiete “Mängel und Schäden in und an Gebäuden”, “Schäden an Gebäuden” und “Bauwerksabdichtungen” bekannt gewesen sei. Die Befragung habe ergeben, dass die Sachverständigen mit großer Mehrheit aufgrund einschlägiger Erfahrungen bestimmt hätten, dass es sich bei der streitgegenständlichen Art der Abdichtung um eine für die beiden höheren Wasserlastfälle nicht geeignete Bauweise handelt. Die Zulassung der streitgegenständlichen Art der Abdichtung sei also in DIN 18195 eingeführt worden in dem Wissen, dass die große Mehrheit der zuvor erwähnten Sachverständigen sie als mangelhaft bezeichnet habe, so dass die DIN 18195 insoweit keine allgemein anerkannte Regel der Technik darstellen könne. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Normenausschüsse, die die DIN-Normen verfassten, oftmals nicht mehr paritätisch besetzt seien, sondern von einschlägigen Interessenvertretern dominiert würden.

Auch er – der Sachverständige – halte die geplante und ausgeführte Kombinationslösung aufgrund seiner gesammelten Berufserfahrung für mangelhaft. Er selbst habe mit dem streitgegenständlichen Fall vergleichbare Schadensfälle in den letzten Jahren extrem häufig begutachtet. Das geplante und ausgeführte Abdichtungssystem sei für die allermeisten Fälle von eindringendem Wasser in das Innere von Bauwerken in deren erdberührten Bereichen verantwortlich.

Der Sachverständige stellte weiter fest, dass eine wirksame Abdichtung nur durch das Einbringen eines Gelschleiers aus dem Innenbereich heraus zwischen Kelleraußenwand und Erdreich erreicht werden könne. Hierbei würden die Außenwände und auch die Stahlbetonbodenplatte durchbohrt und ins Erdreich Gel verbracht, wobei das Erdreich als Stützgerüst diene. Die Kosten hierfür bezifferte der Sachverständige auf 85.705,29 Euro.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Gutachten verwiesen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.03.2016 setzten die Klägerinnen der Beklagten eine Frist zur Mangelbeseitigung unter Durchführung derjenigen Maßnahmen, die der Sachverständige U in seinem Gutachten vorgeschlagen hat, bis zum 20.04.2016. Die Beklagte ließ diese Frist fruchtlos verstreichen.

Im Juli 2017 wurde die DIN 18195-6 durch die – betreffend die hier streitgegenständliche Abdichtungsmethode inhaltsgleiche – DIN 18533-3 bestätigt.

Die Klägerinnen haben behauptet, dass die von der Beklagten vorgeschlagene Maßnahme, die Kellerwandinnensanierung, nicht zu einer fachgerechten und dauerhaften Beseitigung des Mangels führen könne. Vielmehr komme, wie der Sachverständige Dipl.-Ing. U festgestellt habe, für eine fachgerechte Mangelbeseitigung nur der Einbau eines Gelschleiers aus dem Innenbereich vor die erdberührten Teile über die gesamte Kellerfläche in Frage.

Die Klägerinnen waren der Ansicht, dass die Frage, ob die Planung und Ausführung der Abdichtung den anerkannten Regeln der Technik entspreche, nur zweitrangig von Bedeutung sei, da das Werk schon deshalb mangelhaft sei, weil die Abdichtung nicht den ihr zugedachten Zweck erfülle.

Die Klägerinnen waren weiter der Auffassung, dass ihnen gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 85.705,29 Euro netto zustehe. Zudem haben die Klägerinnen Erstattung der aufgewandten Kosten für die beiden durch den DEKRA-Sachverständigen Dipl.-Ing. T erstellten Gutachten in Höhe von 880,60 Euro, der Kosten der Beratung eines im Dezember 2013 beauftragten Gebäudeenergie- und Umweltberaters in Höhe von 107,10 Euro sowie der Kosten für die im Juni 2013 (für 297,50 Euro) und im September 2014 (für 139,00 Euro) – unstreitig – angeschafften elektronischen Luftentfeuchter verlangt. Schließlich haben die Klägerinnen – erstinstanzlich – Schadensersatz für die entgangene Nutzung der feuchten Kellerräume in Höhe von 4.800,00 Euro begehrt.

Die Klägerinnen haben erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 91.929,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.09.2017 zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen als Gesamtgläubiger alle über den Betrag von 91.929,49 Euro hinausgehenden Schäden zu ersetzen, der den Klägerinnen durch die fehlerhafte Abdichtung des Gebäudes X-Straße 10, C künftig noch entsteht.

Die Beklagte und die Streithelferinnen haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass die geplante und ausgeführte Art der Außenabdichtung den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Dies folge bereits daraus, dass die verwendete Kombinationsabdichtung für den hier vorliegenden Wasserlastfall – unstreitig – den Vorgaben der DIN 18195 und der seit Juni 2017 geltenden Nachfolgenorm DIN 18533 entspreche. Die gegenteilige Feststellung des Sachverständigen U, dass die geplante und ausgeführte Abdichtung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche, sei nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit sich der Sachverständige zur Begründung auf eine von ihm selbst durchgeführte Umfrage berufe, habe er keinerlei Angaben zu den Einzelheiten der Befragung und der Ermittlung des konkreten Ergebnisses gemacht. Im Übrigen habe sich der Sachverständige U auch nicht hinreichend mit der bereits im selbstständigen Beweisverfahren vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Dipl.-Ing. K auseinandergesetzt, wonach die geplante und ausgeführte Bauweise dem Stand der Technik entspreche und sich langjährig bewährt habe. Eine hiervon abweichende Feststellung könne im Übrigen nicht auf Grundlage der Beurteilung eines Sachverständigen, sondern nur durch eine Befragung der beteiligten Fachkreise und Bausachverständigen erfolgen.

Der Sachverständige U hätte zudem auch Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Feuchtigkeitseintritt möglicherweise auf einer unzureichenden Materialverarbeitung beruht, was er jedoch nicht getan habe.

Die Klägerinnen hätten die Ursache für die eindringende Feuchtigkeit möglicherweise sogar selbst gesetzt, indem sie – unstreitig – die Kelleraußenwand durch eine Elektrofirma haben durchbohren lassen, um dort Elektrokabel zu verlegen.

Sie – die Beklagte – habe den Klägerinnen mit der vorgeschlagenen Kellerwandinnensanierung eine fachgerechte Nachbesserung, die zur dauerhaften Mangelbeseitigung geführt hätte, angeboten. Das INTRASIT-System sei ein geeignetes und in der Praxis bewährtes, erfolgreich eingesetztes Verfahren, das den vertraglich geschuldeten Erfolg gewährleistet hätte. Selbst wenn nach partieller Abdichtung der Kellerwände an anderer Stelle Feuchtigkeit in die Kellerwand eingedrungen wäre, hätte sie – die Beklagte – die Kellerwandinnenabdichtung ohne weiteres erweitern können, zumal die Streithelferin zu 1.) eine 10-Jahres-Garantie für Abdichtungsmaßnahmen zugesagt hätte.

Die Beklagte war der Ansicht, dass die von den Klägerinnen gesetzte Frist zur Nacherfüllung zur Unzeit erfolgt sei, da zunächst der Ausgang des selbstständigen Beweisverfahrens und die Ermittlung der Schadensursache durch den Sachverständigen hätte abgewartet werden müssen. Mit der Forderung an sie – die Beklagte -, die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten gemäß Gutachten des Sachverständigen U zu zahlen, hätten die Klägerinnen die Nachbesserung durch sie erneut und endgültig abgelehnt. Die Klägerinnen hätten damit Mängelbeseitigungsansprüche verloren und könnten nun nicht mehr die Kosten einer Ersatzvornahme von ihr – der Beklagten – verlangen.

Jedenfalls seien, soweit den Klägerinnen ein Zahlungsanspruch zugesprochen werden würde, die Kosten für die von ihr – der Beklagten – angebotene Nachbesserung durch Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-Systems in Höhe von 15.000,00 Euro netto in Abzug zu bringen.

Schließlich war die Beklagte der Auffassung, dass die von den Klägerinnen geforderten, übrigen Schadenspositionen deshalb nicht ersatzfähig seien, weil die Klägerinnen die von ihr – der Beklagten – angebotene Nachbesserung, die weitere Feuchtigkeitseintritte unterbunden hätte, abgelehnt hätten.

Die Streithelferin zu 1.), die dem Rechtsstreit aufseiten der Beklagten beigetreten ist, hat sich deren Ausführungen angeschlossen. Ergänzend war sie der Ansicht, dass die von dem Sachverständigen U in Bezug genommene Umfrage schon deshalb nicht aussagekräftig sei, weil sich danach nicht einmal 20 % der befragten Sachverständigen der Auffassung des Gerichtsgutachters angeschlossen hätten.

Die Streithelferin zu 1.) hat behauptet, dass sie – von den Klägerinnen mit Nichtwissen bestritten – in der Vergangenheit eine dem vorliegenden Fall entsprechende Abdichtung für 97 Keller mit Lastfall 6 “aufstauendes/stauendes Wasser” und 26 Keller mit Lastfall 6 “drückendes Wasser” ausgeführt habe, wobei es nur in 12 Fällen Beanstandungen gegeben habe, die ausschließlich Verarbeitungsfehler (geringe Schichtdicke, mangelnde Ausführung und Untergrundvorbereitung) betroffen hätten.

Die Streithelferin zu 2.), die dem Rechtsstreit ebenfalls aufseiten der Beklagten beigetreten ist, hat behauptet, dass die Abdichtung nicht mangelhaft ausgeführt worden sei, was auch die Streithelferin zu 1.) bei Abnahme der Abdichtung festgestellt habe.

Das Landgericht Bochum hat der Klage erstinstanzlich überwiegend – mit Ausnahme der geforderten Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.800,00 Euro – stattgegeben und den Klägerinnen einen Zahlungsanspruch in Höhe von 87.129,49 Euro nebst Zinsen zugesprochen. Auch den Feststellungsantrag hat es insoweit für begründet erachtet. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Vorschussanspruch aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen U bestehe. Der Sachverständige habe dargelegt, dass Maßnahmen zur Mangelbeseitigung erforderlich seien, die Kosten in Höhe von 85.705,29 Euro verursachen würden. Die von der Beklagten vorgeschlagene INTRASIT-Methode, welche nur punktuell an Stellen der Durchfeuchtung angewandt werden sollte, sei dagegen ungeeignet. Das Gericht folge dem Sachverständigen aufgrund eigener Kenntnis durch diverse Fortbildungsmaßnahmen dahingehend, dass das von der Beklagten geplante und ausgeführte Abdichtungssystem grundsätzlich nicht geeignet sei, eine mangelfreie Abdichtung des klägerischen Bauwerks herbeizuführen. Da die Kelleraußenflächen insgesamt durch ein ungeeignetes System abgedichtet seien, hätte eine punktuelle Nachbesserung im Bereich der Feuchteerscheinungen, wodurch möglicherweise und zufällig Trockenheit noch für die Gewährleistungsfrist hätte erreicht werden können, nicht ausgereicht. Hierauf hätten sich die Klägerinnen auch nicht einlassen müssen. Ein Abzug der für diese Nacherfüllungsmaßnahme erforderlichen Kosten von dem Vorschussanspruch der Klägerinnen komme daher nicht in Betracht.

Die weitergehend von den Klägerinnen als Schadensersatz geltend gemachten Positionen seien ersatzfähig, mit Ausnahme des geltend gemachten Nutzungsausfalls, da die Klägerinnen nicht substantiiert vorgetragen hätten, dass eine Nutzung der Kellerräume trotz Einsatz der Luftentfeuchtungsgeräte mit weniger feuchtigkeitsempfindlichen Gegenständen nicht möglich gewesen wäre.

Den Klägerinnen stünden darüber hinaus der geltend gemachte Zinsanspruch sowie der mit Klageantrag zu 2.) geltend gemachte Feststellungsanspruch zu.

Hiergegen wenden sich die Beklagte und die Streithelferin zu 1.) mit der von ihnen eingelegten Berufung.

Die Beklagte meint, dass das Werk betreffend die geplante und ausgeführte Abdichtung vertragsgemäß sei, da es die vertraglich geschuldete Beschaffenheit aufweise, indem sie der DIN 18195-6 entspreche.

Das Landgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, da der Sachverständige nicht untersucht habe, ob weitere mögliche Mangelursachen bestehen. Insbesondere habe der Sachverständige nicht bewertet, ob die von Klägerseite durchgeführten Bohrungen in den Kellerräumen als Ursache für die Durchfeuchtung in Frage kämen.

Die Feststellungen des Sachverständigen seien auch deshalb nicht tragfähig, weil er sich auf eine Umfrage stütze, die er – trotz Aufforderung – nicht vorgelegt habe. Zudem könne schon auf Grundlage der Angaben des Sachverständigen darüber, wie viele Rückmeldungen es gegeben hätte, im Ergebnis nicht von einer “Mehrheit der Befragten” gesprochen werden. Zudem stelle der Sachverständige seine persönliche Meinung weit über die gebildeten Regelungen hinaus, ohne sich mit der Kritik der Beklagten und der Streithelferin auseinander zu setzen. Auch sei zu sehen, dass der Sachverständige in der Praxis nur mit “problematischen Fällen” zu tun habe, in denen Mängel aufgetreten seien. Daraus zu schließen, dass aufgrund der festgestellten Mangelhaftigkeit der jeweiligen Fälle eine generelle Eignung der in der einschlägigen DIN geregelten Ausführungsweise nicht bestehe, sei ein unzulässiger Zirkelschluss. Es seien tausende Häuser in der vorliegenden Ausführung geplant und durchgeführt worden, ohne dass sich Mängel gezeigt hätten.

Die Vermutungswirkung der DIN 18195 sei vorliegend im Übrigen nicht widerlegt worden. Dies folge schon daraus, dass die vorgenannte DIN im Jahre 2017 novelliert und mit den inhaltlich gleichen Regelungen erneut veröffentlicht worden sei. Auch das vom Sachverständigen herangezogene Argument, dass bereits die Entscheidungsfindung der DIN-Gremien nicht tauglich sei, da dort lediglich Herstellerinteressen vertreten würden, verfange nicht, sondern sei schlichtweg übertrieben und falsch. Schließlich hätte sich der Sachverständige auch ausführlich mit in Wissenschaft und Technik vertretenen Gegenansichten auseinandersetzen müssen, was er jedoch nicht getan habe. Das Tatgericht habe all dies rechtsfehlerhaft nicht gewürdigt.

Ergänzend verweist die Beklagte darauf, dass sie zwischenzeitlich eine deutschlandweite Umfrage zur im Streitverfahren kontroversen Beurteilung der Praxisbewährung von Abdichtungsübergängen von kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung auf WU-Beton habe durchführen lassen. Wegen des Ergebnisses verweist sie – die Beklagte – auf einen Abschlussbericht des Aachener Instituts für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik gGmbH vom 14.03.2019. Ergebnis dieser Umfrage sei laut dem Projektleiter Prof. A, dass die fachlichen Stellungnahmen der befragten Personen keinen Anlass gäben, die grundsätzliche Eignung des Übergangs der Abdichtung aus PMBC auf Beton infrage zu stellen; es ergebe sich weder aus der Anzahl der Schadensfälle noch aus der Erfahrung der Umfrageteilnehmer, dass die vorgenannte Ausführung nicht anerkannte Regel der Technik sei.

Auch die weiteren Schadenspositionen hätten den Klägerinnen nicht zugesprochen werden dürfen. Das DEKRA-Gutachten des Sachverständigen T sei als bausachverständiges Gutachten ungeeignet und unergiebig gewesen. Überdies seien die in Rechnung gestellten Kosten weder ortsüblich noch angemessen.

Zudem wäre die von der Beklagten angebotene Nachbesserung zur Mangelbeseitigung geeignet gewesen. Das von dem Sachverständigen vorgeschlagene Verfahren sei mit dem INTRASIT-Verfahren vergleichbar und gleichwertig, zumal von der ausführenden Firma eine Herstellergarantie von 10 Jahren gegeben werde.

Die Streithelferin zu 1.) stützt die von ihr eingelegte Berufung ebenfalls darauf, dass die Abdichtung entsprechend DIN 18195-6 und damit vertragsgemäß ausgeführt worden sei. Darüber hinaus sei die Eignung der von ihr – der Streithelferin zu 1.) – vertriebenen kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung auch – unstreitig – durch Prüfzeugnis des Materialprüfungsamts des Landes NRW vom 25.10.2013 nachgewiesen worden.

Soweit sich der Sachverständige auf Kenntnisse aus seiner sachverständigen Praxis beziehe, sei diese Äußerung viel zu unbestimmt. Es müsse vielmehr im Einzelnen dargelegt werden, was konkret Ursache für die eingetretene Undichtigkeit gewesen sein soll, zumal auch schlichte Ausführungsfehler in Betracht kämen.

Das Landgericht habe sich zudem nicht mit der gebotenen Sorgfalt mit dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen K und den von der Beklagten und den auf Beklagtenseite beigetretenen Streithelfern gegen das Gutachten des Sachverständigen U vorgetragenen Einwänden auseinandergesetzt.

Das Landgericht hätte sich zudem mit ihrer – der Streithelferin zu 1. – Behauptung befassen müssen, dass es bislang keinerlei Beanstandungen im Hinblick auf die grundsätzliche Eignung des verwandten Abdichtungssystems gegeben hätte, was unter Beweis durch Vernehmung des Zeugen S gestellt worden sei.

Letztlich sei die Klage bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerinnen die angebotene Nachbesserung mittels INTRASIT-System – unberechtigt – abgelehnt hätten.

Die Beklagte und die Streithelferinnen beantragen,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil. Die geplante und ausgeführte Abdichtungsart für die Wasserlastfälle “aufstauendes Sickerwasser” und “Bodenfeuchte” entspreche nicht den anerkannten Regeln der Technik. Dies habe der Sachverständige U in seinem Gutachten ausführlich und mehrfach dargestellt. Es sei auch sinnvoll gewesen, nicht nach anderen Ursachen zu suchen, weil bereits die Planung der Abdichtung mangelhaft sei, so dass es auf die Ausführung nicht mehr ankomme. Darauf, dass die DIN vertraglich vereinbart worden sei, könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie sich für die beabsichtigte Verwendung als untauglich erwiesen habe und damit nicht dem Vertragssoll entspreche. Die Beklagte sei aufgrund der verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung nachbesserungspflichtig. Eine vollständige und dauerhafte Mangelbeseitigung komme nur durch die Versiegelung der gesamten Kellerräume nach den Vorgaben des Sachverständigen U in Betracht. Die von Beklagtenseite angebotene stellenweise Nachbesserung sei demgegenüber weder ausreichend noch den Klägerinnen zuzumuten, zumal diese nicht dauerhaft sei.

B.

Die Berufung ist zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zwar – isoliert betrachtet – unzulässig, da sie keine formgerechte Berufungsbegründungsschrift innerhalb der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 und 3 ZPO) eingereicht hat. Die schriftsätzliche Begründung i.S.v. § 520 Abs. 3 S. 1 ZPO muss von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 ZPO) eigenhändig unterzeichnet sein, der sich damit den Inhalt der Begründung zu eigen macht und die Verantwortung übernimmt (MüKo/Rimmelspacher, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 520 Rn. 23). Daran fehlt es vorliegend. Die innerhalb der Frist eingegangene Berufungsbegründungsschrift der Beklagten ist von ihrem Prozessbevollmächtigten nicht unterschrieben worden.

Da allerdings eine form- und fristgerechte Berufung der Streithelferin zu 1.) vorliegt, ist der Senat an einer Sachentscheidung nicht gehindert. Denn bei einer von Hauptpartei und Streithelfer eingelegten Berufung handelt es sich nur um eine – einheitlich zu betrachtende – Berufung; die von dem Nebenintervenienten eingelegte Berufung ist immer Rechtsmittel für die Hauptpartei (BGH NJW 1990, 190; 1985, 2480). Daraus folgt, dass die Berufung aufgrund der durch die Streithelferin zu 1.) rechtzeitig und formgerecht eingereichten Berufungsschrift als insgesamt zulässig anzusehen ist, zumal das Rechtsmittelverhalten der Streithelferin dem der Beklagten nicht widerspricht (§ 67 ZPO).

II.

Die Berufung ist indes nur teilweise begründet. Die Klage ist zulässig und – weit überwiegend – begründet.

1.

Den Klägerinnen steht gegenüber der Beklagen ein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 85.705,29 Euro aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 3 BGB zu.

a.

Aufgrund der Regelung in § 2 Ziff. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Vertrages finden die Gewährleistungsvorschriften des im BGB geregelten Werkvertragsrechts, insbesondere die §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 3 BGB, vorliegend Anwendung. Denn die Klägerinnen behaupten eine mangelhafte Abdichtung der Kellerräume, also einen Sachmangel, dessen Ursache in der Errichtung des Bauwerks begründet wäre.

b.

Zwar setzt die Geltendmachung eines Vorschussanspruchs i.S.v. § 637 Abs. 1, 3 BGB grundsätzlich voraus, dass eine Abnahme der Werkleistung durch den Besteller erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13). Eine solche lässt sich vorliegend mangels entsprechenden Vortrags der Parteien nicht feststellen.

Allerdings kann ein Vorschussanspruch auch ohne vorherige Abnahme durch den Besteller geltend gemacht werden, wenn das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 301/13). Ein Abrechnungsverhältnis kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt. In dieser Konstellation kann der Besteller nicht mehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren (vgl. BGH, Urteil v. 19.01.2017 – VII ZR 301/13, a.a.O., Tz. 44 ff.).

Im vorliegenden Fall liegt jedenfalls ein Abrechnungsverhältnis vor. Die streitgegenständliche Doppelhaushälfte ist unstreitig fertiggestellt und von den Klägerinnen in Gebrauch genommen worden. Weiterhin ist unstreitig, dass die Klägerinnen die von der Beklagten angebotene Art der Nacherfüllung (mittels INTRASIT-System) endgültig und ernsthaft abgelehnt haben und ihr – der Beklagten – gegenüber nur noch Zahlungsansprüche geltend machen.

c.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Mangels angenommen, der die Klägerinnen zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen berechtigt.

Das Werk der Beklagten ist mangelhaft i.S.v. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB, da es insofern nicht die zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit aufweist, als die am streitgegenständlichen Gebäude der Klägerinnen installierte Abdichtung nicht funktionstauglich ist.

Welche Beschaffenheit eines Werkes die Parteien vereinbart haben, ergibt die Auslegung des Werkvertrages (§§ 133, 157 BGB); zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle – ausdrücklich oder konkludent vereinbarten – Eigenschaften, die nach der Vereinbarung den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 – VII ZR 183/05 Rn. 15, BGHZ 174, 110). Bei der Bestimmung der Soll-Beschaffenheit kommt es in erster Linie auf die Vorstellungen der Parteien an. Ein weiterer Bestandteil des geschuldeten Erfolges ist außerdem die Funktionalität des Werkes; die Funktionalität ist zumeist (zumindest konkludent) Bestandteil der Beschaffenheitsvereinbarung (sog. funktionaler Mangelbegriff) (vgl. BGH Urt. v. 08.11.2007 – VII ZR 183/05). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entspricht ein Werk dann nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn es nicht die vereinbarte Funktionstauglichkeit aufweist (BGH, Urteil vom 08. November 2007 – VII ZR 183/05 -, BGHZ 174, 110-126), und zwar ungeachtet der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, der Einhaltung von DIN-Vorschriften oder der anerkannten Regeln der Technik (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2007, VII ZR 183/05, Senat, Urteil vom 09. November 2018 – I-12 U 20/18 -, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. April 2015 – I-21 U 182/14 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2013, I-23 U 185/11 m.w.N.).

Von diesen Grundsätzen ausgehend liegt vorliegend ein negatives Abweichen der Ist- von der geschuldeten Sollbeschaffenheit vor.

Zwar steht nicht in Streit, dass die am Gebäude der Klägerinnen ausgeführte Abdichtung in Form einer Kombination aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung den Vorgaben der durch den notariellen Kaufvertrag in Bezug genommenen Baubeschreibung entsprach.

Allerdings ist zwischen den Parteien ebenso unstreitig, dass es zu einem Wassereintritt von außen in die Kellerräume der Klägerinnen gekommen ist. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Wassereintritt in die Kellerräume Symptom einer Undichtigkeit der ausgeführten Abdichtung ist, die Abdichtung mithin die ihr zugedachte Funktion nicht erfüllt hat. Hiervon geht letztlich auch die Beklagte selbst aus, was ihre vorgerichtlich signalisierte Bereitschaft zeigt, Nachbesserungsarbeiten an den Kellerwänden im Hause der Klägerinnen durchzuführen.

Demnach weist die Werkleistung der Beklagten, ungeachtet der Tatsache, dass die ausgeführte Abdichtung dem Vertragstext oder DIN-Vorschriften entspricht, jedenfalls aufgrund ihrer mangelnden Funktionstauglichkeit nicht die Beschaffenheit auf, die die Parteien – zumindest konkludent – vereinbart haben.

Die Einwendung der Beklagten, dass der Wassereintritt in die Kellerräume der Klägerinnen durch mangelhaft ausgeführte und abgedichtete Bohrlöcher für die Installation elektrischer Leitungen (zumindest mit-)verursacht worden sei, greift nicht durch.

Zum einen kann die Beklagte mit ihrer Einwendung bereits deshalb nicht gehört werden, weil sie nicht näher konkretisiert hat, wann, an welchen Stellen und auf welche Weise die Kellerwand durchbohrt worden sein soll, so dass sich ihre Behauptung als – im Ergebnis unbeachtliche – bloße Behauptung ins Blaue hinein darstellt. Entsprechender Vortrag wäre der Beklagte, die selbst mehrfach vor Ort war und den bei den Klägerinnen eingetretenen Schaden begutachtet hat, nach Ansicht des Senats allerdings ohne weiteres möglich gewesen.

Zum anderen ist die Behauptung der Beklagten durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U widerlegt. Der Sachverständige hat festgestellt und im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin nochmals nachvollziehbar und anschaulich erklärt, dass die alleinige Ursache des Wassereintritts im Versagen der ausgeführten Kombinationsabdichtung liege. Denn die ausgeführte Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung könne für den – hier vorliegenden – Wasserlastfall “aufstauendes Sickerwasser” keine dauerhafte Dichtigkeit erzeugen, weil eine dauerhafte Verbindung von WU-Betonplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung nicht gewährleistet sei. In das Gebäude der Klägerinnen sei Wasser lediglich in den unteren Wandbereichen eingedrungen, genau dort, wo die Verbindung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung offensichtlich versagt habe.

Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U nach eigener Sachprüfung vollumfänglich an. Der Sachverständige U ist dem Senat bereits aus anderen Rechtsstreitigkeiten, an denen er als Bausachverständiger beteiligt war, als kompetent, sorgfältig und gewissenhaft bekannt. Sein Gutachten ist insgesamt widerspruchsfrei, detailliert und nachvollziehbar. Es lässt erkennen, dass sich der Sachverständige mit den Beweisfragen in sorgfältiger Weise auseinandergesetzt hat. Der Sachverständige hat den gesamten Akteninhalt berücksichtigt und ausgewertet. Zudem hat sich der Sachverständige im Rahmen eines durchgeführten Ortstermins selbst ein Bild von den örtlichen Verhältnissen gemacht und weitere Untersuchungen, insbesondere partielle Bauteilöffnungen, vorgenommen. Seine Feststellungen hat der Sachverständige im Rahmen einer Anhörung im Senatstermin vom 28.06.2019 glaubhaft bekräftigt, sich insbesondere mit den Einwendungen der Parteien eingehend befasst und zu diesen in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise Stellung genommen.

d.

Das Landgericht hat des Weiteren im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Klägerinnen von der Beklagten Zahlung eines Vorschusses in der geforderten Höhe, die auf den Feststellungen und der Berechnung des Sachverständigen U beruht, verlangen können.

Die von dem Sachverständigen U festgestellte Maßnahme, das Einbringen eines Gelschleiers, und die hierfür anfallenden Kosten sind zur Mangelbeseitigung erforderlich.

Die Klägerinnen mussten sich demgegenüber nicht auf die von der Beklagten angebotene Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-Systems einlassen.

Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass der Unternehmer grundsätzlich die Herstellungs- oder Beseitigungsmethode bestimmen kann. Das bedeutet, dass er nicht nur die Wahl hat, ob er das Werk neu herstellt oder es nachbessert, sondern er bestimmt ebenfalls, in welcher Weise er im Rahmen dieser Vorentscheidung seine Leistungen ausführt, um ein mangelfreies Werk durch Nacherfüllung zu erreichen. Der Nacherfüllungsanspruch gibt dem Besteller also grundsätzlich nicht das Recht, zu bestimmen, auf welche Weise die Mängel zu beseitigen sind (vgl. Moufang/Koos in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, BGB, § 635, Rn. 43 m.w.N.). Allerdings betrifft dieses Wahlrecht nur Maßnahmen, die auf Herstellung des Zustandes gerichtet sind, der nach dem Inhalt des Werkvertrages von vornherein bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung hätte herbeigeführt werden müssen. Dabei muss der Unternehmer grundsätzlich den Mangel einschließlich seiner Ursache beseitigen, die Beseitigung seiner Symptome oder seiner Folgen genügt dagegen nicht (vgl. Moufang/Koos, a.a.O., Rn. 28 m.w.N.).

Die von der Beklagten angebotene Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-Systems stellt keine geeignete Maßnahme dar, um eine dauerhaft funktionsfähige Abdichtung, d.h. den vertragsgemäßen Zustand, herbeizuführen. Denn das INTRASIT-System vermag nur die Symptome, nicht jedoch die Mangelursache zu beseitigen.

Der Senat schließt sich auch insoweit den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen U an. Im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin hat der Sachverständige U ausgeführt, dass im Falle des Versagens einer in einen Neubau eingebrachten Abdichtung mittels Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung nur das Einbringen eines Gelschleiers eine dauerhafte Dichtigkeit gewährleisten könne. Demgegenüber stelle das INTRASIT-System, bei dem die Kellerinnenwände nur punktuell im Bereich der Wasseraustrittsstellen behandelt würden, im vorliegenden Fall keine geeignete Maßnahme zur Mangelbeseitigung dar. Denn im Falle des Versagens einer Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung sei es unmöglich, anhand der Wasseraustrittstellen im Gebäudeinneren auf die Lage der Schad- bzw. Leckstellen im Randbereich zwischen Bodenplatte und Bitumendickbeschichtung zu schließen. Die Schichten zwischen Abdichtung und Betonplatte wiesen wasserleitende Eigenschaften auf, so dass das aufgrund von Undichtigkeiten eindringende Wasser an völlig anderer Stelle im Gebäudeinneren wieder austreten könne. Eine Reparatur der Kombinationsabdichtung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung sei daher nicht möglich. Im Falle der nur punktuellen Behandlung der Schadstellen mittels INTRASIT-Systems werde lediglich das Mangelsymptom behandelt, nicht jedoch die Schadensursache beseitigt, da weiterhin Wasser durch die noch bestehende Schadstelle eindringen und an anderer Stelle im Gebäudeinneren wieder austreten könne. Das Einbringen eines Gelschleiers führe demgegenüber zu einer vollständigen und dauerhaften Dichtigkeit. Das eingebrachte Gel könne aufgrund seines Anpressdrucks nicht von Wasser unterdrungen werden. Selbst wenn sich nach Einbringen des Gelschleiers herausstellen sollte, dass eine unvergelte Stelle zurückgeblieben wäre, sei diese im Nachhinein gut sichtbar und ohne weiteres zu lokalisieren, so dass eine Nachbehandlung möglich sei.

Schließlich scheidet auch eine Reparatur des Übergangs zwischen WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung von außen – nach vorangegangener Ausschachtung und Freilegung der Außenwände – aus. Denn auch diese Methode würde keine geeignete Maßnahme darstellen, um eine dauerhaft funktionsfähige Abdichtung herbeizuführen.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die gewählte und ausgeführte Abdichtungsmethode, die Kombinationslösung aus WU-Betonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung, für den – hier vorliegenden – Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – trotz Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die von der Regelung der vorgenannten DIN ausgehende Vermutungswirkung, auf die sich die Beklagte zu ihrer Entlastung beruft, sieht der Senat – insbesondere aufgrund der Vielzahl an aufgetretenen Schadensfällen – als widerlegt an.

Der Senat schließt sich wiederum vollumfänglich den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U an, der überzeugend, detailliert und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die geplante und ausgeführte Abdichtungsmethode für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser keine dauerhafte Dichtigkeit erzeugen könne und damit insoweit – trotz Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche.

Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil – Die Haftung des Unternehmers für Mängel -, Rn. 32 m.w.N.). Dem Grundsatz nach tragen DIN-Normen die (widerlegliche) Vermutung in sich, den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen (vgl. nur BGH Urt. v. 24.05.2013 – V ZR 182/12).

Der Sachverständige U hat festgestellt, dass die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser technisch nicht geeignet sei, eine dauerhafte Abdichtung herzustellen. Die generelle Schwäche der Kombinationsabdichtung liege im unteren Bereich der Abdichtung, nämlich dort, wo die kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung auf die Bodenplatte aufgeklebt werde. In diesem Bereich komme es zu Ablöseerscheinungen und Unterwanderungen. Zur Begründung hat der Sachverständige auf seine langjährige sachverständige Erfahrung verwiesen. Im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin hat der Sachverständige erläutert, dass er seit Beginn seiner Sachverständigentätigkeit im Jahre 2003 ca. 15-20 Fälle pro Jahr zu begutachten gehabt habe, in denen es im Falle der Verwendung der hier vorliegenden Kombinationsabdichtung bei aufstauendem Sickerwasser zu Wassereintritten ins Gebäudeinnere gekommen sei. Demgegenüber habe er lediglich einen Fall begutachtet, in dem es bei Verwendung einer Abdichtung durch Bitumenbahnen zu einem Wassereintritt gekommen sei, wobei der Schaden im begutachteten Fall auf einem offensichtlichen Ausführungsfehler beruht habe.

Seine Einschätzung, dass die Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser technisch ungeeignet sei und damit nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche, hat der Sachverständige zudem mit dem Ergebnis einer von ihm im Jahre 2009 veranlassten Befragung aller zur damaligen Zeit öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit den Fachgebieten Schäden an Gebäuden und Bauwerkssanierung begründet. Die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung sei von den Sachverständigen, die sich zurückgemeldet hätten, mehrheitlich als technisch ungeeignet eingestuft worden.

Soweit die Beklagte eingewandt hat, dass die Feststellungen des Sachverständigen U aufgrund der Ausführungen des Prof. Dipl.-Ing. A in seinem Abschlussbericht vom 14.03.2019 zu einer von ihr – der Beklagten – selbst in Auftrag gegebenen Umfrage zur Praxisbewährung von Abdichtungsübergängen vom PMBC auf WU-Beton widerlegt seien, kann dem nicht gefolgt werden. Im Gegenteil hat der Sachverständige Prof. A ausweislich Seite 8 des Abschlussberichts die technischen Schwächen der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung selbst erläutert und somit die Feststellungen des Sachverständigen U bestätigt. Unter Punkt 2.3 des Berichts hat Prof. A die Kombinationsabdichtung als bei Druckwasser “problematisch” eingestuft, insbesondere im Hinblick darauf, dass sich eventuelle Undichtigkeiten während der Bauphase nicht zeigten und erst später, ggf. auch erst Jahre später, zu Wasserschäden im Gebäudeinneren führen könnten. Aufgrund der wasserleitenden Eigenschaft der Schutzschichten zwischen Abdichtungen und Bodenplatten seien die schadensverursachenden Leckstellen nach Fertigstellung des Gebäudes meistens nicht auffindbar und damit nicht reparabel. Dies deckt sich uneingeschränkt mit den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen U, denen der Senat folgt.

Auch das von dem Sachverständigen U dargestellte Ergebnis seiner Umfrage aus dem Jahre 2009 ist durch die Ausführungen des Sachverständigen Prof. A in seinem Abschlussbericht – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht widerlegt. Denn ausweislich des Abschlussberichts hat auch dort eine nicht unerhebliche Anzahl an Umfrageteilnehmern angegeben, negative Erfahrungen mit der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung im Falle des Vorliegens von Druckwasser gemacht zu haben (30 von 139 Umfrageteilnehmern). Insgesamt 107 Umfrageteilnehmer hätten sich laut des Berichts zu den Ursachen eingetretener Schäden geäußert, wobei 23 Teilnehmer das Abdichtungssystem als generell ungeeignet beschrieben hätten. Das Ergebnis der von der Beklagten in Auftrag gegebenen Umfrage stützt damit wiederum die Feststellungen des Sachverständigen U und dessen Einordnung der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung als – für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – schadensanfällig und damit technisch ungeeignet.

Dem Einwand der Beklagten, der Sachverständige U könne nicht einschätzen, ob sich die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung in der Praxis bewährt habe, weil er es als Sachverständiger ausschließlich mit Schadensfällen zu tun bekomme, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn der Sachverständige hat, wie bereits dargelegt, nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen die streitgegenständliche Abdichtungsmethode technisch ungeeignet ist und sich in der Praxis gerade nicht bewährt hat. Dass der Sachverständige es aufgrund seines Fachgebiets ausschließlich mit Schadensfällen zu tun hat, liegt in der Natur der Sache und vermag an seiner fachlichen Kompetenz zur Einschätzung der technischen Geeignetheit der streitgegenständlichen Abdichtungsmethode nichts zu ändern. Letztlich hat auch die Streithelferin zu 1.) zugestanden, dass die Verwendung der streitgegenständlichen Abdichtungsmethode nicht ausschließlich schadens- und beanstandungsfrei geblieben ist. Sie hat eingeräumt, dass es bei etwas mehr als 100 für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser mit der streitgegenständlichen Methode abgedichteten Kellern zu immerhin 12 Beanstandungen gekommen sei. Dabei ist für die Einschätzung der technischen Geeignetheit der Abdichtungsmethode unbeachtlich, welche Ursache die beanstandeten Schadensfälle hatten. Denn auch eine Abdichtungsmethode, die ausführungsfehleranfällig ist, kann nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Dass der Streithelferin zu 1.) nicht mehr Schadensfälle bekannt sind, kann – wie der Sachverständige U plausibel erklärt hat – daran liegen, dass Undichtigkeiten oftmals über einen längeren Zeitraum hinweg unerkannt blieben und erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist sichtbar würden, so dass die bauausführenden Unternehmen nicht mehr in Anspruch genommen werden könnten und demnach auch keine Kenntnis von dem Versagen der Abdichtung erlangten.

Auch die Verteidigung der Beklagten, dass die generelle Eignung der kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung für den konkreten Lastfall bauaufsichtsrechtlich geprüft und zertifiziert worden sei, vermag im Ergebnis nicht durchzugreifen. Der Sachverständige U hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass das Vorliegen einer derartigen Prüfbescheinigung nichts an seiner Feststellung ändere, dass die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung keine hinreichende Dichtigkeit erzeuge. Denn eine derartige Prüfbescheinigung werde nach Durchführung von Untersuchungen “unter Laborbedingungen” (sauber, trocken, ohne Grate), die sich von den Bedingungen in tatsächlichen Baugruben wesentlich unterschieden, erteilt. Zudem werde die Dichtigkeit unter Laborbedingungen in einem Zeitraum von lediglich 28 Tagen überprüft, so dass die Erteilung einer Prüfbescheinigung im Hinblick auf die dauerhafte Haltbarkeit der Abdichtungsmethode nicht aussagekräftig erscheine.

Auch die Einwendung der Beklagten, der Sachverständige U habe sich mit den Feststellungen des leitenden Baudirektors a.D. Dipl.-Ing. K in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 08.05.2016 nicht hinreichend auseinander gesetzt, vermag nicht durchzugreifen. Der Sachverständige U hat nachvollziehbar ausgeführt, dass sich an seiner Feststellung, dass die streitgegenständlichen Abdichtungsmethode für den Wasserlastfall “aufstauendes Sickerwasser” generell ungeeignet sei, auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dipl.-Ing. K nichts ändere. Wie dargelegt, ist der Senat aufgrund der Feststellung des Sachverständigen U davon überzeugt, dass sich die streitgegenständliche Abdichtungsmethode in der Praxis – entgegen der Ansicht des Dipl.-Ing. K – gerade nicht bewährt hat.

Der Senat sieht aufgrund der überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen U nach alledem die Vermutungswirkung der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 als widerlegt an.

e.

Die Klägerinnen haben der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 24.03.2016 eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung entsprechend der von dem Sachverständigen U vorgeschlagenen Maßnahmen gesetzt, die fruchtlos verstrichen ist.

f.

Der Einwand der Beklagten, dass von dem den Klägerinnen zugesprochenen Vorschuss ein Abzug in Höhe von 15.000,00 Euro (Kosten des INTRASIT-Verfahrens) vorzunehmen sei, geht mangels rechtlicher Grundlage ins Leere.

Ungeachtet dessen, dass die Beklagte die tatsächlichen Grundlagen für die Berechnung des in Abzug zu bringenden Betrages von 15.000,00 Euro bereits nicht näher dargelegt und aufgeschlüsselt hat, ist der Senat, wie bereits oben dargelegt, von der Ungeeignetheit des von der Beklagten vorgeschlagenen INTRASIT-Systems zur Mangelbeseitigung überzeugt, so dass sich die von der Beklagten begehrte Kürzung des Vorschussanspruchs der Klägerinnen auch aus diesem Grunde verbietet.

2.

Darüber hinaus steht den Klägerinnen gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.019,60 Euro gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB zu. Ein weitergehender Anspruch der Klägerinnen besteht allerdings nicht.

a.

Die Klägerinnen können Ersatz der Kosten für die Erstattung der beiden DEKRA-Gutachten in Höhe von 880,60 Euro sowie das zweite, im September 2014 angeschaffte Trocknungsgerät in Höhe von 139,00 Euro aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes neben der Leistung verlangen.

aa.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sowohl die Kosten für die Beauftragung des DEKRA-Sachverständigen, als auch die Kosten für die Anschaffung des zweiten Trocknungsgeräts kausal auf dem oben festgestellten Mangel, nämlich der mangelnden Funktionsfähigkeit der Abdichtung und dem dadurch hervorgerufenen Wassereintritt in die Kellerräume der Klägerinnen beruhten.

bb.

Bei den aufgewandten Kosten handelt es sich um – im Rahmen des Schadensersatzes neben der Leistung grundsätzlich erstattungsfähige – Mangelfolgeschäden.

Die Kosten eines vom Auftraggeber eingeholten Privatgutachtens, um etwaig bereits vorhandene oder etwaig noch zu erwartende Mängel (Symptome/Erscheinungen bzw. Ursachen) festzustellen bzw. um abzuklären, welche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung erforderlich sind, sind als Mangelfolgeschäden i.S. eines materiellrechtlichen Schadensersatzanspruchs neben der Leistung einzuordnen (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2003, VII ZR 338/01; OLG Düsseldorf Urt. v. 9.8.2013 – 22 U 4/13).

Auch die Kosten für das Trocknungsgerät stellen einen nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB erstattungsfähigen Mangelfolgeschaden dar. Denn der Einsatz des Trocknungsgeräts zielte darauf ab, die eingedrungene Feuchtigkeit bzw. die Feuchtigkeitsschäden an den Kellerwänden zu beseitigen. Sowohl die aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden als auch die aufgewandten Kosten für das Trocknungsgerät sind durch den oben festgestellten Werkmangel (die nicht funktionierende Abdichtung) verursacht worden.

cc.

Die Erforderlichkeit der für die Anschaffung des zweiten Trocknungsgeräts aufgewandten Kosten steht zwischen den Parteien außer Streit.

Der Senat hat auch keine Zweifel an der Erforderlichkeit der für die Erstattung der DEKRA-Gutachten aufgewandten Kosten.

Soweit die Beklagte einwendet, dass die DEKRA-Gutachten deshalb untauglich seien, weil der Sachverständige T das Objekt nicht in Augenschein genommen habe, ist dieser Einwand bereits aufgrund ihres eigenen erstinstanzlichen Vortrags widerlegt. Denn die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung Bezug auf die Schreiben der Streithelferin zu 1.) vom 26.09.2014 (Bl. 71 d.A.) und vom 01.12.2014 genommen, ausweislich derer zwei Ortstermine stattgefunden haben, an denen u.a. der Sachverständige T teilgenommen hat. Im Übrigen hat der Sachverständige in seinen beiden an die Klägerinnen gestellten Rechnungen die Durchführung zweier Ortstermine abgerechnet.

Auch die Einwendung der Beklagten, die DEKRA-Gutachten seien deshalb untauglich, weil der Sachverständige Feststellungen getroffen habe, ohne zuvor eine Bauteilöffnung vorgenommen zu haben, vermag nicht durchzugreifen. Der Sachverständige war von den Klägerinnen – unstreitig – damit betraut, die Geeignetheit der von der Beklagten vorgeschlagenen Kellerwandinnensanierung mittels INTRASIT-System zu überprüfen und zu bewerten. Ausweislich seines Gutachtens vom 25.07.2014 (Bl. 28 f. d.A.) hat der Sachverständige festgestellt, dass das von der Beklagten vorgeschlagene Sanierungssystem ungeeignet sei, weil nicht der Mangel an sich – die aufgrund des Wassereintritts offensichtlich schadhafte Abdichtung erdberührter Teile – sondern nur das Mangelsymptom beseitigt werde. Für diese Feststellung war eine Bauteilöffnung offensichtlich nicht erforderlich; vielmehr hat der Sachverständige ausdrücklich festgehalten, dass eine Freilegung der betroffenen Außenwandbereiche lediglich für die spätere Lokalisierung der Schadstelle erforderlich sei.

Dass die von dem DEKRA-Gutachter abgerechneten Kosten unangemessen hoch wären, ist von der Beklagten weder hinreichend konkret vorgetragen worden, noch ersichtlich.

dd.

Die Beklagte hat den Mangel, der den Vermögensschaden verursacht hat, auch zu vertreten, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie hat sich von dem Vorwurf der zumindest fahrlässigen Herbeiführung des Mangels nicht zu entlasten vermocht.

Der einen Schaden verursachende Mangel muss auf einem Umstand beruhen, den der Unternehmer zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Verschulden des Unternehmers wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet, d.h. der Unternehmer muss darlegen und beweisen, dass er hinsichtlich des Mangels, hier der mangelhaften Abdichtung, nicht schuldhaft gehandelt hat. Soweit sich der Unternehmer zur Ausführung der Werkleistung Subunternehmern bedient, werden diese als seine Erfüllungsgehilfen i.S.v. § 278 BGB tätig (vgl. Moufang/Koos, a.a.O, § 636 Rn. 113 m.w.N.).

Die Beklagte handelte zumindest fahrlässig i.S.v. § 276 Abs. 2 BGB, wobei im Ergebnis dahinstehen kann, ob sie bzw. ihre Erfüllungsgehilfen das Werk technisch fehlerhaft ausgeführt oder den Mangel durch fehlerhafte Planung, nämlich der Wahl einer für das Gebäude der Klägerinnen ungeeigneten Abdichtungsmethode, verursacht haben.

(1)

Die Beklagte hat sich nicht mit ihrer Behauptung zu entlasten vermocht, dass die gewählte und ausgeführte Abdichtungsmethode den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Der Senat ist, wie bereits ausgeführt, vielmehr davon überzeugt, dass die gewählte und ausgeführte Abdichtungsmethode nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht; die Vermutungswirkung der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 sieht der Senat als widerlegt an.

Dass der Beklagten die bereits seit vielen Jahren in Fachkreisen geführte Diskussion um die technische Geeignetheit der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung, auf die auch der Sachverständige U sowohl in seinen schriftlichen Gutachten als auch im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin hingewiesen hat, gänzlich unbekannt gewesen wäre, behauptet sie – die Beklagte – selbst nicht. Auch angesichts des bereits oben dargelegten Umstandes, dass ihre Erfüllungsgehilfin, die Streithelferin zu 1.), eingeräumt hat, dass es bei zumindest 12 der von ihr mit der Kombinationslösung abgedichteten Kellern zu Beanstandungen gekommen sei, vermag sich die Beklagte von dem Vorwurf, den Mangel zumindest fahrlässig herbeigeführt zu haben, nicht zu entlasten.

(2)

Die Beklagte kann sich auch mit ihrem Vortrag, dass es im vorliegenden Fall aufgrund von Ausführungs- oder Verarbeitungsfehlern zum Schadenseintritt bei den Klägerinnen gekommen ist, nicht entlasten.

Soweit Ausführungs- oder Verarbeitungsfehler bei Durchführung der Abdichtungsarbeiten vorgelegen hätten, wäre ein etwaig fahrlässiges Verhalten der Mitarbeiter der Streithelferinnen der Beklagten als deren Subunternehmerin gemäß § 278 BGB zuzurechnen.

Dass die für die Abdichtung verwandten Materialien herstellungsbedingt fehlerhaft gewesen wären, behauptet die Beklagte selbst nicht.

Im Übrigen hat der Sachverständige U eine herstellungsbedingte Fehlerhaftigkeit der für die Abdichtungsmethode verwandten Materialien auch nicht festgestellt. Wie bereits dargelegt, führt der Sachverständige das Versagen der streitgegenständlichen Kombinationsabdichtung auf die generelle Ungeeignetheit des Systems, das im Bereich der Verbindung zwischen WU-Betonbodenplatte und Bitumendickbeschichtung keine ausreichende Dichtigkeit erzeugen kann, zurück. Der Sachverständige hat zudem im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin betont, dass die Kombinationsabdichtung aufgrund der festgestellten Schwachstelle im Verbindungsbereich auch ohne Vorliegen eines Verarbeitungs- oder Ausführungsfehlers undicht sein kann.

b.

Demgegenüber besteht kein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung der für die Anschaffung des ersten Trocknungsgeräts aufgewandten Kosten (in Höhe von 297,50 Euro) sowie der für die Beauftragung des Energieberaters aufgewandten Kosten (in Höhe von 107,10 Euro). Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Mangel und dem im Zusammenhang mit den vorgenannten Kosten eingetretenen Vermögensschaden ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Das erste Trocknungsgerät wurde ausweislich der Rechnung, Anlage K 11, Bl. 43 d.A., bereits am 24.06.2013, und damit nicht nur vor Übergabe (im Juli 2013) und vor Einzug der Klägerinnen in das streitgegenständliche Haus (im September 2013), sondern sogar vor Ausführung der streitgegenständlichen Abdichtung im Juli 2013 angeschafft. Es fehlt damit offensichtlich an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Mangel und Schaden.

Der Energieberater wurde von den Klägerinnen bereits im Dezember 2013 beauftragt (Anlage K12, Bl. 42 d.A.). Die Klägerinnen haben jedoch in erster Instanz selbst vorgetragen, das (mangelbedingte) Eindringen von Nässe erst im Juli 2014 entdeckt zu haben. Soweit die Klägerinnen im Verhandlungstermin vor dem Landgericht Bochum am 18.04.2018 angedeutet haben, schon vor Juli 2014 “Schimmelerscheinungen” in den Kellerräumen festgestellt zu haben, ist von ihnen weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass diese Erscheinungen bereits auf der mangelhaften Außenabdichtung beruhten.

3.

Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt, soweit der Hauptanspruch besteht, aus §§ 291, 288 BGB. Die Klage ist der Beklagten am 19.09.2017 zugestellt und damit rechtshängig geworden, so dass die Beklagte zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen ab dem 19.09.2017 verpflichtet ist.

II.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und – im tenorierten Umfang – begründet.

1.

Erstinstanzlich hatten die Klägerinnen – ausweislich der Klarstellung in ihrer Klageschrift vom 21.08.2017, Bl. 7 d.A. – Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Übernahme sowohl von künftig entstehenden Mangelbeseitigungskosten, soweit sie die aus dem Gutachten des Sachverständigen U ersichtlichen Kosten von 85.705,29 Euro übersteigen, als auch von künftig entstehenden weiteren Ansprüchen auf Zahlung von Schadensersatz wegen entgangener Nutzung der Kellerräume verpflichtet ist. Das Bestehen letztgenannter Ansprüche hat das Landgericht jedoch – rechtskräftig – bereits dem Grunde nach verneint, so dass die von den Klägerinnen insoweit begehrte Feststellung nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.

Vor diesem Hintergrund hat die Berufung der Beklagten insoweit Erfolg, als das Landgericht einen Feststellungsanspruch der Klägerinnen hinsichtlich eines jeden, künftig durch die fehlerhafte Abdichtung noch entstehenden, über den zugesprochenen Betrag hinausgehenden Schadens angenommen hat. Der Feststellungsanspruch der Klägerinnen beschränkte sich vielmehr – angesichts der Klarstellung in ihrer Klageschrift vom 21.08.2017, Bl. 7 d.A. – allein auf die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme künftig entstehender Mangelbeseitigungskosten, soweit sie einen Betrag von 85.705,29 Euro übersteigen.

2.

Der Feststellungsantrag ist zulässig; insbesondere besteht das erforderlich Feststellungsinteresse.

a.

Zwar ist ein Feststellungsantrag für zusätzliche Kosten der Mängelbeseitigung in der Sache nicht erforderlich, weil in dem Ausspruch eines Vorschussanspruches zugleich auch die Feststellung der auf die tatsächliche Höhe der Mangelbeseitigungskosten gerichteten Zahlungspflicht enthalten ist, man also ohne weiteres aufgrund dieses Titels auch Mehrforderungen geltend machen kann (BGH, Urt. v. 25.09.2008 – VII ZR 204/07 -, juris). Dies macht aber einen dennoch gestellten Feststellungsantrag nicht unzulässig. Denn ein rechtliches Interesse ist immer dann zu bejahen, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfang durch den Antrag auf Zahlung erfasst wird. Der Besteller, der – wie vorliegend – nicht zu überblicken vermag, ob der von ihm verlangte Vorschuss für die Mängelbeseitigung ausreicht, kann deshalb nicht gehindert werden, ergänzend die den Vorschuss übersteigende Kostentragungspflicht des Unternehmers feststellen zu lassen (BGH, Urt. v. 15.01.2008 – VI ZR 3/07 -, BauR 2008, 867; Urt. v. 20.02.1986 – VII ZR 318/84 -, juris). Denn einem solchen Feststellungsantrag kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine klarstellende Funktion zu und ist damit nicht unzulässig (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31. Oktober 2018 – 11 U 166/17 -, juris).

3.

Der Antrag ist begründet, soweit ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses besteht. Denn es ist durchaus wahrscheinlich, dass die tatsächlich entstehenden Kosten die von dem Sachverständigen nach allgemeinen Grundsätzen kalkulierte Höhe übersteigen könnten (vgl. OLG Köln, a.a.O.).

C.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 2. HS. ZPO.

Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 BGB der Beklagten aufzuerlegen, da die Zuvielforderung der Klägerinnen verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat.

Da der Beklagten als der von ihnen unterstützten Partei die Kosten des Rechtsstreit auferlegt wurden, tragen die Streithelferinnen die ihnen jeweils entstandenen Kosten selbst, vgl. § 101 Abs. 1 2. HS ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

OLG Stuttgart zu der Frage, ob Kosten für ein von der Partei beauftragtes Gutachten über Ursache und Ausmaß der eingetretenen und vielleicht noch zu erwartenden Mängel als Mangelfolgeschaden materiellrechtlich gemäß § 13 Nr. 7 VOB/B zu ersetzen sind

OLG Stuttgart zu der Frage, ob Kosten für ein von der Partei beauftragtes Gutachten über Ursache und Ausmaß der eingetretenen und vielleicht noch zu erwartenden Mängel als Mangelfolgeschaden materiellrechtlich gemäß § 13 Nr. 7 VOB/B zu ersetzen sind

Kosten für ein von der Partei beauftragtes Gutachten über Ursache und Ausmaß der eingetretenen und vielleicht noch zu erwartenden Mängel können als Mangelfolgeschaden materiellrechtlich gemäß § 13 Nr. 7 VOB/B zu ersetzen sein (vgl. BGH NJW 2002, 141 f.; BGH NJW 1971, 99 ff.;). Dieser Schaden entsteht von vornherein neben dem Nachbesserungsanspruch, weshalb eine Fristsetzung nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B nicht Anspruchsvoraussetzung ist (BGH NJW 2002, 141 f.). Zu ersetzen sind die (Privat-) Gutachterkosten, soweit sie im Einzelfall erforderlich waren, um dem Bauherrn ein zuverlässiges Bild über die Mängel zu verschaffen und es ihm zu ermöglichen, seine diesbezüglichen Ansprüche richtig zu beurteilen (BGH NJW 1971, 99 ff.; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage 2005, Rdnr. 159 ff.). Dabei kann der nicht sachkundige Auftraggeber unter Umständen sogar überhöhte Kosten der Untersuchungen durch den Sachverständigen – die objektiv nicht erforderlich waren – erstattet verlangen. Denn er muss sich grundsätzlich darauf verlassen können, dass der Sachverständige nur solche Untersuchungen durchführt, die zur zuverlässigen Beantwortung der anstehenden Fragen erforderlich sind (vgl. Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, 14. Auflage 2001, § 13 Nr. 7 VOB/B, Rdnr. 715).

OLG Stuttgart, Urteil vom 18.10.2007 – 7 U 69/07

Gründe

I.

Die Klägerin ist gewerblich auf dem Gebiet der Kanaltechnik und Kanalsanierung tätig. Sie verlangt von der beklagten Gemeinde restlichen Werklohn für Kanalsanierungsarbeiten am Kanalnetz der Beklagten. Die Beklagte ihrerseits verlangt von der Klägerin im Wege der Widerklage Schadensermittlungskosten in Zusammenhang mit Mängeln an der Werkleistung der Klägerin.

Die Klägerin hatte bereits im Jahre 1999 Kanalsanierungsarbeiten für die Beklagte durchgeführt, die abgeschlossen und bezahlt wurden. Mit Bauvertrag vom 20.06.2000 (Anlage A 1, nach Bl. 12 d.A.) wurde die Klägerin von der Beklagten mit der Durchführung weiterer Kanalsanierungsarbeiten mit einer Gesamtvergabesumme von 552.539,66 DM beauftragt. Unstreitig wurde zwischen den Parteien dabei die Geltung der VOB/B vereinbart. Gegenstand der Beauftragung war keine umfassende Gesamtsanierung des Kanalsystems, sondern die Sanierung punktueller Schäden.

Die Werkleistungen der Klägerin wurden in der Folgezeit erbracht und unstreitig von der Beklagten abgenommen. Die Klägerin erteilte unter dem 05.12.2001 Schlussrechnung (Anlage A 2, nach Bl. 12 d.A.). Diese weist nach Berücksichtigung verschiedener Teilzahlungen der Beklagten einen noch zu bezahlenden Betrag von 140.631,19 DM aus, was 71.903,58 EUR entspricht. Dieser Betrag, der mit der Klage nebst Zinsen geltend gemacht wird, wurde von der Beklagten unter Hinweis auf zahlreiche behauptete Mängel der klägerischen Werkleistung nicht bezahlt.

Die Beklagte ließ im Juni 2002 durch eine Drittfirma – die Kanal-B. GmbH, E. – die Arbeiten der Klägerin überprüfen. Dabei wurde eine Kanalbefahrung mit einer Videokamera durchgeführt. In der Folgezeit hat die Beklagte in großem Umfang Mängel an der klägerischen Werkleistung behauptet und die Mängelbeseitigungskosten auf einen Betrag von 100.978,00 EUR beziffert. Mit einem von ihr in dieser Höhe behaupteten Schadenersatzanspruch hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit gegen die Klagforderung aufgerechnet und den überschießenden Betrag von 29.074,42 EUR nebst Zinsen im Wege der Widerklage geltend gemacht. Daneben hat die Beklagte, ebenfalls jeweils im Wege der Widerklage, Schadensermittlungskosten in Höhe von 28.316,76 EUR geltend gemacht und Feststellung begehrt, dass die Klägerin auch den weiteren Schaden zu ersetzen habe, der durch die mangelhafte Kanalsanierung entstanden sei oder noch entstehen werde. Die Schadensermittlungskosten betreffen die von der Beklagten beauftragte Mängelermittlung und Auswertung durch die Firma E., S..

Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 8.893,08 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auch die Widerklage wurde vom Landgericht abgewiesen. Beide Parteien haben gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt, die Beklagte zudem auch Anschlussberufung.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihren Restwerklohnanspruch, soweit dieser noch nicht zuerkannt wurde, unter Vertiefung ihres bisherigen Vortrages weiter. Sie hält die von der Beklagten geltend gemachten Schadenersatzansprüche nach wie vor weder dem Grunde noch der Höhe nach für gegeben. Die Klägerin greift insbesondere die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. zur Mangelhaftigkeit ihrer Werkleistungen an. Außerdem ist die Klägerin der Auffassung, dass etwaige Schadenersatzansprüche der Beklagten jedenfalls ohne Umsatzsteuer geschuldet wären.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die von ihr geltend gemachten Schadensermittlungskosten in Höhe von 28.316,76 EUR nebst Zinsen weiter. Sie hat dabei zuletzt Zahlung in Höhe eines Betrages von 12.667,20 EUR und Freistellung hinsichtlich des Restbetrages von 15.649,56 EUR verlangt. Zudem hat die Beklagte Anschlussberufung eingelegt und mit dieser eine Eventualwiderklage auf Feststellung erhoben, dass die Klägerin nach Ausführung der Mängelbeseitigungsarbeiten die anfallende Mehrwertsteuer zu erstatten habe. Die Eventualwiderklage ist für den Fall erhoben, dass die Aufrechnung gegen die Hauptforderung mit Schadenersatzansprüchen der Beklagten nur in Höhe des Nettobetrages oder nur in Höhe eines Mehrwertsteuersatzes von 16 % für begründet erachtet wird.

Die Klägerin beantragt wie folgt:

1. Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22. Februar 2007, Az: 3 O 516/02, wird abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, über den zuerkannten Betrag von 8.893,08 EUR nebst Zinsen hieraus von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 16. Januar 2002 hinaus weitere 63.010,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 16. Januar 2002 zu zahlen.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Anschlussberufung wird als unbegründet zurückgewiesen.

4. Die Eventualwiderklage wird als unzulässig abgewiesen, hilfsweise als unbegründet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Widerklage hat die Beklagte zunächst wie folgt beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22.02.2007, Az: 3 O 516/02 III, wird abgeändert.

2. Auf die Widerklage der Beklagten wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 28.316,76 EUR nebst 8 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Widerklageschriftsatzes zu bezahlen.

Nunmehr beantragt die Beklagte hinsichtlich der Widerklage wie folgt:

1. Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22.02.2007, Az: 3 O 516/02 III, wird abgeändert.

2. Auf die Widerklage der Beklagten wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 12.667,20 EUR nebst 8 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Widerklageschriftsatzes zu bezahlen.

3. Die Klägerin wird verurteilt, die Beklagte von der Bezahlung einer Forderung in Höhe von 15.649,56 EUR der E. R. AG, S., freizustellen.

Im Rahmen ihrer Anschlussberufung beantragt die Beklagte – bedingt für den Fall, dass die Aufrechnung gegen die Hauptforderung mit Schadenersatzansprüchen der Beklagten nur in Höhe des Nettobetrages oder nur in Höhe eines Mehrwertsteuersatzes von 16 % für begründet erachtet wird -,

festzustellen, dass die Klägerin nach Ausführung der Mängelbeseitigungsarbeiten die anfallende Mehrwertsteuer zu erstatten hat.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der ebenfalls zulässigen Berufung der Beklagten war hingegen stattzugeben. Die im Wege der Anschlussberufung zulässig erhobene Eventualwiderklage der Beklagten kommt nicht zum Tragen.

1. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht Heilbronn hat durch das angegriffene Urteil zu Recht lediglich einen Restwerklohnanspruch der Klägerin in Höhe von 8.893,08 EUR nebst Zinsen zuerkannt. Zutreffend hat das Landgericht Schadenersatzansprüche der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 63.010,50 EUR bejaht. In dieser Höhe hat die Beklagte wirksam gegen die – im Ausgangspunkt unstreitige – Restwerklohnforderung aufgerechnet.

a) Die Parteien haben unstreitig die Geltung der VOB/B vereinbart. Angesichts des Datums des Vertragsschlusses (20.06.2000) ist von der Einbeziehung der VOB/B Ausgabe 1998 auszugehen. Die Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche richten sich daher nach der Regelung des § 13 7 VOB/B in der damaligen Fassung. § 13 VOB/B enthält eine abschließende Regelung der Mängelrechte nach Abnahme (vgl. Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007, § 634 BGB, Rdnr. 28). Alle Leistungen der Klägerin sind unstreitig abgenommen.

b) Nach § 13 7 Abs. 1 VOB/B 1998 setzte die Schadenersatzpflicht einen wesentlichen Mangel voraus, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und auf ein Verschulden des Auftragsnehmers oder seiner Erfüllungsgehilfen zurückzuführen ist.

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung meint, der Schadenersatzanspruch nach § 13 VOB/B setze Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus, ist dies für den hier angesprochenen Bereich nicht richtig. Vielmehr regelte in der hier maßgeblichen Fassung der VOB/B lediglich § 13 Nr. 7 Abs. 2 VOB/B, dass ein ‑darüber hinausgehender, das heißt von Absatz 1 nicht erfasster, Schaden unter anderem dann zu ersetzen ist, wenn der Mangel auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht (vgl. nunmehr § 13 Nr. 7 Abs. 2 VOB/B 2002). Im Bereich von § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B 1998 war hingegen auch zum damaligen Zeitpunkt jede Form von Fahrlässigkeit haftungsbegründend.

c) Angesichts der vom Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. S. festgestellten Mängel sind die vom Landgericht zuerkannten Schadenersatzansprüche begründet. Es handelt sich durchweg um wesentliche Mängel, die die Gebrauchsfähigkeit der Bauleistung jeweils erheblich beeinträchtigen und auf ein Verschulden der Klägerin als Auftragnehmerin respektive ihrer Erfüllungsgehilfen zurückzuführen sind. Gegenstand des vorliegenden Werkvertrages war die Sanierung der Abwasserkanäle der beklagten Kommune. Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. S. hat in der als Anlage zur gutachterlichen Stellungnahme vom Mai 2005 (Bl. 206 d.A.) beigefügten Tabelle für die insgesamt 123 Schadenspositionen jeweils in Spalte 13 eine Schadensbeschreibung aufgenommen, die im landgerichtlichen Urteil (Seiten 20 ff.) für die als mangelhaft eingestuften Einzelpositionen wiedergegeben ist. Es geht ganz überwiegend um nicht fachgerechte Rohrverbindungen mit sichtbarer Feuchtigkeit, des weiteren um Risse und um Stellen mit losem Verpressmaterial. Der Sachverständige Prof.-Dr.-Ing. D. S. hat im Rahmen seiner Anhörung im Berufungsverfahren ausgeführt, dass ein sanierter Kanal die Anforderungen erfüllen muss, die an einen neuen Kanal gestellt werden. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass es sich bei den von ihm festgestellten Mängeln nicht etwa um Schönheitsfehler handelt. Die vorliegenden Mängel stellen den Erfolg der Sanierungsmaßnahmen in Frage. Bei der richtigen Wahl der technischen Verfahren wäre es – so der Sachverständige – möglich gewesen, aus technischer Sicht einen Sanierungserfolg zu erzielen. Angesichts dieser klaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bestehen weder ernsthafte Zweifel an einer erheblichen Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Leistung noch am Verschulden der Klägerin.

d) Nicht gefolgt werden kann auch der ebenfalls in Zusammenhang mit der Frage der Mangelhaftigkeit stehenden Argumentation der Klägerin, das Landgericht habe die Rolle und die Befugnisse des Bauleiters der Beklagten, Herrn Dipl.-Ing. Ch. M., verkannt. Die Ausführungen des Landgerichts zur Frage der vertraglich geschuldeten lokalen Einzelleistungen, zur ‑sparsamen Arbeitsweise und zu Einzelweisungen sind in jeder Hinsicht klar und überzeugend. Der Senat hat diesen Ausführungen nichts hinzuzufügen.

e) Auch die mit der Berufung (erneut) vorgetragenen Einwendungen gegen die vom Sachverständigen gewählten Methodik und zum Inhalt der von ihm getroffenen Feststellungen sind nicht überzeugend.

Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. D. S. hat im Rahmen seiner Anhörung im Berufungsverfahren zunächst in grundsätzlicher Hinsicht ausgeführt, dass es heute üblich sei, Kanäle mittels einer Befahrung durch Fernsehkameras zu inspizieren. Die Auswertung dieser Befahrungen erfolgt dann in der Regel im Ingenieurbüro. Voraussetzung für tragfähige Feststellungen sei allerdings, dass die Videobänder aussagefähig sind, man also genug auf ihnen erkennen könne. Nach den klaren Darlegungen des Sachverständigen erfüllten die Videoaufnahmen, die ihm im Streitfall vorlagen, diese Voraussetzungen. Die Videoaufnahmen waren durch Geräte gefertigt, die dem Stand der Technik entsprachen. Insbesondere – so der Sachverständige weiter – entsprach auch die Ausleuchtung dem Stand der Technik. Der Sachverständige hat auch darauf hingewiesen, dass es entgegen der Auffassung der Klägerin eine feste Regel, wonach nur in Fließrichtung inspiziert werden dürfe, nicht gibt. Die Abnahmebefahrung der Klägerin wurde bei den Untersuchungen des Sachverständigen mitberücksichtigt. Die Vorgabe, dass vor Inspektionen die Innenflächen der Kanäle getrocknet sein müssen, war nach den Darlegungen des Sachverständigen ebenfalls erfüllt. Der Sachverständige hat bei alldem betont – und dies als Selbstverständlichkeit bezeichnet -, dass er seine Feststellungen unter Berücksichtigung der technischen Normen DIN EN-752-5 und DIN EN-1610 getroffen hat.

Im Weiteren hat der Sachverständige in überzeugender Weise zu den Einwendungen der Klägerin in Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen (bloßen) Glanzstellen und Feuchtigkeit Stellung genommen. Er hat sich, unter näherer Darstellung des Injektionsverfahrens mittel eines sogenannten Packers, erneut darauf festgelegt, dass die von ihm als Feuchtigkeitsstellen festgestellten Stellen tatsächlich feucht waren und es sich dort nicht um den sogenannten ‑Harzglanz handelte, sondern jeweils Infiltration von Wasser vorhanden war. Nachdem eine solche Festlegung nach den Ausführungen des Sachverständigen bereits anhand der vorhandenen Videoaufnahmen möglich war, bedurfte es hier auch keines Einweisungstermins.

Der Sachverständige hat schließlich auch in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass er anhand der Datierungen der ausgewerteten Videobänder einerseits und der Arbeitsberichte und Protokolle andererseits die Arbeitsstellen der Klägerin auf den Bändern verortet hat, um die Arbeitsergebnisse zu bewerten.

f) Das Landgericht hat auf der Grundlage der einzelnen Feststellungen des Sachverständigen die Schadensbeseitigungskosten zutreffend auf einen Gesamtbetrag von netto 52.950,- EUR addiert. Dass die Klägerin im Rahmen ihres Berufungsvortrages insoweit lediglich auf einen Betrag von 52.150,- EUR netto kommt, beruht darauf, dass die Klägerin in ihrer Auflistung die Schadensposition mit der laufenden Nummer 100 (‑Scherbenbildung im Sohlbereich ist nicht fachgerecht saniert) mit einem Nettobetrag von 800,- EUR nicht mit aufgeführt hat. Die Berechnung des Landgerichts ist demgegenüber zutreffend.

Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. S. hat im Rahmen der Berufungsverhandlung klarstellend erläutert, dass sich die Schadensbeseitigungskosten jeweils auf die konkrete Schadensstelle beziehen und lediglich in den wenigen Fällen, in denen mehrere Schadensstellen eng beieinander lagen, eine sogenannte Renovierung vorgeschlagen wurde, die dort günstiger ist als einzelne Reparaturen in jenen Bereichen. Die Beklagte erhält daher durch den Schadensausgleich keineswegs mehr als durch den ursprünglichen Auftrag, der unstreitig lediglich auf eine punktuelle Kanalsanierung (sogenannte Reparatur) ausgerichtet war.

g) Zu Recht hat das Landgericht im Rahmen der Berechnung der Schadenersatzansprüche der Beklagten jeweils die Umsatzsteuer aus den Nettobeträgen mitberücksichtigt.

aa) Dem Einwand der Klägerin, es handle sich um eine ‑echte Schadenersatzforderung, die nicht steuerbar sei, weil ein Austauschverhältnis insoweit fehle, kann nicht gefolgt werden. Beim Schadensausgleich in Geld gemäß § 13 7 VOB/B ist die Umsatzsteuer in der vorliegenden Konstellation grundsätzlich ersatzfähig (OLG München, IBR 2000, 114; vgl. Wirth in: Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Auflage, § 13 Nr. 7 VOB/B, Rdnr. 117). Im Rahmen des Schadenersatzes werden Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Es handelt sich um Aufwendungen, die der Auftraggeber selbst zur Schadensbeseitigung erbringen muss. Hierzu gehört die Umsatzsteuer (OLG München, a.a.O.). Zur Erreichung der Baumängelfreiheit fällt die Umsatzsteuer auf die erforderlichen Bauleistungen an (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 18.01.2007, 12 U 120/06, zit. nach JURIS). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn als Schaden entgangener Gewinn oder ein merkantiler Minderwert verlangt wird (OLG München a.a.O.).

Ob die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Bauleistungen tatsächlich ausgeführt werden, ist unerheblich. Die Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, die verlangt, dass die Umsatzsteuer tatsächlich anfällt, ist schon wegen der Übergangsregelung des Art. 229 § 8 EGBGB hier nicht anwendbar. Die Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB bezieht sich im Übrigen nur auf den Schadenersatz wegen Beschädigung einer Sache. Vorliegend geht es aber gerade nicht um den Ausgleich eines Integritätsschadens.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus Haushaltsvorschriften und einer aus diesen gegebenenfalls resultierenden Zweckgebundenheit der streitgegenständlichen Schadenersatzansprüche.

bb) Nicht im Rahmen des Schadenersatzes zu berücksichtigen ist die Umsatzsteuer im Ergebnis allerdings auch dann, wenn der Auftraggeber vorsteuerabzugsberechtigt ist. Denn dann entsteht ihm wegen § 15 UStG gar kein Schaden, weil er die zu zahlenden Mehrwertsteueranteile hinsichtlich der Schadensbehebungsmaßnahmen als Vorsteuerbetrag gegenüber dem Finanzamt wieder abziehen kann (vgl. OLG Celle, IBR 2004, 564; vgl. bereits BGH NJW 1972, 1460). Eine Vorsteuerabzugsberechtigung der beklagten Gemeinde kann aber für den hier konkret in Rede stehenden Bereich, nämlich der Sanierung des Abwasserkanalsystems, nicht festgestellt werden. Die Beklagte handelt hier nicht als Unternehmen bzw. auch nicht wie ein Unternehmen im Rahmen gewerblicher Tätigkeit. Gemäß § 2 Abs. 3 UStG sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 , § 4 des Körperschaftssteuergesetzes) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Die Beklagte betreibt nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag die Abwasserbeseitigung als Pflichtaufgabe der Gemeinde im Wege eines sog. Regiebetriebs der Gemeinde als sog. Hoheitsbetrieb. Sie handelt demnach bei der Abwasserbeseitigung ‑hoheitlich im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG und nicht im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art. Die Abwasserbeseitigung durch Personen des öffentlichen Rechts wird seit jeher als Ausübung öffentlicher Gewalt beurteilt (vgl. BFH DB 1998, 850).

Ist damit aber die beklagte Gemeinde hier nicht als Unternehmen bzw. wie ein Unternehmen tätig, scheidet eine Vorsteuerabzugsberechtigung gemäß § 15 UStG aus.

cc) Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht der Schadensberechnung den gegenwärtig geltenden Umsatzsteuersatz von 19 % zugrunde gelegt. Der Anspruch auf Schadenersatz in Geld bemisst sich grundsätzlich nach den Wert- und Preisverhältnissen im Zeitpunkt der Erfüllung (vgl. Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Auflage 2007, Vorb. zu § 249 BGB, Rdnr. 174 m.w.N.). Im gerichtlichen Verfahren ist grundsätzlich von den Verhältnissen der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter auszugehen, wobei die weitere Entwicklung der Nach- und Vorteile bis zur voraussichtlichen Erfüllung zu berücksichtigen ist (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1450). Durch die Mehrwertsteuererhöhung zum 01.01.2007 ist der Schaden der Beklagten gestiegen, da sie für eine mangelfreie Herstellung des Werks nunmehr erhöhte Kosten hat. Nachdem die in Rede stehenden Schadenersatzansprüche nun Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, ist der jetzt geltende Mehrwertsteuersatz maßgebend.

Die allein die Widerklage betreffende Berufung der Beklagten hat Erfolg.

a) Die im Schriftsatz vom 24.09.2007 enthaltene geänderte Antragstellung hinsichtlich der Widerklage begegnet keinen prozessualen Bedenken (§§ 533, 529 ZPO in Verbindung mit § 264 2 ZPO). Es handelt sich um eine qualitative Änderung des Antrages bei gleich bleibendem Klagegrund (vgl. Zöller-Greger, Zivilprozessordnung, 26. Auflage 2007, § 264 ZPO, Rdnr. 3 b m.w.N.).

b) Kosten für ein von der Partei beauftragtes Gutachten über Ursache und Ausmaß der eingetretenen und vielleicht noch zu erwartenden Mängel können als Mangelfolgeschaden materiellrechtlich gemäß § 13 7 VOB/B zu ersetzen sein (vgl. BGH NJW 2002, 141 f.; BGH NJW 1971, 99 ff.;). Dieser Schaden entsteht von vornherein neben dem Nachbesserungsanspruch, weshalb eine Fristsetzung nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B nicht Anspruchsvoraussetzung ist (BGH NJW 2002, 141 f.). Zu ersetzen sind die (Privat-) Gutachterkosten, soweit sie im Einzelfall erforderlich waren, um dem Bauherrn ein zuverlässiges Bild über die Mängel zu verschaffen und es ihm zu ermöglichen, seine diesbezüglichen Ansprüche richtig zu beurteilen (BGH NJW 1971, 99 ff.; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage 2005, Rdnr. 159 ff.). Dabei kann der nicht sachkundige Auftraggeber unter Umständen sogar überhöhte Kosten der Untersuchungen durch den Sachverständigen – die objektiv nicht erforderlich waren – erstattet verlangen. Denn er muss sich grundsätzlich darauf verlassen können, dass der Sachverständige nur solche Untersuchungen durchführt, die zur zuverlässigen Beantwortung der anstehenden Fragen erforderlich sind (vgl. Ingenstau/Korbion, Kommentar zur VOB, 14. Auflage 2001, § 13 Nr. 7 VOB/B, Rdnr. 715).

c) Das Landgericht hat im vorliegenden Fall den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Schadensermittlungskosten zu Unrecht verneint.

Das Landgericht hat darauf verwiesen, dass die Beklagte, die über ein eigenes Bauamt verfüge, sowohl die Planung der Kanalisationsarbeiten als auch die anschließende Durchführung ‑in eigener Zuständigkeit bzw. mit dem Streithelfer als Bauleiter erbracht habe. Es hätte nach Ansicht des Landgerichts unter Schadensminderungsgesichtspunkten (§ 254 BGB) nahe gelegen und wäre ausreichend gewesen, die der Beklagten vorliegenden Videobänder von einer fachkundigen Person wie dem Streithelfer auswerten zu lassen. Die Beklagte hat hierzu indessen ausgeführt, sie verfüge zwar über ein Bauamt, aber nicht über Mitarbeiter mit einer technischen Ausbildung. Deshalb sei sie gezwungen gewesen, fachkundige Personen – wie das Landgericht zutreffend feststelle – mit der Schadensermittlung zu beauftragen, was mit der Beauftragung der auf Kanalsanierungsarbeiten spezialisierten E. mit ihren Mitarbeitern Dipl.-Ing. St. und K. geschehen sei.

Angesichts der technisch durchaus schwierigen Materie liegt es auf der Hand, dass sich die Beklagte hier externer Fachleute bedienen musste, um sich ein Bild von Art und Ausmaß der Mängel zu verschaffen und diese in den vorliegenden Rechtsstreit einführen zu können.

d) Die Widerklageforderung ist auch der Höhe nach begründet.

Der von der E. abgerechnete Stundensatz von 120,- DM bzw. 60,- EUR ist gerichtsbekannt angemessen, jedenfalls nicht überhöht. Dies zeigen nicht zuletzt auch die Stundensätze des § 9 JVEG.

Die Beklagte hat unter Vorlage von Stundenlisten (Anlagen B 20 und B 21, nach Bl. 157 d.A.) und unter Abgrenzung zu anderen von der E. durchgeführten Aufträgen (Anlage B 22, nach Bl. 157 d.A.) dargetan, dass die Ingenieure der E. im Zeitraum vom 01.09.2001 bis 30.09.2002 insgesamt 182 Stunden und im Zeitraum zwischen dem 01.10.2002 und dem 31.01.2004 224,85 Stunden mit der Mangelermittlung und Auswertung befasst waren. Ob dieser Tätigkeitsumfang für die Schadensermittlung objektiv tatsächlich erforderlich war, was die Klägerin in Abrede stellt, kann nach dem oben Gesagten letztlich offen bleiben. Die Beklagte, die über eigene Sachkunde nicht verfügt, durfte sich darauf verlassen, dass die Ingenieure der E. nur die zur Schadensermittlung erforderlichen Untersuchungen durchführen würden.

e) Die Beklagte hat durch Vorlage eines Kontoauszuges nebst Buchungsaufstellung (Anlage B 26, Bl. 473-475 d.A.) bewiesen, dass sie einen Betrag von 12.667,20 EUR an die E. AG geleistet hat. Insoweit war die Klägerin zur Zahlung zu verurteilen. Der Anspruch auf Verzinsung dieses Betrages beruht auf § 291

Soweit die Beklagte ihrerseits noch nicht an die E. AG geleistet hat, war die Klägerin zur Freistellung zu verurteilen (§ 257 BGB), wobei die Verbindlichkeit, von der freizustellen ist, zur Klarstellung im Tenor näher bezeichnet wurde.

3. Die im Wege einer Anschlussberufung erhobene Eventualwiderklage auf Feststellung, dass die Klägerin nach Ausführung der Mängelbeseitigungsarbeiten die anfallende Mehrwertsteuer zu erstatten hat, ist bedingt für den Fall erhoben, dass die Aufrechnung gegen die Hauptforderung mit Schadenersatzansprüchen nur in Höhe eines Nettobetrages oder nur in Höhe eines Mehrwertsteuersatzes von 16 % für begründet erachtet wird. Beide Bedingungen sind nicht eingetreten.

III.

Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung noch eingegangene Schriftsatz der Klägerin vom 10.10.2007 bot keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. In rechtlicher Hinsicht ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine vorbehaltlose Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB a.F. – die VOB/B enthielt insoweit keine Sonderregelung – nicht zum Ausschluss des Rechts auf Schadenersatz führte. Ausgeschlossen waren vielmehr lediglich die Rechte aus §§ 633, 634 BGB.

IV.

Die Zulassung der Revision war nicht geboten. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

OLG München zur Frage der Fälligkeit des Werklohnanspruchs und der Teilabnahme bei Vertrag über die Lieferung und Erstellung eines Ausbauhauses

OLG München zur Frage der Fälligkeit des Werklohnanspruchs und der Teilabnahme bei Vertrag über die Lieferung und Erstellung eines Ausbauhauses

Enthält bei einem Vertrag über die Lieferung und Erstellung eines Ausbauhauses das Protokoll über die  „Schlussabnahme-Hausübergabe“ lediglich Feststellungen zur vertraglich geschuldeten Erstellung des Hauses selbst und nicht zur daneben vereinbarten – zum Zeitpunkt der Begehung noch nicht fertigstellten – Zusatzleistung „Technikpaket mit Betonkeller und Gas- und Brennwertheizung mit FBH inklusive Montage“, stellt sich die Unterzeichnung des Protokolls nur als Teilabnahme der Lieferung und der Errichtung des Ausbauhauses (ohne Zusatzleistungen) dar. (Rn. 20 – 25)

OLG München, Endurteil v. 15.01.2020 – 20 U 1051/19 Bau

Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 08.02.2019 – 54 O 2698/17

Fundstellen:
ZfIR 2020, 154
BauR 2020, 1341
BeckRS 2020, 92
LSK 2020, 92
NJW-RR 2020, 594
NZBau 2020, 436

Tatbestand

I.

1
Die Parteien streiten um die Fälligkeit von Werklohnansprüchen der Klägerin und Gegenansprüche der Beklagten wegen behaupteter Mängel des Gewerks.

2
Die Parteien haben am 6. Juli/14. August 2014 einen von der Klägerin vorformulierten Vertrag über die Lieferung und Erstellung eines „m.-Ausbauhauses LifeStyle 1“ auf dem Grundstück der Beklagten mit den Zusatzleistungen „Elektropaket Keller inkl. Montage“, „Treppe Keller“ und „Technikpaket mit Betonkeller und Gas-Brennwertheizung mit FBH im EG + DG inkl. Montage“ zum Preis von € 159.680,00 geschlossen. Dieser Preis hat sich nach Vertragserweiterung um € 11.344,00 erhöht.

3
Nach Lieferung und Aufbau des Hauses durch die Klägerin wurde am 12. Februar 2016 ein „Schlussabnahme-Hausübergabe“-Protokoll (K 10) gefertigt. Die dort bezeichneten Mängel hat die Klägerin beseitigt.

4
Das von der Klägerin im Rahmen des vertraglich vereinbarten „Technikpakets mit Montage“ geschuldete Heizungs- und Sanitärpaket (vgl. Bau- und Leistungsbeschreibung Stand 06/2014, S. 23, S. 12, B 7) wurde durch Subunternehmer der Klägerin erbracht. Insoweit hat die Beklagte zu 2) am 18. Mai 2016 eine „Fertigstellungsmeldung“ (K 15) sowie ein „Druckprobenprotokoll“ (K 17) unterschrieben. In letzterem ist unter „Bemerkungen“ ausgeführt: „Sämtliche Wasser und Abwasseranschlüsse sowie Lüftungsauslässe und Heizungsverteiler wurden in Absprache mit Bauherren positioniert und montiert.“

5
Bei den montierten Heizungsverteilern handelt es sich um zwei Unterputzgeräte, die sowohl im Flur im Erdgeschoss als auch im Kinderzimmer im Dachgeschoss nicht in, sondern vor die Wand gesetzt wurden. Dies haben die Beklagten jedenfalls am 29. Juni 2016 telefonisch gegenüber der Klägerin moniert. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 6. September 2016 (B 3) haben die Beklagten die Klägerin unter Fristsetzung zum 20. September 2016 aufgefordert, die beiden Kästen samt Verrohrung unter Putz zu setzen. Nach fruchtlosem Fristablauf haben sie ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe der doppelten Beseitigungskosten geltend gemacht (B 4, B 6). Die Klägerin hat diesbezüglich einen Mangel in Abrede gestellt (K 13).

6
Von der Forderung der Klägerin sind derzeit noch € 25.109,00 offen; eine Mahnung der Klägerin mit Fristsetzung zum 3. März 2017 (K 13) ist erfolglos geblieben. Die Beklagten haben zwischenzeitlich den Innenausbau fertiggestellt und das Haus bezogen.

7
Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, dass ein genauer Standort für die Heizkreisverteiler nicht vereinbart worden sei. Der Standort sei vor Ort festgelegt worden, wobei die Beklagten die Aufputzinstallation gewollt und die Ordnungsgemäßheit der Arbeit mit der „Fertigstellungsmeldung“ (K 15) bestätigt hätten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass damit, jedenfalls aber durch die nachfolgende Herstellung des Innenausbaus durch die Beklagten, das Gewerk abgenommen worden sei.

8
Die Beklagten haben vorgebracht, dass die Heizkreisverteiler vertragswidrig gesetzt worden seien, die falsche Montage sei dem zuständigen Mitarbeiter der Klägerin sofort telefonisch gemeldet worden. Abgesehen vom optisch ungünstigen Eindruck schlage der auf Putz montierte Unterputzverteiler im Erdgeschoss an die Haustüre an. Zur Mängelbeseitigung seien € 12.554,50 erforderlich.

9
Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.

10
Mit Endurteil vom 8. Februar 2019 hat das Landgericht nach Vernehmung der Zeugen S., D. und J. die Beklagten zur Zahlung des Restwerklohns in der unstreitigen Höhe von € 25.109,00 nebst Zinsen verurteilt und das Bestehen des von den Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts verneint. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass u.a. hinsichtlich der Montage der Unterputzkreisverteiler auf und nicht in den Wänden ein Mangel vorliege, ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten allerdings daran scheitere, dass sie das Werk vorbehaltlos abgenommen hätten. Eine Abnahme könne bereits in der am 12. Februar 2016 erklärten Schlussabnahme gesehen werden. Auch wenn sich aus der „Fertigstellungsmeldung“ und dem „Druckprobenprotokoll“ keine Abnahme ergebe, sei zudem eine stillschweigende Abnahme anzunehmen. Denn die Beklagten hätten unstreitig nach Einbringung der Heizkreisverteiler den Innenausbau hergestellt, insbesondere den Estrich eingebracht. Offensichtlich sei die Positionierung der Heizkreisverteiler nicht schriftlich gerügt worden.

11
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstreben die Beklagten die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils. Sie machen insbesondere geltend, dass eine stillschweigende Abnahme nicht angenommen werden könne. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass, wie auch die Vernehmung des Zeugen D. ergeben habe, die Beklagten die Positionierung der Heizverteiler sofort gerügt hätten.

12
Die Beklagten beantragen zuletzt,

1.
Das Urteil des LG Landshut vom 8.02.2019, Az. 54 O 2698/17, wird aufgehoben.

2.
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin € 25.109,00 zu zahlen Zug um Zug gegen Versetzen der Heizkreisverteiler samt Verrohrung im Anwesen K. 12b in … G., gelegen im DG und EG, unter Putz.

Hilfsweise: Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

13
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,

Kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

14
Sie macht geltend, dass das Landgericht fehlerhaft einen Mangel angenommen habe. Denn der Klagepartei habe es frei gestanden, die Verteiler dort zu positionieren, wo sie letztendlich auch montiert wurden. Zumindest hätte das Landgericht zu dieser Frage einen Sachverständigen hinzuziehen müssen. Ausweislich der am 12. Februar 2016 erklärten Schlussabnahme (K 10) sei das Werk abgenommen worden, jedenfalls stellten die „Fertigstellungsmeldung“ (K 15) und das „Druckprobenprotokoll“ (K 17) eine zulässige rechtsgeschäftliche Teilabnahme dar.

15
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

16
Die zulässige Berufung der Beklagten hat im Hilfsantrag Erfolg. Das Urteil des Landgerichts war aufzuheben und die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen.

17
Der Vertrag vom 6. Juli/14. August 2014 (K 1) über die Lieferung und Erstellung des Fertighauses auf dem Grundstück der Beklagten nebst Zusatzleistungen ist rechtlich als Werkvertrag einzuordnen. Denn die Klägerin hat nicht nur die Verpflichtung zur Übereignung von Fertigelementen übernommen, sondern auch die das Gesamtbild des Vertrags prägende Verpflichtung zur Herstellung bzw. Errichtung des Bauwerks (vgl. Palandt, BGB, § 650 Rn. 5 mwN).

18
Die unstreitig noch offene Werklohnforderung in Höhe von € 25.109,00 ist noch nicht fällig.

19
a) Eine Fälligkeit gemäß § 641 BGB ist wegen berechtigter Verweigerung der Abnahme des Gewerks „Heizung“ nicht gegeben.

20
aa) Abnahme ist die Anerkennung eines Werks als in der Hauptsache vertragsgemäße Leistung verbunden mit einer – soweit möglich – körperlichen Entgegennahme im Rahmen der Besitzübertragung (Palandt, BGB, § 640 Rn. 3 mwN). Soweit vertraglich vereinbart, ist auch eine Teilabnahme möglich, § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB. Darüber hinaus steht es dem Besteller frei, solche Teile eines Werkes vor Fertigstellung des Gesamtwerkes abzunehmen, die sich bei natürlicher Betrachtungsweise abtrennen lassen und insoweit eine sinnvolle selbständige Einheit darstellen (MünchKom BGB, § 640 Rn. 23).

21
bb) Eine ausdrückliche Abnahme des Gewerks Heizung im vorstehenden Sinn hat nicht stattgefunden. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt weder die „Schlussabnahme – Hausübergabe“ (K 10), noch die „Fertigstellungsmeldung“ (K 15), noch das „Druckprobenprotokoll“ (K 17) eine Abnahme in Bezug auf die Positionierung der Heizkreisverteiler dar.

22
(1) Die „Schlussabnahme-Hausübergabe“ (K 10) vom 12. Februar 2016 bezog sich, wie sich aus dem Text dieses Protokolls ergibt, ausschließlich auf die vertraglich geschuldete Erstellung des Hauses selbst und nicht auf die daneben vereinbarten Zusatzleistungen. Zweck der gemeinsamen Begehung am 12. Februar 2016 war ausweislich des Protokolls (K 10) ausschließlich die „Abnahme des Hauses.“ Demgemäß haben die Besteller auch lediglich erklärt, dass „sich das Haus in einem sach- und fachgerechten Zustand befindet.“ Im Einklang hiermit wurde bei dieser Abnahme auch nur das Haus von außen (Dacheindeckung, Dachrinne, äußere Holzteile, Fenster, Türen, Wände) und von innen (Wände, Sauberkeit, Dachstuhl) geprüft.

23
Die daneben vertraglich geschuldeten Zusatzleistungen in Gestalt jedenfalls des „Technikpakets mit Betonkeller und Gas- und Brennwertheizung mit FBH im EG und DG inkl. Montage“ wurden ausweislich des Protokolls im Termin vom 12. Februar 2016 weder thematisiert noch geprüft, und auch – sofern mit der Erbringung der Zusatzleistungen überhaupt schon begonnen worden war – erst im Mai 2016 fertiggestellt.

24
Die Unterzeichnung des Protokolls (K 10) stellt sich deshalb nur als Teilabnahme, d.h. als Billigung lediglich eines Teils der Leistung, nämlich der Lieferung und der Errichtung des Ausbauhauses, als vertragsgemäße Leistung dar und beinhaltete ersichtlich nicht auch die Billigung der vereinbarten, noch nicht erbrachten Zusatzleistungen. Insoweit war aus der Sicht beider Vertragspartner auch noch keine Abnahmesituation gegeben.

25
Soweit die Klägerin meint, mit der Teilabnahme vom 12. Februar 2016 hätten die Beklagten die Abnahme sämtlicher, insbesondere auch der noch nicht erbrachten oder fertiggestellten Leistungen erklärt, geht dies fehl. Denn die Erklärung der Beklagten bezog sich ausweislich des Protokolls (K 10) nur auf bestimmte, genau bezeichnete Komponenten des Hauses bzw. insgesamt auf die Ordnungsgemäßheit von dessen Errichtung. Eine ausdrückliche Abnahme von anderen, im Anschluss an die Errichtung des Hauses zu erbringenden Leistungen war hiermit ersichtlich nicht verbunden.

26
Aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Oberlandesgerichts München (9 U 2533/11, NJW 2012, 397 ff.) ergibt sich nichts anderes. Vielmehr ist der dortige Sachverhalt mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Denn anders als hier haben die Besteller in dem zitierten Verfahren in Kenntnis und unter Auflistung der fehlenden Leistungen und der Mängel ausdrücklich die Abnahme des gesamten Vertragsgegenstands erklärt. Derartiges ist – wie vorstehend ausgeführt – vorliegend jedoch nicht geschehen.

27
(2) Die „Fertigstellungsbescheinigung“ (K 15) lässt bereits keinen Willen der Beklagten erkennen, das Werk als vertragsgemäß zu billigen. Im Übrigen unterscheidet auch das von der Klägerin verwendete Vertragsformular (K 1) in § 7 Nr. 1 Satz 5 zwischen der schriftlichen Mitteilung über die Fertigstellung und der Abnahme, woraus erhellt, dass auch die Klägerin einer Fertigstellungsbescheinigung keine Abnahmewirkung beimisst.

28
(3) Soweit im „Druckprobenprotokoll“ (K 17) vermerkt ist, dass die Heizverteiler „in Absprache“ mit den Bauherrn positioniert worden seien, beinhaltet dies ebenfalls keine Billigung des Werks als vertragsgemäß durch die Beklagten. Denn die Positionierung erfolgte nach Angaben des Handwerkers, des Zeugen S., hier deshalb wie geschehen, weil Elektroleitungen und Wände eine andere Positionierung nicht zuließen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2018, S. 2 f., Bl. 64 f.). Erklären sich die Besteller in einer solchen Situation zunächst mit der Montage einverstanden, liegt darin ersichtlich noch nicht die Billigung des Werks als vertragsgemäß.

29
cc) Auch eine stillschweigende Abnahme des Gewerks scheidet aus.

30
Die Beklagten haben unstreitig zeitnah Mängelrüge wegen der Positionierung der Heizverteiler erhoben. Die Klägerin ist der Darstellung der Beklagten, sie hätten die Positionierung der Heizverteiler sofort telefonisch bei der Klägerin moniert, nicht entgegengetreten.

31
Dem Weiterbau durch die Beklagten kann kein Erklärungswert beigemessen werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2019, VII ZR 274/17, BeckRS 2019, 3733 Rn. 31).

32
dd) Die Beklagten haben die Abnahme mit Recht verweigert, da die Positionierung der Heizkreisverteiler mangelhaft ist, § 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch ohne besondere Sachkunde für jedermann offensichtlich, dass die Anbringung der von der Klägerin als geschuldet gelieferten Unterputzverteiler auf Putz weder üblich ist noch von den Bestellern erwartet werden kann.

33
Ihre Behauptung, die Beklagten hätten die Aufputzmontage ausdrücklich gewollt, konnte die Klägerin nicht nachweisen. Der Zeuge S. hat Derartiges nicht bestätigt (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2018, S. 3, Bl. 65).

34
Angesichts der nicht nur optischen Beeinträchtigung durch die fehlerhafte Positionierung der Heizverteiler, sondern des durch Lichtbilder (B 2) nachgewiesenen Umstands, dass der auf Putz montierte Heizverteiler im Eingangsbereich im Erdgeschoss das Öffnen der Haustüre behindert, liegt kein nur unwesentlicher Mangel vor.

35
b) Dass die Werklohnforderung wegen einer wirksamen Vereinbarung der Parteien unabhängig von einer Abnahme fällig geworden wäre, hat die Klägerin schon nicht behauptet.

36
Solches ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Werkvertrag (K 1). Zwar enthält § 3 Ziffer 1 dieses Vertrages Regelungen zum Fälligwerden bestimmter Prozentsätze des Werklohns abhängig vom Stadium der Leistungserbringung. Allerdings verweist dieser Vertragspunkt gleichzeitig auf die Abnahme durch den Bauherrn und „die nach Abnahme fällige Zahlung“, so dass die im Zahlungsplan geregelten Fälligkeiten ersichtlich erst nach erfolgter Abnahme eingreifen. Jedenfalls aber gehen Unklarheiten zu Lasten des Verwenders.

37
c) Ein Fall einer Fälligkeit der Werklohnforderung ohne Abnahme ist nicht gegeben. Vielmehr begehren die Beklagten nach wie vor die Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin, so dass zwischen den Parteien (noch) kein bloßes Abrechnungsverhältnis entstanden ist (vgl. Palandt, BGB, § 634 Rn. 6).

III.

38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

39
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

40
Der Streitwert entspricht dem Wert des Interesses der Berufungsführer.

OLG Hamm zur Frage des Bestehens einer Rechtsgemeinschaft im Sinne von § 741 BGB, wenn Grundstückseigentümer über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Enwässerungsrohrsystem verfügen

OLG Hamm zur Frage des Bestehens einer Rechtsgemeinschaft im Sinne von § 741 BGB, wenn Grundstückseigentümer über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen

Zwischen Eigentümern von Grundstücken besteht auch ohne eine entsprechende Vereinbarung eine Rechtsgemeinschaft im Sinne von § 741 BGB, wenn sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen.

OLG Hamm, Urteil vom 08.11.2012 – I-5 U 100/12

Gründe

I.

Der Kläger ist (Erst)Eigentümer eines Reihenendhauses im H in E. Die Beklagten sind (seit 1970) Eigentümer des in der gleichen Reihe stehenden Reihenendhauses H-Weg. Zwischen den beiden Häusern steht das im Eigentum des an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Herrn N stehende Reihenmittelhaus (H-Weg 3). Alle drei Häuser, die über einen im Eigentum der drei vorgenannten Parteien stehenden Privatweg mit dem öffentlichen H-Weg verbunden werden, haben seit ihrer Errichtung im Jahr 1961 eine gemeinsame Abwasserleitung. Die Abwässer der jeweiligen Häuser werden durch eine vom jeweiligen Haus wegführende separate Leitung (Zuleitung) in eine gemeinsame Grundleitung geführt. Diese Grundleitung verläuft parallel zum vorgenannten Privatweg entlang der Grundstücksgrenze durch alle drei Grundstücke; die Einleitung der Abwässer der einzelnen Häuser erfolgt auf den jeweiligen Grundstücken. Die Abwässer werden dann durch die Grundleitung – Fließrichtung Haus 1 zu Haus 5 – in einen im Grundstück des Hauses 5 liegenden Revisionsschacht eingeführt von wo aus sie dann in das öffentliche Netz in der Straße T-Weg laufen. Die Häuserreihe befindet sich zwischen den Straßen T-Weg und H-Weg, die Erschließung erfolgt über den besagten Privatweg zu der Straße H-Weg wobei das Haus des Klägers (Nr. 5) am Ende und das Haus der Beklagten (Nr. 1) am Anfang des Privatweges liegt; das Grundstück, auf welchem der Privatweg liegt, steht zu je 1/3 im Eigentum der vorgenannten Grundstückseigentümer. Auch das Oberflächenwasser dieses Weges wird über das gemeinsame Abwassersystem abgeleitet; der “Gullydeckel” befindet sich vor dem Reihenmittelhaus (Eigentum N) und das in diesen einlaufende Wasser wird durch einen durch das Grundstück des Herrn N laufenden Kanal ebenda in die Grundleitung geführt.

Eine Eintragung von Dienstbarkeiten ist nicht erfolgt. Zur näheren Beschreibung der Örtlichkeiten wird auf die zur Akte gereichten Skizzen Bl. 6, 21, 27, 52, 60 BA, 54 GA Bezug genommen.

Im Jahr 2001 kam es erstmals zu Problemen mit der Abwasserleitung in Form einer nicht näher beschriebenen Verstopfung der gemeinsamen Grundleitung. Die damaligen Reparaturkosten sowie die Kosten einer weiteren Reparatur im Jahr 2005 (Rechnung vom 21.10.2005), wurden zu gleichen Teilen zwischen den drei Eigentümern geteilt.

Am 17.11.2006 kam es zu einer erneuten Verstopfung der gemeinsamen Grundleitung; wie auch in den Jahren zuvor beauftragten die hiesigen Beklagten die Fa. Rohrreinigung U H2 mit den Beseitigungsarbeiten und zahlten im Anschluss an die Arbeiten auch die Rechnung vom 23.11.2006 in Höhe von 384,54 €. Der hiesige Kläger weigerte sich diesmal, den von ihm eingeforderten Anteil i.H.v. 1/3 (= 128,18 €) an die Beklagten zu erstatten, so dass die hiesigen Beklagten am 15.10.2007 Klage vor dem Amtsgericht Dortmund über einen Betrag von 128,18 € erhoben (Az: 417 C 10054/07). Nachdem im Rahmen von Vergleichsbemühungen der Kanal am 19.02.2008 einer TV-Kamera Untersuchung durch die Fa. U H2 (Kosten laut Rechnung vom 20.02.2008: 978,18 €) zugeführt wurde, hat das Amtsgericht, nachdem ein Vergleich nicht zustande kam, die Klage mit den Parteien am 19. bzw. 20.06.2008 zugestelltem Urteil abgewiesen (Bl. 70 ff der vorgenannten Gerichtsakte). Das Landgericht Dortmund hat mit Berufungsurteil vom 23.01.2009 (Az. 17 S 167/08) der Klage in Höhe von 76,91 € stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den  vorgenannten Urteilen Bezug genommen.

Bereits am 03.12.2007 – also knapp 2 Monate nach Klageeinreichung im vorgenannten Verfahren – war es zu einer erneuten Verstopfung der Abwasserleitung gekommen. Die in der Rechnung der Fa. U H2 vom 04.12.2007 von den hiesigen Beklagten erhobenen Kosten v. 314,76 € teilten die Parteien nach Abschluss des vorgenannten Verfahrens nach Maßgabe des (Berufungs)Urteils des Landgerichts Dortmund vom 23.01.2009. Entsprechend wurde mit den Kosten der im Rahmen des Verfahrens eingeholten TV-Untersuchung verfahren (vgl. Bl. 33 ff GA), die ebenfalls zunächst durch die hiesigen Beklagten verauslagt wurden. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden diverse Undichtigkeiten und erhebliche Betonablagerungen im Bereich zwischen den Grundstücken Nr. 3 (Reihenmittelhaus N2 und Nr. 5 (hiesiger Kläger) festgestellt (Bl. 37 ff BA). Sanierungsmaßnahmen erfolgten im Nachgang zu dieser Untersuchung jedoch zunächst nicht.

Mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten (vorgenanntes Gerichtsverfahren) vom 11.05.2009 erklärte der Kläger, er sei nicht weiter bereit, dass die Abwässer der Beklagten – sowie des Grundstücks Nr. 3 – über sein Grundstück geleitet würden. Vor dem Hintergrund, dass die Abwasserleitung ausweislich der Kamerauntersuchung ohnehin ausgewechselt werden müsse, forderte er die Beklagten auf, ihr Abwasser über einen eigenen Abfluss in den öffentlichen Kanal in die Straße H-Weg zu leiten. Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2010 kündigte der Kläger sodann den “nachbarrechtlichen Duldungsvertrag” und forderte die Beklagten auf, bis zum 30.11.2010 für eine anderweitige Entwässerung ihres Grundstücks zu sorgen. Zugleich wurde erklärt, bei fruchtlosem Fristablauf das einem Klageverfahren voranzustellende Schlichtungsverfahren durchführen sowie einen Nutzungsersatz fordern zu wollen.

Am 28.04.2011 fand zwischen den Parteien – eingeleitete durch den Kläger – ein Schlichtungsverfahren vor dem Schiedsmann statt. Im Rahmen dieses Termins erklärten die Beklagten, sie würden für die Herstellung einer eigenen Abwasserleitung sorgen. Das Schiedsverfahren endete letztlich erfolglos.

Der Kläger beabsichtigt nunmehr eine Kanalsanierung durchzuführen. Zwecks Erstellung eines Angebots hat der Kläger zunächst eine Kanaluntersuchung in Auftrag gegeben. Die beauftragte Fa. H1 hat für diese am 24.06.2011 durchgeführte Untersuchung 385,56 € berechnet (Rechnung vom 24.06.2011, Bl. 13 GA). Nach den sodann erstellten Angeboten der Fa. H1 (Angebot vom 24.06.2011, Bl. 5 f GA) und der Fa. U2 (Angebot vom 15.08.2011, Bl. 7 GA) ergibt sich ein Sanierungsaufwand in Höhe von insgesamt 10.742,13 €. Der weitere Eigentümer, Herr N, hat seine Zustimmung zu einer entsprechenden Sanierung mit Schreiben vom 15.08.2011 (Bl. 8 GA) erteilt. Die Beklagten haben es mit Schreiben der bevollmächtigten “Haus & Grund” vom 13.09.2011 (Bl. 11 GA) abgelehnt, sich an der Sanierung zu beteiligen. Dabei wurde die Erklärung der Beklagten im Rahmen des Schlichtungsverfahrens Bezug genommen und mitgeteilt, dass die Arbeiten zur Erstellung eines eigenen Anschlusses in Auftrag gegeben worden seien und unmittelbar bevor stünden. Des Weiteren sprachen die Beklagen darin ihrerseits die Kündigung des bestehenden Duldungsvertrages betreffend die Frischwasser- und Stromleitung aus (vgl. nachstehende Ausführungen). 

Die Beklagten, die bereits im März 2011 entsprechende Angebote eingeholt hatten, hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die Fa. U GmbH & Co. Erdbau KG mit der Herstellung einer eigenen Abwasserleitung beauftragt (vgl. Auftragsbestätigung vom 28.06.2011, Bl. 38 f GA). Die Arbeiten wurden vom 17. -19. Oktober 2011 durchgeführt; seit dem 19.10.2011 sind die Beklagten mit ihrem Hausgrundstück nicht mehr an die gemeinsame Abwasserleitung angeschlossen. Die Beklagten haben für diese Maßnahme 15.597,97 € (vgl. Rechnung vom 20.10.2011, Bl. 40 f GA) aufgewandt.

Unstreitig wird das Oberflächenwasser des – gemeinsamen – Privatweges nach wie vor in den Grundkanal geführt und über den auf dem Grundstück des Klägers liegenden Revisionsschacht in den öffentlichen Kanal in der Straße T-Weg geleitet.

Neben der Abwasserleitung verlaufen auch die Versorgungsleitungen für Frischwasser und Strom von Beginn an über die drei Grundstücke. Der Hauptanschluss, das heißt der öffentliche Anschluss mit welchem die Grundstücke derzeit verbunden sind, befindet sich in der Straße H-Weg. Wie bereits ausgeführt, kündigte die Beklagten mit Schreiben vom 13.09.2011 (Bl. 11 f GA) den “Duldungsvertrag” im Hinblick auf die Frischwasser- und Stromleitung soweit diese, den Kläger versorgenden Leitungen, über das Grundstück der Beklagten verlaufen. Gleichzeitig wurde der Kläger aufgefordert, die Leitungen bis zum 31.12.2011 zu entfernen. Mit Schreiben vom 29.09.2011 (Bl. 93 GA) führte die Fa. E, als Versorgungsträgerin, aus, dass es sich bei den über das Grundstück der Beklagten laufenden Strom- und Wasserleitungen nicht um Privatleitungen sondern um im Eigentum der Fa. E stehende Leitungen handele, die der gesetzlichen Regelung der Niederspannungsanschlussverordnung und der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser unterfielen. Es bestünde eine Duldungspflicht nach § 12 Abs. 1 NAV und § 8 Abs. 1 AVBWasserV gegenüber dem Netzbetreiber, der Fa. DEW21.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten müssten sich an der Kanalsanierung zu 1/3 beteiligen da die Parteien betreffend die Abwasserleitung eine Rechtsgemeinschaft i.S.v. §§ 741 ff BGB bilden würden. Dies ändere sich auch nicht dadurch, dass die Beklagten nunmehr eine eigene Abwasserleitung hätten. Ebenso hätten sie anteilig die Kosten der vorherigen Kanaluntersuchung zu tragen.

Er hat weiter die Ansicht vertreten, ihm stehe im Hinblick auf die Frischwasser- und Stromversorgungsleitungen ein Notleitungsrecht zu, da die Baukosten für die Herrichtung einer eigenen Versorgung außer Verhältnis stünden. Das Begehren der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. Er habe aufgrund des Kündigungsschreibens der Beklagten vom 13.09.2011 ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Das Schreiben der Fa. E ändere daran nichts.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Sanierung der Abwasserkanalanlage der Grundbesitzungen H-Weg bis 5 in …2 E entsprechend dem Angebot der Fa. Rohrreinigung H1 vom 24.06.2011 und dem Angebot der U2 GmbH & Co. KG vom 18.05.2011 zu erteilen,

festzustellen, dass die Beklagten es weiterhin zu dulden haben, dass die Frischwasserleitung sowie die Stromleitungen, welche zu dem klägerischen Hausobjekt H in …2 E führen, über das Grundstück des Beklagten, H-Weg, dortselbst, verlaufen,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 128,52 € zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben unter Vorlage einer Rechnung der Fa. U H2 vom 22.05.2001 (Bl. 30 f GA) über 4.312,24 €, überzeichnet mit “Teilerneuerung der defekten Grundleitung (Rohrbruch, Muffenversätze)” behauptet, sie hätten nach der ersten Verstopfung der Abwasserleitung im Jahr 2001 sämtliche auf ihrem Grundstück gelegenen Leitungen vollständig auf eigene Kosten sanieren lassen. Die auf ihrem Grundstück verlaufenden Leitungen seien daher in Ordnung. Daher müssten sie sich auch nicht an der erneuten Kanaluntersuchung beteiligen. Sanierungsbedürftig seien die Leitungen nur durch die erheblichen Betonablagerungen zwischen den Grundstücken Nr. 3 und 5. Damit hätten sie nichts zu tun. Infolge der Erstellung eines eigenen Anschlusses seien sie nicht mehr verpflichtet, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen.    

Zudem sei durch das Berufungsurteil des Landgerichts Dortmund vom 23.01.2009 festgestellt worden, dass eine gemeinschaftliche Bindung aller drei Grundstücksparteien gem. § 741 ff BGB nicht gegeben sei.

Mit ihrem Klageerwiderungsschriftsatz vom 05.01.2012 haben die Beklagten ausgeführt, die Kündigung betreffend die Versorgungsleitungen sei erfolgt, da sie eine Gesamttrennung der Grundstücke für sinnvoll erachtet hätten. Durch die Ausführungen der Fa. E habe sich dieses Begehren jedoch erledigt; der Anspruch werde nicht weiter verfolgt. Sie haben infolgedessen die Ansicht vertreten, dass das für den Feststellungsantrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr gegeben sei, da der Anspruch infolge des Schreibens der Fa. DEW21 nicht mehr weiterverfolgt werde.

Das Landgericht hat die Klage im Hinblick auf die Anträge zu 1) und 2) vollumfänglich abgewiesen; dem Antrag zu 3) hat es i.H.v. 96,39 € stattgegeben. Zur Begründung führt es aus:

Die Parteien würden in Bezug auf die Abwasserleitung keine Rechtsgemeinschaft i.S.d. § 741 BGB bilden. Da die Grundleitung über die jeweiligen Grundstücke verliefe, stünde sie als wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Grundstücke gem. § 94 BGB in ihren Teilstücken im Eigentum des jeweiligen Grundstückseigentümers. Da die Entwässerung des Privatweges nicht über das (Haus)Grundstück der Beklagten erfolge, sondern das Wasser unstreitig auf dem (Haus)Grundstück des Herrn N in die Grundleitung eingeleitet werde, seien die Beklagten bzw. der in ihrem Eigentum stehende Teil der Grundleitung von diesem Wasser nicht betroffen. Zudem sei eine Gemeinschaft, sollte eine solche bestanden haben, durch die Erstellung einer eigenen Leitung seitens der Beklagten, aufgehoben.

Der Feststellungsantrag sei zulässig aber unbegründet. Der Kläger könne sich nicht auf ein Notleitungsrecht i.S.d. § 917 BGB berufen, da dieser schon nicht behauptet habe, seinem Grundstück fehle die Verbindung zu einem öffentlichen Weg.

An den Kosten der Kanaluntersuchung hätten die Beklagten sich zu 25% zu beteiligen. Der Anspruch ergebe sich aus §§ 677, 683, 670 BGB.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er vertritt unter Bezugnahme auf seinen gesamten erstinstanzlichen Vortrag weiterhin die Ansicht, die Parteien des Rechtsstreits und der weitere Eigentümer N bildeten eine Rechtsgemeinschaft. Diese könne eine Partei nicht einseitig aufheben. Zudem nutzten auch die Beklagten die gemeinsame Anlage noch für die Entwässerung des Privatweges. Letztlich sei der Sanierungsbedarf auch vor der Erstellung einer eigenen Entwässerung durch die Beklagten entstanden, so dass diese bereits aus diesem Grund an den Kosten – entstanden quasi in der Vergangenheit durch eine Nutzung über einen Zeitraum von 50 Jahren – beteiligen müssten. Das Landgericht habe zu Unrecht eine Kostentragungspflicht von nur 25 % angenommen; diese betrage 1/3.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 06.06.2012, Az. 25 O 594/11, wie folgt abzuändern:

die Beklagten werden verurteilt, ihre Zustimmung zur Sanierung der Abwasserkanalanlage der Grundbesitzungen H-Weg bis 5 in …2 E entsprechend dem Angebot der Fa. Rohrreinigung H1 vom 24.06.2011 und dem Angebot der U2 GmbH & Co. KG vom 18.05.2011 zu erteilen,

festzustellen, dass die Beklagten es weiterhin zu dulden haben, dass die Frischwasserleitung sowie die Stromleitungen, welche zu dem klägerischen Hausobjekt H in …2 E führen, über das Grundstück des Beklagten, H-Weg, dortselbst, verlaufen,

die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an ihn 32,13 € zu zahlen.

Die Beklagten legen Anschlussberufung ein und beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

In erster Linie verteidigen sie das angefochtene Urteil und vertreten, unter Berufung auf ihren gesamten erstinstanzlichen Vortrag, weiterhin die Ansicht, dass es nie eine Rechtsgemeinschaft zwischen den Parteien gegeben habe. Da die Beklagten den Teil der (gemeinsamen) Abwasserleitung, der auf ihrem Grundstück liege, nicht mehr nutzten, weder für die Entwässerung des Hausgrundstücks noch für die Entwässerung des Weges, seien sie nicht verpflichtet, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen.

Ihrer Ansicht nach sei im Hinblick auf den Feststellungantrag bereits kein Feststellungsinteresse des Klägers gegeben.

Im Hinblick auf den Klageantrag zu 3) vertreten die Beklagten die Ansicht, dieser sei insgesamt abzuweisen. Der Kläger habe – insoweit unstreitig – vor der Kanaluntersuchung keine Einwilligungserklärung der Beklagten zu dieser Maßnahme eingeholt. Dies sei, so die Beklagten, widersprüchlich, da er vor der Sanierung ja auch die Zustimmung – nämlich mit der vorliegenden Klage zu 1) – einhole. Zum anderen sei die Kanaluntersuchung nicht notwendig gewesen, da die Leitung, soweit sie auf ihrem Grundstück liege, in Ordnung sei.    

II.

Die zulässige Berufung ist begründet; die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.

1.

Der unter Ziffer 1) der Klage erhobene Anspruch, gerichtet auf die Zustimmung der Beklagten zu der beabsichtigten Kanalsanierung, ist aus § 744 Abs. 2 BGB begründet. Denn die Parteien bilden eine  Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff BGB. Nach § 744 Abs. 2 BGB kann jeder Teilnehmer die Einwilligung der/des Anderen zu notwendigen Erhaltungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Gegenstandes auch bereits im Voraus verlangen.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, besteht zwischen Eigentümern von Grundstücken auch ohne eine entsprechende Vereinbarung eine Rechtsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB, wenn sie über ein einheitliches, die gemeinsamen Grundstücksgrenzen überschreitendes Entwässerungsrohrsystem verfügen (vgl. zuletzt Urteil v. 26.01.2012, Az. 5 U 133/11 und davor: OLGR Hamm 1994, 251 f und 35 f). Diese Konstellation ist auch im vorliegenden Fall gegeben. Denn auf allen drei Grundstücken verlaufen Entwässerungsrohre, die in eine gemeinsame über/durch sämtliche Grundstücke verlaufende Grundleitung münden, die unstreitig als gemeinschaftliche Anlage – nämlich als einheitliches Rohrsystem – beim Bau der Reihenhäuser im Jahr 1961 geschaffen worden war, um alle drei Grundstücke (und den Privatweg) zu entwässern. Die Parteien (und der Eigentümer des Reihenmittelhauses Herr N2 sind somit Mitinhaber der gesamten Rohrleitungsanlage, da dieses als ein funktional zusammengehöriges System anzusehen ist. Auf welchem Grundstück welches Rohrstück verläuft und in welchem Teil eine Verstopfung eingetreten ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz.

Das Verhältnis der Parteien bestimmte sich daher nach §§ 741 ff BGB; die Beendigung der Gemeinschaft nach §§ 749758 BGB.

a)

Nach § 749 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft verlangen. Dies gilt jedoch nicht, wenn dieses Recht ausgeschlossen ist, § 749 Abs. 2 BGB. Zwar haben die Parteien diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung getroffen. Diese rechtsgeschäftliche Beschränkung folgt im streitgegenständlichen Fall jedoch aus der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Gegenstandes anlässlich der Begründung der Gemeinschaft. Denn wenn Häuser von Anfang an mit einer gemeinsamen Entwässerungsanlage errichtet werden, dann ist diese grundsätzlich auf Dauer angelegt. Das heißt, die Gemeinschaft sollte solange Bestand haben, wie die Häuser stehen und eine Entwässerung erforderlich ist.

b)

In diesem Falle ist eine Aufhebung der Gemeinschaft nur aus wichtigem Grund oder aber einvernehmlich möglich.

aa) Ein wichtiger Grund für eine Aufhebung der Gemeinschaft im Oktober 2011, also zu dem Zeitpunkt, ab welchem die Beklagten über ein eigenes Entwässerungssystem für ihr Hausgrundstück verfügten (19.11.2011), vermochte der Senat nicht festzustellen. Die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Streitigkeiten der Parteien des hiesigen Rechtsstreits untereinander reichen für die Annahme eines wichtigen Grundes nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht bereits dann, wenn Uneinigkeit oder Feindschaft zwischen den Betroffenen bestehe, unzumutbar sei. Erforderlich sei vielmehr, dass eine ordnungsgemäße gemeinschaftliche Nutzung und Verwaltung unter Abwägung aller den Einzelfall prägenden Umstände unmöglich sei und der Gemeinschafter, welcher die vorzeitige Aufhebung begehre, den wichtigen Grund nicht allein oder überwiegend allein herbeigeführt habe. Das Gericht habe dann schließlich auch zu prüfen, ob das Aufhebungsverlangen auch bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sei (BGH, Urteil v. 05.12.1994, Az. II ZR 268/93). Entsprechende Umstände sind weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.

bb) Auch eine einvernehmliche Aufhebung der Gemeinschaft ist nicht erfolgt. Zwar hat der  Kläger den Beklagten gegenüber eine Kündigung des “Duldungsverhältnisses” ausgesprochen und diese unmissverständlich und nachdrücklich aufgefordert, einen eigenen Anschluss herzustellen. Dem sind die Beklagten auch nachgekommen und haben, wie bereits ausgeführt, seit dem 19.10.2011 ein eigenes Entwässerungssystem für ihr Hausgrundstück. Hätte die (Abwasser)Gemeinschaft nur zwischen diesen beiden Parteien und nur im Hinblick auf die Hausgrundstücke bestanden, so wäre von einer einvernehmlichen Aufhebung der Gemeinschaft auszugehen (vgl. dazu OLG Hamm, Urteil v. 05.05.1994, Az. 5 U 213/93). Aufgrund der Tatsache, dass die Gemeinschaft vorliegend jedoch aus drei Eigentümern besteht, konnten die Parteien ohne Beteiligung des Dritten, des Herrn N, eine Aufhebung nicht vollziehen. Denn die Aufhebung der Gemeinschaft erfordert einen auf Beendigung der Gemeinschaft zielenden einstimmigen Beschluss (vgl. Palandt-Sprau, 71. Auflage, v. § 749 Rdn. 2). Ein entsprechender Umstand ist nicht behauptet worden.

c)

Die Gemeinschaft der Parteien besteht aber, ungeachtet der vorstehenden Ausführungen,  auch aus folgendem Grund weiter fort: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Oberflächenwasser des Privatweges, an welchem die drei Grundstückseigentümer unstreitig eine Bruchteilsgemeinschaft bilden, ebenfalls über die gemeinsame Grundleitung abläuft. An diesem Umstand hat auch die Erstellung der eigenen Anlage durch die Beklagten nichts geändert.  Denn die Beklagten haben sich mit dieser eigenen Abwasserleitung nur teilweise, nämlich nur betreffend das Hausgrundstück, von der Benutzung der Grundleitung abgespalten. Mithin bilden die Parteien bereits aus diesem Grund weiterhin eine Gemeinschaft i.S.v. §§ 741 ff BGB an der gesamten Rohrleitung. Dabei ist der Umstand, wo das Oberflächenwasser des Weges in das gemeinsame System eingeleitet wird ebenso unerheblich wie die unstreitige Tatsache, dass das Wasser dadurch, dass es auf dem Grundstück N in die Grundleitung eingeleitet wird, nicht mehr durch Leitungen, die im Grundstück der Beklagten liegen, läuft. Denn die Gemeinschaft besteht, wie bereits ausgeführt, an dem gesamten Rohrleitungssystem.

d)

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Gemeinschaft fortbesteht. Der Kläger kann folglich die mit dem Klageantrag zu 1) geforderte Zustimmung verlangen. Denn dass Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich erforderlich sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Sanierungsmaßnahmen sind dabei nicht mehr auf die, infolge der Abtrennung der Beklagten, unbenutzten Teile der gemeinsamen Rohrleitungen zu erstrecken. Darüber hinaus habe sich die Beklagten zwar an den durch die zukünftigen Sanierungsmaßnahmen entstehenden Kosten zu beteiligen, jedoch nicht im Umfang von 1/3. Denn tatsächlich nutzen die Beklagten das gemeinsame Abwässerungssystem nur noch für die Ableitung des Oberflächenwassers des gemeinsamen Privatweges, der ihnen zu einem Bruchteil von 1/3 gehört. Die damit einhergehende Reduzierung des Umfangs der Nutzung der gemeinsamen Anlage, führt zwar, wie ausgeführt, nicht zu einer Aufhebung der Gemeinschaft im Ganzen. Jedoch können die Beklagten von den anderen beiden Eigentümern auch ohne Aufhebung der Gemeinschaft eine Lasten- und Kostentragung verlangen, die nach billigem Ermessen dem gemeinschaftlichen Interesse an der sachgerechten Verwaltung entspricht, §§ 745, 748 BGB (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 26.01.2012, Az. 5 U 133/11). Denn die nach billigem Ermessen vorzunehmende Verteilung der Lasten- und Kostentragungspflicht kann z.B. bei angenommener Alleinnutzung der Entwässerungsanlage auch bedeuten, dass dieser Nutzer dann auch die Kosten alleine zu tragen hat. Denn der Anspruch nach § 748 BGB stellt nur die Kehrseite des § 743 BGB dar. Danach gebührt jedem Teilhaber ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte und jeder Teilhaber ist zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Anerkanntermaßen handelt es sich bei der Regelung der § 748 BGB um dispositives Recht. Sind danach Gebrauch und Fruchtziehung abweichend von § 743 BGB geregelt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Tragung der Lasten und Kosten einem Teilhaber auferlegt ist, soweit er zur Fruchtziehung und unter Ausschluss der anderen Teilhaber zum Gebrauch berechtigt ist (OLG Hamm aaO und OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 03.11.2006, Az. 14 U 214/05).  

Der Kläger und der weitere Mitinhaber N benutzen die Leitung betreffend die Abwässer der Hausgrundstücke nunmehr allein. Nur für ihren 1/3-Anteil am Privatweg benutzen die Beklagen die gemeinsame Leitung noch. Der Senat schätzt den damit verbleibenden Nutzungsanteil der Beklagten mangels anderweitiger Anhaltspunkte auf 1/6.

2.

a.

Der Klageantrag zu 2) ist zulässig. Ein Feststellungsinteresse des Klägers ist auch nach dem Schreiben der E vom 29.09.2011 und der Erklärung der Beklagten in der Klageerwiderung noch gegeben. Mit ihrem Schreiben vom 13.09.2011 haben sich die Beklagten eines Anspruchs auf Unterlassung berühmt. Sie haben verlangt, dass der Kläger binnen einer gesetzten Frist die Durchleitung von Frischwasser und Strom unterlässt sowie die über das Grundstück geführten Leitungen entfernt. Das damit begründete Feststellungsinteresse des Klägers ist durch die bloße Aufgabe der Berühmung in der Klageerwiderung nicht entfallen, da der Kläger insoweit nicht endgültig gesichert ist. Denn eine einseitige Erklärung der Beklagten reicht hierfür nicht (vgl. dazu Zöller- Greger, ZPO, 29. Auflage, § 256 Rdn. 7c).

b.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Den Beklagten steht ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen den Kläger, wie mit Schreiben vom 13.09.2011 geltend gemacht, nicht zu.

Zwar beeinträchtigen die streitgegenständlichen Versorgungsleitungen, die durch das Grundstück der Beklagten verlaufen, diese in ihrem Eigentum, § 1004 BGB. Der Kläger ist jedoch nicht Störer im Sinne dieser Norm. Denn weder nutzt der Kläger das Grundstück der Beklagten selbst zur Leitungsführung noch hat er den Versorgungsträgern unbefugt eine Leitungsführung ermöglicht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Versorgungsleitungen nicht von dem Kläger sondern von dem Versorgungsträger verlegt wurden. Auch die Nutzung der Leitungen erfolgt im Ergebnis durch den Versorgungsträger und nicht durch den Kläger als Anschlussnehmer. Denn der Bezug von Strom und Wasser ist allenfalls eine Benutzung des Hausanschlusses, über welchen dieser Bezug erfolgt, nicht aber eine Benutzung des Verteilungsnetzes davor. Dieses Verteilungsnetz beherrscht allein der jeweilige Versorgungsträger, der damit seine Verpflichtung zur Versorgung der Anschluss- bzw. Teilnehmer erfüllt. Die einzelnen Anschlussnehmer haben tatsächlichen Zugriff nur auf Leitungen und Anlagen auf ihrem Grundstück und üben ihre mögliche Sachherrschaft auch insoweit nur bei den Leitungen und Anlagen aus, die ihnen zugeordnet sind, nämlich bei dem eigenen Hausanschluss (BGH, Urteil v. 02.12.2011, Az. V ZR 120/11).

Nach der vorzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nehmen die Versorgungsunternehmen eigene Besitzberechtigungen gegenüber den Eigentümern der “benutzen” Grundstücke in  Anspruch. Denn diese sind als Anschluss- und Teilnehmer der Versorgung mit Strom, Wasser und auch Telekommunikation nach Maßgabe von § 8 AVBWasserV, § 12 NAV und § 76 TKG zur Duldung von Leitungen und Anlagen, die der Versorgung anderer Anschluss- und Teilnehmer dienen, verpflichtet.

Dafür, dass der Kläger mittelbarer Störer ist, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Denn dies würde voraussetzen, dass die unmittelbare Störung die adäquat kausale Folge des Handelns des als mittelbarer Störer in Anspruch Genommenen oder eines von diesem unterhaltenen Zustands ist und dass dieser in der Lage ist, die unmittelbar auftretende Störung zu verhindern (BGH aaO).  Dies lässt sich jedoch weder dem Vortrag der Beklagten noch den Umständen entnehmen.  

3.

Der Klageantrag zu Ziffer 3) ist aus § 748 BGB begründet. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer II.1. Bezug genommen. Im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten am 24.06.2011 bestand die Gemeinschaft noch in ihrer ursprünglichen Form, da die Abtrennung der Beklagten erst am 19.10.2011 vollzogen war. Zum maßgeblichen Zeitpunkt bildeten die Parteien folglich noch eine Abwassergemeinschaft mit einer Lasten- und Kostentragungspflicht zu je 1/3, entsprechend ihrer zum damaligen Zeitpunkt noch zu gleichem Anteil erfolgten Nutzung der gemeinsamen Anlage. Dass der Kläger die Untersuchung ohne Zustimmung der Beklagten veranlasst hat, ist unerheblich. Denn Maßnahmen, die zur notwendigen Erhaltung erforderlich sind, können nach § 744 Abs. 2 BGB ohne Zustimmung getroffen werden. Dass die Untersuchung im Vorfeld einer Angebotseinholung nicht notwendig war, ist nicht behauptet worden. Da die letzte TV-Untersuchung nicht den gesamten Leitungsbereich abdeckte und zudem 2 Jahre zurücklag, ist dies auch nicht anzunehmen. 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 BGB.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO geprüft und hiervon abgesehen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat,  noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst ist.t

DWA e. V.: Nur ein Viertel der Kanalisation ohne Mängel

DWA e. V.: Nur ein Viertel der Kanalisation ohne Mängel

Eine DWA-Umfrage zum Zustand der Kanalisation in Deutschland legt den weiterhin kurz- bis mittelfristigen Sanierungsbedarf offen. Basis der Daten ist eine Umfrage der DWA zum „Zustand der Kanalisation in Deutschland 2020“. Dafür hat die DWA die Daten von 423 Kanalnetzbetreibern in Deutschland ausgewertet, die knapp 30 Mio. Einwohner repräsentieren. Auf dieser repräsentativen Datenbasis konnte eine Hochrechnung für ganz Deutschland durchgeführt werden.

Unter dem Strich befinden sich über ein Viertel des deutschen Kanalnetzes aktuell in einem sehr guten Zustand, 27 Prozent der Kanäle weisen keine Mängel auf. Auf der anderen Seite stehen aber immer noch gut 18 Prozent der Kanäle, die kurz- bis mittelfristig saniert werden müssen. Die Kanalnetzbetreiber in Deutschland konnten damit zwar den Zustand des Kanalnetzes noch einmal leicht verbessern. 2013 wurde noch bei gut 19 Prozent der Kanalisation ein kurz- bis mittelfristiger Sanierungsbedarf festgestellt. Die gegenwärtige Sanierungsrate von rund einem Prozent des Netzes reicht aber nicht aus. Dies betont Prof. Uli Paetzel, Präsident der DWA Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall. „Die Daten belegen die erfolgreiche Arbeit der deutschen Abwasserwirtschaft. Sie zeigen aber auch, dass der finanzielle Aufwand für die Sanierung in den nächsten Jahren noch weiter gesteigert werden muss, um die Substanz auch für die kommenden Generationen zu erhalten.“ Die unterirdische Infrastruktur zählt zu den größten Vermögenswerten Deutschlands. Allein das öffentliche Abwassernetz weist einen Wiederbeschaffungswert von rund 1000 Mrd. € auf.

Jährliche Sanierungsrate von einem Prozent nicht ausreichend

Jährlich saniert die deutsche Abwasserwirtschaft rund ein Prozent des öffentlichen Kanalnetzes. Bezogen auf die Gesamtlänge von knapp 600.000 km bedeutet dies die Sanierung von rund 6.000 km Abwasserkanal. Doch selbst dieser Aufwand reicht langfristig nicht aus. Die jährliche Sanierungsrate von rund einem Prozent würde eine durchschnittliche Nutzungsdauer von etwa 100 Jahren voraussetzen. Die Mehrheit der Branche plädiert daher aktuell dafür, den finanziellen Aufwand für die Sanierung und Instandhaltung künftig zu erhöhen. Auch dies zeigte die regelmäßig durch die DWA durchgeführte Umfrage zum Zustand der Kanalisation in Deutschland. Die Ergebnisse der jetzt ausgewerteten und veröffentlichten Umfrage beziehen sich auf die Daten aus 2018.

Anteil der Verfahren bei der Kanalsanierung

Rund die Hälfte der Kanalsanierung erfolgt gegenwärtig über Reparaturverfahren (51 %), die weitere Sanierung verteilt sich zu etwa gleich großen Teilen auf Renovierung (25 %), am häufigsten durch Schlauchliningverfahren, und Erneuerung (24 %). Von Erneuerung spricht man, wenn bereits bestehende durch neue Kanäle ersetzt werden und diese die Funktion der alten Kanalabschnitte übernehmen. Alle Verfahren weisen unterschiedliche Vor- und Nachteile sowie Nutzungsdauern auf und unterscheiden sich auch erheblich bei den Kosten. Während für die Reparatur aktuell durchschnittlich 82 € pro Kanalmeter anfallen, schlägt die Renovierung durchschnittlich mit 438 € je Kanalmeter zu Buche. Eine völlig andere Größenordnung erreicht die Erneuerung mit rund 1.600 €/m. Aufgrund der bei der Erneuerung häufig schwierigen Rahmenbedingungen übersteigen hier die Kosten die eines Neubaus bei Erschließung deutlich, diese liegen im Mittel bei lediglich 718 €/m.

Kanalnetz wächst trotz hohem Anschlussgrad

Trotz eines bereits sehr hohen Anschlussgrades von 97 Prozent an die öffentliche Abwasserentsorgung wächst das Abwassernetz weiter. Die aktuelle Gesamtlänge von 594 335 km, Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2016, bedeutet ein Plus von knapp 20.000 km gegenüber 2013. Zurückzuführen ist diese Längenzunahme unter anderem auf den weiteren Anschluss von Siedlungsgebieten, in der Regel Neubaugebiete, sowie die voranschreitende Umwandlung der Mischkanalisation in getrennte Kanäle für Schmutz- und Regenwasser. So hat sich das deutsche Abwassernetz seit 1995 um rund 195.000 km verlängert. Etwa 105.000 km davon entfallen auf Schmutzwasserkanäle, 57.000 km auf Regenwasserkanäle und 33.000 auf Mischwasserkanäle.

Zunehmend Probleme mit Dränagewasser

Probleme bereiten den Kanalnetzbetreibern nicht genehmigte Einleitungen von Dränagewasser über private Entwässerungsanlagen in das öffentliche Netz. Betroffen von dieser Problematik sind laut der aktuellen Umfrage rund zwei Drittel des deutschen Kanalnetzes. Dabei ist lediglich bei knapp 15 Prozent der Kommunen ein Anschluss der privaten Dränagesysteme an die öffentliche Kanalisation genehmigungsfähig. Bei knapp der Hälfte der Kommunen könnten diese Ableitungen zumindest in Ausnahmefällen genehmigt werden. Die Folgen der Ableitung des Dränagewassers über das öffentliche Entwässerungssystem sind gravierend, sowohl technisch als auch ökonomisch. Insbesondere bei der Einleitung in Misch- und Schmutzwasserkanäle führt der hohe Anteil des eingeleiteten Dränagewassers zu einer schlechteren Reinigungsleistung der Kläranlagen. Dazu kommt eine Überlastung des aufnehmenden Kanals und eine Nichtgewährleistung des rückstaufreien Anschlusses. Und nicht zuletzt gestaltet sich die verursachergerechte gebührentechnische Abrechnung äußerst schwierig.

https://de.dwa.de/de/umfrage-zum-zustand-der-kanalisation-in-deutschland.html

VG Arnsberg zur der Frage der rechtlichen Qualität eines Abwasserkanals

VG Arnsberg zur der Frage der rechtlichen Qualität eines Abwasserkanals

Bei dem fraglichen Kanal handelt es sich nicht um eine öffentliche Abwasserleitung, sondern um eine private Einrichtung der Eigentümer der Grundstücke

VG Arnsberg, Urteil vom 18.01.2010 – 14 K 1176/09


Tatbestand

Die Parteien streiten über die rechtliche Qualität eines Abwasserkanals. Die Kläger sind Eigentümer des Wohnhausgrundstücks B. I. , das sie vor wenigen Jahren erworben haben. Das Grundstück liegt nordwestlich der Straße B. I. , die im Wesentlichen von Südwesten nach Nordosten verläuft. Die Grundstücke beiderseits der Straße sind durchgehend bebaut, wobei die Bebauung in ihren Ursprüngen auf die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgeht. Das Gelände weist ein Gefälle von Südosten nach Nordwesten auf mit der Folge, dass die nordwestlich der Straße gelegenen Gebäude mit ihren Fundamenten zum Teil deutlich tiefer liegen als die Straßenoberfläche. Zur Zeit der Errichtung der Gebäude beiderseits der Straße war eine öffentliche Kanalisation nicht vorhanden. Damals wurde zwischen dem Bauherren, der Arbeiter-Heimstättengenossenschaft eGmbH in I1. -I2. , und der Stadtgemeinde I1. vereinbart, dass in den Häusern Trockenklosetts eingebaut und für die Unterbringung der menschlichen Abfallstoffe und der Gebrauchswässer wasserdichte Gruben angelegt würden, die nach Bedarf entleert werden sollten. Für die Beseitigung des Niederschlagswassers war eine nordwestlich der Häuser verlaufende Rohrleitung von 20 cm Weite bei 1,10 Meter Tiefe geplant, die in einem Siepen enden sollte. Die Wohnhäuser wurden errichtet und die Entwässerungsanlagen wurden vereinbarungsgemäß hergestellt.

In den Jahren 1959/60 stellte die Stadt I1. in der Straße “B. I. ” einen Abwasserkanal her, an den nach den Vorstellungen der Stadt auch die nordwestlich der Straße gelegenen Grundstücke angeschlossen werden sollten. Unter dem 4. November 1959 richtete der Oberstadtdirektor der Stadt I1. ein Schreiben unter anderem an den damaligen Eigentümer des Grundstücks B. I. 27, in welchem er diesen “dringend” bat, den Anschluss des Wohnhauses “sofort nach Betriebsfertigstellung des städtischen Kanals kurzfristig herzustellen”. Dazu bezog sich der Oberstadtdirektor unter anderem auf verschiedene Vorschriften der Ortssatzung der Stadt I1. , nach denen für jedes bebaute Grundstück an kanalisierten Straßen Anschlusspflicht und Benutzungszwang bestehe. Im Januar 1960 trafen jedoch die Eigentümer der Grundstücke B. I. 5 bis 41 (ungerade Zahlen) eine Vereinbarung, wonach der vorhandene Regenwasserkanal aus dem Jahre 1931 in Zukunft als Schmutzwasserkanal benutzt werden und über das Grundstück B. I. an den städtischen Kanal angebunden werden sollte. Es wurde ausdrücklich bestimmt, dass es sich weiterhin um einen “Privatkanal” handele, den die “Grundstückseigentümer 5 bis 41” gemeinsam reinigen und unterhalten bzw. die anteiligen Kosten für diese Tätigkeiten aufbringen sollten. Mit Bauschein vom 10. Mai 1961 erteilte der Oberstadtdirektor der Stadt I1. dem Eigentümer des Grundstücks B. I. die Genehmigung zur Herstellung der Entwässerungsanlage für dieses Grundstück, wobei auf dem zur Genehmigung gehörenden Lageplan ausdrücklich von einem “Hauptkanal hinter den Häusern mit Anschluss an den städt. Kanal” die Rede ist.

Mit Bescheid vom 24. April 1962 zog der Oberstadtdirektor der Stadt I1. den damaligen Eigentümer des Grundstücks B. I. zu einer einmaligen Kanalanschlussgebühr heran, nachdem dessen Grundstück “betriebsfähig an die städtische Abwasseranlage angeschlossen ist”. Mit Urteil vom 6. Juni 1963 – 1 K 250/62 – hob die 1. Kammer des erkennenden Gerichts diesen Bescheid auf. In den Gründen des Urteils wird hervorgehoben, dass die Stadt I1. für sämtliche betroffenen Grundstücke nur einen Kanalanschluss habe herstellen müssen, während die Eigentümer die gesamten Unterhaltungskosten des langen Privatkanals, den sie zudem auf eigene Kosten hergestellt hätten, zusätzlich tragen müssten. Auf diese Weise seien einerseits die Leistungen des damaligen Beklagten erheblich geringer als bei den normalen Kanalanschlüssen, während andererseits den Grundstückseigentümern nur ein Anschluss an die Kanalisation geboten werde, der mit erheblichen “Mehrunkosten” für den einzelnen Eigentümer verbunden sei als in den Regelfällen.

Seit Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts bemühten sich der Oberstadtdirektor der Stadt I1. und später der Beklagte um eine Sanierung des fraglichen Kanals hinter den Häusern entlang der Straße B. I. . In diesem Zusammenhang kam es auch zu Besprechungen mit dem Regierungspräsidenten und dem zuständigen Ministerium, in denen diese die Ansicht vertraten, der im privaten Eigentum befindliche Kanal sei “ohne Zweifel” ein öffentlicher Kanal. Öffentlich in diesem Sinne sei jeder Kanal, in welchem zwei oder mehr Abwasserteilströme zusammenflössen. Mitte der neunziger Jahre verhandelten die Eigentümer und die Stadt I1. über den Neubau eines Privatkanals, wobei die Mehrheit der Eigentümer sich in der Pflicht sah, die Kosten hierfür zu tragen, während der Rechtsvorgänger der Kläger meinte, die Sanierung bzw. Erneuerung des “Privatkanals” sei Sache der Kommune, weil deren Pflicht dort beginne, wo das Abwasser von mindestens zwei Grundstücken zusammengeführt werde; Verträge zwischen den an einem solchen Kanal angeschlossenen Anliegern seien unerheblich. Später wurde seitens der Stadt I1. erwogen, den Kanal durch die Stadtentwässerung I1. AöR (SEH) sanieren zu lassen. Dies geschah jedoch nicht. Soweit der Beklagte Sanierungsmaßnahmen durchgeführte, stellte er diese den jeweiligen Eigentümern in Rechnung.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2004 widersprach der Kläger einer entsprechenden Rechnung, die der Beklagte für die Beseitigung einer Verstopfung ausgestellt hatte. Er machte geltend: Die Verstopfung habe sich nicht auf seinem Grundstück eingestellt. Sie – die Kläger – hätten nur das “Pech” gehabt, als erste das Problem zu erkennen, weil bei ihnen der Kanal durch den Keller verlaufe. Im Übrigen hätten sie erfahren, dass ein privater Kanal zu einem öffentlichen Kanal wird, wenn mehr als drei Haushalte angeschlossen seien. Weil dies hier der Fall sei, müsse die Stadt I1. für Wartung und Reinigung des Kanals sorgen.

Mit Schreiben vom 11. August 2004 legte der Beklagte dem Kläger seine Sicht der Angelegenheit dar: Die Häuser Im B. I. 5 bis 41 entwässerten über einen Privatkanal, der hinter den Gebäuden verlaufe und bei Haus Nr. 41 in den öffentlichen Kanal münde. Die öffentliche Abwasseranlage liege im Straßenbereich vor den Wohnhäusern. Seit der Herstellung des öffentlichen Kanals bestehe für jedes Grundstück die Möglichkeit und die Verpflichtung, das Schmutzwasser diesem Kanal direkt zuzuführen. Er – der Beklagte – habe bislang darauf verzichtet, separate Anschlusskanäle zu fordern. Die gemeinsame Ableitung über den Privatkanal sei für die Eigentümer kostengünstiger und werde im Hinblick auf die Unterhaltungsvereinbarung aus dem Jahre 1960 gestattet. Danach seien die Grundstückseigentümer verpflichtet, den gesamten Privatkanal gemeinsam zu reinigen und zu unterhalten bzw. die Kosten hierfür gemeinsam zu tragen. Als Miteigentümer habe der Kläger dem Beklagten den Auftrag erteilt, eine Verstopfung zu beseitigen. Dies habe er

– der Beklagte – getan, so dass der Kläger zahlungspflichtig sei.

Im Januar 2005 fand unter Beteiligung von Bediensteten des Beklagten eine Anwohnerversammlung statt, bei der seitens der Vertreter des Beklagten herausgestellt wurde, dass dieser eine Sanierung des Privatkanals ablehne und die Eigentümer entweder die Möglichkeit hätten, den Kanal zu sanieren oder ihre Grundstücke – nach der Errichtung eines separaten Regenwasserkanals in der Straße – an den Schmutzwasserkanal im Straßenkörper anzuschließen, wobei dies in den meisten Fällen nur mit Hilfe einer Hebeanlage möglich ist. Die Anlieger bildeten eine Arbeitsgruppe, welche die in der Versammlung aufgezeigten Möglichkeiten ausloten sollte. Ergebnisse der Tätigkeit dieser Gruppe sind allerdings nicht aktenkundig. Vielmehr war die Mehrzahl der Eigentümer gewillt, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen.

Am 21. April 2009 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, bei der es sich ausweislich eines Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger an den Beklagten um eine Musterklage auch für die weiteren betroffenen Eigentümer handelt. Die Kläger begründen eingehend ihre Rechtsansicht, wonach der hinter den Häusern bzw. unterhalb ihres Gebäudes verlaufende Kanal nordwestlich der Straße B. I. ein öffentlicher Kanal sei, weil er mehrere Grundstücke entwässere, er seitens der Behörden und – zwischenzeitlich – auch des Beklagten so eingeschätzt worden sei und er zum Entwässerungskonzept der Stadt I1. gehöre.

Die Kläger beantragen,

1. festzustellen, dass es sich bei der durch ihr Grundstück “B. I. ” verlaufenden Entwässerungsleitung um einen öffentlichen Kanal handelt,

2. den Beklagten zu verpflichten, diese Entwässerungsleitung auf seine Kosten zu sanieren, zu kontrollieren sowie dauerhaft zu unterhalten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit eingehenden Ausführungen begründet er seine Rechtsansicht, wonach es sich bei der streitigen Abwasserleitung um einen Privatkanal handele, auch wenn die beteiligten Behörden früher eine abweichende Auffassung vertreten hätten, die mittlerweile in der Rechtsprechung überholt sei.

Am 10. September 2009 hat der Berichterstatter vor dem Grundstück der Kläger die Streitsache mit den Parteien erörtert. Hierbei hat er sich auch einen Eindruck von den örtlichen Gegebenheiten verschafft. Auf die über diesen Termin gefertigte Niederschrift (Bl. 69 bis 71 der Gerichtsakte) wird verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 1. als Feststellungsklage zulässig. Nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann mit dieser Klageart das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen,

vgl. nur Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage (2007), § 43 Rand-Nr. 11 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.

Im vorliegenden Fall ist das Begehren der Kläger auf die Feststellung gerichtet, dass der in Rede stehende Abwasserkanal zum öffentlichen Kanalnetz der Stadt I1. bzw. der SEH gehört. Hierbei handelt es sich um ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis. Das berechtigte Interesse der Kläger an einer baldigen Klärung dieser Frage ist vor dem Hintergrund der Sanierungsbedürftigkeit der betreffenden Abwasserleitung offenkundig.

Die Klage mit dem Antrag zu 1. hat in der Sache allerdings keinen Erfolg. Bei dem fraglichen Kanal handelt es sich nicht um eine öffentliche Abwasserleitung, sondern um eine private Einrichtung der Eigentümer der Grundstücke nordwestlich der Straße B. I. . Diese Erkenntnis folgt aus der geschichtlichen Entwicklung der Anlage, die folgendes Bild zeigt:

Der Kanal wurde Anfang der dreißiger Jahre von den beteiligten Eigentümern eindeutig als private Anlage hergestellt. Weder die Eigentümer noch die damalige Stadt I1. handelten in der Absicht oder in dem Bewusstsein, es werde eine öffentliche Kanalisation geschaffen. Soweit die Stadt I1. seinerzeit überhaupt hinzugezogen wurde, erklärt sich dieser Umstand zwanglos aus der Zuständigkeit der Stadtverwaltung als Baupolizeibehörde. Auch nach damaligem Recht musste für die zu errichtenden Wohnhäuser die Erschließung gesichert sein; hierzu gehörte auch die entwässerungstechnische Erschließung (vgl. heute § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen). Nachdem die Bauherren eine privatrechtliche Regelung der Beseitigung des Niederschlagswassers gefunden hatten und im Übrigen vorgesehen war, die sonstigen Abwässer einschließlich der Fäkalien wasserdichten Gruben zuzuführen, wurde diese Lösung augenscheinlich von der Stadt I1. gebilligt. Eine Übernahme der Abwasserleitung in die Zuständigkeit der Stadt ist hierdurch nicht erfolgt.

Die Umwandlung des bisherigen Regenwasserkanals in einen Schmutzwasserkanal Anfang der sechziger Jahre hat dessen rechtliche Qualität nicht verändert. Die aus jener Zeit vorliegenden Verlautbarungen sind insoweit eindeutig. So wird in dem Schreiben des Oberstadtdirektors der Stadt I1. an den Eigentümer des Grundstücks B. I. 27 vom 4. November 1959 gefordert, das Wohnhaus kurzfristig an den städtischen Kanal anzuschließen, und es wird weiter ausgeführt, der Anschluss vom städtischen Straßenkanal bis zur Grundstücksgrenze werde von einem Vertragsunternehmer der Stadt I1. hergestellt. Die wiederholte Erwähnung eines städtischen Kanals zeigt den Gegensatz auf zu dem privaten Kanal, der damals seit rund dreißig Jahren vorhanden war. Auch der Heranziehungsbescheid des Oberstadtdirektors vom 24. April 1962 zeichnet sich durch einen eindeutigen Wortlaut aus, wenn es dort heißt, das Grundstück B. I. sei nunmehr “betriebsfähig an die städtische Abwasseranlage angeschlossen”. Diese Formulierung zwingt zu dem Umkehrschluss, dass nach Auffassung der Beteiligten zuvor keine städtische Abwasseranlage vorhanden war. Die tatsächliche Umwandlung des bisherigen Regenwasserkanals in eine Leitung für sämtliche Abwässer hat seine rechtliche Qualität nicht verändert. Grundlage hierfür war die Vereinbarung aus Januar 1960, in der ausdrücklich betont wird, dass der Kanal “Privatkanal” bleibe. Soweit die Stadt I1. die Funktionserweiterung des Kanals gebilligt hat, betraf diese Billigung auch die rechtliche Beschreibung des Kanals als private Einrichtung. Eine Übernahme in das öffentliche (städtische) Kanalnetz ist eindeutig nicht erfolgt.

Auch in den Jahren nach 1960 ist der fragliche Kanal keine öffentliche Einrichtung im Sinne des Klagebegehrens geworden. Damit eine Sache zu einer öffentliche Sache im Rechtssinne wird, bedarf es eines ausdrücklichen Rechtsakts, nämlich der sogenannten Widmung, wodurch die öffentlichrechtliche Sachherrschaft begründet, der öffentliche Zweck der Sache bestimmt und der Umfang ihrer möglichen Nutzung geregelt wird,

vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band II, 6. Auflage (2000) Seite 687 (Rand-Nr. 1).

Eine Widmung kann erfolgen durch Gesetz, im Zuge eines förmlichen Verfahrens, durch einen ausdrücklich darauf gerichteten Verwaltungsakt, durch die Eintragung in ein öffentliches Register oder durch sogenannte “unvordenkliche Verjährung”, also die widerlegbare Vermutung der Öffentlichkeit der Sache,

vgl. zu alledem nur Wolff/Bachof/Stober a.a.O. Rand-Nummern 8 ff.

Im vorliegenden Fall lässt sich eine Widmung des fraglichen Abwasserkanals nicht feststellen.

Zunächst scheidet eine Widmung durch Gesetz aus, wobei als “Gesetz” im hier interessierenden Sinne nur die jeweiligen Satzungen der Stadt I1. bzw. der SEH in Betracht kommen. Auf der Grundlage der geltenden Entwässerungssatzung (ES) ergibt sich hierzu folgende Rechtslage:

Nach § 1 Abs. 1 ES betreibt das von dem Beklagten repräsentierte Kommunalunternehmen die Abwasseranlagen als öffentliche Einrichtung. Nach Nr. 8 der Anlage I zu § 1 Abs. 5 ES gehören zu den öffentlichen Abwasseranlagen alle vom Kommunalunternehmen selbst oder in dessen Auftrag betriebene Anlagen und Fahrzeuge, die dem Sammeln usw. von Abwasser dienen; hierzu gehören auch Abwasseranlagen, die von Dritten hergestellt und unterhalten werden und die dem Kommunalunternehmen für die Einleitung der Abwässer zur Verfügung gestellt sind. Im vorliegenden Fall kommt allenfalls die zweite Alternative in Betracht, weil der Kanal von Dritten hergestellt und (nicht) unterhalten wurde. Es fehlt jedoch an dem Merkmal “zur Verfügung gestellt sind”. Zwar wünschen die Eigentümer, dass die SEH sich des Kanals bedient und ihn in ihre Verfügungsmacht übernimmt. Dies hat indessen die SEH bislang nicht unternommen. Eine “aufgedrängte Verfügung” meint Anlage I zu § 1 Abs. 5 ES offensichtlich nicht.

§ 10 ff. ES verhalten sich ferner über die sogenannten Anschlusskanäle, mit denen die Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen sind. Hierzu heißt es in Nr. 9 der Anlage zu § 1 Abs. 5 ES, der Anschlusskanal verbinde die Grundstücksentwässerungsanlage mit der öffentlichen Abwasseranlage, wobei der Anschlusskanal nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sei. Dort (Nr. 9) wird ferner differenziert zwischen dem Hausanschlusskanal und dem Grundstücksanschlusskanal, die in ihrem Zusammenwirken den Anschlusskanal bilden. Diese Vorschrift ist zugeschnitten auf §§ 11 f. ES, wonach grundsätzlich jedes Grundstück einen eigenen Anschluss braucht und lediglich in Ausnahmefällen das Kommunalunternehmen einen gemeinsamen Anschlusskanal gestatten kann. Genau dies ist im vorliegenden Fall allerdings geschehen, indem die Stadt I1. im Jahre 1960 den seinerzeit betroffenen Eigentümern die Errichtung eines gemeinsamen Anschlusskanals gestattet hat, der nach Satzungsrecht nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehört. Danach lässt sich auch aus der einschlägigen Satzung eine Widmung des fraglichen Rohres zur öffentlichen Sache nicht feststellen.

Auch die früheren Satzungen der Stadt I1. enthalten keine Vorschriften, auf deren Grundlage der Privatkanal zur öffentlichen Sache hätte werden können. Die Entwässerungssatzung der Stadt I1. vom 20. September 1989 unterschied in den §§ 7, 8 zwischen Grundstücksentwässerungsanlagen und Anschlusskanälen (Haus- und Grundstücksanschlüsse), wobei letztere die Verbindung zwischen der öffentlichen Abwasseranlage und dem Revisionsschacht auf dem (privaten) Grundstück bildeten. Nach § 8 Abs. 2 der Satzung sollte jedes Grundstück einen eigenen Kanalanschluss haben, wobei diese Formulierung der Errichtung eines gemeinsamen Anschlusskanals für mehrere Grundstücke im Einzelfall erkennbar nicht entgegenstand. Die Entwässerungssatzung vom 19. Dezember 1980 stellte in ihrem § 1 Abs. 3 ausdrücklich klar, dass Haus- und Grundstücksanschlüsse nicht zu der öffentlichen Abwasseranlage gehörten, wobei nach § 9 Abs. 3 gestattet werden konnte, dass unter besonderen Verhältnissen mehrere Grundstücke durch einen Anschlusskanal entwässern. Nach diesen Satzungsbestimmungen war der im vorliegenden Fall streitige Kanal ein Anschlusskanal für mehrere Grundstücke und somit nach § 1 Abs. 3 ES 1980 nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage. Die Entwässerungssatzung vom 10. Januar 1972 eröffnete in ihrem § 11 Abs. 2 ebenfalls die Möglichkeit, mehrere Grundstücke durch einen gemeinsamen Anschlusskanal zu entwässern, wobei die jeweiligen Unterhaltungs- und Benutzungsrechte sowie die Pflichten schriftlich festgelegt und entweder durch eine Baulast oder grundbuchlich gesichert werden mussten. Auch unter der Geltung der Entwässerungssatzung 1972 war der fragliche Kanal mithin eine private Einrichtung, wobei die in § 11 Abs. 2 ES 1972 normierte Forderung nach einer schriftlichen Festlegung der Rechte und Pflichten angesichts der Vereinbarung aus Januar 1960 erfüllt war. Die Entwässerungssatzung vom 4. November 1963 schließlich definierte in ihrem § 1 Abs. 1 die Entwässerungsanlage als öffentliche Einrichtung, wobei der Stadt I1. nur der Transport der Abwässer von den Einleitungsstellen bis zu den Klärwerken oblag. § 8 ES 1963 enthielt zahlreiche Regelungen betreffend die Grundstücksentwässerungsanlagen, für deren ordnungsgemäßer Betrieb und für deren Unterhaltung allein die Anschlussberechtigten verantwortlich waren. Im Übrigen liefert § 8 ES 1963 ebenfalls keine Hinweise darauf, dass nach damaligem Satzungsrecht ein privater Kanal, an dem mehrere Grundstücke angeschlossen waren, allein durch diesen Umstand ein öffentlicher Kanal war.

Ausweislich des gesamten Akteninhalts ist eine Widmung des Kanals zur öffentlichen Sache auch nicht durch eine entsprechende Verwaltungsentscheidung (Verwaltungsakt) des Beklagten bzw. früher des Oberstadtdirektors der Stadt I1. erfolgt. Zutreffend ist freilich der Hinweis der Kläger und ihres Prozessbevollmächtigten darauf, dass in den neunziger Jahren, ausgehend von entsprechenden Ãußerungen der Bezirksregierung, Bedienstete der Stadtverwaltung I1. der Rechtsansicht waren, angesichts der mehreren Grundstücken dienenden Funktion des Kanals gehöre dieser zur öffentlichen Abwasserbeseitigung I1. . Allein eine Rechtsansicht und auch die Verlautbarung einer solchen Ansicht vermögen indessen eine Widmung nicht auszulösen. Damit eine Widmung im Wege des Erlasses eines Verwaltungsakts angenommen werden kann, muss eine behördliche Ãußerung festgestellt werden können, die der Definition des Verwaltungsakts, wie sie in § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) niedergelegt ist, entspricht. Es muss eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen vorliegen, an der es hier fehlt. Selbst wenn seinerzeit beim Oberstadtdirektor der Stadt I1. und im Hause des Beklagten vorübergehend die Auffassung bestanden haben mag, der fragliche Kanal sei eine öffentliche Sache, für deren Unterhaltung die Stadt I1. oder die SEH verantwortlich seien, ist eine Rechtsmeinung noch keine “Maßnahme” im Sinne von § 35 VwVfG, zumal sie auch keinen regelnden Charakter im Sinne dieser Vorschrift zu entfalten vermag. Nur beiläufig sei insoweit festgestellt, dass die einschlägigen Ãußerungen aus dem Hause des Beklagten auch gar nicht eindeutig waren. Gerade der in der mündlichen Verhandlung erörterte Besprechungsvermerk vom 3. März 1999 ist sogar in gewisser Weise widersprüchlich, wenn dort einerseits gesagt wird, die Sanierung der Abwasserverhältnisse müsse durch die SEH erfolgen, wobei die Sanierung sich auf den “bestehenden bisherigen Privatkanal” beziehe. Etwas weiter ist dort von dem “bestehenden bzw. noch auszubauenden öffentlichen Kanal in der Straße B. I. ” die Rede, womit als bestehender öffentlicher Kanal augenscheinlich nicht der hinter bzw. unter den Wohnhäusern nordwestlich der Straße verlaufende Kanal gemeint war. Von einer eindeutigen Ãußerung des Beklagten bzw. des Oberstadtdirektors dahin, jener Kanal sei Teil der öffentlichen Abwasseranlagen, kann nach alledem nicht die Rede sein.

Für eine “Widmung kraft unvordenklicher Verjährung” ist im vorliegenden Fall kein Raum. Dieses Institut greift nur dort Platz, wo die rechtliche Qualität einer tatsächlich öffentlichen Sache nicht bis zu den Anfängen zurückverfolgt werden kann, jedoch eine widerlegbare Vermutung für die Öffentlichkeit anzuerkennen ist. Dem gegenüber kann im vorliegenden Zusammenhang die Historie von der Errichtung des Kanals Anfang der dreißiger Jahre bis in die heutige Zeit nachgewiesen werden, so dass von “Unvordenklichkeit” nicht die Rede ist.

Es ist schließlich auch keine Widmung durch ein schlüssiges Verhalten des Oberstadtdirektors der Stadt I1. bzw. des Beklagten ersichtlich. Namentlich hat die SEH in der Vergangenheit Sanierungs- und Reparaturarbeiten nicht etwa in eigenem Namen durchgeführt, sondern sie ist stets auf Kosten und auf Rechnung der Anlieger tätig geworden. Gerade das vorliegende Verfahren wurde nicht zuletzt dadurch ausgelöst, dass die SEH den Klägern eine Rechnung für die Beseitigung einer Verstopfung präsentierte, mit der die Kläger – aus ihrer Sicht folgerichtig – nicht einverstanden waren. Ein konkretes Verhalten des Beklagten, das als konkludente Widmung aufgefasst werden könnte, war und ist an keiner Stelle ersichtlich.

Nach alledem erweist sich der Klageantrag zu 1. als unbegründet: Der durch das Grundstück der Kläger verlaufende Kanal ist keine öffentliche Entwässerungsleitung.

Auch der zweite Antrag ist als Leistungsklage zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beklagte bzw. die von ihm repräsentierte SEH ist nicht verpflichtet, den Kanal zu sanieren, zu kontrollieren und ihn dauerhaft zu unterhalten. Ausgehend von der zuvor gewonnenen Erkenntnis, dass die fragliche Leitung nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehört, sondern sie als Anschlusskanal im Sinne von § 11 ES anzusehen ist, greift § 11 Abs. 5 ES ein, wonach die Herstellung, Erneuerung und Veränderung sowie die laufende Unterhaltung der Grundstücksentwässerungsanlagen bis zur öffentlichen Abwasseranlage von den Grundstückseigentümern durchzuführen ist. Zwar ist diese Vorschrift zugeschnitten auf die “Normalsituation”, in der einem Grundstück mit einem Grundstückseigentümer eine Grundstücksentwässerungsanlage zugeordnet ist. Sie muss indessen auch in dem vorliegenden Sonderfall greifen, weil die Satzung gleichsam ein “Mittelding” zwischen Grundstücksentwässerungsanlage und öffentlicher Abwasseranlage nicht kennt. Wenn und soweit eine Abwasserleitung nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehört, sind der Beklagte und die SEH für deren Unterhaltung nicht zuständig. Befindet sich die Leitung – wie hier – im Eigentum einer Vielzahl von Grundstückseigentümern, müssen diese eine Einigung über die notwendigen Maßnahmen treffen, auch wenn dies im Einzelfall beträchtliche Probleme bereiten kann. Ein sachgerechter Schritt zu deren Lösung wurde ja auch schon unternommen: Der Anfang 2005 gegründete Arbeitskreis müsste in der Lage sein, mit Unterstützung des Beklagten eine für alle Grundstückseigentümer tragbare Lösung zu erarbeiten; das Gericht kann in der vorliegenden Konstellation aus den zuvor dargestellten Gründen keine Hilfen anbieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

Das Gericht sieht davon ab, die Berufung zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, obwohl die Kläger den Prozess als “Musterverfahren” betreiben, dessen Ausgang auch für die übrigen Eigentümer von beträchtlicher Bedeutung ist. Dies verleiht der Rechtssache gleichwohl keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil der Streit nur die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eines Einzelfalls, nämlich eines Abwasserkanals, zum Gegenstand hat.

OLG Oldenburg zu der Frage der Verpflichtung zur Duldung der Führung von Leitungen über ein Nachbargrundstück ohne Sicherung durch ein dingliches Recht, etwa eine Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff BGB

OLG Oldenburg zu der Frage der Verpflichtung zur Duldung der Führung von Leitungen über ein Nachbargrundstück ohne Sicherung durch ein dingliches Recht, etwa eine Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff BGB

Eine Duldungspflicht ergibt sich nicht aus einer etwaigen Baulast, und zwar unabhängig davon, ob bzw. welche Leitungen tatsächlich unter einer solchen Baulast liegen, denn die Baulast bewirkt keine privatrechtlichen Nutzungsansprüche bzw. Duldungspflichten.

OLG Oldenburg, Urteil vom 30.01.2014 (Az.: 1 U 104/13):

Gründe:

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zutreffend hat das Landgericht der Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch auf Beseitigung derjenigen Leitungen aus ihrem Grundeigentum zugesprochen, die von dem Hintergrundstück der Beklagten über den Grundbesitz der Klägerin in D. L., führen.

Die streitgegenständlichen Leitungen stellen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf welche Bezug genommen wird, eine Eigentumsbeeinträchtigung dar.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung dieser Beeinträchtigung verpflichtet.

Eine zivilrechtliche Grundlage für die Nutzung des fremden Grundstücks ist nicht gegeben. Dass die Führung der Leitungen über das Eigentum der Klägerin nicht durch ein dingliches Recht, etwa eine Grunddienstbarkeit gemäß §§ 1018 ff BGB, gesichert ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Aber auch eine schuldrechtliche Bindung der Klägerin liegt nicht vor. Ob das Landgericht darauf hätte hinweisen müssen, dass es den Sachvortrag der Beklagten zu deren angeblichem Nutzungsrecht für unbeachtlich hielt, kann dahinstehen, denn die Beklagten hatten in der Berufungsinstanz hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Ein solches Nutzungsrecht steht dem Anspruch der Klägerin indes nicht entgegen. Das Einvernehmen, das es offensichtlich zwischen den Beklagten und dem Vater des Beklagten zu 2) gegeben hat, entfaltet ohne die unstreitig fehlende dingliche Absicherung gegenüber der Klägerin keine Wirkung. Dabei kann die genaue rechtliche Einordnung offenbleiben. Es dürfte sich um einen grundsätzlich jederzeit kündbaren unentgeltlichen Gestattungsvertrag gehandelt haben; ein solcher schuldrechtlicher Vertrag bindet Sondernachfolger grundsätzlich nicht. Ansatzpunkte für eine Ausnahme sind nicht ersichtlich. Vielmehr endete die Gestattung mit dem Eigentumsverlust des Vaters des Beklagten zu 2), ohne dass es einer rechtsgeschäftlichen Beendigung seitens der Klägerin bedurfte.

Entgegen der Argumentation der Beklagten verhelfen die Vorschriften der §§ 57 ZVG, 566 BGB ihrem Standpunkt nicht zum Erfolg, denn sie waren jedenfalls weder Mieter noch Pächter des Vordergrundstücks.

Auch eine Duldungspflicht aus Rechtsnormen ist nicht gegeben.

Eine solche Duldungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus einer etwaigen Baulast, und zwar unabhängig davon, ob bzw. welche Leitungen tatsächlich unter einer solchen Baulast liegen, denn die Baulast bewirkt keine privatrechtlichen Nutzungsansprüche bzw. Duldungspflichten ). Eine andere Bewertung widerspräche dem zivilrechtlichen Prinzip des numerus clausus der Sachenrechte. Zwar kann dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB – unter strengen Voraussetzungen – die tatsächliche Unmöglichkeit der Beseitigung der Eigentumsstörung entgegengehalten werden. Auch diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Die Beklagten berufen sich in diesem Zusammenhang auf den in der Baulast auf der südlichen Seite des Vordergrundstücks liegenden Erdöltank. Diese tatsächlichen Gegebenheiten hindern die Beklagten jedoch nicht daran, die Leitungen über den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücksstreifen zu führen, der auf der nördlichen Seite des Vordergrundstücks verläuft. Soweit die Beklagten die Auffassung geltend machen, dies sei ihnen wirtschaftlich nicht zuzumuten, hindert dieser Umstand nicht die tatsächliche Möglichkeit der Störungsbeseitigung.

Auch aus der nachbarrechtlichen Vorschrift des § 906 Abs. 2 BGB lässt sich entgegen der Argumentation der Beklagten eine Duldungspflicht nicht herleiten, weil es nicht um Immissionen im Sinne dieser Regelung geht.

Die Vorschrift des § 242 BGB, insbesondere in Gestalt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, verhilft der Berufung der Beklagten ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieses Rechtsinstitut kann zwar in zwingenden Ausnahmefällen Rechte beschränken oder ausschließen. Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nicht vor. Allein der Umstand, dass es für die Beklagten einen erheblichen wirtschaftlichen Aufwand bedeutet, für ihre Leitungen das eigene Grundstück zu benutzen, statt sie weiterhin über fremdes Eigentum zu führen, vermag bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Einschränkung der Eigentümerbefugnisse aus § 903 BGB nicht zu rechtfertigen; dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Ein Verstoß gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB ist nicht ersichtlich. Dafür, dass es Beweggrund der Klägerin bei der Verfolgung ihrer Ansprüche ist, die Beklagten zu schädigen, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dass die Klägerin die Beseitigung der Leitungen begehrt, um die ihr gesetzlich zustehenden Rechte als Eigentümerin auszuüben und insbesondere auch das Grundstück zu bebauen, liegt nahe.

Ein Gewohnheitsrecht – d. h. eine lang dauernde tatsächliche Übung, getragen von einer Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, das durch die Einhaltung der Übung bestehende Recht sei zu befolgen – des Inhalts, dass Grundstückseigentümer fremde Ver- oder Entsorgungsleitungen in ihrem Eigentum zu dulden hätten, gibt es nicht.

Schließlich halten die Beklagten dem Anspruch nicht mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegen. Der Anspruch auf Beseitigung der Eigentumsstörung unterliegt der regelmäßigen Verjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1, 4, 5 BGB. Der Beginn der Verjährungsfrist setzt die Entstehung des Anspruchs voraus, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Maßgebend dafür ist der Beginn der Beeinträchtigung. Die streitgegenständliche Eigentumsstörung begann mit dem Erwerb des Eigentums durch die Klägerin im November 2012. Zwar wird mit dem Wechsel des Eigentums am gestörten Grundstück keine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt. Solange der Vater des Beklagten zu 2) Eigentümer des Vordergrundstücks war, bestand jedoch kein Anspruch aus § 1004 BGB, weil er aufgrund einer unentgeltlichen Gestattung bzw. eines wie auch immer gearteten zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses zur Duldung verpflichtet war. Die Grundlage dieser Duldungspflicht ist aber mit dem Eigentumswechsel auf die Klägerin entfallen. Vor diesem Hintergrund lag eine rechtlich relevante Eigentumsbeeinträchtigung erst mit dem Übergang des Eigentums auf die Klägerin vor.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Der Schriftsatz der Beklagten vom 29.1.2014 hat dem Senat vor Verkündung des Urteils vorgelegen. Es gibt jedoch weder zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung noch zur Zulassung der Revision Anlass.

Hinreichende Sicherung des Durchleitungsrechtes im Fall eines tatsächlich noch nicht an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenen Hinterlieger-Grundstücks nur bei Bestehen einer entsprechenden Grunddienstbarkeit

Hinreichende Sicherung des Durchleitungsrechtes im Fall eines tatsächlich noch nicht an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenen Hinterlieger-Grundstücks nur bei Bestehen einer entsprechenden Grunddienstbarkeit

von Thomas Ax

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 05.10.2012 (Az. 15 A 1409/12) entschieden, dass ein Anschluss eines Grundstückes an den öffentlichen Abwasserkanal nur dann verlangt wird, wenn ein Anschlussrecht des Grundstückseigentümers nach der Abwasserbeseitigungssatzung besteht. Die beklagte Gemeinde hatte dem Grundstückseigentümer (Kläger) aufgegeben, sein nicht unmittelbar an dem öffentlichen Verkehrsraum gelegenes Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, wobei das Grundstück von anderen Grundstücken umgeben war, die im Eigentum Dritter standen.

Nach der Abwasserbeseitigungssatzung der beklagten Gemeinde bestand das Anschlussrecht an den öffentlichen Abwasserkanal dann, wenn eine öffentliche Abwasserleitung vor dem anzuschließenden Grundstück verlegt worden ist oder in unmittelbarer Nähe des Grundstücks, etwa wenn über einen Weg ein unmittelbarer Zugang zur öffentlichen Straße mit einem öffentlichen Kanal besteht. Durch eine solche satzungsrechtliche Regelung sollen nach dem OVG NRW grundsätzlich räumlich von der öffentlichen Abwasserleitung entfernt liegende Grundstücke in das Anschlussrecht einbezogen werden, wenn ein Hinterlieger-Grundstück über ein VorderliegerGrundstück – wie hier über eine Zuwegungsfläche — Zugang zu einer kanalisierten Straße hat (vgl. OVG NRW, Urteil vom 05.06.2003 — Az. 15 A 1738/03 -, NWVBl. 2003, S. 435).

Die Inanspruchnahme der Zuwegung zur Durchleitung des Abwassers vermittelt aber nach dem OVG NRW aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur dann ein Anschlussrecht, wenn die Möglichkeit zur Durchleitung hinreichend gesichert ist.

Eine solche hinreichende Sicherung ist nach dem OVG NRW erst dann zu bejahen, wenn die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage nur noch vom Willen des Grundstückseigentümers abhängt, der sich an die öffentliche Abwasseranlage anschließen soll. Das bedeutet für ein — wie hier — noch nicht tatsächlich an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenes Hinterlieger-Grundstück, welches auch nicht dem Eigentümer des Vorderlieger-Grundstücks gehört, dass allein eine auf die Durchleitung von Abwasser bezogene Baulast oder eine bloße schuldrechtliche Verpflichtung für die Annahme einer gesicherten Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage ebenso wenig ausreicht wie ein Notleitungsrecht (§ 917 BGB; vgl. OVG NRW, Urteile vom 02.03.2004 — Az. 15 A 1151/02 -, OVG NRW, Urteil vom 20.03.2007 — Az. 15 A 4728/04 — KStZ 2007, S. 200).

Nach dem OVG NRW ist eine hinreichende Sicherung des Durchleitungsrechtes daher im Fall eines tatsächlich noch nicht an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossenen Hinterlieger-Grundstücks nur bei Bestehen einer entsprechenden Grunddienstbarkeit oder dann zu bejahen, wenn die Dienstbarkeit zwar noch nicht bestellt ist, ihre Bestellung jedoch allein noch vom Handeln des anschlussverpflichteten Grundstückseigentümers abhängig ist, es einer weiteren Mitwirkung Dritter zur Verschaffung der dinglichen Sicherung, also nicht mehr bedarf (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.12.1993 — Az. 22 A 12 32/92 -, NWVBl 1994, S. 174 ff.).

Eine Grunddienstbarkeit war im zu entscheidenden Fall jedoch weder bestellt noch war ihre Bestellung ausschließlich vom Handeln des klagenden Grundstückseigentümers abhängig.

VG Bayreuth zu der Frage der Zugehörigkeit eines Abwasserkanals zu einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung

VG Bayreuth zu der Frage der Zugehörigkeit eines Abwasserkanals zu einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung

1. Ob ein bestehender Kanal Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung iSv Art. 21 Abs. 1 BayGO ist, beurteilt sich danach, ob er vom Einrichtungsbetreiber durch einen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden ist und im öffentlichen Interesse unterhalten wird. (Rn. 25)

2. Ob ein Kanalstück Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, kann sich danach richten, ob er dazu bestimmt ist, Abwasser nur eines Einzelnen oder einer unbestimmten Anzahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen. (Rn. 34)

3. Enthält das materielle Recht keine besonderen Regelungen, so greift der allgemeine Rechtsgrundsatz ein, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht. (Rn. 43)

VG Bayreuth, Urteil v. 30.10.2019 – B 4 K 18.339

Fundstelle:

BeckRS 2019, 48384

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Zugehörigkeit eines Kanals zur öffentlichen Entwässerungsanlage.

2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks … in … Dieses Haus sowie das benachbarte Haus auf dem Grundstück …, das im Eigentum der Landeskirchengemeinde … steht, wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Vormals befand sich an diesem Standort die ehemalige Straße „…“, die nicht mehr vorhanden ist.

3
Nachdem es im Jahr 2014 – infolge einer Verstopfung des sich unter den Gebäuden befindlichen Kanalzuges durch eine gelöste Steinplatte – zu Schäden in den Kellern der beiden Gebäude kam, holte die Landeskirchengemeinde ein Angebot eines Spezialbetriebes der Kanalwirtschaft zur Verrohrung des Kanals ein, das sich nach der vorläufigen Kostenschätzung vom 29. September 2014 auf 10.734,59 Euro belief.

4
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 bat die Landeskirchengemeinde die Beklagte um Mitteilung, ob diese die Kanalsanierung durchführen werde, um weitere Gebäudeschäden zu vermeiden. Ihrer Ansicht nach sei die Beklagte hierzu verpflichtet.

5
Mit Schreiben der Beklagten vom 2. Dezember 2014 an den Kläger bestritt diese eine Verpflichtung zum Unterhalt des Kanals sowie zur Haftung für die entstandenen Gebäudeschäden. In den Fahrweg namens „…“, der bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts über die heutigen Grundstücke … und … verlief, sei um das Jahr 1892 ein Entwässerungskanal eingelegt worden. Um 1900 sei das Gebiet neu überplant und der Weg in diesem Bereich aufgelassen worden. Im Jahr 1906 sei die Bebauung erfolgt. Der Kanal werde weder im Kaufvertrag noch in einer der Hausakten über den Bau der beiden Anwesen … und … erwähnt. Er habe offensichtlich ausschließlich zur Ableitung des Oberflächenwassers des vormaligen Weges gedient. Hinweise darauf, dass über den Kanal Hausabwässer abgeleitet oder ein ehemals natürlicher Bachlauf verroht worden sei, seien nicht gefunden worden. Mit der Auflassung habe er seinen Charakter als öffentlicher Kanal verloren und sei als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Jahr 1906 mitverkauft worden. Zudem sei die Existenz des Kanals den damaligen Vertragspartnern bekannt gewesen, da zumindest im Anwesen des Klägers ein Zugang zu dem Kanal mittels eines Revisionsschachts eingebaut worden sei. Er sei allem Anschein nach als privater Entwässerungskanal genutzt worden.

6
Der Kläger entgegnete dem mit Schreiben vom 1. Februar 2015 und verwies dabei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 23. Januar 2012 (Az. 8 K 1522/11). Seiner Meinung nach handele es sich eindeutig um eine öffentliche Abwasserleitung. Der streitige Kanal sei von der Beklagten hergestellt worden und zu diesem Zeitpunkt unstrittig ein öffentlicher Kanal gewesen. Zur Entwidmung bedürfe es eines förmlichen Rechtsaktes. Den Ausführungen der Beklagten, dass dies durch den Kaufvertrag geschehen sei, werde widersprochen. Zum einen sei der Kanal lediglich ein Scheinbestandteil, zum anderen hätte er im Kaufvertrag an die Grundstückseigentümer herangetragen werden müssen. Zudem sei der ursprüngliche Weg „…“ auch nach dem Hausbau hinter dem Haus weitergegangen. Dies gehe eindeutig aus der Baugenehmigung hervor, der zufolge der damalige Bauherr vor Baubeginn eine Umgehung über das heutige Grundstück … habe schaffen müssen, um die hinter seinem Haus liegenden Grundstücke anzuschließen. Wenn also nach dem Grundstücksübergang noch anliegende Häuser des Weges „…“ an den Kanal angeschlossen gewesen seien, sei er in seiner Gesamtheit noch in Betrieb und damit öffentlich gewesen. Zudem würden die in § 3 der Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt … vom 10. Februar 1993 in der Fassung vom 18. Dezember 2012 (EWS) definierten Begriffe in kritischen Fällen versagen, wenn gerade nicht zu erkennen sei, an welchem Punkt eine Grundstücksanschlussleitung ende und die öffentliche Abwasserleitung beginne. Auch gehe aus der Satzung nicht hervor, dass nur die im Katasterplan der Stadt eingezeichneten Leitungen öffentlich seien. Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass eine Leitung, die aus dem Plan einseitig durch die Stadt gestrichen würde, ihren öffentlichen Status verlieren würde, ohne dass dem jeweiligen Grundstückseigentümer hiergegen ein Rechtsweg zustünde. Auch werde eine Mehrzahl von Grundstücken über den Kanal entwässert, da dieser über das Grundstück der Landeskirchengemeinde hinaus weiterlaufe und bei Regen von dort aus nicht unerheblicher Wassereintrag erfolge. Aus den Äußerungen der Beklagten gehe zudem hervor, dass diese den Kanal als öffentlich ansehe. Sie habe dem Kläger zunächst untersagt, etwas auf eigene Faust vorzunehmen und habe zuletzt vorsorglich Haftungsansprüche wegen Beschädigung ihres Kanals durch den Hausbau angedroht. Ferner sei der Kanal in den sechziger Jahren von der Straße aus über den ersten Schacht hinaus verrohrt worden, wodurch der Schaden erst entstanden sei. Unerheblich sei auch, dass kein dingliches Recht für den Kanal im Grundbuch eingetragen sei. Entscheidend für die Einordnung als öffentlicher Kanal sei vielmehr, dass er – was hier zutreffe – technisch geeignet sei, die Abwässer einer Vielzahl von Grundstücken aufzunehmen. Aus diesen Gründen fordere er die Beklagte auf, die Arbeiten aufzunehmen und die notwendigen Schäden zu beheben.

7
Am 17. März 2015 fand ein Ortstermin zur Kanalbestandsaufnahme in der … statt. Dabei wurde eine Untersuchung mit einem Kanal-TV von einem auf dem Grundstück gelegenen Kontrollschacht (Tiefe ca. 3,2 m) aus gegen die Fließrichtung in südwestlicher Richtung zur … hin durchgeführt. Aufgrund eines links einragenden Anschlusses sowie eines geringen Richtungswechsels war nach etwa 3 m kein Weiterkommen mehr möglich. Eine zusätzliche Befahrung mit einer Schiebekamera erbrachte ebenfalls keinen Erfolg.

8
Mit Schreiben der Beklagten vom 14. April 2015 an den Kläger führte diese aus, dass die Kamerabefahrung keinen Nachweis über den Verlauf und den Ursprung des Kanals erbracht habe. Es könne aber festgestellt werden, dass es sich bei dem streitigen Kanal nicht um den „Kanal durch das …“ aus dem Jahr 1892 handele, da dieser – falls er noch existiere – tiefer im Erdboden liege. Daher könne über die Entstehung und den Zweck des Kanals lediglich spekuliert werden. Zudem stehe fest, dass der befahrene Kanal weder in dem Plan aus dem Jahr 1892 noch in den Plänen für die Errichtung des Kanalnetzes (frühes 20. Jahrhundert), das seit 1964 als öffentliche Einrichtung betrieben werde, als Abwasserkanal verzeichnet sei. Für sämtliche Gebäude erfolge die Entwässerung über einen Kanal in der … oder in der … Insoweit sei weiterhin nicht ersichtlich, dass der Kanal der Abwasserbeseitigung als öffentliche Aufgabe diene oder zur Zeit der Errichtung des Abwassernetzes gedient habe. Dem Augenschein nach nehme er lediglich Sickerwasser aus den Grundstücksgärten im Eck … auf. Dass der Kanal unter der … weiterverlaufe und Abwasser aus westlich der … gelegenen Grundstücken aufnehme, sei reine Spekulation. Auch würden sich keine Belege für die Theorie finden, dass die Beklagte den Kanal in den sechziger Jahren verrohrt habe. Es wäre unlogisch, dass die Stadt den Kanal ein Stück weit unter einem bestehenden Gebäude verrohrt und dann an einer willkürlichen Stelle unter dem Gebäude mit der Verrohrung aufgehört habe. Des Weiteren habe man den Eigentümern nicht untersagt, etwas an dem Kanal zu unternehmen, sondern aus technischer Sicht davon abgeraten, vor Klärung der Sachlage bauliche Veränderungen am Kanal vorzunehmen. Etwaige Ansprüche seien „höchst vorsorglich“ angemeldet worden, sodass sich daraus nicht der Schluss ziehen lasse, dass die Beklagte den Kanal zu irgendeinem Zeitpunkt als öffentlich anerkannt hätte. Vielmehr würden die gewonnenen Erkenntnisse gegen die Zuordnung des Kanals zum öffentlichen Kanalnetz sprechen. Daher werde keine Unterhaltsverpflichtung anerkannt.

9
Mit Schriftsatz vom 29. März 2018 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte zuletzt,

festzustellen, dass es sich bei dem unterhalb der Anwesen … und … in … verlaufenden „…“ um einen öffentlichen Kanal und damit Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung handelt sowie hilfsweise festzustellen, dass die Unterhaltslast für den streitgegenständlichen Kanal der Beklagten obliegt.

10
Zur Begründung führte er mit weiterem Schriftsatz vom 30. Juli 2018 aus, dass die Klage zunächst zulässig sei. Unter anderem bestehe ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten, das auf Normen des öffentlichen Rechts beruhe und an dessen baldiger Feststellung der Kläger ein berechtigtes Interesse habe. Durch den beschädigten „…“ seien bereits Wasserschäden am klägerischen Eigentum entstanden und es würden auch weitere Überschwemmungen aufgrund von angestautem Niederschlagswasser drohen, sodass der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Klärung der Unterhaltslast für diesen Kanal habe. Da der Kanal ausschließlich Niederschlagswasser führe, handele es sich um einen Regenwasserkanal i.S.d. § 3 EWS. Er sei auch technisch in der Lage, Abwässer einer Vielzahl von Grundstücken aufzunehmen und erfülle auch heute noch die Funktion, bei Starkwasser große Flüssigkeitsmengen aus dem Einzugsgebiet abzuleiten. Diese grundsätzliche Eignung werde auch nicht durch die Sanierungsbedürftigkeit des Kanals infrage gestellt. Zudem habe die Beklagte in § 3 EWS den Umfang der zentralen öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage eindeutig bestimmt und damit zu erkennen gegeben, dass die davon umfassten Leitungen und sonstigen Entwässerungseinrichtungen zur öffentlichen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage gehören und deren Zweck dienen würden. Der Umstand, dass der Kanal unter privaten Grundstücken verlaufe, stehe seiner Einordnung als öffentliche Einrichtung nicht entgegen. Auch ergebe sich aus der Satzung keineswegs, dass nur die Anlagen öffentlich seien, die im Plan für die Errichtung des Kanalnetzes der Beklagten aus dem Jahr 1964 eingezeichnet seien. Die Beklagte habe den Kanal im Zusammenhang mit der geplanten Drainagerohrverlegung als zugehörig zum öffentlichen Abwasserentsorgungsnetz angesehen. Insoweit habe sie die Durchführung der Arbeiten verboten und darauf hingewiesen, dass der Kanal eine öffentliche Leitung sei.

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Zudem handele es sich einerseits auch um keinen Grundstücksanschluss, da die Hausgrundstücke nicht über diesen entwässert werden. Nach Aussage der Beklagten sei für die Entwässerung sämtlicher Gebäude im streitgegenständlichen Einzugsgebiet ein Kanal entweder in der … oder in der … vorgesehen. Andererseits handele es sich auch um keine Grundstücksentwässerungsanlage, die neben einem Grundstücksanschluss nicht zur Entwässerungsanlage der Beklagten gehören würde. Nach § 3 EWS seien Grundstücksentwässerungsanlagen nur solche Einrichtungen eines Grundstücks, die dem Ableiten des Abwassers bis einschließlich des Kontrollschachts bzw. bis zur Grundstücksgrenze dienen würden. Angesichts der Tatsache, dass neben den Grundstücken … und … noch mindestens ein weiteres Anwesen angeschlossen sei, liege auch keine originäre Einrichtung des klägerischen Grundstücks vor. Im Umkehrschluss gehöre der Kanal daher zur Entwässerungsanlage der Beklagten.

12
Auch sei er nicht infolge des klägerischen Grundstückskaufs zu einem Privatkanal geworden. Er habe sich zum Zeitpunkt seiner Entstehung auf öffentlichem Straßengrund der Beklagten befunden. Soweit Versorgungsleitungen durch fremde Grundstücke geführt werden, stünden diese nach der Verkehrsanschauung im Eigentum des Versorgungsunternehmers und nicht der einzelnen Grundstückseigentümer. Dauerhaft verlegte Versorgungsleitungen seien keine wesentlichen Bestandteile eines Grundstücks i.S.v. § 94 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), da sie nach der Verkehrsauffassung entweder der Versorgung eines Nachbargrundstücks dienten und somit dessen Zubehör seien oder da sie einen Teil des jeweiligen Versorgungsnetzes bilden würden. Daher sei es nicht zu einer nachträglichen Übertragung des Eigentums gekommen, da der „…“ kein wesentlicher Bestandteil sei, der im Rahmen der Auflassung auf den Kläger übergegangen sein könnte. Auch sei nichts dafür ersichtlich, dass der Kanal kraft Vereinbarung im Rahmen des Grundstückskaufs zu einem wesentlichen Bestandteil geworden sei.

13
Mit Schriftsatz vom 19. September 2018 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.

14
Sie führte erwidernd aus, dass die Feststellungsklage zunächst unzulässig sei, da der Kläger eine mögliche Verletzung seines Eigentumsrechts zweckmäßiger durch Leistungsklage auf Schadenersatz oder auf Entfernung des Kanals geltend machen könnte. Auch sei die Klage nicht hinreichend bestimmt, da der Begriff „…“ weder dem zuständigen Fachbereich noch der vorhandenen Fachliteratur bekannt sei. Im Laufe der damaligen Ermittlungen seien im klägerischen Grundstück drei verlaufende Kanäle ermittelt worden. Ein vom Nachbargrundstück … herkommender – bis zu einem im Keller des Anwesens … befindlichen Revisionsschacht verlaufender – Natursteinkanal unbekannten Alters, ein von diesem Revisionsschacht die … Richtung … querender Betonkanal, ebenfalls unbekannten Alters, des Weiteren ein im Jahr 1892 tiefer verlegter oder wenigstens zur Verlegung geplanter Tonrohrkanal, der jedoch bei den Ermittlungen in den Jahren 2014/2015 in der Natur nicht habe aufgefunden werden können. Es sei nicht ersichtlich, welchen der Kanäle der Kläger als zugehörig zum öffentlichen Netz festgestellt haben wolle. Alle drei Kanäle würden nicht zum öffentlichen Kanalnetz der Beklagten gehören. Es sei für keinen der Kanäle eine Verbindung zu einer entwässernden Oberfläche festgestellt worden, sodass sie nicht ausschließlich Niederschlagswasser führen könnten. Die topographische Situation deute vielmehr darauf hin, dass zumindest die beiden festgestellten Kanäle in erster Linie das dort zu Regenzeiten hoch stehende Grundwasser ableiten würden. Auch habe die Beklagte sehr wohl den Willen gehabt, lediglich die um das Jahr 1950 als Bestand aufgenommen Kanäle sowie die danach vorgenommenen Erweiterungen und Veränderungen als Entwässerungsanlagen zu widmen. Dass vereinzelte Differenzen zwischen dem amtlichen Katasterplan und dem tatsächlichen Bestand auftreten könnten, werde nicht bestritten, müsse sich aber als Ausnahme auf offensichtliche Fehler beschränken. Soweit die Kanäle nicht im Grundstück des Klägers verlaufen, fehle es an der Klagebefugnis. Auch werde ausdrücklich bestritten, dass die Beklagte den Kanal als zugehörig zum öffentlichen Abwassernetz angesehen habe. Selbst wenn dies so wäre, könne dies die Beklagte nicht daran hindern, aufgrund später gewonnener Erkenntnisse ihre Ansicht zu ändern. Schließlich habe der Kläger den Kanal zunächst selbst als seinen eigenen angesehen, als er eine Fachfirma mit der Sanierung beauftragt habe.

15
Auch nach zwei Kamerabefahrungen habe der weitere Verlauf des Kanals über das Grundstück … hinaus nicht festgestellt werden können. Umfangreiche Ermittlungen würden die Vermutung nahelegen, dass der Kanal ursprünglich der Entwässerung des Weges gedient habe. Daher habe es sich seinerzeit gerade nicht um eine Ver- bzw. Entsorgungsleitung gehandelt, sondern um eine Entwässerungsanlage der Straße selbst, die damit Bestandteil des Weges gewesen sei. Der Kanal habe damit das rechtliche Schicksal des Weges geteilt und mit dessen Auflassung seinen öffentlichen Charakter verloren. Bei der Neuparzellierung sei er wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Grundstücke gewesen und somit als solches mit dem Grundstück an den Rechtsvorgänger des Klägers verkauft worden. Damit sei auch plausibel erklärt, dass der Kanal in keinem Kanalkataster, Bebauungsplan oder der Kaufvertragsurkunde über das Grundstück Erwähnung gefunden habe. Was den Tonrohrkanal angehe, hätten keine Erkenntnisse über dessen heutige Existenz und damit über eine etwaige heutige Funktion gewonnen werden können.

16
Mit weiterem Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 ergänzte die Klägerseite ihr Vorbringen. Die Feststellungsklage sei zulässig, da der Grundsatz der Subsidiarität nicht für das Verhältnis von Feststellungsklagen gegen einen Hoheitsträger und allgemeiner Leistungsklagen gelte. Zudem sei diese auch als Zwischenfeststellungsklage statthaft, da die Feststellung, dass die Beklagte die Unterhaltslast für den streitigen Kanal trage, vorgreiflich sei für die Entscheidung, ob sie dem Kläger wegen der Beschädigung des Wohnhauses Schadensersatz zu leisten habe. Auch sei die Klage hinreichend bestimmt, da der streitgegenständliche Kanal aus der Klagebegründung erkennbar sei. Alle drei von der Beklagten ermittelten Kanäle seien zum öffentlichen Kanalnetz zugehörig. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte keine Verbindung zu einer zu entwässernden Oberfläche habe feststellen können. Die unterbliebene Feststellung sei darauf zurückzuführen, dass der Kanal mit den Untersuchungsgeräten der Beklagten nicht befahren werden konnte. Ferner stelle es eine bloße Vermutung ohne Tatsachengrundlage dar, soweit die Beklagte behauptet, dass der Kanal das zu Regenzeiten hoch stehende Grundwasser ableite. Vielmehr sei es ein Indiz für die Einordnung als Regenwasserkanal, dass bei Starkregen große Wassermengen durch den Kanal abgeleitet würden. Daneben könnte es sich bei dem Kanal aber auch um einen verrohrten Bach handeln. Der damalige Straßenname „…“ deute darauf hin. Dies würde zudem erklären, weshalb der Kanal weiterhin Wasser führe. Er könne jedenfalls keine Straßenentwässerungsanlage gewesen sein, da er immer noch Wasser führe, obwohl keine Straße mehr vorhanden sei, die entwässert werden könnte. Somit sei der Kanal nicht Bestandteil des Weges i.S.d. Art. 2 Nr. 1 a) des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG). Demnach handele es sich bei dem Kanal um ein Gewässer dritter Ordnung, deren Unterhaltung der Gemeinde als eigene Aufgabe obliege.

17
Die Beklagte entgegnete dem mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2019. Eine zu entwässernde Oberfläche habe nicht festgestellt werden können, da an der Oberfläche kein Einlauf vorhanden sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Grundstücksentwässerungsanlage nicht unter mehreren Grundstücken verlaufen könne. Dies sei jedoch unerheblich, da der vom Kläger gezogene Umkehrschluss, dass der Kanal zur Entwässerungseinrichtung der Beklagten gehöre, da es sich weder um einen Grundstücksanschluss noch eine Grundstücksentwässerungsanlage handele, unzulässig sei. Die Beklagte bestimme nach § 1 Abs. 2 EWS Art und Umfang der Entwässerungsanlage. Zudem widerspreche der Kläger sich insofern, als er zunächst behaupte, dass es sich um einen Regenwasserkanal handele, während er anschließend erkläre, dass ein Gewässer dritter Ordnung vorliege. Die Schlussfolgerung vom Straßennamen – der nicht „…“, sondern nur „…“ gelautet habe – auf ein Gewässer dritter Ordnung sei in keiner Weise zwingend. Außerdem sei im Endbericht zum Gewässerentwicklungskonzept für Gewässer dritter Ordnung für das Gebiet der Beklagten vom Mai 2010 an dieser Stelle kein Gewässer verzeichnet. Der Anschein spreche nach wie vor dafür, dass der Kanal als Bestandteil des Grundstücks im Eigentum des Klägers stehe. Die bestehenden Restzweifel gingen zu Lasten des Klägers.

18
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Oktober 2019 Bezug genommen. Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

19
Die zulässige Klage ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Der streitgegenständliche Kanal (im Weiteren als „Steinkanal“ bezeichnet) ist weder Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten noch obliegt ihr die Unterhaltslast für den Kanal.

20
Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet, da der im Streit stehende Steinkanal kein Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten ist.

21
a) Die Klage im Hauptantrag ist als Feststellungsklage zulässig. Zunächst ist die Klage statthaft, da sie auf die Feststellung der Zugehörigkeit des Steinkanals zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung und damit auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung. Dafür genügt nach ständiger Rechtsprechung jedes nach der Sachlage anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.2009 – 8 C 10/08 – juris; U.v. 15.7.2016 – 9 A 16/15 – juris Rn. 26). Ein solch schutzwürdiges Interesse wirtschaftlicher Art liegt vor. Durch den Feststellungsantrag möchte der Kläger sowohl klären, wer für den entstandenen Schaden an seinem Haus haftet, als auch, wem die Unterhaltung des Steinkanals mit den gegebenenfalls notwendigen Verrohrungsarbeiten obliegt.

22
Die Feststellungsklage ist schließlich auch nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen, weil der Kläger seine Rechte durch eine allgemeine Leistungsklage geltend machen könnte. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist seinem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen. Eine Feststellungsklage kommt trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage insbesondere dann in Betracht, wenn die Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz bietet (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1997 – 1 C 2/95 – juris Rn. 25; U.v. 15.7.2016 – 9 A 16/15 – juris Rn. 28). Die Feststellung der Zugehörigkeit des Steinkanals zur öffentlichen Einrichtung reicht in ihrem Gegenstand weiter als ein reines Leistungsbegehren und ist über den Einzelfall hinaus in gleich gelagerten Fällen auch künftig wieder von Bedeutung. Damit wird sowohl gegenwärtig als auch für die Zukunft unter den Beteiligten geklärt, wem der Unterhalt des Steinkanals obliegt und wer für etwaige, durch den Steinkanal entstandene bzw. zukünftig entstehende Schäden an den Gebäuden haften muss. Somit kann es dahinstehen, ob im Verhältnis zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausnahmsweise vom Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO – wie von Klägerseite behauptet – abzusehen ist.

23
Schließlich ist der Antrag auch hinreichend bestimmt gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO, da sowohl für die Beteiligten als auch für das Gericht klar ersichtlich ist, welcher Kanal – unabhängig von dessen Bezeichnung als „…“ – vorliegend im Streit steht.

24
b) Die Klage hat im Hauptantrag jedoch keinen Erfolg, da der unter dem klägerischen Grundstück verlaufende Steinkanal kein Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten nach Art. 21 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) ist.

25
aa) Ob ein bestehender Kanal Teil einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung i.S.v. Art. 21 Abs. 1 GO ist, beurteilt sich danach, ob er vom Einrichtungsbetreiber durch einen Widmungsakt der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden ist und im öffentlichen Interesse unterhalten wird. Da an die Form des Widmungsaktes bei kommunalen Entwässerungsanlagen keine besonderen gesetzlichen Anforderungen gestellt werden, ergibt sich eine Widmung häufig nur aus einer Betrachtung der Gesamtumstände (BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 22 m.w.N.). Auf die Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Teilen der Anlage sowie deren Sonderrechtsfähigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt es hiernach grundsätzlich nicht an (BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 7).

26
bb) Daran gemessen ist der Steinkanal kein Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung. Weder durch die Bestimmungen der Entwässerungssatzung der Beklagten noch durch ein anderweitiges Handeln der Beklagten liegt ein (nachweisbarer) Widmungsakt im Hinblick auf den Steinkanal vor.

27
(1) Gleichwohl ist der Klägerseite zunächst zuzustimmen, dass es sich bei dem Steinkanal den Definitionen in § 3 EWS zufolge weder um einen Grundstücksanschluss noch um eine Grundstücksentwässerungsanlage handelt, sodass der Steinkanal nicht bereits aufgrund der Ausschlussregelung des § 1 Abs. 3 EWS von der Entwässerungsanlage ausgeschlossen ist. Bei den Grundstücksanschlüssen handelt es sich nach § 3 EWS um die Leitungen vom Kanal bis zum Kontrollschacht bzw. bis zur Grundstücksgrenze, falls kein Kontrollschacht vorhanden ist, während Grundstücksentwässerungsanlagen die Einrichtungen eines Grundstücks sind, die dem Ableiten des Abwassers dienen, bis einschließlich des Kontrollschachts bzw. bis zur Grundstücksgrenze. Diese gehören nach § 1 Abs. 3 EWS nicht zur Entwässerungsanlage der Beklagten.

28
Vorliegend erfolgt die Entwässerung des klägerischen Grundstücks sowie aller Grundstücke der … über die jeweiligen Grundstücksanschlussleitungen in den in der Straße gelegenen öffentlichen Kanal. Der Steinkanal besitzt hierbei keine Verbindung zur Grundstücksanschlussleitung bzw. zum öffentlichen Kanal in der … Wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung klarstellten, geht der Steinkanal hingegen unter dem klägerischen Grundstück in einen Betonrohrkanal über, der die … quert und erst im weiteren Verlauf in der … eine Verbindung zum öffentlichen, in der … gelegenen Kanalnetz aufweist. Somit wäre allenfalls zu diskutieren, ob das Betonrohr nach der Grundstücksgrenze des Klägers als Grundstücksanschluss zu qualifizieren wäre. Der auf dem Klägergrundstück verlaufende Steinkanal ist jedoch definitionsgemäß ersichtlich nicht darunter zu fassen. Da er zudem unstreitig nicht der Ableitung des Abwassers des klägerischen Grundstücks dient, handelt es sich auch um keine Grundstücksentwässerungsanlage des Klägers.

29
(2) Allerdings kann daraus nicht automatisch im Umkehrschluss – wie von Klägerseite angenommen – gefolgert werden, dass der Steinkanal folglich der Entwässerungseinrichtung der Beklagten zugehörig sei. Ebenso reicht es nicht aus, dass der Kanal tatsächlich Niederschlagswasser ableitet und demnach der Definition in § 3 EWS zufolge als Regenwasserkanal zu qualifizieren wäre. Vielmehr ist in § 1 Abs. 2 EWS geregelt, dass Art und Umfang der Entwässerungseinrichtung und somit die Zugehörigkeit eines Kanals zu derselben durch die Stadt bestimmt wird. Wenn sich die Beklagte die Bestimmung der Art und des Umfangs der Entwässerungsanlage in der Satzung vorbehalten hat und weiterhin vorbehält, so macht sie damit lediglich deutlich, dass sie außerhalb der Satzung bestimmen will, was Bestandteil ihrer Entwässerungsanlage sein soll und was nicht (BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 38). Das Gesetz stellt keine besonderen Anforderungen an die Form des Widmungsaktes. Dass und wieweit eine Widmung vorliegt, muss sich aus den gesamten Umständen ergeben. Indizien für eine – konkludente – Widmung außerhalb des Satzungsrechts der Beklagten sind insbesondere die bisherige Benutzungspraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sowie die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung. Bei der exakten Bestimmung des Umfangs eines zur Entwässerungsanlage gehörenden Kanalnetzes kommt den Kanalbestandsplänen der Stadt eine erhöhte Bedeutung zu. Nach diesen Plänen bestimmt sich, welche Grundstücke durch die öffentliche Entwässerungsanlage erschlossen sind, so dass die Eigentümer zu Beiträgen herangezogen und im Falle einer Bebauung zum Anschluss an die öffentliche Anlage verpflichtet werden können. Es kann daher angenommen werden, dass die Bestandspläne öffentlicher Entwässerungseinrichtungen in aller Regel mit besonderer Sorgfalt geführt werden (BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 22 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 39 ff.).

30
(3) Davon ausgehend ist der Steinkanal kein Bestandteil der Entwässerungseinrichtung, da er weder in den Kanalbestandsplänen der Beklagten enthalten ist noch anderweitige Indizien für eine Widmung des Kanals vorliegen.

31
(a) Der aktuelle, dem Gericht übergebene Kanalbestandsplan vom 24. Oktober 2019 basiert auf einer Bestandserfassung der öffentlichen Kanäle durch ein Ingenieurbüro im Jahr 1950. Zu diesem Zeitpunkt waren die …, die … sowie die … bereits kanalisiert. Sämtliche Veränderungen und Erweiterungen, die nach dem Jahr 1950 an der öffentlichen Entwässerungseinrichtung vorgenommen wurden, beispielsweise die Kanalauswechslung in der … im Jahr 1955, wurden von der Beklagten durch farbliche Hervorhebung in den fortgeführten Bestandsplänen kenntlich gemacht. Da den Kanalbestandsplänen der Stadt bei der Bestimmung des Umfangs der öffentlichen Einrichtung eine erhöhte Bedeutung zukommt und diese in aller Regel mit besonderer Sorgfalt geführt werden, liegt in der Nichterfassung des Steinkanals in sämtlichen Bestandsplänen ein gewichtiges Indiz gegen dessen Einstufung als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung. Insbesondere äußerte die Beklagte auch, dass sie den Willen gehabt habe, nur die im Jahr 1950 aufgenommenen Kanäle sowie die danach vorgenommenen Veränderungen und Erweiterungen als Teile der Entwässerungsanlage zu widmen.

32
(b) Im Übrigen sind auch keine entgegenstehenden Indizien ersichtlich, die zu einem anderen Ergebnis führen.

33
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde aufgeklärt, dass ein vom Kläger beauftragtes Fachunternehmen im Jahr 2014 einen sogenannten Rauchtest durchführte, bei dem der Rauch im Steinkanal unter dem klägerischen Grundstück in Richtung … aufwärts geleitet wurde. Dabei konnte festgestellt werden, dass aus der Dachrinne des Anwesens … Rauch austrat. Damit ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass durch die Dachrinne in diesem Grundstück eine dauerhafte Regenwassereinleitung in den Steinkanal stattfindet. Gleichwohl führt dies aber nicht dazu, dass aus dieser Benutzungspraxis ein Indiz für die Qualifizierung des Kanals als öffentlicher Regenwasserkanal hergeleitet werden kann. Vielmehr wird das Regenwasser vom Grundstück in der … offenbar teilweise in rechtswidriger Weise nicht in den öffentlichen Kanal in der … selbst eingeleitet. Aus diesem widerrechtlichen Verhalten eines Anwohners kann jedoch kein Rückschluss auf die Zugehörigkeit des Kanals zur Entwässerungseinrichtung gezogen werden, da der Einrichtungsträger die Bestandteile seiner öffentlichen Einrichtung selbst durch Widmungsakt bestimmt. Auch kann allein durch das Einleiten keine konkludente Widmung des Steinkanals stattgefunden haben, da dies eine zumindest stillschweigende Billigung der Einleitungssituation durch das nach der Kommunalverfassung zuständige Organ voraussetzen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2012 – 4 CE 11.3002 – juris Rn. 9). Da die Beklagte angab, erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch den Kläger von der rechtswidrigen Einleitung erfahren zu haben, scheidet eine stillschweigende Billigung mangels Kenntnis auf Seiten der Beklagten aus. Ihr obliegt es jedoch aufgrund des in § 5 Abs. 5 Satz 1 EWS geregelten Benutzungszwangs zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands gegen den Grundstückseigentümer vorzugehen und diesen dazu anhalten, das Regenwasser ordnungsgemäß dem öffentlichen Entwässerungskanal in der … zuzuführen. Damit könnte im Übrigen zukünftig vermieden werden, dass weitere Schäden am klägerischen Gebäude durch die Ableitung im Steinkanal entstehen.

34
Selbst wenn sich der Steinkanal im bisher nicht befahrenen Teil weiter aufwärts in Richtung … erstrecken sollte und dort weitere Fremdanschlüsse vorhanden sein sollten, durch die Niederschlagswasser in den Steinkanal eingeleitet würde, ließe sich auch daraus nicht auf eine konkludente Widmung des Kanals schließen. Ob ein Kanalstück Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung ist, kann sich zwar danach richten, ob er dazu bestimmt ist, Abwasser nur eines Einzelnen oder einer unbestimmten Anzahl nicht näher bezeichneter Einleiter aufzunehmen (BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 8). Hier liegt eine solche Bestimmung durch die Beklagte aber nicht vor, da die Entwässerung über den öffentlichen Kanal erfolgen soll. Vielmehr gaben die Vertreter der Beklagtenseite für das Gericht nachvollziehbar an, dass die Beklagte von der Existenz des gegenständlichen Steinkanals keine Kenntnis gehabt habe und erstmalig durch den Kläger bzw. die Landeskirchengemeinde … und deren Schreiben vom 20. Oktober 2014 vom Kanal erfahren habe. Dies deckt sich mit den vorgelegten Behördenakten, denen gleichermaßen kein Hinweis zum Ursprung und Verlauf des Steinkanals zu entnehmen ist.

35
Außerdem würde die von Klägerseite angeführte Verrohrung des Kanals von der … in Richtung …, die nach Klägerauskunft durch die Beklagte – im Widerspruch zu der Angabe der Beklagten über ihre Unkenntnis vom gegenständlichen Kanal – etwa um das Jahr 1960 vorgenommen worden sein soll, zu keiner konkludenten Widmung des Steinkanals als Bestandteil der öffentlichen Einrichtung führen. Besonders deutlich wird dies daran, dass die Beklagte – wie bereits erläutert – ab dem Jahr 1950 einen Kanalbestandsplan führte, in dem die Veränderungen und Erweiterungen an der öffentlichen Entwässerungsanlage eingetragen wurden. Hätte sie demnach den Steinkanal sowie den neu errichteten Betonrohrkanal bei der Vornahme der Arbeiten um das Jahr 1960 als Teil der Entwässerungseinrichtung betrachtet, wäre sorgfaltsgemäß eine Erweiterung der Entwässerungseinrichtung im Plan eingetragen worden. Nachdem dies jedoch unterblieb, lässt sich im Umkehrschluss auf einen – zum damaligen Zeitpunkt – fehlenden Willen der Beklagten zur Widmung des Steinkanals als Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung schließen. Soweit ersichtlich wurden durch die Beklagte auch keine anderen Unterhaltungsarbeiten am Steinkanal selbst vorgenommen, die gegebenenfalls zu einer konkludenten Widmung zu einem anderen Zeitpunkt hätten führen können.

36
Überdies ist auch aus den Äußerungen der Beklagten – sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren – nichts für eine konkludente Widmung ersichtlich. Die Beklagte untersagte dem Kläger zwar vorerst, die Instandhaltungsmaßnahmen vorzunehmen und meldete vorsorglich Schadensersatzansprüche gegenüber den Grundstückseigentümern an. Dies erfolgte allerdings augenfällig vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zunächst eine rechtliche Prüfung des Sachverhalts vornehmen wollte. Eine Anerkennung der Zugehörigkeit des Kanals zur Entwässerungsanlage ist darin indessen nicht enthalten.

37
Schließlich ist noch anzumerken, dass es auf die Frage, ob das Eigentum am Steinkanal nach § 94 bzw. § 95 BGB im Rahmen des Kaufvertrages aus dem Jahr 1906 auf den vormaligen Eigentümer übergegangen ist, im Rahmen der Feststellung der Zugehörigkeit des Kanals zur Entwässerungsanlage nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht ankommt (BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 7 B 3/15 – juris Rn. 7).

38
Aus diesen Gründen und unter besonderer Berücksichtigung der Kanalbestandspläne ist der streitige Kanal daher mangels Widmung kein Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten.

39
Der in der mündlichen Verhandlung ergänzte Hilfsantrag des Klägers ist zwar zulässig, jedoch ebenfalls unbegründet. Die vom Kläger begehrte Feststellung der Unterhaltslast der Beklagten ist zu versagen, da der Ursprung des Steinkanals trotz intensiver Bemühungen der Beklagten zur Sachaufklärung nicht nachweisbar ist. Die Nichterweislichkeit geht daher zu Lasten des Klägers.

40
a) Der unter einer innerprozessualen Bedingung stehende Antrag ist ebenfalls als Feststellungsantrag statthaft. Auch insoweit liegt keine Subsidiarität vor, § 43 Abs. 2 VwGO, da der Feststellungsantrag weiter reicht und folglich einen effektiveren Rechtsschutz als eine Leistungsklage darstellt.

41
b) Zunächst besteht keine Unterhaltungslast der Beklagten nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG), da die Behauptung des Klägers, dass es sich bei dem Steinkanal um ein eingefasstes Gewässer dritter Ordnung handele, nicht nachgewiesen werden konnte. Die Argumentation des Klägers, dass der Straßenname „…“ darauf hindeute, dass es sich um einen verrohrten Bachlauf handeln könnte, wurde von der Beklagtenseite entkräftet. Diese wies darauf hin, dass der Weg nur den Namen „…“ trug und ein Bachlauf an dieser Stelle nicht bekannt sei. Dem Gericht gegenüber erklärte der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus, dass um die Jahrhundertwende die Verrohrung des … vorgenommen und dieser gleichzeitig dinglich gesichert worden sei. Daher sei davon auszugehen, dass bei einer Einfassung eines etwaigen Baches im „…“ im gleichen Zeitraum ebenfalls eine dingliche Sicherung eingetragen worden wäre. Davon abgesehen sei auch im Endbericht zu dem Gewässerentwicklungskonzept für Gewässer dritter Ordnung für das Gebiet der Beklagten vom Mai 2010 kein Gewässer auf Höhe des klägerischen Grundstücks verzeichnet.

42
Nachdem die Begründung des Klägers weitestgehend auf einer am Straßennamen orientierten Vermutung basiert, kann diese aufgrund der Entgegnung der Beklagten nicht überzeugen. Hinzu kommt, dass in der Behördenakte der Beklagten ein Auszug aus dem Buch „Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern“ von Joseph Heyberger aus dem Jahr 1868 enthalten ist, in dem die Gewässer des Bezirksamts … aufgeführt sind, wobei ein sogenannter „…“ in der Auflistung nicht erwähnt ist.

43
Aus diesen Gründen erscheint es als unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Steinkanal um ein eingefasstes Gewässer handelt. Da eine endgültige Klärung dieser Streitfrage jedoch mangels weiterer Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung seitens des Gerichts im vorliegenden Verfahren nicht erreichbar ist, geht dies letztlich zu Lasten des Klägers. Dem Verwaltungsrecht sind dem Zivilprozess vergleichbare Behauptungs- und Beweisführungslasten (formelle Beweislast) im Allgemeinen wegen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 VwGO zwar fremd. Allerdings ist es eine Frage des materiellen Rechts, zu wessen Lasten es geht, wenn eine entscheidungserhebliche Tatfrage unaufklärbar bleibt. Die materielle Beweislast bestimmt sich nach dem jeweiligen materiellen Fachrecht und ist in Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Normen zu ermitteln. Einzelne Vorschriften des materiellen Rechts enthalten widerleglich gesetzliche Vermutungen im Sinne einer Regelung der materiellen Beweislast. Enthält das materielle Recht hingegen – was der Normalfall ist – keine besonderen Regelungen, so greift der allgemeine Rechtsgrundsatz ein, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht (vgl. Eyermann/Kraft, 15. Aufl. 2019, VwGO § 108 Rn. 50ff. m.w.N.).

44
Da den einschlägigen Normen des Wasserrechts keine Vermutungsregelung zu entnehmen ist, ist auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz zurückzugreifen. Demzufolge geht der fehlende Nachweis des Bachlaufes zu Lasten des Klägers, da dieser aus der behaupteten Unterhaltungslast der Beklagten für ein Gewässer dritter Ordnung eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten wollte.

45
c) Ebenso verhält es sich mit dem Vorbringen, dass die Beklagte eine Unterhaltungslast treffe, da es sich bei dem Steinkanal um eine Straßenentwässerungseinrichtung des vormaligen Fahrwegs „…“ handele.

46
Abgesehen davon, dass der Kläger zuletzt selbst mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 abstritt, dass es sich bei dem Steinkanal um eine Straßenentwässerung des ehemaligen Weges gehandelt habe, da trotz fehlender Straße nach wie vor ein stetiger Wasserlauf vorhanden sei, liegen auch für diese Einordnung keine gesicherten Erkenntnisse vor. Die Beklagtenseite konnte aufgrund der durchgeführten Kamerabefahrungen ermitteln, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kanal jedenfalls nicht um den im Jahr 1892 geplanten „(Tonrohr-)Kanal durch das …“ handelt, da dieser sich tiefer im Erdreich befinden müsste.

47
Da dem entscheidenden Gericht allerdings keine weitergehenden Erkenntnisse vorliegen, kann der Ursprung des Kanals und damit auch dessen Zweck bei seiner Errichtung nicht weiter aufgeklärt werden. Die insoweit entscheidende Frage, ob der Kanal im Zeitpunkt seiner Errichtung zu einem öffentlichen Zweck gewidmet wurde, ist somit nicht nachweisbar. Aus diesem Grund geht auch diese Unklarheit zu Lasten des Klägers.

48
Demzufolge kann es dahinstehen, ob die behauptete Straßenentwässerungseinrichtung infolge der Auflassung des Weges im Jahr 1900 eine Entwidmung erfuhr. Ebenso sind die Ausführungen zu den Eigentumsverhältnissen am Steinkanal nicht entscheidungsrelevant.

49
Weitere Anhaltspunkte, aus denen sich eine Unterhaltungslast der Beklagten ergeben könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Somit war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

II.

50
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Anschlusspflicht an den Abwasser-Kanal

Anschlusspflicht an den Abwasser-Kanal

von Thomas Ax

Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (zuletzt Beschluss vom 19.12.1997, Az. 8 B 234.97 -, UPR 1998, S 192 ff; abgedruckt auch in der Rechtsprechungssammlung der Abwasserberatung NRW e.V., Band 2, Stand Januar 2000, S. 507) entschieden, dass das Eigentumsrecht eines Grundstückseigentümers, der auf seinem Grundstück eine private Kleinkläranlage betreibt, von vornherein dahin eingeschränkt ist, dass er diese Anlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Abwasserbeseitigung im öffentlichen Interesse in ihrer Verantwortung zu übernehmen und deshalb den Anschluss – und Benutzungszwang an die gemeindliche Abwasseranlage anordnet.

Der durch die gemeindliche Entwässerungssatzung (Abwasserbeseitigungssatzung) begründete Zwang, Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen und diese zu benutzen, ist nach dem Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich auch kein Eingriff in das Eigentum eines Grundstückseigentümers (Art. 14 Abs. 1 GG), sondern bedeutet für den betroffenen Grundstückseigentümer eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken seines Grundeigentums, die durch die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG) gerechtfertigt ist.

Schutzgut der öffentlichen Abwasserbeseitigung ist nach dem Bundesverwaltungsgericht, die Sauberkeit des Grundwassers im Interesse des Allgemeinwohls zu erhalten. Der durch die Entwässerungssatzung angeordnete Zwang, Grundstücke an die öffentliche Kanalisation anzuschließen und die gemeindliche Abwassereinrichtung zu benutzen, dient der Sicherung dieses Schutzgutes. Durch den Anschluss- und Benutzungszwang läßt sich nach dem Bundesverwaltungsgericht mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwasser ausschließen. Ein Verzicht auf dieses Maß an Sicherheit führt bereits zu einer dem Allgemeinwohl widersprechenden Gefährdung des Schutzgutes.
Vor diesem Hintergrund sind Kleinkläranlagen und auch abflusslose Gruben auf privaten Grundstücken von vornherein abwassertechnische Provisorien, die ihre Aufgabe erfüllt haben, sobald vor dem Grundstück ein betriebsfertiger Abwasserkanal verlegt worden ist.

In diesem Zusammenhang hat auch das OVG NRW mit Beschluss vom 05.06.2003 (Az.: 15 A 1738) nochmals klargestellt, dass ein Grundstück an den öffentlichen (gemeindlichen) Abwasserkanal anzuschließen ist, wenn vor dem Grundstück ein betriebsfertiger Abwasserkanal durch die Gemeinde hergestellt worden ist. Das Argument, eine private Kleinkläranlage erreiche die gleiche Reinigungsleistung wie eine Abführung des Abwassers über den öffentlichen Abwasserkanal greift nach dem OVG NRW deshalb nicht durch, weil eine zentrale Abwasserbeseitigung durch die Gemeinde bereits einen maßgeblichen Gesichtspunkt der Volksgesundheit darstellt. Denn hierdurch erübrigt sich der Betrieb einer Vielzahl von Kleinkläranlagen, deren Funktionstüchtigkeit ständig überwacht werden müsse sowie der Erlass von entsprechenden Anordnungen bei festgestellten Mißständen. Mithin werde durch die zentrale gemeindliche Abwasserbeseitigung über Kanäle die Sicherheit der Schmutzwasserbeseitigung erhöht, was der Volksgesundheit diene.