Ax Vergaberecht

Neu im Programm: Inhouseschulung zur Beseitigung von Baumängeln

Neu im Programm: Inhouseschulung zur Beseitigung von Baumängeln

Schulungsleiter

RA Dr. Thomas Ax

Teilnehmerkreis

Baujuristen, Bauunternehmer, Bauherren, Architekten, Sachverständige/Gutachter

Ziel der Intensivschulung

Das in § 634 BGB normierte Ranking der Rechte des Bestellers bei Mängeln verortet die Nacherfüllung an vorrangiger Stelle; eben dieser Anspruch des Bestellers, der von Baupraktikern als eigentliche „2. Chance des Unternehmers“ dahin gewertet wird, das mangelhafte Werk nach seinem Gusto zu reparieren und damit seine Unternehmeransprüche zu retten, ist in § 635 BGB näher ausgestaltet. Das System dieser werkrechtlichen Nacherfüllung wird in dem Kontext der anderen Gewährleistungsrechte beleuchtet; darüber hinaus werden die bei der Geltendmachung von Nachbesserung wie ihrer Abwehr zu beachtenden juristischen Finessen, aber auch die Risiken und Fallstricke in den Details präsentiert.

Themen

Per sortierter Darstellung der jüngeren Rechtsprechung werden intensiv erörtert u.a. die Voraussetzungen der Geltendmachung der Nacherfüllung, das Wahlrecht des Unternehmers, die Details des Streits über die geeignete Nacherfüllung, den Untergang des Nacherfüllungsanspruchs, das Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers, insbesondere in den Fällen sog. Unverhältnismäßigkeit, und auch die vollstreckungsrechtlich beachtlichen Umstände. Im zweiten Teil werden vertiefend grundlegende Entscheidungen zur 2. Chance des Auftragnehmers / zum Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers beginnend mit den „Dachstuhlurteil“ des BGH bis hin zu den jüngeren obergerichtlichen Urteilen betreffend Schimmelpilzvorkommnisse beim Bauen und die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen vertiefend – und kritisch – abgehandelt.

Vereinbaren Sie gerne einen Beratungstermin zu Ablauf, Konditionen und Terminen mit der AxAkademie!

RA Dr. Thomas Ax

verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung im privaten Baurecht. Neben der Vertretung in gerichtlichen Verfahren berät Ax öffentliche und private Auftraggeber, Architekten und Ingenieure sowie ausführende Unternehmen bei der Umsetzung mittlerer und großer nationaler und internationaler Bauprojekte. Schwerpunkte bilden dabei der Forschungs- und Gesundheitssektor und dort insbesondere der Krankenhausbau sowie kommunale Gebäude sowie das Sanieren von Bestandsgebäuden. Eine Hauptaufgabe liegt in der Projektsteuerung, Projektentwicklung und Bauleitung von Bauvorhaben. Durch die Erfahrung aus über 25 Jahren Baustellentätigkeit und Projektbetreuung besitzt Ax ein fundiertes Wissen über alle Vorgänge in der Abwicklung von Bauvorhaben. Ax berät auch zur Integrierten Projektabwicklung (IPA) mit Mehrparteienverträgen. Ax ist durch zahlreiche Seminare und Veröffentlichungen zum Bauvertrags- und Architektenrecht bekannt.

Neu im Programm: Inhouseschulung zu Haftungsfragen bei mehreren Baubeteiligten

Neu im Programm: Inhouseschulung zu Haftungsfragen bei mehreren Baubeteiligten

Schulungsleiter

RA Dr. Thomas Ax

Teilnehmerkreis

Die Intensivschulung richtet sich an Auftraggeber, bauplanende und bauüberwachende Architekten und Ingenieure sowie an Auftragnehmer und deren Projekt- und Bauleiter, juristische Berater der Baubeteiligten und Mitarbeiter der Berufshaftpflichtversicherer.

Ziel der Intensivschulung

In jedem Bauvorhaben greifen Bau-, Architekten- und Ingenieurleistungen ineinander und bauen aufeinander auf. Kommt es zu einem Baumangel, sind meist mehrere Baubeteiligte verantwortlich. Der Auftraggeber kann wählen, wen er in Anspruch nimmt, muss sich aber möglicherweise an der Mängelbeseitigung beteiligen. Verweigert er sich, entfällt die Haftung der Verantwortlichen. Anhand aktueller Beispiele werden die Chancen und Risiken der Baubeteiligten aufgezeigt. Die Teilnehmer erhalten Hinweise und Empfehlungen, wie typische Fehler vermieden und die eigenen Chancen gewahrt werden können. 

Themen

1. Mangelhafte Leistung der Baubeteiligten

  • Mangel der Unternehmerleistung
  • Mangel der Planerleistung
  • Mangel der Leistung des Bauüberwachers
  • Mangel der Leistung des Sonderfachmanns

2. Mangelansprüche des Auftraggebers gegen die Baubeteiligten

  • Ansprüche gegen den Unternehmer
  • Ansprüche gegen den Planer
  • Ansprüche gegen den Bauüberwacher
  • Ansprüche gegen den Sonderfachmann

3. Befreiung der Baubeteiligten von ihrer Haftung

  • Durch Prüfung und Hinweis vor Bauausführung (Risiko­übernahme)
  • Durch Beteiligung des Auftraggebers

— wegen Sowieso-Kosten
— wegen Vorteilsausgleichs
— wegen Mitverschuldens
— wegen unterlassener Mitwirkung

4. Gesamtschuldnerische Haftung der Baubeteiligten

  • Bedeutung der gesamtschuldnerischen Haftung
  • Gesamtschuldner

— mehrere Unternehmer
— Unternehmer und Bauüberwacher
— Unternehmer und Planer
— Bauüberwacher und Planer
— Unternehmer, Planer und Bauüberwacher
— Unternehmer, Planer, Bauüberwacher und Sonderfachmann

  • Wahlrecht des Auftraggebers
  • Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern
  • Verjährung

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RA Dr. Thomas Ax

verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung im privaten Baurecht. Neben der Vertretung in gerichtlichen Verfahren berät Ax öffentliche und private Auftraggeber, Architekten und Ingenieure sowie ausführende Unternehmen bei der Umsetzung mittlerer und großer nationaler und internationaler Bauprojekte. Schwerpunkte bilden dabei der Forschungs- und Gesundheitssektor und dort insbesondere der Krankenhausbau sowie kommunale Gebäude sowie das Sanieren von Bestandsgebäuden. Eine Hauptaufgabe liegt in der Projektsteuerung, Projektentwicklung und Bauleitung von Bauvorhaben. Durch die Erfahrung aus über 25 Jahren Baustellentätigkeit und Projektbetreuung besitzt Ax ein fundiertes Wissen über alle Vorgänge in der Abwicklung von Bauvorhaben. Ax berät auch zur Integrierten Projektabwicklung (IPA) mit Mehrparteienverträgen. Ax ist durch zahlreiche Seminare und Veröffentlichungen zum Bauvertrags- und Architektenrecht bekannt.

Neu im Programm: Inhouseschulung für die Bau- und Projektleitung: Rechtssicherer Schriftverkehr und ordnungsgemäße Dokumentation

Neu im Programm: Inhouseschulung für die Bau- und Projektleitung: Rechtssicherer Schriftverkehr und ordnungsgemäße Dokumentation

Was muss wann und wie geschrieben und dokumentiert werden?


Schulungsleiter

RA Dr. Thomas Ax

Teilnehmerkreis

Alle mit der Abwicklung von Bauvorhaben befassten Baubeteiligten, wie etwa Bau- und Projektleiter, Contract- und Claim-Manager sowie bauüberwachende Architekten und Ingenieure.

Ziel der Intensivschulung

Bei der Abwicklung eines Bauvertrags – gleichgültig, ob nach BGB oder VOB/B – hat die Bau- und Projektleitung erforderlichenfalls nicht nur umfangreichen Schriftverkehr zu führen, sondern auch zahlreiche Dokumentationspflichten. Wird nicht “richtig” geschrieben oder nur unzulänglich dokumentiert, kann dies ganz erhebliche (negative) Auswirkungen auf den finanziellen Projekterfolg haben. In dieser Intensivschulung wird den Teilnehmern vermittelt, in welchen Situationen Schriftverkehr erforderlich ist bzw. ein Vorgang dokumentiert werden muss. Es wird anhand konkreter Beispiele auch aufgezeigt, wie rechtssicherer Schriftverkehr zu führen ist bzw. wie eine gerichtsfeste Dokumentation aussehen kann. Hierzu werden den Teilnehmern konkrete Formulierungsvorschläge an die Hand gegeben, um ihnen die Arbeit auf der Baustelle zu erleichtern.

Themen

1. Schriftverkehr und Dokumentation u. a. im Zusammenhang mit

  • dem Vertragsschluss und -inhalt
  • Mehrmengen, geänderten und zusätzlichen Leistungen
  • der Anmeldung von Bedenken
  • der An- und Abmeldung von Behinderungen
  • der Dokumentation gestörter Bauabläufe
  • den Kündigungsmöglichkeiten wegen Termin- oder Zahlungsverzugs sowie wegen Mängeln
  • der Abnahme
  • Mängelansprüchen nach Abnahme der Leistung


2. Sonderthemen

  • gesetzliche und vertragliche Schriftformerfordernisse
  • kaufmännisches Bestätigungsschreiben
  • Stellvertretung/Vollmacht
  • Zugangs- und Beweisfragen
  • Belehrung des Verbraucher-Bauherrn

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RA Dr. Thomas Ax

verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung im privaten Baurecht. Neben der Vertretung in gerichtlichen Verfahren berät Ax öffentliche und private Auftraggeber, Architekten und Ingenieure sowie ausführende Unternehmen bei der Umsetzung mittlerer und großer nationaler und internationaler Bauprojekte. Schwerpunkte bilden dabei der Forschungs- und Gesundheitssektor und dort insbesondere der Krankenhausbau sowie kommunale Gebäude sowie das Sanieren von Bestandsgebäuden. Eine Hauptaufgabe liegt in der Projektsteuerung, Projektentwicklung und Bauleitung von Bauvorhaben. Durch die Erfahrung aus über 25 Jahren Baustellentätigkeit und Projektbetreuung besitzt Ax ein fundiertes Wissen über alle Vorgänge in der Abwicklung von Bauvorhaben. Ax berät auch zur Integrierten Projektabwicklung (IPA) mit Mehrparteienverträgen. Ax ist durch zahlreiche Seminare und Veröffentlichungen zum Bauvertrags- und Architektenrecht bekannt.

Kurz belichtet – HochbauRecht

Kurz belichtet - HochbauRecht

Nur der Geschäftsführer haftet für zweckwidrige Baugeldverwendung

OLG München, Beschluss vom 11.02.2022 – 9 U 5403/21

1. Die Entgegennahme von Baugeld mit dem Versprechen einer baldigen Fertigstellung oder Weiterführung der Baumaßnahme ist kein Betrug, wenn Bauarbeiten auf der Baustelle erbracht und Nachunternehmer bezahlt werden.

2. Auf Zeitgewinn zielende, beschwichtigende Äußerungen können nicht als Verstoß gegen das allgemeine Anstandsgefühl und gegen die Grunderfordernisse der Redlichkeit im geschäftlichen Verkehr gewertet werden.

3. Eine sog. Durchgriffshaftung wegen zweckwidriger Verwendung von Baugeld kommt bei technischen Angestellten, die keine Geschäftsführer sind, nicht in Betracht.

Einverständnis mit Umbauarbeiten ist keine Kostenübernahmeerklärung

OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.02.2023 – 13 U 114/22

1. Bei der Beantwortung der Frage, ob zwischen dem Besteller und dem Unternehmer ein Werkvertrag zu Stande gekommen ist, sind die (strengen) Anforderungen des Vollbeweises zu Grunde zu legen, da den Werkunternehmer die Beweislast für das Zustandekommen eines Werkvertrags trifft.

2. Aus dem Umstand, dass sich der Eigentümer einer Wohnung mit der Durchführung von Bauarbeiten einverstanden erklärt, folgt nicht, dass er auch zur Übernahme der Kosten bereit ist.

Verlassen der Baustelle ist keine Erfüllungsverweigerung

OLG München, Urteil vom 26.07.2022 – 9 U 7532/21 Bau

1. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz von Fertigstellungsmehrkosten wegen Mängeln der Leistung vor der Abnahme setzt im VOB/B-Vertrag voraus, dass er dem Auftragnehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt und die Kündigung angedroht hat und nach fruchtlosem Ablauf der Frist der Vertrag gekündigt wurde.

2. Einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung bedarf es nicht, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags ernsthaft und endgültig verweigert.

3. Das Verlassen der Baustelle allein ist (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung. Das Kooperationsgebot erfordert, dass sich der Auftraggeber mit dem Auftragnehmer wegen ausstehender Restleistungen in Verbindung setzt, statt die Arbeiten ohne Rücksprache zu halten selbst fertigzustellen.

Ersatzauftrag öffentlich ausgeschrieben: Kein Verstoß gegen Schadensminderungspflicht

OLG Brandenburg, Urteil vom 28.11.2023 – 10 U 2/23

1. Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer mit der Vollendung in Verzug gerät und ihm der Auftraggeber erfolglos eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt. Nach der Kündigung ist er berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen.

2. Die zu ersetzenden Fertigstellungsmehrkosten muss der Auftraggeber nachvollziehbar abrechnen. Der Detaillierungsgrad der Abrechnung bestimmt sich dabei nach den Kontroll- und Informationsinteressen des Auftragnehmers.

3. Der Auftragnehmer kann dem Fertigstellungsmehrkostenanspruch einen etwaigen Verstoß des Auftraggebers gegen die Schadensminderungspflicht entgegenhalten. Dabei kommt insbesondere ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in Betracht.

4. Ein öffentlicher Auftraggeber ist bei der erneuten Beauftragung eines zuvor im Wege eines förmlichen Vergabeverfahrens vergebenen Auftrags unter Schadensminderungsgesichtspunkten regelmäßig nicht zur Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens verpflichtet.

5. Wird der Ersatzauftrag in einem förmlichen Vergabeverfahren vergeben, sprechen gewichtige Indizien dafür, dass der gebildete Preis nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt.

Von der Redaktion HochbauRecht Heft 1/2024

Von der Redaktion HochbauRecht Heft 1/2024

Die VOB/B gilt als insgesamt ausgewogenes Vertragswerk und ist seit über 90 Jahren der Musterbauvertrag für die öffentliche Hand. Der öffentliche Auftraggeber schreibt seine Verträge weiterhin auf Basis der VOB/B aus. Die VOB/B ist also weiterhin aktuell. Sie enthält jedoch zahlreiche in der Baupraxis oft übersehene Tücken und Fallstricke. Hinzu kommen zahlreiche richtungsändernde Urteile des BGH, die der bisherigen Praxis ein Ende setzen. Sei es hinsichtlich der Mängelrechte vor der Abnahme, der Kalkulation von Nachträgen oder den Anforderungen an die Darstellung von Bauzeitenansprüchen. Ziel unserer HochbauRecht ist es, Ihnen die aktuelle Rechtsprechung zur VOB/B (z.B. Berechnen der Nachträge nach den tatsächlich erforderlichen Kosten, Unwirksamkeit § 4 Abs. 7 VOB/B) vorzustellen und praktische und rechtssichere Lösungen bei der Abwicklung eines Bauvorhabens anzubieten. Wer erfolgreich sein will, muss das zu lösende Problem im Baurechtsdschungel zutreffend einordnen. So kann man rasch klären, welche strategischen Optionen zur Verfügung stehen. Dementsprechend verfolgt die Hochbaurecht das Ziel, Ihnen für typische Problemlagen praxistaugliches Basiswissen zu vermitteln. Ziel ist die Vermittlung exakt der Kenntnisse, die insbesondere Bau- und Projektleiter benötigen, um ihr Projekt wirtschaftlich erfolgreich zu managen und abzuschließen. Die Kenntnisse sollen Sicherheit in wichtigen, oft stressigen Situationen geben und auf diese Weise auch den persönlichen Druck, unter dem die Baubeteiligten stehen, vermindern. Wenn Nichtjuristen juristisch bedeutsam handeln müssen, benötigen sie dafür keine theoretische Erläuterung komplizierter Paragraphen, sondern eine verständliche, ausschließlich an ihrer täglichen Praxis orientierte Hilfestellung. Diese Hilfestellung soll unsere HochbauRecht liefern. Nehmen Sie uns beim Wort. Für Hinweise und Wünsche sind wir empfänglich. Sprechen Sie uns sehr gerne an!

Ihre Redaktion

OLG München zu der Frage, dass das Verlassen der Baustelle allein (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung ist

OLG München zu der Frage, dass das Verlassen der Baustelle allein (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz von Fertigstellungsmehrkosten wegen Mängeln der Leistung vor der Abnahme setzt im VOB/B-Vertrag voraus, dass er dem Auftragnehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt und die Kündigung angedroht hat und nach fruchtlosem Ablauf der Frist der Vertrag gekündigt wurde.
2. Einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung bedarf es nicht, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung des Vertrags ernsthaft und endgültig verweigert.
3. Das Verlassen der Baustelle allein ist (noch) keine endgültige Erfüllungsverweigerung. Das Kooperationsgebot erfordert, dass sich der Auftraggeber mit dem Auftragnehmer wegen ausstehender Restleistungen in Verbindung setzt, statt die Arbeiten ohne Rücksprache zu halten selbst fertigzustellen.
OLG München, Urteil vom 26.07.2022 – 9 U 7532/21 Bau
vorhergehend:
LG München I, 30.09.2021 – 8 O 20798/15
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 16.08.2023 – VII ZR 160/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Bezahlung restlichen Werklohns für Kabeltiefbauarbeiten einschließlich dem zugehörigen Projektmanagement aus zwei Bauvorhaben “Glasfasererschließung H……” und “S………….” aus insgesamt 6 Einzelrechnungen in Anspruch. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 30.09.2021, Az.: 8 O 20798/15, Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage – nach Zeugenbeweis nur hinsichtlich 3 Rechnungen (Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4) stattgegeben, im Übrigen die Forderungen zurückgewiesen. Bei den Rechnungen Nr. 3 und Nr. 5 fehle es an der Abnahme bzw. einem Vortrag dazu, der Anspruch aus Rechnung Nr. 6 sei verjährt. Eine Aufrechnung der Beklagten mit Ersatzvornahmekosten wies das Landgericht zurück, da keine Aufforderung zur Nachbesserung unter Fristsetzung erfolgt sei. Auch weitere Gegenansprüche der Beklagten (Mietzins für die Anmietung von Baustellengeräten; Erstattung verauslagter Kosten wegen der Beschädigung fremder Kabelanlagen) wies das Landgericht ebenfalls zurück.

Gegen dieses dem Klägervertreter nach eigener Auskunft (Bl. 369 d.A.) am 30.09.2021 zugestellte Endurteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 29.10.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 01.11.2021 (Bl. 368 d.A.), fristgerecht Berufung ein (Bl. 362/364 d.A.), die er jedoch nicht fristgerecht begründete. Hierauf wurde der Kläger mit Verfügung des Vorsitzenden des 9. Senats vom 19.01.2022 (Bl. 395 d.A.) aufmerksam gemacht. Ein Schriftsatz des Klägers vom 16.12.2021 ist bei Gericht nicht eingegangen. Daraufhin erklärte der Klägervertreter im Rahmen seiner zur Berufung der Beklagten fristgerecht eingegangenen Berufungserwiderung vom 17.01.2022 (Bl. 388/394 d.A.), dass “der Schriftsatz vom 29.11.2021 [gemeint war der 29.10.2021] als Anschlussberufung weiterverfolgt wird“. Eine Begründung der Anschlussberufung erfolgte jedoch weder in der Berufungserwiderung noch in einem sonstigen Schriftsatz. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 regte der Einzelrichter die Rücknahme der Anschlussberufung an, da diese offenkundig unzulässig ist, vgl. §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 und 4 ZPO. Mit Schriftsatz vom 05.07.2022 nahm der Klägervertreter die Anschlussberufung des Klägers zurück.

Auch der Beklagtenvertreter legte gegen das ihm am 05.10.2021 zugestellte Endurteil fristgerecht mit Schriftsatz vom 22.10.2021, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag (Bl. 360/361 d.A.), Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 23.12.2021, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 28.12.2021 (Bl. 373/385 d.A.), begründete.

Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Sie rügt, dass hinsichtlich der vereinbarten Sicherheitseinbehalte keine Verzugszinsen hätten zugesprochen werden dürfen und dass die Aufrechnungslage und das Zurückbehaltungsrecht wegen der eigenen Restfertigstellungskosten im Hinblick auf das Bauvorhaben S…….. und die insoweit zugesprochene Vergütung von 48.061,90 Euro (Rechnung Nr. 4) nicht berücksichtigt worden sei. Außerdem sei der angebotene Zeuge ….. [damalige technische Leiter der Beklagten, Bl. 217 d.A.] nicht gehört worden. Der Kläger habe die Baustelle verlassen, sämtliche Mitarbeiter abgezogen, seine Arbeiten nicht fortgesetzt und letztlich die Kommunikation komplett eingestellt. Der Kläger habe keinerlei Interesse gezeigt, die ihm obliegende Fertigstellung mittels Einbau einer Asphalttragschicht zu bewirken. Als Fertigstellungstermin sei der 30.08.2014 vereinbart worden. Hierbei handle es sich um einen Fixtermin. Die fehlende Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung der Frist sei kein gegen die Annahme eines Fixtermins sprechendes Indiz. Eine Fristsetzung sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger die Leistungserfüllung endgültig verweigert habe und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gerechtfertigt sei. Die Beklagte könne die Fertigstellungskosten in Höhe von 39.776,18 Euro als Schaden gegen den Werklohnanspruch des Klägers gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. § 286 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB in Verrechnung bringen. Der Zeuge ……. habe bestätigt, dass die Baustelle verlassen war und dass man mit den Fertigstellungsarbeiten so lange gewartet habe, wie man das vertreten konnte, nämlich 2-3 Wochen. Unerheblich sei der vom Landgericht hervorgehobene Aspekt, ob mit dem Kläger über die nicht fertiggestellten Arbeiten gesprochen worden sei. Dies sei nicht möglich gewesen, da der Kläger nicht mehr erreichbar war bzw. nicht reagierte. Zudem macht die Beklagte unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG München, Az. 9 U 6562/20, in welcher von einer 10-jährigen Verjährungsfrist als Höchstfrist ausgegangen wurde, ein Zurückbehaltungsrecht wegen der möglichen In-Haftungsnahme nach § 14 AEntG durch die S…….. in Höhe von mindestens 35.000,00 Euro geltend. Der Kläger tritt dem allem entgegen und verteidigt das Ersturteil. Seinen Pflichten zur Anmeldung gegenüber der S…… sei er nachgekommen.


Die Beklagte beantragt daher zuletzt (Bl. 373 d.A.),

das Urteil des Landgerichts München I vom 30.09.2021, Az: 8 O 20798/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung der Klägerin (Bl. 388 d.A.) und verteidigt im Übrigen das Ersturteil.


Im Übrigen wird auf die Hinweise des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2022 (Protokoll S. 2, Bl. 403 d.A.) sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.


II.

A.

Anschlussberufung des Klägers:

Über die Anschlussberufung des Klägers war infolge Rücknahme nicht mehr zu entscheiden. Die Anschlussberufung des Klägers wäre andernfalls mangels Begründung gemäß §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 ZPO als unzulässig zu verwerfen gewesen.

B.

Berufung der Beklagten:

Die Berufung der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil bei den Nebenentscheidungen (Verzugszinsen bei den beiden Sicherheitseinbehalten in Rechnung 1 und 2 erfolgreich. Ansonsten sind Rechtsfehler des Ersturteils nicht erkennbar. Der Senat folgt im Übrigen inhaltlich dem ausführlich und zutreffend begründeten Ersturteil des Landgerichts. Die Berufungsbegründung der Beklagten vermag das Ersturteil im Übrigen nicht zu erschüttern.

1. Verzugszinsen hinsichtlich der Sicherheitseinbehalte: Die Sicherheitseinbehalte stehen den Vergütungsansprüchen des Klägers nicht mehr entgegen, da die vertraglich vereinbarte Gewährleistung von 5 Jahren 1 Monat gemäß 7.2. WV (Anlagen K 1 und B 8) jedenfalls zwischenzeitlich abgelaufen ist. Richtig ist aber der Einwand der Beklagten, dass wegen des vereinbarten 5 %-igen Sicherheitseinbehalts bei den Rechnungen Nr. 1 und Nr. 2 Verzugszinsen erst nach Ablauf der Gewährleistungsfristen anfallen können. Dies wurde im Tenor korrigiert. Erfolgversprechende weitere Einwände gegen die Rechnungen Nr. 1 und Nr. 2 bestehen nicht.

2. Gegenansprüche wegen der Restfertigstellung bei Rechnung Nr. 4:

a) Bei der mit Anlage K 4 geltend gemachten Rechnung Nr. 4 nahm das Erstgericht zutreffend ein Abrechnungsverhältnis an. Mit dem Schreiben vom 16.04.2015 (Anlage B 1) und der Klageerwiderung vom 27.01.2016 hat die Beklagte Sekundäransprüche geltend gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie an der Erfüllung des Vertrags kein Interesse mehr hat.

b) Gegenansprüche wegen der Nichtfertigstellung der Asphalttrageschicht Hauptstreitpunkt der Parteien kommen nicht in Betracht. Ansprüche der Beklagten aus § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, § 286 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BGB, bzw. §§ 634 Nr. 2, 637, 280, 281 BGB bestehen nicht.

aa) Die Positionen der Parteien zu den Ursachen, weshalb die Klägerin die von ihr geschuldete Leistung “Einbau einer Asphalttragschicht” nicht mehr erbracht hat, gehen konträr auseinander, ohne dass die Beklagte durch die durchgeführte Beweisaufnahme ihre Sicht der Dinge hätte belegen können. So behauptet der Kläger, dass er die Böden für die Asphaltverlegung fertig vorbereitet habe und dann auf die Entscheidung der Beklagten gewartet habe, ab wann mit der Asphaltverlegung begonnen werden sollte (Bl. 27/28; 65 d.A.). Anfragen des Klägers, wann er weiter seine Dienste erbringen könne, seien seitens der Beklagten schlicht ignoriert worden (Bl. 390 d.A.). Die Fortsetzung der Arbeiten seien dem Kläger unmöglich gemacht worden. Die hierzu von der Klagepartei angebotenen Zeugen wurden erstinstanzlich zwar nicht vernommen. Es konnte aber durch die durchgeführte Beweisaufnahme die durchaus plausible Version der Klagepartei nicht widerlegt werden.

bb) Demgegenüber behauptet die Beklagte, der Kläger habe die Werkleistungen grundlos eingestellt, die Baustelle verlassen und sei nicht mehr erreichbar gewesen bzw. habe nicht mehr reagiert (Berufungsbegründung S. 5/7).

cc) Durch die Einvernahme des von der Beklagten angebotenen Zeugen ……., der damals der Bauleiter vor Ort war, konnte lediglich belegt werden, dass die Baustelle verlassen war, aber nicht, dass die Klagepartei im Hinblick auf die Erfüllung ihrer ausstehenden Arbeiten angesprochen bzw. dazu angehalten wurde. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts hierzu (LG UA. S. 11) ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

dd) Auch im Hinblick auf eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung der Klagepartei ist die Beklagte beweisfällig geblieben. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger sei nicht mehr erreichbar gewesen, ist dies schon nicht glaubhaft, nachdem die Klagepartei eine E-Mail der Beklagten vom 21.08.2014 (Anlage K 22) vorgelegt hat (Bl. 125 d.A.), aus der sich ergibt, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres erreichbar war, weil er zu diesem Zeitpunkt eine Auftragsofferte der Beklagten für das Bauvorhaben F……. erhalten hat. Es erschließt sich daher schon nicht, weshalb die Beklagte in keiner Weise versucht hat, mit dem Kläger in Kontakt zu treten und diesen zur Erbringung seiner Restleistung (Einbau der Asphalttragschicht) anzuhalten, sondern stattdessen 2-3 Wochen zugewartet hat und dann ohne Rücksprache mit dem Kläger die fehlenden Arbeiten selbst fertiggestellt hat. Schon das Kooperationsgebot hätte erfordert, sich mit dem Kläger wegen der ausstehenden Restleistung in Verbindung zu setzen, anstatt ohne Rücksprache mit diesem die Arbeiten selbst fertigzustellen. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass sie überhaupt versucht hat, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen bzw. dass diese Bemühungen vergeblich waren.

ee) In rechtlicher Hinsicht ist der Ausgangspunkt des Erstgerichts völlig zutreffend, dass ohne Nachfristsetzung, die nicht nachgewiesen ist, Ersatzvornahmekosten nicht verlangt werden können, einerlei auf welche Anspruchsgrundlage diese gestützt werden (§§ 634 Nr. 2, 637; 280, 281, 286 BGB, § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 VOB/B).

ff) Eine entsprechende Frist zur Nachbesserung konnte nicht nachgewiesen werden und war entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht entbehrlich. Eine Beweiserhebung zu den hierfür von der Beklagten aufgewandten Ersatzvornahmekosten in Höhe von 39.776,18 Euro durch Sachverständigenbeweis, obwohl von der Einzelrichterin im Hinweisbeschluss vom 16.07.2020, S. 2 (Bl. 253 d.A.) angedacht, unterblieb daher zu Recht. In der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2021 (Bl. 267 d.A.) hat die Erstrichterin darauf hingewiesen, dass es eine offene Frage sei, ob es einer Nachfristsetzung bedurfte oder nicht und ein Sachverständigengutachten nur zu erholen wäre, wenn es einer Fristsetzung durch die Beklagte nicht bedurft hätte. Mit Hinweisbeschluss vom 11.02.2021, S. 4 (Bl. 272 d.A.) hat die Einzelrichterin dann darauf hingewiesen, dass sie nicht von einem relativen Fixgeschäft ausgeht und hat diese Rechtsauffassung dann auch in ihrem Urteil zugrunde gelegt. Die Ausführungen erscheinen überzeugend und werden durch die Ausführung in der Berufungsbegründung nicht erschüttert. Die bloße Vereinbarung eines Fertigstellungstermins genügt für die Annahme eines relativen Fixgeschäftes nicht. Auch aus den Besonderheiten des öffentlichen Straßenbaus und den dabei erforderlichen zeitlich befristeten Straßensperrungen er-gibt sich nichts anderes.

gg) Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die Parteien vertraglich die Geltung der VOB/B in der aktuellen Fassung, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gültigkeit haben, vereinbart haben (vgl. Anlage B 8). Daraus ergibt sich, dass Ersatzvornahme-Kostenansprüche der Beklagten an §§ 4 Abs. 7, 8 Abs. 3 VOB/B zu messen sind, d.h. es müsste also auch vor der Ersatzvornahme die (Teil-)Kündigung ausgesprochen und noch dazu davor angedroht gewesen sein, was jedoch nicht erfolgt ist.

hh) Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag (Anlage B 8) in Ziffer 7.5 eine Spezialregelung vorsieht, wenn “aus wichtigen betrieblichen Gründen ein Mangel, den der AN zu vertreten hat, nach Rücksprache mit dem AN in kürzester Frist beseitigt werden [muss]“. Auch hier hat der Auftraggeber nach dem vorgesehenen Regime Rücksprache mit dem Auftragnehmer zu halten und sich mit ihm ins Benehmen zu setzen, bevor er sein eigenes Instandhaltunspersonal oder Drittfirmen einsetzen darf. Auch dies ist nicht geschehen.

ii) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen scheidet eine Aufrechnung bzw. Verrechnung der Werklohnforderung für die Rechnung Nr. 4 mit Ersatzvornahmekosten der Beklagten schon deshalb aus, weil die Klagepartei diese Arbeiten gegenüber der Beklagten nicht abgerechnet hat. Die rechnerische Richtigkeit der Werklohnforderung in Höhe von 48.061,90 Euro ist zwischen den Parteien im Übrigen unstreitig bzw. wurde von der Beklagten anerkannt. Bei den geltend gemachten Ersatzvornahmekosten handelt es sich rechtlich um Sowieso-Kosten, die für die Beklagte immer angefallen wären, auch wenn der Kläger diese Leistungen erbracht und abgerechnet hätte. Allenfalls vorstellbar wären daher sog. Restfertigstellungsmehrkosten. Diese macht die Beklagte aber nicht geltend, sondern glaubt zum vollem Ersatz der gesamten Fertigstellungskosten berechtigt zu sein (Berechnung im Schriftsatz vom 06.12.2016, S. 2, Bl. 58 d.A.), ohne mit einer nachvollziehbaren Berechnung die bloßen Mehrkosten auszuweisen.

c) Den Zeugen Dipl. Ing. ……., angeboten mit Schriftsatz vom 23.04.2020, S. 2, Bl. 247 d.A., hat das Erstgericht zu Recht nicht gehört, da er ohnehin nur für die unstreitige Tatsache, dass die Arbeiten vom Kläger nicht fertiggestellt wurden und keine Behinderungsoder Bedenkenanzeige vorlag, angeboten wurde und damit lediglich eine Untätigkeit des Klägers unter Beweis gestellt werden sollte, die ohnehin unstreitig ist, aber nicht, dass der angebotene Zeuge versucht hätte, mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen und ihn zur Erfüllung seiner vertraglichen Leistungspflicht anzuhalten.

3. Zurückbehaltungsrecht wegen § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz: Ein Zurückbehaltungsrecht wegen § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz besteht schon laut Vertrag nicht mehr, da ein Einbehalt längstens 5 Jahre nach § 10.4 der Bauverträge vom 10.01.2014 bzw. 25.06.2014 (Anlagen K 1 und B 8) möglich ist.

a) Richtig ist zunächst, dass der Kläger anders als beim Bauvorhaben “H……” beim Bauvorhaben “S……” die Namen der eingesetzten Mitarbeiter oder für ihn angeblich freiberuflich tätigen Arbeiter der S….. nicht mitgeteilt hat und daher grundsätzlich eine Inhaftungnahme der Beklagten für ausstehende Zahlungen auf Mindestlohn und Urlaubsgeld wie bei einer Bürgenhaftung nach § 14 AEntG bis zur Verjährung derartiger Ansprüche in Betracht kommt. Soweit das Erstgericht von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausging, ist allerdings zu bemerken, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst ab Kenntniserlangung von der Beschäftigung zu laufen beginnt. Bislang hat die S…. nur Kenntnis von der Existenz des Bauvorhabens, aber nicht von den konkret vor Ort eingesetzten Mitarbeitern des Klägers, weshalb grundsätzlich die zehnjährige Verjährungsfrist des § 199 BGB mit Abschluss der Baustelle gilt, die an sich noch nicht abgelaufen ist.

b) In seinem Urteil vom 21.09.2021, Az.: 9 U 6562/20 Bau, ist der auch hier entscheidende 9. Senat des OLG München von diesen Grundsätzen und insbesondere gemäß § 199 BGB von einer 10-jährigen Verjährungsfrist eines Haftungsanspruchs nach § 14 AEntG ausgegangen, hat jedoch im Ergebnis den Fall anders beurteilt, da er lediglich vom Nichtablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist, solange die S…… keine Kenntnis von den auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmern hat.

c) Dabei wurde aber offenbar die Bedeutung und Tragweite der vertraglichen Regelung in § 10.4 des Vertrages vom 25.06.2014 (Anlage B 8) verkannt, die eine Sonderregelung der Parteien hinsichtlich der Nichtvorlage der Enthaftungsbescheinigung zur Regelung der Auftraggeberhaftung im Sinne des § 14 AEntG enthält und lediglich einen 5 %-igen Einbehalt von der Gesamtauftragssumme für einen Zeitraum von längstens 5 Jahre bzw. ein außerordentliches Kündigungsrecht vorsieht. Dies schließt nach Auffassung des Senats die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen einer Inhaftungnahme wegen § 14 AEntG über einen Zeitraum von 5 Jahren hinaus aus, der bei einer Beauftragung im Jahr 2014 längst abgelaufen ist, da es sich um eine vorrangige vertragliche Regelung handelt, die das Recht auf einen etwaigen 5 %-igen Einbehalt nach 5 Jahren entfallen lässt. Da es sich bei den vertraglichen Regelungen um von der Beklagten gestellte “Allgemeine Geschäftsbedingungen” handelt, welche auch schon dem vom Senat am 21.09.2021 entschiedenen Fall, Az.: 9 U 6562/20 Bau, zugrunde lagen, ist § 305c Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Hier kann die Klausel bei laiengünstiger Auslegung nur so verstanden werden, dass sich die Beklagte damit verpflichten wollte, den Sicherheitseinbehalt nach einem Zeitraum von 5 Jahren freizugeben und wegen der möglichen Inhaftungnahme nach § 14 AEntG kein Zurückbehaltungsrecht mehr ausüben zu wollen. Es sollte gerade nicht die Möglichkeit bestehen, noch über einen Zeitraum von insgesamt 10 Jahren also bis zur Verjährungshöchsfrist ein sich aus § 14 AEntG ergebendes Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, weil die sich aus der Nichtvorlage der Enthaftungsbescheinigung ergebenden Rechtsfolgen abschließend in § 10.4 geregelt wurden. Die Regelung in § 10.4 bewirkt daher nach einem Ablauf von 5 Jahren nach Abschluss der Baustelle eine Aufhebung der Undurchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs nach §§ 320 oder 273 BGB. Im Falle einer Inanspruchnahme der Beklagten nach mehr als 5 Jahren gemäß § 14 AEntG, steht die Beklagte auch nicht schutzlos. Der so in Anspruch genommene Auftraggeber kann den Auftragnehmer in Regress nehmen, und zwar über die Rückgriffsansprüche des Bürgen oder wegen Verletzung der bauvertraglichen Nebenpflichten aus § 14 AEntG, bei denen es sich um selbständige Nebenpflichten handelt (vgl. Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 4. Auflage 2022, Rn. 76 f.).


III.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Auch in der Berufungsinstanz ergibt sich dieselbe Quote wie in der ersten Instanz, da in der Hauptsache weder die Berufung der Beklagten noch die Anschlussberufung des Klägers erfolgreich waren. Die Beklagte hat nur in einem geringen Umfang wegen der Nebenkosten (Zinsen) obsiegt. Mit seiner Anschlussberufung verfolgte der Beklagte die Bezahlung zweier Rechnungen (Nr. 3 und Nr. 5) weiter (19.400,00 Euro und 8.000,00 Euro nebst Zinsen), worüber infolge der Rücknahme der Anschlussberufung nicht mehr zu entscheiden war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchstund obergerichtlichen Rechtsprechung.

Verkündet am 26.07.2022

OLG Rostock zu der Frage, dass die Vorgabe “mit dem Angebot einzureichen” nicht ohne Weiteres eine Selbstbindung nach § 56 Abs. 2 VgV begründet

OLG Rostock zu der Frage, dass die Vorgabe "mit dem Angebot einzureichen" nicht ohne Weiteres eine Selbstbindung nach § 56 Abs. 2 VgV begründet

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die einseitige Vorgabe der Vergabestelle, bei Nichtverwendung eines in den Vergabeunterlagen enthaltenen Formblatts gelte ein Angebot “als nicht abgegeben”, steht der Einordnung als rechtsverbindliches Angebot nicht entgegen.
2. Die Nichtverwendung eines von der Vergabestelle vorgegebenen Formblatts führt auch nicht ohne Weiteres zur Formnichtigkeit des Angebots.
3. Der Ausschluss eines Angebots nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV wegen Nichtwahrung einseitiger Formvorgaben bezieht sich nur auf Vorgaben im Rahmen des § 53 VgV.
4. Der Ausschluss wegen Unvollständigkeit kommt nicht in Betracht, solange nicht über die Nachforderung entschieden ist. Die Vorgabe “mit dem Angebot einzureichen” begründet nicht ohne Weiteres eine Selbstbindung nach § 56 Abs. 2 VgV (Festhaltung Senat, Beschluss vom 06.02.2019 – 17 Verg 6/18, IBRRS 2020, 1165 = VPRRS 2020, 0144).
OLG Rostock, Beschluss vom 01.02.2023 – 17 Verg 3/22
vorhergehend:
OLG Rostock, Beschluss vom 14.12.2022 – 17 Verg 3/22
VK Mecklenburg-Vorpommern, 03.11.2022 – 2 VK 1/22

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um den Ausschluss eines Angebots der Antragstellerin.

Mit EU-Bekanntmachung Nr. 2022/S 127-361960 vom 05.07.2022 schrieb die Antragsgegnerin als Dienstleistungsauftrag im offenen Verfahren die Übernahme, den Transport und die Entsorgung (Behandlung, Verwertung, Beseitigung) von Klärschlamm aus. Die Angebotsabgabe sollte bis zum 05.08.2022 um 9:00 Uhr erfolgen. Vorgesehen ist eine Grundlaufzeit von zwei Jahren mit der Option des Auftraggebers, die Laufzeit durch einseitige Erklärung gegenüber dem Auftragnehmer zweimal um jeweils 12 Monate zu verlängern.

In dem Aufforderungsschreiben zur Abgabe eines Angebotes vom 01.07.2022 (Anlage Ast 2 der Beschwerdeschrift vom 18.11.2022) heißt es u.a. wie folgt:

Bei Abgabe eines Angebotes sind die in Kapitel I. der Vergabeunterlagen dargestellten Bewerbungsbedingungen zu beachten. Mit der Abgabe eines Angebotes erkennen Sie die dort aufgeführten Bedingungen an. Angebote sind an die in den Bewerbungsbedingungen (Kapitel I. der Vergabeunterlagen, dort unter Ziffer 1.1 benannte Vergabestelle (B…) unter Verwendung des Angebotsschreibens (Kapitel V. der Vergabeunterlagen) und des Leistungsverzeichnisses (Kapitel II., dort unter 4.) zu übermitteln.

In Kapitel I. “Bewerbungsbedingungen” heißt es dort unter Ziffer 5 “Vergabeunterlagen”:

Die Vergabeunterlagen sind wie folgt gegliedert:

Kap. I. Bewerbungsbedingungen

Kap. II. Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis

Kap. III. Erläuterung der Vorgehensweise zur Ermittlung des prognostizierten Gesamtentgelts

Kap. IV. Besondere Vertragsbedingungen

Kap. V. Angebotsschreiben

Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes einschließlich der Bewerbungsbedingungen als Anhang sowie die in Kap. II., III., IV. und V. beiliegenden Vergabeunterlagen sind verbindliche Bestandteile der Ausschreibung. Kap. II. bis V. sind mit dem Angebot einzureichen.

und unter Ziffer 7 “Angebote” wie folgt:

“7.1 Allgemeines

Das Angebot muss vor Ablauf der Angebotsfrist bei der Online-Vergabestelle (subreport-ELViS) eingestellt und hochgeladen sein.

Mit dem Angebot sind daher folgende Unterlagen einzureichen:

– Angebotsschreiben (ausgefüllt) mit Anlagen

– Leistungsbeschreibung mit

– Erläuterung der Vorgehensweise zur Ermittlung des prognostizierten Gesamtentgelts

– Besondere Vertragsbedingungen

– Europäische Eigenerklärung (EEE)

Das Angebot muss die Preise und sämtliche in den Vergabeunterlagen geforderten Angaben, Unterlagen, Nachweise und Erklärungen enthalten.

Für das Angebot ist das von der Vergabestelle versandte Angebotsschreiben (Kapitel V.) zu verwenden, auszufüllen und mit dem Namen der Person zu versehen, die berechtigt ist, das Angebot im Namen der Firma abzugeben.

Die Vertretungsbefugnis der unterzeichnenden Personen ist nach Aufforderung der Vergabestelle in geeigneter Form nachzuweisen.

Die Formulare F1 bis F11 zu Kapitel V. müssen nicht im Original verwendet werden, es dürfen auch gleichwertige Nachweise des Bieters verwendet werden. Es wird jedoch dringend angeraten, die genannten Formulare zu verwenden, um Zweifel an der “Gleichwertigkeit” des Nachweises zu vermeiden.

(…)”

In Kapitel II. “Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis” heißt am Ende:

(…)

In Kapitel V. “Angebotsschreiben” heißt es am Ende:

(…)

Die Antragstellerin reichte am 04.08.2022 dreiunddreißig Unterlagen zur Angebotsabgabe ein. Diese Unterlagen umfassten alle in den Vergabeunterlagen angesprochenen Dokumente, mit Ausnahme des Vordrucks gem. Kapitel V. “Angebotsschreiben”. Unter anderem reichte die Antragstellerin die Dokumente “Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis” sowie ein von ihr erstelltes Dokument “Verbindliche Erklärung Ks-Abnahme” ein. Das Dokument “Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis” unterzeichnete die Antragstellerin auf der letzten Seite im Unterschriftenfeld und gab zusätzlich den Namen des Unterzeichnenden an. Das von der Antragstellerin erstellte Dokument “Verbindliche Erklärung Ks-Abnahme” enthält am Ende in Textform die Angabe des Erklärenden mit Ort und Datum. Weiter heißt es dort:

“Verbindliche Erklärung zur Garantie und Gewährleistung einer langfristigen Entsorgungssicherheit und kontinuierlichen Abnahme von Klärschlamm der Kläranlage ###:

(…)

Die ### GmbH kann eine kontinuierliche Abnahme zusichern, (…). Bei einer Zuschlagserteilung an die ### GmbH, erklärt sich diese für den Abschluss eines Entsorgungs-/Verwertungsvertrages mit der … bereit.

(…)

Insgesamt wurden von drei Bietern Angebote abgegeben. Im Vergabevermerk der Antragsgegnerin vom 16.08.2022 heißt es hierzu:

“(…)

Alle Bieter haben ein Angebot auf der Online-Vergabeplattform eingereicht. Alle Angebote waren rechnerisch fehlerfrei.

Von keinem Bieter wurden Preisnachlässe/Skonto angeboten. Nach rechnerischer Auswertung der Angebote ergibt sich folgende Reihenfolge der Bieter (alle Angaben netto):

(…)

Formelle Prüfung und Wertung der Angebote:

Nach Öffnung der Angebote wurden diese formell geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass der Bieter Nr. 3, ### GmbH, die Unterlagen unvollständig eingereicht hat (fehlendes Angebotsschreiben). Gemäß § 57 VgV ist das Angebot der ### GmbH auszuschließen.

(…)”

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 19.08.2022 den Ausschluss ihres Angebotes aufgrund des fehlenden Angebotsschreibens mit der Begründung mit, es läge kein wirksames Angebot gemäß § 57 VgV vor. Da es sich bei dem Angebotsschreiben um zwingend notwendige Angaben oder Unterlagen handeln würde, könne eine Nachforderung nach § 56 VgV nicht erfolgen. Wegen des weiteren Inhalts des o.g. Schreibens wird auf die Anlage Ast 6 (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 18.11.2022) Bezug genommen.

Die Antragstellerin reichte daraufhin das auf den 03.08.2022 datierte und unterschriebene Angebotsschreiben (Anlage Ast 7 der Beschwerdeschrift vom 18.11.2022) am 19.08.2022 nach. Zudem rügten die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 23.08.2022 die Nichtwertung des Angebots als vergaberechtswidrig, hilfsweise, dass die aufgestellten Forderungen nach den zahlreichen Erklärungen und Unterlagen, gerade auch im Hinblick auf die Eignungskriterien, wegen Intransparenz nicht wirksam seien. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens vom 23.08.2022 wird auf die Anlage Ast 8 (Anlage zur Beschwerdeschrift vom 18.11.2022) Bezug genommen.

Den außergerichtlich erhobenen Rügen der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin – soweit hier verfahrensgegenständlich – nicht abgeholfen und hielt mit Nichtabhilfeschreiben vom 12.09.2022 (Anlage Ast 12 zur Beschwerdeschrift vom 18.11.2022) an ihrer Rechtsauffassung bzgl. des Ausschlusses des Angebotes – nochmals – fest.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 27.09.2022, eingegangen am 27.09.2022, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Darin hat sie vorgetragen, dass der Ausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV rechtswidrig sei, weil das Angebotsschreiben nicht klar und eindeutig als zwingender Angebotsteil gefordert worden sei. So sei nicht erkennbar gewesen, dass ohne das Angebotsschreiben kein Angebot vorliege. Weiter sei das Erfordernis der Unterschrift auf dem Angebotsvordruck als zwingender Angebotsbestandteil nicht eindeutig und klar formuliert worden. Sie hat die Auffassung vertreten, nach Auslegung aller von ihr eingereichten Dokumente und Unterlagen ein wirksames Angebot eingereicht zu haben, in dem lediglich das Angebotsschreiben als eine von mehreren geforderten Unterlagen gefehlt habe, was das Angebot aber nicht unwirksam, sondern allenfalls unvollständig und stattdessen auslegungsbedürftig werden lasse, so dass eine Nachforderung habe erfolgen können und müssen. Für den Fall des Vorliegens eines rechtmäßigen Ausschlusses des Angebotes sei das Verfahren jedenfalls in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen, weil es an grundlegenden Fehlern leide, da die Eignungskriterien nicht wirksam gefordert worden seien. Infolgedessen könnte der Ausschluss nicht auf das Fehlen der entsprechenden Unterlagen gestützt werden. Weiterhin seien vor Ablauf der Angebotsfrist einzelne Änderungen der Anforderungen in der Vergabeakte mitgeteilt, eine konsolidierte Endfassung jedoch nicht mehr zur Verfügung gestellt worden.

Im Verfahren vor der Vergabekammer hat die Antragstellerin beantragt:

1. a) Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin rückgängig zu machen und die Wertung der Angebote zu dem Offenen Verfahren, EU-Bekanntmachung Nr. 022/S 127-361960 vom 05.07.2022, nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer unter Einschluss des Angebotes der Antragstellerin zu wiederholen.

b) Hilfsweise wird die Antragsgegnerin verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

2. Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakte der Antragsgegnerin gem. § 165 GWB gewährt.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin.

4. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag abzulehnen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Angebot der Antragstellerin sei gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1, 2 VgV zwingend auszuschließen gewesen, weil es nicht form- und fristgerecht eingegangen sei. Das Angebotsschreiben stelle eine rechtsverbindliche Erklärung dar, die erst die Grundlage für ein Angebot schaffe. Das unstreitig nicht fristgerecht eingereichte Angebotsschreiben gehöre zum zwingenden Mindestinhalt eines Angebots. Es unterscheide sich inhaltlich von sonstigen leistungsbezogenen Erklärungen und Nachweisen im Sinne des § 56 Abs. 2 VgV, weil es den Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringe, eine Klammerwirkung auf alle geforderten Erklärungen und Nachweise entfalte und die geforderte Form gewährleiste. Diese Merkmale seien aufeinander bezogen und miteinander verschränkt. Keine Erklärungen und Nachweise, die die Antragstellerin fristgerecht eingereicht habe, insbesondere auch nicht die “Verbindliche Erklärung Ks-Abnahme” würden das Angebotsschreiben mit diesen Merkmalen ersetzen. Das Angebotsschreiben beinhalte – insbesondere unter den Ziffern 1. bis 17. – eine Reihe von geforderten Erklärungen, die die Antragstellerin mit Ablauf der Angebotsfrist somit nicht abgegeben habe. Insbesondere die im Angebotsschreiben enthaltene Erklärung zu Ziffer 1., die Ausführung der ausgeschriebenen Leistung für den Fall der Zuschlagserteilung zu den im Leistungsverzeichnis (Kapitel II., dort Ziffer 4.) angegebenen Preisen anzubieten, sei essentiell, um in der Gesamtschau und Anbetracht des Nachverhandlungsverbotes ein verbindliches und damit wertbares Angebot einzureichen.

Weiter sei durch das Fehlen der unmissverständlich verlangten Unterschrift unter dem Angebotsschreiben die Einhaltung dieses Formerfordernisses nicht erfüllt worden. Diese Unterschrift sei erkennbar gefordert und trotz der in der Bieterdiskussion von anderer Seite geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Forderung nicht von der Antragstellerin vor Ablauf der Angebotsfrist gerügt worden. Dadurch sei sie mit einer Rüge präkludiert. Fehle aber die Unterschrift, liege kein beachtenswertes Angebot vor. Anders als sonstige leistungsbezogene Erklärungen und Nachweise habe das Angebotsschreiben auch nicht gemäß § 56 Abs. 2 VgV nachgefordert werden können, weil das Angebotsschreiben selbst die rechtsverbindliche Erklärung darstelle und damit überhaupt erst die Grundlage eines Angebots schaffe. Das Schreiben der Antragstellerin “Verbindliche Erklärung KS-Abnahme” weiche zudem von den Vergabeunterlagen ab, sodass das Angebot auch nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen gewesen sei. Das Fehlen der Verlinkung der Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung sei jedenfalls nicht kausal für den Ausschluss gewesen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Verfahren vor der Vergabekammer wird ergänzend auf die Sachverhaltsdarstellung in dem angefochtenen Beschluss der Kammer vom 03.11.2022 (Seiten 2 bis 6) Bezug genommen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 03.11.2022 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin bei Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auferlegt. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, die Antragstellerin sei durch den Ausschluss ihrer im Vergabeverfahren als Angebot eingereichten Unterlagen nicht in ihren Rechten nach § 97 GWB verletzt. Der Ausschluss des Angebots nach § 57 Absatz 1 Nr. 1, 2 VgV sei zu Recht erfolgt, weil die wirksam und eindeutig geforderte Form nicht eingehalten und folglich kein den Anforderungen entsprechendes Angebot fristgerecht eingereicht worden sei. Das Angebot sei gemäß § 125 BGB i.V.m. §§ 53 Absatz 1 Satz 2 VgV, 126b BGB von vorneherein durch den Formverstoß des Fehlens des eindeutig geforderten Angebotsschreibens und damit zwangsläufig der ebenso eindeutig geforderten Unterschrift nichtig. Ein Anspruch auf ein Nachfordern nach § 56 Absatz 2 VgV bestehe nicht. Sowohl die “Abgabe” des Angebotsschreibens als vorgegebenes und auszufüllendes Formular als auch die Unterschrift seien eindeutig und wirksam im Wortlaut der Vergabeunterlagen gefordert worden. Nach dem Willen der Antragsgegnerin handele es sich bei dem Angebotsschreiben erkennbar um die maßgebliche Erklärung, aus der sich ergebe, dass das Angebot eindeutig und nachprüfbar einem bestimmten Bieter zuzuordnen sei und der Bieter den gesamten Angebotsinhalt rechtsverbindlich erkläre. Der Inhalt des aus mehreren Angebotsteilen bestehenden Angebots solle dadurch als verbindlich erklärt werden. Bereits die fehlende Unterschrift unter dem Angebotsschreiben und darüber hinaus zwangsläufig das Fehlen des gesamten zu unterschreibenden Dokuments habe zur Folge, dass die Antragstellerin nicht frist- und formgemäß erklärt habe, dass ihr das Angebot eindeutig und nachprüfbar zuzuordnen sei und sie den gesamten Angebotsinhalt rechtsverbindlich erklären wolle. Vielmehr gelte das Angebot nach dem ausdrücklich verlautbarten Willen der Antragsgegnerin dann als nicht abgegeben, wenn es nicht unterschrieben worden sei. Dies entspreche auch der Wertung, es in dieser Konsequenz insgesamt als gemäß § 125 BGB von vorneherein nicht existent anzusehen. Dagegen befinde sich in den gesamten Angebotsunterlagen der Antragstellerin keine dem von der Antragsgegnerin vorgegebenen Angebotsschreiben vergleichbare, das gesamte Angebot umfassende entsprechende Erklärung. Unerheblich sei zudem, ob die Antragsgegnerin durch das Verlangen einer eigenhändigen Unterschrift eine nicht vorgesehene Verschärfung des Schriftformerfordernisses gefordert habe, weil die Antragstellerin mit dieser Rüge gemäß § 160 Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert sei. Der Ausschluss des Angebots sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin das ordnungsgemäß ausgefüllte und unterschriebene Angebotsschreiben nicht nachgefordert habe. Eine Nachforderung komme in den Fällen, in denen die vorgeschriebene Form nicht eingehalten oder wenn der Kernbestandteil des Angebots selbst betroffen sei, nicht in Betracht. Für die weiteren Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen der Vergabekammer wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 03.11.2022 Bezug genommen.

Gegen den am 04.11.2022 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 18.11.2022 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie wiederholt und vertieft ihre bereits im Nachprüfungsverfahren vorgebrachten Einwände. Sie ist der Auffassung, ihr Antrag sei begründet. Die Antragsgegnerin habe den Angebotsvordruck (Kapitel V.) nicht eindeutig und klar in den Vergabeunterlagen als zwingenden Angebotsbestandteil gefordert und nicht klar kommuniziert, dass ohne eine händische Unterschrift auf dem Angebotsvordruck und daher auch ohne den Angebotsvordruck als solchen schon inhaltlich kein Angebot vorliegen würde. Vielmehr sei nach dem verobjektivierten Empfängerhorizont erkennbar gewesen, dass sie, die Antragstellerin, eine ausschreibungskonforme Leistungserbringung angeboten habe. Ein Ausschluss ihres Angebotes könne richtigerweise nicht auf § 57 VgV gestützt werden und für die Antragsgegnerin habe die Möglichkeit und im vorliegenden Fall auch die Pflicht zur Nachforderung gemäß § 56 Abs. 2 VgV bestanden. Das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen sei auf Null reduziert, weil die Antragsgegnerin die Unklarheiten in den Vergabeunterlagen verursacht habe. Für die näheren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschrift und die ergänzenden Schriftsätze Bezug genommen.

Auf entsprechenden Eilantrag der Antragstellerin vom 01.12.2022 (Bl. 54 ff. d.A.) hat der Senat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde mit Hängebeschluss vom 02.12.2022 (Bl. 63 f. d.A.) einstweilen bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB und sodann mit Beschluss vom 14.12.2022 (Bl. 96 ff. d.A.) bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt, in der Sache wie folgt zu erkennen:

1. Der Beschluss der 2. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern vom 03.11.2022, Aktenzeichen 2 VK 1/22, wird aufgehoben.

2. a) Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin rückgängig zu machen und die Wertung der Angebote zu dem Offenen Verfahren, EU-Bekanntmachung Nr. 2022/S 127-361960 vom 05.07.2022, nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Vergabesenates unter Einschluss des Angebotes der Antragstellerin zu wiederholen.

b) Hilfsweise wird die Antragsgegnerin verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenates in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen.

c) Äußerst hilfsweise ist die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin nicht für notwendig zu erklären.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens vor dem Senat und des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.

4. Die Hinzuziehung eines rechtsanwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 03.11.2022 (Az. 2 VK 01/22) zurückzuweisen,

2. der Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Beschwerdegegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen und

3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin für das Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären.

Sie verteidigt den angegriffenen Beschluss der Vergabekammer im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung der bereits im Verfahren vor der Vergabekammer erfolgten Ausführungen. Für die näheren Einzelheiten hierzu wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 08.12.2022 (Bl. 66 ff. d.A.) sowie den weiteren Schriftsatz vom 22.12.2022 (Bl. 103 ff. d.A.), mit dem die Antragsgegnerin zu der vorläufigen Einschätzung des Senates aus dem Beschluss vom 14.12.2022 (Bl. 96 ff. d.A.) Stellung bezogen hat. Insoweit trägt sie ergänzend vor, der zwingende Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin ergebe sich (auch) aus der Selbstbindung des Auftraggebers (Art. 3 GG). Der Auftraggeber habe insoweit – klar und eindeutig – sowohl die Unterschrift unter dem Angebotsschreiben als auch unter dem Leistungsverzeichnis gefordert. Diese formale Anforderung sei dann mit der Rechtsfolge verbunden gewesen, dass das Angebot ohne die geforderten Unterschriften “als nicht abgegeben” gelte. Ein Verstoß gegen diese Formanforderung habe gemäß § 125 Satz 2 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes zur Folge. Zwar sei die Form noch nicht rechtsgeschäftlich – weil noch kein Vertrag geschlossen sei – vereinbart worden. Allerdings seien die Anforderungen im Vergabeverfahren an das Angebot und damit auch an die Form des Angebotes nach Ablauf der Angebotsfrist unveränderlich, sodass eine Zuschlagserteilung zwingend nur mit den gestellten (Form-) Anforderungen möglich sei, was die Antragstellerin wiederum bei Ablauf der Abgabefrist nicht erfüllt habe. Hieran sei der Auftraggeber gebunden. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihre Auffassung, dass die Unterschriften – jeweils unter Angebotsschreiben und Leistungsverzeichnis – unmissverständlich gefordert und die Rechtsfolge – nämlich der Ausschluss des Angebotes von der Wertung – unmissverständlich vorgegeben gewesen sei.

Die anwaltlich nicht vertretene Beigeladene hat sich mit Schriftsatz vom 09.12.2022 geäußert. Auf den Inhalt des o.g. Schreibens (Bl. 78 d.A.) wird Bezug genommen.

II.

Die insgesamt zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch in der Sache Erfolg.

1. Die Vergabekammer ist zu Recht von der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ausgegangen. Insbesondere hat die Antragstellerin Interesse am Auftrag und droht ihr durch Verletzung bieterschützender Vorschriften ein Schaden, wenn der Ausschluss – wie von ihr geltend gemacht – rechtswidrig erfolgte (§ 160 Abs. 2 GWB). Auch hat die Antragstellerin rechtzeitig die Vergaberechtswidrigkeit des Ausschlusses gerügt und Nachprüfung beantragt (§ 160 Abs. 3 GWB).

2. Der Vergabenachprüfungsantrag ist im tenorierten Umfang begründet. Abweichend von den Ausführungen im angefochtenen Beschluss ist das Angebot der Antragstellerin jedenfalls derzeit nicht zwingend auszuschließen. Auch ohne das Angebotsschreiben gem. Kapitel V. liegt ein rechtsverbindliches und formwirksames Angebot vor, eine Nachforderung des Angebotsschreibens ist nicht ausgeschlossen.

a) Dem Inhalt nach stellen die von der Antragstellerin vor Ablauf der Angebotsfrist eingereichten Dokumente nach dem Horizont einer verständigen Vergabestelle keine unverbindliche Interessenbekundung, sondern ein hinreichend bestimmtes, rechtsverbindliches Angebot dar.

Das Fehlen des ausgefüllten “Kapitel V. Angebotsschreiben” ist nicht ohne Weiteres mit dem gänzlichen Fehlen eines Angebots gleichzusetzen (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.10.2014 – Verg 14/14). Ob und mit welchem Inhalt eine rechtsverbindliche Erklärung vorliegt, ist vielmehr nach den §§ 133, 157 BGB nach dem Horizont einer verständigen Vergabestelle zu beurteilen (vgl. Senat, Beschluss vom 01.09.2022 – 17 Verg 2/22). Am Rechtsbindungswillen der Antragstellerin und am konkreten Inhalt ihrer Erklärungen bestehen hier angesichts des Bezugs auf die Ausschreibung und der gemeinsamen Einreichung der Unterlagen keine Zweifel. Zwar lässt der Wortlaut der Erklärung der Antragstellerin im Schreiben “Verbindliche Erklärung Ks-Abnahme”, im Fall des Zuschlags zum Abschluss eines Vertrags bereit zu sein, auch die Deutung als bloße Vorerklärung zu. Ein solcher Vorbehalt würde dem Angebot allerdings jeglichen Sinn nehmen. Vom Wortlaut her – wozu auch der von der Antragstellerin in der Erklärung Ks-Abnahme selbst gewählte Zusatz “verbindlich” zählt – ist die Erklärung vielmehr als Bereitschaft zu verstehen, nach dem Zuschlag noch an eventuell erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen mitzuwirken. Für eine Rechtsverbindlichkeit der Erklärung insgesamt sprechen zudem die weiteren beigefügten Unterlagen, u.a. die in den Bewerbungsunterlagen der Antragsgegnerin (dort Kapitel I. Ziffer 7.7) geforderten Nachweise und Erklärungen der Anlagen F 1 bis F 11 des Angebotsschreibens, so dass durch ein schlichtes “ja” als Annahmeerklärung der Antragsgegnerin – einen Zuschlag – nicht lediglich eine weitere Verhandlung eingeleitet, sondern ein Vertrag zustandekommen gekommen wäre. Ob dieser Vertrag der Ausschreibung vollumfänglich entspräche, ist an dieser Stelle – für die rechtliche Einordnung als rechtsverbindliches Angebot – ohne Belang.

b) Das Angebot ist nicht formunwirksam. Die Formunwirksamkeit einer Willenserklärung kann sich nur aus den §§ 125 ff. BGB ergeben. Unwirksamkeit tritt danach ein, wenn die Erklärung gegen gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Formvorschriften verstößt. Vorgaben des Auftraggebers, ein bestimmtes Formular zu verwenden und dieses zu unterschreiben, bedürfen insoweit der – mindestens konkludenten – Annahme, um den Anwendungsbereich des § 125 BGB zu eröffnen (vgl. Einsele in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 127 Rn. 3; Wollenschläger in: BeckOGK, 1.11.2022, BGB § 127 Rn. 21). Für eine einseitige Regelung der Wirkungen einer fremden Willenserklärung (“gilt als nicht abgegeben”) fehlt dem Auftraggeber demgegenüber die Rechtsmacht.

Eine konkludente Zustimmung durch die Antragstellerin kann hier nach den §§ 133, 157 BGB schon deshalb nicht sicher festgestellt werden, weil sie das Formblatt gerade nicht verwendet und unterzeichnet hat. Dass dies nur versehentlich unterblieb, ist nach dem Empfängerhorizont bereits nicht sicher zu erkennen und auch ohne Belang. Auch die Unterschrift unter dem Leistungsverzeichnis und die Einreichung der weiteren Unterlagen nebst Signatur über das Vergabeportal stellen ein generelles Einverständnis mit der Formvorgabe (auch) betreffend die nicht eingereichte Unterlage nicht dar. Schließlich kann die Nachreichung des unterschriebenen Formblatts nach den gegebenen Umständen – insbesondere nach den Informationen aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 19.08.2022, das Angebot der Antragstellerin sei aufgrund des fehlenden Angebotsschreibens ausgeschlossen – allenfalls – wenn überhaupt – als Zustimmung verstanden werden, dass das Formblatt zu diesem Zeitpunkt formgerecht vorliegen muss.

c) Ein Ausschluss des Angebots nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV kommt ebenfalls nicht in Betracht, und zwar weder wegen Frist- noch wegen Formverstoßes.

Bei Ablauf der Angebotsfrist lag ein rechtsverbindliches Angebot vor, auf die Zuschlagsfähigkeit kommt es im Rahmen des § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV nicht an.

Wegen Formverstoßes eröffnet die Vorschrift den Ausschluss nur dann, wenn das Angebot gegen Vorgaben nach § 53 VgV verstößt (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2018 – Verg 32/18 -). Zwar sind in diesem Zusammenhang auch einseitige Vorgaben des Auftraggebers maßgeblich, allerdings nur im Rahmen des § 53 VgV. Wird gegen andere Formvorgaben verstoßen, begründet dies bereits tatbestandlich nicht den Ausschlussgrund des § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV. So liegt der Fall hier. Die Vorgabe der Antragsgegnerin, ein bestimmtes Formblatt zu nutzen und zu unterzeichnen, hat ihre Grundlage nicht in § 53 VgV. Nach § 53 Abs. 1 VgV sind die Bieter grundsätzlich berechtigt, ihre Angebote (insgesamt) in Textform nach § 126 b BGB mithilfe elektronischer Mittel zu übermitteln – was die Antragstellerin hier auch getan hatte -, und der öffentliche Auftraggeber wiederum verpflichtet, die elektronische Kommunikation auch anzuerkennen.

d) Schließlich liegen die Voraussetzungen für einen Ausschluss wegen Unvollständigkeit nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV oder wegen Abweichung von den Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV jedenfalls derzeit nicht vor.

aa) Zwar können einseitig bleibende Formvorgaben – auch wenn sie (unabhängig von einer Rüge) nicht die Wirkung von Erklärungen des Anderen zu regeln geeignet sind – die Reichweite eigener Erklärungen bestimmen. So kann etwa der Antragende im Sinn eines Vorbehalts erklären, sein Angebot sei nur unter der Bedingung bindend, dass es in einer bestimmten Form angenommen wird (vgl. etwa Einsele in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 127 Rn. 3; Wendtland in: BeckOK BGB, 64. Ed. 1.11.2022, § 125 Rn. 8). Entsprechendes gilt auch bei einer Ausschreibung, die rechtlich den Charakter einer Aufforderung zur Abgabe eines Angebots hat, die Zuschlags- (Annahme-) Fähigkeit aber im Sinn einer nach dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG, § 97 GWB) beachtlichen Selbstbindung einschränkt.

Ob der Ausschreibung hier im Wege der Auslegung in hinreichender Deutlichkeit (zu den Anforderungen siehe BGH, Beschluss vom 03.04.2012 – X ZR 130/10 m.w.N.) die Vorgabe zu entnehmen ist, das Formblatt zu verwenden und zu unterzeichnen, kann der Senat offen lassen (zu Bedenken wird auf den Eilbeschluss vom 14.12.2022 verwiesen). Auch kommt es letztlich nicht darauf an, inwieweit solche Vorgaben vergaberechtlich zulässig (gegen Formerfordernisse ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.07.2020 – Verg 6/20) oder anderenfalls – weil ihre Umsetzung nicht ihrerseits einen Gesetzesverstoß bedeutete – mangels Rüge dennoch bindend sind. Denn die Vorgabe besagt für sich genommen allenfalls, dass das unterschriebene Formblatt für einen Zuschlag vorliegen muss. Die Zuschlagsfähigkeit kann aber nur auf Grundlage der bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingereichten Unterlagen und der zulässig nachgereichten Dokumente beurteilt werden.

bb) Weil – wie oben ausgeführt – ein wirksames Angebot vorliegt, stellt das Formblatt “Kapitel V. Angebotsschreiben” lediglich eine fehlende Unterlage dar. Fehlende Unterlagen können aber nach § 56 Abs. 2 VgV vom Auftraggeber nach seinem Ermessen nachgefordert werden. Von dem ihr eingeräumten Ermessen hat die Antragsgegnerin – von der Antragstellerin gerügt – bislang keinen Gebrauch gemacht, insbesondere nicht mit dem Vergabevermerk oder in den Schreiben vom 19.08.2022 und 12.09.2022. Sie ist stattdessen davon ausgegangen, das Schreiben könne nicht nachgefordert werden und der Ausschluss sei deshalb zwingend. Die Nachforderung ist aber weder nach § 56 Abs. 2 Satz 2 VgV noch nach § 56 Abs. 3 VgV ausgeschlossen.

Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 VgV kann ein Auftraggeber sein Ermessen bereits mit der Ausschreibung dahin ausüben, keine Nachforderungen vorzunehmen. Hieran ist er dann nach den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung gebunden (Selbstbindung, vgl. OLG Celle, Beschluss vom 14.01.2014 – 13 Verg 11/13; EuGH, Urteil vom 10.10.2013 – Rs. C-336/12, Rn. 40). Das hat die Antragsgegnerin indes nicht getan. Formulierungen wie: “mit dem Angebot einzureichen” genügen hierfür nicht (eingehend Senat, Beschluss vom 06.02.2019 – 17 Verg 6/18). Das gilt in gleicher Weise für die von der Antragsgegnerin verwendeten Formulierungen: “unter Verwendung des Angebotsschreibens … zu übermitteln”, “mit dem Angebot einzureichen”, “vor Ablauf der Angebotsfrist … hochgeladen” und “Für das Angebot ist das … Angebotsschreiben zu verwenden”.

Soweit das OLG Düsseldorf in einer antragsgegnerseits zitierten Entscheidung (Beschluss vom 13.04.2016 – Verg 52/15) in einem obiter dictum ausführt, der Auftraggeber könne nur eine fehlende Unterschrift unter einer dem Angebot beigefügten Erklärung, nicht aber die fehlende Unterschrift unter dem Angebot beziehungsweise dem Angebotsschreiben selbst nachfordern, weicht der Senat hiervon nicht ab. Maßgeblich ist, ob bei Auslegung der bei Ablauf der Angebotsfrist vorliegenden Unterlagen von einem rechtsverbindlichen Angebot ausgegangen werden kann. Ist dies zu verneinen, läge in der Nachholung keine Vervollständigung des Angebots, sondern ein erstmaliges Angebot, das wegen Fristversäumung nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV auszuschließen ist. Soweit aber aus den o.g. Gründen insgesamt von einem rechtsverbindlichen Angebot der Antragstellerin auszugehen ist, liegt hier – abweichend vom Sachverhalt der o.g. Entscheidung des OLG Düsseldorf – lediglich eine Vervollständigung vor.

Die Unzulässigkeit einer Nachforderung ergibt sich auch nicht aus § 56 Abs. 3 VgV, weil das unterschriebene Formblatt keine auf den Preis als alleinigem Zuschlagskriterium bezogene Unterlage ist und damit die Wertung anhand der Zuschlagskriterien nicht beeinflussen kann. Nach § 56 Abs. 3 VgV ist die Nachforderung leistungsbezogener Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, ausgeschlossen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, soweit das Angebotsschreiben – insbesondere in den Ziffern 6 und 8 bis 11 – Eignungsanforderungen betrifft. Eignungsanforderungen sind unternehmens- und nicht leistungsbezogen. Im Übrigen kann das Fehlen dieser Erklärungen einen Ausschluss schon deshalb nicht rechtfertigen, weil diese Eignungsanforderungen entgegen § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB nicht in der Auftragsbekanntmachung aufgeführt und deshalb nicht wirksam gestellt sind. Nicht wirksam gestellte Anforderungen finden keine Anwendung, ohne dass es einer Rüge bedürfte. Kommt ein Ausschluss als ungeeignet danach nicht in Betracht, kann das Fehlen des Schreibens hinsichtlich dieser Punkte weder direkt noch indirekt doch zu einem Ausschluss führen. Die Kenntnisnahme von Belehrungen – etwa Ziffer 12 des Angebotsschreibens – und die Erfüllung von Obliegenheiten im eigenen Interesse – etwa Ziffer 17 a bis f – betreffen per se nicht die Wirtschaftlichkeitsbewertung der angebotenen Leistung und werden von § 56 Abs. 3 VgV nicht erfasst. Weitere Teile des Angebotsschreibens sind zwar leistungsbezogen und zum Teil auch grundsätzlich für die Wirtschaftlichkeitsbewertung relevant. Allerdings gelten die dort geforderten Erklärungen bereits kraft Gesetzes (etwa Ziffern 3 und 13 des Angebotsschreibens) beziehungsweise lassen sie sich ausdrücklich oder im Weg der Auslegung den bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingereichten Dokumenten, insbesondere den von der Antragstellerin eingereichten Anlagen F 1 bis F 11 des Angebotsschreibens, der “Erklärung Verbindliche Ks-Abnahme”, der Versicherungsbestätigung, den Unbedenklichkeitsbescheinigungen, der Beschreibung zur Verwertung nebst Beteiligtenstruktur und den entsprechenden Erklärungen zu den Unterauftragnehmern sowie dem ansonsten handschriftlich unterschriebenen Leistungsverzeichnis entnehmen (etwa Ziffern 1, 2, 4, 5, 7, 16, 18, 19 des Angebotsschreibens), so dass eine Nachreichung die Wirtschaftlichkeitsbewertung nicht berührt und ein unberechtigter Wettbewerbsvorteil nicht droht. Eine Einverständniserklärung der Antragstellerin zur Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten (Ziffer 15 des Angebotsschreibens) ergibt sich bereits aus der Abgabe des Angebots selbst, nachdem die Antragsgegnerin unter Kapitel I., Ziffer 14 der Bewerbungsunterlagen auf die Verarbeitung der Daten als Grundvoraussetzung für die Berücksichtigung des Angebots hingewiesen hatte.

Allein aus der unterlassenen Nachforderung kann nicht geschlossen werden, dass der Auftraggeber in diese Richtung von dem ihm zustehenden Ermessen bereits Gebrauch gemacht hat (vgl. Ziekow/Völlink/Steck, 4. Aufl. 2020, VgV § 56 Rn. 19).

cc) Auf dieser Grundlage ist auch nicht zu ersehen, das Angebot enthalte nicht nur behebbare formale (Fehlen des Formblatts), sondern inhaltliche Abweichungen von den Vergabeunterlagen im Sinn des § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV.

3. Aufgrund des Vergabeverstoßes hat der Senat das Verfahren nach den §§ 168, 178 GWB zurückzuversetzen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Die beantragte Anordnung, die Wertung unter Einschluss des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen, kommt dabei nicht in Betracht. Soweit fehlende Unterlagen grundsätzlich nachforderbar sind, steht es gemäß § 56 Abs. 2 VgV im Ermessen des Auftraggebers, ob er einem Bieter innerhalb der vergaberechtlichen Grenzen die Möglichkeit eröffnet, Unterlagen nachzureichen, oder ob er hiervon absieht und das unvollständige Angebot von der Wertung ausschließt. Der Senat kann diese Ermessensentscheidung nicht umfassend, sondern nur im Hinblick auf Ermessensfehler überprüfen, also ob der Auftraggeber sein Ermessen überhaupt und ordnungsgemäß ausgeübt hat, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden ist und ob sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben. Nur ausnahmsweise, wenn nämlich die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null vorliegen, das heißt eine bestimmte Wertung zwingend ist, ist es den Nachprüfungsinstanzen erlaubt, diese Wertung an die Stelle einer Wertung der Vergabestelle treten zu lassen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2005 – Verg 68/04). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null kann hier aber nicht angenommen werden. So wird eine Ermessensreduzierung etwa dann angenommen, wenn sich der Auftraggeber aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber sämtlichen Bietern einheitlich verhalten muss oder im Rahmen seiner Vergabeunterlagen eine ausdrücklich so bezeichnete “Checkliste für die Vollständigkeit Ihrer Angebotsunterlagen” verwendet hat, in welcher dem Angebot beizufügende Unterlagen nicht enthalten waren (vgl. hierzu OLG Dresden, Beschluss vom 21.02.2020 – Verg 7/19). Ein vergleichbarer Fall liegt hier aber nicht vor. Soweit sich die Antragstellerin hinsichtlich einer Ermessensreduzierung auf Null im Wesentlichen auf die Widersprüchlichkeit der Vergabeunterlagen beruft, teilt der Senat in diesem Punkt die Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht. Unabhängig von dem Unterschriftserfordernis ist jedenfalls die Vorgabe der Antragsgegnerin, das Angebotsschreiben nach Kapitel V. zu verwenden, ausreichend deutlich.

Andererseits bedarf es keiner Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe. Denn die unzureichende Bekanntmachung von Eignungskriterien führt lediglich zu deren Nichtgeltung, nicht aber zur Rechtswidrigkeit des weiteren Verfahrens. Ob der Hilfsantrag insoweit zulässig gestellt und die Bedingung mit der Teilabweisung des Hauptantrags eingetreten ist, bedarf insoweit keiner Entscheidung.

Die Antragsgegnerin wird bei der von ihr – noch – zu treffenden Ermessensentscheidung über die Nachforderung zu berücksichtigen haben, dass eine zeitliche Verzögerung bei jeder Nachforderung gegeben ist, Nachforderungen aber gleichwohl grundsätzlich zulässig sind und der – pauschale – Hinweis auf Verzögerungen allein keine tragfähige Erwägung darstellt, zumal das Angebotsschreiben der Antragsgegnerin bereits seit dem 19.08.2022 ausgefüllt und unterschrieben vorliegt, die dazugehörigen Anlagen F1 bis F 11 bereits seit dem 04.08.2022, der Fehler bislang also rein formal war. Ferner ist bei der Ermessensentscheidung der Zweck des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen, nämlich die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers zu den bestmöglichen Konditionen zu befriedigen (EuG, Urteil vom 13.09.2011 – Rs. T-8/09). § 56 Abs. 2 VgV zielt auf eine möglichst weitgehende Berücksichtigung von Bieterangeboten ab (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 – Verg 35/15, zur VOB/A-EG) und die Vorschrift bezweckt, im Interesse eines umfassenden Wettbewerbs den Ausschluss von Angeboten aus vielfach nur formalen Gründen zu verhindern und die Anzahl der am Wettbewerb teilnehmenden Angebote nicht unnötig zu reduzieren (BGH, Urteil vom 19.06.2018 – X ZR 100/16, “Uferstützmauer”).

4. a) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 175 Abs. 1, 71 Satz 1, 182 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 GWB. Da die Antragstellerin hinsichtlich ihres Hauptantrages nicht vollständig obsiegt, war eine Kostenverteilung von 1/4 zu 3/4 zu Lasten der Antragsgegnerin als sachgerecht zu erachten. Gleiches gilt hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, über die bei Abänderung der dortigen Entscheidung ebenfalls zu entscheiden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 25.11.2020 – 17 Verg 1/20). Der Beigeladenen, die lediglich beobachtend an dem Beschwerdeverfahren teilgenommen und zur Wahrnehmung eigener Interessen weder in der Sache – wirksam – Stellung genommen noch Anträge gestellt hat, sind Kosten nicht aufzuerlegen. Andererseits entspricht es der Billigkeit, von der Erstattung ihrer – etwaigen – außergerichtlichen Kosten abzusehen (Bracher in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 92. Lieferung 11.2018, § 78 GWB Rn. 24 ff.).

b) Die Hinzuziehung anwaltlichen Beistandes im Verfahren vor der Vergabekammer war für die Antragstellerin gemäß §§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB, 80 Abs. 2 VwVfG für erforderlich zu erklären. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch ein Unternehmen auf Bieterseite ist in vergaberechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich als im Sinne dieser Vorschriften notwendig anzusehen. Dass ein Bieter auch ohne die Einschaltung eines Rechtsanwalts zu einer ausreichenden und umfassenden Interessenwahrnehmung in der Lage ist, kann allenfalls dann angenommen werden, wenn sich im Einzelfall ausschließlich einfache und ohne weiteres zu beantwortende Sach- und Rechtsfragen stellen, und der Bieter aufgrund seiner Ressourcen und Erfahrungen zweifelsfrei in der Lage ist, seine Position im konkreten Fall auch prozessual adäquat zu vertreten. Dies kann auch bei Großunternehmen oder Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, weil es jedem Unternehmen freisteht, wie es die Wahrnehmung seiner rechtlichen Belange organisiert (Senat, Beschluss vom 30.09.2021 – 17 Verg 5/21; MüKoEuWettbR/von Werder, 4. Aufl. 2022, GWB § 182 Rn. 16). Für die Antragsgegnerin bleibt es in dieser Frage bei der Entscheidung der Vergabekammer. Neben dem Argument der “Waffengleichheit” hat die Antragstellerin nicht allein auftragsbezogene Sach- oder Rechtsfragen zum Gegenstand ihres Nachprüfungsantrages gemacht (vgl. hierzu auch OLG München, Beschluss vom 11.06.2008 – Verg 6/08; BayObLG Beschluss vom 20.10.2022 – Verg 1/22). Für die Antragsgegnerin bedarf es mit Blick auf § 175 Abs. 1 Satz 2 GWB einer entsprechenden Entscheidung auch für das Beschwerdeverfahren.

c) Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 50 Abs. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Der Streitwert ist für das Beschwerdeverfahren auf 5 % der Bruttoauftragssumme festzusetzen (§ 50 Abs. 2 GKG). Maßgeblich ist der gesamte Vertragszeitraum (Senat, Beschluss vom 23.01.2017 – 17 Verg 3/16; BGH, Beschluss vom 18.03.2014 – X ZB 12/13) einschließlich aller Verlängerungsoptionen, wobei für den optionalen Zeitraum ein angemessener Abschlag – in der Regel 50 % – vorzunehmen ist (Senat, Beschluss vom 16.01.2019 – 17 Verg 6/18). Damit fällt der Streitwert ausgehend von dem seitens der Antragstellerin abgegebenen Angebot in die hier angenommene Gebührenstufe. Die Festsetzung gilt auch für das Eilverfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 02.10.2019 – 17 Verg 3/19).

BGH zu der Frage, dass das Gericht, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben muss, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

BGH zu der Frage, dass das Gericht, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben muss, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

vorgestellt von Thomas Ax

1. Geht es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage, darf der Tatrichter auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur dann verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde aufzuweisen vermag.
2. Das Gericht muss, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen.
3. Allein eine längere Tätigkeit in einem Bausenat kann nicht ohne weiteres zuverlässige Kenntnisse über das – für die Prüfung einer Ausführungsplanung auf Vollständigkeit – erforderliche bautechnische Fachwissen verschaffen.
BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 17/23
vorhergehend:
OLG Dresden, 06.12.2022 – 6 U 2337/20
LG Görlitz, 25.11.2020 – 6 O 138/18

Gründe:

1

Der Kläger verlangt von den Beklagten Architektenhonorar für Planungsleistungen nach den Mindestsätzen der HOAI.

 

 

2

Die Beklagte zu 1 erwarb im Jahr 2013 das Grundstück M.-Straße 20 in D., auf dem sich ein als Bürogebäude genutztes Hochhaus und eine Tiefgarage befanden. Der Kläger erbrachte im Einzelnen streitige Planungsleistungen für den auf dem Grundstück der Beklagten zu 1 vorgesehenen Neu- und Umbau des Gebäudes und zwar für die Teilprojekte:
– Neubau eines Wohngebäudes für studentisches Wohnen (TP 1),
– Umbau eines 11-geschoßigen Stahlbetonskelettbaus zum Wohngebäude (TP 2), 
– die Errichtung einer Tiefgarage unter Nutzung von Bestandskellerkonstruktionen (TP 3), 
– die Erstellung von Außenanlagen (TP 4),
– die Errichtung von Ingenieurbauwerken außerhalb des Gebäudes, befestigte Straßen und Wege (TP 5).

 

 

3

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte zu 1 habe ihn mündlich mit der Erbringung der Grundlagenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 der HOAI (2013) für alle Teilprojekte beauftragt. Anlässlich der Unterzeichnung des zwischen der Beklagten zu 1 und der O. GmbH geschlossenen Generalunternehmervertrags am 22. September 2015 sei ihm mündlich auch die Ausführungsplanung (Grundleistungen der Leistungsphase 5) für die Teilprojekte 1 und 3 mit der Maßgabe übertragen worden, die erforderlichen Pläne an die Generalunternehmerin zu senden. Eine gesonderte Honorarvereinbarung sei nicht getroffen worden.

 

 

4

Mit der letzten korrigierten Honorarrechnung vom 17. März 2019 machte der Kläger unter Zugrundelegung der Mindestsätze der HOAI (2013) und Anrechnung geleisteter Abschlagszahlungen in Höhe von 109.243,70 € netto (= 130.000 € brutto), ein Honorar in Höhe von 442.117,55 € brutto sowie den Ersatz der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 4.099,90 € jeweils nebst Zinsen geltend.

 

 

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 308.231,15 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.163,90 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. 

 

 

6

Hiergegen richten sich die Nichtzulassungsbeschwerden der Parteien, mit denen sie jeweils die Zulassung der Revision begehren, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.


II.

A.

 

 

7

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

 

8

1. Das Berufungsgericht hat, – soweit es von Interesse ist – ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung eines Honorars nach den Mindestsätzen für erbrachte Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 der HOAI (2013) in Höhe von 281.659,31 € brutto zu. Er habe zudem einen Anspruch auf eine weitere Vergütung in Höhe von 26.571,84 € brutto für Teilleistungen, die er im Rahmen der Ausführungsplanung in der Leistungsphase 5 bei den Teilprojekten 1 und 3 erbracht habe. 

 

 

9

Soweit der Kläger ein nach den Mindestsätzen berechnetes Honorar für die Erbringung der Grundleistungen der Leistungsphase 5 bei den Teilprojekten 1 bis 3 beanspruche, sei es ihm nicht gelungen, darzulegen und zu beweisen, dass er von den Beklagten in diesem Umfang konkludentbeauftragt worden sei. Er habe zwar vorgetragen und durch Vorlage entsprechender Dokumente unter Beweis gestellt, dass er die vollständigen Grundleistungen der Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) für die Teilprojekte 1 und 3 erbracht und hierüber die Beklagte zu 1 fortlaufend unterrichtet habe. Damit habe der Kläger eine Entgegennahme der Architektenleistung durch die Beklagte zu 1 behauptet. Allerdings werde aus den von ihm vorgelegten Unterlagen (Ausführungs-, Detail- und Konstruktionszeichnungen, vgl. Anlagenkonvolut K VI) nicht deutlich, dass es sich dabei um eine vollständige Ausführungsplanung mit allen für die Ausführung notwendigen Einzelangaben (zeichnerisch und textlich) auf der Grundlage der Entwurfs- und Genehmigungsplanung bis zur ausführungsreifen Lösung als Grundlage für die weiteren Leistungsphasen handele. Es fehle der Nachweis, dass die von dem Kläger für die Leistungsphase 5 erstellten Ausführungspläne so detailliert ausgearbeitet und vermessen seien, dass aus den Zeichnungen die Mengen und Massen hätten ermittelt werden können, um damit die jeweiligen Bauleistungen umsetzen zu können. Diese Beurteilung sei dem Berufungsgericht aufgrund eigener Sachkunde möglich, weshalb es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht bedürfe. 

 

 

10

Dass der Kläger über die mit Anlagenkonvolut VI vorgelegten Planungsleistungen hinaus, die nicht als vollständige Erbringung der Ausführungsplanung zu werten seien, weitere Leistungen der Leistungsphase 5 erbracht habe, gehe aus seinem Vortrag nicht hervor. Daher sei davon auszugehen, dass er hinsichtlich der Leistungsphase 5 nur mit Teilleistungen der Ausführungsplanung beauftragt worden sei, die von ihm – jeweils auf Anweisung der O. GmbH – erbracht worden seien. Diese Leistungen seien auf der Grundlage nachzuweisender Arbeitsstunden abzurechnen gewesen. Der Kläger habe auf der Grundlage des nachgewiesenen Zeitaufwands hilfsweise eine Vergütung in Höhe von 26.571,84 € brutto geltend gemacht, die der Höhe nach von den Beklagten anerkannt worden sei. 

 

 

11

Nach § 7 Abs. 5 HOAI (2013) werde zwar unwiderleglich vermutet, dass die jeweiligen Mindestsätze gemäß § 7 Abs. 1 HOAI (2013) vereinbart seien, wenn – wie hier – keine andere Vereinbarung schriftlich getroffen worden sei. Aus dem Vortrag des Klägers ergäben sich indes keine Anhaltspunkte, dass das – für die tatsächlich abgerufenen Leistungen zu ermittelnde – Mindestsatzhonorar höher ausfalle als das abgerechnete Zeithonorar. Ein Verstoß gegen das zwingende Preisrecht der HOAI sei von Amts wegen nur bei einem entsprechenden Vortrag der Parteien zu beachten. 

 

 

12

2. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht – wie der Kläger zu Recht rügt – in entscheidungserheblicher Weise seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

 

 

13

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2019 – VII ZR 303/16 Rn. 7, BauR 2019, 1011; Beschluss vom 28. Mai 2019 – VI ZR 328/18 Rn. 6, NJW 2019, 3236). 

 

 

14

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen konkludenten Vertragsschluss über die Erbringung der Grundleistungen der Leistungsphase 5 für die Teilprojekte 1 und 3 nicht nachgewiesen, beruht auf einer unzureichenden Sachaufklärung (§ 286 ZPO), die zugleich das rechtliche Gehör des Klägers verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). 

 

 

15

aa) Zwar handelt es sich bei der Frage, in welchem Umfang der Kläger mit der Erbringung der Grundleistungen der Leistungsphase 5 von der Beklagten zu 1 beauftragt wurde, um eine vom Berufungsgericht vorzunehmende Rechtsprüfung. Für die Würdigung der Gesamtumstände war für das Berufungsgericht allerdings von Bedeutung, ob der Kläger die vollständigen Grundleistungen der Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) für die Teilprojekte 1 und 3 erbracht hat. Diese Beurteilung betrifft eine Fachwissen voraussetzende Frage, deren Klärung einem Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zugänglich ist. Dies folgt aus den verwendeten fachsprachlichen Begriffen, aus dem Erfordernis der “notwendigen zeichnerischen und textlichen Einzelangaben”, aus der vorgeschriebenen Gestaltung der Zeichnungen nach “Art und Größe des Objekts im erforderlichen Umfang und dem Detaillierungsgrad unter Berücksichtigung aller fachspezifischen Anforderungen”, sowie aus der Koordinations- und Integrationspflicht, deren Erfüllung Kenntnisse der beteiligten Gewerke voraussetzt.

 

 

16

bb) Das Berufungsgericht hat sich gehörswidrig über den Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hinweggesetzt und die Frage, ob er die Grundleistungen der Leistungsphase 5 erbracht hat, verfahrensfehlerhaft ohne die erforderliche Hinzuziehung eines Sachverständigen aus eigener, nicht ausgewiesener Sachkunde beantwortet.

 

 

17

(1) Wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, darf der Tatrichter auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur dann verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde aufzuweisen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17 Rn. 16, NJW 2018, 2730; Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 204/14 Rn. 5, NJW 2015, 1311; Beschluss vom 13. März 2008 – VII ZR 219/06 Rn. 20, BauR 2008, 1031; Urteil vom 23. November 2006 – III ZR 65/06 Rn. 14, NJW-RR 2007, 357 m.w.N.).

 

 

18

(2) Das Berufungsgericht durfte den Beweisantrag auf Einholung des Sachverständigengutachtens nicht unter Hinweis auf eine eigene Sachkunde ablehnen. Es hat keine Sachkunde aufzuweisen vermocht, die es zur Beurteilung befähigen könnte, ob die für das Bauobjekt vorgelegten Pläne den technischen Anforderungen genügen, die an die in der Leistungsphase 5 zu erbringende Ausführungsplanung zu stellen sind. Allein eine längere Tätigkeit in einem Bausenat kann nicht ohne weiteres zuverlässige Kenntnisse über das – für die Prüfung der vorgelegten Ausführungsplanung auf Vollständigkeit – erforderliche bautechnische Fachwissen verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – VII ZR 231/95 Rn. 9, BauR 1997, 692). 

 

 

19

cc) Das Berufungsgericht hat zudem den Parteien keinen dokumentierten Hinweis erteilt, dass es die Frage nach der Vollständigkeit der erbrachten Leistungen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden will. 

 

 

20

Das Gericht muss, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – VII ZR 231/95 Rn. 8, BauR 1997, 692 m.w.N.) und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 – XI ZR 144/03 Rn. 12, FamRZ 2005, 700). Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2022 hat es den Parteien gehörswidrig keine Gelegenheit gegeben, zu den Grundlagen seiner Sachkunde Stellung zu nehmen. Vielmehr hat das Berufungsgericht – ohne Gewährung der von dem Kläger beantragten Frist zur schriftlichen Stellungnahme – die angefochtene Entscheidung nach Wiederaufruf der Sache am Ende des Sitzungstags verkündet (§ 310 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO).

 

 

21

3. Ein weiterer Gehörsverstoß des Berufungsgerichts ist in der fehlenden Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme auf den in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2022 erteilten Hinweis zu sehen, wonach die vom Kläger vorgelegten Planungsleistungen den Anforderungen, die an die Grundleistungen der Leistungsphase 5 zu stellen seien, nicht genügen. 

 

 

22

Das Berufungsgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. April 2021 zu erkennen gegeben, dass es das Bestreiten der Beklagten zur Vollständigkeit der Ausführungsplanung in Ermangelung der Angabe dessen, was fehlen soll, für nicht substantiiert hält. In dem Protokoll über diese Verhandlung ist folgender Hinweis dokumentiert: 

“Die Beklagten bestreiten zwar, dass der Kläger die Komplettleistung der Leistungsphase 5 erbracht habe und meinen, aus dem Anlagenkonvolut K VI Anlagen 1.22 bis 1.41 folge nicht die komplette Ausführungsplanung. Woran es aber konkret fehlen soll, tragen die Beklagten nicht vor.”

 

 

23

Diesen Hinweis durfte der Kläger dahin verstehen, dass das Berufungsgericht – wegen des fehlenden Bestreitens der Beklagten – weiteren Vortrag zur Beauftragung mit der Ausführungsplanung und zur Erbringung der Leistung nicht für erforderlich hielt. Eine davon abweichende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ergibt sich allerdings aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2022, in dem Folgendes protokolliert ist:


“Der Kläger meint, der Senat habe erstmals zu nicht vollständig gemachten Leistungen der Leistungsphase 5 Ausführungen gemacht, und beantragt, ihm insoweit Schriftsatzrecht und auch Schriftsatzrecht zu den weiteren Hinweisen des Senats zu gewähren. Der Senat führt hierzu aus, dass er allein rechtliche Ausführungen gemacht habe, es sich hingegen nicht um rechtliche Hinweise handle.”

 

 

24

Daraus ist zu schließen, dass das Berufungsgericht das Bestreiten der Beklagten – trotz Fehlens neuen Sachvortrags – abweichend von der zuvor in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2021 vertretenen Rechtsansicht beurteilte und nunmehr die vom Kläger erstellte Ausführungsplanung nicht mehr als vollständig erachtete. Neben der Erteilung eines Hinweises auf die geänderte rechtliche Einschätzung hätte das Berufungsgericht dem Kläger Gelegenheit geben müssen, auf den für ihn überraschenden Hinweis zu reagieren und seinen Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 – XI ZR 144/03 Rn. 12, FamRZ 2005, 700). Nur auf diese Weise wäre das rechtliche Gehör des Klägers, zu dem neuen rechtlichen Gesichtspunkt Stellung nehmen zu können, gewahrt worden. Stattdessen hat das Berufungsgericht gehörswidrig seinen Antrag zur Stellungnahme auf den Hinweis abgelehnt und nach Schluss der mündlichen Verhandlung eine Entscheidung erlassen. 

 

 

25

4. Auf den Verletzungen des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör beruht das angefochtene Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei gebotener Berücksichtigung der aufgezeigten Gesichtspunkte zu einem für ihn günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

 

 

26

5. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist. 

B.

 

 

27

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten war zurückzuweisen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

 

 

(Hinweis der Redaktion: Die Randnummern sind amtlich und damit besonders zitiergeeignet.)

 

BGH zu der Frage der Verwendung einer Klausel durch einen Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch eine von ihm als Erstverwalter bestimmte, mit ihm wirtschaftlich verbundene (Tochter)Gesellschaft ermöglicht

BGH zu der Frage der Verwendung einer Klausel durch einen Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch eine von ihm als Erstverwalter bestimmte, mit ihm wirtschaftlich verbundene (Tochter)Gesellschaft ermöglicht

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch eine von ihm als Erstverwalter bestimmte, mit ihm wirtschaftlich verbundene (Tochter)Gesellschaft ermöglicht, ist unwirksam (Anschluss an BGH, IBR 2013, 686).
2. Macht eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) als Prozessstandschafterin der Erwerber Mängelansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums gegen den Bauträger geltend, so ist es diesem als Verwender der genannten unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde, weshalb im Rahmen der Anspruchsbegründung die Abnahme des Gemeinschaftseigentums als Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelansprüchen zu unterstellen ist (Anschluss an BGH, IBR 2016, 521; IBR 2016, 456; IBR 2016, 275).*)
3. Zur Frage, ob ein rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten einer GdWE vorliegt, wenn diese – als Prozessstandschafterin der Erwerber – in der Vergangenheit zweimal Mängelansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums geltend gemacht hat, die von dem in Anspruch genommenen Bauträger jeweils reguliert wurden, und sie sich später bei der klageweisen Geltendmachung weiterer Mängelansprüche gegenüber der vom Bauträger erhobenen Einrede der Verjährung auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums beruft.*)
BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 241/22
vorhergehend:
OLG Schleswig, Urteil vom 18.11.2022 – 1 U 42/21
LG Kiel, 16.04.2021 – 11 O 74/20

Tatbestand:

1

Die Klägerin, eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), macht – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – Mängelansprüche wegen angeblicher Mängel der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der B.-A. GmbH geltend.

 

 

2

Die betreffende Anlage ist in den Jahren 2005 und 2006 von der B.-A. GmbH (im Folgenden einheitlich nur: Beklagte) errichtet worden. Diese konnte alle Eigentumswohnungen noch im Jahr 2005 verkaufen. In dem exemplarisch vorgelegten Kaufvertrag vom 1. März 2005 wird das betroffene Grundstück als Grundstück, das “bebaut werden soll”, bezeichnet (§ 1 Abs. 2). Als Datum der voraussichtlichen Fertigstellung ist der 30. Juni 2005 angegeben (§ 3 Abs. 3). Die “Übergabe/Abnahme” sollte bei Fertigstellung erfolgen (§ 7 Abs. 2). Für die “Übergabe/Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums” beauftragte und bevollmächtigte der Käufer unwiderruflich den Verwalter (§ 7 Abs. 5 Satz 1), bei dem es sich um die B.-V. GmbH, eine Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten, handelte (§ 11 Abs. 1).

 

 

3

In einem exemplarisch vorgelegten undatierten Kaufvertrag späterer Erwerber wird das betroffene Grundstück ebenfalls als Grundstück, das “bebaut werden soll”, bezeichnet (§ 1 Abs. 2) und von einer voraussichtlichen Fertigstellung im Jahr 2006 gesprochen (§ 3 Abs. 3). In § 7 Abs. 5 heißt es:

“Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgte durch den Verwalter – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – im Mai 2005.”

 

 

4

Im Jahr 2007 rügte die Klägerin Planungs- und Ausführungsmängel im Bereich der Dach- und Balkonentwässerung. Diese wurden auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Beklagten, dem Generalbauunternehmer und dem planenden Architekturbüro beseitigt.

 

 

5

Weitere Mängel rügte die Klägerin im Jahr 2012; bezüglich dieser Mängel kam es zum Abschluss eines Vergleichs zwischen der Beklagten und der Klägerin, der im Jahr 2013 abgewickelt wurde.

 

 

6

Am 20. April 2014 wurde auf einer Eigentümerversammlung die Unwirksamkeit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums “festgestellt”. In der Folge wandten sich einzelne Mitglieder der Klägerin und auch deren Verwalterin mit Mängelrügen und der Forderung nach einer Abnahme an die Beklagte. Die Beklagte stellte mit an die Verwalterin gerichtetem Schreiben vom 3. September 2015 Mängel in Abrede und berief sich auf Verjährung. Ein Vergleichsangebot der Beklagten vom 21. September 2017 nahm die Klägerin nicht an.

 

 

7

Auf einer Eigentümerversammlung vom 27. November 2018 wurde beschlossen, dass die Ausübung der Nacherfüllungs- und Mängelansprüche der Wohnungseigentümer als Erwerber gegen die Beklagte am gemeinschaftlichen Eigentum mit Ausnahme des großen Schadensersatzes und des Rücktritts auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übertragen wird.

 

 

8

Nach weiteren vergeblichen Aufforderungen zur Mängelbeseitigung hat die Klägerin mit einem am 2. Juni 2020 eingegangenen Schriftsatz Klage eingereicht. Sie hat insbesondere die Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung und wegen verschiedener Positionen Schadensersatz verlangt.

9

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

 

 

10

Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

 

 

11

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit über die Mängelansprüche betreffenden Berufungsanträge zu 1 und zu 3 bis 6 entschieden worden ist.

 

 

12

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge im Umfang der Zulassung weiter.


Entscheidungsgründe:

 

 

13

Die Revision der Klägerin hat Erfolg; sie führt im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils zu dessen Aufhebung und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

 

 

14

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in IBR 2023, 134 = BauR 2023, 1132 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:

 

 

15

Die Berufung der Klägerin sei unbegründet.

 

 

16

Die Klage sei zulässig. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei kraft Gesetzes (§ 9a Abs. 1, Abs. 2 WEG) für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie für solche Rechte der Wohnungseigentümer, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erforderten, prozessführungsbefugt. Als hiernach der Gemeinschaft zugewiesene Rechte gälten werkvertragliche Ansprüche auf Gewährleistung. Unabhängig davon könne sich die Klägerin auf eine Prozessführungsbefugnis aus gewillkürter Prozessstandschaft stützen. Die entsprechende Ermächtigung sei dem Beschluss vom 27. November 2018 zu entnehmen.

 

 

17

Die Klage sei jedoch mit allen Anträgen unbegründet.

 

 

18

Mit dem auf Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB gerichteten Klageantrag zu 1 mache die Klägerin eines der in § 634 BGB vorgesehenen werkvertraglichen Mängelrechte des Bestellers geltend. Sofern ein solcher Anspruch bestehen sollte, wäre er verjährt.

 

 

19

Mängelrechte nach § 634 BGB stünden dem Besteller grundsätzlich erst nach der Abnahme des Werkes zu. An einer solchen fehle es zwar, sie sei jedoch zugunsten der Klägerin zu unterstellen.

 

 

20

Wann und wie das Gemeinschaftseigentum abgenommen worden sei, sei nicht vorgetragen. Die Erwerbsverträge sähen in § 7 Abs. 5 eine Abnahme durch den unwiderruflich seitens des Käufers bevollmächtigten Verwalter vor, bei dem es sich unstreitig um eine mit der Bauträgerin wirtschaftlich verbundene Gesellschaft gehandelt habe. Eine solche Abnahmeregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei unwirksam. Eine – wie offenkundig hier – auf dieser Grundlage erfolgte Abnahme sei es dann auch. Ob eine andere Form der Abnahme an ihre Stelle getreten oder eine Abnahme ausnahmsweise entbehrlich sei, könne in diesem Zusammenhang offenbleiben. Soweit nämlich eine Abnahme Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelrechten sei, sei es der Beklagten als Verwenderin der unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde. Im Rahmen der Anspruchsbegründung sei die Abnahme somit zugunsten der Klägerin zu unterstellen.

 

 

21

Davon zu unterscheiden sei die Frage, wie sich das Fehlen der Abnahme im Rahmen der Verjährung auswirke. Insoweit sei im vorliegenden Fall eine Abnahme spätestens im Jahr 2013 – nun zu Lasten der Klägerin – zu unterstellen mit der Folge, dass der Anspruch bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen sei.

 

 

22

Nach welchen Voraussetzungen sich die Verjährung von Ansprüchen des Erwerbers gegen den Bauträger aus einem Bauträgervertrag richte, lasse sich nicht einheitlich beantworten. Für alle mit der Errichtung des Gebäudes zusammenhängenden Leistungen gelte Werkvertragsrecht. Der werkvertragliche Anspruch auf Herstellung unterliege der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB ab dem Schluss des Jahres, in dem er entstanden sei (§ 199 Abs. 1 BGB). Daneben bestünden Gewährleistungsansprüche des Erwerbers gegen den Bauträger. Im Streitfall stehe allein die mangelhafte Bauleistung in Rede, für die Werkvertragsrecht gelte. Die werkvertragliche Gewährleistung ergebe sich aus § 634 BGB. Ihre Verjährung beginne grundsätzlich mit der Abnahme des Werks, die Frist betrage bei einem Bauwerk fünf Jahre (§ 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB).

 

 

23

Da die Entstehung und Verjährung der werkvertraglichen Ansprüche unterschiedlich geregelt seien, falle grundsätzlich auch das Ende ihrer Verjährung auseinander. Es könne sogar dazu kommen, dass der Erfüllungsanspruch verjährt sei, bevor das Werk abgenommen sei und damit die Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn der Gewährleistungsansprüche geschaffen worden seien. Ein solcher Fall liege hier vor. Der Erfüllungsanspruch aller Mitglieder der Klägerin sei im vorliegenden Fall zweifelsfrei verjährt. Alle Verträge der Bau- trägerin mit den Erwerbern datierten aus dem Jahre 2005. Die taggenaue Verjährungshöchstfrist von zehn Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB habe durchweg im Laufe des Jahres 2015 geendet. Nach wie vor fehle es aber an einer Abnahme. Die sich in einem solchen Fall stellende Frage, ob trotz fehlender Abnahme auch Ansprüche auf Gewährleistung verjährt seien oder ob der Auftragnehmer die Gewährleistung wiederaufleben lassen könne, indem er Abnahme verlange und damit erst die Verjährungsfrist des § 634a BGB in Gang setze, müsse nicht grundsätzlich entschieden werden. Im vorliegenden Fall sei nämlich die Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Rahmen der Verjährung zu Lasten der Klägerin zu unterstellen.

 

 

24

Dies ergebe sich zwar nicht aus der Ingebrauchnahme der Wohnungseigentumsanlage durch die Mitglieder der Klägerin. Die Parteien hätten die Unwirksamkeit der Abnahmeregelung nicht erkannt und seien deshalb von einer wirksam erfolgten Abnahme ausgegangen. Damit habe die Ingebrauchnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber keinen eigenen Abnahmewillen zum Ausdruck gebracht.

 

 

25

Jedoch habe die Klägerin in der Vergangenheit bereits zweimal erfolgreich Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Sie hätten Mängel der Dach- und Balkonentwässerung in zwei verschiedenen Bereichen betroffen. Die erste Beanstandung habe die Beklagte in den Jahren 2007/2008 auf der Grundlage einer zwischen ihr, der Generalunternehmerin und den planenden Architekten getroffenen Vereinbarung beseitigt, mit der offenkundig aber auch die Klägerin einverstanden gewesen sei. Die zweite Beanstandung in den Jahren 2012/2013 habe mit einem Vergleich geendet.

 

 

26

Bereits bei der ersten Beanstandung sei das Gemeinschaftseigentum übergeben und – vermeintlich – abgenommen gewesen. Die nun erhobenen Mängelrügen müssten als Ausübung von Gewährleistungsansprüchen verstanden werden. Es wäre fernliegend, sie noch als Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs anzusehen. Die Parteien hätten sie ersichtlich auch als Fall der Gewährleistung behandelt. Daraus folge aber auch, dass die Parteien bei der Regulierung der Mängelrügen übereinstimmend von einer bereits erfolgten Abnahme ausgegangen seien. Ohne Abnahme könnten Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB nur geltend gemacht werden, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen könne und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen sei. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.

 

 

27

Die Beklagte habe die Annahme der Klägerin, das Gemeinschaftseigentum sei abgenommen, gegen sich gelten lassen. Wäre es zum Rechtsstreit gekommen, wäre die Klägerin – jedenfalls auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung – mit ihrem Gewährleistungsbegehren nur durchgedrungen, wenn sie auf eine erfolgte Abnahme hätte verweisen können oder der Beklagten verwehrt worden wäre, sich auf das Fehlen der Abnahme zu berufen und die Abnahme zugunsten der Klägerin unterstellt worden wäre.

 

 

28

Vor diesem Hintergrund widerspräche es Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sich die Klägerin darauf berufen könnte, es fehle an einer Abnahme. Sie verhielte sich widersprüchlich. Sie habe in den Jahren 2007/2008 und 2012/2013 aus der übereinstimmenden Auffassung der Parteien, dass es eine Abnahme gegeben habe, einen Vorteil gezogen und Ansprüche durchgesetzt, die zwingend eine Abnahme zur Voraussetzung gehabt hätten. Es wäre mit Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn die Klägerin nun Ansprüche geltend machen könnte, die nur noch durchsetzbar wären, wenn es an einer Abnahme fehle. Die Klägerin habe den aus einer Abnahme folgenden rechtlichen Vorteil in Anspruch genommen. Dann müsste sie auch den mit der Abnahme einhergehenden Nachteil tragen.

 

 

29

Sei zu Lasten der Klägerin von einer spätestens im Jahr 2013 erfolgten Abnahme auszugehen, so folge daraus die Verjährung ihrer Ansprüche aus Gewährleistung spätestens im Laufe des Jahres 2018 (§ 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB). Die Klage habe die Verjährung nicht mehr hemmen können. Zu verjährungshemmenden Verhandlungen (§ 203 BGB), die den dazwischen- liegenden Zeitraum überbrückten, sei nichts vorgetragen.

 

 

30

Die Klageanträge zu 3 bis 6 könnten ebenfalls keinen Erfolg haben, weil auch sie ausschließlich auf Gewährleistung gegründet seien. Sie seien aus den dargelegten Gründen verjährt.

II.

 

 

31

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der klägerischen Berufungsanträge zu 1 und zu 3 bis 6 nicht gerechtfertigt werden.

 

 

32

1. Allerdings hat das Berufungsgericht die Klage zu Recht für zulässig erachtet. Insbesondere ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Klägerin bezüglich der geltend gemachten Mängelansprüche auch insoweit für prozessführungsbefugt erachtet hat, als die Klägerin einen Anspruch auf Vorschuss für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums verlangt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2023 – VII ZR 13/22, ZfBR 2023, 342; Beschluss vom 1. Februar 2023 – VII ZR 887/21, BauR 2023, 958; Urteil vom 11. November 2022 – V ZR 213/21 Rn. 18 ff., Rn. 24 ff., Rn. 30 ff., NJW 2023, 217) besteht bei einer GdWE die Prozessführungsbefugnis, die sich wie hier aus einem vor dem 1. Dezember 2020 erlassenen Vergemeinschaftungsbeschluss ergibt, auch nach der Neuregelung der Ausübungsbefugnis in § 9a Abs. 2 WEG fort. Das gilt nicht nur dann, wenn ein entsprechender (Nacherfüllungs-)Anspruch des Erwerbers auf eine kaufvertragliche Nachbesserungspflicht gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2022 – V ZR 213/21 Rn. 18 ff., Rn. 24 ff., Rn. 30 ff., NJW 2023, 217), sondern auch dann, wenn ein werkvertraglicher Anspruch auf Kostenvorschuss (§ 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB) in Rede steht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2023 – VII ZR 13/22 m.w.N., ZfBR 2023, 342; Beschluss vom 1. Februar 2023 – VII ZR 887/21, BauR 2023, 958).

 

 

33

2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht – von den Parteien unbeanstandet – angenommen, dass sich die von der Klägerin geltend gemachten Mängelansprüche nach Werkvertragsrecht richten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15 Rn. 20 ff., BGHZ 210, 206).

 

 

34

3. Auch die ebenfalls unangegriffene Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten gestellte formularmäßige Regelung bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums in § 7 Abs. 5 der Erwerbsverträge (Anlage K 2) sei ebenso wie die auf dieser Grundlage erfolgte Abnahme unwirksam, lässt keine Rechtsfehler erkennen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2013 – VII ZR 308/12 Rn. 7 ff., BauR 2013, 2020, zu einer formularmäßigen Abnahmeklausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen mit dem Bauträger wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Erstverwalter ermöglicht; Urteil vom 30. Juni 2016 – VII ZR 188/13 Rn. 22, BauR 2016, 1771 = NZBau 2016, 629).

 

 

35

Entsprechendes gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten sei es als Verwenderin der unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2016 – VII ZR 188/13 Rn. 20 ff., Rn. 24 ff., BauR 2016, 1771 = NZBau 2016, 629; Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15 Rn. 57 ff., BGHZ 210, 206; Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 49/15 Rn. 41 ff., BGHZ 209, 128), weshalb im Rahmen der Anspruchsbegründung die Abnahme des Gemeinschaftseigentums als Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelansprüchen zugunsten der Klägerin zu unterstellen sei.

 

 

36

4. Der rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, im Rahmen der Verjährung sei eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums spätestens im Jahr 2013 – nun zu Lasten der Klägerin – zu unterstellen mit der Folge, dass die mit der Klage geltend gemachten (Mängel-) Ansprüche bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen seien, weil es der Klägerin wegen widersprüchlichen Verhaltens unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sei, sich im Rahmen der Verjährung auf das Fehlen der Abnahme berufen zu dürfen.

 

 

37

a) Die im Einzelfall vorzunehmende wertende Betrachtung der Gesamtumstände unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB obliegt zwar in erster Linie dem Tatgericht, kann aber vom Revisionsgericht eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob das Tatgericht die maßgeblichen Tatsachen vollständig festgestellt und gewürdigt und ob es die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (BGH, Urteil vom 6. Juli 2023 – VII ZR 151/22 Rn. 38, BauR 2023, 1672; Urteil vom 8. Juli 2021 – I ZR 248/19 Rn. 28 m.w.N., NJW 2022, 52).

 

 

38

b) Einer Überprüfung nach diesen Grundsätzen hält das Berufungsurteil nicht stand.

 

 

39

aa) Nicht jeder Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen ist als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) zu werten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14 Rn. 24, BGHZ 204, 145). Vielmehr ist widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) dann rechtsmissbräuchlich, wenn das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – XII ZB 508/14 Rn. 12, MDR 2015, 1101; Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14 Rn. 24, BGHZ 204, 145; Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 305/12 Rn. 41 m.w.N., NJW 2014, 2790). Ist durch das frühere Verhalten einer Partei kein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei begründet worden, ist ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht zu ziehen, etwa bei einem unlösbaren Widerspruch zwischen früherer und späterer Rechtsausübung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – XII ZB 508/14 Rn. 12, MDR 2015, 1101; Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14 Rn. 26 m.w.N., BGHZ 204, 145).

 

 

40

bb) Nach diesen Grundsätzen kann ein im Sinne des § 242 BGB rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten der Klägerin nicht angenommen werden.

 

 

41

(1) Soweit die Klägerin zunächst in den Jahren 2007 und 2012 – als Prozessstandschafterin der Erwerber – mehrfach Mängelansprüche wegen Mängeln der Dach- und Balkonentwässerung geltend gemacht hat, die von der Beklagten jeweils reguliert wurden, und sich später bei der klageweisen Geltendmachung weiterer Mängelansprüche gegenüber der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums berufen hat, resultiert hieraus bereits keine sachliche Unvereinbarkeit zwischen dem früheren und dem späteren Verhalten. Denn das Verhalten der Klägerin ist vor dem Hintergrund der von der Beklagten gestellten Formular- klausel zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums (§ 7 Abs. 5 Satz 1 des Vertrags Anlage K 2) und unter Berücksichtigung der Schutzrichtung der Inhaltskontrolle zu würdigen. Die genannte Formularklausel wirkt sich für die betroffenen Erwerber – und damit auch für die als deren Prozessstandschafterin agierende Klägerin – einerseits (bezüglich der Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelansprüchen, insbesondere Kostenvorschussansprüchen) günstig und andererseits (bezüglich des Beginns der Verjährung der Mängelansprüche) ungünstig aus (vgl. Rodemann, BauR 2020, 519, 522 f.); die Inhaltskontrolle dient ausschließlich dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders, nicht dem Schutz des Verwenders (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15 Rn. 58 m.w.N., BGHZ 210, 206; Urteil vom 20. Juli 2017 – VII ZR 259/16 Rn. 31, BauR 2017, 1995 = NZBau 2018, 29). Vor diesem Hintergrund kann angesichts der erörterten Klauselambivalenz und der Schutzrichtung der Inhaltskontrolle bereits eine sachliche Unvereinbarkeit zwischen dem früheren und dem späteren Verhalten der Klägerin nicht angenommen werden.

 

 

42

(2) Im Übrigen ist durch das frühere Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Mängelansprüchen in den Jahren 2007 und 2012 ebenso wenig wie durch die Regulierung dieser Ansprüche ein vorrangig schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten dahingehend begründet worden, dass sich die Klägerin bei etwaiger erneuter späterer Geltendmachung von Mängelrechten nach Ablauf eines Zeitraums, der die Frist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB übersteigt, gegenüber der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung nicht auf das Fehlen einer wirksamen Abnahme des Gemeinschaftseigentums berufen würde. Die Interessen der Beklagten erscheinen insoweit im Hinblick darauf, dass sie als Verwenderin der Formularklausel § 7 Abs. 5 Satz 1 für den Nichtbeginn der Verjährung (vgl. § 634a Abs. 2 BGB) hinsichtlich der auf Mängel an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums bezogenen Mängelansprüche verantwortlich ist, und im Hinblick darauf, dass sie im Antwortschreiben vom 3. September 2015 an die Verwalterin für eine erneute Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Hinblick auf die bereits zuvor angeblich wirksam erfolgte Abnahme keinen Raum sah, nicht vorrangig schutzwürdig.

 

 

43

(3) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin kann aus den vorstehend unter II. 4. b) bb) (1) genannten Gründen auch nicht wegen eines unlösbaren Widerspruchs zwischen dem früheren und dem späteren Verhalten der Klägerin angenommen werden.

III.

 

 

44

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) dar.

 

 

45

1. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, die Beklagte dürfe dem Begehren der Klägerin die Einrede der Verjährung entgegenhalten, nachdem die Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB im Hinblick auf den Erfüllungsanspruch aus § 631 Abs. 1 BGB angeblich spätestens mit dem Ende des Jahres 2015 abgelaufen sei. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls wann die genannte Verjährungshöchstfrist abgelaufen ist. Des Weiteren kann hier offenbleiben, ob und welchen Einfluss ein Ablauf der Verjährungshöchstfrist bezüglich des Erfüllungsanspruchs grundsätzlich auf die Verjährung von Mängelansprüchen hat. Im Rahmen der gegen die geltend gemachten Mängelansprüche erhobenen Verjährungseinrede könnte die Beklagte jedenfalls aus AGB-rechtlichen Gründen den angeblichen Ablauf der Verjährungshöchstfrist bezüglich des Erfüllungsanspruchs nicht mit Erfolg geltend machen (vgl. auch Vogel, IBR Werkstatt-Beitrag). Wie bereits erörtert, ist es der Beklagten als Verwenderin der unwirksamen Formularklausel § 7 Abs. 5 Satz 1 nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde; die Klägerin kann, wie sie das nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts getan hat, trotz der nicht wirksam erklärten Abnahme des Gemeinschaftseigentums Mängelansprüche gegen die Beklagte geltend machen.

 

 

46

2. Die Verjährung der geltend gemachten Mängelansprüche kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht mit der Begründung angenommen werden, die Erwerber hätten das Gemeinschaftseigentum, nachdem sie Kenntnis von der Unwirksamkeit der im Jahr 2005 erklärten Abnahme erlangt oder Zweifel bezüglich der betreffenden Wirksamkeit bekommen hätten, jeweils konkludent abgenommen, womit die Verjährung der Mängelansprüche gemäß § 634a Abs. 2 BGB jeweils mit der Folge begonnen habe, dass die Verjährungsfrist (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB) vor der Einreichung der Klage im Jahr 2020 abgelaufen sei. Denn das Berufungsgericht hat zu derartigen Abnahmen – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen.

 

 

47

3. Das Berufungsurteil kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand schließlich auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten werden, der klägerischen Rechtsausübung stehe, wie die Revisionserwiderung meint, der Einwand der Verwirkung entgegen. Denn das Berufungsgericht hat zu den Voraussetzungen dieses Einwands – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen.

IV.

 

 

48

Das Berufungsurteil kann nach alledem, soweit hinsichtlich der Berufungsanträge zu 1 und zu 3 bis 6 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, nicht bestehen bleiben. Es ist insoweit aufzuheben. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht in der Sache selbst entscheiden kann.

 

(Hinweis der Redaktion: Die Randnummern sind amtlich und damit besonders zitiergeeignet.)

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