Ax Vergaberecht

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Kurz belichtet – Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen

Kurz belichtet - Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen

von Thomas Ax

Eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist; der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter der Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück (Festhaltung an OLG FFM, Beschluss vom 30. Januar 2014 – 11 Verg 15/13 “Stadtbusverkehr”, juris, Rn 50; entgegen KG, Beschluss vom 10. Mai 2022 – Verg 1/22, juris, Rn. 31 und OLG Bremen, Beschluss vom 1. April 2022 – 2 Verg 1/21, NZBau 2022, 548,Rn. 110). Dies ist in jüngerer Zeit in Abrede gestellt (KG, Beschluss vom 10.05.2022 – Verg 1/22, juris, Rn. 31, nicht tragend) oder bezweifelt (OLG Bremen, NZBau 2022, 548, Rn. 110) worden, jedoch zu bestätigen. In der wert- und insbesondere grundrechtsgebundenen Ordnung des Grundgesetzes und der Unionsverträge muss der Staat immer und unabhängig von früheren Versäumnissen in rechtmäßiger Weise in der Lage sein, auf Notlagen zu reagieren oder sie abzuwenden, mithin unverzichtbare Leistungen zu erbringen. Dies betrifft insbesondere Leistungen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der Daseinsvorsorge. Die besondere Dringlichkeit der (Interims-)Vergabe rechtfertigt es aber auch in diesen Fällen nicht ohne weiteres, dass der Wettbewerb vollständig und auf längere Dauer eingeschränkt wird, indem nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird. Hat es einen vorangehenden Wettbewerb gegeben, ist der öffentliche Auftraggeber, selbst wenn die Voraussetzungen einer besonderen Dringlichkeit vorliegen, gehalten, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen. Etwas Anderes kann sich nur ausnahmsweise je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben (OLG FFM, Beschluss vom 30. Januar 2014 a.a.O. Rn. 51 m.w.N.).
OLG FFM, Beschluss vom 24. November 2022 – 11 Verg 5/22 –, juris

Kurz belichtet – Unvorhersehbarkeit im Vergaberecht

Kurz belichtet – Unvorhersehbarkeit im Vergaberecht

von Thomas Ax

Unvorhersehbarkeit ist im Hinblick auf die eine Vertragsverlängerung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB oder auf einen Interimsauftrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erfordernden Umstände nur unter bestimmten Voraussetzungen anzunehmen.

Im Rahmen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB ist der Begriff der Unvorhersehbarkeit am 109. Erwägungsgrund der Vergaberichtlinie auszurichten und bezeichnet solche Umstände, die auch bei einer nach vernünftigem Ermessen sorgfältigen Vorbereitung der ursprünglichen Zuschlagserteilung durch den öffentlichen Auftraggeber unter Berücksichtigung der diesem zur Verfügung stehenden Mittel, der Art und Merkmale des spezifischen Projekts, der bewährten Praxis im betreffenden Bereich und der Notwendigkeit, ein angemessenes Verhältnis zwischen den bei der Vorbereitung der Zuschlagserteilung eingesetzten Ressourcen und dem absehbaren Nutzen zu gewährleisten, nicht hätten vorausgesagt werden können (MüKoEuWettbR/Jaeger, 4. Aufl. 2022, GWB § 132 Rn. 43).

Unvorhersehbarkeit ist danach nur dann anzunehmen, wenn der Auftraggeber bei der Vertragsgestaltung alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Ungewissheit ausgeschöpft hat und die eventuellen aus der Ungewissheit folgenden Notwendigkeiten zur Vertragsanpassung auch nicht als Option oder Überprüfungsklausel nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB abgebildet werden konnten (Ziekow/Völlink/Ziekow, 4. Aufl. 2020, GWB § 132 Rn. 53; Beck VergabeR/Hüttinger, 4. Aufl. 2022, GWB § 132 Rn. 54; s.a. EuGH, Urteil vom 7. September 2016 – C-549/14 „Frogne“, juris, Rn. 36). Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass eine Vergabestelle bei der Konzeption eines Vergabeverfahrens auch die Folgevergabe in den Blick zu nehmen hat und dabei immer mögliche Behinderungen dieses Vergabeverfahrens berücksichtigt (ebenso KG, NZBau 2022, 544, 546 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. März 2015 – 15 Verg 9/14, juris, Rn. 24; Hirsch/Kaelble in Müller-Wrede, VgV/UVgO, § 14 VgV. Rn. 213).

Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Vergabestelle den konkreten Grund der Verzögerung noch nicht kennt. Es genügt, dass der Ablauf eines Vergabeverfahrens vielfältigen Verzögerungen ausgesetzt sein kann. Dazu gehören selbst entdeckte Fehler bei der ursprünglichen Ausschreibung, Neudefinitionen des Bedarfs während des Verfahrens, Nachprüfungsanträge von Bietern, gegen die Vergabestelle ausfallende Entscheidungen der Nachprüfungsinstanzen etc.. Keinesfalls darf die Vergabestelle bei ihrer Planung die rechtsstaatlichen Gewährleistungen ausblenden. Sie hat die Zuschlagsbedingungen daher soweit nötig so zu gestalten, dass derartigen Verzögerungen durch die Laufzeit des Vertrags Rechnung getragen wird (vgl. auch die Entscheidung OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. März 2015 – 15 Verg 9/14, juris, Rn. 24), insbesondere kann sie Optionsrechte vorsehen, oder den Vertrag nach einer Mindestlaufzeit als erst im Zuge des Zuschlags im Folgeverfahren oder einer daran anknüpfenden Kündigung endend konzipieren.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. November 2022 – 11 Verg 5/22 –, juris

TiefbauRecht 6/2023 – Von der Redaktion

TiefbauRecht 6/2023 - Von der Redaktion

Unter dem Oberbegriff Baurecht versteht man alle Rechtsbereiche, die die Errichtung, Änderung und Beseitigung von Gebäuden betreffen. Hierbei stehen Werklohn- und Architektenhonorarstreitigkeiten im Vordergrund. Im Baurecht wird zwischen dem privaten Baurecht und dem öffentlichen Baurecht unterschieden. 

Das öffentliche Baurecht bestimmt die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Interesse der Nachbarn und der Allgemeinheit – das private Baurecht reguliert die Rechtsbeziehungen der am Bau beteiligten Personen. Im Architektenrecht sind die Rechte und Pflichten des Architekten für seine Auftragstätigkeit geregelt und in unterschiedlichen Rechtsgrundlagen verankert.

Bauherren, Bauunternehmer, Handwerker und Architekten sind unter anderem in folgenden Bereichen mit dem privaten Baurecht befasst:

– Gestaltung und Prüfung von Bauverträgen nach BGB und VOB/B, sowie Architektenverträgen

– gerichtliche und außergerichtliche Vertretung bei Baumängeln und Gewährleistungsproblemen sowie Werklohn- oder Architektenhonorarstreitigkeiten

– Vertretung im Rahmen von Ansprüchen aus Baubehinderungen, Bauablaufstörungen und Vertragsstrafen

– Durchführung von selbständigen Beweisverfahren und Hilfe bei der Beweissicherung

Das private Baurecht mit seinen unzähligen Problemgestaltungen hat sich jenseits des übrigen Werkvertragrechts zu einer Spezialmaterie entwickelt, die für die Beteiligten ein nahezu unüberschaubares Konfliktpotential bietet. Daher ist im Rahmen von Baustreitigkeiten fundierte Rechtskenntnis erforderlich.

Unsere TiefbauRecht bringt die wichtigsten und aktuellsten Themen eines besonderen Rechtsgebiets im Rahmen des privaten Baurechts auf den Punkt:

Von der richtigen Ausschreibung über die korrekte Ausführung und Abrechnung bis hin zu Fragen von Schadensfällen und abweichenden Bodenbedingungen wird das komplette Spektrum des Tiefbaurechts betrachtet, systematisch aufgearbeitet und einschlägig erörtert. In Form von Beiträgen, Urteilsbesprechungen, Kommentierungen. Dabei liegt der Fokus zum einen auf einer griffig-praxisgerechten Herangehensweise, zum anderen auf den neuesten Entscheidungen des BGH und der Obergerichte.

Dabei bringen unsere Autoren ihre jahrelange Erfahrung aus Kautelar- und Prozesspraxis ein.

Wir wünschen gewinnbringende Lektüre.

Für Anregungen, Anmerkungen und Hinweise sind wir offen.

Ihre Redaktion

Fliesenleger muss für Staubschutz Sorge tragen

Fliesenleger muss für Staubschutz Sorge tragen

von Thomas Ax

Das Oberlandesgericht Bamberg hat die Verurteilung eines Fliesenlegers auf Schadensersatz bestätigt, der im laufenden Betrieb eines Modeladens dort Arbeiten durchführte und keinen Staubschutz aufstellte. Wegen der erheblichen Staubentwicklung, die der Fliesenleger nicht unterbunden und gegen die er keine Schutzmaßnahmen ergriffen hatte, sind sämtliche Textilien im Ladengeschäft durch Staub so verschmutzt, dass sie nicht mehr verkauft werden können. Die Ladeninhaberin macht den Warenschaden und den Schaden für ein Jahr Betriebsschließung, die zur Beweissicherung erforderlich gewesen sei, geltend. Das Oberlandesgericht weist die einen Schaden von Euro 50.000,00 übersteigende Klage zwar ab, da die Unternehmerin den Schaden nicht dargelegt und bewiesen hat. In Höhe der freiwillig bezahlten Euro 50.000,00 stellte das Oberlandesgericht aber fest, dass der Unternehmer verpflichtet ist, das Eigentum des Bestellers bei Durchführung der zur Vertragserfüllung erforderlichen Arbeiten vor vermeidbaren Schäden zu bewahren und geeignete Schutzvorkehrungen zu ergreifen. Das hat der Fliesenleger im vorliegenden Fall nicht getan, weshalb er zu Recht zu Schadensersatz verurteilt wurde. Eine von der Haftungsfrage zu unterscheidende Frage ist, ob der Fliesenleger, wenn er auf die Notwendigkeit von Staubschutzmaßnahmen hingewiesen hätte, hierfür eine zusätzliche Vergütung hätte verlangen können oder nicht. Da kommt es auf den Einzelfall an. Handwerker werden im Idealfall, wenn sie eine Ausschreibung für die Durchführung von Arbeiten im laufenden Betrieb bekommen, darauf hinweisen, sofern Schutzmaßnahmen nicht ausgeschrieben sind, dass diese notwendig sind, um die Ware zu schützen und nicht Bestandteil des Angebots sind.

OLG Bamberg, Beschluss vom 14.04.2021 – 3 U 319/20

OLG München zur Zuständigkeit bei Rechtsstreit um Verletzung von Schutz- und Verkehrssicherungspflichten im Rahmen eines Bauvertrags

OLG München zur Zuständigkeit bei Rechtsstreit um Verletzung von Schutz- und Verkehrssicherungspflichten im Rahmen eines Bauvertrags

vorgestellt von Thomas Ax

1. Bei Streitigkeiten aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Rahmen eines Bauvertrags handelt es sich auch um vertragliche Ansprüche „aus Bauvertrag’ im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a.F., für die der Spezialsenat zuständig ist. (Rn. 20)

2. Für die gesetzlich geregelte Zuständigkeit eines spezialisierten Spruchkörpers im Verhältnis zu einem nur im Turnus zuständigen allgemeinen Spruchkörper kommt es nicht darauf an, ob sich der Rechtsstreit im Schwerpunkt auf eine der gesetzlich definierten Spezialzuständigkeiten bezieht. (Rn. 41)

3. § 650a BGB erfasst nicht nur Verträge, bei denen die vom Unternehmer geschuldete Leistung das Gesamtvorhaben (Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder Umbau sowie Instandhaltung eines Bauwerks) betrifft, sondern auch solche Einzelverträge über Teilarbeiten, die eine substanzielle Mitwirkung am Gesamtvorhaben darstellen (hier bejaht für Einbau einer Blitzschutz- und Brandmeldeanlage, Notlichtanlage und Lautsprecheranlage im Rahmen der Komplettsanierung einer gemeindlichen Turnhalle). (Rn. 29)

4. Die in § 241 Abs. 2 BGB normierten Schutzpflichten decken sich zwar nach Inhalt und Umfang häufig mit den deliktischen Verkehrssicherungspflichten. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Schutzpflichten gerade aus der vertraglichen Verbundenheit der Parteien ergeben und von dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis abhängen. (Rn. 36)

5. Eine überlastungsbedingt längere Verfahrensdauer vor der Abgabe an den Spezialsenat (hier: ca. 1,5 Jahre) wirkt nicht zuständigkeitsbegründend. (Rn. 43)

Von § 119a Abs. 1 Nr. 2 GVG sollen alle Streitigkeiten über Ansprüche erfasst werden, die aus einem Rechtsverhältnis herrühren, in dem eine Partei eine Verpflichtung zur Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten übernommen hat; damit sollen insbesondere auch Bauverträge nach § 650a BGB umfasst sein. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

OLG München, Vorlagebeschluss vom 31.08.2020 – 8 U 1521/20

Gründe

I.

1
Der Kläger ist ein selbständig tätiger Elektriker. Mit seiner zum Landgericht Ingolstadt erhobenen Klage vom 20. Juli 2016 macht er Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend.

2
Die Beklagte ließ im Jahr 2013 die gemeindliche Turnhalle durch verschiedene Unternehmen sanieren. Den Kläger beauftragte die Beklagte mit Elektroarbeiten. Zur Durchführung dieser Arbeiten musste der Kläger das Dachgeschoss der Turnhalle betreten. Um ins Dachgeschoss zu gelangen, benutzte der Kläger die klappbare zweiteilige Treppe. Als der Kläger am 18. Januar 2013 diese Treppe hinabstieg, brach ein Kunststoffbolzen am Verbindungsbeschlag der beiden Treppenteile. Der untere Treppenteil schwang seitlich weg und der Kläger stürzte aus einer Höhe von ca. 1,5 m auf den Boden. Dadurch erlitt der Kläger verschiedene Verletzungen. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünden Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund der Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte zu. Diese sei im Rahmen des Vertragsverhältnisses verpflichtet gewesen, einen sicheren Zugang zum Dachgeschoss zur Durchführung der Arbeiten zu gewährleisten. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt. Sie hafte daher auch nach § 823 Abs. 1 BGB.

3
Das Landgericht Ingolstadt hat mit Endurteil vom 12. Februar 2020 die Klage abgewiesen. Nach der Einvernahme der Zeugen und der Erholung eines Sachverständigengutachtens sei ein Verschulden der Beklagten an dem Unfall nicht nachweisbar.

4
Dagegen richtet sich die am 17. März 2020 bei dem Oberlandesgericht München eingegangene Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Das Berufungsverfahren ist dem nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts München für das Jahr 2020 für Banksachen und Verfahren, die im Turnus verteilt werden, zuständigen 8. Zivilsenat als Turnussache zugewiesen worden.

5
Der Vorsitzende des 8. Zivilsenats hat mit Verfügung vom 11. November 2021 (BI. 286 f. d. A.) die Akte dem Vorsitzenden des 28. Zivilsenats mit der Bitte um Prüfung der Übernahme zugeleitet. Bei dem Verfahren handle es sich um eine Bausache im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG. Der Vertrag zwischen den Parteien sei als Bauvertrag zu qualifizieren. Es stünden nicht nur deliktische, sondern auch vertragliche Ansprüche im Raum. Aus § 241 Abs. 2 BGB träfen den Unternehmer auch Schutzpflichten zugunsten des Bestellers. Verkehrssicherungspflichten zwischen den Vertragspartnern seien zugleich Vertragspflichten. Der Vorsitzende des 28. Zivilsenats hat die Übernahme mit Verfügung vom 16. November 2021 (BI. 288 d. A.) abgelehnt. Der Schwerpunkt des Verfahrens liege eindeutig im deliktischen Bereich. Der behauptete Zusammenhang mit einer Bausache sei eher zufällig. Die deliktische Verantwortlichkeit zu prüfen sei nicht Sache eines Bausenats.

6
Der Vorsitzende des 8. Zivilsenats hat mit Verfügung vom 18. November 2021 (Bl. 289 ff. d. A.) die Parteien darauf hingewiesen, dass es sich um eine Bausache handle und der 8. Zivilsenat daher beabsichtige, sich durch Beschluss für unzuständig zu erklären. Falls der 28. Zivilsenat dies ebenso beschließe, werde der 8. Zivilsenat eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts herbeiführen. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 24. November 2021 (BI. 293 d. A.) erklärt, er stelle anheim, wie angeregt zu entscheiden. Die Beklagte hat keine Stellungnahme abgegeben.

7
Mit den Parteien formlos übersandten Beschluss vom 9. Dezember 2021 hat sich der 8. Zivilsenat für unzuständig erklärt und das Verfahren dem 28. Zivilsenat zur Übernahme vorgelegt (BI. 294 ff d.A). Der 28. Zivilsenat hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2021 (Bl. 300 ff. d. A.) die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Der Beschluss des 8. Zivilsenats sei nichtig, da sich dieser nicht selbst für unzuständig erklären könne. Die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten deliktischen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche seien keine Bausache. Unabhängig davon sei die Abgabe eines Verfahrens nahezu zwei Jahre nach dessen Eingang beim 8. Zivilsenat erkennbar von dem Willen getragen, sich eines unangenehmen Verfahrens zu entledigen. Die Übernahme des Verfahrens sei daher auch vor dem Hintergrund, dass die Parteien einen Anspruch auf eine angemessene und zügige Behandlung ihres Berufungsverfahrens hätten, abzulehnenDiesen Beschluss hat der 28. Zivilsenat den Parteien formlos zugeleitet. Der 8. Zivilsenat hat sodann am 16. Dezember 2021 (Bl. 304 ff d. A.) den Beschluss gefasst, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Zivilsenats dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorzulegen.

8
Der Kläger hat mitgeteilt, er halte beide von den Zivilsenaten vertretenen Rechtsansichten für vertretbar und stelle daher die Entscheidung in das Ermessen des Bayerischen Obersten Landesgericht. Die Beklagte hat von einer inhaltlichen Stellungnahme abgesehen.

II.

9
Auf die zulässige Vorlage des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München ist die funktionelle Zuständigkeit des nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts München für Streitigkeiten im Sinne von § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 28. April 2017 zuständigen Zivilsenats auszusprechen.

10
1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.

11
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Bestimmung des zuständigen Senats berufen:

12
Die Regelungen des § 36 ZPO gelten nicht nur für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, sondern sind entsprechend auf die Bestimmung der gesetzlich festgelegten funktionellen Zuständigkeit anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2003, X ARZ 175/03, BGHZ 156, 147 juris Rn. 10; Toussaint in BeckOKZPO, 43, Ed. Stand: 1. Dezember 2021, § 36 Rn. 36 u. 38.2; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 36 Rn. 3; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 4 u. 39; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6, Aufl. 2020, § 36 Rn. 5; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 36 Rn. 4; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. März 2014, X ARZ 664/13, NJW-RR 2014, 573 Rn, 5).

13
Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen zwei Spruchkörper eines Gerichts unterschiedlicher Auffassung darüber sind, ob die Voraussetzungen des S 72a GVG oder des § 119a GVG vorliegen (zu § 72a GVG: KG, Beschluss vom 14. März 2019, 2 AR 6/19, juris Rn. 4; Beschluss vom 22 März 2018, 2 AR 11/18. NJW-RR 2018, 639 Rn. 4 f., OLG München, Beschluss vom 7, Februar 2019, 34 AR 114/18, juris Rn. 9; OLG Hamburg, Beschl. v, 12. Oktober 2018, 6 AR 17/18, juris Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018, 1 AR 990/18, juris Rn. 23; OLG Frankfurt am Main, Beschl. V. 23. April 2018, 13 SV 6/18, juris Rn. 12; Feldmann in BeckOK GVG, 13. Ed. Stand 15. November 2021, § 72a an, 6a; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, S 72a Rn. 10; Lückemann in Zöller, ZPO, § 72a GVG 2; zu § 119a GVG: BayObLG, Beschluss. 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 22; Beschluss vom 24. Oktober 2019, I AR 118/19, juris Rn, 6; OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2019, 1 W 1/19, juris 5; OLG Bamberg, Beschluss vom 31. August 2018. 2 ZIV AR 2/18, NJW-RR 2018, 1386 Rn. 18; OLG Hamburg, Beschl. 6. August 2018, 6 AR 10/18, juris Rn. 9).

14
Nach § 119a Satz 1 GVG a. F. sind für die in den Nummern 1 bis 4 genannten Sachgebiete bei den Oberlandesgerichten ein oder mehrere Zivilsenate zu bilden, Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung, so dass die nähere Eingrenzung und Bestimmung der Spezialzuständigkeiten nicht den Präsidien der Gerichte obliegt (vgl. BT-Drs. 18/11437 S. 45 f.; BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 23; OLG Bamberg NJW-RR 2018, 1386 Leitsatz 1; Conrad-Graf in BeckOK GVG, § 119a Rn. 6; Lückemann in Zöller; ZPO, § 119a GVG Rn. 1 und § 72a GVG Rn. 2), Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags werden die Verfahren dem spezialisierten Spruchkörper zugewiesen (BT-Drs. 18/11437 S. 45), Gesetzlich vorgegeben wird dessen funktionelle Zuständigkeit (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 23; Feldmann in BeckOK GVG. § 72a Rn. 4).

15
Das für die beteiligten Senate des Oberlandesgerichts München zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist der Bundesgerichtshof, so dass gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht zur Entscheidung im Zuständigkeitsstreit berufen ist.

16
b) Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 36 Abs. I Nr. 6 ZPO liegen vor.

17
Die beteiligten Senate des Oberlandesgerichts München haben sich insbesondere rechtskräftig für unzuständig erklärt. Ausreichend dafür ist, dass die jeweilige endgültige Leugnung der eigenen Zuständigkeit in den Beschlüssen des 8. Zivilsenats vom 9. Dezember 2021 (BI. 294 ff. d. A.) und des 28. Zivilsenats vom 14. Dezember 2021 (BI. 300 ff. d. A.) eindeutig zum Ausdruck kommt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 26; Beschluss vom 24. Oktober 2019, 1 AR 118/19, juris Rn. 9; KG NJW-RR 2018, 639 Rn. 6) und diese den Parteien bekanntgegeben worden sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 26; Beschluss vom 24. Oktober 2019, 1 AR 118/19, juris Rn. 10; KG, Beschluss vom 14. März 2019, 2 AR 6/19, juris Rn. 6; NJW-RR 2018, 639 Rn. 6; OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2019, 1 W 1/19, juris Rn. 5; OLG München, Beschluss vom 7. Februar 2019, 34 AR 114/18, juris Rn. 10; OLG Hamburg, Beschluss vom 12. Oktober 2018, 6 AR 17/18, juris Rn. 10; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018, 1 AR 990/18, juris Rn. 26; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23. April 2018, 13 SV 6/18, juris Rn. 13).

18
Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um eine Streitigkeit im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 28. April 2017.

19
a) § 119a GVG findet Anwendung in der Fassung vom 28. April 2017.

20
Gemäß § 40a EGGVG sind auf Verfahren, die ab dem 1. Januar 2018 bis einschließlich 31. Dezember 2020 anhängig geworden sind, die §§ 72a und 119a GVG in der bis einschließlich 31. Dezember 2020 geltenden Fassung vom 28. April 2017 anzuwenden. Bezüglich § 119a GVG ist maßgeblich der Zeitpunkt des Anhängigwerdens beim Oberlandesgericht in der Rechtsmittelinstanz (Mayer in Kissel/Mayer, GVG, § 119a Rn. 2). Dabei ist der Spezialsenat für die nach dem 1. Januar 2018 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufungen und Beschwerden auch dann zuständig, wenn beim Landgericht (noch) die allgemeine Zivilkammer entschieden hat (Mayer a. a. O., § 119a Rn. 2). Denn § 119a GVG knüpft nicht formal an die Entscheidung der Vorinstanz an. Die Zuständigkeit der Spezialsenate richtet sich allein danach, ob eine Streitigkeit aus den Sachgebieten des § 119a Satz 1 Nr. 1 bis 4 GVG a. F. vorliegt (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 30; OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2019, 1 W 1/19, juris Rn. 6; Lückemann in Zöller; ZPO, § 119a GVG Rn. 2; Conrad-Graf in BeckOK GVG, § 119a Rn. 5). Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob bei Anhängigwerden des Verfahrens in erster Instanz § 72a GVG bereits Anwendung fand.

21
Vorliegend ist die Berufungsschrift am 17. März 2020 (BI. 943 d. A.), mithin vor dem 31. Dezember 2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen.

22
b) Das Verfahren betrifft Streitigkeiten aus einem Bauvertrag nach § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a.F.

23
aa) Mit der Auslegung des § 119a GVG a. F. wird eine Entscheidung über den gesetzlichen Richter getroffen. Die Auslegung hat sich daher möglichst nah am Wortlaut und am Willen des Gesetzgebers zu orientieren (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 32; vgl. Fischer in BeckOK ZPO, § 348 Rn. 16).

24
Nach der Gesetzesbegründung ist bei der Auslegung des § 119a Satz I Nr. 2 GVG das Begriffsverständnis nach § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. c) ZPO heranzuziehen (vgl. BT.-Drs. 18/11437 S. 45; BayObLG, Beschl. v, 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rnr. 33; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018, 1 AR 990/18, juris Rn. 28), Es sollen alle Streitigkeiten über Ansprüche erfasst werden, die aus einem Rechtsverhältnis herrühren, in dem eine Partei eine Verpflichtung zur Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten übernommen hat (ST-Drs. 1811 1437 S, 45). Damit sollen insbesondere auch Bauverträge nach § 650a BGB umfasst sein (BT-Drs. 18/11437 S. 45; Sacher in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 15 Rn. 11; Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 348 Rz. 52; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.12.2018, 11 SV 114/18, juris Rn. 25).

25
Nach § 650a Abs. 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Gemäß § 650a Abs. 2 BGB ist ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks dann ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist Zur Instandhaltung gehören alle objektbezogenen Maßnahmen, die der Erhaltung eines zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands des Objekts (Sollzustand) dienen (BT-Drs. 18/8486, S. 52 f.). Sind sie von wesentlicher Bedeutung für Konstruktion, Bestand oder bestimmungsgemäßen Gebrauch des Bauwerks, so fallen sie unter § 650a Abs. 2 BGB (Retzlaff in Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 650a Rn. 7; Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 650a Rn. 10; Voit in BeckOK BGB, 61. Ed. Stand: 1. Mai 2020, § 650a Rz. 9 ff.). Nicht geklärt ist bislang, ob Sanierungsmaßnahmen, mit denen eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik erreicht werden soll, als Wiederherstellung nach § 650a Abs. 1 BGB (so Kniffka in Kniffka/Koeble/JurgeleWSacher, Kompendium des Baurechts, Teil 2 Rn. 26) oder als Instandhaltung nach § 650a Abs. 2 BGB (so wohl Moufang/Koos in Messerschmidt/Voit. Privates Baurecht. 4. Aul. 2022, Teil l, J. Mängelrechte und Mängelansprüche Rn. 9; offen Schwenker in Ganten/Kindereit, Typische Baumängel, 3. Aufl. 2019, K „Sanierung von Bauwerken“ Rn 1 f.) zu qualifizieren sind.

26
Maßgebend ist – wie bei § 348 ZPO und § 13 GVG – der Vortrag der Klagepartei (BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 33; zu § 348 ZPO: Bartels in Stein/Jonas, ZPO, § 348 Rn. 18; Büscher in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 348 Rn. 44; Fischer in BeckOK ZPO, § 348 Rn. 16; Greger in Zöller, ZPO, § 348 Rn. 8; zu § 13 GVG: BGH, Beschluss vom 22. März 1976, GSZ 2/75, BGHZ 67, 81 [84, juris Rn. 28]; zu § 17a Abs. 6 GVG: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2011, 1-10 W 49/11 Juris Rn. 10).

27
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten als Bauvertrag im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. zu qualifizieren.

28
Die Beklagte ließ die 25 Jahre alte Turnhalle von Grund auf sanieren, unter anderem durch Austausch der Lüftungs- und Heizungsanlage, Wärmedämmung, Installation einer Notlichtanlage und einer Brandmeldeanlage. Der gesamte Auftrag über die Grundsanierung wäre nach obiger Definition unproblematisch als Bauvertrag nach § 650a Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zu qualifizieren. Es geht um Maßnahmen jedenfalls zur Instandhaltung des Bauwerks Turnhalle. Die Grundsanierung ist für den Bestand und den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Turnhalle von wesentlicher Bedeutung.

29
Der Kläger war indessen nach seinen eigenen Angaben in den Schriftsätzen vom 7. Dezember 2016 (S. 2, Bl. 45 d. A.) und vom 24. Mai 2017 (S. 2, Bl. 56 d. A.) sowie in seiner persönlichen Anhörung (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2017, S. 2, BI. 51 d. A.) nur damit beauftragt, den Blitzschutz mit Brandmeldeanlage in die Turnhalle einzubauen. Schalter zu versetzen, die Notlichtanlage sowie Leuchtmittel auszutauschen und eine Lautsprecheranlage in der Turnhalle zu installieren. Indessen erfüllen auch diese Arbeiten noch die Anforderungen des § 650a BGB. § 650a BGB erfasst nicht nur Verträge, bei denen die vom Unternehmer geschuldete Leistung das Gesamtvorhaben (Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder Umbau sowie Instandhaltung eines Bauwerks) betrifft, sondern auch solche Einzelverträge über Teilarbeiten bei denen eine substanzielle Mitwirkung am Gesamtvorhaben des § 650a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 BGB zu bejahen ist (Retzlaff in Grüneberg, BGB, § 650a Rn. 5; Voit in BeckOK BGB, § 650a Rn. 5). Vorliegend geht es um objektbezogene Sanierungsmaßnahmen, mit denen eine Anpassung an den aktuellen Stand der Technik erreicht werden soll und die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Turnhalle von wesentlicher Bedeutung sind. Eine gemeindliche Turnhalle ist auf die gleichzeitige Benutzung durch eine erhebliche Anzahl an Personen ausgerichtetFür eine sichere Nutzung zu diesem Zweck bedarf es eines Blitzschutzes mit Brandmeldeanlage, funktionsfähiger Schalter sowie einer Notlichtanlage. Da ferner eine gemeindliche Turnhalle üblicherweise auch für größere (Sport-) Veranstaltungen nutzbar sein soll, ist auch eine Lautsprecheranlage für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich.

30
cc) Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage – auch – vertragliche Ansprüche geltend.

31
Der Kläger führt in der Klageschrift (S. 14, Bl. 15 d. A.) aus, er habe einen Anspruch aufgrund einer Pflichtverletzung der Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Die Beklagte sei im Rahmen des Vertragsverhältnisses verpflichtet gewesen, einen sicheren Auf- und Abstieg zum Dachboden zur Durchführung der Arbeiten zu gewährleisten. Die Beklagte habe Verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie die Nottreppe auf den Dachboden für den Zugang durch Handwerker und für den Materialtransport eröffnet habe. Dies habe eine Überlastung der Treppe bedingt. Die dadurch entstandene Gefahr sei sowohl für die Beklagte als auch für den von ihr beauftragten Architekten von vornherein erkennbar gewesen. Ausgehend hiervon könnten dem Kläger gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB zustehen.

32
dd) Die vom Kläger geltend gemachten vertraglichen Ansprüche sind solche „aus Bauvertrag’ im Sinne des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a.F.

33
(1) In der Rechtsprechung ist soweit ersichtlich bislang nicht geklärt, ob vertragliche Ansprüche aus der Verletzung einer Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, die vom Unternehmer zu benutzenden Zugangsvorrichtungen verkehrssicher bereitzustellen und verkehrssicher zu halten, als Ansprüche aus Bauvertrag nach § 119a Satz I Nr. 2 GVG a. F. zu qualifizieren sind.

34
Soweit – zu § 72a Satz 1 Nr. 2 GVG – Entscheidungen ergangen sind, betrafen diese jeweils abweichende Sachverhalte. So entschied das Kammergericht, dass deliktische Ansprüche jedenfalls dann nicht von der Zuständigkeitsregelung umfasst seien, wenn daneben keine vertraglichen Ansprüche bestünden (KG, Beschluss vom 23. Juli 2018, 2 AR 32/18, NJW-RR 2018, 1405 Rn. 6; zustimmend Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, § 72a GVG Rz. 12). Ferner ist nach Ansicht des Kammergerichts ein Anspruch aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht unter § 72a Satz 1 Nr. 2 GVG zu subsumieren, wenn der Anspruch seine Grundlage allein im Vergaberecht habe, während die Besonderheiten des Bauvertrags für die Entstehung ohne Bedeutung seien (KG, Beschluss vom 18. Juni 2019, 2 AR 22/19, BeckRS 2019, 12700; zustimmend Pabst, a. a. O. Rn. 14; bezüglich § 348 ZPO: Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 348 Rz. 55). Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied (Beschluss vom 14. August 2019, 11 SV 34/19, juris Rn. 11), es neige dazu, vorvertragliche Ansprüche von der Zuständigkeitsbestimmung des § 72a Satz 1 Nr. 1 GVG umfasst zu sehen, soweit gerade hiermit Rechte und Pflichten bezogen auf Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten geltend gemacht würden. Noch weitergehend führt das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 1. November 2021, 1 AR 41/21, juris Rn. 15) aus, wenn Ansprüche der Klagepartei auf Bauverträgen beruhten, sei es für die Zuständigkeitsfrage ohne Belang, aus welchen Rechtsgrundlagen konkret sich die Ansprüche der Klagepartei ergäben. Das für die Entscheidung berufene Gericht habe den Sachverhalt nach sämtlichen Rechtsgründen zu beurteilen, unabhängig davon, ob sich diese etwa aus dem Vertrag selbst, aus dessen Schlechterfüllung, der Verletzung von vertraglichen Pflichten oder Nebenpflichten, aus den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung oder aus Delikt (streitig) ergäben. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock (Beschluss vom 17. Mai 2021, 2 UH 1/21, juris Rn. 4) soll § 72a Satz 1 Nr. 2 GVG nicht einschlägig sein, wenn es nur um die Wirksamkeit einer Vertragsklausel über ein Wettbewerbsverbot gehe, auch wenn diese Klausel in einem Bauvertrag enthalten sei.

35
(2) Nach Ansicht des Senats ist jedenfalls im vorliegenden Fall § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. einschlägig.

36
Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Regelung. Der Schadensersatzanspruch aus § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB stützt sich auf eine Verletzung vertraglicher Pflichten. Die in § 241 Abs. 2 BGB normierten Schutzpflichten decken sich nach Inhalt und Umfang häufig mit den deliktischen Verkehrssicherungspflichten. Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Schutzpflichten gerade aus der vertraglichen Verbundenheit der Parteien ergeben und im Umfang vom zugrundeliegenden Schuldverhältnis abhängen. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof betont, Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses stellten zugleich Vertragspflichten dar (BGH, Urt. v. 14. März 2013, III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 25).

37
Auch der Zweck der Zuständigkeitsregelung spricht für die Anwendbarkeit des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. Die Einrichtung spezialisierter Spruchkörper soll sicherstellen, dass innerhalb des Gerichts eine häufigere Befassung der entscheidenden Spruchkörper mit der fraglichen Materie eintritt, in den Spruchkörpern Spezialwissen aufgebaut wird und dies zu einer Qualitätssteigerung in der Bearbeitung führt (vgl. zu § 72a GVG BT-Drs. 18/11437 S. 44 f.). Für die Entscheidung von Fällen wie dem vorliegenden ist baurechtliches Spezialwissen von erheblicher Bedeutung. Es kommt darauf an, welchen Umfang und Inhalt Verkehrssicherungspflichten haben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erbringung der geschuldeten Bauleistung stehen. Es geht um die Frage, welche Risiken sich gerade bei der Durchführung der vertraglichen Bauleistung ergeben konnten, in welchem Ausmaß diese Gefahren für die Auftraggeberin vorhersehbar waren und inwieweit sie Vorbeugemaßnahmen ergreifen konnte und musste. Zudem stellt sich die Frage nach dem Kenntnisstand und Pflichtenkreis des von der Beklagten beauftragten Architekten und der Zurechnung eines Verschuldens des Architekten nach § 278 BGB an die Beklagte. Derartige Fragen können mit dem Spezialwissen eines Bausenats qualitativ besser und effektiver beurteilt werden als von einem allgemeinen Zivilsenat.

38
(3) Der Senat verkennt nicht, dass vorliegend auch deliktische Ansprüche etwa aus § 823 Abs. I BGB in Betracht kommen. Dies ändert aber nichts an der Einschlägigkeit des § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F.

39
Ob Rechtsstreitigkeiten, in denen keine vertraglichen, sondern nur deliktische Ansprüche inmitten stehen, unter § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. zu subsumieren sind, kann dahingestellt bleiben. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

40
Die Argumentation des Vorsitzenden des 28. Zivilsenats, der Schwerpunkt des Verfahrens liege im deliktischen Bereich, der Bausenat sei daher nicht zuständig, greift nicht durch, Unzutreffend ist bereits die Prämisse, der Schwerpunkt liege im deliktischen Bereich. Wie ausgeführt, macht der Kläger auch vertragliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend. Diese sind vorrangig vor den deliktischen Ansprüchen zu prüfenInsbesondere trägt der Kläger vor, der Architekt habe schuldhaft Pflichten verletzt. Hierfür hafte die Beklagte. Insoweit wäre eine Zurechnung über § 278 BGB für den Kläger deutlich günstiger als die im Deliktsrecht denkbare Haftung der Beklagten aus § 831 BGB.

41
Zudem kommt es für die gesetzlich geregelte Zuständigkeit eines spezialisierten Spruchkörpers im Verhältnis zu einem nur im Turnus zuständigen allgemeinen Spruchkörper nicht darauf an, Ob sich der Rechtsstreit im Schwerpunkt auf eine der gesetzlich definierten Spezialzuständigkeiten bezieht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 33 ff.). Weder der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Gesetzentwurf zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung (BT-Drs, 18/11437) noch der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 19/13898) lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen dass die spezialisierten Spruchkörper nur zuständig sind, wenn der Schwerpunkt des Rechtsstreits auf einem der gesetzlich definierten Sachgebiete liegt. Zu § 72a GVG wird vielmehr ausgeführt, dass die Spezialkammern „in den gesetzlich definierten Sachgebieten an die Stelle der nach den §§ 71, 72 GVG sachlich zuständigen allgemeinen Zivilkammern“ treten (BT-Drs. 18/11437 S. 45). Eine teleologische Reduktion ist nicht möglich (ausführlich BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 40 ff.).

42
(4) Unbehelflich ist das Argument des 28. Zivilsenats, der behauptete Zusammenhang mit einer Bausache sei „eher zufällig“. Wie ausgeführt, macht der Kläger auch vertragliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag geltend. Von einem nur „zufälligen“ Zusammenhang kann mithin nicht die Rede sein.

43
(5) Der Zuweisung an den nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts München für Streitigkeiten im Sinne von § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. zuständigen Zivilsenat steht ferner nicht entgegen. dass das Verfahren bereits zwei Jahre beim 8. Zivilsenat anhängig ist und die Zuweisung an einen anderen Senat absehbar eine weitere Verfahrensverzögerung bedingt. Vorliegend geht es um die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. I Satz 2 GG. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn die gesetzlich bestimmte Zuständigkeit eines Senats nach § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG a. F. sich umgehen ließe, indem ein unzuständiger Senat das bei ihm anhängige Verfahren über einen längeren Zeitraum nicht bearbeitete. Eine zuständigkeitsbegründende Wirkung allein der Verfahrensdauer lässt sich der gesetzlichen Regelung in § 119a Satz I GVG a, F. nicht entnehmen. Noch weniger können bloße Zweckmäßigkeitserwägungen im Einzelfall dazu führen, die gesetzlich geregelte Zuständigkeit des Spezialspruchkörpers zu verneinen (BayObLG, Beschluss vom 154 September 2020, 101 AR 99/20, juris Rn. 44).

44
Zutreffend weist der 28. Zivilsenat allerdings darauf hin, dass die Parteien einen – verfassungsrechtlich gewährleisteten – Anspruch auf eine angemessen zügige Bearbeitung des Verfahrens auch in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten haben. Aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG ergibt sich die Pflicht der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009, BvR 2662/06, NJW-RR 2010, 207 Rn. 20; Beschluss vom 16. Mai 1995, 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1 113, juris Rn, 281 Beschl. 16. Dezember 1980, 2 BvR 419/80, BVerfGE 55, 349 [369, juris Rn. 42]). Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist dabei nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls zu bestimmen, allgemeingültige Zeitvorgaben gibt es nicht (BVerfG NJW-RR 2010, 207 Rn. 20; BVerfGE 55, 349 [369, juris Rn. 42]). Sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, muss das Gericht hierfür zwangsläufig eine Reihenfolge festlegen (BVerfG NJW-RR 2010, 207 Rn. 20; BVerfGE 55, 349 [369, juris Rn. 421). Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache für die Parteien (BVerfG NJW-RR 2010, 207 Rn. 20).

45
Gemessen an diesen Grundsätzen ist vorliegend auch bei einer Zuweisung an einen anderen Senat kein verfassungsrechtlich relevanter Verstoß gegen den Anspruch der Parteien auf eine angemessen zügige Bearbeitung zu befürchten, Die bisherige Bearbeitungsdauer des seit Juli 2016 anhängigen Verfahrens ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass das Landgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt und mehrere Zeugen vernommen hat. Andererseits hat der 8. Senat auf die erhebliche Arbeitsbelastung infolge der Vielzahl an Dieselverfahren und die dadurch bedingte Verzögerung in der Bearbeitung des Berufungsverfahrens verwiesen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass allein die durch die Zuweisung an einen anderen Senat absehbar zu erwartende weitere Verzögerung im Verhältnis zur Gesamtdauer des Verfahrens von untergeordneter Bedeutung erscheint. Zum einen hat der 8. Senat noch keine prozessualen Maßnahmen getroffen, die einer Wiederholung durch den Spezialspruchkörper bedürften. Zum anderen ist gerade von einem Spezialspruchkörper aufgrund des dort vorhandenen Spezialwissens eine beschleunigte Bearbeitung des Verfahrens zu erwarten Keiner Entscheidung bedarf daher, ob die Gefahr einer relevanten erheblichen Verfahrensverzögerung, wie etwa die Notwendigkeit, eine umfangreiche Beweisaufnahme zu wiederholen, die Zuweisung des Verfahrens an den gesetzlich bestimmten Spruchkörper überhaupt zu hindern vermöchte.

Kurz belichtet: Architekt muss prüfen, ob der Tragwerksplaner die Bewehrungsarbeiten überwacht

Kurz belichtet: Architekt muss prüfen, ob der Tragwerksplaner die Bewehrungsarbeiten überwacht

von Thomas Ax

Der Architekt ist im Rahmen der geschuldeten Baukoordination über die zeitlich und fachliche Abstimmung der Gewerke in ökonomischer Hinsicht hinaus verpflichtet, nachzuprüfen, ob der Fachplaner seinen Pflichten zur Bauüberwachung nachkommt bzw. nachgekommen ist, und gegebenenfalls auch, die entsprechenden Maßnahmen zu veranlassen. Insbesondere in sensiblen Bereichen hat der Architekt die Bauabläufe so zu koordinieren, dass die dort tätigen Handwerker durch Sonderfachleute überwacht werden und die handwerkliche Leistung in technischer Hinsicht überprüft wird. Bei der Bewehrung handelt es sich allgemein um eine schwierige bzw. gefährliche Arbeit. Der Auftragnehmer muss Planung und Ausführung daraufhin überprüfen, ob seine Leistung zum geschuldeten Werkerfolg führt; erkennt er bzw. ist es für ihn erkennbar, dass die Planung des Auftraggebers unzureichend ist, muss er diesen darauf hinweisen. Die Prüf- und Hinweispflichten gebieten es in der Regel nicht, dass der Auftragnehmer die seiner Werkleistung nachfolgenden Arbeiten beobachtet und den Auftraggeber auf zu erwartende bzw. bereits aufgetretene Mängel aufmerksam macht. Der Auftragnehmer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Nachunternehmer oder der in Eigenleistung tätig werdende Auftraggeber selbst die erforderlichen Kenntnisse besitzen und die anerkannten Regeln der Bautechnik einhalten.

OLG Oldenburg, Urteil vom 24.03.2022 – 14 U 50/17

Kurz belichtet: Werklohn wird teilweise “schwarz” bezahlt: Besteller verliert sämtliche Mängelansprüche

Kurz belichtet: Werklohn wird teilweise "schwarz" bezahlt: Besteller verliert sämtliche Mängelansprüche

von Thomas Ax

Die Verletzung steuerlicher Pflichten ist eine Form der Schwarzarbeit und führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des geschlossenen Werk- oder Bauvertrags, wenn der Unternehmer vorsätzlich handelt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Mängelansprüche des Bestellers bestehen in diesem Fall grundsätzlich nicht (Anschluss an BGH, IBR 2013, 609). Ein Werk- oder Bauvertrag ist insbesondere im Fall der Entlohnung eines selbstständigen Handwerkers durch den Besteller ohne Rechnungsstellung wegen Schwarzarbeit nichtig, da dieses Vorgehen einen Verstoß des Unternehmers gegen seine steuerrechtliche Erklärungs-, Anmeldungs- und Rechnungsstellungspflicht begründet. Letztere gilt auch für Abschlagszahlungen. An dem Umstand, dass eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führt, ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn sich die Absicht einer Verletzung steuerlicher Verpflichtungen lediglich auf einen Teil des Werklohns bezieht.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2021 – 2 U 63/20

Kurz belichtet: Wer in Flughafennähe baut, muss mit Kerosin-Belastung rechnen

Kurz belichtet: Wer in Flughafennähe baut, muss mit Kerosin-Belastung rechnen

von Thomas Ax

Haben die Parteien eines Bauvertrags eine Vergilbungsfestigkeit für die Dauer von 10 Jahren vereinbart, muss diese Beschaffenheit gerade auch bei einer vertragsgemäßen Nutzung des Werks durch den Auftraggeber eingehalten werden. Setzt der Auftraggeber das vom Auftragnehmer errichtete Werk Belastungen aus, mit denen der Auftragnehmer bei Abschluss des Vertrags nicht zu rechnen brauchte, und führen diese Belastungen zu Vergilbungen, Verfärbungen oder Versprödungen, stehen dem Auftraggeber keine Mängelrechte zu. Hat der Auftragnehmer die in der Nähe eines Flughafens liegende Baustelle vor Vertragsschluss besichtigt, kann er gegenüber den Mängelansprüchen des Auftraggebers nicht einwenden, seine Leistung sei durch Kerosinbestandteile in der Luft geschädigt worden.

OLG Stuttgart, Urteil vom 28.01.2020 – 10 U 47/19

VergMan ® – Planungs- und Bauprojekte (2) – Schätzung des Auftragswerts

VergMan ® - Planungs- und Bauprojekte (2) - Schätzung des Auftragswerts

Schätzung des Auftragswerts
Um Vergabeverfahren korrekt durchführen zu können, muss der öffentliche Auftraggeber im Vorfeld den Wert des zu vergebenden Auftrags ermitteln. Anhand des geschätzten Auftragswerts entscheidet sich, ob ein europaweites Vergabeverfahren durchzuführen ist oder nicht. Erreicht bzw. überschreitet der Auftragswert den Schwellenwert, ist die VgV anzuwenden und der Auftrag europaweit auszuschreiben. Der Schwellenwert für Planungsleistungen beträgt seit dem 01.01.2021 215.000 Euro (netto), bei Aufträgen von obersten und oberen Bundesbehörden 140.000 Euro (netto).

Beinhaltete Kosten
Der Auftragswert umfasst insbesondere folgende Kosten (ohne Mehrwertsteuer) (§ 3 Abs. 1 VgV):
— geschätztes Gesamthonorar für die zu vergebende Planungsleistung (einschließlich des Auftrags vorausgegangener und nachfolgender Aufträge, wie Machbarkeitsstudie, isolierte Beauftragung der Bauüberwachung etc.)
— Nebenkosten, die in § 14 HOAI (2021) näher definiert sind (z.B. Versandkosten, bestimmte Fahrtkosten)
— etwaige Optionen (z.B. Stufenbeauftragung oder besondere Leistungen)
— bei Planungswettbewerben auch: Prämien oder Zahlungen an die Teilnehmer (Preisgelder, Bearbeitungshonorar etc.)

HOAI (2021) als Berechnungsgrundlage
Am 01.01.2021 ist eine neue HOAI in Kraft getreten, die die bisherige HOAI 2013 ablöst. Anlass und Grund für die Änderung der HOAI war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 04.07.2019 (C-377/17), wonach die bisherige Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze gegen Europarecht verstößt. Mit dieser Feststellung war die Bundesregierung verpflichtet, die HOAI anzupassen. Dafür mussten nicht nur die HOAI selbst, sondern auch das ihr zugrunde liegende Ingenieur- und Architektenleistungsgesetz (ArchLG) geändert werden.

Nach der neuen HOAI (2021) können für die Ermittlung des Auftragswertes für Planungsleistungen weiterhin die (unveränderten) Berechnungsparameter und Honorartabellen der HOAI als Orientierungsgrundlage herangezogen werden. Honorarbestandteile, die nicht in den Honorartabellen der HOAI enthalten sind (besondere Leistungen, Nebenkosten etc.), sind auf Grundlage von Erfahrungswerten zu schätzen.

Der EuGH hat in seinem Urteil entschieden, dass eine verbindliche Festschreibung von Mindest- und Höchstsätzen durch den Gesetzgeber gegen EU-Recht verstößt, dass Mindestsätze nach Auffassung des Gerichts aber grundsätzlich geeignet sein können, die Qualität von Planungsleistungen in Deutschland zu sichern. Die weitere Geltung und Anwendung der HOAI als unverbindliche Honorarempfehlung und Orientierung lässt der EuGH insoweit ausdrücklich zu. Sie kann daher weiterhin zur Ermittlung des Auftragswertes dienen, zumal § 1 Satz 2 ArchLG vorsieht, dass bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Ermittlung angemessener Honorare den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen ist.

Getrennte Ermittlung ungleichartiger Tätigkeitsbereiche
In der VgV ist klargestellt, dass bei Planungsleistungen nur gleichartige Leistungen zusammenzurechnen sind (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgV). 3 Das heißt, mindestens Einzelaufträge einer Objektplanung (zum Beispiel die getrennte Vergabe der Leistungsphasen 1 bis 5 und der Leistungsphasen 6 bis 9) sind zu addieren, aus unserer Sicht im Zweifel auch die verschiedenen Fachplanungen (Tragwerksplanung, technische Ausrüstung) zu einem Bauprojekt.

Dokumentationspflicht
Ein Verstoß gegen die Regelung zur Schätzung des Auftragswerts kann zur Überprüfung der Vergabe im Wege des vergaberechtlichen Rechtsschutzes und bei geförderten Maßnahmen zur (teilweisen) Rückforderung von Zuwendungen führen. Daher muss der Auftraggeber den Auftragswert gewissenhaft und sachgerecht ermitteln. Die Schätzung ist objektiv nachvollziehbar und anhand der maßgeblichen Vorschriften vorzunehmen und zu dokumentieren.

VergMan ® – Planungs- und Bauprojekte (1) – Solide Projekt- und Verfahrensvorbereitung

VergMan ® - Planungs- und Bauprojekte (1) - Solide Projekt- und Verfahrensvorbereitung

Solide Projekt- und Verfahrensvorbereitung

Eine sorgfältige, umfassende und mit allen Beteiligten gut abgestimmte Projektvorbereitung ist die Grundvoraussetzung für das Gelingen eines Planungs- und Bauprojekts. Ziel ist, ein inhaltlich belastbares Konzept für das Bauvorhaben zu entwickeln. Bereits im Vergabeverfahren ist die gute Projektvorbereitung wesentliche Voraussetzung für eine zielgenaue Angebotserstellung durch Architekten.

Werden die Vorgaben des Auftraggebers im Vorfeld der Planung nicht genau ermittelt, sind Fehlplanungen vorprogrammiert, die später nur unter Aufwendung hoher Planungs und Baukosten revidiert werden können. Eine sorgfältige Projektvorbereitung mit dem entsprechenden Einsatz an Kompetenzen, Finanzen und Zeit sichert also Qualität und Wirtschaftlichkeit der Planung, der Investition und auch der späteren Nutzung. Entsprechend hat sich bewährt, die Bauaufgabe vor Vergabe der Planungsleistungen detailliert zu klären und präzise zu formulieren. Zentral ist in dieser Phase (auch als „Phase Null“ bezeichnet) das Festlegen der Ziele und Anforderungen, die das Projekt erfüllen muss (Bedarfsanalyse). Weiterhin sind der Bestand und die Anforderungen an den Standort zu erfassen.

Mit einer städtebaulichen Machbarkeitsstudie bzw. Baumassenstudie (Testentwurf) lässt sich überprüfen, ob das Vorhaben am vorgesehenen Ort technisch, funktional, städtebaulich, wirtschaftlich und rechtlich realisierbar ist. Auf Basis dieser Ergebnisse kann fachübergreifend und möglichst unter Einbeziehung aller Beteiligten (künftige Nutzer, Bürger, Politik und Verwaltung) die konkrete Aufgabenstellung für das Vergabeverfahren formuliert werden.

Das Vergabeverfahren ist darauf aufbauend vorzubereiten.