Ax Vergaberecht

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Symposium Vergaberecht im Bildungszentrum der Bundeswehr

Symposium Vergaberecht im Bildungszentrum der Bundeswehr vom 15.05.-17.05.2023 

Referent: Dr. Thomas Ax

Wann? 16.05.2023

09.15 Uhr „Inhalt und Grenzen von Anforderungen zur Versorgungssicherheit nach § 8 VSVgV“

13.45 Uhr „Inhaltliche Anforderungen an ein Schreiben nach § 134 GWB“

Ob Panzer, Computer oder Bekleidung: Damit die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllen kann, braucht sie die entsprechende Ausrüstung. Zuständig ist gemäß Art. 87b des Grundgesetzes die Bundeswehrverwaltung. Um die Bundeswehr mit leistungsfähigem und sicherem Gerät auszustatten, werden von zivilen Dienststellen der Bundeswehrverwaltung Aufträge an Industrie, Handel und Gewerbe vergeben. Im Entscheidungsprozess müssen alle Beteiligten zahlreiche vergaberechtliche Vorschriften beachten.

Sonderausgabe
Das aktuelle Begleitheft zum Symposium am 16.05.2023

Kurz belichtet: Vermutungen ohne Anknüpfungstatsachen = Rüge „ins Blaue hinein“

Kurz belichtet: Vermutungen ohne Anknüpfungstatsachen = Rüge „ins Blaue hinein“

1. Weist der Auftraggeber fristgemäße Rügen nach § 160 Abs. 3 GWB zurück und schafft keine Abhilfe, so muss innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB der Nachprüfungsantrag gestellt werden.

2. Eine unzulässige Rüge “ins Blaue hinein” liegt vor, wenn der Antragsteller keine tatsächlichen Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorträgt, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus.

3. Ist ein Angebot aufgrund fehlender Eignungsnachweise zwingend nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A 2019 auszuschließen, kommt es nicht darauf an, ob weitere Unterlagen form- und fristgerecht eingereicht wurden.

4. Der Anspruch auf Akteneinsicht umfasst nur die Unterlagen, die zur Durchsetzung des subjektiven Rechts des Verfahrensbeteiligten auch erforderlich sind. Sind Teile der Anträge des Antragstellers mangels ausreichender Rügen unzulässig, beschränkt sich das Akteneinsichtsrecht auf die für die Zulässigkeitsfrage entscheidungsrelevanten Aktenteile.

Kurz belichtet: Keine Chance auf den Zuschlag: Nachprüfungsantrag erfolglos

Kurz belichtet: Keine Chance auf den Zuschlag: Nachprüfungsantrag erfolglos

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.08.2022 – 3 VK 8/22

1. Ein Nachprüfungsantrag ist nur begründet, wenn neben einer Rechtsverletzung zusätzlich eine zumindest nicht ausschließbare Beeinträchtigung der Auftragschancen festgestellt werden kann. Kann sicher ausgeschlossen werden, dass sich ein festgestellter Vergabeverstoß auf die Auftragschancen des Antragstellers ursächlich ausgewirkt haben kann, bedarf es eines Eingreifens der Nachprüfungsinstanzen nicht.

2. Der Befund eines fehlenden Schadens stimmt überein mit der Feststellung eines fehlenden Rechtsschutzinteresses. Dieses besteht nur, wenn der gerügte Sachverhalt eine Verschlechterung der Zuschlagschancen mit sich bringt.

3. Offensichtliche Unbegründetheit liegt vor, wenn der Antrag unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg bietet. Davon ist auszugehen, wenn der Vergabekammer nach Prüfung der Sach- und Rechtslage die Abweisung eines Antrags unzweifelhaft erscheint.

Kurz belichtet: Einschätzung der Referenzgeber muss nicht überprüft werden

Kurz belichtet: Einschätzung der Referenzgeber muss nicht überprüft werden

VK Rheinland, Beschluss vom 27.03.2023 – VK 1/23

1. Bei der materiellen Eignungsprüfung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

2. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, durch eigene Ermittlungen die Einschätzung der Referenzgeber zu überprüfen.

3. Bei der Bemessung der gebotenen Prüftiefe und des zu verlangenden Grades an Erkenntnissicherheit bestehen Zumutbarkeitsgrenzen. Der öffentliche Auftraggeber hat auch hinsichtlich der Tiefe der Eignungsprüfung einen Beurteilungsspielraum.

Kurz belichtet: Keine automatische Verlängerung von Konzessionen

Kurz belichtet: Keine automatische Verlängerung von Konzessionen

EuGH, Urteil vom 20.04.2023 – Rs. C-348/22

1. Art. 12 Abs. 1, 2 Richtlinie 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass er nicht nur auf ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweisende Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer anwendbar ist.

2. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Knappheit der natürlichen Ressourcen und der zur Verfügung stehenden Konzessionen in Kombination eines abstrakt-generellen Ansatzes auf nationaler Ebene und eines einzelfallbasierten, auf einer Analyse des Küstengebiets der betreffenden Gemeinde beruhenden Ansatzes beurteilt wird.

3. Art. 12 Abs. 1, 2 der Richtlinie 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass er die Pflicht der Mitgliedstaaten, ein neutrales und transparentes Verfahren zur Auswahl der Bewerber anzuwenden, sowie das Verbot, eine für eine bestimmte Tätigkeit erteilte Genehmigung automatisch zu verlängern, unbedingt und derart hinreichend genau definiert, dass davon ausgegangen werden kann, dass ihnen unmittelbare Wirkung zukommt.

4. Art. 288 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Beurteilung der unmittelbaren Wirkung der Pflicht und des Verbots, die in Art. 12 Abs. 1 und 2 Richtlinie 2006/123/EG vorgesehen sind, sowie die Pflicht, entgegenstehende nationale Vorschriften unangewendet zu lassen, den nationalen Gerichten und den Verwaltungsbehörden einschließlich der kommunalen obliegen.

Kurz belichtet: Ausschluss wegen Schlechtleistung setzt Anhörung des Bieters voraus

Kurz belichtet: Ausschluss wegen Schlechtleistung setzt Anhörung des Bieters voraus

VK Sachsen, Beschluss vom 04.08.2022 – 1/SVK/013-22

1. Es ist für einen Ausschluss wegen vorangegangener Schlechtleistung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausreichend, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basieren und die die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen lassen.

2. Nachvollziehbar ist der Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB dann, wenn eine hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es tatsächlich zu einer entsprechenden Pflichtverletzung gekommen ist und der Auftraggeber ein Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung oder einen Anspruch auf Schadensersatz oder vergleichbare Sanktionen aufgrund der Pflichtverletzung hat.

3. Vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist der Auftraggeber verpflichtet, das betreffende Unternehmen anzuhören, damit dieses die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen.

4. Eine freie Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B kann nicht als vorzeitige Beendigung i.S.d. § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A 2019 herangezogen werden.

OLG Düsseldorf zur Frage, ob einem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits bei Angebotsabgabe oder Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen müssen

OLG Düsseldorf zur Frage, ob einem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits bei Angebotsabgabe oder Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen müssen

vorgestellt von Thomas Ax

Grundsätzlich ist nicht erforderlich, dass einem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits bei Angebotsabgabe oder Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen. Der Auftragnehmer muss, sofern sich der öffentliche Auftraggeber nicht in der Bekanntmachung einen anderen Zeitpunkt vorbehält, in der Regel erst zum Leistungsbeginn über diese Mittel verfügen. Aus den Vergabeunterlagen muss sich mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit ergeben, wenn der öffentliche Auftraggeber ausnahmsweise abweichend vom Regelfall fordert, dass die erforderlichen Mittel nicht erst zu Vertragsbeginn, sondern bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein müssen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.02.2023 – Verg 17/22

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Beschwerde den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen, nachdem die Vergabekammer die Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen untersagt, die Beigeladene aber nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, sondern der Antragsgegnerin die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens aufgegeben hatte. Die Beigeladene begehrt mit ihrer Beschwerde die Gestattung des Zuschlags auf ihr Angebot.

Mit Bekanntmachung vom 01.10.2021 schrieb die Antragsgegnerin im offenen Verfahren Nassbaggerarbeiten im Wasserinjektionsverfahren aus (Anlage Ast 1 Vergabekammerakte). Mit Bekanntmachung vom ### wurde der Schlusstermin für die Abgabe der Angebote berichtigt, so dass Angebote bis zum 05.11.2021 – statt zum 28.10.2021 – abgegeben werden konnten.

Die Laufzeit des Vertrags sollte am 01.02.2022 beginnen und am 31.01.2024 enden, wobei beabsichtigt war, die Bauleistung für weitere zwölf Monate gemäß § 3 EU Abs. 3 VOB/A i.V.m. § 3a EU Abs. 3 Nr. 5 VOB/A im Rahmen des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb an den Auftragnehmer zu vergeben, dem der Zuschlag erteilt wurde (Ziff. II.2.7. der Bekanntmachung). Die Ausschreibung erfolgte in zwei Losen.

Streitgegenständlich ist vorliegend die Vergabe zu Los 1. Betreffend Los 1 ist grundsätzlich der tägliche Einsatz eines WI-Gerätes über die Vertragslaufzeit vorgesehen. Darüber hinaus ist zeitgleich auf Abruf für insgesamt 16 Wochen ein zweites WI-Gerät zur Verfügung zu stellen (Ziff. II. 1.4 und Ziff. 2.II.4 der Bekanntmachung). In Ziff. I.11.4 der Bekanntmachung heißt es hierzu:

Grundsätzlich ist ein täglicher Einsatz eines WI-Gerätes über die Vertragslaufzeit vorgesehen. Darüber hinaus ist vorgesehen, ein zweites WI-Gerät zeitgleich für einen Zeitraum von gesamt ca. 16 Wochen bei einer durchschnittlichen Baggertragesleistung in unterschiedlichen Einsatzgebieten einzusetzen. Der Abruf dieser Leistung kann in ca. 4 Kampagnen erfolgen.

Nach 3.3.1 der Baubeschreibung soll die Terminierung zum Einsatz des Zweitgeräts für Los 1 in Abstimmung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeberin vorgenommen werden. Der Beginn einer Kampagne mit dem Zweigerät wird durch die Antragsgegnerin mindestens zehn Tage vor Einsatzbeginn angekündigt. Die vier Kampagnen sollen voraussichtlich in den ersten zwölf Monaten der Vertragslaufzeit abgerufen werden.

Gemäß dem “Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweisen)” waren gemäß Ziff. 1.4 – auf den auch in dem Formblatt “Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes” unter C Bezug genommen wird – als sonstige Unterlagen vorzulegen:

“…

– Gerätebeschreibung mit technischen Datenblättern, Angaben zur Pumptechnik, und

– Bildaufnahmen



– Schiffsdokumente zur Plausibilisierung mit möglichen Erläuterungen

– zur vorgenannten unterlagen siehe auch Dokument “Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern”

In Ziff. III.1.3 der Bekanntmachung verwies die Antragsgegnerin zur Auflistung und Beschreibung der Eignungskriterien betreffend die technische und berufliche Leistungsfähigkeit auf das unmittelbar aktiv verlinkte Formblatt “Eigenerklärung zur Eignung”
(Formblatt 333b-B). Dort heißt es auf Seite 6:

“Zum Nachweis der notwendigen technischen Kenntnisse der ausgeschriebenen Leistung sind folg. auftragsbezogene Angaben (Einzelnachweise) erforderlich:


Für Los 1 und Los 2:

Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit ist vom Bieter/Bietergemeinschaft zu erklären, über welche Geräte der Bieter/ die Bietergemeinschaft für die Ausführung der Nassbaggerarbeiten verfügt (Erklärung).

Dazu ist das Blatt 1 “Allgemeine Angaben zum angebotenen Gerät” für jedes angebotene und verfügbare Gerät ausgefüllt mit dem Angebot abzugeben.



Nur für Los 1:

Zusätzlich ist nur für Los 1 zum erfolgreichen Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen die Verfügbarkeit gemäß vorgenannter Nachweise zu erklären.

Siehe hierzu auch das Dokument “Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern”

Das Formblatt “Eigenerklärung zur Eignung” enthält in der Überschrift den folgenden Zusatz:

“(vom Bieter, bei Bietergemeinschaft von jedem Mitglied auszufüllen, der/das nicht präqualifiziert ist bzw. keine EEE abgibt und im Falle der Eignungsleihe … )“,

Auf Bieterfragen stellte die Antragsgegnerin mit Bieterschreiben 01 vom 07.10.2021 klar, dass das Formblatt zum einen die unternehmensbezogenen und auftragsbezogenen Eignungskriterien aufliste und zum anderen der Nachweisführung der unternehmensbezogenen Eignungskriterien diene, sofern ein Bieter nicht präqualifiziert sei. Die Nachweisführung der auftragsbezogenen Eignungskriterien erfolge durch Vorlage der konkret im Formblatt 333b-B genannten Einzelnachweise.

In den “Hinweisen zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“, auf die in der “Eigenerklärung zur Eignung” Bezug genommen wird, heißt es unter Ziff. 2 weiter (vgl. S. 6):

Ein Bieter/Bietergemeinschaft ist geeignet, wenn er im Einzelnen die zur ordnungsgemäßen Ausführung dieses öffentlichen Auftrags festgelegten unternehmens- und auftragsbezogenen Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt.

Die Nachweisführung erfolgt durch Präqualifikation und/oder Eigenerklärungen (unternehmensbezogen; a1), b1). c1)) und der geforderten Einzelnachweise (auftragsbezogen; a2), b2)).

Zu den auftragsbezogenen Eignungskriterien heißt es weiter (vgl. S. 8).

“b2) Auftragsbezogenen Angaben zum Nachweis über die Verfügbarkeit von notwendigen Personal und Gerät für die fach- und fristgerechte Ausführung der ausgeschriebenen Leistung (Einzelnachweis)

auftragsbezogenes Eignungskriterien

Los 1 und Los 2: Weiter ist zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gemäß § 6a EU Abs. 3 h) VOB/A ist vom Bieter/ Bietergemeinschaft zu erklären, über welche

Geräte der Bieter/ die Bietergemeinschaft für die Nassbaggerarbeiten verfügt.

Dazu ist das Blatt 1 “Allgemeine Angaben zum angebotenen Gerät” für jedes angebotene und

verfügbare Gerät ausgefüllt mit dem Angebot abzugeben.



Die Angaben in den Blättern 1 und 2 werden durch die vorzulegenden Schiffspapiere für die angebotenen WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen stichprobenartig plausibilisiert. Angebotene Geräte, für die keine gültigen Schiffsdokumente mit Angebotsabgabe vorliegen, werden vom Angebot ausgeschlossen, wenn nicht innerhalb von 6 Kalendertagen nach Aufforderung durch die Vergabestelle gültige Dokumente nachgereicht werden (siehe auch Punkt 4).



Los 1: Zusätzlich ist nur für Los 1 zum erfolgreichen Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen die Verfügbarkeit gemäß vorgenannter Nachweise zu erklären.

Weiter heißt es unter dem Punkt Ziff. 2.1 (S. 9-10):

Ausfüllungshinweise zu Blatt 1 Allgemeine Angaben zum angebotenen Gerät



– Zeile 18-20

In den Zeilen 15-17 sind die in den Zeugnissen geprüften Geometrien anzugeben. In der Regel sind die Angaben dem Schiffsmessbrief oder gleichwertig zu entnehmen.

Unter Ziff. 4 der “Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern” heißt es weiter (S. 17):

“Unterlagen zur Plausibilisierung (Bescheinigung)

Zur Plausibilisierung von geometrischen Angaben sind für jede angebotene Einheit als selbständiges WI-Gerät bzw. als Einheit einer WI-Gerätekombination folgende Dokumente (Bescheinigungen) beizubringen:

– Internationaler Schiffsmessbrief/ Nationaler Schiffsmessbrief (International Tonnage Certificate/Special Tonnage Certificate)

– Schiffsbesatzungszeugnis, (Minimum Safe Manning Certificate)

– Sicherheitszeugnis für Spezialschiffe bzw. Bau- und Ausrüstungssicherheitszeugnis; (Special Purpose Ship Safety Certificate)

– Freibordzeugnis; (International Load Line Certificate)

Sollten die genannten Dokumente je Einheit nach EU-Richtlinie/Gesetzes-/Verordnungsbestimmung nicht erforderlich sein bzw. nicht vorliegen, ist dies im Angebot schriftlich mit Bezug zur rechtlichen Grundlage zu begründen.

Zum Beispiel ist gemäß Punkt 8.5 der Freibordrichtlinie für Fahrzeuge mit einer Freibordlänge unter 18 m, die nach dem 1. Januar 2002 gebaut worden sind, kein Freibordzeugnis zu erteilen.

Darüber hinaus ist anzugeben, in wieweit ein o.g. Zeugnis durch ein gleichwertiges Zeugnis anderer Nationalität ersetzt werden kann.

Die “Baubeschreibung” enthält unter Ziff. 3.4.1 (S. 39) die nachfolgende Vorgabe:

Grundsätzlich haben für die angebotenen WI-Geräte zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe alle erforderlichen Schiffsdokumente zum Betrieb des Gerätes gültig vorzuliegen.

Die Betriebs- und Funktionsfähigkeit des Gerätes ist während der Einsatzzeit ständig zu gewähren und nachweislich zu überprüfen.

Unter Ziff. 3.4.2 der “Baubeschreibung” heißt es weiter:

Die angebotenen WI-Geräte bzw. Einheiten von WI-Gerätekombinationen müssen seegängig sein und zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe eine gültige Erlaubnis zum Befahren der Wasserstraße besitzen.

Nach Ziff. II.2.5) der Bekanntmachung und Ziff. 7) der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 312-B) war der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium.

Zuschlagskriterium für das Los 1 waren ausweislich des Formblatts “Gewichtung der Zuschlagskriterien” (Formblatt 313-B) und einem gesonderten Dokument “Erläuterungen zur Bewertung” mit 70 % der Preis und mit 30 % der Technische Wert. Der “Technischer Wert” untergliederte sich in zwei Unterkriterien (UK) und Einzelkriterien (EZ), so dass sich folgende Aufgliederung ergab:

UK I: Leistungs- und Einzelparameter der WI-Geräte und davon:

EZ 1: Arbeits-Freibord

EZ 2: Bauform und Abmessung (begrenzende Arbeitslänge)

UK II: Indikatoren zum Einsatzkonzept (Wartung/Instandhaltung)

Die Antragstellerin, die Beigeladene sowie ein dritter Bieter gaben fristgemäß ihre Angebote ab. Die Beigeladene benannte in ihrem Angebot für das Los 1 neben einer Gerätekombination als erstes Gerät ein zweites WI-Gerät mit dem Namen “M“, welches im Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch unter dem Namen “L” fuhr und noch kein WI-Gerät war, sondern erst durch den Aufsatz einer modularen mobilen WI-Technik in ein WI-Gerät umgebaut werden sollte. Die Beigeladene reichte mit ihrem Angebot die Schiffsdokumente für das Schiff “L” ein, nämlich ein Klassenzertifikat (ABS Class Certificate), ein Dokument, welches die Tonnage des Schiffs angibt (Certificate of Survey, Tonnage Measurement), ein Dokument, in dem die Abmessungen des Schiffs festgestellt wurden (International Load Line Certificate), ein Dokument, in dem die minimale Besatzungsstärke festgestellt wurde (Minimum Safe Manning Certificate) und ein Dokument, in dem die Einhaltung der Vorschriften über den Schutz der Besatzung auf See zertifiziert wurde (Cargo Ship Document of Compliance). Ausweislich der Schiffspapiere war die “L” als “tug” (Schlepper) klassifiziert (vgl. etwa Minimum Safe Manning Certificate). Darüber hinaus reichte die Antragstellerin mit ihrem Angebot eine Beschreibung des modularen, auf dem Schiff “M” zu installierenden, WI-Systems ein (Vorstellung und Beschreibung des WI-Systems “M“). Hierbei sollte eine bekannte Technik, die auf einem anderen Fahrzeug bereits erfolgreich zum Einsatz kam, installiert werden.

Das Schiff “M” hat durch die Klassifizierungsgesellschaft ABS im Zuge der Umflaggung von der Flagge der Marschallinseln zur niederländischen Flagge am 07.12.2021 einen provisorischen Schiffsmessbrief (Provisional Tonnage Certificate) erhalten. Es war in seiner Eigenschaft als Schlepper noch bis zum 20.01.2022 in Dänemark im Einsatz. Die Beigeladene hatte das ursprünglich unter der Flagge der Marschallinseln fahrende Schiff “L” in Kooperation mit einer Reederei erworben, um es für eine Beteiligung in Los 1 als erforderliches Zweitschiff zur Verfügung zu haben. Die Transaktion erfolgte vor Angebotsabgabe. In diesem Zuge wurden auch die Umflaggung zur niederländischen Flagge und die Namensänderung vorgenommen.

Ausweislich der Angebotswertung vom 05.11.2021 hatte die Beigeladene das preislich günstigste Angebot abgegeben.

Mit Schreiben vom 15.11.2021 forderte die Antragsgegnerin von der Beigeladenen nach § 16 a EU Abs. 1 VOB/A innerhalb von 6 Tagen folgende weitere Unterlagen nachzureichen:

– “- …

– Alle Schiffsbescheinigungen für das WI-Gerät “M“;

– Bildaufnahmen für das WI-Gerät “M” bzw. die WI-Gerätekombination ““;

– Technische Datenblätter für das WI-Gerät “M” bzw. die WI-Gerätekombination ““;

– Geräteeinsatzplan …

Mit Schreiben vom 19.11.2021 übermittelte die Beigeladene der Antragsgegnerin den Geräteeinsatzplan sowie die technischen Datenblätter betreffend die als erstes Gerät angebotene Gerätekombination einschließlich von Fotos dieser Gerätekombination. Für das zweite angebotene Gerät waren ein auf das Schiff “M” bezogenes Datenblatt, ein weiteres Datenblatt für die für dieses Schiff vorgesehene WI-Gerätetechnik sowie vier Fotos, auf denen ausschließlich das Schiff “M” zu sehen ist, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit WI-Technik ausgestattet war, beigefügt. Auf einem Bild (Bild 4) waren im Vordergrund einzelne deinstallierte Teile der WI-Technik zu sehe, nämlich ein Injektionsbalken und ein WI-Umlenkbalken. Betreffend die Schiffsdokumente für das WI-Gerät “M” führte die Beigeladene unter Bezugnahme auf eine beigefügte Stellungnahme des die Beigeladene beratenden Büros vom 18.11.2021 aus, dass auch nach Installation der modularen WI-Technik auf dem Schiff “M” keine neuen Schiffspapiere erforderlich werden würden, als die bereits mit dem Angebot vorgelegten Papiere für das Schiff “L“. Lediglich durch den überkragenden WI-Balken im Heck sowie auf den Seiten seien im AIS (Automatic Identification System) sowie für die Anmeldung bei den Revieren die Angaben, welche erst nach dem Umbau genau zu ermitteln seien, anzupassen. Die fest zu installierenden Bauteile entsprächen aufgrund ihres Gewichts im Verhältnis zum Leergewicht des Schiffs weniger als 0,5 % und seien somit weder eintragungspflichtig für eine Änderung des Leergewichts noch sei eine Anpassung der Stabilitätsberechnung erforderlich. Die laufende Umflaggung zur niederländischen Flagge sei von der Ausrüstung der “L” mit dem mobilen WI-Gerät völlig unabhängig.

Um die Angaben der Beigeladenen zu verifizieren, wandte sich die Antragsgegnerin an die BG Verkehr. Diese teilte mit, dass die Frage der erforderlichen Dokumente vom Flaggenstaat – hier Niederlande – abhängig sei. Bei Betrieb unter deutscher Flagge handele es sich sowohl bei der Einordnung als Schlepper, als auch als schwimmendes Arbeitsgerät um ein Sonderfahrzeug. Möglicherweise ergäben sich aber weitergehende Anforderungen der Klassifizierungsgesellschaft. Ob der Umbau Auswirkungen auf die Zulassung habe, sei ebenfalls von den Festlegungen des Flaggenstaats abhängig. Bei Einsatz des Fahrzeugs in deutschen Gewässern sei aber eine Gleichwertigkeitsbescheinigung der BG Verkehr zu beantragen. Eine Gleichwertigkeitsbescheinigung als Sonderfahrzeug (ohne WI-Technik) sei bis 05/22 für das streitgegenständliche Schiff durch die BG Verkehr ausgestellt worden. Die technische Sicherheit werde durch die Klassifizierungsgesellschaft überprüft. Sofern erhebliche Massen auf das Fahrzeug aufgebracht würden, sei die Stabilität nachzuweisen. Eine Änderung der technischen Unterlagen sei in der Regel erforderlich, wenn die Stabilität wesentlich geändert werde. Es müsse eine Einverständniserklärung des Flaggenstaats vorliegen, die bestätige, dass das Fahrzeug mit der aufgerüsteten WI-Technik sicher die Wasserstraßen befahren könne. Fehle diese, sei ein Zulassungsverfahren des Flaggenstaats erforderlich.

Um Zweifel an der Einsatzfähigkeit des angebotenen WI-Geräts “M” zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns auszuräumen, übermittelte die Antragsgegnerin der Beigeladenen ein weiteres – als Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A bezeichnetes – Schreiben vom 17.12.2021 (versehentlich datierend auf den 17.11.2021). Die Beigeladene wurde gebeten mitzuteilen, inwieweit bezüglich der vorgesehenen Umbauten und des Gewichts eine Abstimmung mit dem zuständigen Flaggenstaat herbeigeführt worden sei. Zudem wurde um die Vorlage der Einverständniserklärung des Flaggenstaats für den Einsatz als WI-Gerät gebeten, alternativ sollte Auskunft darüber gegeben werden, bis wann die Einverständniserklärung beigebracht werden könne. Zudem wurde die Beigeladene um die Übersendung eines Umbauzeitplans gebeten. Hierzu wurde eine Frist von 15 Kalendertagen gesetzt.

Parallel nahm die Antragsgegnerin Kontakt zu der Klassifizierungsgesellschaft ABS (American Bureau of Shipping, offiziell gelistete Klassifizierungsgesellschaft der deutschen Flagge) auf.


Die Beigeladene kam dem Aufklärungsverlangen am 31.12.2021 nach und teilte mit, dass die schriftliche Einverständniserklärung durch den Flaggenstaat mit Blick auf die Weihnachts- und Silvestertage nicht rechtzeitig beigebracht werden könne, eine solche aber nach fernmündlicher Auskunft der Niederländischen Flagge nicht erforderlich sei, da dies in die Zuständigkeit der Klassifizierungsgesellschaft falle. Die Klassifizierungsgesellschaft (ABS) habe aufgrund der Konstruktionspläne, den zugehörigen Berechnungen und den Installationsplänen mitgeteilt, keine grundsätzlichen Einwände gegen den Betrieb des Shoalbusters “M” mit der mobilen, modularen WI-Technik als WI-Bagger zu haben. Von der ABS seien lediglich minimale Nachrüstungen, nämlich […], sowie die Durchführung einer abschließenden Besichtigung durch die Klassifizierungsgesellschaft gefordert worden. Zudem überreichte die Beigeladene den geforderten Umbauzeitplan, der die

Fertigstellung bis Ende Januar 2022 vorsah, und fügte Fotos vom Stahlbau der WI-Technik mit Stand 48. KW bei.

Mit weiteren zwei Schreiben vom 06.01.2022 verlangte die Antragsgegnerin von der Beigeladenen weitere Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Zum einen wurde die Durchführung eines Besichtigungstermins gefordert, um die Realisierbarkeit des aus Sicht der Antragsgegnerin eng bemessenen Umbauzeitplans prüfen zu können. Zum anderen wurde eine schriftliche Erklärung der zuständigen Klassifizierungsgesellschaft ABS verlangt, die bestätige, dass die bestehende Klasse des MV “L” mit geänderter Zweckbestimmung als WI-Bagger weiter Bestand habe, mithin die mit Angebot eingereichten Schiffszeugnisse zur Attestierung der Klasse weiterhin Gültigkeit besäßen und keiner Änderung unterlägen.

Mit Schreiben vom 11.01.2022 teilte die Beigeladene mit, dass die Klassifizierungsgesellschaft das MV “M” mit der modularen und mobilen WI-Technik besichtigen werde, um zu prüfen, dass die in den Berechnungen zur Nachweis der Schwimmstabilität gemachten Angaben korrekt seien und die für den Betrieb mit der modularen und mobilen WI-Technik geforderte […] umgesetzt worden sei. Im Anschluss werde die Klassifizierungsgesellschaft attestieren, dass das mit der modularen und mobilen WI-Technik ausgerüstete MV “M” sicher die Wasserstraßen befahren könne. Beigefügt war dem Schreiben der Beigeladenen eine E-Mail der Klassifizierungsgesellschaft ABS, aus der sich ergibt, dass die modulare und mobile WI-Technik lediglich ein Addendum im “stability booklet” darstelle und das Schiff in der ursprünglich erteilten Klasse bleibe. Da die bestehende Klasse des MV “M” sich durch den Betrieb der modularen und mobilen WI-Technik nicht ändere, sei eine Zustimmung des zuständigen Flaggenstaats (hier des niederländischen) nicht notwendig.

Ebenfalls am 11.01.2022 erhielt die Antragsgegnerin eine E-Mail der

Klassifizierungsgesellschaft ABS, in der in Übereinstimmung mit der von der Beigeladenen vorgelegten E-Mail mitgeteilt wurde, dass die bestehende

Klassifizierung nicht aktualisiert werden müsse und dies nach Überprüfung des Umbaus nach Abschluss der Arbeiten erklärt werde.

Mit Blick auf den termingerechten Umbau des Geräts fand am 12.01.2022 zur Plausibilisierung des Zeitplans ein Ortstermin in der Stahlbauwerkstatt statt, in der sich die aufzubauende modulare WI-Technik befand, nicht jedoch das Schiff “M“, auf den diese aufgebaut werden sollte. Das Ergebnis des Ortstermins hielt die Antragsgegnerin in dem Vermerk vom 13.01.2022 fest und bewertete den stahlbaulichen Fertigungsgrad mit 80%.


Tatsächlich wurde im Januar der Aufbau der mobilen Montage einschließlich der erforderlichen Besichtigung durch den vom Flaggenstaate Niederlande akkreditierten Zertifizierer ABS abgeschlossen. Dem Schiff wurde in seiner neuen Eigenschaft als WI-Gerät am 23.02.2022 ein neues Freibordzeugnis (“International Load Line Certificate“) durch die Klassifizierungsgesellschaft erteilt.

Mit Schreiben vom 16.01.2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag dem Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin dabei ihre in den Wertungskriterien “Preis” (### Punkte), “Technischer Wert” (### Punkte) und “Gesamtwertung” (### Punkte) erlangten Wertungspunkte mit.

Die Antragstellerin bat mit Schreiben vom 20.01.2022 um eine weitere Aufgliederung der Einzelwertungsergebnisse zum Kriterium “Technischer Wert“. Zudem bat sie um Mitteilung der Wertungspunkte des wirtschaftlichsten Angebots und weiterer Informationen nach § 19 EU Abs. 4 Nr. 2 VOB/A. Schließlich rügte sie, dass die Beigeladene bei Angebotsabgabe nicht den erforderlichen Nachweis für ein zweites betriebsbereites WI-Gerät erbracht haben könne.

Mit Schreiben vom 24.01.2022 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die gewünschte Auskunft betreffend die Bewertung ihres Angebots in den einzelnen Bewertungskriterien nach § 19 EU Abs. 4 Nr. 2 VOB/A und teilte zudem mit, dass die Beigeladene die Mindestanforderungen von zwei betriebsbereiten WI-Geräten beziehungsweise WI- Gerätekombinationen erfülle und die geforderten Nachweise prüfbar erbracht worden seien. Es werde mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen, dass zum Vertragsbeginn zwei betriebsbereite WI-Geräte durch die Beigeladene zur Verfügung gestellt würden.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26.01.2022 eine unzureichende Vorabinformation nach § 134 GWB im Schreiben der Antragsgegnerin vom 16.01.2022. Zwar habe die Antragsgegnerin die Gründe im Schreiben vom 24.01.2022 nachgeschoben. Dies habe den Verstoß jedoch nicht heilen können, da die Wartefrist des § 134 Abs. 2 GWB nicht erneut in Gang gesetzt worden sei (Rüge 1). Darüber hinaus rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene, weil diese keinen Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte bei Angebotsabgabe habe erbringen können und daher ungeeignet und zwingend auszuschließen sei, da sie eine Mindest-Eignungsanforderung zur technischen Ausstattung nicht erfülle. Nach Ziff. III.1.3) der Auftragsbekanntmachung und den Anforderungen in der “Eigenerklärung zur Eignung” (Formblatt 333b-B) sei von den Bietern für Los 1 ein erfolgreicher Nachweis für mindestens zwei betriebsbereite WI-Geräte verlangt worden. Diesen Nachweis könne die Beigeladene nicht erbracht haben, da sie nach Kenntnisstand der Antragstellerin nur über ein betriebsbereites WI-Gerät verfügt habe. Im Falle der Herstellung eines neuen WI-Geräts beziehungsweise des Umbaus eines Schiffs könnten noch keine gültigen Schiffsdokumente vorgelegen haben, da das Schiff erst nach Fertigstellung einer amtlichen Prüfung und Begutachtung zugeführt und durch Ausstellung eines Schiffsmessbriefs, der Schiffssicherheitszeugnisse oder eines Schiffsbesatzungszeugnisses zertifiziert werden könne. Umbauten des Schiffskörpers, der Maschinenanlage oder Sondereinrichtungen müssten unter Aufsicht der Klassifizierungsgesellschaft durchgeführt und von dieser abgenommen werden, um die Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften und die Aufrechterhaltung der Klasse beziehungsweise deren Änderung sicherzustellen. Dementsprechend sei auch das Angebot der Beigeladenen nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A bzw. § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen, da die Beigeladene unmöglich alle mit dem Angebot geforderten beziehungsweise nachgeforderten Unterlagen vorgelegt haben könne (Rüge 2). Schließlich rügt die Antragstellerin die Wertung ihres Angebots in dem Zuschlagskriterium “Technischer Wert” als fehlerhaft (Rüge 3).

Die Antragsgegnerin wies die Rügen mit Schreiben vom 26.01.2022 zurück.

Am 26.01.2022 hat die Antragstellerin, vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht. Mit dem Nachprüfungsantrag hat sie ihre bisherigen Rügen wiederholt und vertieft. Ergänzend führt sie aus, dass – so die Beigeladene nicht bereits mangels Eignung ausgeschlossen wird – jedenfalls die Eignungsprüfung ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Für eine nachträgliche Herstellung der erforderlichen Eignung habe kein ausreichender Zeitraum zur Verfügung gestanden. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei einem WI-Gerät um ein Spezialgerät handle, dessen Herstellung äußerst speziell und hochkomplex sei, und sich an die Herstellung noch ein aufwendiger und zeitraubender Prozess der Konfiguration und Erprobung anschließe, bis das WI-Gerät tatsächlich funktions- und betriebsbereit sei, habe die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen können, dass dieser Prozess noch rechtzeitig bis zum Beginn der Leistungsausführung abgeschlossen sein könne, zumal mit der Leistungserbringung spätestens am 01.02.2022 zu beginnen gewesen sei (Rüge 4). Ergänzend führt sie aus, dass das Angebot der Beigeladenen, falls diese wissentlich falsche Angaben zu den angebotenen WI-Geräten gemacht haben sollte, zusätzlich nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) GWB beziehungsweise § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) VOB/A auszuschließen sei (Rüge 5). Schließlich könne das WI-Gerät “M” die Mindestanforderungen an die Injektionstiefe (Mindest-Sohltiefe) von 21 m nicht erfüllen, was sich daraus ergebe, dass das Schiff lediglich 27 m lang sei (Rüge 6).


Die Antragstellerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie in ihren Bieterrechten verletzt ist;

2. die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um ihre Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung ihrer betroffenen Interessen zu verhindern; als geeignete Maßnahmen regt die Antragstellerin an

a. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag für das Los 1 auf der Grundlage des bisherigen Vergabeverfahrens zu erteilen und

b. die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei fortbestehender Vergabeabsicht das Vergabeverfahren im Los 1 in den Stand der Angebotsprüfung zurückzuversetzen und die Prüfung und Wertung der Angebote unter Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen und Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;

3. festzustellen, dass eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin vorgelegen hat;

4. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;

5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 3 S. 2 VwVfG für notwendig zu erklären.


Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen.


Die mit Beiladungsbeschluss vom 27.01.2022 zum Verfahren hinzugezogene

Beigeladene hat beantragt,

1. die Anträge der Antragstellerin zu Ziff. 1 und 2 zurückzuweisen;

2. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.


Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene verteidigt. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 01.03.2022 hilfsweise, für den Fall, dass die Vergabekammer an ihrem unter dem 24.02.2022 erteilten Hinweis – dass weder formell noch materiell hätte die Eignung des Geräts festgestellt werden dürfen – festhalte, angeregt, dass die Vergabekammer die Zuschlagserteilung auf das vollständig geprüfte Angebot der Antragstellerin anordne.

Die Vergabekammer hat mit dem angefochtenen Beschluss dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin teilweise stattgegeben und der Antragsgegnerin untersagt, auf Basis des bisherigen Vergabeverfahrens den Auftrag zu erteilen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beigeladene habe mit dem Angebot weder die geforderten Bildaufnahmen noch die Schiffsdokumente für das WI-Gerät M vorgelegt (Rüge 2). Diese seien auch nicht mit Schreiben der Beigeladenen vom 19.11.2021 auf die Nachforderung der Antragsgegnerin 15.11.2021 nachgereicht worden. Indem die Antragsgegnerin die Beigeladene dennoch nach Durchführung weiterer Aufklärungsmaßnahmen und eines Ortstermins als geeignet beurteilt habe, habe sie ihre Eignungsprognose ohne die an sich geforderten formalen Nachweise durchgeführt und die im Zuge ihrer Aufklärung verifizierten Eigenangaben der Beigeladenen ausreichen lassen. Damit habe die Antragsgegnerin für das Angebot der Beigeladenen die Vorgaben in Bezug auf die vorzulegenden Schiffsdokumente abgeschwächt und in Bezug auf die vorzulegenden Bildaufnahmen des WI-Geräts darauf ganz verzichtet. Damit habe sie eine Herabsetzung der Eignungsvoraussetzungen vorgenommen; wobei es sich der Sache nach um eine vergaberechtswidrig erfolgte Teilaufhebung des Vergabeverfahrens gehandelt habe (§ 17 EU Abs. 1 VOB/A). Zur Beseitigung der Rechtsverletzung hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin aufgegeben, die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in Form einer Änderungsbekanntmachung mit abgeschwächten Vorgaben für das Kampagnengerät zu prüfen und – sofern sie daran festzuhalten beabsichtige – zu veranlassen und eine neue Angebotsfrist für alle Wettbewerbsteilnehmer festzulegen. Anhaltspukte für einen Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 bzw. Nr. 9 lit. a) und c) GWB lägen nicht vor (Rüge 5). Der bemängelte Verstoß gegen § 134 GWB liege ebenfalls nicht vor. Die seitens der Antragsgegnerin mitgeteilten Angaben im Schreiben vom 16.01.2022 seien gemessen am Zweck des § 134 GWB, der Antragstellerin eine nachvollziehbare Begründung über die Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebots zu liefern und ihr eine Prüfung zu ermöglichen, ob Vergaberechtsschutz in Anspruch zu nehmen ist, ausreichend gewesen (Rüge 1). Ein Wertungsfehler im Kriterium “Technischer Wert” liege nicht vor (Rüge 3). Soweit die Antragstellerin meine, das von der Beigeladenen angebotene WI-Zweitgerät erfülle nicht die Mindestanforderungen gemäß Ziff. 3.4.3 (S. 40) der Baubeschreibung an die Injektionstiefe, sei der Vortrag unbegründet (Rüge 6).

Gegen den ihr am 27.03.2022 zugestellten Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 08.04.2022 – eingegangen am selben Tag – sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihre Rügen wiederholt und vertieft. Das Angebot der Beigeladenen sei wegen fehlender Mindesteignung auszuschließen nach § 6a EU Nr. 3 lit. h) VOB/A. Einen erfolgreichen Nachweis für das Vorhandensein von zwei betriebsbereiten WI-Geräten könne die Beigeladene weder mit ihrem Angebot noch im Zuge der anschließenden Aufklärung erbracht haben. Den von der Antragsgegnerin bekannt gemachten Eignungskriterien sei eindeutig zu entnehmen, dass sich die Angaben zur technischen Leistungsfähigkeit nicht auf ein WI-Gerät hätten beziehen dürfen, das zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch gar nicht existiert habe. Die seitens der Antragsgegnerin vorgenommene Nachforderung von Unterlagen und weitere Aufklärung sei insgesamt vergaberechtsfehlerhaft erfolgt. Jedenfalls sei die Prüfung der Eignung der Beigeladenen ermessensfehlerhaft erfolgt, weil die Antragsgegnerin insbesondere nicht berücksichtigt habe, dass der Beigeladenen angesichts des Umstandes, dass das Schiff “M” bis zum 20.01.2022 in Dänemark im Einsatz gewesen sei und mit dem Umbau frühestens am 21.01.2022 habe begonnen werden können, gerade einmal 10 Kalendertage für den Umbau verblieben seien. Die Vergabekammer habe die Prüfung eines Ausschlusses des Angebots der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 lit. a) und c) GWB beziehungsweise nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 und Nr. 9 lit a) und c) VOB/A unterlassen und nicht berücksichtigt, dass die Beigeladene wider besseren Wissens unzutreffend und irreführend angegeben habe, dass wegen des Umbaus des Schleppers “M” in ein WI-Gerät keine neuen Schiffsdokumente erforderlich seien.

Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 08.04.2022 ebenfalls gegen den Beschluss der Vergabekammer, der ihr am 25.03.2022 zugestellt worden ist, sofortige Beschwerde eingelegt.


Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 1. Satz 2 aufzuheben und der Antragsgegnerin aufzugeben, bei fortbestehender Vergabeabsicht die Angebotsprüfung und -wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen – hilfsweise: unter erneuter Prüfung und Entscheidung über einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen – unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen;

2. hilfsweise zu dem Antrag zu 1 gemäß §§ 178 S. 2 2. Alt., 168 Abs. 1 GWB, sofern der Senat in der Sache nicht selbst entscheidet: den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 1. Satz 2 aufzuheben und die Vergabekammer zu verpflichten, über die weiteren geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzung und Verhinderung einer Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden;

3. äußerst hilfsweise zu den Anträgen zu 1. und 2. gemäß § 168 Abs. 2 S. 2 2. HS GWB im Hinblick auf den im Zuge des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 168 Abs. 2 S. 2 4. Alt. GWB erledigten Verstoß gegen § 134 GWB: den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 1. unter der Maßgabe abzuändern, dass festgestellt wird, dass eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin vorgelegen hat;

4. der Antragstellerin ergänzende Akteneinsicht zu gewähren;

5. den Kostenausspruch im Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) im Tenor zu 3. und 4. Unter der Maßgabe abzuändern, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) und die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen sowie im Übrigen ihre eigenen Kosten und Aufwendungen jeweils selbst tragen.


Die Beigeladene beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25.03.2022 (VK 2 – 10/22) aufzuheben;

3. der Antragsgegnerin zu gestatten, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.


Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen.


Die Antragsgegnerin stellt im Beschwerdeverfahren keine Anträge.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich gegen die Untersagung der Zuschlagserteilung an die Beigeladene. Eine Zurückversetzung des

Vergabeverfahrens in Form einer Änderungsbekanntmachung mit abgeschwächten Vorgaben für das WI-Gerät “M” sei nicht notwendig. Auch habe die Antragsgegnerin tatsächlich keine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens vorgenommen. Es habe auch keine faktische Absenkung der in den Vergabeunterlagen gesetzten Vorgaben gegeben. Vielmehr habe die Wertung des Angebots der Beigeladenen und die zu deren Gunsten avisierte

Zuschlagsentscheidung – nach durchgeführter Nachforderung und Aufklärung – im Einklang mit den in den Vergabeunterlagen bekanntgegebenen Anforderungen gestanden und sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die Beigeladene habe insbesondere Bildaufnahmen sowie alle erforderlichen Schiffsdokumente vorgelegt. Die Schiffsdokumente behielten auch nach dem Umbau und der Ausrüstung mit der mobilen WI-Technik ihre Gültigkeit, weil sie von der Ausrüstung des Schiffs unberührt blieben. Die Neuausstellung der Schiffsdokumente für das Gerät “M” sei allein der Umflaggung geschuldet und stelle einen rein formalen Akt dar. Die Beigeladene habe das Schiff “M” ehemals “L” nicht in einem zulassungsrechtlich relevanten Sinne umgebaut. Die einzige konstruktive Änderung, die die “M” erfahren habe, seien die […]. Durch diese Montage werde weder die Länge (LoA) noch die Breite (BoA) der “M” geändert, so dass diese für die Schiffsdokumente ohne Bedeutung sei. Betreffend die Bildaufnahmen habe es in den Vergabeunterlagen keine Anforderung gegeben, dass auch die mobile WI-Technik abzubilden sei.

Die Beigeladene behauptet im Rahmen ihrer sofortigen Beschwerde zudem, das von der Antragstellerin angebotene WI-Gerät D erfülle mehrere technische Mindestanforderungen nicht. So könne die D aufgrund ihres Tiefgangs eine Vielzahl der vorgesehenen Einsatzgebiete nicht erreichen. Auch sei die geforderte Mindestbreite des WI-Balkens nicht erreicht. Gefordert seien 12,00 m Mindestbreite gewesen, die D verfüge jedoch nur über eine maximale Breite von 10,08 m. Auch die Mindestpumpleistung von 12.000 ³/h könne die D mit den zwei auf ihr installierten Jetpumpen mit jeweils 506 kW Leistung nicht erreichen.


II.

1. Die nach §§ 171, 172 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist begründet.

Die Entscheidung der Vergabekammer, der Antragstellerin die Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen zu untersagen, ist vergaberechtsfehlerhaft.

a. Das Angebot der Beigeladenen ist weder nach §§ 16 EU Nr. 3, 16a EU Abs. 3, 8 Abs. 2 Nr. 5 VOB/A wegen bei Angebotsabgabe fehlender Unterlagen noch wegen – auf die Nachforderung der Antragsgegnerin vom 15.11.2021 – nicht rechtzeitig nachgereichter Unterlagen nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A auszuschließen (formelle Eignung).

aa. Ein Angebotsausschluss nach §§ 16 EU Nr. 3, 16a EU Abs. 3, 8 Abs. 2 Nr. 5 VOB/A wegen bei Angebotsabgabe fehlender Unterlagen scheidet aus. Soweit bei Angebotsabgabe Unterlagen fehlten, durfte und musste die Antragsgegnerin diese nach § 16a EU Abs. 1 VOB/A nachfordern.

(1) Gemäß Ziff. 1.4 “Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweisen)” – worauf in dem Formblatt “Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes” unter C Bezug genommen wird – waren mit dem Angebot vorzulegen:



– Gerätebeschreibung mit technischen Datenblättern, Angaben zur Pumptechnik, und

– Bildaufnahmen

– …

– Schiffsdokumente zur Plausibilisierung mit möglichen Erläuterungen

– …

Die vorzulegenden Schiffsdokumente wurden durch Ziff. 4 der “Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“, auf den in Ziff. 1.4 “Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen” Bezug genommen wird, dahingehend näher konkretisiert, dass ein Internationaler Schiffsmessbrief/ Nationaler Schiffsmessbrief (International Tonnage Certificate/ Special Tonnage Certificate), ein Schiffsbesatzungszeugnis, (Minimum Safe Manning Certificate), ein Sicherheitszeugnis für Spezialschiffe bzw. Bau- und Ausrüstungssicherheitszeugnis (Special Purpose Ship Safety Certificate) und ein Freibordzeugnis (International Load Line Certificate) vorzulegen waren.

(2) Die bei Angebotsabgabe unstreitig fehlenden Bildaufnahmen und technischen Datenblätter für beide WI-Geräte sowie der fehlende Geräteeinsatzplan konnten und mussten von der Antragsgegnerin gemäß § 16a EU Abs. 1 VOB/A nachgefordert werden. Nach § 16a EU Abs. 1 S. 1 VOB/A muss der öffentliche Auftraggeber Bieter, die für den Zuschlag in Betracht kommen, unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen – insbesondere Erklärungen, Angaben oder Nachweise – nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen -insbesondere Erklärungen, Produkt- und sonstige Angaben oder Nachweise – nachzureichen oder zu vervollständigen (Nachforderung), es sei denn, er hat von seinem Recht aus Absatz 3 Gebrauch gemacht. Nach § 16a EU Abs. 3 VOB/A kann der öffentliche Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festlegen, dass er keine Unterlagen oder Preisangaben nachfordern wird. Einen solchen Ausschluss des Nachforderns von Unterlagen hat die Antragsgegnerin nicht festgelegt. Sie hat vielmehr unter Ziff. D.3.3 der Angebotsaufforderung klagestellt, dass fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, nachgefordert werden.

(3) Vergaberechtsfehlerfrei hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.11.2021 die Beigeladene aufgeforderte entsprechend § 16 a EU Abs. 1 VOB/A die fehlenden Unterlagen innerhalb von 6 Tagen vorzulegen, nämlich:



– Alle Schiffsbescheinigungen für das WI-Gerät “M”;

– Bildaufnahmen für das WI-Gerät “M” bzw. die WI-Gerätekombination “…”;

– Technische Datenblätter für das WI-Gerät “M” bzw. die WI-Gerätekombination “…”;

– Geräteeinsatzplan …

Auch bei den Bildaufnahmen handelt es sich um “Unterlagen” im Sinne des § 16a EU Abs. 1 VOB/A. Diese sind (sonstige) Nachweise im Sinne des § 48 Abs. 1 VgV bzw. § 16a EU Abs. 1 VOB/A. Der Begriff der Erklärungen und Nachweise ist weit auszulegen (vgl. nur Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15, ZfBR 2016, 192).

(4) Soweit die Antragsgegnerin auch Schiffsbescheinigungen für das WI- Gerät “M” nachgefordert hat, ging diese Nachforderung ins Leere, denn Schiffsdokumente lagen – wenn auch ausgestellt auf das Schiff “L” – bereits vor und fehlten nicht im Sinne des § 16a EU Abs. 1 VOB/A.

Fehlende unternehmensbezogene Unterlagen sind solche, die physisch nicht vorgelegt worden sind. Das Gleiche gilt für unlesbare oder sonst nicht wahrnehmbare Angaben in den Unterlagen. Unvollständige unternehmensbezogene Unterlagen sind solche, die mit dem Angebot bis zur Angebotsabgabe einzureichen waren und teilweise physisch nicht vorgelegt worden sind. Solche Unterlagen darf der Bewerber oder Bieter auf Aufforderung des Auftraggebers nachreichen und vervollständigen. Dies entsprach auch schon der früheren Rechtslage zu § 16 EG VOB/A a.F. und § 19 EG VOL/A a.F. Fehlenden unternehmensbezogenen Unterlagen stehen zudem solche gleich, die physisch vorgelegt worden sind, aber in formaler Hinsicht von den Anforderungen abweichen, so dass die vorgelegte Unterlage (zum Beispiel mangels vorgeschriebener Beglaubigung oder Unterzeichnung) gar nicht geprüft werden kann, wobei die Grenzziehung zwischen formaler Korrektur und materiell-inhaltlicher Korrektur einer Unterlage fließend ist. Daher kann bereits bei ganz geringfügigen materiell-inhaltlichen Auswirkungen eine Unterlage nicht mehr nur als “formal fehlerhaft” eingestuft werde (vgl. Senat, Beschl. v. 12.09.2012 – VII Verg 108/11 zu § 19 Abs. 2 VOL/A (2009); Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15 Rn 24, NZBau 2016, 61; OLG München, Beschl. v. 17.09.2015 – Verg 3/15, ZfBR 2015, 809, 812; Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 56 VgV Rn 21).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Beigeladene mit ihrem Angebot sämtliche geforderten Schiffsbescheinigungen vorgelegt, nämlich ein Klassenzertifikat (ABS Class Certificate), ein Dokument, welches die Tonnage des Schiffs angibt (Certificate of Survey, Tonnage Measurement), ein Dokument, in dem die Abmessungen des Schiffs festgestellt wurden (International Load Line Certificate), ein Dokument, in dem die minimale Besatzungsstärke festgestellt wurde (Minimum Safe Manning Certificate) und ein Dokument, in dem die Einhaltung der Vorschriften über den Schutz der Besatzung auf See zertifiziert wurde (Cargo Ship Document of Compliance). Damit lagen Schiffsbescheinigungen physisch vor. Sie waren auch gültig. ### war noch nicht in “M” umbenannt; die modulare und mobile WI-Technik war noch nicht installiert. Ob die auf “L” ausgestellten Schiffsbescheinigungen inhaltlich den Anforderungen genügen, ist eine Frage der materiellen Eignungsprüfung, nicht eine Frage des physischen Vorliegens der Unterlagen.

(5) Da gültige Schiffsdokumente vorlagen, bedurfte es keiner schriftlichen Erklärung und Begründung ihrer Nichtvorlage im Angebot entsprechend Ziff. 4 der “Hinweisen zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern“.

bb. Das Angebot der Beigeladenen ist auch nicht nach § 16a EU Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 VOB/A wegen nicht oder nicht rechtzeitig nachgereichter Unterlagen auszuschließen. Die Beigeladene hat sämtliche nachgeforderten Unterlagen, soweit diese bei Angebotsabgabe fehlten, innerhalb der gesetzten Frist von sechs Tagen mit Schreiben vom 19.11.2021 nachgereicht. Mit Schreiben vom 19.11.2021 übermittelte die Beigeladene der Antragsgegnerin den Geräteeinsatzplan sowie die technischen Datenblätter einschließlich von Bildaufnahmen. Für das angebotene WI-Gerät “M” wurden ein auf das Schiff “M” bezogenes Datenblatt, ein weiteres Datenblatt für die für dieses Schiff vorgesehene WI-Gerätetechnik sowie vier Fotos, auf denen ausschließlich das Schiff zu sehen ist, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit WI-Technik ausgestattet war, eingereicht, – wobei auf einem Bild (Bild 4) im Vordergrund einzelne deinstallierte Teile der WI-Technik zu sehe waren, nämlich ein Injektionsbalken und ein WI-Umlenkbalken.

Der Umstand, dass die Lichtbilder nicht das fertige WI-Gerät “M” abbildeten, rechtfertigt einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A nicht, da Bilddokumente physisch vorlagen.

b. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen auszuschließen.

(1) Das Angebot der Beigeladenen enthält nicht deshalb eine Abweichung von den Vergabeunterlagen, weil sie mit “M” ein WI-Gerät angeboten hat, das im Zeitpunkt der Angebotsabgabe mangels Ausstattung mit dem mobilen und modularen WI-System noch nicht existent und einsatzfähig war. Die Antragsgegnerin hat eine Einsatzbereitschaft des WI-Geräts bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe nach den Vergabeunterlagen nicht gefordert.

(a) Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Aus ihnen muss für Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird (BGH, Urt. v. 15.01.2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319 Rn 7; BGH, Urt. v. 03.04. 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn 9). Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (BGH, Urt. v. 03.04.2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn 9). Für die Leistungsbeschreibung ergibt sich dies ausdrücklich aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV, wonach der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben ist, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können (Senat, Beschl. v. 13.12.2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn 37). Infolge der übergeordneten Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB, die durch §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV für einen Teilbereich nur näher ausgeformt werden, gelten die für die Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen für andere Teile der Vergabeunterlagen entsprechend (Senat, Beschl. v. 28.03. 2018, VII-Verg 52/17, NZBau 2018, 563 Rn 31). Etwaige auch nach Auslegung der Unterlagen verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des Auftraggebers.

(b) Ein durchschnittlicher Bieter des angesprochenen Bieterkreises, auf den es vorliegend für das Verständnis des Erklärungswerts der Vergabeunterlagen ankommt, konnte den Vergabeunterlagen vorliegend nicht entnehmen, dass die für die Auftragsdurchführung erforderlichen WI-Geräte bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe einsatzbereit zur Verfügung stehen musste.

Grundsätzlich ist nicht erforderlich, dass dem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder bei Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen. Der Auftragnehmer muss, sofern sich der öffentliche Auftraggeber nicht in der Bekanntmachung einen anderen Zeitpunkt vorbehält, was vorliegend nicht der Fall ist, in der Regel erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die eignungsrelevanten Mittel verfügen und das benötigte Personal einstellen (vgl. Senat, Beschl. v. 12.06.2019 – VII Verg 52/18; Senat, Beschl. v. 26.07.2018 – VII-Verg 28/18; Dittmann, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2. Aufl., § 57 Rn. 125). Andernfalls würde dem Bieter in nicht zumutbarer Weise abverlangt, weitreichende Dispositionen auf die bloße Vermutung eines Zuschlags zu treffen (Senat, Beschl. v. 04.02.2013 – VII-Verg 52/12; Kadenbach, in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 122 GWB). Lediglich die Eignung des Bieters, insbesondere der Umstand, dass er zu den ausgeschriebenen Leistungen in der Lage sein wird, muss im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung geklärt sein und in diesem Zeitpunkt bejaht werden können (Senat, Beschl. v. 12.06.2019 – VII Verg 52/18; Senat, Beschl. v. 04.02.2013 – VII-Verg 52/12; Senat Beschl. v. 05.07.2006, VII-Verg 25/05).

Aus den Vergabeunterlagen ergibt sich aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nicht mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit, dass die Antragsgegnerin ausnahmsweise abweichend von dem Regelfall gefordert hat, dass die angebotenen WI-Geräte nicht erst zu Vertragsbeginn, sondern bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein müssen. Eine ausdrückliche Erklärung hierzu enthalten die Vergabeunterlagen nicht. Auch ergibt sich eine solche nicht durch Auslegung der Vergabeunterlagen gemäß §§ 133, 157 BGB, da ein eindeutiger Inhalt nicht ermittelt werden kann. Zwar heißt es in Punkt b2), S. 8 der “Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern” und damit an einer nicht hervorgehobenen Position der Vergabeunterlagen:

b2) …

Die Angaben in den Blättern 1 und 2 werden durch die vorzulegenden Schiffspapiere für die

angebotenen WI-Geräte bzw. WI-Gerätekombinationen stichprobenartig plausibilisiert.

Angebotene Geräte, für die keine gültigen Schiffsdokumente mit Angebotsabgabe vorliegen,

werden vom Angebot ausgeschlossen, wenn nicht innerhalb von 6 Kalendertagen nach

Aufforderung durch die Vergabestelle gültige Dokumente nachgereicht werden (siehe auch

Punkt 4).

Jedoch kann aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin gültige Schiffsdokumente für das angebotene WI-Gerät im Zeitpunkt der Angebotsabgabe fordert, nicht geschlossen werden, dass das WI-Gerät bereits bei Angebotsabgabe vorhanden sein muss und nicht – wie vorliegend durch Aufbau einer mobilen WI-Technik – erst bei Vertragsbeginn. Zwar können nur dann gültige Schiffsdokumente für das angebotene WI-Gerät vorgelegt werden, wenn das WI-Gerät bereits existent ist. Gleiches gilt soweit in Ziff. 3.4.2 der “Baubeschreibung” gefordert wird, dass das WI-Gerät seegängig und eine gültige Erlaubnis zum Befahren der Wasserstraße zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe besitzt. Jedoch steht ein solches Verständnis in Widerspruch zu Ziff. 3.4.1 der “Baubeschreibung“.

Danach haben lediglich grundsätzlich alle erforderlichen Schiffsdokumente zum Betrieb des Geräts für das WI-Gerät bei Angebotsabgabe gültig vorzuliegen. Dies bedeutet aber, dass auch Ausnahmen möglich und zulässig sein können. Hierfür spricht auch der sich aus den Vergabeunterlagen ergebende Zweck, der mit den vorzulegenden Schiffsdokumenten verfolgt wird. Die Schiffspapiere sollen im Rahmen der Eignungsprüfung der stichprobenartigen Plausibilisierung der Abmessungen der WI-Geräte dienen. Dies können aber auch Schiffspapiere, die sich lediglich auf das Schiff selbst beziehen, wenn und soweit sich durch die aufzubauende WI-Technik keine Änderungen an den Schiffsmaßen eintreten.

(2) Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt ferner nicht in Bezug auf die geforderte Injektionstiefe (Mindestsohltiefe) vor. Gemäß Ziff. 3.4.3 der Baubeschreibung soll die Injektionstiefe des angebotenen WI-Geräts mindestens 21,0 Meter betragen. Diesen Anforderungen genügt das angebotene WI-Gerät “M“. Die Antragsgegnerin hat das WI-System “M” anhand der von der Beigeladenen eingereichten Beschreibung geprüft. Aus den eingereichten Datenblättern ergibt sich, dass das Gerät eine Injektionstiefe von bis zu 24 m erlaubt. Umstände, aus denen sich sachliche oder fachliche Zweifel der Antragsgegnerin an der Richtigkeit dieser Angaben hätten ergeben können, hat die Antragstellerin weder dargelegt, noch sind solche ersichtlich. Allein aufgrund der Länge des Schiffs “M” lassen sich begründete Zweifel nicht herleiten.

c. Die Beigeladene war nicht mangels Eignung nach § 122 Abs. 1 GWB, § 16b EU Abs. 1 VOB/A auszuschließen. Die Antragsgegnerin hat vielmehr zu Recht die Eignung der Beigeladenen bejaht.

Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters, zu seiner technischen, beruflichen und auftragsbezogenen Leistungsfähigkeit, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung dahingehend, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 05.09.2018 – VII Verg 14/18; OLG München, Beschl. v. 05.11.2009, Verg 13/09; Dittmann, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 57 VgV Rn. 120 nwN).

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hält die nach Aufklärung des Angebots getroffene und im Vergabevermerk dokumentierte Prognose der Antragsgegnerin, die Beigeladene sei zur Durchführung des Auftrags geeignet, weil sie insbesondere die Verfügbarkeit von notwendigen Personal und Gerät für die fach- und fristgerechte Ausführung der ausgeschriebenen Nassbaggerarbeiten nachgewiesen habe, einer vergaberechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Beigeladenen in Bezug auf die Verfügbarkeit des angebotenen WI-Geräts M und die zum Nachweis hierfür vorgelegten Unterlagen vergaberechtsfehlerfrei gemäß § 15 EU Abs. 1 VOB/A aufgeklärt.

(1) Nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf sich der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung bei einem Bieterunternehmen jederzeit Aufklärung über die Eignung, insbesondere die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung verschaffen. Bei einem bestehenden Aufklärungsbedarf ist eine Aufklärung insoweit möglich, als dass die Maßnahme nicht dazu dienen darf, dem Bieter eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung seines Teilnahmeantrags zu ermöglichen. Aufklärungsmaßnahmen dürfen nur zur Abklärung bestehender Zweifelsfragen, nicht aber zur Abänderung des Angebots führen, weil sonst der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) nicht gewahrt werden würde (OLG München, Beschl. v. 17.09.2015 – Verg 3/15; OLG Naumburg, Beschl. v. 23.02.2012 – 2 Verg 15/11, jurs – Rn 57 f.; OLG München, Beschl. v. 2. 9. 2010 – Verg 17/10). Das gilt auch für nachgereichte Unterlagen, die nicht unmittelbar das Angebot selbst, aber Eignungsnachweise betreffen (OLG München, Beschl. v. 17.09.2015 – Verg 3/15). Naturgemäß sind in offenen und nicht offenen Verfahren Verhandlungen über das Angebot unstatthaft (wegen des sog. Nachverhandlungsverbots, § 15 EU Abs. 3 VOB/A) – womit das innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichte Angebot gemeint ist, das nicht abgeändert werden darf.

Gemäß der Intention der VOB/A-EU, Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, darf der öffentliche Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls im Sinn von § 13 EU Abs. 1 Nr. 4, § 16 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich “ausschlusswürdig” sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15). Ist der öffentliche Auftraggeber, weil er wegen eines Widerspruchs einen Angebotsausschluss nicht sofort vornehmen darf, praktisch zu einer Aufklärung verpflichtet, hat er von sich aus, und zwar für Bieterunternehmen klar und eindeutig erkennbar, das Verfahren nach § 15 EU VOB/A einzuleiten. Dies folgt nicht nur aus dem Gebot der Transparenz, sondern auch daraus, dass der Auftraggeber Bietern zudem die Rechtsfolge einer unterbleibenden Mitwirkung, nämlich einen drohenden Angebotsausschluss nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A, nachhaltig vor Augen zu führen hat, um sie zu der gebotenen Mitwirkung anzuhalten (Senat, Beschl. v. 21.10.2015 – VII Verg 35/15 Rn 25 ff., NZBau 2016, 61).

(2) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist die von der Antragsgegnerin nach Angebotsabgabe betriebene Aufklärung des Angebots der Beigeladenen nicht zu beanstanden.

(a) Eine Aufklärung war nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil es sich – so die Auffassung der Antragstellerin – bei den auf das Aufklärungsverlangen eingereichten Erklärungen nicht um historische Unterlagen handelt. Die Antragsgegnerin hat keine mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen nachgefordert, da die Schiffsdokumente bereits vorlagen. Ziel ihres Aufklärungsverlangens war es vielmehr den Einfluss der zu installierenden WI-Technik auf die Schiffsdokumente abzuklären.

(b) Das Angebot der Beigeladenen war aufklärungsbedürftig. Weiterer Aufklärungsbedarf ergab sich aus den Antworten der Beigeladenen auf das jeweilige Aufklärungsverlangen der Antragsgegnerin. Die mit dem Angebot vorgelegten (gültigen) Schiffsdokumente waren auf “L” und nicht auf das angebotene WI-Gerät “M” ausgestellt, weshalb die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.11.2021 vermeintlich fehlende Unterlagen nachgefordert hat. Die Beigeladene erklärte mit Antwortschreiben vom 19.11.2021, dass “L” und “M” – wie bereits in den Angebotsunterlagen und der diesem beigefügten “Vorstellung und Beschreibung des WI-Systems “M” – mitgeteilt – ein und dasselbe Boot seien und “L” derzeit in “M” umbenannt und umgeflaggt werde. Ferner erläuterte sie unter Vorlage des Schreibens der vom 18.11.2021, dass die Ausstattung des Schiffs mit dem mobilen und modularen WI-System keine Auswirkung auf die Schiffsdokumente habe. Dies nahm die Antragsgegnerin zu Recht zum Anlass, die Beigeladene mit Aufklärungsschreiben vom 17.12.2021(versehentlich datierend auf den 17.11.2021) zur Verifizierung dieser Angaben aufzufordern. Sie bat um Mitteilung, inwieweit bezüglich der vorgesehenen Umbauten und des Gewichts eine Abstimmung mit dem zuständigen Flaggenstaat herbeigeführt worden sei. Lediglich in diesem Zusammenhang wurde auch um die Vorlage der Einverständniserklärung des Flaggenstaats für den Einsatz als WI-Gerät gebeten, alternativ sollte Auskunft darüber gegeben werden, bis wann die Einverständniserklärung beigebracht werden könne. Zudem wurde die Beigeladene um die Übersendung eines Umbauzeitplans gebeten.

In Reaktion hierauf hat die Beigeladene – anders als die Antragstellerin meint – keine wertungsrelevanten Unterlagen nachgereicht. Mit Antwortschreiben vom 31.12.2021 hat die Beigeladene mitgeteilt, dass die Klassifizierungsgesellschaft für die Frage der Eignung des Schiffs als mobiler WI-Bagger zuständig sei, und diese grundsätzlich keine Einwände habe, dass das “M” mit mobiler WI-Technik als WI-Bagger betrieben werde. Grundlage der Wertung blieben auch nach dieser Aufklärung die in dem technischen Datenblättern in Bezug auf das WI-Gerät “M” enthaltenen Angaben, welche allein durch die eingereichten Schiffsdokumente plausibilisiert werden. Auch das weitere Aufklärungsverlangen vom 06.01.2022 der Antragsgegnerin beinhaltet kein Nachfordern wertungsrelevanter Unterlagen oder eine inhaltliche Änderung des ursprünglichen Angebots. Die Beigeladene wurde unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 31.12.2021 aufgefordert, eine Stellungnahme der Zertifizierungsgesellschaft einzureichen, mit der diese bestätige, dass die eingereichten Schiffsdokumente unter Berücksichtigung des geänderten Einsatzzwecks weiterhin Gültigkeit behielten und keinen Änderungen unterlägen, woraufhin die Beigeladene mit Schreiben vom 11.01.2022 eine E-Mail der Klassifizierungsgesellschaft übersandte, aus der hervorgeht, dass sich die Klasse des Schiffs nicht ändere und daher eine Zustimmung des zuständigen Flaggenstaats nicht erforderlich sei, wobei noch eine abschließende Besichtigung stattzufinden habe. Auch diese Aufklärung diente allein der Plausibilisierung der Angaben der Beigeladenen, in Bezug auf die Auswirkungen des Aufbaus der mobilen WI-Technik auf die der Schiffsdokumente.

Demselben Zweck diente die Anfrage der Antragsgegnerin bei der BG Verkehr sowie die eigene Anfrage vom 05.01.2022 bei der Zertifizierungsgesellschaft, auf welche die Antragsgegnerin ebenfalls am 11.01.2022 eine der an die Beigeladene entsprechend lautende Antwort der Zertifizierungsgesellschaft erhalten hat. Die Antragsgegnerin durfte sich im Rahmen der Aufklärung an einen Dritten, vorliegend die BG Verkehr oder die Zertifizierungsgesellschaft wenden. Es ist grundsätzlich Sache der Vergabestelle, in welchem Umfang und wie sie die Plausibilität der Bieterangaben überprüft (OLG München, Beschl. v. 22.11.2012 – Verg 24/12).

Auch die Durchführung des Ortstermins diente dazu, den Umbauzeitplan zu verifizieren und festzustellen, ob das WI-Gerät rechtzeitig zum Vertragsbeginn fertig sein würde. Ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot gemäß § 15 EU Abs. 3 VOB/A ist darin nicht begründet. Es liegt auch kein Verstoß gegen das zwingende Formerfordernis der Textform für Angebote (§ 9 Abs. 2 VgV, § 11 EU Abs. 7 VOB/A) vor. Die im Ortstermin durchgeführte Aufklärung hatte keine Änderung oder Ergänzung des Angebots zum Ziel. Auch die dort gewonnen Erkenntnisse führen nicht zu einer Abänderung des Angebots, sondern dienten lediglich der Verifizierung der Angaben der Beigeladenen zur Realisierbarkeit der Montage der mobilen WI-Technik innerhalb des angegebenen Umbauzeitplans mit Fertigstellung zum Vertragsbeginn am 01.02.2022.

bb) Soweit die Antragsgegnerin nach durchgeführter Aufklärung die Eignung der Beigeladenen im Ergebnis bejaht hat und davon ausgegangen ist, dass ihr zum Vertragsbeginn am 01.02.2022 das angebotene WI-Gerät “M” einsatzbereit zur Verfügung stehen wird, erfolgte die materielle Eignungsprüfung ermessenfehlerfrei. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Einhaltung des Umbauzeitenplans für die Installation des mobilen und modularen WI-Systems auf dem Schiff “M” als auch bezüglich der nachzuweisenden geometrischen Abmessungen des fertiggestellten WI-Geräts.

(1) Nach den im Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen betrug der stahlbauliche Fertigungsstand der auf dem Schiff zu montierenden WI-Technik 80 Prozent. Zudem handelte es sich bei der modularen WI-Technik um eine der Antragsgegnerin bereits bekannte Technik, die auf einem anderen Gerät bereits erfolgreich zum Einsatz kommt, wie sie im Schriftsatz vom 13.06.2022 (vgl. Ziff. A.III.5) a), S. 8 ausführt. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die endgültige Montage auf dem Schiff mittels eines Mobilkrans ohne größeren Aufwand erfolgen kann, ist die seitens der Antragsgegnerin getroffene Einschätzung, dass der Umbauzeitplan zwar eng bemessen aber realistisch war, ermessensfehlerfrei erfolgt.

(2) Die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass sich durch die Installation der mobilen und modularen WI-Technik auf “M“/”L” die geometrischen Angaben, die sich bis dahin nur aus den Schiffsdokumenten für “L” ergaben, nicht verändern, ist nicht zu beanstanden. Ausweislich Ziff. 4 der “Hinweise zur Vorlage von Unterlagen und Formblättern” (dort S. 17) und Ziff. 1.4 des “Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweisen) waren die geforderten Schiffsdokumente zur Plausibilisierung der geometrischen Angaben der angebotenen WI-Geräte beizubringen. Zwischen den Verfahrensbeteiligten steht außer Streit, dass die Umbenennung und Umflaggung der “L” in “M” keinen Einfluss auf die sich aus den Schiffsdokumenten ergebenden geometrischen Angaben haben. Zutreffend ist die Antragsgegnerin darüber hinaus zu der Einschätzung gelangt, dass die Anbringung des WI-Systems auf dem Schiff “M” nicht zu einer Veränderung der im Freibordzeugnis und/oder Schiffsmessbrief der “L“/ “M” genannten geometrischen Angaben führt, diese also bei Ausstellung der Schiffsdokumente für den zum WI-Gerät umgerüsteten “M” unverändert bleiben.

Aus dem Schreiben der ### vom 18.11.2021 folgt, dass die Umbauten keinen Einfluss auf die für die Schiffdokumente entscheidenden Parameter haben, sondern lediglich eine Anmeldung im AIS – einem System, das durch Austausch von Navigations- und anderen Schiffsdaten die Sicherheit und Lenkung des Schiffsverkehrs verbessert – und den befahrenden Revierzentralen erfordern. Auch die Klassifizierungsgesellschaft ABS, Singapur äußerte sich in der mit Schreiben der Beigeladenen vom 11.01.2022 übersandte E-Mail entsprechend. Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Erklärungen unzutreffend sind, lagen für die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung nicht vor. Dies gilt unabhängig davon, dass sich aus dem weiteren Verlauf der Dinge ergibt, dass die Angaben zutreffend waren, da sie durch das am 23.02.2022 erteilte Freibordzeugnis bestätigt worden sind.

Aus alledem ergibt sich schließlich, dass die Antragsgegnerin davon ausgehen konnte und durfte, dass der Beigeladenen die für das WI-Gerät “M” beantragten Schiffsdokumente auch erteilt werden würden.

(3) Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene die unternehmensbezogenen Eignungsanforderungen nicht erfüllt, sind nicht ersichtlich. Ausweislich des Vergabevermerks der Antragsgegnerin (dort Seite 8) liegen drei Referenzen der Beigeladenen vor, die die geforderten Kriterien (Tidegebiet und Hydrodynamisches Verfahren) erfüllen.

(4) Was die auf Nachforderung der Antragsgegnerin vorgelegten Fotos von dem noch nicht zum WI-Gerät umgerüsteten Schiff “M” anbelangt, so bedarf es keiner Entscheidung, ob die Vorlage der Bilddokumente (Was soll auf den Bildern abgebildet sein? Was soll mit den Bilddokumenten nachgewiesen werden?) überhaupt wirksam gefordert worden sind. Jedenfalls ergibt sich hieraus im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung nichts zum Nachteil der Beigeladenen, da das WI-Gerät zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe – wie bereits oben ausgeführt – noch nicht einsatzbereit vorliegen musste.

d. Das Angebot der Beigeladenen ist schließlich auch nicht – wie die Vergabekammer zutreffend erkannt hat – wegen wissentlich falscher Angaben beziehungsweise vergaberechtswidriger Beeinflussung der Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) GWB beziehungsweise § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 und 9 lit. a) und c) VOB/A auszuschließen. Umstände, aus denen sich ein Ausschlussgrund nach den vorgenannten Vorschriften wegen einer schwerwiegenden Täuschung, wissentlich zurückgehaltener Informationen, des Versuchs der unzulässigen Beeinflussung der Entscheidungsfindung oder der fahrlässigen/vorsätzlichen Übermittlung irreführender Informationen ergeben könnte, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Die Beigeladene hat mit ihrem Angebot beziehungsweise auf das weitere Aufklärungsverlangen immer das angegeben, was ihr in Bezug auf das umzubauende WI-Gerät möglich war. Sie hat in dem vorzulegenden technischen Datenblatt “Blatt 1” die Angaben zu den Abmessungen des angebotenen WI-Geräts “M” ausdrücklich inklusive der WI-Gerätschaften gemacht. Hinsichtlich der Schiffsdokumente hat die Beigeladene auf Nachfrage angegeben, dass die Dokumente sich auf das von ihr noch umzubauende Schiff beziehen würden und dass sie davon ausginge, dass durch die Umbauten keine Änderungen der Schiffsdokumente erforderlich werden würden, wie sich aus der von ihr hierzu beigefügten Stellungnahme des sie beratenden Büros vom 18.11.2021 ergebe.

e. Die Wertung der Angebote erfolgte vergaberechtsfehlerfrei im Sinne des § 127 Abs. 1 GWB. Ein wertungsrelevanter Wertungsfehler betreffend das Zuschlagskriterium “Technischer Wert” liegt nicht vor. Selbst wenn man der Antragstellerin für das Zuschlagskriterium “Technischer Wert“, welches 30 Prozent der Gesamtwertung ausmacht, hypothetisch die volle Punktzahl von 300 Wertungspunkten zubilligen würde – wie es die Antragstellerin für zutreffend erachtet -, erhielte sie in Summe weiterhin weniger Punkte als die Beigeladene aufgrund des seitens der Antragstellerin angebotenen deutlich höheren Preises.

f. Auf die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin wegen Nichterfüllung mehrerer technischer Mindestanforderungen auszuschließen sei (Tiefgang, Mindestbreite WI-Balken nicht erreicht, Pumpleistung) – wie von der Beigeladenen behauptet, kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an, da es in der Wertung hinter dem Angebot der Beigeladenen liegt.

2. Die nach §§ 171, 172 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

a. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 GWB.

aa. Die Antragstellerin hat durch die Abgabe ihres Angebots ihr Interesse an dem Auftrag dokumentiert.

bb. Zudem macht sie die Verletzung von Vergabevorschriften geltend, indem sie unter anderem einen vergaberechtswidrig unterlassenen Ausschluss der Beigeladenen von dem Vergabeverfahren rügt.

cc. Die Antragstellerin hat den geltend gemachten Vergabeverstoß, von dem sie aufgrund der Mitteilung der Antragsgegnerin nach § 134 GWB am 16.01.2022 Kenntnis erlangt hat, mit Anwaltsschreiben vom 26.01.2022 und damit innerhalb der Frist des § 160 Abs. § S. 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig gerügt.

b. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

aa. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht auszuschließen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf Ziff. II.1 der Gründe Bezug genommen.

bb. Ein wertungsrelevanter Wertungsfehler betreffend das Zuschlagskriterium “Technischer Wert” im Sinne des § 127 Abs. 1 GWB liegt nicht vor. Auf Ziff. II.1.f) der Gründe wird verwiesen.

c. Der hilfsweise gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag zu Ziff. 3 mit dem die Antragstellerin beantragt festzustellen, dass mit der – aus ihrer Sicht – unzureichenden Vorabinformation vom 16.01.2022 und der dadurch verkürzten “Mindestüberlegungsfrist” des § 134 GWB eine Verletzung ihrer Bieterrechte auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 6 GWB vorgelegen hat (Rüge 1), hat keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Vorabinformationsschreiben vom 16.01.2022 über den bevorstehenden Zuschlag an die Beigeladene informiert und ferner mitgeteilt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste sei. Zur Begründung wurde auf die Netto-Angebotssumme der Antragstellerin und die Wertungspunkte für die Zuschlagskriterien Preis sowie Technischer Wert hingewiesen. Diese Angaben waren gemessen am Zweck des § 134 Abs. 1 GWB, der Antragstellerin eine nachvollziehbare Begründung über die Gründe der Nichtberücksichtigung ihres Angebots zu liefern und ihr eine Prüfung zu ermöglichen, ob sie Vergaberechtsschutz in Anspruch nehmen möchte, ausreichend.

3. Ein über das der Antragstellerin bereits gewährte weitergehendes Akteneinsichtsrecht nach § 165 Abs. 1 GWB besteht aus den Gründen des Beschlusses vom 04.01.2023, auf die vollinhaltlich Bezug genommen wird, nicht.


III.

Die Kostenentscheidung betreffend die Kosten des Vergabekammerverfahrens beruht auf § 182 Abs. 3 S. 1 und 2 GWB. Die Antragstellerin hat die Kosten ihres erfolglosen Nachprüfungsantrags zu tragen. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen hat die Vergabekammer vergaberechtsfehlerfrei nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG bejaht.

Die Kostenentscheidung betreffend das Beschwerdeverfahren beruht auf (§ 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 S. 2 GWB). Die Kostentragungspflicht beruht auf der Unbegründetheit des Rechtsmittels der Antragstellerin.

Der Beschwerdewert wird auf bis ### EUR festgesetzt. Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des auf die fest vorgesehene Laufzeit entfallenden Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senat, Beschl. v. 10.02.2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn 56). Eine Verlängerungsoption ist grundsätzlich mit fünf Prozent der Hälfte des Auftragswertes für diesen Zeitraum zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v.18.03.2014 – X ZB 12/13, NZBau 2014, 452).

VK Sachsen zur Frage, ob ein Ausschluss eines ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebots nicht in Betracht kommt, wenn der Auftraggeber die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten zufriedenstellend aufklären kann

VK Sachsen zur Frage, ob ein Ausschluss eines ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebots nicht in Betracht kommt, wenn der Auftraggeber die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten zufriedenstellend aufklären kann

vorgestellt von Thomas Ax

Die Vergabekammer hat nicht zu bewerten, ob ein Angebot auskömmlich oder unauskömmlich ist, sondern ob die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot als auskömmlich oder unauskömmlich zu bewerten, auf Basis eines zutreffend und hinreichend ermittelten Sachverhaltes und einer gesicherten Erkenntnisgrundlage getroffen wurde und im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei dieser Prognoseentscheidung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher nur einer eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Vergabekammer unterliegt. Ein Ausschluss eines ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebots kommt nicht in Betracht, wenn der Auftraggeber nach der Prüfung gem. § 60 Abs. 1 und 2 VgV anhand der vom Bieter vorgelegten Unterlagen die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten zufriedenstellend aufklären kann. Dann ist bereits der Tatbestand des Ausschlussgrunds aus § 60 Abs. 3 S. 1 VgV nicht gegeben. Sofern der Bieter eine seriöse Kalkulation seines ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebots nachweist, indem er die Gründe seiner Angebots- und Preisgestaltung nachvollziehbar und stichhaltig aufschlüsselt, darf sein Angebot nicht ausgeschlossen werden. Maßgeblich ist dabei, ob der Bieter nachvollziehbar erklären kann, aufgrund sach- und/oder unternehmensbezogener sowie wettbewerbsorientierter Gründe günstiger als das Bieterumfeld kalkuliert zu haben. Ein nachvollziehbarer Grund für eine sehr niedrige Kalkulation kann im Einzelfall z. B. die Erlangung einer neuen Referenz sein, um damit ein – wettbewerblich erwünschtes – Verbleiben im Markt zu gewährleisten.
VK Sachsen, Beschluss vom 10.02.2023 – 1/SVK/031-22

Gründe:

I.

Auftragsgegenstand des streitigen Nachprüfungsverfahrens sind Planungsleistungen für die Objektplanung von Verkehrsanlagen und Objektplanung von Ingenieurbauwerken, Leistungsphasen 8/9 einschließlich Bauüberwachung. Der Dienstleistungsauftrag wurde im offenen Verfahren ausgeschrieben und die Auftragsbekanntmachung am 23. Dezember 2021 veröffentlicht.

Als Zuschlagskriterien waren vorgesehen der Preis mit einem Gewicht von 60 %, personenbezogene Referenzen mit einem Gewicht von 30 % und Personaleinsatz Bauoberleitung mit einem Gewicht von 10 %.

Die Antragstellerin beteiligte sich fristgerecht mit einem Angebot am Wettbewerb.

Ihr wurde mit Informationsschreiben vom 19. April 2022 mitgeteilt, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle. Diese Zuschlagsabsicht war bereits Gegenstand eines vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens der Vergabekammer.

Mit Beschluss vom 5. August 2022 – 1/SVK/012-22 – wurde der Auftraggeber verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor Durchführung der Wertung der Angebote zurückzuversetzen und die Prüfung der Angemessenheit des Preises des Angebotes der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

Am 11. November 2022 informierte der Auftraggeber die Antragstellerin darüber, das Angebot der Beigeladenen bezuschlagen zu wollen.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. November 2022 die beabsichtigte Vergabeentscheidung. Das Angebot der Beigeladenen sei nach wie vor als ungewöhnlich niedriges Angebot einzustufen und dürfe nicht den Zuschlag erhalten. Die Gründe, welche zu dieser Einschätzung führen, seien im Detail bereits im ersten Nachprüfungsverfahren mitgeteilt worden.

Der Auftraggeber teilte hierzu am 18. November 2022 mit, dass die erneute Preisprüfung ergeben habe, dass das Angebot der Beigeladenen auskömmlich sei und Gründe für einen Ausschluss nicht vorlägen. Der Auftraggeber habe sich zunächst mit der eigenen Auftragswertschätzung auseinandergesetzt und hierbei festgestellt, dass er das Element der freien Preisbildung bisher nur unzureichend berücksichtigt habe.

Insbesondere für die Leistungen der örtlichen Bauüberwachung, der Bauoberleitung und der Objektbetreuung habe man nunmehr eine konkrete Schätzung zum eigenen Zeitaufwand durchgeführt und als Kostenansätze die Mann-Monats-Sätze für den fiktiven Einsatz von fachlich qualifiziertem Eigenpersonal verwendet. Der Auftragswert der streitigen Leistungen sei demnach mit etwa 770.000 EUR netto geschätzt worden. Von der Beigeladenen seien Informationen zu den Kalkulationsgrundsätzen hinsichtlich des Stundensatzes für die Kalkulation der örtlichen Bauüberwachung erfragt worden. Man habe um Übersendung eines Personaleinsatzplanes für die Leistungserbringung gebeten und verschiedene Eigenerklärungen abgefordert. Eine konkrete Auskunft zu den Antworten der Beigeladenen könne aus Geheimschutzgründen nicht erfolgen. Im Ergebnis habe der Auftraggeber nach einer konkreten Auseinandersetzung mit den ausreichenden Angaben der Beigeladenen die Auskömmlichkeit des Angebotes festgestellt.

Die Antragstellerin beantragte am 21. November 2022 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begeht, dass der Auftraggeber verpflichtet werde, die Wertungsentscheidung unter Berücksichtigung der Auffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

Der Auftraggeber sei durch die Vergabekammer mit Beschluss vom 5. August 2022 verpflichtet worden, die Preisprüfung fortzusetzen bzw. zu wiederholen. Ausweislich des Schreibens des Auftraggebers vom 18. November 2022 habe er dies aber nicht getan. Er habe vielmehr seine eigene Auftragswertschätzung erheblich nach unten korrigiert. Damit liege das Angebot der Beigeladenen nun in einem Bereich, welcher zuschlagsfähig erscheint. Dieses Vorgehen begegne durchgreifenden vergaberechtlichen Bedenken.

Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der Auftraggeber in der Verhandlung am 21. Juli 2022 erklärt habe, dass er die Auftragswertschätzung für die überwiegend relevante Teilleistung örtliche Bauüberwachung auftragsbezogen ermittelt habe. Im Schreiben vom 18. November 2022 habe er mitgeteilt, dass “nunmehr …” konkrete Schätzungen zum eigenen Zeitaufwand durchgeführt worden seien. Nur eine der beiden Aussagen könne richtig sein.

Die ursprüngliche Auftragswertermittlung des Auftraggebers habe für die Teilleistung örtliche Bauüberwachung einen Wert von etwa 922.000 EUR vorgesehen. Die jetzige Auftragswertschätzung sehe nur noch einen Wert von 518.000 EUR vor. Damit habe der Auftraggeber seine eigene Auftragswertschätzung auf 56 % der Ursprungswerte reduziert. Auch die Kostenschätzung für die Bauoberleitung wurde von ursprünglich 307.000 EUR auf nunmehr 229.000 EUR das heißt auf etwa 75 % des Ursprungswertes, reduziert. Beides werde nicht ansatzweise erläutert. Der Auftraggeber habe damit für die örtliche Bauüberwachung einen zeitlichen Aufwand ermittelt, welcher erheblich unter dem kalkulierten Personaleinsatz der Antragstellerin liege. Für die Bauoberleitung habe der Auftraggeber einen Aufwand von 32,8 Mann-Monaten als erforderlich angesehen. Teile man die jeweiligen Teilauftragswerte durch den jeweiligen Aufwand, ergebe sich für die örtliche Bauüberwachung ein Kostenansatz pro Mann-Monat von etwa 10.000 EUR und für die Bauoberleitung ein solcher in Höhe von 7.000 EUR. Dies verwundere, weil Leistungen zur Bauoberleitung qualitativ anspruchsvoller seien und tendenziell teurer sein müssten. Der vom Auftraggeber mitgeteilte Gemeinkostenfaktor von 1,9 beruhe nicht auf den Orientierungswerten des AHO. Sie lägen tatsächlich höher. In Abhängigkeit von der Bürogröße, nämlich zwischen 2,1 und 3,1. Zusammengefasst dränge sich der Eindruck auf, der Auftraggeber habe nicht etwa eine Preisprüfung durchgeführt, sondern seine eigene Auftragswertermittlung so angepasst, dass das Angebot der Beigeladenen zuschlagsfähig werde.

Mit Schreiben vom 30. November 2022 erwiderte der Auftraggeber. Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Der Auftraggeber habe erneut keinen Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen feststellen können.

Für die erneute Preisprüfung des Angebotes der Beigeladenen sei der Maßstab, den die Vergabekammer im Beschluss vom 5. August 2022 aufgezeigt habe, angewendet worden. Insbesondere habe man das Preis-Leistungs-Verhältnis des Angebotes der Beigeladenen konkret ermittelt. Auch nach Korrektur der Auftragswertschätzung sei die Aufgreifschwelle überschritten. Man habe im Rahmen der Preisprüfung auch von der Antragstellerin zur Verfügung gestellte Informationen zum besseren Verständnis der Kalkulationsstrukturen verwendet. Im vorangegangenen früheren Nachprüfungsverfahren sei die Auftragswertschätzung nicht streitentscheidend gewesen. Soweit die Antragstellerin auf vermeintliche Differenzen zwischen Aussagen des Auftraggebers in der ersten mündlichen Verhandlung und dem Schreiben vom 18. November 2022 hinweise, beruhe dies darauf, dass der damals anwesende Vertreter sich nicht eingehend mit dem Thema Auftragswertschätzung auseinandergesetzt hatte und auseinandersetzen musste. Auch nach Korrektur der Auftragswertschätzung sei die Aufgreifschwelle überschritten. Die folgenden Ausführungen zur Kostenschätzung würden demnach nur vorsorglich erfolgen. Eine Prüfung und Korrektur der eigenen Auftragswertschätzung sei grundsätzlich möglich. Wegen der von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung des ersten Nachprüfungsverfahrens geäußerten diesbezüglichen Zweifel war sie geradehin vorsorglich geboten. In der aktualisierten Auftragswertschätzung seien nunmehr Elemente der freien Preisbildung berücksichtigt worden. Hierfür sei die Kostenermittlung unter der Annahme des Einsatzes von entsprechend qualifiziertem Eigenpersonal aufgestellt worden. Um eine objektbezogene und die Realität besser als ursprüngliche abbildende Kostenermittlung zu erhalten, erfolgte eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Preisbildungsansätzen (Stundenlohnkosten, Lohnnebenkosten, GKF-Anteil aus Sachkosten und Zuschlägen) und gewerkespezifischen Einsatzzeiten neben einer zugehörigen Leistungszeitenermittlung. Man habe für die örtliche Bauüberwachung einen Rahmen von etwa 518.000 EUR netto ermittelt. Die aktuellen Kosten der Bauoberleitung seien auf etwa 229.000 EUR netto geschätzt worden. Die nunmehr durchgeführte Auftragswertschätzung entspräche näher der Realität.

Soweit die Antragstellerin ausführe, dass die Mann-Monats-Sätze in der Auftragswertschätzung der örtlichen Bauüberwachung höher ausfallen als die der Bauoberleitung und dies auffällig sei, könne man diesen Einwand nicht nachvollziehen, da dies im Angebot der Antragstellerin ebenfalls so sei.

Der Auftraggeber habe bei der Auftragswertermittlung einen Gemeinkostenfaktor entsprechend dem Orientierungswert AHO von 1,9 gewählt. Dies entspreche in etwa dem Mittelwert, der AHO-Tabelle. Die Antragstellerin gehe selbst von einem 40-Stunden-MannWocheneinsatz aus und lege für ihre Leistungen der örtlichen Bauüberwachung einen vergleichbaren Gemeinkostenfaktor zugrunde. Dahingehend würden sich die Herangehensweisen der Antragstellerin und des Auftraggebers zur Preisermittlung nicht unterscheiden.

Mit Beschluss vom 5. Dezember 2022 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen.

Nach Akteneinsicht nahm die Antragstellerin am 14. Dezember 2022 erneut Stellung. Die Akteneinsicht sei unzureichend. Das übermittelte neunseitige Dokument Preisprüfung durch Fachabteilung sei in einem Umfang geschwärzt, der in großen Teilen eine sinnvolle Befassung mit diesem Dokument ausschließe. Der Geheimschutz umfasse nicht konkret baustellenbezogene Informationen, wie beispielsweise den von der Beigeladenen eingereichten Personaleinsatzplan. Vor diesem Hintergrund sei der Antragstellerin erweiterte Akteneinsicht zu gewähren.

Die Ausführungen des Auftraggebers zur Änderung der Auftragswertschätzung seien nicht nachvollziehbar und praxisfremd. Es dränge sich der Eindruck auf, dass der Auftraggeber die Beigeladene “auf Biegen und Brechen” im Vergabeverfahren halten wolle.

Aus dem Dokument Preisprüfung seien grobe inhaltliche Fehler erkennbar.

In Ziffer 3.2 des Dokuments Preisprüfung sei ersichtlich, dass die Beigeladene augenscheinlich mit einem Preis für die Leistungen zur Kostenkontrolle im einstelligen Eurobereich, wahrscheinlich mit 0 EUR kalkuliert habe. Diese Summe decke sich mit der aktualisierten Auftragswertermittlung des Auftraggebers und sei somit aus dessen Sicht unauffällig. Tatsächlich sei die Auftragswertermittlung in diesen Punkten jedoch grob falsch. Der Auftraggeber führe aus, bei der Kostenkontrolle im eigenen Haus stünden die dafür erforderlichen Daten aufgrund der vorhandenen AVA-Software und der Datenübernahme ins zentrale Netzwerk bereits im Rahmen der Erbringung der Grundleistung der Bauoberleitung zur Verfügung. Die Kostenkontrolle erzeuge mithin keinerlei Mehraufwand. Die AVA-Software und das zentrale Netzwerk würden den externen Bietern jedoch nicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sei in den Vergabeunterlagen zur Position 8.01 Kostenkontrolle ausgeführt worden, welche Leistungen davon mit umfasst seien. Gerade die Punkte “Abschätzung von Kostenänderungen in Einzelbereichen auf die Gesamtbaumaßnahme“, “Ergründung der Ursache der Kostenänderungen” sowie “laufende Unterrichtung des Auftraggebers” seien offensichtlich mit Aufwand verbunden. Der Ansatz eines Vergütungsansatzes von 0 EUR durch den Auftraggeber sei mithin grob falsch.

In dem Dokument Preisprüfung werde weiter ausgeführt, dass die Beigeladene um Preisaufklärung gebeten worden sei und daraufhin eine Erklärung abgegeben habe. Diese stehe der Antragstellerin nicht zur Verfügung, da sie vollständig geschwärzt worden sei. Wenig später heiße es “Die Erläuterung des Bieters ist nachvollziehbar. Sie decke sich mit den Erfahrungen des ###, wonach …“. Danach erfolgt wieder eine Schwärzung. Die Erfahrungen des ### seien nicht als Geschäftsgeheimnisse eines Mitbewerbers zu betrachten. Deshalb müsse die entsprechende Passage offengelegt werden.

In Ziffer 3.3 des Dokuments Preisprüfung des Angebotsbieters 4 werde ausgeführt, dass der überarbeiteten Auftragswertschätzung ein Arbeitszeitansatz von 1,2 Mann-Monat-Sätzen zugrunde liege. Eine nähere Erläuterung, wie sich dieser Wert ermittelt habe, finde sich nicht.

Zur Position 8.02 ergebe sich aus dem Ausschreibungstext, dass von einer zu bearbeitenden Gesamtanzahl von Nachtragspositionen von insgesamt 570 Stück ausgegangen werde. Der Auftraggeber setze für diesen Leistungsteil 0,7 Mann-Monate, das heißt, 112 Stunden an. Daraus lasse sich rückrechnen, dass für jede zu prüfende Nachtragsposition ein Zeitansatz von 11,8 Minuten vorhanden sei. Den Ausführungen des Auftraggebers im Dokument Preisprüfung sei weiter zu entnehmen, dass als Stundensatz für die Leistungen der Bauoberleitung 83,13 EUR als Wert für die Kostenschätzung angesetzt worden sei. Weiter führe der Auftraggeber dann aus, dass der Stundensatz der Beigeladenen zwar unterhalb des Wertes auf der Auftragswertermittlung (83,13 EUR sowie unterhalb des angebotenen Stundensatzes der Antragstellerin (70,00 EUR läge. Weiter führe der Auftraggeber aus, dass dieser Wert ortsüblich und innerhalb der Bandbreite üblicher Angebote sei. Zum Beleg dieser Tatsache verweise der Auftraggeber auf eine Ausarbeitung der Architektenkammer Berlin zu angemessenen Stundensätzen. Aus dieser ergebe sich wiederum, dass der minimale Stundensatz von technischen Mitarbeitern bei 60,00 EUR läge.

Daraus könne geschlussfolgert werden, dass die Beigeladene mindestens 60,00 EUR/Stunde kalkuliert habe. Den weiteren Ausführungen des Auftraggebers sei dann zu entnehmen, dass das Angebot der Beigeladenen von der Auftragswertschätzung erheblich abweiche. Daraus lasse sich dann wegen des Vorgesagten nur der Schluss ziehen, dass die Beigeladene für die Prüfung einer Nachtragsposition einen erheblich geringeren Zeitaufwand kalkuliert habe als die 11,8 Minuten, welche der Auftraggeber angesetzt habe. In der Leistungsbeschreibung sei dezidiert vorgegeben gewesen, welche Leistungen der Auftraggeber zu jeder einzelnen Antragsposition erwarte. Die Beigeladene habe ganz offensichtlich erklärt, eine derartig komplexe Leistung in erheblich weniger als 11,8 Minuten/Position erbringen zu wollen. Der Auftraggeber habe im Dokument Preisprüfung hierzu lediglich festgestellt, dass das Honorar der Beigeladenen “auskömmlich im Umfang der zugrunde liegenden Leistungskalkulation” sei. Eine konkrete inhaltliche Aussage lasse sich diesem Satz nicht entnehmen.

In Ziffer 3.4 befasse sich das Dokument Preisprüfung mit den besonderen Leistungen “Mitwirkung bei der Bearbeitung von Presseanfragen“. Augenscheinlich habe die Beigeladene auch hier wieder einen Wert von 0 EUR angeboten und der Auftraggeber sei ebenfalls zu einer Aufwandsschätzung von 0 EUR gekommen. Dies begründe er damit, dass bei der Beantwortung von Presseanfragen, die ohnehin zu führenden Bauberatungsprotokolle als Informationsquelle zur Weitergabe an die Pressestelle bereitstünden. Abgesehen davon, dass selbst dies einen Aufwand darstelle, sei auf die Leistungsbeschreibung der Position 8.03 hinzuweisen. Dort heiße es, dass Entwürfe von Texten zu Presse- und sonstigen Anfragen zu fertigen seien. Mit der kommentarlosen Weitergabe von existierenden Bauberatungsprotokollen sei es an dieser Stelle offensichtlich nicht getan. Die Auftragswertschätzung des Auftraggebers sei mithin grob fehlerhaft.

Der Auftraggeber erläutere in Ziffer 3.5 des Dokuments Preisprüfung, dass er von einem Arbeitszeitansatz von 51,4 Mann-Monaten und einem Stundensatz von 62,94 EUR für die örtliche Bauüberwachung ausgegangen sei. Aus dem Personaleinsatzplan des Auftraggebers lasse sich dann wiederum erkennen, dass dieser für die örtliche Bauüberwachung im Bereich der Verkehrsanlagen mit einem Personaleinsatz von 0,9 Mitarbeitern und im Bereich der Ingenieurbauwerke von 0,7 Mitarbeitern ausgegangen sei. Umgerechnet auf die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hieße dies, dass der eingesetzte Mitarbeiter pro Woche 28 Stunden Zeit habe, sämtliche Leistungen der Bauüberwachung zu erbringen. Auch hier ergebe sich aus der Leistungsbeschreibung, dass die Aufgabe der örtlichen Bauüberwachung komplex und vielschichtig sei. Es müssten über ein halbes Dutzend Ingenieurbauwerke gleichzeitig überwacht werden. Somit sei der geschätzte Personaleinsatz des Auftraggebers nicht ansatzweise realistisch.

Soweit der Auftraggeber den Personaleinsatzplan der Beigeladenen, welcher offensichtlich vom Ansatz des Auftraggebers nochmals erheblich abweiche, mit den Worten “Der geplante Personalansatz und somit der Leistungsansatz zur Preisbildung wird damit seitens der Fachabteilung als auskömmlich eingeschätzt.” würdige, sei dies nicht nachvollziehbar. Eine Begründung oder ein Argument für dieses Ergebnis finde sich nicht.

Der zentrale Fehler der gesamten Preisprüfung finde sich auf Seite 8 des Dokuments Preisprüfung. Dort befasse sich der Auftraggeber mit dem Stundenlohn, den die Beigeladene für die Ausführung der örtlichen Bauüberwachung kalkuliert habe. Dort finde sich der Satz:

Auch der Auftragswertermittlung des ### liegt ein in etwa adäquater Höhe einordenbarer Stundenlohnsatz von 33,13 EUR/Stunde zugrunde.

Sodann befasse sich der Auftraggeber offensichtlich mit Möglichkeiten zur Preisgestaltung, was erneut darauf hindeute, dass der von der Beigeladenen angesetzte Stundensatz unterhalb von 33,13 EUR liege. Ohne jedwedes Argument werde dann die Auskömmlichkeit bestätigt. Der grundsätzliche Fehler dieser Darstellung liege darin, dass die Auftragswertermittlung des Auftraggebers im Bereich der örtlichen Bauüberwachung eben genau nicht einen Stundenlohn von 33,13 EUR, sondern einen solchen von 62,94 EUR enthalte. Die Herleitung dieses Satzes ist auf Seite 6 des Dokuments Preisprüfung ausführlich dargestellt. Der Auftraggeber vergleiche somit auf Seite 8 einen Stundensatz von 33,13 EUR mit dem angebotenen Stundensatz der Beigeladenen und bestätige daraufhin die Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen.

Tatsächlich hätte der Auftraggeber jedoch den Stundensatz aus dem Angebot der Beigeladenen mit einem Nennstundensatz von 62,94 EUR in Relation setzen müssen. Dass dem Auftraggeber ein derart schwerwiegender Fehler unterlaufe, lasse sich schlicht nicht mehr mit Nachlässigkeit erklären.

Hierzu nahm der Auftraggeber mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 Stellung. Ausschlaggebend für das streitige Vergabeverfahren sei die tatsächlich vorliegenden Auftragswertschätzungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Angebotswertung. Es sei somit unerheblich, ob der Auftraggeber ursprünglich den Ansatz einer zeitabhängigen Auftragswertschätzung verfolgt habe oder nicht. Vor Zurückversetzung des Vergabeverfahrens durch den Beschluss der Vergabekammer vom 5. August 2022 sei die Auftragswertschätzung auf Basis anrechenbarer Kosten und Multiplikation gebildet worden. Lediglich bei der Vorbereitung des Vergabeverfahrens sei zunächst eine aufwandsbezogene Auftragswertschätzung in Erwägung gezogen worden. Nach der Zurückversetzung habe sich der Auftraggeber intensiv mit seiner eigenen Auftragswertschätzung unter Einbezug der Novellierung der HOAI und dem Ansatz freier Preisbildungsoptionen beschäftigt, insbesondere mit festzulegenden Leistungszeitansätzen sowie Preisbildungsgrundlagen für Lohnkostensätze und Sachkosten sowie Zuschläge. Was daran praxisfremd sein soll, sei nicht nachvollziehbar.

Bereits in der mündlichen Verhandlung zum ersten Nachprüfungsverfahren sei diskutiert worden, ob die Auftragswertschätzung ordnungsgemäß sei.

Der Auftraggeber arbeite mit einer marktüblichen AVA Software, welche die in Ziffer 8.01 der Leistungsbeschreibung geforderten Funktionen anbiete. Diese Software könne auch von anderen Unternehmen genutzt werden, weshalb die ermittelten Preisbildungsansätze im Rahmen der Auftragswertschätzung von allgemeiner Natur seien.

Für die Auftragswertschätzung sei der Auftraggeber hinsichtlich der Nachtragsbearbeitung von unterschiedlichen Zeitansätzen im Ingenieurbau (20 Minuten) und im Streckenbau (12 Minuten) ausgegangen. Dies korrespondiere mit den Erfahrungen des Auftraggebers. Einzelheiten dazu fänden sich in der vorgenommenen Preisprüfung.

Bereits aus dem Titel der Position 8.03 “Mitwirken bei der der Bearbeitung Presseanfragen” ergebe sich, dass der Auftragnehmer für die Aufgaben der Pressearbeit lediglich durch eine Mitwirkungspflicht eingebunden werde. Dieser Umfang sei nicht so gestaltet, dass von einer turnusmäßigen oder regelmäßigen Befassung auszugehen sei. Üblicherweise sei bei der betreffenden Leistungsposition nur von einem sehr untergeordneten Leistungsumfang auszugehen, was sich im Angebot der Antragstellerin zeige. Gefordert seien Textentwürfe zur Darstellung aktueller Sachstände wie Bauablauf oder Bautenstand. Dazu könne auf bereits vorhandene Textbausteine aus Bauberatungen etc. zurückgegriffen werden, wofür nicht zwingend ein Honorar auszuweisen sei.

Der Auftragswertschätzung läge ein Bauzeitplan der Einzelgewerke zugrunde. Daraus sei ersichtlich, dass die Objektbetreuung der Ingenieurbauwerke zwar phasenweise für mehrere Bauwerke überschneidend erfolge, diese sich jedoch dann in unterschiedlichen Abwicklungsphasen befinden würden. Entsprechend alternierend sei der Personaleinsatz für die örtliche Bauüberwachung. Die entsprechende Schätzung schließe ein, dass z. B. in der Hochlaufphase der Bauabwicklung von mehreren parallelen Ingenieurbauwerken sich die Bauüberwachung in Vollzeit auf der Baustelle befinden werde, hingegen in Zeiten der Bauabflachung weniger Überwachungstätigkeit anfalle.

Die von der Beigeladenen angebotene Bauüberwachungszeit habe man im Vergleich mit der in der Auftragswertschätzung vorgesehenen Bauüberwachungszeit als auskömmlich angesehen. Soweit die Antragstellerin von einem angeblich “zentralen Fehler” bei der Auftragswertschätzung spreche, sei dies unzutreffend, da sie Verrechnungslöhne, Stundenlöhne und Lohnkosten nicht exakt trenne. Der Auftraggeber sei von einem Stundenlohn des örtlichen Bauüberwachers von 25,35 EUR ausgegangen, zuzüglich Lohnnebenkosten würden sich Lohnkosten von 33,13 EUR ergebe. Auf diese müssten schließlich die Gemeinkosten aufgeschlagen werden, sodass man am Ende im Rahmen der Auftragswertschätzung von einem Verrechnungsstundensatz von 62,94 EUR ausgehe.

Die Antragstellerin erhielt am 3. und 11. Januar 2023 erweiterte Akteneinsicht.

Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2023 trägt die Antragstellerin vor, dass die Ausführungen des Auftraggebers zur Auftragswertschätzung nicht nachvollziehbar seien, da mittlerweile drei unterschiedliche Herangehensweisen hierzu vorgetragen worden seien.

Bezüglich der Preisprüfung verkenne der Auftraggeber weiterhin, was Prüfungsumfang dieses Verfahrensschrittes sei. Es sei entgegen den Aussagen des Auftraggebers gerade nicht Aufgabe, sich erneut mit der eigenen Auftragswertschätzung zu befassen. Vielmehr sei im Rahmen der Preisprüfung die Auskömmlichkeit des Angebotes eines Bieters zu prüfen. Der Ansatz des Auftraggebers, sich zunächst tiefgreifend mit der eigenen Auftragswertschätzung zu befassen, führe zwangsläufig dazu, dass das Ergebnis der Preisprüfung verfälscht werde. Ein Auftraggeber, welcher die Erläuterungen eines Bieters zur Methodik seiner Preisermittlung zur Kenntnis genommen habe und danach die eigene Auftragswertschätzung überarbeite, werde dies nie objektiv tun können, sondern die Argumente des Bieters in die Überarbeitung einfließen lassen. Damit werde der zu prüfende Sachverhalt (Preis) gleichermaßen zum Maßstab seiner eigenen Prüfung gemacht. Dadurch entstehe ein logischer Zirkelschluss.

Dies lasse sich hier ganz offensichtlich bei den Positionen 8.01 und 8.03 beobachten. Der Auftraggeber habe die Auftragswertschätzung bewusst oder fahrlässig so hingerechnet, dass das zu prüfende Angebot unbedenklich sei.

Diese beiden Positionen seien ausdrücklich als in mehrere Teilleistungen aufgegliederte Leistung aufgeschrieben worden. Die Beigeladene habe beide Positionen mutmaßlich zu einem Preis von 0 EUR angeboten. Damit handele es sich auf den ersten Blick also augenscheinlich um ein Unterkostenangebot. Im Ergebnis der Preisprüfung habe der Auftraggeber festgestellt, dass diesbezüglich kein Unterkostenangebot der Beigeladenen vorliege. Dieses Ergebnis lasse sich nur dann erreichen, wenn mit der Leistungserbringung keinerlei Kosten verbunden seien. So argumentiere der Auftraggeber und offensichtlich auch die Beigeladene. Bezüglich der Position 8.01 (Kostenkontrolle) werde dies mit dem Einsatz einer Software begründet, welche bereits im Zuge der Grundleistungen der Bauoberleitung alle erforderlichen Arbeiten erledige. Hinsichtlich der Position 8.03 (Presseanfragen) werde damit argumentiert, dass die in dieser Position beschriebenen Leistungen sich hauptsächlich auf das Übermitteln bereits vorhandener Textbausteine beziehe. Es sei jedoch unmöglich, die Protokolle einer Bauberatung exakt so zu führen, dass mit der bloßen Weitergabe des Protokolls jede beliebige nachfolgende Presseanfrage beantwortbar sei. Selbst wenn dem so wäre, würde das Heraussuchen und Weiterleiten der entsprechenden Protokolle einen Aufwand erzeugen, welcher größer als 0 EUR sei. Sowohl der Auftraggeber als auch die Beigeladene würden mit ihren Aussagen versuchen zu verschleiern, dass die in den beiden genannten Positionen ausgeschriebenen Leistungen offenkundig im Rahmen der Grundleistungen der Bauoberleitung bzw. der örtlichen Bauüberwachung miterledigt werden sollen. Die Beigeladene verlange und erhalte somit für die Erbringung dieser Leistungen also sehr wohl eine Vergütung, weise diese jedoch nicht der Position aus. Damit handele es sich bei der Preisangabe zu den beiden genannten Positionen um eine klassische Mischkalkulation, welche zum Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen führen müsse.

Bezüglich der Position 8.02 (Nachtragsprüfung) bleibe es dabei, dass die Zeitansätze der Beigeladenen für die Prüfung von Nachträgen objektiv nicht ausreichend seien, die ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen.

Hinsichtlich der Position 8.05 (örtliche Bauüberwachung) habe die ursprüngliche Auftragswertschätzung des Auftraggebers ein Honorar von 968.000 EUR vorgesehen. Nunmehr seien es nur noch 540.000 EUR. Für diese Reduktion werde vom Auftraggeber keine hinreichende Begründung geliefert. Die Annahme, wonach die örtliche Bauüberwachung der Ingenieurbauwerke mit einer durchschnittlichen Einsatzzeit von 70 % durchzuführen sei, entbehre jeder Grundlage. Aus der Leistungsbeschreibung der Position 8.05 gehe hervor, dass nicht nur die örtliche Bauüberwachung ausgeschrieben sei, sondern daneben noch Leistungen der Objektüberwachung sowie weitere besondere Leistungen. Als Anlage füge man eine exemplarische Honorarkalkulation dieser Leistungen für ein Ingenieurbauwerk bei. Die Leistungserbringung für ein Ingenieurbauwerk erfordere bereits einen Einsatz von 70 %. Zu überwachen seien jedoch 10 Bauwerke.

Soweit der schon vom Auftraggeber geplante Personaleinsatz grob falsch ermittelt worden sei, könne auch der Vergleich der Einsatzzeiten der Beigeladenen mit diesem Wert nicht zu einem korrekten Ergebnis führen.

Aus Seite 7 des Vermerks zur Preisprüfung lasse sich schließen, dass sich das Angebot der Beigeladenen nicht an der Leistungsbeschreibung orientiere. Eine Kalkulation des Aufwands der örtlichen Bauüberwachung in Abhängigkeit vom tatsächlichen Baugeschehen und der Witterung sei nicht Gegenstand der Vergabeunterlage. Dort seien die einzelnen in die Kalkulation einzubeziehenden Objekte nur mit ihrer Gesamtbauzeit und den anrechenbaren Baukosten angegeben worden. Insofern könne nur ein mittlerer Aufwand für Einzelobjekte in die Kalkulation Eingang finden. Bauablaufbedingte Schwankungen des Überwachungsaufwandes innerhalb des Gesamtvorhabens können nicht berücksichtigt werden, da die Bauablaufpläne der Einzelvorhaben nicht Bestandteil der Vergabeunterlagen gewesen seien. Sollte die Beigeladene solche Effekte zur Grundlage der Kalkulation gemacht haben, stelle dies eine Änderung der Vergabeunterlagen dar.

Weiter heiße es auf Seite 7 des Dokuments Preisprüfung, dass die Preisdifferenz der Angebote nahezu ausschließlich aus den zugrunde liegenden Kostenansätzen der örtlichen Bauüberwachung resultiere. Ausweislich des vom Auftraggeber im Rahmen der Kostenschätzung ermittelten Stundensatzes von 63 EUR und des Stundensatzes der Antragstellerin ergebe sich, dass die Beigeladene einen deutlich unter diesen beiden Ansätzen liegenden Stundensatz kalkuliert haben müsse. Im Rahmen der Preisprüfung wäre also zu prüfen gewesen, ob ein solcher Ansatz kostendeckend sei. Hierzu würde sich aus dem im Rahmen der Akteneinsicht zur Verfügung gestellten Dokument Preisprüfung lediglich ergeben, dass der Auftraggeber bestätigt habe, dass das Angebot der Beigeladenen auskömmlich sei. Eine Preisprüfung stelle dies nicht dar.

Aus den Ausführungen des Auftraggebers aus dem Schriftsatz vom 22. Dezember 2022 lasse sich mutmaßen, dass der Gemeinkostenzuschlag der Beigeladenen deutlich unter dem geschätzten Wert des Auftraggebers liege. Der Auftraggeber habe sich offensichtlich dazu entschieden, diesen Wert bei der Auskömmlichkeitsprüfung völlig auszublenden.

Am 24. Januar 2023 teilte der Auftraggeber mit, dass die entworfene Bauzeitenplanung mit den Angebotsunterlagen übergeben worden sei.

Die Ermittlungsgrundsätze für die Auftragswertschätzung zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. zum Zeitpunkt der erneuten Wertung seien bereits in den vorangegangenen Schriftsätzen dargelegt worden. Basis der Auftragswertschätzung im ersten Wertungsverfahren sei eine Honorarermittlung auf Grundlage anrechenbarer Kosten gewesen. Im Vorfeld des zweiten Wertungsverfahrens sei eine Aktualisierung der Auftragswertschätzung auf Grundlage aufwandsbezogener Leistungszeitansätze erfolgt. Die Antragstellerin hatte selbst in einer E-Mail vom 24. Oktober 2022 darauf hingewiesen, dass es sich nach deren Auffassung bei Leistungen der örtlichen Bauüberwachung nicht um geistig-schöpferische Tätigkeiten handele, sondern der Auftraggeber “Manpower” – sprich Zeit – beauftrage. Unabhängig vom Hinweis der Antragstellerin habe man nunmehr bei der Aktualisierung der Auftragswertschätzung genau diese Herangehensweise verwendet. Dies habe zu einer Reduzierung des geschätzten Honorars der örtlichen Bauüberwachung geführt.

Die Antragstellerin habe mit ihrem Schriftsatz vom 16. Januar 2023 eine beispielhafte Honorarermittlung vorgelegt, in der sie objektbezogen aus der Aufgabenstellung für die örtliche Bauüberwachung beim Bauwerk 3 (Heckenbrücke) ein Honorar von etwa 71.000 EUR hergeleitet haben will. Dabei habe die Antragstellerin eine Regelsatzberechnung über anrechenbare Kosten, eine Leistungsbildbewertung über anrechenbare Kosten sowie eine frei kalkulierte Leistungswertermittlung verwendet. Es sei für den Auftraggeber aus dieser beispielhaften Honorarermittlung jedoch nicht ersichtlich, welchen Bezug die Einlassungen auf eine objektive Auftragswertschätzung haben sollen. Die Antragstellerin habe selbst in ihrem eigenen Angebot für das betreffende Bauwerk die Leistung für einen Bruchteil dieser Summe angeboten. Mit der genannten beispielhaften Honorarermittlung widerspreche sie auch ihren eigenen Aussagen in der E-Mail vom 24. Oktober 2022, wonach in erster Linie die erforderliche Einsatzzeit in Mann-Tagen bzw. Mann-Monaten kalkuliert werden müsse. Andererseits blende sie auch vollkommen aus, dass seit der Novellierung der HOAI das Element der freien Preisbildung anwendbar sei. Wegen der vorgenannten Feststellungen könne deswegen nicht nachvollzogen werden, warum die Antragstellerin dem Auftraggeber einen falsch ermittelten Personaleinsatz vorwerfe.

Die Beigeladene habe eine objektbezogene Kalkulation mit dem Angebot eingereicht. Damit habe sie die Angebotskriterien einer objektbezogenen Kalkulation erfüllt und nicht etwa die Vergabeunterlagen abgeändert.

Im Ergebnis sei festzustellen, dass beim Stundenlohn nur marginale Unterschiede zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen sowie der Kostenschätzung des Auftraggebers vorhanden seien. Man habe die Kostendeckung der Beigeladenen hinreichend geprüft. Alle gesetzlichen Anforderungen seien erfüllt. Für die Höhe des Verrechnungsstundensatzes sei der Gemeinkostenfaktor entscheidend. Ein nicht unerheblicher Bestandteil für die Höhe dieses Gemeinkostenfaktors sei beispielsweise die Behandlung von Inhabergehalten. Dieses Gehalt könne zum Teil über auftragsbezogene Stunden, wenn tatsächlich Projektarbeit vom Inhaber erbracht würde, gedeckt sein. Dies bedeutet, dass, übernähme der Inhaber im Umfang des Vertrages explizit ausgewiesene Leistungen selbst, sei somit ggf. sein Gehalt gedeckt und schlage nicht innerhalb der Gemeinkosten zu Buche. Bei der Beigeladenen übe der geschäftsführende Gesellschafter die Bauoberleitung aus. Zudem habe die Beigeladene erklärt, dass sie keinen Gewinn- und keinen Risikofaktor kalkuliert habe. Dementsprechend weise das Angebot der Beigeladenen einen niedrigeren Gemeinkostenfaktor als das Angebot der Antragstellerin aus. Die Auskömmlichkeit des Verrechnungsstundensatzes der Beigeladenen könne man bestätigen.

In der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2023 wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert.

Die Antragstellerin beantragte:

1. Der Antragstellerin Einsichtnahme in die Vergabeakte zu gewähren,

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Wertungsentscheidung unter Berücksichtigung der Auffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung des Unterzeichners zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin notwendig war.

Der Auftraggeber beantragte:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beigeladene stellt keine eigenen Anträge.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die vorgelegte Vergabeakte wird ergänzend Bezug genommen.

Die Frist zur Entscheidung wurde gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB durch Verfügungen der Vorsitzenden verlängert.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

A. Der Antrag ist zulässig.

1. Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 2 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation Vergabekammern des Freistaates Sachsen (SächsVgKVO) für den Antrag zuständig.

2. Die geplante Gesamtauftragssumme überschreitet den maßgeblichen Schwellenwert, § 106 Abs. 1 GWB i. V. m. Artikel 4 a) der Richtlinie 2014/24/EU i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 a) der delegierten Verordnung (EU) 2019/1828.

Der maßgeblichen Schwellenwert für öffentliche Dienstleistungsaufträge beträgt gemäß § 106 Abs. 1 GWB i. V. m. Artikel 4 c) der Richtlinie 2014/24/EU i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 c) der delegierten Verordnung (EU) 2019/1828 214.000 EUR und wurde vorliegend überschritten.

3. Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt.

Nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag zulässig, wenn ein Unternehmen ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend macht.

Diesem Erfordernis ist genügt, wenn mit dem Nachprüfungsantrag eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen wird. Darüber hinaus ist es gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB erforderlich, dass mit dem Nachprüfungsantrag auch dargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragstellerin. Sie legte im Nachprüfungsantrag und in der vorherigen Rüge dar, dass das Angebot der Beigeladenen wegen fehlender Auskömmlichkeit auszuschließen sei, die Preisprüfung weiterhin fehlerhaft durchgeführt worden sei und die beabsichtigte Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin rechtswidrig sei. Dadurch hat die Antragstellerin schlüssig vorgetragen, dass sie in ihren Rechten verletzt sei und ihr durch den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen ein Schaden zu entstehen drohe.

Eine entgegenstehende materielle Rechtskraft für diese Rügen bzw. das Begehr der Antragstellerin besteht nicht. Im ersten Beschluss der Vergabekammer vom 21. Juli 2022 wurden die Rügen der Antragstellerin hinsichtlich der Preisprüfung nicht zurückgewiesen. Vielmehr waren sie erfolgreich.

4. Die Antragstellerin hat den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß rechtzeitig und ordnungsgemäß gerügt, § 160 Abs. 3 GWB.

Der Auftraggeber informierte die Antragstellerin mit der Vorinformation vom 11. November 2022, dass nicht ihr, sondern das Angebot der Beigeladenen bezuschlagt werden soll. Dies rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 17. November 2022 rechtzeitig. Mögliche Präklusionstatbestände sind diesbezüglich nicht ersichtlich.

Der Antrag wurde auch innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingereicht.

Die Rüge der Antragstellerin im Schreiben vom 17. November 2022 bedurfte in dem hier streitigen Sachverhalt auch keiner weiteren Untersetzung. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die Wertung des Auftraggebers – zum Zeitpunkt der Rüge – im Regelfall vollständig der Einsichtsmöglichkeit eines Antragstellers entzieht. Dies gilt insbesondere und im gesteigerten Umfang im hier vorliegenden Sachverhalt. Der Antragstellerin wurde im Informationsschreiben lediglich mitgeteilt, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und der Zuschlag (erneut) auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle. Über diese Information hinaus waren der Antragstellerin keinerlei Informationen bezüglich der (neuen) Preisprüfung bekannt, welche überhaupt konkrete Ansätze für eine fehlerhafte Preisprüfung hätten begründen können. Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicher Weise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich – wie hier – ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder – ebenfalls wie hier – das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. April 2011 – Verg 58/10). Je weniger der Auftraggeber also an tatsächlichen Gründen für eine abschlägige Wertung des Angebots in der Bieterinformation preisgibt, desto geringer sind daher die Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung in der Rüge (Dicks in: Ziekow/Völlink, GWB, § 160 Rn. 12).

Hier hatte die Antragstellerin hinsichtlich der Preisprüfung nicht einen beschränkten Informationsstand, sondern überhaupt keinen. Dementsprechend ist der Vortrag in der Rüge, wonach die Preisprüfung weiterhin bzw. erneut fehlerhaft sei und das Angebot der Beigeladenen unauskömmlich sei, ausreichend.

5. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Der Nachprüfungsantrag entspricht den Anforderungen des § 161 GWB.

B. Der Antrag ist unbegründet.

Die wiederholte Preisprüfung des Angebots der Beigeladenen genügt den Anforderungen des § 60 Abs. 1 und 2 VgV. Die Entscheidung des Auftraggebers das Angebot der Beigeladenen als auskömmlich zu bewerten und auf dieses den Zuschlag zu erteilen, bewegt sich innerhalb des dem Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraums (1.). Die weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten Ausschlussgründe hinsichtlich des Angebots der Beigeladenen liegen nicht vor (2.).

1. Preisprüfung

Vorliegend war der Auftraggeber mit Beschluss der Vergabekammer vom 21. Juli 2022 – 1/SVK/012-22 – verpflichtet worden, das Vergabeverfahren in den Stand vor Durchführung der Wertung der Angebote zurückzuversetzen und die Prüfung der Angemessenheit des Preises des Angebots der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen. Grund hierfür war, dass die Preisprüfung zunächst nicht hinreichend durchgeführt wurde.

a) Prüfungsmaßstab

Nach § 60 Abs. 1 und 2 VgV hat der öffentliche Auftraggeber, wenn Preis oder Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Der öffentliche Auftraggeber hat dann die Zusammensetzung des Angebots zu prüfen und berücksichtigt dabei die übermittelten Unterlagen, § 60 Abs. 2 VgV. Kann er nach der Prüfung gemäß den Absätzen 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen, § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV.

Ein Ausschluss eines ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebots kommt daher nicht in Betracht, wenn der Auftraggeber nach der Prüfung gemäß § 60 Abs. 1 und 2 VgV anhand der vom Bieter vorgelegten Unterlagen die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten zufriedenstellend aufklären kann. Dann ist bereits der Tatbestand des Ausschlussgrunds aus § 60 Abs. 3 S. 1 VgV nicht gegeben (vgl. Steck in Ziekow/Völlink, VgV, § 60, Rn. 15). Dies kann der Fall sein, wenn das betreffende Angebot tatsächlich auskömmlich (kein Unterkostenangebot) ist, z. B. aber effektivere Dienstleistungs- oder Produktionsverfahren anwendet, günstigere Bezugsmöglichkeiten hat, eine geringere Gewinnmarge als andere Angebote oder keinen Gewinn in Ansatz bringt, z. B. um Zugang zu einem Markt oder zu einem bestimmten Auftraggeber zu erlangen (OLG Düsseldorf Beschluss vom 30. April 2014 – Verg 41/13). Auch bei einem sehr großen Preisabstand zum nächst höheren Angebot oder zu einer Kostenschätzung des Auftraggebers kann ein Angebot deshalb u. U. ohne Vergaberechtsverstoß angenommen werden (vgl. OLG München Beschluss vom 17. September 2015 – Verg 3/15).

Bei der Überprüfung dieser Entscheidung durch die Vergabekammer hat diese nicht zu bewerten, ob das Angebot der Beigeladenen auskömmlich ist, sondern ob die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot der Beigeladenen als auskömmlich zu bewerten, auf Basis eines zutreffend und hinreichend ermittelten Sachverhaltes und einer gesicherten Erkenntnisgrundlage getroffen wurde und im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar ist. Diese Prognoseentscheidung, bei der der Auftraggeber über einen Beurteilungsspielraum verfügt, unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Nachprüfungsbehörden und Gerichte (Opitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, VOB/A EU, § 16d Rn. 36 m. w. N.;

VK Sachsen, Beschluss vom 25. Mai 2022 – 1/SVK/005-22 -. Beschluss vom 14. Juni 2022 – 1/SVK/006-22, und Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1/SVK/012-22). Im Nachprüfungsverfahren ist dieser Beurteilungsspielraum deshalb nur auf etwaige Beurteilungsfehler hin zu prüfen (VK Bund, Beschluss vom 24. November 2022 – VK 2-94/22). Wenn dem Auftraggeber so viele Anhaltspunkte vorliegen, dass diese in ihrer Gesamtheit stimmig für die Auskömmlichkeit des Angebotes sprechen, bleibt die Entscheidung des Auftraggebers bestehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – Verg 19/18).

Eine Verletzung dieses Beurteilungsspielraums liegt nur dann vor, wenn die von der Vergabestelle getroffenen Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen und sachwidrigen Erwägungen beruhen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 22. März 2011 – Verg W 18/10; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 6. März 2013 – 11 Verg 7/12; VK Bund, Beschluss vom 5. Oktober 2012 – VK 3-111/12).

Sofern der Bieter also eine seriöse Kalkulation seines ungewöhnlich niedrigen Angebots nachweist, indem er die Gründe seiner Angebots- und Preisgestaltung nachvollziehbar und stichhaltig aufschlüsselt, darf sein Angebot nicht ausgeschlossen werden. Gründe für eine unauskömmliche Kalkulation können z. B. der Abbau von Überkapazitäten sein oder das – wettbewerbsrechtlich erwünschte – Eindringen eines sog. Newcomers in einen bestimmten Markt (Conrad: Der Anspruch des Bieters auf den Ausschluss ungewöhnlich niedriger Konkurrenzangebote nach neuem Vergaberecht, ZfBR 2017, 40 f.). Maßgeblich ist, ob der Bieter nachvollziehbar erklären kann, aufgrund sach- und/oder unternehmensbezogener, wettbewerbsorientierter Gründe günstiger als das Bieterumfeld kalkuliert zu haben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4 /22). Der Bieter ist in seiner Kalkulation grundsätzlich frei (OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 – Verg 02/10). Die Kalkulation ist Sache des Bieters und ein öffentlicher Auftraggeber hat keine Rechtsgrundlage dafür, seine eigenen (betriebswirtschaftlichen) Kalkulationsüberlegungen an die Stelle des Bieters zu setzen. Versucht der Bieter, durch die Abgabe nicht vollständig kostendeckender Preise beim Auftraggeber “Fuß zu fassen“, unterliegt die Preisbildung keinen vergaberechtlichen Bedenken, sofern der Bieter ausreichend Gewähr für eine ordnungsgemäße Auftragsausführung bietet (VK Thüringen, Beschluss vom 15. Januar 2018 – 250-4003-9213/2017-E-022-EF). Denn für Bieter kann es verschiedenste sach-, unternehmensbezogene oder wettbewerbsorientierte Gründe geben, im Einzelfall ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben, z. B. wenn der Bieter auf effizientere Arbeitsmethoden oder Betriebsabläufe, preisgünstigere Bezugsquellen zurückgreifen kann oder lediglich die bloße Erzielung eines Deckungsbeitrags beabsichtigt, weil er auf einen neuen Markt vorstoßen möchte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 11 Verg 4/22; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. Juli 2011 – 15 Verg 8/11) oder weil der Bieter ein besonderes, über den Normalfall hinausgehendes Interesse daran hat, den Auftrag zu erhalten, bspw. um seine anderweitig nicht wie geplant einsetzbaren Kapazitäten überhaupt nutzen zu können (VK Bund, Beschluss vom 22. November 2017 – VK 1-129/17).

Für die konkrete Art und Weise der vorzunehmenden Prüfung gibt es in den Vergabe- und Vertrags-ordnungen keine hinreichend konkreten Vorgaben (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – X ZB 10/16).
§ 60 Abs. 2 VgV spricht lediglich davon, dass der Auftraggeber die Zusammensetzung des Angebots prüft und dabei die übermittelten Unterlagen berücksichtigt. Die Informationen des Bieters sind in die Prüfung einzubeziehen, indem der Auftraggeber ihre Stichhaltigkeit prüft. Der Auftraggeber hat sich konkret mit diesen Angaben des Bieters im Sinne einer Überprüfung auseinanderzusetzen (VK Bund, Beschluss vom 15. November 2021 – VK 1-112/21 -, Rn. 62).

b) Entscheidung Auftraggeber innerhalb seines Beurteilungsspielraums

Unter Berücksichtigung des beschriebenen Prüfungsmaßstabes ist die Entscheidung des Auftraggebers, den Preis des Angebots der Beigeladenen als auskömmlich anzusehen und dieses bezuschlagen zu wollen, vertretbar und nachvollziehbar. Insgesamt lagen der Auftraggeberin nach Auffassung der Vergabekammer hinreichende Anhaltspunkte vor, welche nachvollziehbar für die Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen sprechen.

Hierzu im Einzelnen:

aa) hinreichend ermittelter Sachverhalt

Nach Auffassung der Vergabekammer wurde der Sachverhalt hinsichtlich der Prüfung der Angemessenheit des Preises der Beigeladenen durch den Auftraggeber hinreichend ermittelt.

Diese hatte die Beigeladene zunächst mit Schreiben vom 24. März 2022 und dann mit dem Fragenkatalog vom 8. Juli 2022 aufgefordert, hinsichtlich der Auskömmlichkeit aller Positionen in denen ungewöhnlich niedrige Preise aufgefallen sind, Stellung zu nehmen. Hinsichtlich der Positionen Kostenkontrolle und Mitwirken bei der der Bearbeitung Presseanfragen wurde konkret gefragt, welche Annahmen und Kalkulationsansätze dazu geführt hätten, dass die Beigeladene diese Positionen mit 0 EUR habe anbieten können. Bezüglich der Position Prüfung von Nachträgen wurden die kalkulierte Bearbeitungszeit und der in Ansatz gebrachte Stundensatz nachgefragt. Hinsichtlich der für den Preisunterschied zwischen dem Angebot der Antragstellerin und der Beigeladenen maßgeblich verantwortliche Position örtliche Bauüberwachung wurde die Beigeladene aufgefordert, die Kalkulationsansätze aller Einzelobjekte und die Stundensätze mitzuteilen. Hierzu wird insoweit auch auf den ersten Beschluss der Vergabekammer vom 21. Juli 2022 – 1/SVK/012-22 – verwiesen.

Die Beigeladene hat diese Fragen umfangreich und detailliert beantwortet. Sie hat im Schreiben vom 14. Juli 2022 auf insgesamt 11 Seiten Stellung dazu genommen, wie sie konkret die Position örtliche Bauüberwachung kalkuliert hat, welche Kosten- und Zeitansätze sie in Ansatz gebracht hat und von welchen Annahmen sie ausgegangen ist. Insbesondere hat sie detailliert erläutert, wie sie den Zeitansatz in Mann-Monaten hinsichtlich der Ingenieurbauwerke und der Verkehrsbauwerke ermittelt hat. Hierzu wurde auch ein Personaleinsatzplan übermittelt. Bezüglich der Positionen Kostenkontrolle und Zuarbeit Presseanfragen wurde umfangreich unter Bezug auf die eingesetzten Computersysteme der Beigeladenen einerseits sowie die bisherige und nach Ansicht der Beigeladenen üblichen Verfahrensweise beim Fertigen von Bauprotokollen andererseits, erläutert, warum diese Positionen mit einem sehr geringen Preis angeboten werden konnten. Zur Position Prüfung von Nachträgen wurden die nachgefragten Zeitansätze sowie Stundensätze mitgeteilt sowie detailliert erläutert, wie die Beigeladene Nachträge bearbeitet.

Neben den Detailantworten zu konkreten Preispositionen führte sie zur Kalkulation im Allgemeinen aus, dass sie diese bewusst sehr knapp gehalten habe. Bei Aufträgen dieser Art stelle der Auftraggeber sehr hohe Referenzanforderungen. Diese könne man derzeit noch bedienen. Jedoch seien die vorgelegten Referenzen zeitlich begrenzt und würden alsbald aus den von Auftraggebern zeitlich anerkannten Rahmen fallen. Man sei somit auf die Gewinnung neuer Referenzen angewiesen, um überhaupt weiterhin im Markt tätig sein zu können. Man habe sich bewusst den streitigen Auftrag herausgesucht, da bei diesem die Gewichtung des Preises mit 60 % für die Wertung hoch sei und man sich durch eine knappe Kalkulation Chancen auf den Zuschlag ausgerechnet habe.

Nach Zurückversetzung des Vergabeverfahrens durch den ersten Beschluss der Vergabekammer hat der Auftraggeber die Beigeladene mit Schreiben vom 5. Oktober 2022 erneut zur Aufklärung ihres Preises aufgefordert. Insbesondere sollte nunmehr der kalkulierte Mann-Monatssatz weiter untergliedert werden. Darüber hinaus wurde die Beigeladene aufgefordert mitzuteilen, ob die kalkulierte Vergütung die Selbstkosten deckt.

Im Antwortschreiben der Beigeladenen vom 10. Oktober 2022 führt die Beigeladene zunächst aus, wie sich der Kostenansatz für die Mann-Monate untergliedert und welche Gemeinkosten sie in Ansatz gebracht hat. Weiter führt sie im Detail aus, dass ihre Firma wegen der Personalstruktur mit einem geringen Gemeinkostenfaktor arbeiten könne und, dass die erfolgreiche Bewerbung um diesen Auftrag für die Beigeladene sehr wichtig sei, da man auf neue Referenzen angewiesen sei. Man habe deshalb für den streitigen Auftrag keinen Gewinn- und keinen Risikofaktor kalkuliert und konnte so den kalkulierten Gemeinkostenfaktor weiter senken.

Hinsichtlich der Kostenstruktur ihrer Firma hat die Beigeladene bereits im 1. Aufklärungsschreiben vom 30. März 2022 erklärt, dass ihre Firma schlank strukturiert sei und bis auf eine Mitarbeiterin im Sekretariat und eine weitere in der Buchhaltung alle sonstigen Mitarbeiter in den Projekten selbst tätig seien.

Im Prüfvermerk vom 23. Oktober 2022 hat der Auftraggeber sich mit den aufgeklärten Positionen intensiv auseinandergesetzt. Er hat jeweils das Angebot der Beigeladenen mit seiner Kostenschätzung sowie dem Angebot der Antragstellerin verglichen und hat dabei nicht nur die Höhe des jeweiligen Preises verglichen, sondern auch die jeweiligen Erläuterungen der Beigeladenen sowie der Antragstellerin zur Kalkulation bzw. Herangehensweise daran. Anschließend hat er jeweils ausgeführt, wie er die Erläuterungen der Beigeladenen bewertet. Dabei hat er eigene Markt- und Sachkenntnisse eingebracht.

Der Sachverhalt wurde somit vom Auftraggeber vollständig aufgeklärt.

bb) Entscheidung des Auftraggebers zur Auskömmlichkeit im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar

Der Auftraggeber ist nach Auffassung der Vergabekammer zu der nachvollziehbaren und vertretbaren Einschätzung gelangt, dass das Angebot der Beigeladenen auskömmlich ist und diese den Auftrag zuverlässig ausführen kann.

Dies maßgeblich deshalb, weil die Beigeladene selbst nachvollziehbar und plausibel die Gründe für ihr sehr niedriges Angebot erläutert und dargelegt hat. Dabei hat sie insbesondere schlüssig vorgetragen, dass sie auf die Gewinnung neuer Referenzen angewiesen ist, um im Markt verbleiben zu können, sie also ein besonderes, über den Normalfall hinausgehendes Interesse daran hat, den streitigen Auftrag zu erhalten. Dies stellt eine wettbewerbliche Rechtfertigung dar.

Zunächst ist klarzustellen, dass der maßgebliche Faktor beim Preisunterschied zwischen dem Angebot der Beigeladenen und der Antragstellerin die Position örtliche Bauüberwachung ist. Diese ist nahezu für den gesamten Preisunterschied entscheidend. Die Beigeladene hat gegenüber der Antragstellerin mit einem niedrigeren Kostenansatz als auch mit einem niedrigeren Zeitansatz kalkuliert.

aaa) Kostenansatz Mann-Monate örtliche Bauüberwachung

Die Beigeladene hat wie die ebenfalls um Aufklärung gebetene Antragstellerin die Bestandteile der Kosten für die sogenannten Mann-Monate der örtlichen Bauüberwachung offengelegt. Daraus ist ersichtlich, dass sowohl die Beigeladene als auch die Antragstellerin als auch der Auftraggeber in seiner Kostenschätzung von in etwa gleichen Lohnkosten für die eingesetzten Mitarbeiter ausgehen. Der Unterschied zwischen den Angeboten resultiert aus den unterschiedlichen Gemeinkosten. Hierzu hat die Beigeladene u. a. erläutert, dass sie mit einem geringeren Gemeinkostenfaktor kalkuliert habe, da sie weder einen Gewinn noch ein Wagnis in Ansatz gebracht habe.

Dies wiederum hat sie im Rahmen der Aufklärung u. a. plausibel damit erklärt, auf den Auftrag zum Zwecke der Referenzgewinnung angewiesen zu sein, damit sie überhaupt weiter am Wettbewerb um vergleichbare Aufträge teilnehmen kann. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sie weiter ausgeführt, zu 99 % Aufträge öffentlicher Auftraggeber zu bearbeiten.

Die Vergabekammer hält diese Aussagen für plausibel und nachvollziehbar. Die dem Angebot der Beigeladenen beigefügten Referenzen bestätigen die Aussage der Beigeladenen hinsichtlich der (noch) vorhandenen Referenzen. Erlangt die Beigeladene nicht bald neue Aufträge öffentlicher Auftraggeber, wird sie sich bei den üblichen Referenzanforderungen – mit den hier vorgelegten Referenzen – nicht mehr erfolgreich um andere Aufträge bewerben können, da sich die die Mehrzahl der dem Angebot beigefügten Referenzen der Grenze des anerkannten Referenzzeitraums annähern. Ebenfalls plausibel ist die Aussage der Beigeladenen, sich gerade dieses Vergabeverfahren ausgesucht zu haben, um mit einem sehr knapp kalkulierten Angebot eine neue Referenz zu gewinnen, weil vorliegend der Preis mit 60 % relativ hoch bzw. jedenfalls höher als bei vergleichbaren Ausschreibungen gewichtet wurde.

Nach Auffassung der Vergabekammer hat die Beigeladene somit plausibel dargelegt, dass sie sich in einer wettbewerblichen Sondersituation befindet und deshalb bewusst den Gemeinkostenfaktor sehr knapp, aber noch auskömmlich kalkuliert hat, um überhaupt im Wettbewerb um vergleichbare Aufträge weiter tätig sein zu können bzw. im Ergebnis den Fortbestand der Firma zu sichern. Damit hat sie glaubhaft dargelegt, eine besonderes – über das der Mitbieter hinausgehendes – Interesse am Erhalt des streitigen Auftrags zu haben. Die Kalkulation ist Sache der Bieter. Es steht der Beigeladenen und jedem anderen Bieter frei, sehr knapp kalkulierte Angebote abzugeben und bspw. von vornherein auf den Ansatz von Gewinn und Wagnis zu verzichten.

Daneben hat die Beigeladene ebenfalls nachvollziehbar im Rahmen der Aufklärung erläutert, dass in ihrer Firma bis auf 2 Mitarbeiter der Verwaltung alle weiteren selbst in Projekten tätig sind, deshalb kein Geschäftsführergehalt finanziert werden müsse und sie deswegen mit einem geringeren Gemeinkostenfaktor als größere Büros kalkulieren kann.

In Anbetracht des Abstands des Gemeinkostenfaktors zwischen Beigeladener und Antragstellerin, den oben genannten Argumenten und dem den Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraum hält die Vergabekammer die Entscheidung des Auftraggebers, den Kostenansatz der Mann-Monate der Beigeladenen für auskömmlich zu betrachten deshalb im Ergebnis für nachvollziehbar und vertretbar. Es handelt sich dabei nicht um eine willkürliche bzw. sachwidrige Entscheidung. Es steht der Beigeladenen frei, ihr Angebot sehr knapp und ohne Gewinn und Wagnis zu kalkulieren. Der Grund bzw. das Motiv dafür wurden hinreichend und plausibel von ihr dargelegt und vom Auftraggeber aufgeklärt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Geschäftsführer der Beigeladenen erklärt, dass er kein Gehalt beziehe. Die Antragstellerin wies diesbezüglich auf die Aussage des Auftraggebers im Schriftsatz vom 20. Januar 2023 hin, wonach ein nicht unerheblicher Teil des Gemeinkostenanteils vom Umstand des sog. Inhabergehalts abhänge. Übernehme der Geschäftsführer selbst Arbeiten im Projekt, sei sein Gehalt durch die abgerechneten Stunden teilweise gedeckt. Dies sei hier der Fall. Die Beigeladene habe entsprechendes erklärt, deshalb habe die Beigeladene mit einem geringen Gemeinkostenfaktor anbieten können. Von der Antragstellerin wurde diesbezüglich nun im Rahmen der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass der Geschäftsführer der Beigeladenen laut eigener Aussage generell bzw. seit längerem kein Gehalt beziehe und deshalb das Argument Einsparung des Geschäftsführergehalts nicht zutreffend sei. Dies mag formal richtig sein. Ändert jedoch nichts daran, dass die Beigeladene plausibel dargelegt hat, dass bei ihr bis auf 2 Mitarbeiter der Verwaltung alle weiteren in Projekten tätig sind und so die zu erwirtschafteten Erträge zur Deckung von Ausgaben niedriger sind als bei anderen Firmen, in denen dies nicht der Fall ist, bspw., weil Erträge für einen nicht in Projekten tätigen Geschäftsführer erwirtschaftet werden müssen. Deshalb konnte die Beigeladene vertretbar geltend machen, mit einem geringeren Gemeinkostenfaktor generell tätig sein zu können, als andere Konkurrenten.

bbb) Zeitansatz Mann-Monate örtliche Bauüberwachung

Die Beigeladene hat in ihrer Kalkulation für die Leistung örtliche Bauüberwachung einen niedrigeren Bedarf von Mann-Monaten kalkuliert als die Antragstellerin. Gegenüber der Kostenschätzung des Auftraggebers ist der kalkulierte Zeitansatz der Beigeladenen vergleichbar.

Von der Beigeladenen wurde im Schreiben vom 14. Juli 2022 im Detail dargestellt, von welchen Annahmen sie hinsichtlich der Kalkulation der benötigten Menge von Mann-Monaten für die Position örtliche Bauüberwachung ausgeht.

Der Auftraggeber ist nachvollziehbar und vertretbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Zeitansatz der Beigeladenen auskömmlich kalkuliert wurde. Er hat dazu festgestellt, dass der vorgelegte Personaleinsatzplan der Beigeladenen mit dem beabsichtigten Bauablauf korreliert sowie nicht wesentlich von dem eigenen im Rahmen der (neuen) Kostenschätzung erstellten Personaleinsatzplan abweicht. Weiter hat der Auftraggeber ebenfalls nachvollziehbar festgestellt, dass er selbst nicht mehr als 2 Mitarbeiter täglich zur Leistung örtliche Bauüberwachung abstellen würde und sie den kalkulierten Ansatz an Mann-Monaten der Beigeladenen für auskömmlich hält, da sie selbst im Rahmen der Kostenschätzung einen vergleichbaren Aufwand ermittelt habe.

Die Vergabekammer hält unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Auftraggebers dessen Feststellung, dass die Beigeladene die notwendigen Überwachungsleistungen in erforderlichem Umfang berücksichtigt habe und deren Kalkulation die Anforderungen an eine stetige Bauüberwachung entspricht und auskömmlich kalkuliert wurde, für vertretbar. Dies auch angesichts des insoweit nicht so großen Abstands zwischen der Kalkulation der Mann-Monate der Beigeladenen und der Antragstellerin.

Soweit die Antragstellerin zuletzt und insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung die neue Kostenschätzung des Auftraggebers und dessen ermittelten Aufwand an MannMonaten für die Leistung örtliche Bauüberwachung angreift, kann den hierzu vorgebrachten Argumenten nicht gefolgt werden.

Maßgeblich beruft sie sich dazu im Schriftsatz vom 16. Januar 2023 auf eine Beispielsrechnung für das Bauwerk Ü3 (Heckenbrücke). Mittels einer Berechnung nach HOAI Regelsätzen sei für dieses Bauwerk nach Auffassung der Antragstellerin ein Honorar in Höhe von ca. 71.000 EUR erforderlich. Dies soll belegen, dass der ermittelte Zeit-Aufwand des Auftraggebers in seiner Kostenschätzung viel zu gering sei. Selbst hat die Antragstellerin den Auftraggeber im laufenden Vergabeverfahren nach dem ersten Beschluss der Vergabekammer mit E-Mail vom 24. Oktober 2022 noch Hinweise mitgeteilt, wie die Kalkulation von Überwachungsleistungen stattzufinden habe. Demnach gehe es bei der Leistung örtliche Bauüberwachung nicht um eine geistig-schöpferische Tätigkeit, sondern um im Vorfeld definierte Tätigkeiten. Entscheidend sei bei der Kalkulation lediglich, wieviel Zeit an Mann-Tagen für die nachgefragte Bauüberwachung kalkuliert werde und wie hoch die Stundensätze bzw. die Monatssätze seien. Zunächst ist festzustellen, dass der Auftraggeber die Kostenschätzung genau anhand dieser von der Antragstellerin empfohlenen Herangehensweise durchgeführt hat. Die Vergabekammer hält diese Herangehensweise auch für vertretbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kostenschätzung für Leistungen der örtlichen Bauüberwachung für die die HOAI selbst das Element der freien Preisbildung vorsieht, zwingend mittels Regelsätzen über anrechenbare Kosten durchgeführt werden müsse. Durch die jetzt gewählte Methodik der Kostenschätzung kann zudem die Preis-LeistungsRelation im Rahmen der Preisprüfung durch konkrete Ansätze der Kalkulation besser nachvollzogen werden. Entscheidend ist jedoch hinsichtlich des Arguments der Antragstellerin, dass diese in ihrem eigenen Angebot von vollkommen anderen (wesentlich niedrigeren) Kalkulationsansätzen ausgeht. Die entsprechende Leistung zur Bauüberwachung Bauwerk Ü3 (Heckenbrücke) wird von ihr zu ca. einem Drittel des Preises angeboten im Vergleich zu der von ihr selbst vorgelegten Beispielsrechnung. Die Vergabekammer hat neben den Angeboten der Antragstellerin auch die Angebote der weiteren Bieter geprüft. Alle bieten die Leistung Bauüberwachung Bauwerk Ü3 (Heckenbrücke) zu einem wesentlich geringeren Betrag an als die Beispielsrechnung der Antragstellerin. Es ist somit für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar, was diese beispielhafte Kostenberechnung der Antragstellerin belegen soll. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde hierzu auf Nachfrage der Vergabekammer von Vertretern der Antragstellerin erläutert, dass man zwischen der Kostenschätzung des Auftraggebers und der Herangehensweise hierfür einerseits und der konkreten Kalkulation der Bieter andererseits unterscheiden müsse. Dies überzeugt nicht. Sinn und Zweck der Kostenschätzung ist eine Prognose, zu welchem Preis die zu beschaffende Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann, also die Prognose, zu welchem Wert die Leistung angeboten wird. Die Kostenschätzung des Auftraggebers verfolgt dieses Ziel. Für die Vergabekammer sind hinsichtlich der Herangehensweise an die Kostenschätzung auch keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich, welche diese als nicht ordnungsgemäß oder pflichtwidrig erscheinen lassen. Im Gegenteil. Die Kostenschätzung und der gewählte Ansatz für die Prognose der voraussichtlichen Kosten erscheinen nachvollziehbar und plausibel.

Dieser Ansicht war die Antragstellerin zudem ja selbst einmal. Unter Berücksichtigung des auch hier bestehenden Beurteilungsspielraums des Auftraggebers für die Kostenschätzung ist der Einwand der Antragstellerin dementsprechend nicht erfolgreich. Zumal das hierfür zentral vorgetragene Argument aus den oben genannten Gründen nicht überzeugt.

ccc) weitere Positionen Kostenkontrolle, Mitwirken bei der der Bearbeitung Presseanfragen, Nachtragsprüfung

Der Auftraggeber hat nachvollziehbar und vertretbar festgestellt, dass die Beigeladene in den Positionen Kostenkontrolle, Mitwirken bei der der Bearbeitung Presseanfragen und Nachtragsprüfung ein auskömmliches Angebot unterbreitet hat.

Zunächst ist klarzustellen, dass die oben genannten Positionen nur für einen Bruchteil des Preisunterschiedes zwischen Beigeladener und Antragstellerin bzw. der Kostenschätzung verantwortlich sind und deshalb schon fraglich ist, ob diese für das Gesamtergebnis überhaupt relevant sind (vgl. VK Bund, Beschluss vom 18. November 2022 – VK 1-87/22, dort wurden die fehlende Aufklärung nachrangiger Positionen als irrelevant für das Gesamtergebnis betrachtet).

Vorliegend hat der Auftraggeber eine konkrete Aufklärung bezüglich der oben genannten Positionen durchgeführt und sich im Vermerk vom 23. Oktober 2022 intensiv mit den ausführlichen Darlegungen der Beigeladenen zur Kalkulation dieser Positionen auseinandergesetzt.

Hinsichtlich der Position Kostenkontrolle sind die Ausführungen der Beigeladenen nachvollziehbar, wonach bei Verwendung der von ihr verwendeten Bausoftware die geforderte Leistung “Kostenkontrolle” automatisch erzeugt wird, wenn – wie hier vorgesehen – im Zuge der Durchführung anderer Leistungen bereits vorher entsprechende Daten vorhanden und eingepflegt sind, im Ergebnis also kein Aufwand anfällt. Dementsprechend hält die Vergabekammer auch die Schlussfolgerung des Auftraggebers, dass die Beigeladene diese Position zu dem sehr günstigen Preis auskömmlich anbieten konnte für nachvollziehbar.

Bezüglich der Position Mitwirken bei der der Bearbeitung Presseanfragen hat die Beigeladene plausibel dargestellt, dass in der Regel zu presserelevanten Themen bereits Bauprotokolle vorhanden seien, welche als Rohmaterial für die Zuarbeit zu Presseanfragen verwendet werden können und deshalb (bei ihr) so wenig Aufwand entstehe, dass diese Position sehr günstig angeboten werden könne.

Schließlich begegnet auch die Feststellung des Auftraggebers, wonach die Beigeladene die Position Prüfung Nachträge auskömmlich angeboten habe, keinen durchgreifenden Bedenken der Vergabekammer. Von der Beigeladenen wurde hierzu im Detail die Herangehensweise ihrer Kalkulation dargelegt.

Der Auftraggeber kam zu dem vertretbaren Ergebnis, dass die Beigeladene die Position Nachtragsprüfung auskömmlich angeboten habe. Hinsichtlich der dabei kalkulierten Stundensätze ergeben sich wie bereits oben dargestellt wenig Unterschiede zwischen den Bietern bzw. der Kostenschätzung des Auftraggebers. Die Beigeladene konnte diesbezüglich darlegen, dass sie hinsichtlich der Kalkulation der benötigten Zeit für die Bearbeitung der Nachträge einen anderen und risikobehafteteren Ansatz wählt als in der Kostenschätzung bzw. im Angebot der Antragstellerin. Die Vergabekammer hält die dabei verwendeten Zeitansätze jedoch zum einen für plausibel. Zum anderen erscheint die Herangehensweise der Beigeladenen, wonach die Einhaltung des kalkulierten Zeitrahmens ihr eigenes Risiko ist, nicht ausgeschlossen.

ddd) kein Verstoß gegen Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB

Verstöße der Beigeladenen gegen Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB, insbesondere der für das Unternehmen geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, sind nicht ersichtlich. Dafür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

c) Ergebnis Preisprüfung

Die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot der Beigeladenen im Rahmen der nunmehr vorgenommenen Preisprüfung als auskömmlich zu bewerten, erfolgte auf Basis eines zutreffend und hinreichend ermittelten Sachverhaltes und war im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar. Der Auftraggeber hat die geringe Höhe des Angebots der Beigeladenen zufriedenstellend aufklären können, § 60 Abs. 2 Satz 1 VgV. Deshalb kommt weder eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens und Wiederholung der Preisprüfung noch ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen in Betracht.

2. weitere Ausschlussgründe nicht gegeben

Die Antragstellerin macht im Schriftsatz vom 16. Januar 2023 geltend, dass das Angebot der Beigeladenen auszuschließen ist, weil es gegen das Verbot der Mischkalkulation verstoße und es die Vergabeunterlagen abändere.

Beide Ausschlussgründe liegen nicht vor.

a) Mischkalkulation nicht gegeben

Hinsichtlich der Mischkalkulation soll die Beigeladene nach Auffassung der Antragstellerin die Kosten für die Position Kostenkontrolle und Zuarbeit Presseanfragen in die Kosten der Position Grundleistung Bauoberleitung verschoben haben.

Eine Mischkalkulation ist in der Regel durch eine Angebotsstruktur gekennzeichnet, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohen Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses gegenüberstehen. Meist werden damit wirtschaftliche Vorteile und/oder Vorteile im Rahmen der Wertung verfolgt. Dies kann eine unzulässige Preisverlagerung indizieren. Kann diese nicht erschüttert werden, kann dies zur Annahme führen, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält (BGH, Urteil vom 19. Juni 2018 – X ZR 100/16). Der Vermutungstatbestand ist jedoch nicht schon dann erfüllt, wenn das Angebot lediglich niedrige Preise enthält, denn es gibt keinen Erfahrungssatz, dass solchen Preisangaben entsprechende Aufpreisungen gegenüberstehen (Soudry in Müller-Wrede, VgV, § 57 Rn 113).

Vorliegend stehen den ungewöhnlich niedrig erscheinenden Preisen der Positionen Kostenkontrolle und Zuarbeit Presseanfragen keine ungewöhnlich hohen Preise in der Position Grundleistung Bauoberleitung gegenüber, weswegen schon kein Indiz einer unzulässigen Preisverlagerung besteht.

b) keine Änderung der Vergabeunterlage

Aus der erfolgten Akteneinsicht schlussfolgert die Antragstellerin, dass die Beigeladene nicht – wie gefordert – eine “objektbezogene nachvollziehbare Kalkulation der örtlichen Bauüberwachung” erstellt habe.

Der Vorwurf ist unzutreffend. Eine entsprechende Kalkulation hat die Beigeladene mit dem Angebot abgegeben. Sie unterscheidet sich auch nicht in Form und Gestalt von der der Antragstellerin.

3. Der Antrag der Antragstellerin auf weitere Akteneinsicht wird abgelehnt, § 165 Abs. 2 GWB.

Der Antragstellerin wurden Auszüge aus der Vergabeakte als Akteneinsicht zur Verfügung gestellt. Die Antragstellerin begehrte daraufhin weitere Akteneinsicht, insbesondere in die konkrete Preisprüfung des Angebots der Beigeladenen sowie Teile von deren Angebot.

Das Recht auf Akteneinsicht findet seine Grenze in § 165 Abs. 2 GWB. Danach ist die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geboten ist. Zu den Geschäftsgeheimnissen zählen bei sachgerechter Würdigung der beteiligten Interessen die Kalkulationsgrundlagen, die angebotenen Preise und in Relation hierzu auch die Gegenstände der angebotenen Leistungen. Eine Akteneinsicht in die Angebote der Mitkonkurrenten ist daher grundsätzlich zu versagen (vgl. OLG München, Beschluss vom 9. August 2012 – Verg 10/12). Dies muss in gleichem Maße auch für die Dokumentation des Auftraggebers gelten, soweit dadurch Rückschlüsse auf Angebotsinhalte der Mitbieter möglich sind.

Dies vorausgesetzt wurde der Antragstellerin über die bereits zur Verfügung gestellten Aktenbestandteile hinaus keine weitere Einsicht in die Vergabeakte gewährt.

Im Rahmen der Preisprüfung wurden Einzelheiten sowohl zur Kalkulation der Beigeladenen als auch zu der geplanten Leistungsausführung abgefragt und von der Beigeladenen erläutert, welche Geschäftsgeheimnisse enthalten. Das Interesse der Beigeladenen am Geheimschutz überwiegt dem Interesse der Antragstellerin auf Einsicht in diese Unterlagen.

III.

1. Die Antragstellerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahren zu tragen, § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.

Die Antragstellerin hat als Unterliegende die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB zu tragen.

Die Gebühr beträgt mindestens 2.500 EUR und soll den Betrag von 50.000 EUR nicht überschreiten (§ 182 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB). Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der erkennenden Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens (§ 182 Abs. 2 GWB).

Der Gesetzgeber hat mit dieser an § 80 Abs. 2 GWB orientierten Regelung klargestellt, dass – wie im Kartellverwaltungsverfahren – vorrangig auf die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens abzustellen ist. Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührentabelle erarbeitet, die die erkennende Vergabekammer im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung in der Regel übernimmt. Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses wird in der Regel auf den Angebotswert des Angebotes der Antragstellerin abgestellt. Ausgehend davon ergibt sich hier ein Auftragswert, für den die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes eine Gebühr in Höhe von xxx EUR vorsieht.

Dieser Betrag kann entsprechend § 182 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. GWB ermäßigt werden, ggf. bis auf ein Zehntel. Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen. Gründe, die dies rechtfertigten, waren hier nicht gegeben. Damit hat die Antragstellerin den Betrag von xxx EUR zu tragen.

Auslagen, die nicht mit der Gebühr abgegolten wären, sind nicht angefallen.

Den Betrag (xxx EUR) hat die Antragstellerin binnen zweier Wochen nach Bestandskraft dieser Entscheidung einzuzahlen.

2. Die Antragstellerin hat die notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren zu tragen, § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter – soweit er unterliegt – die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Vorliegend ist die Antragstellerin die Unterlegene. Diese hat daher die notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers zu tragen.

3. Die Aufwendungen der Beigeladenen im Nachprüfungsverfahren sind ihr nicht zu erstatten, § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB.

Die Aufwendungen der Beigeladenen sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt.

Entscheidend ist dabei, inwieweit sich der Beigeladene aktiv in das Verfahren eingebracht und dieses gefördert hat. Die überwiegende Spruchpraxis bejaht einen Kostenerstattungsanspruch des Beigeladenen, wenn dieser auf Seiten der obsiegenden Partei das Verfahren entweder durch einen Antrag oder in sonstiger Weise wesentlich aktiv fördert, sich also z. B. schriftsätzlich in relevanter Weise geäußert hat (Losch in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, GWB, § 182 Rn. 37).

Ausgehend davon erachtet es die Vergabekammer als billig, der Beigeladenen keinen Kostenerstattungsanspruch zuzugestehen. Die Beigeladene hat zwar an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, aber keinen eigenen Antrag auf Ablehnung des Nachprüfungsantrages gestellt. Auch hat sie das Verfahren nicht in sonstiger Weise – bspw. durch schriftlichen Vortrag – wesentlich aktiv gefördert. Insoweit entspricht es der Billigkeit, ihr die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen nicht zu erstatten.

IV.

Gegen die Entscheidungen der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 171 Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig.

Sie ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 172 Abs. 1 GWB), schriftlich beim Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die 1. Vergabekammer des Freistaates ist das Oberlandesgericht Dresden, Vergabesenat, Schlossplatz 1, 01067 Dresden.

Die sofortige Beschwerde kann beim Oberlandesgericht Dresden auch elektronisch erhoben werden (vgl. Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechtsverkehr, die elektronische Aktenführung, die elektronischen Register und das maschinelle Grundbuch in Sachsen (Sächsische E-Justizverordnung – SächsEJustizVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in der jeweils geltenden Fassung).

Die Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 172 Abs. 2 GWB). Die Beschwerdebegründung muss enthalten: die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird sowie die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 175 Abs. 1 GWB). Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 172 Abs. 4 GWB). Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 173 Abs. 1 GWB).

OLG Hamburg zur Frage, ob ein Planer sich auf verschiedene Bauvergabestrategien einstellen muss

OLG Hamburg zur Frage, ob ein Planer sich auf verschiedene Bauvergabestrategien einstellen muss

vorgestellt von Thomas Ax

Die Vorgabe des Auftraggebers, dass sowohl für den Fall der Einzelgewerks- als auch für den Fall der GU-Vergabe zu bieten ist und er sich vorbehält, die konkrete Vergabestrategie erst der nach Auftragsvergabe an die Planer (hier: nach Abschluss der Leistungsphase 4) festzulegen, führt in einem Verhandlungsverfahren nicht zu einem Verstoß gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Transparenz der Leistungsbeschreibung. Es existiert kein Verbot, dem Auftragnehmer vertraglich (selbst erhebliche) Wagnisse aufzuerlegen. Es ist daher – bis zur Grenze der Unzumutbarkeit – zulässig, dem Auftragnehmer auch solche Risiken aufzubürden, die nach dem gesetzlichen Leitbild grundsätzlich den Auftraggeber treffen. Der Auftraggeber hat bei der Ausgestaltung des Verhandlungsverfahrens einen weiten Ermessensspielraum. Er kann festlegen, wie viele Verhandlungs- und Angebotsrunden es gibt, wobei er diese Entscheidung auch in Abhängigkeit vom Ablauf des bisherigen Verfahrens treffen kann, solange er die Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung beachtet.

OLG Hamburg, Beschluss vom 20.03.2023 – 1 Verg 3/22

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen vom 27. Juli 2022, mit dem auf einen Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 8. April 2022 das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückversetzt und der Antragsgegnerin für den Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht aufgegeben worden ist, die Aufforderung zur Abgabe eines Erstangebots unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu fassen.

Das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren betrifft den seitens der Antragsgegnerin mit Gesamtbaukosten in Höhe von Euro 425.000.000 geplanten Neubau der … Klinik A. und hat insoweit den

“Hochbaulichen Realisierungswettbewerb mit freiraumplanerischem Anteil, mit Teilnahmewettbewerb und nachgeschaltetem Verhandlungsverfahren gem. VgV”

zum Gegenstand.

Das Vergabeverfahren war seitens der Antragsgegnerin bereits mit Bekanntmachung vom 28. Juni 2019 ausgeschrieben worden, die Antragstellerin hatte sich hieran neben sieben weiteren Teilnehmern in der Weise beteiligt, dass sie binnen der bis zum 13. November 2019 gesetzten Frist einen Wettbewerbsbeitrag abgegeben hatte, der in der nachfolgenden Wertung des vorgesehenen Preisgerichts am 19. Dezember 2019 sodann einstimmig den ersten Preis gewann. Zwei weitere Wettbewerbsbeiträge konkurrierender Teilnehmer wurden jeweils mit dem dritten Preis ausgezeichnet, die verbleibenden fünf weiteren Wettbewerbsbeiträge wurden nicht ausgezeichnet.

In der Wettbewerbsbekanntmachung (Ordner 1 der Vergabeakte, Dok.Nr. 2019-OJS1…) wurde die geplante Beschaffung dahingehend beschreiben, dass die Planung auszugehen hatte von einem Flächenbedarf von ca. 150.000 m² (in der Folge nach Funktionsbereichen näher aufgegliederter) Bruttogeschossfläche.

Von der ausgelobten Wettbewerbssumme sollten Euro 160.000 (Euro 80.000 1. Preis, Euro 50.000 2. Preis, Euro 30.000 3. Preis) als Preisgeld, Euro 240.000 als Aufwandsentschädigung (zu verteilen zu gleichen Teilen an die maximal acht teilnehmenden Planungsteams) zur Verfügung stehen.

Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen, wobei in die Wertung das “Wettbewerbsergebnis” zu 45%, der “fachliche Wert” zu 15%, die “Qualität” zu 15%, die “Kommunikation/Verfügbarkeit” zu 5% und das “Honorarangebot” zu 20% einfließen sollten.

Im Abschnitt VI der Wettbewerbsbekanntmachung erklärte die Antragsgegnerin, dass sie

“einen der Preisträger mit der weiteren Bearbeitung der Planungsleistungen gem. § 33 HOAI und § 38 HOAI – mindestens der Leistungsphasen 2 bis 4 und Teile der Leistungsphase 5 (mindestens 15%) … beauftragen (werde)”, wie “die Beauftragung … stufenweise erfolgen sollte)”.

In der beigefügten Zuschlagmatrix (Dokument 1…) wurden zu den Kriterien 2 – 4 (Fachlicher Wert, Qualität, Kommunikation und Verfügbarkeit) jeweils nähere Bewertungsmerkmale angeführt. In den ebenfalls veröffentlichten Verfahrenshinweisen finden sich nähere Angaben zur Punktvergabe betreffend die einzelnen Kriterien. Hinsichtlich des Kriteriums Honorar wird darauf verwiesen, dass das günstigste Angebot mit 10 Punkten und ein Angebot ab dem doppelten Betrag dieses Angebotes mit 0 Punkten bewertet werden würde, während die Punkte dazwischenliegender Angebote durch lineare Interpolation ermittelt werden würden.

Die Antragsgegnerin hat das Vergabeverfahren danach erst mit einem Bieterleitfaden vom 24. August 2021 (im Ordner 11 der Vergabeakte) weitergeführt, mit dessen Übersendung an die Antragstellerin diese zugleich aufgefordert wurde, bis zum 27. September 2021 ein erstes indikatives Angebot abzugeben, auf dessen Grundlage sich dann ankündigungsgemäß Verhandlungen der verbliebenen Wettbewerber mit der Antragsgegnerin anschließen sollten.

Mit der Aufforderung zur Abgabe des indikativen Angebotes wurden auch ein “Leistungsbild Einzelgewerksvergabe” und ein “Leistungsbild Generalunternehmervergabe” übermittelt (Ordner 11 Vergabeakte). In beiden waren jeweils die zu erbringenden Grundleistungen und besonderen Leistungen aufgeführt. Beigefügt waren Preisblätter sowohl für den Fall der Einzelgewerks- als auch für den Fall der GU-Vergabe.

Im mit übermittelten Entwurf des Architektenvertrags war in Ziffer 1.2., 3. Absatz, das Gesamtbudget “auf Preisbasis 2. Quartal 2020” für die Kostengruppen 200 – 700 gem. DIN 276 auf Euro 425.000.000 beziffert, wobei “Budgetvorgaben der AG zwingend einzuhalten …” waren. Unter Ziffer 1.4. war bestimmt, dass die Auftraggeberin sich die Entscheidung, ob das Vorhaben im Wege der Einzelgewerks- oder GU-Vergabe durchgeführt werden solle, Vorbehalte, was von der Auftragnehmerin zu unterstützen sei, die für beide Arten der Leistungserbringung zur Verfügung stehe. Unter Ziffer 3.1.2.1. war nochmals niedergelegt, dass der Auftragnehmer die Gesamtbaukosten von Euro 425.000.000 einzuhalten habe, die allerdings auf Basis 2015 = 100 an den Index für Wohngebäude des Statistischen Bundesamtes gekoppelt sein sollten. Für nicht von ihm zu vertretende Überschreitungen der Kostenobergrenze sollte der Auftragnehmer nicht haftbar sein (Ziffer 3.1.2.3). Gem. Ziffer 4.1. sollte der Auftraggeber die Vergabestrategie nach Abschluss LP 3 treffen, behielt sich jedoch eine Änderung der Strategie vor, wobei der Auftraggeber die einzelnen Leistungsstufen bzw. Leistungsphasen “einzeln/optional” beauftragen sollte, ohne dass insoweit ein Rechtsanspruch bestehen sollte.

Im Bieterleitfaden (Ziffer 2.1.) wurde näher ausgeführt, dass die Vergabestelle für beide möglichen Leistungsbilder (Einzelgewerks- oder GU-Vergabe) ein Honorarangebot erhalten wolle, weshalb beide Preisblätter unter Berücksichtigung der Angebotsvorstellungen des Bieters auszufüllen seien. Weiter war darauf hingewiesen, dass sämtliche Leistungen, inclusive der “besonderen Leistungen” zu bepreisen seien. Sodann fand sich eine “Grobschätzung” der anrechenbaren Kosten.

Die Antragstellerin reichte fristgerecht ein indikatives Angebot mit einer Honorarsumme in Höhe von brutto Euro 41.016.603,19 ein (im Ordner 14 der Vergabeakte); zum Vertragsentwurf merkte sie dabei an (Ordner 14 der Vergabeakte, Dokument 1926-21…), dass die Kostenobergrenze von Euro 425.000.000 die Baukostensteigerung seit dem 2. Quartal 2019 nicht berücksichtige; für den Fall der GU-Vergabe bilde die Kostenobergrenze zudem die deutlich höheren Kosten der GU-Vergabe nicht ab. Zudem beanstandete sie, dass die “besonderen Leistungen” nicht näher beschrieben seien; zu den optionalen besonderen Leistungen “Analyse zu Alternativen/Varianten inkl. Kosten”, “Aufstellen und Fortschreiben vertiefte Kostenberechnung” und “Fortschreiben von Raumbüchern” bemängelte die Antragstellerin Unklarheiten. Auch hinsichtlich der “besonderen BIM-Leistungen” wies die Antragstellerin auf Unklarheiten hin (a.a.O., Punkte 34 – 55). In den von ihr eingereichten Preisblättern setzte die Antragstellerin für die “besonderen Leistungen” durchweg einen Erinnerungswert von Euro 1 ein.

Es schlossen sich am 2. November 2021 jeweils etwa zweistündige Verhandlungstermine der Antragsgegnerin sowohl mit der Antragstellerin als auch mit den beiden weiteren verbliebenen Mitwettbewerbern an (Protokoll im Ordner 16 der Vergabeakte). Hierbei war der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass es voraussichtlich noch einen Termin geben werde, an dem weitere Honorar- und Vertragsfragen geklärt werden sollten, danach solle ein überarbeitetes Angebot und ggf. im Anschluss daran noch ein finales Angebot abgefragt werden. Befragt zur ihrer Meinung zur Vergabestrategie erklärten die Mitarbeiter der Antragstellerin, dass der Markt aktuell schwierig und eine GU-Vergabe für den Auftraggeber häufig teurer sei als eine Einzelvergabe, weshalb sie die letztere präferieren würden (Seite 5 Mitte des Protokolls des Gesprächs vom 2. November 2021); zu den “besonderen Leistungen”, zu denen sie im Preisblatt jeweils nur Euro 1 eingesetzt hatte, bat die Antragstellerin um Präzisierung des Leistungsbildes. Für die Antragstellerin nahm an diesem Gespräch zur Klärung von Fragen zum Vertrag auch Herr Rechtsanwalt Dr. S. teil, wobei – wegen der fortgeschrittenen Zeit und des Umfangs der Anmerkungen der Antragstellerin zum Vertrag – “sofern erforderlich” ein gesonderter Termin stattfinden sollte.

Insoweit fand am 7. Dezember 2021 noch eine einstündige Videokonferenz zwischen der durch (u.a.) Rechtsanwalt Dr. S. vertretenen Antragstellerin und der Antragsgegnerin statt.

In diesem wies die Antragstellerin wiederum darauf hin, dass das Projektbudget nicht mehr mit dem im Zuge des Wettbewerbs erstellten Funktions- und Raumprogramm in Übereinstimmung gebracht werden könne; sachgerecht erscheine es ihr daher, als Planungsziel entweder die Einhaltung des Budgets oder aber des gewünschten Raum- und Funktionsprogramms zu definieren, da ansonsten keine harte Kostenobergrenze vereinbart werden könne (Protokoll der Termins vom 7. Dezember 2021, zu Ziffer 1.2. u.a.; Ordner 18 der Vergabeakte, Dokument 21…). Die Antragstellerin äußerte die Befürchtung, haftungsrechtlich an einer für die Einzelgewerksvergabe aufgestellten Kostenberechnung gemessen zu werden, die mit den Kosten einer späteren GU-Vergabe nicht mehr in Einklang zu bringen sei.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 (im Ordner 19 der Vergabeakte) forderte die Antragsgegnerin sodann bis zum 12. Januar 2022 zur Abgabe eines fortgeschriebenen Honorarangebots auf, diesem Aufforderungsschreiben waren neben einem überarbeiteten Vertragsentwurf unter anderem Anlagen zu sieben Leistungsbildern beigefügt (a.a.O.), die honorartechnisch zu bewerten seien, und zwar hinsichtlich mehrerer Leistungsbilder sowohl unter der Annahme der Einzelvergabe der betreffenden Grundleistungen als auch alternativ unter der Annahme der Beauftragung eines Generalunternehmers.

In dem beigefügten, überarbeiteten Vertragsentwurf (Ordner 19 der Vergabeakte, Dokument 2-2…) war weiterhin (§ 1, Ziffer 1.2.) ein Gesamtbudget der Kostengruppen 200 – 700 der DIN 276 mit Euro 425.000.000 vorgegeben die zuvor enthaltene zwingende Verpflichtung des Antragsnehmers, dieses Budget einzuhalten bzw. wenn möglich zu unterschreiten, war hingegen gestrichen und statt dessen aufgenommen, dass den Parteien bewusst sei, dass eine Umsetzung der

“Qualitäten und Quantitäten des Wettbewerbsentwurfs für das vorgenannte Budget nicht ohne weiteres möglich”

sei. Daher sei in LP 2 von den Vertragsparteien partnerschaftlich in Abstimmung mit den Fachplanern eine Vorplanung zu erstellen, die die Budgetvorgaben bestmöglich abbilde. Hinsichtlich der “Quantitäten/Qualitäten” war in § 3, Ziffer 3.1.1 bestimmt, dass sich der Auftragnehmer verpflichte, die entsprechenden Ziele

“nach Möglichkeit unter Beachtung der Ziffer 1.2 … umzusetzen.”

In § 3 Ziffer 3.1.2.1 wurde schließlich niedergelegt, dass die Einhaltung der Programmkosten das primär zu beachtende Planungsziel sei und der Auftragnehmer sich verpflichte, an der Zielerreichung nach besten Kräften mitzuwirken. Soweit

“im Zuge des Planungsfortschritts der Vorplanung erkennbar (werde), dass das Planziel ausschließlich durch Qualitäts- und Quantitätsreduzierungen erreicht werden (könne), (werde) die bzw. der AN der AG geeignete Einsparmaßnahmen vorschlagen und diese in Abstimmung mit der AG in die Planung integrieren.”

Hiergegen erhob die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2021, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 3. Januar 2022, eine Rüge (im Ordner 22 der Vergabeakte, Dokument 21…), mit der sie zunächst zu den Optionalen Besonderen Leistungen gem. §§ 33 und 38 HOAI beanstandete, dass es an einer eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der nachgefragten Leistungen im Sinne des § 121 GWB fehle, eine seriöse Preiskalkulation sei deshalb nicht möglich, dies gelte namentlich mit Blick auf die Kalkulation von Pauschalpreisen und den Bezug einzelner Leistungen durch Dritte. Im Übrigen gebe es für ein Wahlrecht der Antragsgegnerin als Auftraggeberin hinsichtlich der Einzelgewerkvergabe oder alternativ der Generalunternehmervergabe keine rechtliche Grundlage, die Ausschreibung verstoße insoweit gegen die Gebote der Transparenz und der Diskriminierungsfreiheit.

Bereits mit Schreiben vom 7. Januar 2022 (a.a.O.) half die Antragsgegnerin der Rüge der Antragstellerin in der Weise ab, dass nunmehr auch das bis zum 12. Januar 2022 einzureichende Angebot weiterhin als indikatives Angebot eingereicht werden dürfe, es werde nach dem 12. Januar 2022 sodann kurzfristig gesondert zur Abgabe eines finalen Angebots aufgefordert werden.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2022 (Ordner 20 der Vergabeakte, Dokument 1926-2…) meldete die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin sodann weiteren Verhandlungsbedarf insbesondere zu dem seitens der Antragsgegnerin erstellten Vertragsentwurf an. Konkret beanstandete sie, dass weiter die Gefahr nicht passender Kosten/Pauschalhonorare bestehe, in den LP 1 – 4 die Leistungen für GU- und Einzelgewerksvergabe immer noch gleich seien und auch ab LP 5 ff. die Leistungsbilder in der GU-Variante nicht hinreichend spezifiziert seien: die Kosten der “besonderen Leistungen” seien nicht hinreichend schätzungsfähig, ohnehin sei der Katalog der “besonderen Leistungen” zu umfangreich, üblich und empfehlenswert seien nur insgesamt sechs (näher benannte) “besondere Leistungen”.

Darüber hinaus erhob die Antragstellerin mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Januar 2022 (a.a.O., Dokument 2…) eine weitere Rüge, die darauf zielte, dass die Besonderen Leistungen, für die jeweils ein Pauschalpreis angeboten werden solle, in weiten Teilen inhaltlich ungenau beschrieben seien, die Vergabeunterlagen seien insofern nach wie vor mangelhaft. Hinsichtlich der gegenüber dem Vertragsentwurf der Antragsgegnerin erhobenen Rüge wies die Antragstellerin darüber hinaus darauf hin, dass die kalkulierten Gesamtbaukosten in Höhe von Euro 425.000.000 mit Blick auf zwischenzeitliche Kostensteigerungen bereits überholt seien, überdies bilde der Vertragsentwurf die Szenarien der Einzelgewerkvergabe bzw. der Generalunternehmervergabe alternativ ab, obwohl die Generalunternehmervergabe deshalb zu deutlich höheren Kosten führe, weil der Generalunternehmer dem Bauherrn erhebliche eigene Leistungen und Risiken abnehme. Der sich daraus ergebende Widerspruch zwischen Kostenobergrenze und inhaltlichen Anforderungen auf der anderen Seite führe damit zu einer Unschlüssigkeit der Vergabeunterlagen. Da der Vertrag in der nunmehr aktuellen Fassung vorgebe, dass Quantitäten und Qualitäten “nach Möglichkeit unter Beachtung der Ziff. 1.2” umzusetzen seien, sei völlig unklar, was geplant werden solle.

Parallel zu diesen Rügeschreiben übermittelte die Antragstellerin der Antragsgegnerin am 12. Januar 2022 ein indikatives Zweitangebot (Ordner 20 der Vergabeakte), das nunmehr mit einem Honorarvolumen von brutto Euro 42.003.800,83 abschloss.

Am 8. Februar 2022 führte die Antragsgegnerin die Bewertung der drei eingereichten Angebote durch; in das hierzu unter dem 14. Februar 2022 erstellte Protokoll hat die Antragstellerin – mit Ausnahme der Teile, die Informationen zu den Angeboten ihrer Wettbewerber enthalten – im Rahmen der Vergabe vor der Vergabekammer Akteneinsicht erhalten. In der tabellarisch erfassten Bewertung zu den Kriterien 2 – 4 der Zuschlagmatrix finden sich unter Ziffer 2b, 2c und 3d Bezugnahmen auf Aussagen im Rahmen des mündlichen Verhandlungstermins vom 2. November 2021.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin teilten der Antragstellerin anschließend mit Schreiben vom 24. März 2022 (im Ordner 22 der Vergabeakte, Dokument 22…) mit, dass der Rüge nicht abgeholfen werde. Die aktualisierten Preisblätter seien auf der Grundlage des durchgeführten VgV-Verfahrens erstellt worden, die Mitbewerber der Antragstellerin seien offenbar in der Lage, den Leistungsbeschreibungen durch einen ggf. erforderlichen Kalkulationszuschlag Rechnung zu tragen. Hinsichtlich des Vertragsentwurfs gelte, dass eine Einhaltung der zu Grunde gelegten Budgetobergrenze nicht ohne weiteres als möglich erscheine, es solle deshalb in der Leistungsphase 2 gemäß HOAI eine Vorplanung entwickelt werden, die die Budgetplanung bestmöglich abbilde, ggf. könne das Raumprogramm aus dem Architektenwettbewerb nicht mehr maßgeblich sein, wenn es für das zur Verfügung stehende Budget nicht mehr realisierbar sei. Es sei vornehmliches Ziel, die Budgetobergrenze einzuhalten, unter dieser Voraussetzung könne es auch zu einer Reduzierung von Quantitäten und Qualitäten kommen, dementsprechend werde die Kostenobergrenze erst mit den Leistungsphasen 2 oder 3 verbindlich vereinbart.

Mit Blick darauf, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin, ungeachtet der von dieser am 12. Januar 2022 erhobenen zweiten Rüge, bereits mit Schreiben vom 22. März 2022 bis zum 6. April 2022 zur Abgabe eines finalen Angebots aufgefordert hatte, erhob die Antragstellerin mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4. April 2022 (im Ordner 22 der Vergabeakte, Dokument 22…) eine weitere Rüge, mit der sie sich nunmehr zusätzlich darauf bezog, dass es nach der Übersendung des indikativen Zweitangebots entgegen § 17 Abs. 10 VgV keinerlei weitere Verhandlungen mit ihr mehr gegeben habe.

Am 6. April 2022 gab die Antragstellerin das von der Antragsgegnerin bis zu diesem Tag angeforderte finale Angebot ab (im Ordner 26 der Vergabeakte). Im Begleitschreiben (a.a.O., Dokument 1926-22…) hielt sie aber unverändert daran fest, dass die bislang vorliegenden Vergabeunterlagen weiterhin kaum kalkulierbare Risiken beinhalteten und es insofern aus ihrer Sicht angezeigt sei, sowohl einzelne Leistungsbeschreibungen als auch das vorliegende Vertragswerk noch weitergehend abzustimmen. Sie sei nicht bereit, diese Risiken zu übernehmen, insbesondere die sich aus dem Fehlen einer Preissicherungsklausel ergebenden, ggf. “existenzbedrohenden” Gefahren. Sie regte daher Gespräche zu der Frage an, wie die Vertragsrisiken so eingegrenzt werden können, “dass keine Partei an die Wand gedrückt wird”.

Das Honorarangebot der Antragstellerin lautete nunmehr auf Euro 136.181.747,06, wobei die Antragstellerin mit einem Risikozuschlag auf das Grundhonorar von mehr als 90% rechnete.

Am 8. April 2022 hat die Antragstellerin sodann bei der Vergabekammer der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen einen Nachprüfungsantrag angebracht, mit dem sie in erster Linie die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen resp. der Aufforderung zum endgültigen Angebot anstrebt.

Sie hat mit ihrem Nachprüfungsantrag geltend gemacht, dass die seitens der Antragsgegnerin nachgefragten Leistungen unzureichend beschrieben worden seien, dies gelte insbesondere für die wesentlichen Positionen der ausgeschriebenen Besonderen Leistungen. Hierfür sollten durchgehend Pauschalen angeboten werden, es ergebe sich aus der Beschreibung der Besonderen Leistungen jedoch nicht, in welchem Umfang diese Leistungen überhaupt nachgefragt würden und wie diese Leistungen im spezifischen Kontext durchgeführt werden sollten. Die Leistungsbeschreibungen der Besonderen Leistungen müssten aber so klar sein, dass die werkvertragliche Abnahmefähigkeit erkennbar sei und kein Raum für ggf. unberechtigte Nachforderungen bestünde. Es komme alternativ zwar in Betracht, eine zeitabhängige Vergütung oder eine Vergütung nach den mit den Leistungen im Zusammenhang stehenden Baukosten zu kalkulieren, dies sei seitens der Antragsgegnerin vorliegend aber gerade ausgeschlossen worden.

Die unzureichende Leistungsbeschreibung wirke sich insbesondere auch mit Blick auf die Notwendigkeit des Leistungsbezugs durch Dritte aus, mit den unzulänglichen inhaltlichen Angaben der Antragsgegnerin könnten Angebote von Dienstleistern aber nicht abgefragt werden. Auch sei es nicht möglich, entsprechende Angebote innerhalb der vorgesehenen Angebotsfristen einzuholen.

Konkret hat die Antragstellerin angeführt, dass die Mangelhaftigkeit der Leistungsbeschreibung “anhand der folgenden besonders gravierenden Verstöße … deutlich” werde und sodann für die LP 1 zwei, die LP 2 drei, die LP 3, 5 und 8 je eine, die LP 7 zwei, die LP 9 drei Besondere Leistungen als nicht hinreichend genau beschrieben bezeichnet; auf Rnrn. 27 – 53 des Nachprüfungsantrags vom 8. April 2022 wird Bezug genommen. Weiter hat sie vorgebracht, dass auch für BIM-Leistungen der Inhalt der gewünschten/geforderten Leistungen völlig offen/unklar sei (a.a.O., Rn. 66/67) und schließlich hinsichtlich der notwendigen Einbeziehung Dritter gerügt, dass auch diese wegen der zu unklaren Leistungsbeschreibung nicht so klar definiert seien, dass Angebote solcher Dritter eingeholt werden könnten (a.a.O., Rn. 64/65).

Darüber hinaus hat die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag beanstandet, dass die Leistungen bis einschließlich der Leistungsphase 4 seitens der Antragsgegnerin sowohl für eine Einzelgewerkvergabe, dann nach anrechenbaren Kosten, als auch für eine Generalunternehmervergabe, in diesem Fall unter Zugrundelegung eines Pauschalpreises, nachgefragt worden seien. Die Antragsgegnerin wolle sich also ein Wahlrecht vorbehalten, auf welcher Grundlage die Beauftragung schließlich erfolgen werde, hierfür gebe es aber keine sachliche Rechtfertigung, es werde hiermit zugleich gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verstoßen. Es stelle keine transparente Ausschreibung dar, wenn für inhaltlich identische Leistungen zweimal ein Preis abgefragt werde.

In ähnlicher Weise hat die Antragstellerin vier Besondere Leistungen der Freianlagenplanung gem. § 38 HOAI als zu ungenau beschrieben beanstandet (a.a.O., Rnrn. 54 – 62).

Auch die geforderte Pauschale für das Bereitstellen einer digitalen Plattform (BIM) sei nicht kalkulierbar.

Einen sachlichen Grund, der das Wahlrecht des Auftraggebers zwischen Einzelgewerks- und GU-Vergabe rechtfertigen könne, gebe es nicht, vielmehr sei es ein Verstoß gegen den Grundsatz der transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibung, wenn für inhaltlich dieselbe Leistung zweimal ein Preis abgefragt werde – denn tatsächlich unterschieden sich die Leistungen bei Einzelgewerks- und GU-Vergabe bis incl. LP 4 nicht.

Zudem sei auch der von der Antragsgegnerin ausgearbeitete Vertragsentwurf, der bis zur Abgabe des indikativen Zweitangebots unter anderem auch Gegenstand des Verhandlungstermins am 7. Dezember 2021 gewesen sei und sodann dem finalen Angebot zu Grunde gelegen habe, in Teilen unklar. Insoweit gelte, dass es mit Blick auf die veraltete Budgetvorgabe von Euro 425.000.000 nicht möglich sei zu bestimmen, wie die Leistungsphase 2 abgeschlossen werden solle. In Anbetracht von Baukostensteigerungen von mindestens ca. drei Prozent pro Jahr stelle dies effektiv eine Kürzung der Budgetsumme dar, ohne dass das Raumprogramm entsprechend reduziert worden sei. Überdies sehe der Vertragsentwurf bei unverändertem Budget jetzt auch die Erschließung und die Tiefgarage mit vor, während dies bei der Wettbewerbsentscheidung noch nicht der Fall gewesen sei. Soweit die Antragsgegnerin in der geänderten Vertragsfassung nunmehr formuliert habe, die Budgetvorgabe solle bestmöglich abgebildet werden, sei dies mit Blick darauf, dass nach Maßgabe des Vertrags der Auftragnehmer alles zu tun habe, um die Budgetvorgabe zu erreichen, zudem widersprüchlich. Die vorgesehene vertragliche Verpflichtung, etwaige Einsparmaßnahmen wiederum mit dem Auftraggeber abzustimmen, führe zugleich dazu, dass es keine abschließende Beschreibung der Vorplanungsleistungen mehr gebe, die auftragnehmerseits erfüllt und zu denen vom Auftraggeber sodann Abnahme verlangt werden könne. Es liege allein in der Hand des Auftraggebers zu entscheiden, wann er die Einsparvorschläge für ausreichend halte. Zudem bilde der Vertrag die deutlich höheren Kosten für den Fall der Generalunternehmervergabe nicht ab, die deshalb mit deutlich höheren Kosten einherginge, weil der Generalunternehmer dem Bauherren erhebliche Risiken und Leistungen abnehme, die anderenfalls vom Bauherrn übernommen werden müssten. Da eine Einzelgewerkvergabe sich als kostengünstiger darstelle, führe dies wiederum zu einem Widerspruch zwischen der Kostenobergrenze und den inhaltlichen Anforderungen, die in Ansehung der einzuhaltenden Kostenobergrenze nicht für beide Vergabevarianten identisch sein könnten. Die Leistungsbeschreibung sei damit nicht im Sinne des § 121 Abs. 1 GWB eindeutig und widerspruchsfrei.

Schließlich hat die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag weiterhin an ihrer vorangegangenen Rüge festgehalten, dass es seitens der Antragsgegnerin entgegen § 17 Abs. 10 VgV kein weiteres Verhandlungsangebot mehr gegeben habe, nachdem zum 12. Januar 2022 das indikative Zweitangebot abgefordert worden sei.

Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2022 hat während des laufenden Nachprüfungsverfahrens und nach seitens der Vergabekammer gewährter Akteneinsicht die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag inhaltlich erweitert und nunmehr auch die fehlerhafte Bewertung der Zuschlagskriterien durch die Antragsgegnerin beanstandet. So sei insbesondere die Bewertungsweise in den einzelnen Kriterien und Unterkriterien nicht nachvollziehbar, ebenso wenig wie die Übertragung der Bepunktung aus den Unterkriterien in die Hauptkriterien. Gleiches gelte für die Gewichtung der jeweils einzelnen Aspekte. Zudem lasse sich dem Protokoll zum Bewertungsgespräch (im Ordner 17 der Vergabeakte) entnehmen, dass die Antragsgegnerin entgegen der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe auch bloß mündliche Angaben aus den Bietergesprächen in die Bewertung habe einfließen lassen.

Die Antragstellerin hat vor der Vergabekammer beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen / der Aufforderung zum endgültigen Angebot und das Verfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen,

2. hilfsweise, andere geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung der Antragstellerin zu beseitigen;

3. der Antragstellerin gemäß § 165 Abs. 1 GWB die Einsichtnahme in die Vergabeakten zu gestatten,

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen,

5. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen;

3. festzustellen, dass die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen ist.

Die Antragsgegnerin hat den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig gehalten, weil die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen sei. Da die Antragstellerin die mit dem im August 2021 übersandten Bieterleitfaden zur Verfügung gestellten Vergabeunterlagen bereits von vornherein für intransparent bzw. vergaberechtswidrig gehalten habe, hätte sie dies spätestens mit der Übermittlung des Erstangebots im September 2021 auch ihr, der Antragsgegnerin, gegenüber rügen müssen, tatsächlich sei eine erste Rüge aber erst im Dezember 2021 erfolgt.

Darüber hinaus ermangele die Antragstellerin auch der Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB, weil sie ohnehin keine Chance auf Erteilung des Zuschlags habe. Nach der für die Vergabe entwickelten Zuschlagsmatrix und in Anbetracht des gegenüber den verbliebenen Mitbewerbern schon hinsichtlich der Grundleistungen höheren Honoraransatzes der Antragstellerin habe diese tatsächlich keine Chance auf die Erteilung des Zuschlags, so dass die Antragsbefugnis der Antragstellerin bereits aus diesem Grunde zu verneinen sei.

Im Übrigen läge aber auch ein materieller Verstoß gegen das Vergaberecht nicht vor, die Leistungsbeschreibung sei hinreichend eindeutig und so erschöpfend wie möglich. Soweit die Antragstellerin eine fehlende Kalkulationsgrundlage für die Besonderen Leistungen und die Leistungen in der Planung nach der BIM-Methode bemängele, habe sie, die Antragsgegnerin, zunächst die in der HOAI definierten Leistungen als Pauschalen abgefragt, als Bauherrin ermangele es ihr auch weitergehender eigener Fachkenntnisse und Erfahrungen für eine quantitative Abschätzung. Gleichwohl habe sie für 14 der insgesamt 54 abgefragten Besonderen Leistungen gemeinsam mit der technischen Beratung mathematische Kalkulationsgrundlagen in Gestalt so genannter Vordersätze gebildet, im Übrigen habe sie die Bieter auf deren jeweils eigene Erfahrungen im Krankenhausbau als Kalkulationsgrundlage verweisen dürfen. Es liege im Anwendungsbereich des § 121 GWB ferner auf der Hand, dass die Vorgaben für Planungsleistungen, die eine geistig-schöpferische Dienstleistung darstellten, in der Regel nicht so eindeutig sein könnten wie bei anderen Beschaffungsvorhaben, eine abschließende Beschreibung sei deshalb schon grundsätzlich nicht möglich. Maßgeblich sei vielmehr, dass es einem durchschnittlichen und fachkundigen Bieterkreis möglich sei, den gewollten Erklärungswert der Angaben herauszufiltern. In diesem Zusammenhang gelte, dass die nach dem Architektenwettbewerb verbliebenen Bieter über auskömmliche Projektkenntnisse verfügten und deshalb auch zu der Einschätzung der erforderlichen Architektenleistungen in der Lage sein sollten. Eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation hätte durch Risikoaufschläge oder eine Mischkalkulation in den Angebotspreis einkalkuliert werden können.

Darüber hinaus habe auch der fortgeschriebene Vertragsentwurf keinen Verstoß gegen Vergaberecht beinhaltet. Insoweit gelte ungeachtet des vorgesehenen Verhandlungsverfahrens, dass es Sache des Auftraggebers sei, den Inhalt der Verhandlungen festzulegen. Es sei im Übrigen klargestellt worden, dass aufgrund der Baupreisentwicklung eine vollständige Umsetzung des Wettbewerbsentwurfs mit Blick auf die Budgetobergrenze von Euro 425.000.000 nicht ohne weiteres als möglich erscheine. Im Zuge der Vorplanung solle mit weiteren Fachplanern das Planungssoll gemeinsam ermittelt werden, woraus folge, dass das Raumprogramm aus dem Architektenwettbewerb nicht mehr maßgeblich sein könne, wenn es mit dem zur Verfügung stehenden Budget schlichtweg nicht realisierbar sei, es sei deshalb auch vorgesehen, die Kostenobergrenze erst mit Abschluss der Leistungsphasen 2 oder 3 verbindlich zu vereinbaren, erst dann solle auch das endgültige Honorar auf die anrechenbaren Kosten des Projekts festgelegt werden.

Zu den seitens der Antragstellerin vermissten weiteren Verhandlungen im Anschluss an das indikative Zweitangebot gelte zunächst, dass sie, die Antragsgegnerin, schlechterdings nicht gehalten sei, die Vergabeunterlagen in diesem Zusammenhang zu ändern, der Auftraggeber bleibe vielmehr hinsichtlich des von ihm zu bestimmenden Leistungsinhalts frei. Im Übrigen habe jedenfalls auch kein Anspruch der Antragstellerin dahingehend bestanden, dass sich an das indikative Zweitangebot eine weitere Angebotsverhandlung hätte anschließen müssen. Auch insoweit gelte, dass allein der Auftraggeber die Entscheidungshoheit über die konkrete Ausgestaltung des Verhandlungsverfahrens innehabe.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Juli 2022 hat die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin dahingehend stattgegeben, dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückversetzt wird. Der Antragsgegnerin wurde ferner aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Aufforderung zur Abgabe eines Erstangebotes unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu fassen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin wurden der Antragsgegnerin auferlegt, die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin wurde für notwendig erklärt. Wegen der Begründung der Entscheidung im Einzelnen wird auf Gründe zu B. des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Gegen diesen ihr am 28. Juli 2022 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 11. August 2022 sofortige Beschwerde erhoben.

Die Antragsgegnerin bringt zur Begründung ihrer sofortigen Beschwerde vor, die Vergabekammer sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei der Ausschreibung alternativ der Einzelgewerkvergabe bzw. der Generalunternehmervergabe um Wahl- oder Alternativpositionen handele. Vielmehr handele es sich bei der insoweit alternativen Honorarabfrage stattdessen um eine rechtlich im Optionsbereich angelegte Thematik. Es gehe hierbei nämlich um ein einseitiges Gestaltungsrecht des Auftraggebers, um vorliegend im Anschluss an die drei- bis vierjährige Planungsphase flexibel auf die Volatilität des Bausektors reagieren zu können. Es sei ihr, der Antragsgegnerin, gegenwärtig noch nicht möglich, die zukünftige Vergabestrategie verbindlich festzulegen, deshalb habe sie zwei eigenständige Leistungsbilder erstellt, die von den Bietern anzubieten gewesen seien. Sie, die Antragsgegnerin, müsse dazu in der Lage sein, auf die Marktgegebenheiten nach Abschluss des Vorplanungsprozesses noch flexibel reagieren zu können. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin seien beide Honorarszenarien auch durchaus kalkulierbar, wobei der Aufwand im Fall der Einzelgewerkvergabe naturgemäß größer sei. Die Situation sei insoweit etwa mit der vergaberechtlich ohne weiteres zulässigen Vorgabe von Rahmenbedingungen vergleichbar, die ebenfalls dadurch gekennzeichnet seien, dass der Leistungsabruf zum Zeitpunkt der Vergabe noch nicht abschließend feststünde. Eine Manipulationsmöglichkeit zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Bieter werde hierdurch nicht eröffnet. Die Vergabekammer sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Vergabeunterlagen aufgrund der alternativ anzubietenden Vergabearten intransparent geworden seien und sich insoweit das Risiko der mangelnden Vergleichbarkeit der Angebote und taktischer Überlegungen der Bieter vergrößert habe. Dem stünde bereits entgegen, dass sie, die Antragsgegnerin, im Bieterleitfaden über alle wesentlichen Aspekte des Vergabeverfahrens informiert und insoweit auch Vorgaben zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit der von den Bietern abzugebenden Angebote gemacht habe. Da die Angebote der Bieter ausdrücklich beide Leistungsbilder der Einzelgewerk- und der Generalunternehmervergabe abbilden müssten, sei nicht nachzuvollziehen, warum die Vergabekammer zu der Einschätzung gelangt sei, dass es an einer ausreichenden Kalkulationsgrundlage für die Bieter fehle. Bei zwei ausdrücklich separat zur Verfügung gestellten Leistungsbildern sei tatsächlich jeder durchschnittliche Bieter in der Lage gewesen, ein Angebot zu erstellen. Im Übrigen habe die Antragstellerin die Angebotsabfrage sowohl unter der Bedingung der Einzelgewerkvergabe als auch alternativ unter Zugrundelegung der Beauftragung eines Generalunternehmers auch nicht zum Gegenstand ihrer verschiedenen Rügen gemacht, weshalb sie insofern präkludiert sei und dementsprechend auch die Vergabekammer daran gehindert gewesen sei, ihre dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgebende Entscheidung hierauf zu stützen.

Entgegen der Auffassung der Vergabekammer sei ferner auch hinsichtlich der Besonderen Leistungen von einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung auszugehen. Der maßgebliche durchschnittliche Bieterkreis hätte hinreichend genau erkennen können, was gewollt gewesen sei. Es sei im Grundsatz davon auszugehen, dass die Ausschreibungsempfänger die für die Honorarermittlung erforderlichen Grundlagen in eigener Verantwortung prüften, einer derartigen Prüfungspflicht unterläge der Ausschreibende demgegenüber generell nicht. Das jeweilige Planungsbüro habe es selbst in der Hand und sei aufgrund der Erfahrung bei Vergleichsprojekten auch in jedem Fall dazu in der Lage, entsprechende Leistungen auch für Besondere Leistungen zu kalkulieren. Den Wettbewerbern der Antragstellerin sei dies vorliegend auch ohne weiteres möglich gewesen, eine Vorgabe der einzelnen Leistungspositionen bis ins letzte Detail sei daher nicht möglich gewesen und hätte auch nicht erwartet werden können.

Bei den seitens der Vergabekammer als nicht hinreichend konkretisiert beanstandeten einzelnen Besonderen Leistungen handele es sich im Übrigen lediglich um die Konkretisierung der in der Anlage 10 zu §§ 34 Abs. 4, 35 Abs. 7 HOAI bereits enthaltenen Beschreibung der dort aufgeführten Besonderen Leistungen. Das für die Leistungsphase 1 abgebildete Fortschreiben und Anpassen des Betriebsorganisationskonzepts referiere auf die in der Anlage 10 genannte Betriebsplanung, ein Betriebsorganisationskonzept sei zwingender Bestandteil einer Krankenhausplanung, aus dem sich für den Architekten die Lagebeziehungen der verschiedenen Funktionsbereiche ergäben, die die Grundlage für die Grundrissplanung darstellten. Das Betriebsorganisationskonzept sei den Bietern mit den Auslobungsunterlagen zur Verfügung gestellt worden, möglicherweise sei das Ziel der Antragstellerin in einer Stundensatzabrechnung anstelle der Bepreisung nach anerkannten HOAI-Parametern zu sehen.

Auch die die Leistungsphase 2 betreffende ergänzende Vorplanungsuntersuchung entspreche annähernd wortgleich der Anlage 10 zur HOAI. Es ginge hierbei darum, dass im Zuge der Vorplanung Kompromisse in den gewünschten Lagebeziehungen erforderlich würden, die seitens des Bauherrn nicht ohne direkte Zuarbeit des Architekten erarbeitet werden könnten.

Soweit die Vergabekammer auch die Besondere Leistung “Möblierungsplan mit Aufnahme des Bestandsmobiliars” für unklar gehalten habe, sei kaum vorstellbar, dass die Antragstellerin von dieser Leistung keine Vorstellung habe und insofern keine Kalkulationsgrundlage sehe. Naturgemäß sei ein großer Teil der Möblierungsplanung bereits in der Architekturplanung enthalten, es komme als Besondere Leistung lediglich die Bestandsbewertung hinzu.

Das bezogen auf die Leistungsphase 9 angeführte Erstellen eines Instandhaltungskonzepts entspreche wiederum wörtlich der Anlage 10 nach HOAI, es sei insoweit im Rahmen der Ausführungsplanung erforderlich, ein auf die konkrete Bauausführung bezogenes Instandhaltungskonzept zu erstellen, durch das dem Bauherrn eine Anleitung zur dauerhaften Instandhaltung des Objekts an die Hand gegeben werde. Auch die Problematik der mangelnden Abnahmefähigkeit einzelner Besonderer Leistungen stelle sich tatsächlich nicht, ggf. sei es auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen auch möglich, Teilabnahmen vorzunehmen.

Zuletzt gehe auch die Beanstandung der Vergabekammer ins Leere, dass der Wertungsvorgang vergaberechtswidrig sei. Es seien tatsächlich keine Inhalte aus der mündlichen Vorstellung der Angebote in unzulässiger Weise in die Bewertung mit einbezogen worden. Die Bewertung sei vielmehr ausschließlich unter Zugrundelegung der von vornherein bekanntgemachten Zuschlagskriterien erfolgt. Die gelegentliche Formulierung in der Auswertungsdokumentation “im Termin” habe sich lediglich auf einzelne ergänzende Anmerkungen zu dem schriftlichen Angebot bezogen, soweit sich hieraus noch nicht vollständig habe herauslesen lassen, was in dem schriftlichen Angebot ausformuliert worden sei. Es habe in diesen Fällen klärende Anmerkungen im Termin gegeben, ohne dass dies zu einer Änderung der Zuschlagsmatrix geführt habe. Dies sei auch im Vorfeld der Bietergespräche am 2. November 2021 nochmals ausdrücklich erläutert worden, bei Notizen zu den Bietergesprächen habe es sich daher auch nicht um Vorbereitungen zu einer etwa intransparenten Angebotswertung gehandelt.

Soweit die Vergabekammer gemeint haben sollte, der Bewertungsvorgang sei unter Verwendung von “+”- und “-“-Zeichen das Ergebnis eines schlichten Rechenvorgangs, sei diese Annahme unzutreffend. Den in der Auswertungsdokumentation enthaltenen “+”- und “-“-Zeichen komme nämlich gar keine wertmäßige, sondern stattdessen eine semantische Bedeutung zu, hierdurch sei der positive oder negative Eindruck in Bezug auf die Angebotsinhalte gekennzeichnet worden, ohne dass dies zugleich auch im Rahmen der Punktvergabe relevant gewesen sei. Die gewerteten Punktwerte je Hauptkriterium hätten gar nicht das Ergebnis eines simplen Rechenvorgangs sein können. Der zu Grunde liegende Bewertungsvorgang sei gegenüber den Bietern im Bieterleitfaden auch klar kommuniziert worden, ein nach den Mutmaßungen der Vergabekammer zu Grunde gelegter Umrechnungsschlüssel existiere tatsächlich nicht. Es sei von ihr, der Antragsgegnerin, in den Vergabeunterlagen durch die jeweilige Angabe der Bewertungsmerkmale zu den einzelnen Hauptkriterien transparent dargelegt worden, welche Aspekte bei der Bewertung der Angebotsbestandteile wichtig für die Punktevergabe sein werden.

Die Antragsgegnerin ist hinsichtlich der Festsetzung der Kosten erster Instanz der Auffassung, dass die Vergabekammer offenbar fehlerhaft einen Wert angenommen habe, der sich aus den kumulierten Werten für Einzelgewerks- und Generalunterehmervergabe und hier den Ansätzen der Antragstellerin ergeben habe. Sachgerecht sei auf eine der beiden Umsetzungsvarianten abzustellen; angemessen sei tatsächlich ein Wert von ca. Euro 26.000.000 brutto, auf den sodann § 50 abs. 2 GKG anzuwenden sei, womit sich nach der Tabelle der Vergabekammern des Bundes eine Gebühr zwischen Euro 3.125 und Euro 3.800 ergebe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. Der Beschluss der Vergabekammer der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg, Az.: BR60.29-319/2022 … vom 27. Juli 2022 wird bei gleichzeitiger Zurückweisung des Nachprüfungsantrags der Bietergemeinschaft A… vom 8. April 2022 aufgehoben, soweit die Vergabekammer darin rechtsfehlerhaft feststellt,

– es sei ein Verstoß gegen den Transparenz- und Gleichheitsgrundsatz, wenn Honorare sowohl für die Generalunternehmer- als auch Einzelgewerkvergabe abgefragt werden,

– die Leistungsbeschreibung sei hinsichtlich der Besonderen Leistungen nicht eindeutig und erschöpfend und

– der Wertungsvorgang der Angebote stünde nicht mit vergaberechtlichen Vorgaben in Einklang, und zudem soweit, als die Vergabekammer im Rahmen ihrer Kostenentscheidung einen Streitwert zugrunde gelegt hat, der zu einer Verfahrensgebühr in Höhe von 5.500,00 EUR geführt hat.

2. Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Beschwerdeführerin gem. § 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 71 GWB.


Die Antragstellerin beantragt,

1. die Sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 11.8.2022 gegen den Beschluss der Vergabekammer der Freien und Hansestadt Hamburg/Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (im Folgenden nur noch “Vergabekammer”) vom 27.7.2022 – BR.60.29-319/2022 … – wird zurückgewiesen;

2. die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin werden der Antragsgegnerin auferlegt;

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.


Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer und hält zunächst die rechtliche Beurteilung der Antragsgegnerin, die gleichzeitige Aufforderung sowohl zur Einzelgewerk- als auch zur Generalunternehmervergabe sei nicht an den Maßstäben für die Beurteilung der Zulässigkeit von Wahlpositionen zu messen, für unzutreffend. Im Übrigen spiele diese Einordnung für die vergaberechtliche Zulässigkeit aber auch keine maßgebliche Rolle. Da in jedem Fall die Bestimmtheit der Leistungsbeschreibung und damit die Transparenz des Vergabeverfahrens berührt seien, bedürfe es zwangsläufig einer sachlichen Rechtfertigung dafür, dass sich die Antragsgegnerin die zu beauftragende Leistung offenhalten wolle. Es sei aber schlicht nicht nachvollziehbar, warum die Antragsgegnerin erst nach Abschluss der Leistungsphasen 1 bis 3 entscheiden wolle, wie die Bauleistungen dann zu vergeben sein sollten, es sei namentlich nicht ersichtlich, welche Marktinformation die Antragsgegnerin denn bis dahin abwarten wolle, obwohl bereits jetzt klar sei, dass im Rahmen der Generalunternehmervergabe ein GU-Zuschlag kalkuliert werden müsse. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei die Aufforderung zur Angebotsabgabe unter alternativen Vergabeszenarien auch nicht unter dem Gesichtspunkt sog. Bedarfsleistungen zulässig, hierbei handele es sich üblicherweise nämlich nur um Zusatzleistungen, die einen Gesamtanteil am Auftrag von nicht mehr als zehn bis 15 Prozent haben dürften. Der von der Antragsgegnerin bemühte Vergleich mit zulässigen Rahmenvereinbarungen verbiete sich ebenfalls, insoweit gelte unter anderem, dass in diesem Rahmen zumindest die realistische Aussicht darauf bestehen müsse, dass die angebotenen Leistungen auch in vollem Umfang abgerufen würden, während vorliegend klar sei, dass das insgesamt abgeforderte Leistungsvolumen der beiden alternativen Vergabeszenarien nicht mehr als zur Hälfte abgerufen werde.

Darüber hinaus habe die Vergabekammer auch zu Recht entschieden, dass die Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Besonderen Leistungen nicht eindeutig und erschöpfend und deshalb mit Blick auf §§ 121 GWB, 31 VgV vergaberechtswidrig sei. Es sei diesbezüglich mit der Vergabekammer davon auszugehen, dass eine Leistungsbeschreibung dann unzureichend sei, wenn unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kämen und die Bieter im Unklaren gelassen würden, welche Leistung unter welchen Bedingungen angeboten werden solle. Es sei vorliegend aber bei keiner der in Rede stehenden Leistungspositionen klar definierbar, wann der Bieter die abschließende Abnahme seiner Leistungen verlangen könne, insbesondere sei es nicht möglich, etwaigen künftigen Nachforderungen der Antragsgegnerin irgendeine Grenze aus der Leistungsbeschreibung entgegenzuhalten. Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Anlage 10 der HOAI gehe in diesem Zusammenhang schon deshalb fehl, weil dort lediglich verschiedene Leistungsarten Besonderer Leistungen beschrieben würden, nicht aber, wie diese inhaltlich auszufüllen seien. Insoweit seien die Bieter auf konkretisierende Vorgaben der Antragsgegnerin als Bauherrin angewiesen.

Insbesondere auch die abgeforderte Bepreisung der Besonderen Leistungen lediglich mit einem Pauschalpreis anstelle etwa einer aufwandsbezogenen Vergütung nach Stundensätzen setze voraus, dass die Leistungen näher definiert würden, anderenfalls sei der hiermit verbundene Aufwand für den Bieter vollends unkalkulierbar.

Schließlich habe die Vergabekammer auch zu Recht festgestellt, dass der von der Antragsgegnerin vorgenommene Wertungsvorgang in Teilen fehlerhaft und damit insgesamt intransparent sei. Es sei insoweit offensichtlich, dass die mündliche Angebotspräsentation der beteiligten Bieter zum Gegenstand der Bewertung gemacht worden sei, es sei in Anbetracht der vorliegenden Bewertungsprotokolle vielmehr zweifelhaft, ob die schriftlichen Angebote überhaupt in die Bewertung eingeflossen seien. Im Übrigen gehe es in diesem Zusammenhang entgegen dem Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin auch nicht etwa um Fragen eines rechnerischen Bewertungsmaßstabs, sondern vielmehr darum, dass die Vergabekammer zu Recht festgestellt habe, es sei auf der Grundlage der Vergabedokumentation der Antragsgegnerin schlicht und ergreifend unklar geblieben, woraus sich die konkrete Punktbewertung zu den verschiedenen Kriterien ergebe. Es fehle insoweit schlicht an nachvollziehbaren Darlegungen in der Vergabedokumentation, namentlich lasse sich dieser nicht entnehmen, inwieweit die Vorgaben aus dem Bieterleitfaden in der Bewertung umgesetzt worden seien.

Die Antragstellerin hat zur Frage des Festsetzung des Streitwertes und der Gebühr der Vergabekammer inhaltlich nicht Stellung genommen, da die wesentlichen Passagen des Vorbringens der Antragsgegnerin hierzu geschwärzt waren.


II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg; der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist teilweise schon unzulässig, ansonsten überwiegend unbegründet.

1.) Soweit die Antragstellerin sich gegen die aus ihrer Sicht zu unbestimmte Beschreibung der nach den Preisblättern zu Pauschalpreisen anzubietenden “Besonderen Leistungen” wendet, ist ihr Nachprüfungsantrag bereits unzulässig.

a) Soweit die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag vom 8. April 2022 ganz allgemein die Beschreibungen der anzubietenden “Besonderen Leistungen” in den Vergabeunterlagen rügt, da sie sämtlich so unbestimmt seien, dass nicht erkennbar sei, auf welcher Grundlage die in die Preisblätter einzusetzenden Pauschalen denn kalkuliert werden könnten, ist ihr Vortrag mangels einer hinreichend substantiierten Rüge gem. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert.

Insoweit kann dahinstehen, wann genau eine Rügeobliegenheit der Antragstellerin im Verlauf des Verfahrens bezogen auf die von ihr behauptete Unbestimmtheit der Beschreibung der “Besonderen Leistungen” entstanden ist, denn jedenfalls mangelt es hinsichtlich derjenigen “Besonderen Leistungen”, zu denen die Antragstellerin keine substantiierten, im einzelnen umschriebenen Bedenken vorgebracht hat, auch noch nach Ablauf der Frist für die Einreichung des finalen Angebots an einer hinreichenden Rüge.

Wesentlicher Sinn der Rügeobliegenheit ist es, dem öffentlichen Auftraggeber eine Abhilfe zu ermöglichen und hierdurch unnötige Vergabenachprüfungsverfahren zu vermeiden (Beck’scher Vergaberechtskommentar-Horn/Hofmann, 3. Aufl. 2017, § 160 GWB, Rn. 41). Damit aber muss die Rüge jedenfalls so bestimmt gefasst sein, dass der Vergabestelle klar wird, welches konkrete Tun oder Unterlassen ihrerseits von dem jeweiligen Bieter denn für rechtswidrig gehalten wird (Horn/Hofmann a.a.O., Rn. 70).

Diesen Anforderungen wird insbesondere die im Nachprüfungsantrag (dort Rnrn. 25/26) enthaltene allgemeine Rüge nicht gerecht – allein der Hinweis, dass die Besonderen Leistungen durchweg nicht hinreichend klar beschreiben worden seien, genügt nicht, um dem Auftraggeber zu verdeutlichen, was die Antragstellerin von ihm erwartet hätte. Dass tatsächlich eine konkrete und aussagekräftige Formulierung der fraglichen Rüge möglich gewesen wäre, zeigt das Vorbringen der Antragstellerin zu Rnrn. 28 – 62 des Nachprüfungsantrags, in denen für einzelne Besondere Leistungen immerhin ansatzweise dargetan wird, welche inhaltlichen Eingrenzungen denn nach Auffassung der Antragstellerin möglich und sachdienlich gewesen wären (vgl. zu einem ganz ähnlich gelagerten Sachverhalt: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. Juli 2014 – 15 Verg 4/14).

Gleiches gilt für die völlig unsubstantiierte Rüge (Rn. 66/67 des Nachprüfungsantrags vom 8. April 2022) zur nicht hinreichenden Beschreibung der BIM-Leistungen und ebenso für die beiden “beispielhaft” beanstandeten “optionalen besonderen Leistungen”, die keine Abfrage Angebote Dritter zuließen, denn auch insoweit wird erneut nur ganz allgemein darauf Bezug genommen, dass die “nachgefragten Leistungen nicht im Ansatz ausreichend beschrieben” seien (a.a.O., Rn. 64/65).

Auch die von der Antragstellerin mit dem ersten indikativen Angebot eingereichten “Anmerkungen zum Vertrag” (Ordner 14 der Vergabeakte, Dokument 1926-31…, dort Punkt 22) sind insoweit nicht spezifischer formuliert, auch dort wird nur ganz allgemein angemerkt, dass die optionalen besonderen Leistungen nicht näher beschrieben seien – auch dies genügt, wenn man denn hierin bereits eine Rüge im Sinne des Vergaberechts sehen wollte, den Anforderungen nicht.

b) Hinsichtlich der von der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag in wohl hinreichend substantiierter Form gerügten fehlenden Konkretisierung einzelner optionaler Besonderer Leistungen (Nachprüfungsantrag Rnrn. 28 – 62) besteht keine Antragsbefugnis der Antragstellerin.

Zur Antragsbefugnis ist seitens des Antragstellers schlüssig darzulegen, dass gerade der gerügte Verstoß gegen das Vergaberecht seine Aussichten auf Erteilung des Zuschlags beeinträchtigt haben kann (Beck’scher Vergaberechtskommentar-Horn/Hofmann, a.a.O., § 160, Rn. 33).

Daran fehlt es vorliegend. Die in möglicherweise hinreichend substantiierter Form als zu unbestimmt beschrieben gerügten “Optionalen Besonderen Leistungen” hat die Antragstellerin in ihrem finalen Angebot wie folgt bepreist:

“Optionale Besondere Leistungen in der Objektplanung gem. § 33 HOAI”

LP 1

“technische Substanzerkennnung” – Euro 160.000

“Fortschreiben und Anpassen des Betriebsorganisationskonzepts” – Euro 80.000

LP 2

“Untersuchen alternativer Lösungsansätze nach verschiedenen Anforderungen einschließlich Kostenbewertung (Pauschale für 3 Untersuchungen)” – Euro 1.000.000

“Ergänzen der Vorplanungsunterlagen auf Grund besonderer Anforderungen” – Euro 80.000

“Anfertigen von Präsentationshilfen” – Euro 40.000

LP 3

“Analyse der Alternativen/Varianten und Wertung mit Kostenuntersuchung (Optimierung)” – Euro 500.000

LP 5

“Möblierungsplan mit Aufnahme des Bestandsmobiliars” – Euro 500.000

LP 7

“Mitwirken an der Prüfung von bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten (Pauschale für 5 Nachträge)” – Euro 410.000

“Aufstellen, Prüfen und Werten von Preisspiegeln nach besonderen Anforderungen” – Euro 80.000

LP 8

“Aufstellen, Überwachen und Fortschreiben von differenzierten Zeit-, Kosten- oder Kapazitätsplänen” – Euro 160.000

LP 9

“Erstellen einer Gebäudebestandsdokumentation” – Euro 2.000.000

“Aufstellen von Ausrüstungs- und Inventarverzeichnis” – Euro 320.000

“Erstellen eines Instandhaltungskonzepts” – Euro 80.000

“Optionale Besondere Leistungen in der Freianlagenplanung gem. § 38 HOAI”

LP 2

“Erarbeiten von Unterlagen für besondere technische Prüfverfahren (Pauschale für 3 Prüfverfahren)” – Euro 23.313,14 LP 3

“Erarbeiten besonderer Darstellungen zum Beispiel Modelle, Perspektiven, Animationen” – Euro 23.313,14

LP 4

“Erstellen von Rodungs- und Baumfällanträgen” – Euro 34.969,71

LP 8

“Erstellen einer Freianlagenbestandsdokumentation” – Euro 46.626,28


In der Summe hat die Antragstellerin diese Leistungen folglich mit insgesamt Euro 5.514.911,13 bepreist, in der Endsumme des finalen Angebots (da jeweils für GU-Vergabe und Einzelgewerksvergabe angesetzt) also mit Euro 11.029.822,26.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass diese Ansätze sachgerecht, die weit niedrigeren Ansätze der beiden Mitbewerber insoweit fehlerhaft und daher um den Betrag von Euro 11.029.822,26 höher hätten liegen müssen, so würde sich gleichwohl nichts daran ändern, dass im Rahmen der Bewertung der Angebote die Antragstellerin in der Kategorie “Honorarangebot” keine Punkte erhalten hätte, da ihr Angebot immer noch (weit) mehr als doppelt so hoch ausgefallen wäre, wie Gebote der Mitbewerber.

Dieser – behauptete – Mangel der Vergabeunterlagen hat sich damit auf die konkreten Zuschlagschancen der Antragstellerin nicht ausgewirkt, der Antragsstellerin fehlt insoweit die Antragsbefugnis gem. § 160 Abs. 2 GWB.

Schon hier zeigt sich, dass im Kern des Streits der Parteien nicht die behauptete Unbestimmtheit der Ausschreibungsunterlagen steht, sondern vielmehr der – für die Bepunktung im Bereich “Honorar” ausschlaggebende – von der Antragstellerin angesetzte, mit unstreitig mehr als 90% sehr hohe Risikozuschlag, der sich jedoch gerade nicht aus irgendwelchen Unbestimmtheiten, sondern vielmehr aus der Einschätzung der Antragstellerin zum zu geringen Ansatz des Budgets des Gesamtvorhabens mit Euro 425.000.000 und den sich ihrer Auffassung nach hieraus folgenden Haftungsrisiken ergibt (dazu im einzelnen s.u.).

2.) Soweit die Antragstellerin rügt, die “alternative” Ausschreibung der Planungsleistungen sowohl für den Fall der Einzelgewerksvergabe als auch für den Fall der Vergabe des Bauauftrags an einen Generalunternehmer sei unzulässig, da damit die Leistungsbeschreibung nicht “eindeutig” im Sinne des § 121 GWB sei, dringt sie mit dieser Rüge nicht durch.

a) Diese Rüge der Antragstellerin ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht schon gem. § 160 Abs. 3 GWB präkludiert.

Allerdings liegt eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht ganz fern – die Anforderung der Antragsgegnerin, Preisblätter sowohl für den Fall der Einzelgewerks- als auch der Generalunternehmer-(GU)-Vergabe einzureichen, findet sich bereits in der ursprünglichen Veröffentlichung, insbesondere in Ziffer 1.4. des Vertragsentwurfs; das Problem der “alternativen” Vergabe wurde in der Folge auch mehrfach angesprochen, namentlich von der Antragstellerin in der Skype-Konferenz vom 7. Dezember 2021 thematisiert, bei der die Antragstellerin zudem anwaltlich vertreten war. Dies legt schon sehr nahe, dass die Antragstellerin – zumal sie in der gerügten “alternativen Vergabe” einen ganz gravierenden Verstoß gegen § 121 GWB sieht – diesen Mangel schon weit vor Anbringung ihrer Rüge vom 28. Dezember 2022, jedenfalls aber am 7. Dezember 2022 erkannt haben dürfte. Letztlich genügt dies aber noch nicht, um eine positive Kenntnis des gerügten Verstoßes anzunehmen: Denn diskutiert wurde zwischen den Parteien nicht die Frage der “alternativen Vergabe” an sich, sondern dass der Vertrag und die Kostenobergrenze von Euro 425.000.000 den deutlich höheren Kosten bei GU-Vergabe nicht genügen würden (so insbesondere Ziffer 3 des Protokolls der online-Konferenz vom 7. Dezember 2021); das Problem wurde also zwar erkannt, aber es wurde trotz anwaltlicher Beratung nicht im Hinblick auf die grundsätzliche Zulässigkeit, sondern vielmehr als Problem der Auskömmlichkeit der Kostenschätzung angesprochen.

Eine Präklusion mit Rücksicht auf die – gerade für eine anwaltlich vertretene Bieterin – sicherlich gegebene Erkennbarkeit des Verstoßes nach Maßgabe der § 160 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 GWB kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Rüge vom 28. Dezember 2022 noch vor der Aufforderung der Antragsgegnerin zur Abgabe des finalen Angebotes erhoben wurde; an die Aufforderung zur Abgabe des ersten indikativen Angebotes bzw. das Verstreichen der hierfür gesetzten Frist kann nach Auffassung des Senats in der konkreten Situation des hier laufenden Verhandlungsverfahrens nicht angeknüpft werden – bei noch laufenden Verhandlungen, bei denen die alternative Vergabe immerhin (wenn auch unter einem anderen Ansatzpunkt) eine Rolle spielte, konnte die Antragstellerin vertretbar annehmen, dass es ihr noch gelingen mochte, diesen aus ihrer Sicht problematischen Punkt “wegzuverhandeln”.

b) Diese Rüge ist jedoch inhaltlich unbegründet, die Vorgabe der Antragsgegnerin, dass sowohl für den Fall der Einzelgewerks- als auch für den Fall der GU-Vergabe zu bieten war und sie sich vorbehielt, die konkrete Vergabestrategie erst weit nach Auftragsvergabe an die Planer, nämlich nach Abschluss der Leistungsphase 4 festzulegen, führte nach den konkreten Gegebenheiten des vorliegenden Verhandlungsverfahrens nicht zu einem Verstoß gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Transparenz der Leistungsbeschreibung im Sinne des § 121 GWB.

Die vorliegend von der Antragsgegnerin gewählte Form der “alternativen” Ausschreibung weist Ähnlichkeiten zur in der Rechtsprechung vielfach diskutierten Ausschreibung sog. “Wahlpositionen” auf.

Als Wahlpositionen werden in der Rechtsprechung der Vergabesenate – gesetzlich geregelt ist hier nichts – solche Leistungspositionen bezeichnet, hinsichtlich derer der Auftraggeber sich noch nicht festgelegt hat, sondern mehrere Alternativen der Leistungserbringung ausschreibt, von denen er erst nach Kenntnisnahme der Angebotsinhalte eine Alternative für die Zuschlagserteilung auswählt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Mai 2019 – Verg 61/18; OLG München, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – Verg 5/15). Vorliegend möchte sich die Antragsgegnerin die für die Auftragnehmer verbindliche Entscheidung über die Einzelgewerks / GU-Vergabe sogar bis zum Abschluss der Leistungsphasen 1 bis 3 gemäß HOAI oder noch darüber hinaus, also offenbar erst geraume Zeit nach Zuschlagserteilung, offenhalten.

Dies steht der Beurteilung als Wahlposition für sich genommen aber noch nicht entgegen (OLG Düsseldorf, a.a.O.), alternativ wird für noch bis nach Zuschlagserteilung offen bleibende Auftragsinhalte stattdessen auch von Bedarfs- oder Eventualpositionen gesprochen (Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV, 2. Aufl. 2019, § 31 Rn. 19).

Die rechtliche Problematik von Wahlpositionen wird von der Rechtsprechung insbesondere an § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, nämlich das Erfordernis der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, angeknüpft (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. April 2011 – Verg 58/10). Darüber hinaus soll durch sie zugleich das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB berührt werden (a.a.O.), da die Zuschlagserteilung erst nach Kenntnisnahme der konkurrierenden Angebote zumindest dann, wenn die Bewerber bezogen auf die fraglichen Wahlpositionen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung oder der sonst maßgeblichen Zuschlagskriterien nicht ohnehin in einem identischen Rangverhältnis stehen, Raum dafür lässt, über die (erst) jetzt als verbindlich festgelegten Wahlpositionen die Zuschlagserteilung zu steuern.

Tatsächlich war die hier erfolgte alternative Ausschreibung jedoch nicht geeignet, eine vergaberechtlich unzulässige Unsicherheit in das Vergabeverfahren hineinzutragen und hat dies tatsächlich vorliegend auch nicht getan.

Allerdings war für die Bieter nicht vorhersehbar, welche der beiden anzubietenden Varianten letztlich von ihnen erbracht werden müsse.

Allein dieser Umstand hat sie jedoch, jedenfalls was das jeweilige Leistungsprogramm und die Kalkulierbarkeit ihrer Angebote angeht, keinerlei Unsicherheit ausgesetzt: Auch die Antragstellerin bringt nicht vor, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, zu erkennen, worin in beiden Varianten ihre Grundleistungen (zu den Rügen bezüglich der optionalen Besonderen Leistungen s.o.) bestehen würden, und diese zu kalkulieren – tatsächlich hat sie in allen ihren Angeboten die jeweiligen Grundleistungen in den einzelnen Leistungsphasen bepreisen können. Dies wird sehr deutlich in den Anmerkungen der Antragstellerin zu ihrem ersten indikativen Angebot (Dokument 1926-21…): Dort ist mehrfach davon die Rede, dass die GU-Vergabe teurer sei, was nicht berücksichtigt werde, obwohl das Budget von Euro 425.000.000 aus dem 2. Quartal 2019 doch bereits überholt sei (a.a.O., Punkte 1 – 3) – Bedenken, dass die alternative Ausschreibung irgendwelche inhaltlichen Fragen aufwerfe, werden gerade nicht vorgebracht.

Welche Leistungen in den beiden Varianten gefordert würden, war ihr offenkundig klar, ihr Bedenken lag vielmehr darin begründet, dass sie das angesetzte Budget für nicht auskömmlich hielt und sie der Auffassung war, dass sich das hieraus folgende Risiko für die Leistungserbringung im Falle der GU-Vergabe – wegen des zu erwartenden GU-Zuschlags – noch weiter verschärfen würde.

Tatsächlich resultierte aber auch dieses Bedenken der Antragstellerin hinsichtlich der nicht gegebenen Auskömmlichkeit des Budgets gerade nicht – jedenfalls nicht in erster Linie – aus dem Umstand, dass sie (auch) mit einer GU-Vergabe rechnen musste.

Wie schon ausgeführt, kalkulierte die Antragstellerin in ihrem finalen Angebot mit einem Risikozuschlag von mehr als 90%. Selbst wenn man der – streitigen – Angabe der Antragstellerin folgen würde, wonach ein Generalunternehmerzuschlag sich auf bis zu 30% belaufen könne, kann dies ganz offenkundig den tatsächlich angesetzten Risikozuschlag nicht rechtfertigen.

Damit hat die Antragstellerin schon nicht dargelegt, dass vorliegend gerade die Ausschreibung alternativer Vergabestrategien tatsächlich eine inhaltliche Intransparenz der Ausschreibung bedingt habe.

Zudem ist hinsichtlich dieser Rüge der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 S. 1 GWB, hier in seiner Ausprägung gem. § 121 GWB, kein Selbstzweck, sondern immer unter Berücksichtigung des primären Zwecks des Vergaberechts anzuwenden ist, der darin besteht, eine Gleichbehandlung der Bieter sicherzustellen und eine Vergabe von Aufträgen unter Anwendung sachfremder Erwägungen zu verhindern.

Die Ausschreibung von “Wahlpositionen” kann insoweit problematisch sein, wenn sie geeignet ist, dem Auftraggeber insoweit Manipulationsmöglichkeiten zu eröffnen, indem er durch die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Wahlposition steuern kann – insbesondere dann, wenn Gebote im Übrigen nahe bei einander liegen -, welcher Bieter zum Zuge kommt (vgl. ausdrücklich: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Mai 2019 – Verg 61/18, Rn. 48:

“Die Aufnahme von Wahlpositionen in das Leistungsverzeichnis ist nicht grundsätzlich vergaberechtlich unstatthaft. Zwar tangiert sie die Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung und überdies die Transparenz des Vergabeverfahrens, denn sie ermöglicht dem öffentlichen Auftraggeber, durch seine Entscheidung für oder gegen eine Wahlposition das Wertungsergebnis aus vergaberechtsfremden Erwägungen zu beeinflussen”;

ebenso: Beck’scher Vergaberechtskommentar-Opitz, a.a.O., § 127 GWB, Rn. 55, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Diese Gefahr aber ist vorliegend gerade ganz offenkundig nicht gegeben: Zum einen erfolgt die Bewertung zu den Honoraransätzen der Bieter auf Basis der addierten für die Einzelgewerks- bzw. GU-Vergabe veranschlagten Preise (s. die eingereichten Preisblätter Ordner 14 der Vergabeakte, sowie Auswertung derselben, Ordner 28, Dokument 22…). Zum anderen kommt vorliegend eine derartige Manipulation von vornherein nicht in Betracht, da nach den Ausschreibungsunterlagen die Wahl der Vergabestrategie durch den Auftraggeber erst weit nach Auftragserteilung (nämlich nach Abschluss der Leistungsphase 3 oder noch später) erfolgen sollte.

Auf die Frage, ob die Ausschreibung der in Rede stehenden Wahlpositionen hier – wie die Antragsgegnerin meint – dadurch zu rechtfertigen ist, dass erst im Anschluss an die mehrjährige Planungsphase bis zur Leistungsphase 3 beurteilt werden könne, welche Ausführungsvariante dann insbesondere wirtschaftlich vorteilhaft sei und ihr daher die Möglichkeit verbleiben müsse, auf die Entwicklungen auf dem hochvolatilen Markt für Bauleistungen zu reagieren – was gerade bei einem Großprojekt wie dem vorliegenden mit mehrjährigem planerischen Vorlauf nicht fernliegend erscheint – kommt es damit nicht mehr entscheidend an.

3.) Auch soweit die Antragstellerin sich mit dem Nachprüfungsantrag gegen den Vertragsentwurf wendet, da die in diesem enthaltene Kostenvorgabe von Euro 425.000.000 für die Erstellung des Bauprojektes mit den zugleich formulierten inhaltlichen Planungszielen unvereinbar sei (Rnrn. 72 – 75 des Nachprüfungsantrags), dringt ihr Rechtsbehelf nicht durch.

Ausgangspunkt der vergaberechtlichen Beurteilung muss insoweit der Grundsatz sein, dass die Budgethoheit beim Auftraggeber liegt, letztlich (und auch haushaltsrechtlich zwingend) kann nur er die Frage beantworten, welche Mittel für die Deckung eines bestimmten Bedarfs eingesetzt werden können – ein (was die Antragstellerin hier annimmt) gemessen an dem formulierten Bedarf objektiv zu geringer Ansatz wird vergaberechtlich nur dann zum Problem, wenn das Budget so niedrig gegriffen wird, dass ein Großteil der potentiellen Leistungserbringer als Bieter ausscheidet (Beck’scher Vergaberechtskommentar-Dörr, 3. Aufl. 2017, § 97 Abs. 1, Rn. 15; OLG Koblenz, Beschluss vom 4. Februar 2014 – 1 Verg 7/13:

“Die Festlegung einer Kostenobergrenze – auch wie hier als Ausschlusskriterium – ist grundsätzlich zulässig (siehe Wiedemann in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOL/A, § 16 Rn. 279), auch weil der Auftraggeber damit offenlegt, wo die Grenze der Machbarkeit der Beschaffung erreicht ist. Etwas anderes mag gelten, wenn auf einem Markt mit nur wenigen potentiellen Nachfragern ein Auftraggeber seine Stellung missbraucht, um eine Ware oder Leistung unter Marktpreis einzukaufen, oder wenn die Kostenobergrenze bei Beschaffungen, auf die der Auftraggeber nicht verzichten kann, so niedrig angesetzt ist, dass ein Großteil der potentiellen Leistungserbringer als Bieter ausscheidet (siehe auch OLG Düsseldorf v. 19.10.2011 – Verg 54/11 -.”).

So verhält es sich vorliegend jedoch offenkundig nicht – allerdings wirkt sich das begrenzte Bau-Budget auf das Gebot der Antragstellerin aus, da es als Grundlage der Honorarberechnung dient und die Antragstellerin sich wegen der nach ihrer Auffassung unabsehbaren Risiken genötigt sah, mit einem Aufschlag von mehr als 90% zu rechnen. Die beiden anderen Bieter haben ihren Angeboten jedoch dieses begrenzte Budget zugrunde gelegt, ohne es zu beanstanden.

Zudem existiert ein Verbot, dem Auftragnehmer im Vertrag Wagnisse, auch erhebliche Wagnisse, aufzuerlegen, im Vergaberecht gerade nicht, insbesondere ist es nicht unzulässig, dem Auftragnehmer auch solche Risiken aufzubürden, die nach dem gesetzlichen Leitbild grundsätzlich den Auftraggeber treffen (Ziekow/Völlink-Trutzel, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 31 VgV, Rn. 30, mit zahlreichen weiteren Nachweisen), vielmehr kann dies jedenfalls bis zur Grenze der Unzumutbarkeit geschehen (Trutzel a.a.O., Rn. 31).

Ob vor diesem Hintergrund – wie die Antragstellerin meint – die Regelung der Ziffern 1.2. des Vertrags, wonach die Budgetvorgabe “bestmöglich abgebildet werden” solle und der Ziffer 3.1.2.1 des Vertrags, wonach es Pflicht des Auftragnehmers ist, “alles zu tun … um (die Einhaltung der Programmkosten) zu erreichen”, überhaupt zu einer relevanten und vergaberechtlich zu beanstandenden Widersprüchlichkeit und damit Intransparenz des Vertrags führen kann (so Nachprüfungsantrag Rn. 71), kann dahinstehen. Denn tatsächlich ist im abgeänderten Vertragsentwurf (Ordner 19 der Vergabeakte, Dokument 2-2…) dem zwischen den Parteien unstreitigen Umstand, dass das Budget von Euro 425.000.000 möglicherweise (oder sogar wahrscheinlich) nicht genügen wird, hinreichend Rechnung getragen. Denn die strikte – und vielleicht im o.g. Sinne “unzumutbare” – starre Kostengrenze, wie sie in § 1, Ziffer 1.2 des urspünglichen Vertragsentwurfs vorgesehen war, ist nach den neugefassten Regelungen durch ein durchaus flexibles System ersetzt worden, innerhalb dessen der jeweilige Auftragnehmer auf die etwaige Unauskömmlichkeit des Budgets reagieren kann und die Auftraggeberin verpflichtet wird, hierauf angemessen zu reagieren. Soweit die Antragstellerin diese Formulierungen beanstandet, da sie es letztlich ins Belieben des Auftraggebers stellten, welche Lösungen akzeptabel seien, ist dem nicht zu folgen: Zum einen ist erneut darauf zu verweisen, dass die Überbürdung von Risiken durchaus zulässig ist, zum anderen und vor allem aber ist durch die in den endgültigen Vertragsentwurf eingefügten Regelungen klargestellt, dass die Auftraggeberin sich vernünftigen und sachgerechten Vorschlägen des Planers zur Reduzierung von Quantitäten und/oder Qualitäten gerade nicht verweigern kann: Ob Vorschläge “geeignet” und wie sie in “Abstimmung der Parteien in die Planung zu integrieren” sind (§ 3, Ziffer 3.1.2.1 des Vertrags) steht hiernach gerade nicht im freien Belieben der Auftraggeberin, vielmehr ist diese gerade unter Berücksichtigung der Regelung in § 1, Ziffer 1.2., 3. Absatz des Vertrags verpflichtet, “partnerschaftlich”, also letztlich nach Maßgabe von Treu und Glauben, an der Erarbeitung einer Lösung mitzuwirken. Dass die Parteien insoweit ggf. verschiedener Auffassung sein können und es daher nötig werden könnte, die Angemessenheit einer Lösung streitig zu klären, stellt kein unzumutbares Risiko dar, sondern ist jedem Austauschvertrag immanent.

4.) Soweit die Antragstellerin sich mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen den Wertungsprozess der Antragsgegnerin wendet, dringen ihre insoweit unproblematisch zulässigen, insbesondere nicht präkludierten Rügen in einem Punkt durch.

a) Nicht zu folgen ist insoweit allerdings dem Ansatz der Vergabekammer, die sich in diesem Zusammenhang vor allem daran stört, dass die Ableitung der jeweiligen Punktwerte aus den “+”-, “-“- und “0”-Zeichen in den Blättern 2 bis 6 der Anlage zum Bewertungsprotokoll nicht nachvollziehbar sei.

Das von der Vergabekammer insoweit angenommene arithmetische System der Punktvergabe (bei dem dann “+”-/”-“-/”0”-Wertungen in irgendeiner Weise zu verrechnen gewesen wären) existierte tatsächlich nicht. Den entsprechenden Ausführungen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2022 (Sitzungsprotokoll Seite 8 oben) ist auch die Antragstellerin mit ihrer Stellungnahme vom 10. Januar 2023 nicht mehr entgegengetreten.

Die fraglichen, jeweils neben den zu dem jeweiligen Bieter je Merkmal verfassten Text gesetzten Zeichen (0/+/-) bringen vielmehr anschaulich zum Ausdruck, welche Wertung das Gremium zu dem jeweiligen Bewertungspunkt in der Tendenz getroffen hat und beziehen sich – wie im Bieterleitfaden, dort Seite 5, auch vorgesehen – auf das mit jeweils zehn Punkten bewertete beste Angebot.

Die in der Anlage zum Bewertungsprotokoll entsprechend den Vorgaben der veröffentlichten Bewertungsmatrix zu jedem einzelnen Bewertungsmerkmal aufgenommenen Texte lassen die Bepunktung entgegen der Argumentation der Antragstellerin auch durchaus nachvollziehbar erscheinen: Beispielhaft sei auf das Merkmal 2a verwiesen, für das das Angebot der Antragstellerin mit einem “-” versehen wurde: Dem Langtext in Spalte 2 der Matrix lässt sich durchaus entnehmen, weshalb eine kritische Wertung vorgenommen wurde – so findet sich die Aussage, dass eine Aufteilung unter die drei Architekturbüros, die sich zur Antragstellerin verbunden haben, nach Funktionsbereichen und Schwerpunkten erfolgen soll, dass hierdurch die Aufbauorganisation und Aufgabenverteilung wenig nachvollziehbar wäre, im Organigramm ein weiterer Nachunternehmer ohne Spezifizierung genannt werde, das Thema BIM fehle und im Organigramm keine eindeutige Zuordnung und Planungsverantwortung wiedergespiegelt werde. Dass dieser “Langtext” das Setzen eines “-” rechtfertigte, leuchtet jedem Leser der Matrix ohne weiteres ein.

Gleiches gilt bei genauer Betrachtung auch zur von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz im Verfahren vor der Vergabekammer vom 15. Juni 2022 (dort ab Rn. 41) gerügten Bewertung zu Ziffer 2c der Matrix: Gerade bei der gebotenen Zusammenschau mit Kriterium 2a, zu dem offenbar unklare Kompetenzzuweisungen zum Punktabzug geführt haben, ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass auch die Benennung zweier stellvertretender Projektleiter (ohne Kompetenzabgrenzung) zu einem Punktabzug führen kann – und zwar auch bei absoluter Betrachtung und ohne dass es hierzu nötig wäre, auf den (möglicherweise klareren) Inhalt der Gebote der beiden anderen Bieter zu diesem Punkt abstellen zu müssen. Insoweit kann – anders die Antragstellerin (Rn. 46/47 ihres Schriftsatzes vom 15. Juni 2022) meint – auch nicht die Rede davon sein, dass die Antragsgegnerin insoweit offenbar willkürlich, nämlich nur basierend auf einem “bloßen Gefühl” gewertet habe.

Sicher ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die Bewertung für sie noch transparenter und nachvollziehbarer wäre, wenn auch die Texte und Bewertungen der anderen Bieter eingesehen werden könnten. Dies aber ist offenkundig ohne Offenlegung wesentlicher Teile der Gebote der beiden anderen Bieter nicht möglich und nach Auffassung des Senats auch nicht geboten, da die Wertungen zur Antragstellerin im Rahmen der Matrix, also das Setzen von “0”, “+” oder “-“, auch ohne dies hinreichend jeweils nachvollziehbar sind. Dies gilt jedenfalls bei der gebotenen Zusammenschau dieser Einzelbewertungen mit der “Zusammenfassenden Beurteilung” ab Seite 7 der Anlage zum Bewertungsprotokoll, die handgreiflich verdeutlicht, weshalb jeweils “-“-Zeichen gesetzt wurden und wie sich die einzelnen Defizite konkret auf die Wertung ausgewirkt haben.

Dass die Antragsgegnerin bzw. das von ihr eingesetzte Auswahlgremium die ihr insoweit im Rahmen des § 58 Abs. 3 VgV zuzumessenden subjektiven Beurteilungsspielräume (OLG Celle, Beschluss vom 12. Januar 2012 – 13 Verg 8/11; OLG München, Beschluss vom 7. April 2011 – Verg 5/11) überschritten hätte, lässt sich danach nicht feststellen.

b) Begründet ist allerdings die Rüge der Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin entgegen ihrer Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe vom 14. Dezember 2021 (Ordner 19 der Vergabeakte, Dokument 1-21…) im Rahmen der Wertung nicht nur die Inhalte der schriftlichen Gebote der Bieter berücksichtigt, sondern vielmehr in unzulässiger Weise auch Inhalte aus den mündlichen Präsentationen bzw. Verhandlungen im Rahmen der Wertung berücksichtigt habe.

Tatsächlich finden sich bei der Bewertung des Angebots der Antragstellerin zu den Kriterien 2a, 2b, 2c und 3d Hinweise auf im Termin gewonnene (oder auch nicht gewonnene) Informationen, noch vereinzelter findet sich Ähnliches auch hinsichtlich der beiden anderen Bieter.

Dass es sich insoweit – so die Antragsgegnerin – nur um zulässige Erläuterungen der schriftlichen Unterlagen anhand von Erkenntnissen aus dem Termin handele und nicht um echte Bestandteile der Wertung, vermag der Senat nicht zu erkennen: Z.B. die Aussage zu Punkt 2a “Im Termin wurde dies zwar benannt, aber nicht hinreichend erläutert”, bezieht sich zwar in der Tat auf die unmittelbar zuvor stehende Wertung, wonach “Aufbauorganisation und Aufgabenverteilung im Projekt wenig nachvollziehbar” seien. Schon rein sprachlich kann hier jedoch von einer bloßen Erläuterung nicht die Rede sein, vielmehr legt die Formulierung nahe, dass die Bieterin nicht in der Lage gewesen sei, die auftraggeberseits insoweit im Termin formulierten Bedenken auszuräumen – ein ganz eindeutig negativer Punkt, indem dem Bieter (jedenfalls ist dies ein naheliegendes Verständnis der Passage) gewissermaßen vorgehalten wird, dass er nicht einmal bei Konfrontation mit dem Problem angemessen reagiert habe.

Da nach dem Inhalt des Schreibens vom 14. Dezember 2021 die Bewertung auch von Erkenntnissen aus den mündlichen Terminen nicht zulässig war und der Senat nicht ausschließen kann, dass solche Erkenntnisse zum Nachteil der Antragstellerin bewertet wurden, liegt insoweit ein erheblicher Verfahrensfehler vor, dem durch Rückversetzung des Verfahrens in das Stadium vor Vollzug der Wertung hinreichend abgeholfen werden kann.

5.) Der von Seiten der Antragstellerin gerügte Verstoß gegen § 17 Abs. 10 VgV liegt nicht vor.

Die Bieter hatten vorliegend keinen Anspruch auf eine zweite Verhandlungsrunde.

Der Auftraggeber hat bei der Ausgestaltung des Verhandlungsverfahrens einen weiten Ermessensspielraum; insbesondere liegt in seinem Ermessen, wie viele Verhandlungs- und Angebotsrunden es gibt, wobei er diese Entscheidung auch in Abhängigkeit vom Ablauf des bisherigen Verfahrens treffen kann, solange er die Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung beachtet (Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal-Dieckmann, VgV/UVgO, 3. Aufl. 2022, § 17 VgV, Rn. 17; Beck’scher Vergaberechtskommentar-Dörn, 3. Aufl. 2019, § 17 VgV, Rn. 25/26).

Mit der Aufforderung zum finalen Angebot hat die Antragsgegnerin hier deutlich und für alle drei Bieter hinreichend transparent zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht mehr verhandeln will.

6.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 175 Abs. 2 i.V.m. 71 GWB, die angeordnete Quote entspricht der Billigkeit, da die Beschwerde der Antragsgegnerin weit überwiegend Erfolg hat.

Der Gegenstandswert war gem. § 50 Abs. 2 GKG anhand der realistischen Schätzung des Bruttoauftragswerts durch die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeschrift auf Euro 1.338.035,30 festzusetzen; die Zuziehung von Prozessbevollmächtigten war für beide Parteien notwendig.

Über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer wird diese unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden haben.

VK Südbayern zur Frage, wie gutes Personal als Zuschlagskriterium vereinbart werden kann

VK Südbayern zur Frage, wie gutes Personal als Zuschlagskriterium vereinbart werden kann

vorgestellt von Thomas Ax

Möchte der öffentliche Auftraggeber Aspekte der Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals gem. § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV als Zuschlagskriterium verwenden, so muss er mittels geeigneter vertraglicher Mittel sicherstellen, dass die bewerteten Mitarbeiter auch bei der Auftragsausführung eingesetzt werden und dass diese Mitarbeiter nur mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers ersetzt werden können, wenn dieser sich davon überzeugt hat, dass das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat. Unterlässt der öffentliche Auftraggeber diese vertragliche Absicherung, fehlt es dem entsprechenden Zuschlagskriterium am notwendigen Auftragsbezug gem. § 127 Abs. 3 GWB. Gibt der öffentliche Auftraggeber die Bewertungsmethode, nach der er bestimmte Wertungskriterien bewerten will, nicht in den Vergabeunterlagen bekannt, muss aus der Vergabedokumentation zweifelsfrei hervorgehen, dass er die Bewertungsmethode bereits vor Öffnung der Angebote festgelegt hat. Nicht in den Vergabeunterlagen bekanntgemachte Bewertungsmethoden, die im Widerspruch zu den Angaben in den Vergabeunterlagen stehen, dürfen bei der Bewertung der Angebote nicht zum Einsatz kommen. Ein öffentlicher Auftraggeber darf eine konkrete Bieterfrage nach der für ein bestimmtes Wertungskriterium vorgesehenen Wertungsmatrix nicht mit “die Bewertung erfolgt in Relation zu den anderen Bietern” beantworten, wenn er tatsächlich eine ausgearbeitete, nicht bekanntgemachte Wertungsmatrix zum Einsatz bringen will.

VK Südbayern, Beschluss vom 30.03.2023 – 3194.Z3-3_01-22-49

Gründe

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 05.04.2022, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 08.04.2023 unter Nr. 2022/S …, schrieb der Antragsgegner einen Dienstleistungsauftrag über Gebäudereinigungen in den Liegenschaften des Landkreises K. im Wege eines offenen Verfahrens aufgeteilt in zwei Lose aus. Los-Nr. 1 beinhaltete die Unterhaltsreinigung auf einer Gesamtfläche von ca. 60.300,00 m², Los-Nr. 2 die Glas-Rahmenreinigung auf einer Gesamtfläche ca. 20.000,00 m². Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wurde in Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung jeweils auf die Vergabeunterlagen verwiesen.

Ausweislich der Angabe in Abschnitt I.3) der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem ein Dokument mit dem Titel “II. Bewerbungsbedingungen”. Dies enthielt in Abschnitt “6. Prüfung und Wertung der Angebote” unter anderem folgende Vorgabe:

“3. Wertungsschritt:

Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit, Kontrolle der Zuschlagssätze in der Gemeinkostentabelle in Bezug auf die Einhaltung der tariflichen (allgemeinverbindlicher Mindestlohntarifvertrag, allgemeinverbindlicher Lohntarif und Rahmentarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk (Stand 01.01.2022) und den gesetzlichen Vorgaben und Nachvollziehbarkeit der übrigen Zuschlagssätze auf Grund der gestellten Anforderungen.

4. Wertungsschritt:

Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes nach “UfAB III”.

[…]

Die Bewertung der einzelnen Angebote sowie die Ermittlung der Leistungspunkte ergeben sich aus nachfolgend abgebildeter Bewertungsmatrix.

Die Wertung erfolgt auf einer Skala von 0 – 3.

0 Das Angebot des Bieters weist erhebliche Mängel auf und ist ungenügend.

1 Das Angebot des Bieters entspricht mit Einschränkungen noch den Anforderungen.

2 Das Angebot des Bieters entspricht den Anforderungen.

3 das Angebot des Bieters übertrifft die Anforderungen.

Die einzelnen Wertungsbereiche sind mit Relevanzfaktoren versehen. Diese sind der Bewertungsmatrix zu entnehmen. Die Gewichtung spiegelt die jeweilige Bedeutung der Wertungsbereiche untereinander wieder. Die Leistungspunkte der einzelnen Wertungsbereiche ergeben sich aus der Multiplikation des jeweiligen Relevanzfaktors mit dem jeweiligen Wert bzw. Mittelwert des Wertungsbereiches.

Die Summe der Leistungspunkte der Maßnahme ergibt sich aus der Addition der Leistungspunkte aller Wertungsbereiche.

Eine Bewertung mit “Null” bei einem der Wertungskriterien der vier Wertungsbereiche “Vorgabe Kontrollzeiten”, “Qualifikation”, “Qualitätssicherung” und “Umsetzung” führt zum Ausschluss des Angebotes.

Angebote, bei denen die Summe der Leistungspunkte der Maßnahme nicht mindestens 50 Prozent der maximal möglichen Leistungspunkte erreicht, erfüllen nicht die qualitativen Mindestanforderungen und müssen vom weiteren Verfahren ausgeschlossen werden.

Die Summe der Leistungspunkte der Angebote ergibt sich aus der Addition der Leistungspunkte aller Maßnahmen innerhalb des Angebotes.

Die Bewertung erfolgt anhand der Formel “UfAB III” in der erweiterten Richtwertmethode.

Im Schritt 1 wird die Kennzahl für das Leistungs-Preis-Verhältnis ermittelt.

Z = Kennzahl für Leistungs-Preis-Verhältnis

L = Gesamtsumme der Leistungspunkte (Bewertungspunkte x Gewichtungspunkte)

Multipliziert mit 1000

P = Preis (Euro), Monatskostenansatz netto der Rechnung

Es erfolgt eine kaufmännische Rundung auf drei Dezimalstellen.

Im Schritt 2 wird ein Wert als Korridor aus der Kennzahl des führenden Angebotes und einer weiteren Kennzahl, die sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes minus 5% bildet, ermittelt.

Im Schritt 3 werden alle Angebote ermittelt, die innerhalb des Kennzahlkorridors liegen (inklusive der Randwerte). Diese Angebote werden zunächst als gleichwertig betrachtet.

Entscheidungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist die höchste Leistungspunktzahl, die in der Summe bei den Wertungsbereichen “Qualitätssicherung” und “Umsetzung” erzielt werden. Bei identischen Leistungspunktzahlen greift das wirtschaftlichste Angebot. Der nach dieser Vorgehensweise wirtschaftlichste Anbieter erhält den Zuschlag.”

Die einzelnen Wertungsbereiche und Wertungskriterien sowie deren jeweilige Gewichtung war in nachfolgender Tabelle aufgeführt:

(hier nicht abgebildet)

Bestandteil der Vergabeunterlagen waren ferner sogenannte “Kalkulationsunterlagen” zu den Losen 1 und 2. In den Kalkulationsunterlagen wurden unter anderem Name und Qualifikation für den für das ausgeschriebene Objekt zuständigen technischen Betriebsleiter, Objektleiter und Vorarbeiter abgefragt. Beim Objektleiter und beim Vorarbeiter fand sich zudem die Vorgabe, dass die genannte Qualifikation bei einem Personalwechsel ebenfalls vorhanden sein und nachgewiesen werden muss. Zudem bestand hier die Möglichkeit, mittels ankreuzen zu erklären, dass die “aufgeführte Person und die genannte Qualifikation” dauerhaft für das ausgeschriebene Objekt tätig ist. Für Objektleiter und Vorarbeiter sahen die Kalkulationsunterlagen zudem vor, dass für den Fall, dass die Person noch nicht feststeht, die Mindestqualifikation anzugeben ist, welche die neueinzustellende für das Objekt zuständige Person haben wird. Darauf folgte der Hinweis, dass die genannte Qualifikation über die gesamte Vertragslaufzeit garantiert werden müsse und Vertragsbestandteil werde.

Innerhalb der auf den 09.05.2022, 12:30 Uhr, festgesetzten Angebotsfrist veröffentlichte der Antragsgegner zudem Antworten auf Bieterfragen. Hierin hieß es auszugsweise wie folgt:

“Nr. 2: Gibt es eine Wertungsmatrix darüber, welche Qualifikation je Position welche Punktzahl erhält?

Zu Nr. 2: Die Bewertung der Qualifikationen für Techn. Betriebsleiter, Objektleiter und Vorarbeiter erfolgt in Relation zu den anderen Bietern, nach Güte der nachgewiesenen Qualifikationen.”

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladenen reichten ein Angebot ein.

Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 11.07.2022 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot zu Los 1 und Los 2 nicht der Zuschlag erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste sei. Die Punktzahl des Angebots der Antragstellerin liege in beiden Losen jeweils unter der Punktzahl des führenden Bieters. Zudem teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag frühestens am 22.07.2022 in Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) und in Los 2 auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) zu erteilen.

Mit Schreiben vom 15.07.2022 und 19.07.2022 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Sie begründete dies insbesondere damit, dass die angewandte Bewertungsmethode unklar sei, da die mitgeteilten Punktzahlen nach dem in den Bewerbungsbedingungen beschriebenen Wertungsverfahren rechnerisch nicht erreicht werden könnten. Zudem seien die Angaben zur Bewertung der Angebote in den Vergabeunterlagen widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Die Anforderungen an die persönlichen Qualifikationen seien auch unter Berücksichtigung der Antwort auf Bieterfrage Nr. 2 unklar und nicht hinreichend bestimmt. Die Antragstellerin habe in Los 1 zur Vorgabe der Kontrollzeiten mehr Objektleiter- und Vorarbeiterstunden angeboten als gefordert und daher mehr als die erzielten Punkte erhalten müssen. Auch entspreche das Angebot der Antragstellerin den Anforderungen an die Qualifikation und hätte demnach zu allen Wertungskriterien im Wertungsbereich Qualifikation besser bewertet werden müssen. Die Konzeptbewertungen seien sowohl rechnerisch als auch inhaltlich nicht nachvollziehbar, da die Antragstellerin alle gestellten Anforderungen einschränkungslos erfülle. Zudem seien nach dem Inhalt des Absageschreibens des Antragsgegners die Schritte 2 und 3 der Bewertung offensichtlich nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 19.07.2022 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Die Darstellungen der Antragstellerin zu den Wertungsbereichen “Vorgabe Kontrollzeiten” und “Qualifikation” sowie zu den Konzepten verfingen nicht. Die Annahmen der Antragstellerin seien inhaltlich nicht stimmig und im Widerspruch zu den weiteren Angaben in ihrem Angebot. Die Qualifikation sei auftragsbezogen und nicht isoliert zu werten. Die Gedankenfolge zur Wertung der Konzepte und die Aussagen zur Bewertung seien für den Antragsgegner nicht transparent. Die Schritte 2 und 3 der Bewertung seien korrekt erfolgt und ohne Relevanz auf das konkrete Wertungsergebnis.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 21.07.2022 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB, welcher bei der Vergabekammer unter dem Geschäftszeichen 3194-Z3-3_01-22-38 geführt wurde. In diesem Verfahren erklärte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10.08.2022, dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt und ab diesem Stand wiederholt werde. Damit habe sich der Nachprüfungsantrag erledigt. Mit Beschluss vom 16.08.2022 stellte die Vergabekammer das Nachprüfungsverfahren ein.

Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 25.08.2022 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot zu Los 1 und Los 2 nicht der Zuschlag erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste sei. Das Angebot der Antragstellerin befinde sich mit den in den jeweiligen Losen erzielten Wertungskennzahlen unter Berücksichtigung der angebotenen Preise nicht in dem Korridor “führendes Angebot minus 5%”. Zudem teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag frühestens am 05.09.2022 in Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) und in Los 2 auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) zu erteilen.

Mit Schreiben vom 30.08.2022 beanstandete die Antragstellerin abermals die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Das Bewertungsverfahren sei nach wie vor intransparent. Insbesondere sei die Differenzierung zwischen Wertungskriterien und Wertungsbereichen und die Berechnung der Wertungspunktzahlen unter Berücksichtigung der (unterschiedlich) angegebenen Gewichtungen weiterhin unklar. Auch sei völlig offen, nach welchen Kriterien die vorgelegten Qualifikationen bewertet werden sollen. Objektive Kriterien für die Bemessung der Güte einer Qualifikation würden nicht genannt. Die vom Antragsgegner für die Wertung herangezogene Tabelle unterscheide sich von der in den Bewerbungsbedingungen angegebenen Tabelle. Anders als in den Bewerbungsbedingungen angegeben, seien bei der Bewertung auch keine Mittelwerte gebildet worden. Die Bewertung der Wertungskriterien entspreche ebenfalls nicht den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Bei dem Kriterium “Vorgabe Kontrollzeiten” in Los 1 habe die Antragstellerin mehr Objektleiter- und Vorarbeiterstunden angeboten als gefordert; daher hätte sie hier mehr als die erhaltene Punktzahl erhalten müssen. Hinsichtlich der Qualifikation sei das Angebot der Antragstellerin im Vergleich zur ursprünglichen Wertung abgewertet worden, was nicht nachvollziehbar sei. Insbesondere sei unklar, warum die angebotenen Qualifikationen für den gegenständlichen Auftrag ungenügend bzw. nur eingeschränkt geeignet sein sollen. Die Ausschreibungsunterlagen beinhalteten keine konkreten Anforderungen an die Qualifikation des eingesetzten Personals. Das Angebot der Antragstellerin enthalte sowohl Angaben zur konkreten vertraglich zugesicherten Qualifikation als auch entsprechende Nachweise. Es erfülle damit die Anforderungen und hätte demnach zu allen Wertungskriterien im Wertungsbereich Qualifikation mindestens zwei Punkte erhalten müssen. Letztlich seien auch die für die Konzepte vergebenen Punktzahlen inhaltlich nicht nachvollziehbar, da die Antragstellerin alle gestellten Anforderungen einschränkungslos erfülle.

Mit Schreiben vom 01.09.2022 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Die Vorwürfe der Antragstellerin hinsichtlich der geltend gemachten Intransparenz im Hinblick auf die in den Bewerbungsbedingungen abgebildete Tabelle seien gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Unabhängig davon entspreche die Auswertung exakt der Wertungstabelle, wie sie in den Bewerbungsbedingungen dargestellt sei. Rechnerisch sei es unerheblich, ob die erzielten Punkte der Kriterien jeweils einzeln mit der Gewichtung multipliziert und dann addiert werden oder zunächst addiert und dann multipliziert werden. Die Rüge der Antragstellerin in Bezug auf die Intransparenz der Kriterien zur Bewertung der Qualifikation des Betriebsleiters, Objektleiters und des Vorarbeiters sei ebenfalls verspätet gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 GWB. Ungeachtet dessen seien nach der Rechtsprechung des BGH keine konkretisierenden Angaben dazu notwendig, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl abhängen soll. Eine nachträgliche Abweichung von den Angaben in den Vergabeunterlagen bestehe nicht. Die Wertungstabelle sehe keine Mittelwertbildung vor. Auch sei nicht ersichtlich, welche Rechtsverletzung sich hieraus für die Antragstellerin ergeben solle. Eine Mittelwertbildung lasse die Wertungsreihenfolge unverändert und führe allenfalls zu schlechteren Ergebnissen für die Antragstellerin. Im Wertungsbereich “Vorgabe Kontrollzeiten” sei der Kostenansatz der vorgegebenen Anwesenheitszeiten maßgeblich für die Bewertung gewesen. Das Angebot der Antragstellerin entspreche hier den Vorgaben, übertreffe sie aber nicht. Würde die Forderung der Antragstellerin nach einer höheren Bewertung umgesetzt, hätte dies aus Gründen der Gleichbehandlung der anderen Bieter keinerlei Auswirkung auf die Wertung. Die Qualifikationen seien zutreffend bewertet worden. Nach der Schulnotenrechtsprechung habe keine Musterlösung im Vorfeld präsentiert werden müssen. Bei der Gebäudereinigung handle es sich um ein Ausbildungshandwerk, welches nach der Ausbildungsordnung drei Jahre Ausbildungszeit bis zur Gesellenprüfung umfasste und in dem es auch möglich sei, eine Meisterprüfung abzulegen. Die von der Antragstellerin angebotene Qualifikation der Objektleiterin sei unter Berücksichtigung des Kostenansatzes nicht nachvollziehbar. Die Bewertung der Konzepte sei ebenfalls entsprechend den Vorgaben erfolgt und rechtfertige keine höhere Bepunktung. Der Antragsgegner weise vorsorglich darauf hin, dass die Antragstellerin nach der Wertung lediglich auf dem dritten Platz liege.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 02.09.2022 abermals einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

Die Antragstellerin führt aus, dass der Nachprüfungsantrag zulässig sei. Die Antragstellerin sei gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie habe ein erhebliches Interesse an der Auftragserteilung und mache eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend. Durch die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf die Angebote der Beigeladenen drohe der Antragstellerin ein Schaden. Bei der von der Antragstellerin beantragten Aufhebung des Vergabeverfahrens und einer darauf folgenden neuen Ausschreibung bestehe zumindest die Chance eines Zuschlags auf die Angebote der Antragstellerin.

Die Antragstellerin habe die Nichtberücksichtigung ihrer Angebote gemäß § 160 Abs. 3 GWB gerügt und das Verfahren fristgerecht nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingeleitet. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei die Antragstellerin nicht mit ihrem Vorbringen im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit und Intransparenz des Bewertungsverfahrens präkludiert. Eine Rügepräklusion komme nur bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Für die Antragstellerin sei jedoch erst aus der Mitteilung der Angebotsauswertung ersichtlich geworden, dass sich der in den Bewerbungsbedingungen textlich beschriebene Bewertungsvorgang nicht mit der Wertungstabelle übereinbringen lasse. Die Antragstellerin sei auch nicht mit ihrem Vorbringen in Bezug auf die Bewertung des Wertungsbereichs “Qualifikation” präkludiert. Unabhängig davon, dass sich aus der Beantwortung der Bieterfrage vom 12.04.2022 gerade nicht ergeben habe, dass die in den Bewerbungsbedingungen bekannt gegebenen Bewertungsstufen damit nicht mehr gelten sollen, habe der Antragstellerin die mit der Antwort verbundene Vergaberechtswidrigkeit auch nicht bekannt sein müssen.

Der Umstand, dass das Vergabeverfahren zurückversetzt wurde, führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Antragsgegner habe zwar im Rahmen des ersten Nachprüfungsverfahrens angekündigt, er wolle den Rügen abhelfen. Dies habe er jedoch nur insoweit getan, als er das Verfahren zurückversetzt hat, ohne jedoch die übrigen Beanstandungen der Antragstellerin zu berücksichtigen. Die Antragstellerin habe insbesondere die Intransparenz des Bewertungsverfahrens auch nach der Zurückversetzung ausdrücklich zum Gegenstand der mit Schreiben vom 30.08.2022 vorgebrachten Rügen gemacht. Eine Präklusion hinsichtlich des Vorbringens zur Bewertung der Qualifikation des technischen Betriebsleiters, des Objektleiters sowie des Vorarbeiters scheide aus, da sich der vom Antragsgegner bei der erneuten Wertungsentscheidung angelegte Beurteilungsmaßstab erst im Rahmen der Akteneinsicht gezeigt habe.

In Bezug auf die Begründetheit des Nachprüfungsantrags wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihre gegenüber dem Antragsgegner vorgebrachten Rügen. Ergänzend führt sie aus, dass sich die Angaben aus den Bewerbungsunterlagen in den vom Antragsgegner vorgelegten Wertungstabellen zu den Angeboten nicht eins zu eins widerspiegelten. Dies betreffe zum einen die Gewichtung der Wertungskriterien im Wertungsbereich “Vorgabe Kontrollzeiten”, zum anderen die Gewichtung der Wertungsbereiche in Bezug auf die Gewichtung des Personalkonzepts. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners könne es durchaus einen Unterschied machen, ob die Gewichtung getrennt oder für mehrere Wertungskriterien gemeinsam angegeben wird. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Bewerbungsbedingungen unter anderem auf die Bildung eines Mittelwerts für die Wertungsbereiche hingewiesen werde. Gerade unter Berücksichtigung der textlichen Erläuterungen könne die Tabelle in den Bewerbungsbedingungen auch so verstanden werden, dass im Falle einer einheitlichen Gewichtung nur der jeweilige Mittelwert gewichtet wird. Soweit der Antragsgegner einwende, dass aus der unterlassenen Bildung eines Mittelwerts jedenfalls keine Rechtsverletzung der Antragstellerin resultiere, könne dem nicht gefolgt werden, da bereits die Punkteermittlung im Übrigen fehlerhaft sei.

Soweit der Antragsgegner in seiner Rügezurückweisung darauf verweise, dass für die Bewertung des Kriteriums “Vorgabe Kontrollzeiten” maßgeblich sei, dass der Kostenansatz den vorgegebenen Anwesenheitszeiten des Objektleiters bzw. Vorarbeiters entsprechen müsse, sei dies nicht nachvollziehbar. Zum Kostenansatz seien in den Vergabeunterlagen keine konkreten Anforderungen definiert. Die Anforderungen könnten sich daher nur auf die Anwesenheitszeiten beziehen und diesen müsse der Kostenansatz entsprechen. Dass die angegebene Qualifikation für die Objektleitung in Los 1 und Los 2 sowie für den Betriebsleiter in Los 2 für den gegenständlichen Auftrag ungenügend sein soll, sei nicht nachvollziehbar. Ebenso, warum die benannte Vorarbeiterin in Los 1 und Los 2 unterschiedlich bewertet worden sei, obwohl die Antragstellerin in beiden Losen dieselbe Person mit entsprechend identischen Angaben zur Qualifikation benannt habe. Anders als der Antragsgegner meine, spiele der Kostenansatz für die Bewertung der Qualifikation überhaupt keine Rolle. Hierzu sei auch keine Aufklärung erfolgt. Entgegen dem erstmals in der Rügeantwort vorgebrachten Vortrag des Antragsgegners könne die Bewertung auch nicht mit etwaigen Ausbildungsmöglichkeiten in der Gebäudereinigung gerechtfertigt werden, da entsprechende Anforderungen gerade nicht in den Vergabeunterlagen gestellt worden seien. Auch gehe aus der Rügeantwort nicht hervor, dass andere Bieter eine solche Qualifikation nachgewiesen hätten. Wie sich im Rahmen der Akteneinsicht ergeben habe, habe der Antragsgegner ganze konkrete Vorstellungen von der Bewertung der Qualifikation gehabt, welche er den Bietern ohne Weiteres hätte mitteilen können. Der Verweis des Antragsgegners auf Rechtsprechung, nach der keine Verpflichtung zur Bekanntgabe konkretisierender Angaben zum Bewertungsmaßstab konzeptioneller Lösungen bestehe, sei daher im vorliegenden Fall verfehlt.

Der Antragsgegner sei in seiner Rügeantwort erstmals auch auf die Bewertung der Konzepte eingegangen und stütze seine Begründung in erster Linie auf vermeintlich fehlende Aspekte. Für detaillierte Ausführungen seien die vorgegebenen Zeichen allerdings nicht ansatzweise ausreichend gewesen. Es werde daher bezweifelt, dass bei der Bewertung der übrigen Angebote der gleiche Bewertungsmaßstab angesetzt wurde. Auch die in der freigegebenen Vergabedokumentation enthaltene Wertung der Konzepte lasse nicht erkennen, dass der Antragsgegner – wie bei der Bewertung von Konzepten erforderlich – eine vergleichende Bewertung vorgenommen hat. Darüber hinaus habe der Antragsgegner in seiner Bewertung aber ganz offensichtlich auch Aspekte überlesen oder sie zumindest nicht in die Wertung einfließen lassen. Soweit der Antragsgegner eine objektbezogene oder detailliertere Beschreibung erwartet habe, sei der vom Antragsgegner angesetzte Maßstab nicht mit der vorgegebenen Zeichenbegrenzung in Einklang zu bringen.

Im Rahmen der Akteneinsicht habe sich bestätigt, dass der Antragsgegner nachträglich von seinen eigenen Festlegungen in den Vergabeunterlagen abgewichen sei. In den Bewerbungsbedingungen sei ein anderes Bewertungsverfahren beschrieben als das, was der Antragsgegner tatsächlich angewendet habe. Im Wertungsbereich “Vorgabe Kontrollzeiten” in Los 1 sei die Punktevergabe anhand der prozentualen Abweichungen vollkommen neu. Anders als in den Bewerbungsbedingungen beschrieben, gebe es hier die Höchstpunktzahl nicht, wenn die Anforderungen übertroffen werden, sondern wenn die Vorgabe eingehalten wird “bis + 10 %”. Die im Wertungsbereich “Qualifikation” angewendeten Kriterien seien nicht in den Ausschreibungsunterlagen genannt gewesen und auch auf die eingegangene Bieterfrage hin nicht mitgeteilt worden. Der Antragsgegner habe Punkte für die Erfahrung der Mitarbeiter vorgesehen, obwohl diese in den Ausschreibungsunterlagen gar nicht abgefragt worden sei. Zudem entspreche das verwendete Punkteschema nicht der in den Ausschreibungsunterlagen abgebildeten Punkteskala. Soweit der Antragsgegner seine Bewertung mit einem zu niedrigen Kostenansatz begründe, lege er seiner Wertung die ungeprüfte und nicht belegte Annahme zugrunde, dass zu dem kalkulierten Stundenlohn kein qualifiziertes Personal eingesetzt werden könne. Er bewerte damit nicht die angebotene Qualifikation der Mitarbeiter, sondern den kalkulierten Stundenlohn.

Die Antragstellerin beantragt

1. dem Antragsgegner zu untersagen, in den Losen 1 und 2 eine Zuschlagserteilung vorzunehmen,

2. dem Antragsgegner aufzugeben, das Vergabeverfahren in Los 1 und Los 2 aufzuheben, hilfsweise in den Stand vor Angebotsauswertung zurückzuversetzen;

3. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen;

4. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war;

5. der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt

1. den Vergabenachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin für erforderlich zu erklären,

4. der Antragstellerin keine Akteneinsicht über ihre eigene Wertung hinaus zu gewähren.

Der Antragsgegner führt aus, dass mit der seinerzeit aufgrund des Nachprüfungsantrags veranlassten Rückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Angebotswertung vergaberechtlich eine Zäsur gegeben sei, die früheren Rügen und Vorbringen die Grundlage entziehe. Die Antragstellerin sei mit ihrer Rüge der Intransparenz des Wertungsverfahrens präkludiert, da sie dies weder vor Angebotsabgabe noch – anwaltlich beraten – nach der vergaberechtlichen Zäsur vor der Wiederholungswertung gerügt habe. Da die Antragstellerin beanstande, dass die Vergabeunterlagen nicht ordnungsgemäß seien und insofern eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung erfolgen müsse, könne sie sich nicht darauf berufen, dass ihr erst nach der Wiederholungswertung aufgefallen sei, dass die Wertung intransparent erfolge. Die Antragstellerin hätte die Fortführung des Vergabeverfahrens mit Wiederholung der Wertung rügen müssen, da der Antragsgegner insoweit hinter dem Antrag der Antragstellerin zurückgeblieben sei. Zudem beinhalte die der Antragstellerin kundgetane Entscheidung des Auftraggebers, die Angebotswertung zu wiederholen, zugleich eine Nichtabhilfeentscheidung hinsichtlich des weitergehenden Begehrens der Antragstellerin, das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Damit sei die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB ausgelöst worden.

Auch mit der Beanstandung hinsichtlich der abgefragten Qualifikation des technischen Betriebsleiters, des Objektleiters sowie des Vorarbeiters und deren Bewertung sei die Antragstellerin präkludiert, da sie den behaupteten Verstoß nach Erhalt der Mitteilung, es werde eine Angebotswiederholung erfolgen, nicht gerügt habe. Der Antragsgegner habe das Verfahren nicht in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt, sondern lediglich in das Stadium der Angebotswertung, wo sich an den von den Bietern eingereichten Unterlagen nichts mehr ändern könne. Der Vorwurf der Antragstellerin verfange aber auch inhaltlich nicht, da es nach der Rechtsprechung des BGH nicht erforderlich sei, im Vorfeld eine Musterlösung für die beste Bewertung zu nennen. Ungeachtet dessen verstehe es sich von selbst, dass auch im Gebäudereinigerhandwerk die Qualifikation von Personal objektiv unterschiedlich sei und von der ungelernten Kraft ohne Berufserfahrung bis hin zum Meister oder gar Studienabschluss reiche. Vor diesem Hintergrund sei offensichtlich, dass die Bewertung beim Kriterium Qualität danach erfolge, je höher die Ausbildung, desto mehr Punkte.

Eine nachträgliche Abweichung von den Angaben den Vergabeunterlagen sei nicht erfolgt. Wie bereits im Rahmen der Rügeantwort dargestellt wurde, sei die Bildung eines Mittelwerts in der Wertungstabelle nicht vorgesehen gewesen. Darüber hinaus würde sich eine Mittelwertbildung im Los 1 für die Antragstellerin nachteilig auswirken und im Los 2 neutral bleiben, sodass kein sich zulasten der Antragstellerin auswirkender Vergabefehler erkennbar sei.

Beim Wertungsbereich “Vorgabe Kontrollzeiten” habe der Antragsgegner die von ihm (intern) festgelegte Bewertungsmethode angewandt und entsprechend der Schulnotenrechtsprechung lediglich im Vorfeld nicht die Musterlösung bekannt gegeben. Konkret habe er anhand des Kostenansatzes aus den Angeboten und den Angaben zum Aufsichtslohn in den Gemeinkostentabellen den finanziellen Anteil in absoluten Zahlen ermittelt, dann durch die Stundenverrechnungssätze dividiert, um die Stundenzahlen zu ermitteln und diese mit den Sollstunden verglichen. Eine Überschreitung der Sollstunden um bis maximal 10 % sei aus Sicht des Antragsgegners und seiner Expertise die ideale Besetzung und daher mit drei Punkten zu bewerten. Darüberhinausgehender Stundenaufwand sei regelmäßig Zeichen einer unproduktiven Tätigkeit bzw. eines überschießenden Verwaltungsaufwands und aus Sicht des Antragsgegners nicht so positiv, genüge aber regelmäßig den Anforderungen, was eine Bewertung mit zwei Punkten bedeute. Vor diesem Hintergrund seien die Angaben der Antragstellerin zutreffend bewertet worden.

Bei der Qualifikation des eingesetzten Führungspersonals habe der Antragsgegner die durch Eigenerklärungen und Nachweise dargelegte Ausbildung des Personals bewertet und dabei auch die von den Bietern angegebenen Verrechnungssätze als Kontrollpunkt berücksichtigt. Maßgeblich für die Beurteilung sei gewesen, dass ein Mitarbeiter mit einer höheren beruflichen Qualifikation mehr Punkte erhält. Ausschlaggebend für die Bewertung der Qualifikation des Objektleiters im Angebot der Antragstellerin sei das Fehlen entsprechender Nachweise gewesen. Die Feststellung einer unzureichenden Entlohnung habe die Beurteilung des Antragsgegners bestätigt, dass der angegebene Objektleiter nicht ausreichend qualifiziert sei. Gleiches gelte für den Vorarbeiter. Die rückgerechneten Stundenlöhne lägen sogar unterhalb der tariflichen Entlohnung. Soweit die Antragstellerin beanstande, dass sie bei der Bewertung des Vorarbeiters in Los 1 und Los 2 unterschiedliche Punkte erhalten habe, wirke sich dies nicht zu ihren Lasten aus. Generell würde sich die Bieterreihenfolge nicht ändern, wenn keinem der Bieter für die Angabe der Berufserfahrung ein Punkt gegeben würde.

Die an die Konzepte bzw. deren Inhalt gestellten Anforderungen seien von der Antragstellerin nicht einschränkungslos erfüllt worden. Die Bewertung sei entsprechend den Vorgaben erfolgt und rechtfertige keine höhere Bepunktung. Die Beschränkung der Angaben auf eine bestimmte Zeichenanzahl sei von der Antragstellerin vor Angebotsabgabe nicht gerügt worden. Im Übrigen zeichne sich ein gutes Konzept und ein gutes Angebot dadurch aus, dass die relevanten Informationen in dem zur Verfügung stehenden Platz vermerkt werden. Die Länge eines Konzeptes sei kein Qualitätsmerkmal.

Mit Beschluss vom 15.12.2022 wurde die in den Losen 1 und 2 jeweils für den Zuschlag vorgesehenen Bieter zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht zur Sache.

Am 16.02.2023 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass möglicherweise entscheidungserheblich sei, ob die den Bietern nicht bekanntgemachten Wertungsmatrizen für die Wertungsbereiche “Vorgabe Kontrollzeiten” und “Qualifikation” bereits vor Angebotsöffnung bestanden haben. Der Antragsgegner gab an, dass es sich hierbei um bestehende Unterlagen handle, die bereits bei früheren Vergabeverfahren benutzt worden seien. Dem Antragsgegner wurde die Möglichkeit eingeräumt, als Beleg hierfür entsprechende Unterlagen aus früheren Vergabeverfahren vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2023 reichte der Antragsgegner Vergabeunterlagen aus früheren Vergabeverfahren nach. Er führte aus, dass die Wertungsmatrizen “Vorgabe Kontrollzeiten” und “Qualifikation” mit geringfügigen Abweichungen in verschiedentlichen Vergabeverfahren genutzt würden. Hinsichtlich der Wertung der Kontrollzeiten sei im Jahr 2018 ein dem hier gegenständlichen Verfahren vergleichbarer Korridor gebildet worden, 2020 dagegen nicht mit der Folge, dass alle Bieter drei Punkte erhalten hätten. In streitgegenständlichem Vergabeverfahren seien die Vergabeunterlagen einschließlich der Wertungsmatrizen am 02.04.2022, mithin vor der Veröffentlichung, fertig gestellt worden. Da nach den Feststellungen des Antragsgegners die von der Antragstellerin für Objektleitung und Vorarbeiter angegebenen, rückgerechneten Stundenlöhne unterhalb der tariflichen Entlohnung lägen, habe der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert, ihre Preise und die sich daraus ergebenden Stundenlöhne für den Objektleiter und den Vorarbeiter aufzuklären.

Mit Schriftsatz vom 27.02.2023 teilte der Antragsgegner mit, dass sich nach der erfolgten Aufklärung ergeben habe, dass das Angebot der Antragstellerin gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 VgV aus der Wertung auszuschließen sei.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 1, 4 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107109 GWB liegt nicht vor.

1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.

Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere aufgrund von intransparenten Vergabeunterlagen und eine von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweichende Wertung ihres Angebots geltend gemacht.

Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch überwiegend keine Rügepräklusion entgegen. Die Antragstellerin macht geltend, dass sich das konkrete Vorgehen zur Bewertung der Angebote weder aus den textlichen Erläuterungen der Bewerbungsbedingungen, noch aus der Auswertungstabelle erschließe. Welches Verfahren der Antragsgegner seiner Wertung zugrunde legen würde, konnte die Antragstellerin vor Ende der Angebotsfrist nicht wissen; insbesondere nicht, dass der Antragsgegner bei der Wertung eine andere als die in den Bewerbungsbedingungen aufgeführte Wertungstabelle verwenden oder von einer Mittelwertbildung absehen würde. Die Antragstellerin hat das im Informationsschreiben des Antragsgegners vom 26.08.2022 mitgeteilte Wertungsergebnis bereits mit Schreiben vom 30.08.2022 und damit innerhalb der 10-Tage-Frist des § 160 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB als vergaberechtswidrig beanstandet. Die konkreten Maßstäbe, an denen der Antragsgegner die nichtpreislichen Kriterien beurteilte, wurden der Antragstellerin erst im Rahmen der Akteneinsicht offenbar.

Soweit die Antragstellerin jedoch beanstandet, allein die Verwendung widersprüchlicher Formulierungen in den Vergabeunterlagen würde bereits einen Vergabeverstoß begründen, der die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens notwendig mache, ist von einer Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB auszugehen. Dies gilt namentlich für die inkonsistente Verwendung der Begriffe Wertungskriterien und Wertungsbereiche in den Bewerbungsbedingungen, da dies augenfällig war und sich die Pflicht zur Ausgestaltung transparenter Vergabeunterlagen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Der Nachprüfungsantrag ist auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB eingereicht worden. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist seiner vormaligen Erklärung, dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt und ab diesem Stand wiederholt wird, nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zugleich eine Nichtabhilfemitteilung in Bezug auf die von der Antragstellerin begehrte Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in einen früheren Stand zu entnehmen. Insoweit ist zu beachten, dass der Antragsgegner und nicht die Antragstellerin das vorangegangene Nachprüfungsverfahren mit dem Geschäftszeichen 3194.Z3-3_01-32-38 für erledigt erklärte. Die Antragstellerin konnte damit davon ausgehen, dass der Antragsgegner die von ihr zu diesem Zeitpunkt bereits vorgebrachten Beanstandungen im Hinblick auf die Transparenz der Vergabeunterlagen im Rahmen seiner Angebotswertung beachten und eine weitergehende Rückversetzung bzw. Aufhebung des Vergabeverfahrens in Betracht ziehen werde, falls sich eine vergaberechtskonforme Wertung auf Basis der bestehenden Vergabeunterlagen als nicht durchführbar herausstellen würde.

2. Der Nachprüfungsantrag ist in seinem zulässigen Umfang auch begründet. Das vom Antragsgegner aufgestellte Zuschlagskriterium “Qualifikation” lässt den nötigen Auftragsbezug vermissen und die hierbei sowie beim Kriterium “Vorgabe Kontrollzeiten” konkret angewendeten Bewertungsmethoden begegnen erheblichen vergaberechtlichen Bedenken.

2.1. Das Zuschlagskriterium “Qualifikation” lässt in der gegebenen Ausgestaltung der Vergabeunterlagen den nötigen Auftragsbezug vermissen und ist insoweit unzulässig.

2.1.1. Gem. § 127 Abs. 3 GWB müssen die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, wobei diese Verbindung auch dann anzunehmen ist, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht (OLG München, Beschluss vom 24.03.2021 – Verg 12/20). Nach Art. 67 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU stehen Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand des öffentlichen Auftrags in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen. Maßgebend für die Beurteilung des Auftragsbezugs ist der Inhalt des Angebotes bzw. der Auftragsgegenstand, d.h. die Leistung, zu der sich der Bieter verpflichtet (vgl. OLG München, aaO).

Für Zuschlagskriterien i.S.v. § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV ist der grundsätzlich nötige Auftragsbezug enger gefasst (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 28.10.2021 – 3194.Z3-3_01-21-27). Nach dieser Vorschrift können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, insbesondere die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. In Erwägungsgrund Nr. 94 der Richtlinie 2014/24/EU wird hierzu ausgeführt, dass dies beispielsweise bei Aufträgen für geistig-schöpferische Dienstleistungen, wie Beratungstätigkeiten oder Architektenleistungen, der Fall sein könne. Öffentliche Auftraggeber, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sollten mit Hilfe geeigneter vertraglicher Mittel sicherstellen, dass die zur Auftragsausführung eingesetzten Mitarbeiter die angegebenen Qualitätsnormen effektiv erfüllen und dass diese Mitarbeiter nur mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers ersetzt werden können, wenn dieser sich davon überzeugt hat, dass das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat.

2.1.2. Vorliegend hat der Antragsgegner über entsprechende Vorgaben in den Kalkulationsunterlagen zwar sowohl für den anzugebenden Objektleiter als auch für den Vorarbeiter Sorge dafür getragen, dass die angebotene Qualifikation bei einem Personalwechsel erhalten bleibt. Beim Betriebsleiter fehlt es jedoch an einer entsprechenden Vorgabe. Ziffer 4.8 der Vertragsbedingungen bestimmt, dass ein Anspruch des Auftraggebers auf Verrichtung durch bestimmte Mitarbeiter in der Regel nicht besteht. Der Auftragnehmer hat nach dieser Regelung zwar sicherzustellen, dass bei Ausscheiden geeignete Vertretungskräfte oder Nachfolge eingesetzt werden. Dass diese über ein gleichwertiges Qualitätsniveau verfügen müssen, ist der Regelung zum technischen Betriebsleiter jedoch nicht explizit zu entnehmen. Damit wäre es Bietern prinzipiell möglich, den technischen Betriebsleiter, dessen Qualität im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Angebote bewertet wurde, nachträglich durch eine weniger qualifizierte Person zu ersetzen.

Es ist aber mit dem Ziel der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht zu vereinbaren, wenn im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung qualitative Aspekte bewertet werden, die im Rahmen der späteren Auftragsausführung keine Rolle mehr spielen (vgl. BT-Drs. 18/6281, 112). Aus diesem Grund ist vorliegend der gem. § 127 Abs. 3 GWB nötige Auftragsbezug des Kriteriums “Qualifikation” in Bezug auf die Person des technischen Betriebsleiters zu verneinen.

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner ausweislich der für die Beurteilung der Qualifikationen herangezogenen, den Bietern aber nicht bekanntgegebenen Wertungstabelle die Berufserfahrung der angegebenen Personen als Wertungsaspekt vorsah. Die Berufserfahrung der angegebenen Personen wurde jedoch in den Kalkulationsunterlagen nicht explizit abgefragt und es fanden sich in den Vergabeunterlagen auch diesbezüglich keine vertraglichen Regelungen, die sicherstellen, dass etwaiges Ersatzpersonal über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügt. Auch insoweit mangelt es somit dem Kriterium “Qualifikation” am nötigen Auftragsbezug.

2.1.3. Durch den mangelnden Auftragsbezug des Kriteriums “Qualifikation” hinsichtlich des technischen Betriebsleiters ist die Antragstellerin auch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da den Anforderungen an die Bestimmung der Zuschlagskriterien bieterschützender Charakter zukommt (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.03.2021 – Verg 12/20). Hält der Antragsgegner an seiner Beschaffungsabsicht fest, muss er den Fehler durch geeignete Maßnahmen beheben (OLG München, aaO). Dies macht eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Angebotsaufforderung erforderlich, um die Vergabeunterlagen entsprechend ändern zu können. Der Antragstellerin eröffnet sich insoweit eine zweite Chance auf Abgabe eines Angebots, so dass ein ihr drohender Schaden in Form einer beeinträchtigten Zuschlagschance auch nach dem durch den Antragsgegner erklärten Ausschluss ihres Angebots gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 und 2 VgV nicht in Zweifel steht (vgl. BGH, Beschluss vom 26.9.2006 – X ZB 14/06).

2.2. Ohne dass es entscheidungserheblich hierauf noch ankommt, weist die Vergabekammer darauf hin, dass auch die konkret vom Antragsgegner angewendeten Bewertungsmethoden in Bezug auf die Kriterien “Vorgabe Kontrollzeiten” und “Qualität” vergaberechtlichen Bedenken begegnen.

2.2.1. Im vorliegenden Vergabeverfahren hat der Antragsgegner für die Bewertung der nichtpreislichen Kriterien ein verhältnismäßig offenes Bewertungssystem bekannt gemacht, indem er zur Differenzierung lediglich auf Punkte einer Skala von 0 bis 3 bzw. unbestimmte Formulierungen wie beispielsweise “erhebliche Mängel”, “mit Einschränkungen” “entspricht den Anforderungen” oder “übertrifft die Anforderungen” abstellte. Ein solches Vorgehen ist nach der Rechtsprechung des BGH im Ansatz zulässig, wenn sich die Anforderungen des Antragsgegners an die Angebote sonst hinreichend deutlich aus den Vergabeunterlagen ergeben (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17). Aus der Rechtsprechung des EuGH, auf die der BGH in vorgenannten Beschluss verweist, ergibt sich zudem, dass die Bewertungsmethode, anhand deren der öffentliche Auftraggeber die Angebote konkret bewertet und einstuft, grundsätzlich nicht nach der Öffnung der Angebote durch den öffentlichen Auftraggeber festgelegt werden darf (EuGH, Urteil vom 14.07.2016 – Rs. C-6/15).

2.2.2. Die Vergabekammer kann schon nicht beurteilen, ob die vom Antragsgegner angewendeten Bewertungsmethoden vor Öffnung der Angebote festgelegt wurden. Der Antragsgegner hat zwar mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.02.2023 darauf verwiesen, dass es sich bei den Wertungsmatrizen “Vorgabe Kontrollzeiten” und “Qualifikation” um bestehende Unterlagen handle, die in verschiedenen Vergabeverfahren genutzt würden. Aus den übermittelten Unterlagen ergibt sich jedoch, dass die Wertungsmatrizen in früheren Vergabeverfahren durchaus wertungsrelevante Änderungen erfahren haben. Auch konnte die Vergabekammer anhand der vom Antragsgegner vorgelegten E-Mail nicht verifizieren, dass die Wertungsmatrizen zeitgleich mit der Fertigstellung der Vergabeunterlagen festgelegt wurden.

2.2.3. Nach den Bewertungsbedingungen sollte das Kriterium “Vorgabe Kontrollzeiten” auf der bekanntgemachten Skala von 0 bis 3 danach bewertet werden, ob der Kostenansatz den vorgegebenen Anwesenheitszeiten des Objektleiters bzw. Vorarbeiters entspricht. Tatsächlich angewendet wurde jedoch eine nicht bekanntgemachte, abweichende Matrix, welche die Abweichungen von der vom Antragsgegner aufgestellten Zielvorgabe misst. Danach waren 2 Punkte vorgesehen, wenn die Vorgabe mehr als 10 % übertroffen wird und 3 Punkte, wenn die Vorgabe bis maximal 10 % übertroffen wird. Indem die angewendete Bewertungsmethode bei größerem Übertreffen der Zielmarke des Antragsgegners nicht 3, sondern 2 Punkte vorsieht, widerspricht sie dem bekanntgemachten Vorgehen. Der Antragsgegner kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Stundenaufwand bei Überschreiten des Schwellenwerts von 10 % Zeichen einer unproduktiven Tätigkeit bzw. eines überschießenden Verwaltungsaufwands sei und das angewendete Bewertungsschema insoweit mit den Vorgaben der Vergabeunterlagen in Einklang stehe. Denn hiermit formuliert der Antragsgegner gerade eine Anforderung an die Leistung, die transparent in den Vergabeunterlagen hätte ausgewiesen werden müssen.

2.2.4. Ähnlich verhält es sich mit dem Verfahren zur Bewertung des Kriteriums “Qualifikation”. Hier hat der Antragsgegner in der Antwort auf die Bieterfrage 2 mitgeteilt, es fände eine Wertung “in Relation zu den anderen Bietern, nach Güte der nachgewiesenen Qualifikationen” statt. Tatsächlich legte der Antragsgegner seiner Bewertung jedoch eine ausgearbeitete, den Bietern aber nicht bekanntgemachte Tabelle zugrunde, in der die zu bewertenden Qualifikationen und die zu erzielenden Punkte vorgegeben waren. Anders als vorab bekannt gemacht hat der Antragsgegner damit keine rein vergleichende Wertung der Bieterangaben vorgenommen, sondern seiner Bewertung einen absoluten Maßstab zugrunde gelegt.

Ungeachtet dessen, dass der Antragsgegner damit von der bekannt gemachten Bewertungsmethode abwich, ist es höchst zweifelhaft, ob der Antragsgegner unter Verweis auf die Schulnoten-Rechtsprechung des BGH überhaupt davon absehen durfte, die Kriterien, anhand dessen er die Qualifikation bewerte, vorab bekannt zu machen. Der BGH stützte seine Argumentation seinerzeit unter anderem darauf, dass ein Wettbewerb, bei dem die Zielerreichungsgrade für die Bewertung nichtpreislicher Zuschlagskriterien nicht in den Vergabeunterlagen ausgewiesen werden, partiell das Gepräge eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung habe. Die Forderung nach konkretisierenden Informationen zu den mit der Erfüllung der Unterkriterien verbundenen Erwartungen laufe darauf hinaus, dem Auftraggeber die Durchführung eines partiell anderen Vergabeverfahrens aufzuerlegen. Der Auftraggeber würde mit der Vorgabe von Lösungskomponenten Aufgaben übernehmen, deren Lösung er im Rahmen der funktionalen Ausschreibung in vergaberechtlich unbedenklicher Weise auf die Bieter delegieren wollte. Wie aus der Vergabedokumentation und den Stellungnahmen des Antragsgegners deutlich wurde, war es vorliegend jedoch nicht die Absicht des Antragsgegners, den Bietern funktionalen Spielraum bei den anzubietenden Qualifikationen einzuräumen. Er hatte vielmehr sehr konkrete Vorstellungen davon, welche Qualifikationen er mit wie vielen Punkten versehen werde. Dann aber erscheint aus Gründen der Transparenz auch geboten, dass er den insoweit feststehenden Beurteilungsmaßstab den Bietern vorab in transparenter Weise bekannt macht. Andernfalls geben die Vergabeunterlagen auch insoweit Anforderungen des Antragsgegners an die zu erbringende Leistung nicht hinreichend deutlich wieder.

2.2.5. Soweit der Antragsgegner die Angaben der Antragstellerin zur Qualifikation der von ihr angebotenen Personen aufgrund einer festgestellten unzureichenden Entlohnung in Zweifel zog, weist die Vergabekammer darauf hin, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich gehalten ist, widersprüchliche oder nicht zweifelsfreie Angebote aufzuklären.

2.3. Die Vergabekammer weist abschließend darauf hin, dass es dem Antragsgegner unbenommen bleibt, im Zuge der Überarbeitung der Vergabeunterlagen strittige Vorgaben abzuschwächen, abzuändern oder klarer zu fassen. Soweit über Rechtsfragen nicht abschließend entschieden wurde, sind sie in einem weiteren Nachprüfungsverfahren auch nicht präjudiziert (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29.07.2022 – Verg 16/21).

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsgegner.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.

Der Antragsgegner ist als Landkreis von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da die zweckentsprechende Führung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens die rechtlichen Kenntnisse eines durchschnittlichen mittelständischen Unternehmens weit überschreitet. Für Bieter ist im Vergabenachprüfungsverfahren die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters regelmäßig erforderlich. Daneben war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens der Antragstellerin notwendig, um die erforderliche “Waffengleichheit” gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsgegner zu erhalten.

Auch wenn die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben, muss die Vergabekammer von Amts wegen über ihre Aufwendungen entscheiden. Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen einer Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09).

Die Beigeladenen haben sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt und keine Anträge gestellt; sie tragen ihre Aufwendungen selbst.

(…)