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BayObLG zu der Frage, dass für die Annahme der Bezeichnung von subventionserheblichen Tatsachen genügt es, wenn die Online-Eingabemaske einen ziffernmäßigen Verweis enthält, der bestimmte Punkte als subventionserhebliche Tatsachen bezeichnet

BayObLG zu der Frage, dass für die Annahme der Bezeichnung von subventionserheblichen Tatsachen genügt es, wenn die Online-Eingabemaske einen ziffernmäßigen Verweis enthält, der bestimmte Punkte als subventionserhebliche Tatsachen bezeichnet

von Thomas Ax

Die einmalige Beantragung und Bewilligung einer Corona-Soforthilfe begründet grundsätzlich keinen unbenannten besonders schweren Fall des Subventionsbetrugs. (Rn. 6 – 10 und 18)

Für die Annahme der Bezeichnung von subventionserheblichen Tatsachen genügt es, wenn die Online-Eingabemaske einen ziffernmäßigen Verweis enthält, der bestimmte Punkte als subventionserhebliche Tatsachen bezeichnet (Anschluss an BGH BeckRS 2021, 10616). (Rn. 17)

BayObLG, Beschluss vom 23.05.2022 – 204 StRR 229/22

Entscheidungsgründe

I.

1

Am 28. April 2021 verurteilte das Amtsgericht Nürnberg den Angeklagten wegen Subventionsbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Gegen diese Verurteilung wandte sich der Angeklagte mit seiner unbeschränkt eingelegten Berufung. Darüber hinaus legte auch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eine auf die Rechtsfolgen beschränkte Berufung zu Ungunsten des Angeklagten ein. Das Rechtsmittel des Angeklagten führte zu der Herabsetzung der verhängten Strafe, wie aus dem Tenor ersichtlich. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde als unbegründet verworfen.

II.

2

Der Angeklagte war zweimal verheiratet und ist geschieden. Aus erster Ehe entstammt sein volljähriger Sohn, der in … studiert. Nunmehr, seit etwa vier Jahren, lebt der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin, einer Ärztin, zusammen, die den wesentlichen Teil des Haushaltseinkommens erwirtschaftet. Der Angeklagte hatte nach Abitur und Ableistung des Wehrdienstes (er ist Leutnant der Reserve) Betriebswirtschaftslehre studiert und arbeitete sodann bei verschiedenen Unternehmen in unterschiedlicher, teils leitender Funktion und an unterschiedlichen Orten, darunter auch zwei Jahre in China. Schließlich machte er sich als Unternehmensberater im Bereich von Finanzanalysen und Sanierungen selbstständig. Hierbei geriet er im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in eine finanzielle Schieflage, weil vereinbarte variable Vergütungsbestandteile entweder nicht erwirtschaftet werden konnten oder aber von den Auftraggebern nicht bezahlt wurden, sodass der Angeklagte aktuell noch vor dem Landgericht München wegen ausstehender Provisionen prozessiert. Infolgedessen konnte er seinen aufwendigen Lebensstil nicht mehr finanzieren, weswegen es im Jahr 2014 zur Trennung und anschließenden Scheidung von seiner zweiten Ehefrau kam. Aktuell hat der Angeklagte keine Schulden; auch die Geldstrafen aus den nachfolgend genannten Verurteilungen sind vollständig bezahlt. Seit Dezember 2021 steht der Angeklagte in einem zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnis als Angestellter.

3

Der Angeklagte ist vorbestraft aufgrund:

1. …

4. des Urteils des Amtsgerichts Nürnberg vom 25. Juni 2012 wegen Betrugs. Hier wurde der Angeklagte zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen, der Strafrest wurde nach der Verbüßung von einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt;

7. des Urteils des Amtsgerichts Nürnberg vom 23. Mai 2019 wegen Diebstahls und Betrugs in 33 Fällen. Hier verhängte das Amtsgericht eine unbedingte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Dieser Verurteilung lag zugrunde, der Angeklagte habe am 10. Februar 2018 dem Geschädigten W. dessen Kreditkarte entwendet, um diese unberechtigt für sich zu behalten. In der Folgezeit habe er die Karte in 33 Fällen unberechtigt eingesetzt, um damit eigene Verbindlichkeiten zu begleichen. Dabei habe er seinen jeweiligen Vertragspartnern vorgetäuscht, der berechtigte Karteninhaber zu sein. Durch den Einsatz der Kreditkarte habe er sich einen Vermögensvorteil von insgesamt 2.356,38 € verschafft;

7. und schließlich aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Nürnberg vom 12. August 2020, worin gegen den Angeklagten wegen des unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs am 2. Februar 2020 eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen von 15 € verhängt wurde.

4

Der Angeklagte stand im Zeitpunkt der hier abgeurteilten Tat und auch zur Zeit der Berufungshauptverhandlung im hiesigen Verfahren unter zweifacher offener Reststrafenbewährung aus den vorgenannten Verurteilungen zu Nr. 4 und 7. Er hat wegen beider Verurteilungen jeweils nur die Halbstrafe verbüßt, d.h. es droht ihm ein Widerruf von insgesamt einem Jahr und sechs Monaten. Die Bewährungszeit im Fall Nr. 4 wurde insgesamt dreimal, im Fall Nr. 7 einmal wegen zwischenzeitlich begangener weiterer Straftaten verlängert. Aktuell ist die Bewährungszeit in beiden Fällen bis 17. Juni 2024 verlängert. Zuletzt wurde der Angeklagte am 10. Januar 2020 – also rund drei Monate vor der hier abgeurteilten Tat – aus der Strafhaft entlassen.

III.

5

Am 7. April 2020 um 8:06 Uhr beantragte der Angeklagte online bei der Regierung von … die Gewährung einer Überbrückungshilfe des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie geschädigten Unternehmen und Soloselbständigen („Corona-Soforthilfe insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige“).

6

Die Online-Eingabemaske enthielt unter anderem folgenden, vom Angeklagten wahrgenommenen und verstandenen Hinweis: „Mir ist bekannt, dass es sich bei den Angaben zu Ziffer 1., 4., 5. und 6. um subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 des Strafgesetzbuchs i.V.m. § 2 des Subventionsgesetzes vom 29. Juli 1976 … ggf. i.V.m. landesgesetzlichen Rechtsregelungen [erg.: handelt]. Mir ist bekannt, dass vorsätzlich oder leichtfertig falsche oder unvollständige Angaben … die Strafverfolgung wegen Subventionsbetrug (264 StGB) zur Folge haben können.“

7

In einem weiter unten stehenden Feld mit folgendem Begleittext „Ich bestätige, dass ich die oben genannten Bedingungen gelesen und akzeptiert habe“ gab der Angeklagte sodann ein „Ja“ ein.

8

Im Eingabefeld unter der Ziffer 1 hatte der Angeklagte zuvor bei der Rechtsform seines Unternehmens „e.K.“ eingetragen, also „eingetragener Kaufmann“. Im Eingabefeld unter Ziffer 4, in dem nach der Zahl der Beschäftigten gefragt wurde, hatte er in der Zeile „Beschäftigte in Vollzeit (ab 30 Stunden pro Woche)“ die Zahl „5“ eingegeben. Beide Angaben entsprachen, wie der Angeklagte wusste, nicht der Wahrheit. Er war vielmehr als Einzelgewerbetreibender ohne jeden Eintrag im Handelsregister tätig, auch beschäftigte er niemanden, erst recht nicht in Vollzeit.

9

Ob der Angeklagte darüber hinaus auch noch dadurch eine falsche Angabe gemacht haben könnte, dass er in dem Antrag möglicherweise unzutreffend einen Liquiditätsengpass behauptete – wozu das Amtsgericht breit ausgeführt hat -, hat die Kammer nach Erörterung des der Intention der Verfahrensvereinfachung des § 264 StGB (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 264 Rn. 2) gegenläufigen Beweisaufwandes zur Prognose des Liquiditätsengpasses (vgl. dazu Rau/Sleiman, NZWiSt 2020, 373, 376; Trompke/Wortmann, COVuR 2020, 401, 402 f.) nicht vertieft. Vielmehr hat sie mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft zugunsten des Angeklagten unterstellt, dass diese Angabe nicht unrichtig war.

10

Aufgrund der Angaben des Angeklagten gewährte ihm die Regierung von Mittelfranken mit Bescheid vom 29. Mai 2020 Soforthilfe in Höhe von 9.000 € und zahlte diese auf das von ihm angegebene Konto aus. Mit Bescheid vom 10. September 2021 widerrief die Regierung den Zuwendungsbescheid. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte bereits 5.000 € an die Staatskasse zurückgezahlt (nämlich am 18. März 2021, also gut einen Monat vor der erstinstanzlichen Hauptverhandlung in dieser Sache). Die restlichen 4.000 € zahlte er im Januar 2022 zurück.

IV.

11

1. Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen Angaben vor der Berufungskammer. Zu den Vorstrafen wurde der Auszug aus dem Bundeszentralregister für den Angeklagten verlesen, ebenso wie der Sachverhalt aus dem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 23. Mai 2019. Diese Angaben wurden vom Angeklagten als richtig bestätigt.

12

Daneben stützt sich die Kammer auf die Aussage der Bewährungshelferin des Angeklagten, der Zeugin K. Diese erteilte glaubhaft und detailliert Auskunft zu den beiden Halbstrafenaussetzungen und zum Bewährungsverlauf. Dabei beschrieb sie den Angeklagten als grundsätzlich kooperativ und seine persönlichen Lebensverhältnisse als einigermaßen geordnet. Wegen der letzten Verurteilung (vgl. oben II.8) – da habe sich der Angeklagte das von einem Münchener Autohaus für eine kurze Probefahrt zur Verfügung gestellte Fahrzeug über Nacht unbefugt „ausgeliehen“ – habe es zwischen ihr und ihrem Probanden allerdings Uneinigkeit gegeben. Er habe, so die Zeugin, ebenso wie im hier abgeurteilten Fall, das Unrechte seines Tuns nicht einsehen wollen. Auch habe der Angeklagte die Zeugin nicht über hiesiges Verfahren informiert, sie habe hiervon erst durch die Mitteilung des erstinstanzlichen Urteils erfahren.

13

2. Zur Sache hat der Angeklagte sich eingangs der Berufungshauptverhandlung geständig eingelassen und bestätigt, den Antrag vom 7. April 2020 gestellt zu haben. Ebenso sei zutreffend, dass er damals nicht als eingetragener Kaufmann firmiert und dass er keine fünf Personen beschäftigt habe. Er habe überhaupt keine Arbeitnehmer gehabt. Zutreffend sei weiterhin, dass das Geld von der Regierung von Mittelfranken bei ihm eingegangen sei. Er habe es auch zurückgezahlt.

14

Das Geständnis ist glaubhaft. Ergänzend stützt sich die Kammer auf folgende Beweismittel, die das Geständnis bestätigen, in Teilen ergänzen und so ein in sich konsistentes und die Kammer voll überzeugendes Bild ergeben: Die Einordnung der Falschangaben des Angeklagten zu Rechtsform und Beschäftigtenanzahl als subventionserheblich i.S.d. § 264 Abs. 9 StGB ergab sich aus den verlesenen Urkunden, nämlich aus dem Ausdruck des von dem Angeklagten ausgefüllten Onlineformulars und aus dem Ausdruck des Screenshots der Eingabemaske, aus dem sich die aus dem erstgenannten Ausdruck nicht erkennbare Zuordnung der Ziffern zu den einzelnen Eingabefeldern ergab, nämlich „1“ für „Antragsteller“ – hier wurde auch nach der Rechtsform gefragt – und „4“ für „Beschäftigte“, wo nach den Beschäftigten und deren Stundenzahl gefragt wurde.

15

Die Bewilligung, Auszahlung von 9.000 € und Rückzahlung von 5.000 € wird belegt durch die verlesenen Bescheide der Regierung von Mittelfranken, nämlich durch den Bewilligungsbescheid vom 29. Mai 2020 und den Widerrufsbescheid vom 10. September 2021. Die Rückzahlung der verbleibenden 4.000 € konnte der Angeklagte durch die Vorlage einer Online-Überweisungsbestätigung belegen, die in der Hauptverhandlung verlesen wurde.

16

Am kognitiven Element des Vorsatzes des Angeklagten hegt die Kammer auch aufgrund seiner betriebswirtschaftlichen Vorbildung und langjähriger Tätigkeit in verschiedenen Unternehmen, teils bei namhaften Unternehmensberatungen wie … und … und aufgrund seiner einschlägigen Vorverurteilungen wegen Betrugs, keinerlei Zweifel. Das Motiv des Angeklagten, die Subvention unberechtigt zu vereinnahmen, ist für die Kammer ebenso zweifelsfrei. V.

17

Damit hat sich der Angeklagte wegen Subventionsbetrugs nach § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 9 StGB strafbar gemacht. Bei den Corona-Soforthilfen handelt es sich um Subventionen i.S.d. § 264 Abs. 8 StGB (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21, juris Rn. 5). Die subventionserheblichen Tatsachen waren durch den ziffernmäßigen Verweis auf bestimmte Punkte der Online-Eingabemaske dort als solche bezeichnet und damit für den Angeklagten klar erkennbar, was ausreichend ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21, juris Rn. 10; LG Hamburg, Beschluss vom 18. Januar 2021 – 608 Qs 18/20, juris Rn. 44; Höpfner/Bednarz, ZWH 2021, 91, 93). Die falschen Angaben – jedenfalls diejenige zur Zahl der Beschäftigten – waren für den Angeklagten vorteilhaft (§ 264 Abs. 1 Nr. 1 a.E. StGB; dazu Saliger in SSW-StGB, 5. Aufl., § 264 Rn. 26), weil sie sein Unternehmen als größer und damit als in größerem Umfang beihilfeberechtigt erscheinen ließen als es tatsächlich war. In Nr. 4 des Bewilligungsbescheides heißt es insoweit: „Aufgrund der im Antrag gemachten Angaben zur Mitarbeiterzahl (5) … wird die Höhe der Soforthilfe Corona auf 9.000 € festgesetzt“. Die Bezeichnung der Angaben als subventionserheblich erfolgte schließlich aufgrund eines Gesetzes durch den Subventionsgeber (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Alt. 2 StGB).

VI.

18

1. Den Strafrahmen hat die Kammer § 264 Abs. 1 StGB entnommen. Die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß Abs. 2 der Vorschrift sah die Kammer nach Abwägung aller Umstände als nicht gerechtfertigt an. Sofern das Landgericht Stade einen besonders schweren Fall unter anderem dadurch begründet sah, dass der dortige Angeklagte ein unbürokratisches staatliches Angebot zur Rettung kleiner Wirtschaftsteilnehmer in einer in der Nachkriegszeit beispiellosen nationalen Notlage durch die Pandemie ausgenutzt hat (LG Stade, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 600 KLs 141 Js 21934/20 (7/20), juris Rn. 112, gebilligt von BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21, juris Rn.12), so teilt die Kammer zwar die damit verbundene verschärfte Missbilligung. Allerdings muss man andererseits sehen, dass der Subventionsgeber es potenziellen Betrügern mangels wirksamer Kontrolle bei der Subventionsbewilligung leicht gemacht hat. Das Geld lag, um es bildhaft zu sagen, auf der Straße, und der Angeklagte hat sich danach gebückt. Die aufzuwendende kriminelle Energie war bei seinem einmaligen Antrag eher gering anzusetzen.

19

2. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer zugunsten des Angeklagten sein Geständnis gewertet. Zudem machte er den mit der Tatbegehung einhergehenden Schaden durch die inzwischen vollständige Rückzahlung der Subvention wieder gut. Die grundsätzlich gesamtstrafenfähige, hier aber schon vollständig bezahlte Geldstrafe von 90 Tagessätzen für den unbefugten Gebrauch eines Fahrzeugs (oben II.8), war zugunsten des Angeklagten durch einen sog. Härteausgleich zu berücksichtigen. Die Kammer hat im Übrigen gesehen, allerdings nicht bestimmend zugunsten des Angeklagten gewertet, dass ihm prognostisch infolge des hiesigen Urteils – aus der Sicht der Kammer unausweichlich und auch überfällig – die beiden noch offenen Reststrafenbewährungen von insgesamt einem Jahr und sechs Monaten widerrufen werden, sodass das gesamte Strafübel, mit dem er sich nunmehr konfrontiert sieht, dementsprechend erhöht ist. Das ist aber schlicht Folge des bewussten und wiederholten Bewährungsbruchs (vgl. Eschelbach in SSW-StGB, 5. Aufl., § 46 Rn. 161), die der Angeklagte zu tragen hat.

20

Zulasten des Angeklagten hat die Kammer insbesondere gewertet, dass er die Tat nur kurz nach der (Teil-)Verbüßung einer einschlägigen Vorstrafe und unter einschlägiger zweifacher offener Reststrafenbewährung stehend begangen hat. Insgesamt waren die einschlägigen Vorverurteilungen und die Rückfallgeschwindigkeit negativ zu vermerken. Weiterhin war der ursprüngliche Schaden mit 9.000 € Auszahlungssumme nicht unerheblich.

21

Unter Abwägung aller, auch der unter VI.1 genannten Umstände hält die Kammer für die festgestellte Straftat eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für tat- und schuldangemessen.

22

3. Die Strafaussetzung zur Bewährung verbietet sich nach Lage der Dinge. Eine positive Sozialprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) ist dem Angeklagten angesichts des bereits genannten wiederholten Bewährungsversagens und der Rückfallgeschwindigkeit nicht zu stellen. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus den von der Zeugin K. referierten und vom Angeklagten bestätigten Umständen, an deren Vorliegen die Kammer keine Zweifel hegt: Weder die Kooperation mit der Bewährungshelferin im Laufe der seit 2012 durchgehend laufenden, nur durch den Strafvollzug unterbrochenen Bewährung, noch die durch die Beziehung zu seiner aktuellen Lebensgefährtin stabilisierten persönlichen Verhältnisse haben den Angeklagten allerdings von der Begehung der hier abgeurteilten Straftat abgehalten. Sie geben daher keine Grundlage für die Annahme, der Angeklagte würde sich künftig straffrei führen.

23

Weiterhin hat der Angeklagte gegenüber Kammer ausgeführt, er wolle künftig „kleinere Brötchen backen“. Das überzeugte die Kammer nicht. Denn die Zeugin K. hat ausgeführt, dass der Angeklagte aufgrund eines positiven Selbstbildes und seiner Kenntnisse sich rasch unterfordert fühle und immer wieder nach Selbstbestätigung suche. So sei die hiesige Tat nicht aus Not heraus geschehen, denn seine mit ihm zusammenlebende und wirtschaftende Lebensgefährtin verdiene mehr als 7.000 € netto monatlich. Er habe sich, obwohl gerade aus der Strafhaft entlassen, als Vermittler für die Lieferung von Schutzmasken an den Freistaat Bayern am Beginn der Corona-Pandemie ins Gespräch bringen wollen. Damit habe er, so führte er gegenüber der Kammer aus, der Gesellschaft in der Not helfen wollen. Ebenso wenig habe es, so die Zeugin weiter, für den unbefugten Gebrauch des Wagens aus einem Münchener Autohaus (oben II.8) einen zwingenden Anlass gegeben. Die Kammer sieht den in den Straftaten zu Tage tretenden Geltungsdrang und das Bewusstsein der eigenen Bedeutsamkeit als für den Angeklagten hinderlich, dauerhaft eine wirksame Selbstkontrolle auszuüben. Infolgedessen wäre es für die Kammer hinderlich, eine positive Sozialprognose zu bejahen, wenn sie nicht aus oben genannten Gründen ohnehin schon ausgeschlossen wäre. Insgesamt ist das Gericht vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass sich der Angeklagte durch die wiederholte Gewährung und Verlängerung von Bewährungen zur Begehung weiterer Straftaten eher ermuntert gefühlt hat als dass er hiervon abgehalten worden ist.

VII.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO.

BGH zu dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten und dass diesem der Zeitpunkt, zu dem er erstmals eine entlastende Einlassung vorbringt, nicht zum Nachteil gereichen kann

BGH zu dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten und dass diesem der Zeitpunkt, zu dem er erstmals eine entlastende Einlassung vorbringt, nicht zum Nachteil gereichen kann

von Thomas Ax

Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (BGH, Urteile vom 26. Oktober 1983 – 3 StR 251/83BGHSt 32, 140, 144; vom 26. Mai 1992 – 5 StR 122/92BGHSt 38, 302, 305; vom 22. Dezember 1999 – 3 StR 401/99NJW 2000, 1426; Beschlüsse vom 3. Mai 2000 – 1 StR 125/00NStZ 2000, 494, 495; vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14NStZ 2014, 666, 667). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der anfänglichen Aussageverweigerung – und damit auch nicht aus dem Zeitpunkt, zu dem sich der Angeklagte erstmals einlässt – nachteilige Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14NStZ 2014, 666, 667 mwN).

BGH, Beschluss vom 13.10.2015 – 3 StR 344/15

Bei Leistungen der Daseinsvorsorge ist alles anders

Bei Leistungen der Daseinsvorsorge ist alles anders

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind.

Von einem Teilnahmewettbewerb kann nur dann abgesehen werden, wenn die Mindestfristen des Regelverfahrens – in diesem Fall die verkürzten Fristen nach § 17 Abs. 3 und 8 VgV – nicht eingehalten werden können. Gemäß § 15 Abs. 3 VgV beträgt die verkürzte Angebotsfrist beim offenen Verfahren 15 Kalendertage. Bei einem nicht offenen Verfahren beträgt die verkürzte Teilnahmefrist nach § 16 Abs. 3 VgV 15 Tage, die sich daran anschließende Angebotsfrist 10 Tage (vgl. § 16 Abs. 7 VgV). Hinsichtlich des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb gelten dieselben Fristen wie beim nicht offenen Verfahren. Bei allen genannten Verfahrensarten kommt die Frist für die Vorabinformation gem. § 134 Abs. 2 GWB hinzu, welche noch einmal 10 Tage beträgt. Voraussetzung für den Fristenlauf ist jedoch jeweils, dass die entsprechenden Vergabeunterlagen „Ausschreibungsreife“ haben, das heißt dass die Eignungsanforderungen für die Bewerber/Bieter festgelegt wurden, die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung ermittelt und die vollständigen Vertragsunterlagen (Leistungsbeschreibung etc.) erstellt sind.

Zu den vorgenannten gesetzlichen Mindestfristen kommen somit noch der für die Ausschreibung notwendige Zeitrahmen hinzu sowie die vorherige Erstellung der hierfür erforderlichen Unterlagen (Vergabevermerk, Bedarfsprüfung, Prüfung/Bereitstellung der Haushaltsmittel sowie Vertragserstellung). Bei den Mindestfristen nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV muss noch Zeit für Bieter-fragen und die Auswertung der Angebote einbezogen werden. Gleiches gilt für die notwendige Rüstzeit für den bezuschlagten Auftragnehmer bezüglich des Ausführungsbeginns.

Nach Erfahrungswerten aus vergleichbaren Fällen ist für eine Vergabe der betreffenden Dienstleistung im offenen Verfahren eine Verfahrensdauer von bis zu einem Jahr einzuplanen.

Grundsätzlich dürfen die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein. Eine Ausnahme hiervon stellt die Interimsvergabe in dem Bereich der Daseinsvorsorge dar.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ist überwiegend anerkannt, dass eine Vergabe nach den Grundsätzen des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV (Interimsvergabe) dann zulässig ist, wenn es um Beschaffungen geht, welche in einem übergeordneten Interesse notwendig sind.

Dies betrifft solche Leistungen, die im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere unter Gesichts-punkten der Daseinsvorsorge, unverzichtbar sind. Eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist bei solchen für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist; der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter der Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück (vgl. OLG Frankfurt am Main in dem Beschluss vom 24.11.2022 – 11 Verg 5/22; OLG Düsseldorf Beschluss vom 15.02.2023 – VII-Verg 9/22; BayObLG, Beschluss vom 31.10.2022 – Verg 13/22; OLG Frankfurt, Be-schlüsse vom 31.10.2022 – 11 Verg 7/21 und vom 30.1.2014 – 11 Verg 15/13; OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2014, 13 Verg 9/14).

In der wert- und insbesondere grundrechtsgebundenen Ordnung des Grundgesetzes und der Unionsverträge, so das OLG Frankfurt am Main in dem Beschluss vom 24.11.2022 – 11 Verg 5/22, muss der Staat immer und unabhängig von früheren Versäumnissen in rechtmäßiger Weise in der Lage sein, auf Notlagen zu reagieren oder sie abzuwenden sowie unverzichtbare Leistungen zu erbringen.

Dies betrifft insbesondere Leistungen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der Daseinsvorsorge.

Die Interimsvergabe ist dementsprechend eine „Überbrückungsvergabe“ für den Fall, dass eine im Wettbewerb ausgeschriebene Leistung nicht pünktlich vergeben werden kann und ein vertragsloser Zustand droht. Das gilt auch bei unmittelbaren Gefährdungen der Versorgungssicherheit im Bereich der Daseinsvorsorge.

Eine Interimsvergabe kommt demnach zum eigentlichen Vergabeverfahren hinzu.

Die Rechtsprechung begrenzt zulässige Interimsvergaben auf den Zeitraum, der erforderlich ist, um ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchzuführen und abzuschließen.

Eine Vertragsdauer von einem Jahr trägt der notwendigen Beschränkung auf den Interimsbedarf Rechnung. Interimsbeauftragungen sind auf den Zeitraum zu befristen, bis ein normales Verfahren bei Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Beschleunigung vorbereitet und abgeschlossen sein kann. Sie sind deshalb zeitlich bis zum frühestmöglichen Abschluss des vergaberechtlich vorgeschriebenen europaweiten Vergabeverfahrens befristet. Eine Laufzeit von einem Jahr ist bei einer Interimsvergabe als verhältnismäßig und zulässig anzusehen (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.05.2014, VK 1-7/14 = BeckRS 2015, 15353; VK Arnsberg, Beschl. v. 25.08.2008, VK 14/08 = IBRRS 2008, 2849; VK Sachsen, Beschl. v. 27.04.2015, 1/SVK/012-15 = BeckRS 2015, 16420; OLG Dresden, Beschl. v, 11.11.2008, Verg 006-08; VK Lüneburg, Beschl. v. 03.07.2009, VgK-30/2009).

Die Interimsvergabe stellt an sich bereits das mildeste Mittel dar. Die Rechtsprechung hat durch die Interimsvergabe ein Rechtsinstitut geschaffen, welches auf der einen Seite den Zielen des EU-Vergaberechts gerecht wird und auf der anderen Seite die Gewährleistung der Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge und die Funktionsfähigkeit erhalten und sicherstellen soll. Dies geht insbesondere daraus hervor, dass nach der Rechtsprechung, zum einen eine Interimsvergabe nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig und zum anderen akzessorisch zu einem bereits begonnenen oder anstehenden Vergabeverfahren ist.

Die in Art. 14 AEUV normierte Funktionsgewährleistungspflicht legt fest, dass die Mitgliedstaaten und die Union eine positive Verpflichtung trifft, durch geeignete Gestaltung der Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass die Träger von Diensten im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse ihren Aufgaben angemessen nachkommen können (Jung in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 14 Rn. 22). Der Begriff „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“, entspricht dem der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in Art. 106 Abs. 2 und Art. 36 der Grundrechtecharta (Calliess/Ruffert/Jung, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 14 Rn. 12; Definitionen auch bei Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvor-sorge in Europa, ABl. 2001 Nr. C 17/4, Anhang II). In Zusammenhang mit Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wird der Begriff der „Daseinsvorsorge“ in den deutschen Sprachfassungen der offiziellen Doku-mente verwendet (Groeben, von der/Schwarze/Philipp Voet van Vormizeele, AEUV Art. 14 Rn. 8, 9; Jung in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 14 Rnrn. 12, 13, Art. 106 Rn. 36).

Somit ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen Art. 32 Abs. 2 lit. C Richtlinie 2014/24/EU und Art. 14 AEUV.

Die Auslegung des Sekundärrechts erfolgt immer im Lichte des höherrangigen Primärrechts. Art. 32 Abs. 2 lit. c Richtlinie 2014/24/EU ist deshalb da-hingehend einschränkend auszulegen, dass die höherwiegende Leistungs-erbringung im Bereich der Daseinsvorsorge nach Art. 14 AEUV gewährleistet werden kann (Funktionsgewährleistungspflicht).

Ax konzipiert erfolgreich und setzt erfolgreich um Klärschlammentsorgung auch über 2029 hinaus

Ax konzipiert erfolgreich und setzt erfolgreich um Klärschlammentsorgung auch über 2029 hinaus

Nach den gesetzlichen Vorschriften der Klärschlammverordnung sind alle Betreiber einer Kläranlage verpflichtet, den Klärschlamm möglichst hochwertig zu verwerten und ab 2029 eine Rückgewinnung von Phosphor aus dem Klärschlamm sicher zu stellen, sofern dieser 20g oder mehr Phosphor pro kg Trockenmasse enthält.

Phosphor: Wichtiger Rohstoff für die Landwirtschaft

Klärschlamm enthält Phosphor und Stickstoff – wichtige Nährstoffe für Pflanzen in der Landwirtschaft. Allerdings sind im Abfallprodukt unserer Kläranlagen auch Stoffe enthalten, die dem Boden nicht unkontrolliert zugeführt werden sollten, etwa Mikroplastik oder organische Schadstoffe.

Phosphor im Klärschlamm muss zurückgewonnen werden

Die Verordnung soll sicherstellen, dass Phosphor im Klärschlamm zurückgewonnen wird – für Städte und größere Kommunen gilt dies ab 2029, für kleinere Gemeinden mit eigenen Kläranlagen ab 2032. Sie alle müssen sicherstellen, dass aus den Klärschlämmen oder ihrer Asche bis zu 80 Prozent des Phosphors zurückgewonnen, also recycelt, werden.

Phosphor ist für alle biologischen Organismen lebenswichtig und z.B. an der Funktion zentraler Bereiche wie der DNA und der Energieversorgung der Zellen beteiligt. Auf natürlichem Wege gelangt Phosphor einerseits über Verwitterung in den Boden oder andererseits über die Zersetzung von organischen Stoffen.

Über Kunstdünger wird in der Landwirtschaft der Phosphoranteil im Boden erhöht, um das Wachstum und die Erträge zu steigern. Die gleiche Funktion hat das Ausbringen von Klärschlamm auf den Feldern, in dem unter anderem auch Phosphor enthalten ist. Da die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm aufgrund der erwähnten Schadstoffbelastung durch die Düngemittelverordnung (DüMV) inzwischen stark reduziert wurde, verringert sich auch die Phosphor-Menge, die dadurch auf die Felder eingebracht wird.

80 Prozent der Vorkommen von Mineralien, in denen Phosphor enthalten ist, liegen in Afrika, China und den USA. Deutschland verfügt über keine nennenswerten Vorkommen und muss Phosphor zu 100 Prozent importieren. Ein Recycling ist deshalb notwendig, um dem steigenden Bedarf einerseits gerecht zu werden und andererseits dem Gedanken der Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Der wichtige Stoff Phosphor wird schließlich aus einem Abfallprodukt der kommunalen Kläranlagen gewonnen und hilft uns, die Abhängigkeit von Phosphorimporten zu verringern. Denn durch konsequentes Phosphorrecycling aller Klärschlämme in Deutschland könnten bis zu 40 Prozent der Importe ersetzt werden.

Mitverbrennung nur noch für phosphorarme Klärschlämme

Der Schwellenwert erlaubt ab 2029 eine Mitverbrennung nur noch für phosphorarme Klärschlämme.

Die bisher genutzte Mitverbrennung von Klärschlamm in Zementwerken ist ab 2029 nicht mehr zulässig.

Phosphor-Rückgewinnung aus der anfallenden Asche erforderlich

Die ebenfalls praktizierte Mitverbrennung von Klärschlamm in Kohlekraftwerken führt zu einer Asche und bleibt weiterhin erlaubt, macht aber ab 2029 die Phosphor-Rückgewinnung aus der anfallenden Asche erforderlich und bietet durch den geplanten Ausstieg aus der Kohleverstromung langfristig keine Entsorgungssicherheit.

Klärschlammverbrennung ab 2029 zur Vorbehandlung des Klärschlammes vor der Phosphor-Rückgewinnung erforderlich

Da die Klärschlammverbrennung ab 2029 zur Vorbehandlung des Klärschlammes vor der Phosphor-Rückgewinnung erforderlich ist und die Verbrennungskapazitäten deutschlandweit nicht ausreichen, ist der Neubau von Klärschlammverbrennungsanlagen in ganz Deutschland bereits vor Jahren angelaufen. Dennoch wird die Verbrennungskapazität ab 2029 nach Einschätzung von Experten in ganz Deutschland wie auch in Baden-Württemberg bei weitem nicht ausreichen.

Angesichts dieser absehbaren Problematik sind Klärschlammentsorgungskapazitäten frühzeitig langfristig zu sichern.

Ziel ist es, die Klärschlammentsorgung weiterhin über Dienstleistungsunternehmen gesetzeskonform zu bewerkstelligen und auszuschreiben.

Längerfristige Entsorgungsverträge als bisher erforderlich

Um die erforderliche Planungssicherheit auf beiden Seiten herzustellen, sind längerfristige Entsorgungsverträge als bisher erforderlich. Nur so können die erforderlichen Verbrennungs- und Rückgewinnungsanlagen von privatwirtschaftlicher Hand gebaut werden und die Kläranlagenbetreiber sichern sich frühzeitig den Zugang zu den neu entstehenden Kapazitäten.

Die Leistungen müssen europaweit ausgeschrieben werden. Sinnvoll ist die Bildung von Verbünden und kooperatives Vorgehen. Viele Kommunen müssen sich an diesem gemeinsamen Vorgehen beteiligen, ein Alleingang macht hier keinen Sinn.

Wir verfügen über langjährige Erfahrung und verstehen deshalb im besonderen Maße die komplexen Herausforderungen, denen Kommunen gegenüberstehen.

Unser Ziel ist es, Ihnen dabei zu helfen, diesen Prozess so effizient, rechtskonform und kosteneffektiv wie möglich zu gestalten. Unsere langjährige Erfahrung, unser umfassendes Fachwissen sowie unser Engagement für höchste Standards machen uns zu einem vertrauenswürdigen Partner.

Kommunen deutschlandweit gehören zu den erfolgreich unterstützten Auftraggeber-Kunden.

Wir sind in der Lage, für Ihre besondere Ausgangslage und die anspruchsvollen Rahmenbedingungen passende Lösungen mit Ihnen für Sie zu entwickeln, zu kommunizieren und umzusetzen. Wir sind kommunikationsstark und überzeugen durch Fachwissen, Erfahrung und eine Portion Pragmatismus. Die Inanspruchnahme unserer Vergabeunterstützung bietet zahlreiche Vorteile. Sie ermöglicht es, in der vorgegebenen Zeit zum Ergebnis zu kommen. Darüber hinaus sparen Sie wertvolle Zeit und Ressourcen, indem Sie die komplexen Aufgaben der Beschaffung an uns als erfahrene Experten auslagern. Dies ermöglicht es Ihnen, sich auf Ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und gleichzeitig die Effizienz und Qualität Ihrer Beschaffungsprozesse zu verbessern. Das von uns entwickelte Leistungsbild umfasst alle -wirklich alle- für die Durchführung des Verfahrens erforderlichen Leistungen.

Insbesondere:

Zielorientierte Abstimmung über den Beschaffungsbedarf/ Bestimmung des Beschaffungsbedarfes

Durchführung und Auswertung einer Markterkundung

Sachgerechte Strukturierung des Verfahrens unter allen relevanten Gesichtspunkten

Interessengerechte Ausrichtung und Gestaltung des Verfahrens unter allen relevanten Gesichtspunkten

Erstellung einer Leistungsbeschreibung

Festlegung der Eignungskriterien und deren Gewichtung

Festlegung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung

Festlegung der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung

Festlegung von Bewertungsmatrizes

Umfassende Beratung in allen relevanten vergaberechtlichen Fragestellungen:

Erstellung der Ausschreibungsunterlagen (formal und fachlich)

ggf. Erstellung der Verträge (bei Bedarf)

Erstellung der notwendigen Bekanntmachung

Verfahrensbegleitung:

Veröffentlichung der Ausschreibung auf einer Vergabeplattform und Bewerber-/ Bieterkommunikation, ggf. Anpassung der Vergabeunterlagen

Durchführung der Bewerbungs-/ Angebotsöffnung

Bewerbungs-/ Angebotsprüfung und -wertung

Erarbeitung und Vorstellung und Abstimmung des Vergabevorschlags

Durchführung der Zuschlagserteilung, Information der nicht erfolgreichen Bieter

ggf. Aufhebung des Vergabeverfahrens

Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Verhandlungen oder Angebotspräsentationen

Dokumentation des kompletten Vergabeverfahrens unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben

Unsere Kommunikation

ist einfach, zielgerichtet und anforderungsgerecht.

Federführend und Ihr persönlicher Ansprechpartner

ist Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax.

Kurzum:

Wir organisieren alles Notwendige rechtzeitig und zuverlässig.

Wir haben einschlägige Erfahrung.

Wir kennen die Akteure und die Marktsituation.

Sprechen sie uns gerne an.

VergabePraxis: Zu einer ordnungsgemäßen Ermittlung des Finanzierungsbedarfs ist der AG gehalten, einen Sicherheitsaufschlag auf das Ergebnis der sorgfältig geschätzten Kosten vorzunehmen

VergabePraxis: Zu einer ordnungsgemäßen Ermittlung des Finanzierungsbedarfs ist der AG gehalten, einen Sicherheitsaufschlag auf das Ergebnis der sorgfältig geschätzten Kosten vorzunehmen

von Thomas Ax

Der öffentliche Auftraggeber kann nicht davon ausgehen, dass die Bieter die Kosten für den ausgeschriebenen Auftrag in gleicher Höhe oder niedriger als er selbst kalkulieren. Bei der Kostenermittlung handelt es sich um eine Schätzung, von der die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen (BGH, Urteil v. 08.09.1998, X ZR 99/96, juris Rn. 23). Diesem Umstand muss der öffentliche Auftraggeber Rechnung tragen, indem er für die Ermittlung des Kostenbedarfs einen Aufschlag auf den sich nach der Kostenschätzung ergebenen Betrag vornimmt (so auch: OLG Celle, Beschluss v. 10.03.2016, 13 Verg 5/15, juris Rn. 29; OLG Celle, Beschluss v. 13.01.2011 – 13 Verg 15/10, juris Rn. 21; KG, Beschluss v. 17.10.2013 – Verg 9/13, juris Rn. 44; Portz in Ingenstau/Korbion, VOB Teil A und B, 20. Aufl., § 17 VOB/A Rn. 29). Dabei stehen dem öffentlichen Auftraggeber mehrere auch miteinander kombinierbare Möglichkeiten zur Verfügung.

Der Sicherheitsaufschlag kann in der Kalkulation selbst enthalten sein, so etwa in den veranschlagten Mengen und Einheitspreisen. Er kann aber auch als prozentualer Aufschlag auf die Kostenschätzung ausdrücklich ausgewiesen sein. In welcher Höhe ein Sicherheitsaufschlag vorzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Soweit in der Rechtsprechung unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.11.2012 (Az. X ZR 108/10) ein “ganz beträchtlicher Aufschlag” auf den sich nach der Kostenschätzung ergebenden Betrag gefordert wird (OLG Celle, Beschluss v. 10.03.2016, 13 Verg 5/15, juris Rn. 27, max. 10 %; KG, Beschluss v. 17.10.2013, Verg 9/13, VergabeR 2014, 229), ergibt sich aus der genannten Entscheidung dieses Erfordernis nicht. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs betreffen die Frage, wann die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Angebot geführt hat, mithin von einem unwirtschaftlichen Ausschreibungsergebnis auszugehen ist. Voraussetzung dafür ist – so der Bundesgerichtshof -, dass das Ausschreibungsergebnis “ganz beträchtlich” über dem Schätzergebnis liegt. Über die Höhe eines Sicherheitszuschlags verhalten sich die Ausführungen nicht.

VergabePraxis: Ein die Aufhebung rechtfertigender Grund führt nicht automatisch zur Aufhebung des Verfahrens

VergabePraxis: Ein die Aufhebung rechtfertigender Grund führt nicht automatisch zur Aufhebung des Verfahrens

von Thomas Ax

Liegt ein die Aufhebung rechtfertigender Grund vor, führt dies nicht automatisch zur Aufhebung des Verfahrens. Der Auftraggeber hat vielmehr zu überlegen und abzuwägen, ob er die Ausschreibung aufhebt (BGH, Beschluss v. 10.11.2009, X ZB 8/09; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 27.09.2013, 15 Verg 3 /13, juris Rn. 47 ff.). Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang auch, ob weniger einschneidende Alternativen zur Aufhebung in Betracht kommen und ob der zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht weniger einschneidende Maßnahmen als die Aufhebung des Verfahrens insgesamt rechtfertigt oder fordert.

Öffentliche Aufträge dürfen nur vergeben werden, wenn sie haushaltsrechtlich abgesichert sind. Ermessenspielräume bestehen deshalb nur dahingehend, ob ein milderes Mittel als die Aufhebung des Verfahrens in Betracht kommt.

VergabePraxis: Versehentlich falsch angegebene Preise können nach Angebotsöffnung korrigiert werden

VergabePraxis: Versehentlich falsch angegebene Preise können nach Angebotsöffnung korrigiert werden

von Thomas Ax

Es werden unterschiedliche Ansichten dazu vertreten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein versehentlich falsch angegebener Preis nach Angebotsöffnung korrigiert werden kann. Teilweise wird bei offensichtlichen preislichen Falschangaben eine Berichtigung für zulässig gehalten und ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot (§ 15 Abs. 3 VOB/A EG) verneint (Vavra in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., VOB/A § 15 Rn. 19; § 16 Rn. 9; OLG Saarbrücken IBR 2009, 407). Teilweise wird eine Berichtigung von “falschen” Preisen oder auch gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen Erklärungsirrtums anfechtbaren Preisen abgelehnt (Planker in Kapellmann/Messerschmidt,VOB/A und VOB/B, 3. Aufl., § 15 VOB/A Rn. 22). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass eine Klarstellung des Angebotsinhalts zulässig, hingegen eine nachträgliche Änderung des Angebots durch das Einfügen eines neuen Preises unstatthaft ist. Von einer zulässigen Klarstellung des Angebotsinhalts ist auszugehen, wenn der tatsächlich gemeinte (richtige) Preis durch Auslegung des Angebotsinhalts gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Sind Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter erforderlich, sind diese Anforderungen nicht erfüllt. Anderenfalls hätte es der Bieter in der Hand, den angebotenen Preis nachträglich gegen einen anderen auszutauschen (Senatsentscheidung vom 16.03.2016, VII-Verg 48/15). Bei der Auslegung ist dabei maßgeblich darauf abzustellen, wie der Empfänger das Angebot im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung verstehen musste. Nachträgliches Verhalten oder Willensbekundungen einer Partei sind bei der Auslegung von Rechtsgeschäften nur insoweit berücksichtigungsfähig, als sie Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und auf das Verständnis des Erklärungsempfängers im Zeitpunkt des Zugangs zulassen (BGH, Versäumnisurteil vom 7.12.2006, VII ZR 166/05, NJW-RR 2007, 529).

Die Darlegungslast für das Vorliegen einer fehlerhaften Preisangabe obliegt dem Auftraggeber (Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2007, VII-Verg 24/07 – juris Rn. 38; OLG Naumburg NZBau 2006, 129; OLG Frankfurt a.M. VergabeR 2006, 126; Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 91; Stoye/Gielen in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, 2016, § 175 Rn. 33; kritisch aber Opitz in Burgi/Dreher, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 16 VOB/A-EU Rn. 25 und 98; zur Beweislastverteilung bei Unsicherheiten über die Vollständigkeit des Angebots Senatsbeschluss vom 19.11.2003, VII-Verg 47/03). Bloße Vermutungen und Zweifel an der Richtigkeit der Preisangaben genügen nicht. Auf der anderen Seite obliegt dem Bieter die Mitwirkung an der Aufklärung seines Angebots (OLG Frankfurt a.M. VergabeR 2006, 126; OLG Rostock, Beschluss vom 8. März 2006, 17 Verg 16/05 – juris, Rn. 65; OLG Dresden, Beschluss vom 1. Juli 2005, WVerg 7/05 – juris, Rn. 5; Opitz in Burgi/Dreher, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 16 VOB/A-EU Rn. 98). Liegen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme fehlerhafter Preise vor, sind diese vom Bieter mit substantiellen Auskünften zu entkräften (OLG Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2004, Verg W 10/04 – juris Rn. 47 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 1. Juli 2005, WVerg 7/05 – juris, Rn. 5).

Nach § 16 Nr. 3 VOB/A sind solche Angebote von der Ausschlussfolge ausgenommen, bei denen lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position der Angabe des Preises fehlt und durch die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt werden. Der Ausnahmetatbestand ist nicht einschlägig, wenn keine Preisangabe fehlt. Dass der Ausnahmetatbestand entgegen seinem Wortlaut auch bei einer fehlerhaften Preisangabe zur Anwendung kommen soll, ist nicht ersichtlich. Ferner ist der Ausnahmetatbestand auch dann nicht einschlägig, wenn die Preisangabe nicht nur bei einer Position, sondern bei vielen Positionen fehlerhaft ist.

Praxistipp: Der Auftraggeber hat das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich ermitteln und bekanntzugeben

Praxistipp: Der Auftraggeber hat das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich ermitteln und bekanntzugeben

von Thomas Ax

Nach § 21 Abs. 1 S. 2 VgV hat der Auftraggeber das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich ermitteln und bekanntzugeben, ohne dies abschließend festzulegen. Da regelmäßig der Zweck einer Rahmenvereinbarung ist, das genaue Auftragsvolumen nicht von Beginn an definieren zu können, kann der Auftraggeber keine verbindliche Angabe zum Auftragsvolumen abgeben. § 21 Abs. 1 S. 2 VgV stelle dies in seinem Wortlaut klar heraus, da das Auftragsvolumen gerade nicht abschließend festgelegt werden müsse (Senat, Beschl. v. 28.03.2012 – VII-Verg 90/11, IBRRS 2012, 2199). Bei Rahmenvereinbarungen gelten die Gebote der Bestimmtheit, Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung nur eingeschränkt. Das in Aussicht genommene Auftragsumfang ist lediglich “so genau wie möglich zu ermitteln” (und bekannt zu geben), es “braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden” (Senat, Beschl. v. 11.05.2016 – VII-Verg 2/16, IBRRS 2016, 2511; Senat, Beschl. v. 28.03.2012 – VII-Verg 90/11, juris Rn. 12). Diese Abschwächung des vergaberechtlichen Bestimmtheitsgebotes trägt dem Umstand Rechnung, dass Rahmenvereinbarungen auch weiterreichende Unsicherheiten immanent sein können, die das Auftragsvolumen und damit die Preiskalkulation der Bieter betreffen (Senat, Beschl. v. 11.05.2016 – VII-Verg 2/16, IBRRS 2016, 2511). Der Auftraggeber ist aber zumindest verpflichtet, ihm bekannte, zugängliche oder zumutbar zu beschaffende Informationen über den voraussichtlichen Auftragsumfang zur Verfügung zu stellen. Den Bietern ist eine belastbare Kalkulationsgrundlage bereitzustellen, die auf einer gründlichen Schätzung der durchschnittlich zu erwartenden Leistungen oder – sofern vorhanden – Vergleichswerten aus der Vergangenheit beruht (vgl. auch Biemann, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 21 VgV Rn 16).

Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof mit Entscheidung vom 17.06.2021 erkannt, dass Art. 49 der Richtlinie 2014/24 sowie deren Anhang V Teil C Nrn. 7 und 10 lit. a) in Verbindung mit deren Art. 33 und den in Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz dahin auszulegen sind, dass die Schätzmenge und / oder der Schätzwert sowie eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren als Gesamtmenge oder -wert in der Bekanntmachung anzugeben sind und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (EuGH, Urt. 17.06.2021 – C 23/20, zitiert nach juris Rn 68 und 80). Dass der öffentliche Auftraggeber die Schätzmenge und / oder den Schätzwert sowie eine Höchstmenge und / oder einen Höchstwert der gemäß einer Rahmenvereinbarung zu liefernden Ware angebe, sei für den Bieter von erheblicher Bedeutung, da er auf der Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtung aus der Rahmenvereinbarung beurteilen könne (EuGH, Urt. v. 17.06.2021 – C 23/20, zitiert nach juris Rn 63). Zudem werde durch die Pflicht zur Angabe einer Höchstmenge der von einer Rahmenvereinbarung erfassten Leistungen das Verbot konkretisiert, das Instrument der Rahmenvereinbarung missbräuchlich oder in einer Weise anzuwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht werde (EuGH, Urt. v. 17.06.2021 – C 23/20, zitiert nach juris Rn 67).

Praxistipp: Vertragsklauseln können von den Vergabenachprüfungsinstanzen auch auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft werden

Praxistipp: Vertragsklauseln können von den Vergabenachprüfungsinstanzen auch auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft werden

von Thomas Ax

Vertragsklauseln werden von den Vergabenachprüfungsinstanzen grundsätzlich nicht aufIhre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft, da sie keine Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB sind. Außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereichs vergaberechtlicher Vorschriften liegende Rechtsverstöße sind im Vergabenachprüfungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen. Sie können ausnahmsweise nur dann zum Gegenstand eines solchen Verfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist (vgl. Senat, Beschl. v. 06.09.2017 – VII Verg 9/17; Senat, Beschl. v. 13.08.2008 – VII-Verg 42/07, juris Rn. 22; Senat, Beschl. v. 19.10.2015 -VII-Verg 30/13, juris Rn. 59; jeweils mwN).

Eine solche Anknüpfungsnorm war das in § 8 Abs. 3 VOL/A 2006 normierte Verbot, dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Nach dem Wegfall dieses Verbots können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstandet werden (Senat, Beschl. v. 06.09.2017 – VII Verg 9/17; Senat, Beschl. v. 10.04.2013 -VII-Verg 50/12, juris Rn. 37; Senat, Beschl. v. 18.04.2012 -VII-Verg 93/11, juris Rn. 20), wobei hier dahinstehen kann, ob dies aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herzuleiten ist.

Den Bietern muss eine vernünftige kaufmännische Kalkulation möglich sein. Ihnen ist aber zuzumuten, gewisse Preis- und Kalkulationsrisiken zu tragen (Senat, Beschl. v. 06.09.2017  – VII Verg 9/17).

Praxistipp: Rüge von erkennbaren Vergaberechtsverstößen

Praxistipp: Rüge von erkennbaren Vergaberechtsverstößen

von Thomas Ax

Nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Vergaberechtsverstöße, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist objektiv zu bestimmen. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist – immer bezogen auf den konkreten Einzelfall – zu bejahen, wenn der Verstoß von einem durchschnittlichen fachkundigen Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann (Senat, Beschl. v. 03.04.2019 – VII Verg 49/18, juris Rn 183; Beschl. 26.07.2018 – VII Verg 23/18; Beschl. v. 28.03.2018 – VII Verg 54/17, juris Rn 17 und Beschl. v. 15.01.2020 – VII Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn 37). Dabei muss sich die Erkennbarkeit sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn 49). In Bezug auf die zu rügenden Vergaberechtsverstöße, welche sich aus den Vergabeunterlagen ergeben (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB) ist für eine Präklusion mithin erforderlich, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (Senat, Beschl. v. 26.07.2018 – VII Verg 23/18; Beschl. v. 15.01.2020 – VII Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn 37; OLG München, Beschl. v. 22.10.2015 – Verg 5/15, juris Rn 43). Eine Rügepräklusion kommt damit in der Regel nur für auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhende und ins Auge fallende Rechtsverstöße in Betracht (vgl. Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn 49). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes beziehungsweise seiner Bewerbung auffallen muss (Senat, Beschl. v. 03.08.2011 – VII Verg 16/11, ZFBR 2021, 72, 74). Daher genügt es nicht, wenn die gerügten Verstöße gegen das Transparenz und Wirtschaftlichkeitsgebot bereits in der Leistungsbeschreibung angelegt waren (Senat, Beschl. v. 02.05.2018 – VII Verg 3/18, zitiert nach juris Rn 24 ff.). So können etwa von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter, auf den abzustellen ist (vgl. Wiese, in: Kulartz / Kus / Portz / Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Auflage, § 160 GWB Rn. 157 mwN), etwa vertiefte Rechtskenntnisse, die es erlauben, die Vergaberechtskonformität eines Bewertungssystems zu beurteilen, nicht zu erwartet werde (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 29.04.2015, VII-Verg 35/14, juris Rn. 59).