Ax Vergaberecht

Erfolgreiches Anti-Claim-Management – wir machen Sie fit für die Praxis

Erfolgreiches Anti-Claim-Management – wir machen Sie fit für die Praxis

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mit der Bitte um Kenntnisnahme  nachfolgend ein ausgereifter Vorschlag für den möglichen Inhalt einer topaktuellen Inhouse-Schulung für Sie und Ihre Leute bzw. Kolleg:innen zu einem topaktuellen Thema/ Themenkomplex.

Erfolgreiches Anti-Claim-Management – wir machen Sie fit für die Praxis

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Schulungsleiter ist Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax.

Termine können im Juni 25 geplant werden.

Terminvorschläge sind bspw 11./12. Juni 2025 | 26./27. Juni 2025, jeweils 9 Uhr. Dauer jeweils 90 min, plus 30 min Diskussion.

Haben Sie Interesse?

Sprechen Sie uns gerne an.

Ihre Hotline zum Schulungsleiter und zur Anmeldung:

t.ax@ax-vergaberecht.de.

EuGH, URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer), 16. Januar 2025: Vorgaben zum Material einer ausgeschriebenen Ware sind (nach wie vor) im Ausnahmefall zulässig

EuGH, URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer), 16. Januar 2025: Vorgaben zum Material einer ausgeschriebenen Ware sind (nach wie vor) im Ausnahmefall zulässig

vorgestellt von Thomas Ax

Die von öffentlichen Beschaffern erstellten technischen Spezifikationen müssen es erlauben, das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb zu öffnen und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Zu diesem Zweck sollte es möglich sein, Angebote einzureichen, die die Diversität der technischen Lösungen, Normen und technischen Spezifikationen auf dem Markt widerspiegeln, einschließlich solcher, die auf der Grundlage von Leistungskriterien im Zusammenhang mit dem Lebenszyklus und der Nachhaltigkeit des Produktionsprozesses der Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen erstellt wurden.

Folglich sollten technische Spezifikationen so abgefasst sein, dass eine künstliche Einengung des Wettbewerbs vermieden wird, zu der es kommen könnte, wenn Anforderungen festgelegt würden, die einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer begünstigen, indem auf wesentliche Merkmale der vom betreffenden Wirtschaftsteilnehmer angebotenen Lieferungen, Dienstleistungen oder Bauleistungen abgestellt wird. Die Formulierung technischer Spezifikationen in Form von Funktions- und Leistungsanforderungen erlaubt es in der Regel, dieses Ziel bestmöglich zu erreichen. Funktions- und Leistungsanforderungen sind auch ein geeignetes Mittel, um im öffentlichen Auftragswesen Innovationen zu fördern, und sollten möglichst breite Verwendung finden. Wird auf eine europäische Norm oder in Ermangelung einer solchen auf eine nationale Norm Bezug genommen, so sollten Angebote, die auf gleichwertigen Regelungen basieren, von öffentlichen Auftraggebern berücksichtigt werden. Öffentliche Auftraggeber sollten bei der Bewertung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses die mit dem Gegenstand des Auftrags verbundenen wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien festlegen, die sie zu diesem Zweck heranziehen werden. Diese Kriterien sollten damit eine vergleichende Beurteilung des Leistungsniveaus jedes einzelnen Angebots gemessen am Gegenstand des Auftrags, wie in den technischen Spezifikationen festgelegt, ermöglichen (vgl Erwägungsgründe 74 und 92 der Richtlinie 2014/24).

Ausgangssachverhalt

11      Fluvius ist eine Gesellschaft belgischen Rechts, die in der Region Flandern im Bereich der Errichtung, Verwaltung und Wartung von mehreren Versorgungsnetzen – darunter Abwassernetzen – tätig ist.

12      Bei der Veröffentlichung von Bekanntmachungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge für den Bau oder die Erneuerung von Abwasserkanälen verlangt Fluvius die Verwendung von Rohren aus Steinzeug für die Systeme zur Ableitung von Abwasser und von Rohren aus Beton für die Systeme zur Ableitung von Regenwasser. Die Verwendung anderer Materialien wird nur unter besonderen technischen Umständen gestattet.

13      Als Hersteller und Anbieter von Abwasserrohren aus Kunststoff ist DYKA der Auffassung, dass ihr Ausschluss von den von Fluvius durchgeführten Vergabeverfahren gegen die Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe verstoße, die in den die Art. 18 und 42 der Richtlinie 2014/24 umsetzenden Art. 4, 5 und 53 des Gesetzes über die öffentlichen Aufträge enthalten seien.

14      Am 4. Juni 2020 forderte DYKA Fluvius auf, seine Ausschreibungen so anzupassen, dass in deren Rahmen Abwasserrohre aus Kunststoff angeboten werden könnten.

15      Im Übrigen forderte DYKA Fluvius am 7. Oktober 2020 auf, in den Unterlagen der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags zum Bau eines Abwassersystems in der Gemeinde Beringen (Belgien) die Gründe, weshalb Kunststoffrohre von diesem Auftrag ausgeschlossen seien, genauer anzugeben.

16      In ihrer Antwort vom 15. Oktober 2020 bestätigte Fluvius, dass nur Rohre aus Steinzeug (für die Ableitung von Abwasser) und Beton (für die Ableitung von Regenwasser) akzeptiert würden. Sie war der Auffassung, diese Materialwahl nicht weiter begründen zu müssen.

17      DYKA erhob Klage bei der Ondernemingsrechtbank Gent, Afdeling Gent (Unternehmensgericht Gent, Abteilung Gent, Belgien), dem vorlegenden Gericht, und beantragte, Fluvius aufzugeben, dieses Vorgehen zu beenden, und sie zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen.

18      Vor diesem Gericht macht Fluvius geltend, es sei u. a. unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten legitim, standardmäßig – d. h. bei Nichtvorliegen besonderer technischer Umstände – Abwasserrohre aus Steinzeug und Beton zu wählen. Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, eine solche Anforderung verstoße nicht gegen die in den Art. 18 und 42 der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Grundsätze.

Was meint der EuGH?

40     Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags mit der Formulierung der technischen Spezifikationen gemäß Art. 42 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 „die für die Bauleistungen … geforderten Merkmale“ beschrieben werden sollen. Indem die technischen Spezifikationen diese Merkmale festlegen, definieren sie, wie sich aus dem 92. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, den eigentlichen Gegenstand des öffentlichen Auftrags.

41      Diese Spezifikationen können nach Anhang VII Nr. 1 Buchst. a dieser Richtlinie u. a. die erforderlichen Eigenschaften „eines Produkts oder einer Lieferung …, damit dieser/diese den vom öffentlichen Auftraggeber beabsichtigten Zweck erfüllt“, umfassen. Zu diesen Eigenschaften gehören u. a. alle „technischen Anforderungen, die der Auftraggeber für fertige Bauwerke oder dazu notwendige Materialien oder Teile durch allgemeine und spezielle Vorschriften anzugeben in der Lage ist“.

42      Zwar verfügen die öffentlichen Auftraggeber insoweit über ein weites Ermessen, das dadurch gerechtfertigt ist, dass sie die Gegenstände, die sie benötigen, und die Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, am besten kennen. Jedoch setzt die Richtlinie 2014/24 gewisse Grenzen, die sie einzuhalten haben. Sie müssen gemäß Art. 42 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 sicherstellen, dass die technischen Spezifikationen allen Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zu den Vergabeverfahren gewähren und die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2018, Roche Lietuva, C‑413/17, EU:C:2018:865, Rn. 29 bis 33).

43      Im gleichen Sinne ergibt sich aus dem 74. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass die im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags formulierten technischen Spezifikationen diesen öffentlichen Auftrag für den Wettbewerb öffnen müssen und somit die Einreichung von Angeboten ermöglichen müssen, die u. a. die Diversität der auf dem Markt vorhandenen technischen Lösungen widerspiegeln (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Oktober 2018, Roche Lietuva, C‑413/17, EU:C:2018:865, Rn. 36, und vom 24. Oktober 2024, Obshtina Pleven, C‑513/23, EU:C:2024:917, Rn. 36).

44      Weiter heißt es im 74. Erwägungsgrund der Richtlinie, dass die Formulierung technischer Spezifikationen in Form von Funktions- und Leistungsanforderungen es in der Regel erlaubt, das Ziel der Öffnung für den Wettbewerb bestmöglich zu erreichen, und dass diese Formulierungsmethode, die im öffentlichen Auftragswesen Innovationen fördert, daher möglichst breite Verwendung finden sollte.

45      Diese in Art. 42 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2014/24 vorgesehene Art der Formulierung technischer Spezifikationen ermöglicht es nämlich jedem Wirtschaftsteilnehmer, dessen Waren den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Leistungs- und Funktionsanforderungen entsprechen, u. a. unabhängig vom Verfahren zur Herstellung seiner Waren und dem Material, aus dem sie bestehen, ein Angebot abzugeben.

46      Damit auch die in Art. 42 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2014/24 genannte Methode der Formulierung eine angemessene Öffnung für den Wettbewerb gewährleistet, hat der Unionsgesetzgeber vorgesehen, dass die nach dieser Methode formulierten technischen Spezifikationen mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen sind.

47      Da die Öffnung für den Wettbewerb somit für den Fall der Anwendung einer der in Art. 42 Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie 2014/24 genannten Methoden gewährleistet ist, ist sie auch in den in Art. 42 Abs. 3 Buchst. c und d dieser Richtlinie genannten Fällen gewährleistet, bei denen es sich um eine Kombination dieser beiden Methoden handelt.

48      Dagegen ist es nach Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 grundsätzlich verboten, in die technischen Spezifikationen einen Verweis „auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen charakterisiert“, oder „auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion [aufzunehmen], wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren begünstigt oder ausgeschlossen werden“.

49      Solche Verweise tragen nämlich keineswegs dazu bei, das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb zu öffnen, sondern bewirken eine Einengung des Wettbewerbs.

50      Allerdings kann ein öffentlicher Auftraggeber ausnahmsweise einen Verweis nach Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 in die die technischen Spezifikationen enthaltenden Auftragsunterlagen aufnehmen, sofern – wie es im Wesentlichen Art. 42 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie vorsieht – mit gemäß Art. 42 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie angegebenen Leistungs- oder Funktionsanforderungen, gemäß Art. 42 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie angegebenen Spezifikationen oder einer Kombination der beiden Methoden der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. In einem solchen Fall muss der öffentliche Auftraggeber gemäß Art. 42 Abs. 4 Satz 3 der Richtlinie 2014/24 diesen Verweis mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen.

51      Wie sich im Übrigen aus dem in Art. 42 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Einschub „[s]oweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist“, ergibt, können die in dieser Bestimmung genannten Verweise auch verwendet werden, wenn dies im Hinblick auf den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. In Anbetracht seiner Stellung am Anfang von Art. 42 Abs. 4 dieser Richtlinie und der Verwendung des Wortes „[s]ofern“ ist dieser Fall, der sich von dem in Art. 42 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie vorgesehenen unterscheidet, als Umstand zu verstehen, der es dem öffentlichen Auftraggeber erlaubt, die Anwendbarkeit des Regelungsgehalts dieses Abs. 4 auszuschließen, der das grundsätzliche Verbot in Satz 1 dieses Absatzes, die Ausnahme von diesem Verbot in seinem Satz 2 und das Erfordernis in seinem Satz 3 umfasst, im Fall der Anwendbarkeit dieser Ausnahme den Zusatz „oder gleichwertig“ hinzuzufügen.

52      Ist ein Verweis wie der in Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 genannte durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, kann er folglich in die technischen Spezifikationen aufgenommen werden, ohne dass das in Satz 1 dieser Bestimmung enthaltene Verbot oder die in den Sätzen 2 und 3 dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingungen Anwendung fänden.

53      Dieser Fall, auf den sich die Wendung „[s]oweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist“ bezieht, ist eng auszulegen – da andernfalls das Ziel der Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den Wettbewerb beeinträchtigt würde –, so dass er nur Situationen erfasst, in denen sich das Erfordernis der Verwendung einer Ware eines bestimmten Typs, einer bestimmten Herkunft oder sogar einer bestimmten Marke, oder einer Ware, die auf der Grundlage eines bestimmten Patents oder Verfahrens hergestellt wurde, zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt.

54      Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Ausführungen zur Tragweite von Art. 42 der Richtlinie 2014/24 wird das vorlegende Gericht zu beurteilen haben, ob Fluvius mittels der technischen Spezifikationen, die sie im Hinblick auf die Vergabe öffentlicher Aufträge über Abwasserarbeiten formuliert, diese öffentlichen Aufträge auf Wirtschaftsteilnehmer beschränken kann, die Abwasserrohre aus Steinzeug für die Ableitung von Abwasser und Betonrohre für die Ableitung von Regenwasser liefern.

55      Auch wenn es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, die in Art. 42 der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Regeln in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof anzuwenden, kann der Gerichtshof gleichwohl Hinweise für die Feststellung geben, inwieweit diese Regeln auf einen Verweis wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – der darin besteht, die Verwendung von Rohren „aus Steinzeug“ oder „aus Beton“ zu verlangen – angewandt werden können.

56      Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass das Material, aus dem eine Ware besteht, nicht als „Leistungs-“ oder „Funktionsanforderung“ im Sinne von Art. 42 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2014/24 eingestuft werden kann. Denn ein Material kann zwar zur Leistung einer Ware oder ihrer Eignung, eine Funktionsanforderung zu erfüllen, beitragen, ist aber selbst keine „Leistungs-“ oder „Funktionsanforderung“.

57      In einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – in dem es in dem betreffenden Wirtschaftssektor Waren gibt, die nach ihrer Herstellung und insbesondere dem Material, aus dem sie bestehen, unterschieden werden können – ist die Anforderung, Waren aus einem bestimmten Material zu verwenden, wie der Generalanwalt in den Nrn. 72 und 73 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, als Verweis auf einen „Typ“ oder eine „bestimmte Produktion“, wodurch „bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren begünstigt oder ausgeschlossen werden“ im Sinne von Art. 42 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2014/24 einzustufen, da dieser Verweis zum Ausschluss von Unternehmen führt, die Waren aus einem anderen als dem verlangten Material liefern.

58      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass Fluvius in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofs erklärt hat, sie habe die im Ausgangsverfahren in Rede stehende technische Spezifikation, wonach die Rohre für die Ableitung von Abwasser aus Steinzeug und die Rohre für die Ableitung von Regenwasser aus Beton sein müssten, nicht mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen.

59      Sollte dies der Fall sein, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, würde daraus folgen – ohne dass geprüft zu werden bräuchte, ob gemäß Art. 42 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 der Gegenstand aller im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aufträge hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann – dass Fluvius sich nicht mit Erfolg auf die Ausnahme in Art. 53 § 4 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die öffentlichen Aufträge, der Art. 42 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie in belgisches Recht umsetzt, berufen kann, da die Anforderung in Art. 42 Abs. 4 Satz 3 dieser Richtlinie, der mit Art. 53 § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes umgesetzt wurde, nicht erfüllt wäre.

60      Was als Drittes den Fall am Anfang von Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 – der in den Rn. 51 bis 53 des vorliegenden Urteils ausgelegt und mit Art. 53 § 4 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die öffentlichen Aufträge in belgisches Rechts umgesetzt wurde – betrifft, ist festzustellen, dass sich das Erfordernis der Verwendung eines bestimmten Materials für einen öffentlichen Auftrag oder einen Teil davon insbesondere dann zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergeben kann, wenn es auf der vom öffentlichen Auftraggeber angestrebten Ästhetik oder der Notwendigkeit beruht, dass ein Bauwerk sich in seine Umgebung einfügt, oder wenn es im Hinblick auf eine nach Art. 42 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie formulierte Leistungs- oder Funktionsanforderung zwangsläufig erforderlich ist, aus diesem Material bestehende Waren zu verwenden. In solchen Situationen kommt nämlich keine auf einer anderen technischen Lösung beruhende Alternative in Betracht.

61      Abgesehen von den Fällen, in denen sich die Verwendung eines Materials zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt, kann der öffentliche Auftraggeber ohne Hinzufügen des Zusatzes „oder gleichwertig“ nicht die Verwendung eines bestimmten Materials verlangen. Er muss dann im Rahmen der technischen Spezifikationen davon absehen, die Verwendung eines bestimmten Materials vorzuschreiben, entweder indem er es vermeidet, ein solches Material in den Auftragsunterlagen zu erwähnen, oder indem er ein oder mehrere Materialien erwähnt und dabei aber den Zusatz „oder gleichwertig“ hinzufügt. Somit wird der öffentliche Auftraggeber entsprechend dem von der Richtlinie 2014/24 verfolgten Ziel der Öffnung für den Wettbewerb dazu veranlasst, die Zuschlagskriterien auf eine Vielzahl von Angeboten anzuwenden, die sowohl solche umfassen können, mit denen Waren angeboten werden, die aus Materialien bestehen, deren Verwendung in dem betreffenden Sektor üblich ist, als auch solche, mit denen Waren aus weniger üblichen oder sogar innovativen Materialien angeboten werden. Der öffentliche Auftraggeber gibt den interessierten Wirtschaftsteilnehmern somit die Möglichkeit, die Gleichwertigkeit solcher Materialien nachzuweisen.

62      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass die öffentlichen Auftraggeber in den technischen Spezifikationen eines öffentlichen Bauauftrags ohne Hinzufügen des Zusatzes „oder gleichwertig“ nicht angeben können, aus welchen Materialien die von den Bietern angebotenen Waren bestehen müssen, es sei denn, die Verwendung eines bestimmten Materials ergibt sich zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand, da keine auf einer anderen technischen Lösung beruhende Alternative in Betracht kommt.

Amokfahrten bei öffentlichen Veranstaltungen schnell durch die richtigen Maßnahmen begegnen

Amokfahrten bei öffentlichen Veranstaltungen schnell durch die richtigen Maßnahmen begegnen

Ausgangslage

Nach mehreren Amokfahrten in Deutschland müssen leider Feste – wie die Radtour „Kinzigtal Total“, das Marburger Kirschblütenfest und „Fahr zur Aar“ – wegen zu hoher Sicherheitskosten abgesagt werden.

Überfahrtaten, bei denen Fahrzeuge zur Waffe werden, sind eine schockierende Gefahr. Extremisten nutzen diese Methode, da sie wenig Planung erfordert und dennoch verheerende Folgen hat. Laut dem RAND-Institut (2022) stieg die Zahl solcher Anschläge rasant.

Nicht zuletzt auf Grund der jüngsten erneuten Überfahrt am 20. Dezember 2024 in Magdeburg müssen sich Städte und Gemeinden aus Haftungsgrundlagen zukünftig weiterhin mit dem Thema der „Zufahrtssperren“ beschäftigen. Städte und Gemeinden müssen wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen, um Teilnehmende vor Gefahren wie Überfahrtaten und Unfällen zu schützen und die Sicherheit im Rahmen von Veranstaltungen zu gewährleisten. Speziell öffentliche Orte wie Marktplätze, Innenstädte oder Stadien in Hessen erfordern eine zuverlässige, möglichst flexibel einsetzbare Absicherung.

Temporäre Schutzmaßnahmen sind insbesondere bei Großveranstaltungen wie Weihnachtsmärkten, Karnevalsumzügen oder Jahrmärkten unverzichtbar.

Die Hessische Landesregierung hatte nach der schrecklichen Tat im nordhessischen Volkmarsen ein Sonderförderprogramm für den Schutz öffentlicher Plätze aufgelegt. Mit dem Sonderförderprogramm „Zufahrtssperren gegen Fahrzeugattacken im öffentlichen Raum“ wurden zwischen 2021 und 2024 gezielt kommunale Schutzmaßnahmen gegen Fahrzeugangriffe gefördert. Dazu zählten die Neuerrichtung, die Erweiterung oder auch die Erneuerung von bereits bestehenden Schutzelementen zur Sicherung von Innenstädten oder öffentlichen Plätzen. Das Land stellte hierfür rund 900.000 Euro bereit.

Unter der Präventionsmarke „Gemeinsam Sicher in Hessen“ (GSIH) reagiert die Hessische Polizei auf die vielfältigen Bedarfe der Sicherheitsarbeit auf Großveranstaltungen und Festen in Hessen. Hierfür wurde die Teilmarke „Gemeinsam Sicher bei Veranstaltungen“ geschaffen. Die Polizei sorgt dabei bereits in der Präventionsarbeit für eine engere Verzahnung aller beteiligten Akteure, um Absprachen und ein gemeinsames Vorgehen noch besser vornehmen zu können.

Das Land Hessen hat ein Sofortprogramm mit einer Million Euro aufgelegt, um Kommunen bei der Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen zu unterstützen.

Problem

Besonders bei Großveranstaltungen im öffentlichen Raum sind vielfältige Anforderungen zu erfüllen, um die Sicherheit aller Teilnehmenden zu gewährleisten. Individuelle Sicherheits- und Zufahrtsschutzkonzepte sind zu planen und umzusetzen: Schutz vor unbefugten Durchfahrten, Schutz vor gezielten Überfahrtaten, Schutz vor Unfällen, Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten und Verkehrsinfrastrukturen, Abstimmung mit den zuständigen Behörden der Gefahrenabwehr. Zufahrtsschutz erfordert eine Mischung aus technischem Know-how und praktischer Baukompetenz.

Unzureichend geplante Schutzmaßnahmen und unqualifizierte Planer können die Wirksamkeit beeinträchtigen.

Lösung

Wir entwickeln und setzen um die Planung von Schutzmaßnahmen. Wir unterstützen bei der Beauftragung von qualifizierten Planern. Wir sorgen für die richtige Kombination aus Erfahrung und Präzision.

Wir unterstützen bei der Markterkundung zur vergaberechtskonformen Bestimmung und Umsetzung dh Beauftragung/Implementierung der geeigneten und notwendigen Schutzmaßnahmen. Je nach Anforderungsprofil stehen nämlich verschiedene zertifizierte mobile Fahrzeugsperren zur Verfügung, die entsprechend dem Konzept zum Einsatz kommen können. Wir unterstützen bei der Zusammenarbeit zwischen Kommunen – etwa durch gemeinschaftliche Nutzung von Sperranlagen, denn diese kann ein Schlüssel zur Kostenreduktion sein.

Vergaberecht ist zu beachten, wenn in der Grundstücksveräußerung quasi eine inkludierte Beschaffung von Leistungen durch die Kommune liegt

Vergaberecht ist zu beachten, wenn in der Grundstücksveräußerung quasi eine inkludierte Beschaffung von Leistungen durch die Kommune liegt

von Thomas Ax

Gemäß § 103 Abs. 1 GWB ist ein öffentlicher Auftrag ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und Unternehmer über die Beschaffung von Leistungen, die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen.

Im Grundsatz gilt, dass das GWB-Vergaberecht auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines kommunalen Grundstücks nicht anwendbar ist, weil keine Beschaffung der öffentlichen Hand vorliegt. Vergaberecht ist erst dann zu beachten, wenn in der Grundstücksveräußerung quasi eine inkludierte Beschaffung von Leistungen durch die Kommune liegt (Schneider, “Veräußerung von kommunalen Grundstücken – (K)ein Fall für das Vergaberecht?”, www.vergabeblog.de).

Deshalb liegt nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB ein Bauauftrag auch bei einer dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommende Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen vor. Der Gesetzgeber hat mit dieser Konkretisierung der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen (Hüttinger in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 103 GWB, Rn. 192).

Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache “H. M. GmbH” (vgl. EuGH, Urteil vom 25.03.2010 – C-451/08, ergangen auf die Vorlage des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.10.2008 – Verg 25/08), ist von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse eines öffentlichen Auftraggebers an einer Bauleistung dann auszugehen, wenn der öffentliche Auftraggeber

– Eigentümer der Bauleistung oder des zu errichtenden Bauwerks werden soll,

– über einen Rechtstitel verfügen soll, der die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf die öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt,

– wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann,

– an der Erstellung des Bauwerks finanziell beteiligt ist (etwa in Form eines Baukostenzuschusses) oder

– Risiken im Fall eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks trägt.

Nach dieser Rechtsprechung des EuGH kann ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers u.a. auch vorliegen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt.

Dies wird auch in den Fällen angenommen, in denen der öffentliche Auftraggeber bei der Veräußerung des Grundstücks einen Kaufpreisnachlass gewährt oder das betroffene Grundstück unter Marktwert veräußert wird, denn eine Reduzierung des dem Marktwert entsprechenden Kaufpreises stellt faktisch einen Zuschuss zur baulichen Realisierung einer Maßnahme dar und muss damit im Ergebnis als finanzielle Beteiligung an der Realisierung des Bauwerkes betrachtet werden (Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht Kommentar, 4. Aufl. 2018, § 103, Rn. 124).

Ein nur mittelbares fiskalisches Eigeninteresse der Gemeinde, etwa an der Ansiedlung eines Gewerbebetriebs im Hinblick auf die Erzielung des reinen Grundstückskaufpreises, Gewerbesteuereinnahmen oder eine “Umwegrendite” (Schaffung gut bezahlter Arbeitsplätze etc.), begründet kein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2011 – 1 VK7 60/10).

Allein die Tatsache, dass mit dem Verkauf von Grundstücken bestimmte städtebauliche Pläne oder Maßnahmen verfolgt werden, begründet noch keinen öffentlichen Auftrag (vgl. Willenbruch in: Willenbruch/Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 103 GWB, Rn. 40). Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber in einem Durchführungsvertrag (vorhabenbezogener Bebauungsplan) oder in einem sonstigen städtebaulichen Vertrag zur Bebauung verpflichtet wird. Das städtebauliche Interesse, dass die neu ausgewiesenen Flächen tatsächlich bebaut werden und keine Leerstände entstehen (Stichwort: unzulässige Vorratsplanung), begründet keine Beschaffung (Bulla, “Die Ausschreibungspflicht von Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand”, VergabeR 2019, Seite 457 ff., 459).

Das Vorliegen eines Bauauftrages gemäß § 103 Abs. 3 GWB erfordert auch immer die Eingehung einer einklagbaren Bau- oder Realisierungsverpflichtung. Der Auftragnehmer muss also direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistung, welche Gegenstand des Auftrages ist, übernehmen (EuGH 25.03.2010 – C-451/08). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Eine “indirekte” Verpflichtung kann zwar genügen. Nicht ausreichend ist aber die Vereinbarung eines Rückkauf- oder Widerrufsrechts, wenn ein verkauftes Grundstück nicht bebaut wird; denn dies führt nur zu einem Bauanreiz, nicht zu einer Bauverpflichtung (v. Engelhardt/Kaeble in: Müller-Wrede, GWB, § 103, Rn. 119).

Eine Grundstücksveräußerung, die in Verbindung mit der Realisierung rein privatnütziger Vorhaben (wie eben einem Einkaufszentrum, Hotel o. A.) erfolgt, kommt allenfalls mittelbar dem öffentlichen Auftraggeber, etwa zur Verfolgung eines allgemeinen städtebaulichen Ziels, zugute (Düsterdiek in: Ingenstau Korbion, VOB, 21. Aufl, § 23 VOB/A, Rn. 12). Die Anwendung des Vergaberechts scheidet daher mangels eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses der öffentlichen Hand in derartigen Fällen aus (Otting, VergabeR 2013, Seite 343).

Ein Rechtsschutz in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren kann in diesen Fällen nicht erfolgen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2010 – Verg 25/08, zitiert nach ibr-online).

Kurz belichtet – Kein Ausschluss von Bietern aus China ohne den Segen der EU

Kurz belichtet - Kein Ausschluss von Bietern aus China ohne den Segen der EU

EuGH, Urteil vom 13.03.2025 – Rs. C-266/22

Art. 3 Abs. 1 e AEUV, der der Union die ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik verleiht, i.V.m. Art. 2 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, dass ein öffentlicher Auftraggeber eines Mitgliedstaats in Ermangelung eines Unionsrechtsakts, der den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer eines Drittlands, das mit der Union keine internationale Übereinkunft i.S.v. Art. 25 der Richtlinie 2014/24/EU (…) geschlossen hat, zu Vergabeverfahren vorschreibt oder untersagt, einen Wirtschaftsteilnehmer eines solchen Drittlands auf der Grundlage eines Gesetzgebungsakts ausschließt, den dieser Mitgliedstaat erlassen hat, ohne von der Union dazu ermächtigt worden zu sein, wobei der Umstand, dass dieser Gesetzgebungsakt nach der Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung in Kraft getreten ist, insoweit unerheblich ist.

Kurz belichtet – Abschluss eines Pachtvertrags ist kein öffentlicher Auftrag

Kurz belichtet - Abschluss eines Pachtvertrags ist kein öffentlicher Auftrag

LG Stralsund, Urteil vom 08.01.2025 – 7 O 332/23

1. Ein dem Abschluss eines Pachtvertrags vorgelagerter Ideenwettbewerb ist kein Vergabeverfahren. Denn bei einem Ideenwettbewerb gibt es keinen Zuschlag, weil er nicht der Lösungsfindung dient, sondern der Aufgabenfindung.

2. Beteiligt sich ein Unternehmen an einem Ideenwettbewerb der öffentlichen Hand, entsteht zwischen den Beteiligten ein zivilrechtliches Schuldverhältnis, das die öffentliche Hand zur Beachtung der grundgesetzlich geschützten Grundsätze der Gleichbehandlung verpflichtet.

3. Die grundgesetzlich geschützten Grundsätze der Gleichbehandlung sind verletzt, wenn ein an dem Ideenwettbewerb beteiligtes Unternehmen willkürlich benachteiligt wird.

4. Willkür setzt voraus, dass eine Entscheidung der öffentlichen Hand nicht nur fehlerhaft, sondern unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und es sich daher aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Die Darlegungs- und Beweislast trägt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen das Unternehmen.

Kurz belichtet – Auftragsvergabe an Mitbewerber ≠ Eingriff in die Berufsfreiheit

Kurz belichtet - Auftragsvergabe an Mitbewerber ≠ Eingriff in die Berufsfreiheit

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2025 – 13 B 102/25

1. Verwaltungsrechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Vorbeugender (vorläufiger) Rechtsschutz, der zur Sicherung des eigenen Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf gerichtet ist, in einem Auswahlverfahren für die Vergabe von Rettungsdienstleistungen die Zuschlagserteilung an den ausgewählten Mitbewerber einstweilen zu verhindern, setzt voraus, dass dem Betroffenen bei dem Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz unzumutbare Nachteile etwa in Form einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung oder der Schaffung irreversibler Zustände drohen.

2. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber berührt grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG (i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). Diese schützt einen Gewerbetreibenden weder davor, dass ihm durch staatliche Maßnahmen Konkurrenz erwächst, noch bietet sie Schutz gegen eine bloß faktische Benachteiligung durch Vereitelung künftiger Erwerbschancen. Als Eingriff in ein subjektives Recht kommt nur die Beeinträchtigung des sog. Bewerbungsverfahrensanspruchs, also des Rechts aus Art. 3 Abs. 1 GG auf eine verfahrenskonforme Auswahlentscheidung, in Betracht.

3. Dem hier allein geschützten Bewerbungsverfahrensanspruch wird ausreichend Rechnung getragen, wenn für die ausschreibende Stelle im öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem ausgewählten Bewerber eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund für den Fall eingeräumt ist, dass gesetzliche, gerichtliche oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen dem Vertrag die rechtliche oder tatsächliche Grundlage ganz oder teilweise entziehen. § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB, wonach ein wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, ist im rettungsrechtlichen Auswahlverfahren nicht anwendbar, wenn die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB greift. Anstelle des Vergaberechts finden § 13 RettG-NW und prozessual die Verwaltungsgerichtsordnung und die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsprozessrechts Anwendung. Eine § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB entsprechende Regelung kennt der Verwaltungsprozess nicht.

Kurz belichtet – Referenz ist Referenz

Kurz belichtet - Referenz ist Referenz

OLG Jena, Beschluss vom 19.02.2025 – Verg 10/24

1. Für die Vergleichbarkeit erforderlich, aber auch ausreichend ist die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters auch für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen.

2. Die referenzierte Leistung muss im Zeitpunkt der Abgabe nicht vollständig erbracht sein. Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren “passgenauer” Ablauf letztlich zufällig ist, kann der gewünschte Nachweis auch dadurch erbracht werden, dass die Leistungserbringung bereits seit längerer Zeit erfolgt.

3. Dass der Referenzauftrag auf einer festgestellt rechtswidrigen Vergabe beruht, ist irrelevant.

4. Sofern der öffentliche Auftraggeber aufgrund anderweitiger gesicherter Erkenntnisse zu der beanstandungsfreien Feststellung gelangt, das Angebot eines Bieters sei nicht ungewöhnlich oder unangemessen niedrig, darf er auf eine Aufklärung verzichten.

5. Dokumentationsmängel können durch geeigneten Vortrag infolge einer Rüge oder im Nachprüfungsverfahren geheilt werden.

OLG Düsseldorf: Der öffentliche Auftraggeber soll ein Vergabeverfahren erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann (sog. Vergabereife)

OLG Düsseldorf: Der öffentliche Auftraggeber soll ein Vergabeverfahren erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann (sog. Vergabereife)

vorgestellt von Thomas Ax

1. Nach dem Wegfall des Verbots zur Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter kaufmännisch vernünftigen Kalkulation in einem Vergabenachprüfungsverfahren beanstandet werden.
2. Der öffentliche Auftraggeber soll ein Vergabeverfahren erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann (sog. Vergabereife). Dazu gehört auch auch, dass die Vergabestelle im Zeitpunkt der Ausschreibung in der Lage sein muss, das Vorhaben durch entsprechend verfügbare Haushaltsmittel zu finanzieren.
3. Der öffentliche Auftraggeber setzt die Rahmenvereinbarung zu vergabefremden Zwecken ein, wenn eine Beauftragung über die vereinbarte Mindestabnahmemenge hinaus infolge ungesicherter Finanzierung völlig ungewiss und eine Information der Bieter hierüber unterblieben ist.
4. Eine Bieterfrage ist als Rüge zu qualifizieren, wenn aus ihr hinreichend deutlich wird, welches konkrete Tun oder Unterlassen der Vergabestelle für rechtswidrig erachtet wird und es muss klar sein, dass es sich um eine Beanstandung handelt und nicht lediglich um eine Bieterfrage.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.09.2024 – Verg 16/24
vorhergehend:
VK Bund, Beschluss vom 08.05.2024 – VK 2-35/24
BKartA, 08.05.2024 – VK 2

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 10. Oktober 2023 im offenen Verfahren eine Rahmenvereinbarung über die Lieferung von bis zu sechs Kontroll- und Streifenbooten sowie sieben Tochterbooten mit einer Mindestabnahmemenge von zwei Kontroll- und Streifenboote inklusive Tochterbooten aus. Die geschätzte Gesamtbedarfsmenge gab sie mit sechs Kontroll- und Streifenbooten sowie sieben Tochterbooten an (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer 2023/S 195 609542, geändert durch Bekanntmachung vom 2. November 2023, Bekanntmachungsnummer 2023/ S 211 666118 und vom 29. November 2023, Bekanntmachungsnummer 2023/S 230 725030). Diese sechs Kontroll- und Streifenboote nebst Tochterbooten sollen die derzeit im Einsatz befindlichen sechs Kontroll- und Streifenboote ersetzen, die veraltet sind. Die Laufzeit war mit 48 Monaten angegeben (Ziffer 11.2.7. der Bekanntmachung). Einziges Zuschlagskriterium war der Preis (Ziffer 11.2.5. der Bekanntmachung). Auf die Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB sowie auf “die Möglichkeit“, innerhalb von 15 Tagen nach Eingang der Mitteilung, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB einen Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer zu stellen, wurde hingewiesen (Ziffer IV.4.3. der Bekanntmachung). Die verlängerte Angebotsfrist endete am 20. Dezember 2023 (Ziffer 5.1.12. der Änderungsbekanntmachung vom 29. November 2023).

Die Liefermenge war in § 2 des Entwurfs der Rahmenvereinbarung geregelt. Nach Absatz 1 betrug die Höchstmenge sechs Kontroll- und Streifenboote sowie sieben Tochterboote. Nach Absatz 2 verpflichtete sich die Auftragsgegnerin zu einer Mindestabnahme von zwei Kontroll- und Streifenboote und zwei Tochterbooten. Einen über die Mindestabnahmemenge hinausgehenden Abrufanspruch hatte der Auftragnehmer nach Absatz 3 nicht. Nach § 7 war die Festbestellmenge innerhalb von 18 Monaten, die optionale Menge innerhalb von zwölf Monaten nach Bestellung zu liefern, sofern nicht mehr als zwei Boote gleichzeitig beauftragt werden. Nach § 8 waren die angebotenen Preise für zwei Jahre gültige Festpreise. Danach kann der Auftragnehmer eine Preisanpassung entsprechend dem Index Sonstige Fahrzeuge im Güterverzeichnis GP09-30 des Statistischen Bundesamtes beantragen. Die Preisanpassung ist in § 8 Abs. 9 wie folgt geregelt:

… Die Erhöhung wird einen Monat nach Ankündigung wirksam, sofern der Auftraggeber der verlangten Preiserhöhung nicht widerspricht. In diesem Fall hat jede Partei das Recht, den Vertrag mit einer Frist von 2 Monaten zu kündigen.

Am 6. Dezember 2023 stellte die Antragstellerin drei Bieterfragen. In Frage 65 führte sie aus, die Festlegung der Preise in § 8 der Rahmenvereinbarung als Festpreise begründe für den Bieter ein unzumutbares Kalkulationswagnis. Die Preisentwicklung lasse sich kaum vorhersehen, für ein seriöses Angebot müssten daher erhebliche Risikozuschläge einkalkuliert werden, zumal keine Laufzeit bestimmt sei. Die Regelung zur Preisanpassung hätten als Bezugspunkt einen intransparenten Index. Es sollten Preisgleitklauseln oder eine Preisanpassung in Anlehnung an § 3 Nr. 3 VOL/B aufgenommen werden. Auf diese Frage antwortete die Antragsgegnerin, dass § 8 nicht angepasst werde, die Vereinbarung werde die nach § 21 Abs. 6 VgV maximale Laufzeit von vier Jahren haben. Mit Frage 66 wollte die Antragstellerin wissen, ob die in § 8 vorgesehene Zahlung nach Baufortschritt mit einem 35 Prozent Anteil der Schlussrechnung in 30 Prozent Anteil nach Probefahrt und fünf Prozent nach Abarbeitung der Restpunkte aufgesplittete werden könne, was die Antragsgegnerin verneinte. In Frage 67 regte die Antragstellerin eine Verlängerung der in § 7 vorgesehenen Lieferfristen auf 20 Monate für das erste und zusätzliche sechs Monate für das zweite Schiff der Festbestellmenge an, da die Maschinenanlage umfangreiche neue Konstruktionen erfordere. Auch die Lieferung der ersten beiden optionalen Schiffe gleichzeitig in zwölf Monaten nach einem völlig unbestimmten Zeitpunkt der Beauftragung sei nicht realistisch. Viele Komponenten hätten Lieferzeiten von einem Jahr, so dass Schiff Nummer 3 nach 18 Monaten und jedes weitere mit einem Versatz von sechs Monaten geliefert werden könne. Auch diese Frage beantwortete die Antragsgegnerin dahingehend, dass einer Anpassung der Lieferfristen nicht zugestimmt werde.

Die Antragstellerin gab fristgemäß ein ordnungsgemäß verschlossenes Angebot ab, in dem sich auch ein auf den 20. Dezember 2023 datiertes Begleitschreiben befand. In diesem führte sie aus, ihre Preisbindung bestehe nur bis April 2024, da sie der im Rahmenvertrag geforderten zweijährigen Bindung für vier weitere Boote aus wirtschaftlichen Gründen nicht zustimmen könne. Das wirtschaftliche Risiko einer erst nach zwei bis vier Jahren eingehenden Bestellung von vier weiteren Booten könne sie nicht tragen. Eine Preisbindung über zwei Jahre sei auch marktunüblich. Sie biete daher eine Preisstaffel basierend auf einer Inflation von 6,23 Prozent pro Jahr an. Auch die Liefertermine seien nicht realisierbar. Sie biete die Lieferung des ersten Bootes innerhalb von 23 Monaten, des zweiten fünf Monate später, des dritten nach 18 Monaten und jedes weitere mit einem Versatz von vier Monaten an.

Mit Schreiben vom 12. März 2024 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 134 GWB, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Ihr Angebot werde nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung ausgeschlossen, da sie von den Vorgaben der Festpreisbindung und der Lieferfristen abgewichen sei. Mit Anwaltsschreiben vom 19. März 2024 rügte die Antragstellerin die Festpreise sowohl für die Festbestellmenge als auch für die optionale Menge als vergaberechtswidriges ungewöhnliches Wagnis, zumal nicht einmal die Vertragslaufzeit bestimmt sei. Die Preisanpassungsregelung nehme auf einen Index für Schiffe und Wasserfahrzeuge Bezug, die mit den ausgeschriebenen nicht vergleichbar seien. Zudem bestehe kein Anspruch auf Preisanpassung, da der Auftraggeber nicht nur das Recht zum Widerspruch habe, sondern sich auch vom Vertrag lösen könne. Ein weiteres ungewöhnliches Wagnis begründeten die Lieferfristen, insbesondere in Bezug auf die optionalen Boote, für die Kapazitäten freigehalten werden müssten, obwohl der Abruf der Leistung ungewiss sei. Auch die Zahlungsmeilensteine benachteiligten die Bieter unzumutbar, insbesondere, dass die Schlusszahlung erst nach Abarbeitung der Restpunkte erfolge. Im Übrigen sei die Zuschlagsprätendentin auszuschließen, da sich aus deren Bieterfrage Nummer 61 ergebe, dass sie die Forderung nach einem Tiefgang von maximal 1,3 Metern nicht erfülle, und aus Frage 68, dass sie keine ausreichende Kühlung gewährleisten könne. Zudem erfülle seine Referenzleistung dreier Boote der Darss-Klasse für den Zoll die Referenzanforderungen nicht; diese Boote wiesen massive Qualitätsprobleme auf. Auch müsse die Zuschlagsprätendentin die Risiken der Kostensteigerung einfach ausgeblendet haben. Diese Rüge wurde von der Antragsgegnerin am 27. März 2024 zurückgewiesen. Mit der Rüge eines ungewöhnlichen Wagnisses sei die Antragstellerin bereits präkludiert. Dass der Zuschlagsdestinatär die Anforderung der Leistungsbeschreibung einhalte, habe sie von einem unabhängigen Ingenieurbüro prüfen lassen. Auch habe die Beigeladene mehr als die geforderten zwei Referenzen vorgelegt. Anhaltspunkte für eine fehlende Kostendeckung bestünden nicht.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 5. April 2024 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt, zu dessen Begründung sie zu den vorstehenden Rügen wiederholt und vertieft hat. Bezüglich Preise und Lieferfristen habe sie eine Rüge im Übrigen bereits mit ihrem Angebotsschreiben vom 20. Dezember 2023 erhoben. Die vermeintliche Bestbieterin sei wegen unzureichender Referenzen auszuschließen. Die Darss-Boote wiesen massive Qualitätsprobleme auf und müssten aufwändig saniert werden. Zudem habe die vermeintliche Bestbieterin gar nicht die erforderlichen Kapazitäten. Es handele sich um eine eher kleine Werft, deren Auftragsliste jetzt schon 18 Boote umfasse.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. das Vergabeverfahren aufzuheben;

2. ihr Akteneinsicht zu gewähren;

3. die Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und die mit Beschluss vom 10. April 2024 hinzugezogene Beigeladene haben beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Beigeladene hat zusätzlich beantragt,

3. die Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, es fehle schon an der Antragsbefugnis. Zum einen liege kein zuschlagsfähiges Angebot der Antragstellerin vor, zum anderen erstrebe die Antragstellerin auch gar nicht den Zuschlag, sondern die Aufhebung des Verfahrens, worauf ein Bieter ohnehin keinen Anspruch habe. Mit ihrer Rüge eines unzumutbaren Wagnisses sei die Antragstellerin zudem nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GWB präkludiert. Dass sie insoweit Kenntnis gehabt habe, zeigten ihre Bieterfragen 65, 66 und 67. Wolle man diese als Rügen ansehen, sei der Nachprüfungsantrag nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB verfristet. Das Begleitschreiben vom 20. Dezember 2023 erläutere das Angebot und sei nicht als Rüge zu verstehen gewesen. Zudem werde ein Angebot gemäß § 55 VgV erst nach Ablauf der Angebotsfrist geöffnet, so dass mit einer Kenntnisnahme und damit mit einem Zugang erst nach Fristablauf zu rechnen war. Es sei allerdings auch kein unzumutbares Wagnis gegeben. Der Bieter könne die Risiken eines Festpreises durch Sicherheitszuschläge kompensieren. Dass die Laufzeit vier Jahre betrage, habe sich bereits aus der Bekanntmachung ergeben. Nach zwei Jahren sei zudem eine Preisanpassung möglich. Der Index erfasse neben Schiffen, Booten und Yachten auch Schienen- und Luftfahrzeuge und trage daher der Preisentwicklung für Metalle, Maschinen-, Elektro- und Elektronikbauteilen sowie Löhnen Rechnung. Im Falle eines Widerspruchs des Auftraggebers gegen eine Preisanpassung könne sich der Bieter vom Vertrag lösen. Unsicherheiten bei den Lieferfristen seien Rahmenvereinbarung immanent, die Zahlungsmeilensteine seien verhältnismäßig. Bedenken in Bezug auf die Zuschlagsdestinatärin bestünden nicht. Ihr Angebot sei in technischer Hinsicht überprüft worden. Die Beigeladene habe auch die geforderten Referenzen vorgelegt. Qualitätsmängel der Darss-Boote müsse sie mit Nichtwissen bestreiten. Der Umsatz lasse Zweifel an ihrer Kapazität nicht aufkommen, es handele sich gerade nicht um eine eher kleine Werft.

Die Beigeladene hat ergänzend vorgetragen, die Lieferzeiten für Komponenten wie Motoren oder Elektronik lägen bei sechs Monaten. Ihre Eignung habe sie durch ihre Referenzen nachgewiesen; auch die erforderlichen Kapazitäten seien gegeben.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 8. Mai 2024 zurückgewiesen. Der Antrag sei bereits unzulässig, soweit er sich gegen die Bedingungen der Vergabe wende. Zwar sei die Antragstellerin trotz des Ausschlusses ihres Angebots antragsbefugt, da sie grundlegende Fehler des Vergabeverfahrens geltend mache, bei deren Bestehen das Vergabeverfahren neu beginnen müsste. Diese Fehler habe die Antragstellerin auch vor Ablauf der Angebotsfrist gerügt. Ihre Bieterfragen 65 bis 67 könnten – auch wenn grundsätzlich zwischen Bieterfragen und Rügen zu differenzieren sei – als Rügen verstanden werden, da die Antragstellerin nicht nur auf die Probleme hingewiesen, sondern ganz konkret Abänderung verlangt habe. Allerdings habe es die Antragstellerin versäumt, nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB innerhalb vom 15 Kalendertagen nach Ablehnung der begehrten Änderungen einen Nachprüfungsantrag zu stellen, weshalb der vorliegende Antrag verfristet sei.

Sehe man die Bieterfragen hingegen nicht als Rügen an, sei die Antragstellerin mit diesen Beanstandungen nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, da ihre Fragen zeigten, dass sie die Problematik in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erkannt habe. Im Übrigen gehöre es zum allgemeinen Bieterwissen, dass ein Vergaberechtsverstoß vorliege, wenn anhand der Vergabeunterlagen eine kaufmännische vernünftige Kalkulation nicht möglich ist. Das Begleitschreiben zum Angebot sei keine ordnungsgemäße Rüge vor Ablauf der Angebotsfrist, da das Angebot bestimmungsgemäß nach § 55 Abs. 1 VgV erst nach Fristablauf geöffnet werde. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Eignung der Beigeladenen wende und deren Leistungsfähigkeit bezweifele, sei ihr Antrag zwar zulässig, aber unbegründet. Die Beigeladene habe mehrere Referenzen benannt; die für den Zoll hergestellten Darss-Boote seien nicht darunter, deren Qualitätsprobleme seien bestritten. Auch habe die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen auf Einhaltung der Leistungsanforderung gutachterlich prüfen lassen. Der Vorwurf fehlender Kapazitäten sei nicht nachvollziehbar.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Ihr Nachprüfungsantrag sei nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB verfristet. Die Antworten der Antragsgegnerin auf ihre Bieterfragen, die die Vergabekammer als Rügen gewertet habe, genügten den Anforderungen an eine fristauslösende Nichtabhilfemitteilung nicht. Ein solcher müsse unmissverständlich zu entnehmen sein, dass der Auftraggeber keinesfalls beabsichtige, der Rüge abzuhelfen; es bedürfe einer klaren Aussage. Zudem habe es an der erforderlichen Information über die Rechtsbehelfsfrist nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB gefehlt. In der Bekanntmachung werde lediglich auf “die Möglichkeit” hingewiesen, innerhalb von 15 Kalendertagen einen Nachprüfungsantrag zu stellen. Erforderlich gewesen sei hingegen eine unmissverständliche Formulierung wie “ist … zu stellen” oder “muss … gestellt werden“. Doch selbst wenn insoweit eine Verfristung bejaht werden sollte, fehle es jedenfalls an einer fristauslösenden Kenntnis vom Nichtbestehen eines Anspruchs auf Preisanpassung. Die Regelung in § 8 Abs. 9 des Rahmenvertrags sei höchst widersprüchlich und für einen juristischen Laien nicht einzuschätzen. So bleibe unklar, weshalb der Auftraggeber ein Kündigungsrecht haben solle, wenn er der Erhöhung nicht widerspreche. Fraglich sei auch, ob die Regelung überhaupt auslegungsfähig und nicht insgesamt unwirksam sei, mit der Wirkung, dass dann überhaupt keine Preisanpassung wirksam vereinbart wäre. In der Sache begründe die Vorgabe von Festpreisen ein unzumutbares Kalkulationswagnis, da jedenfalls die Kosten der optionalen Boote, deren Bestellung lediglich innerhalb der nicht festgelegten Vertragslaufzeit erfolgen könne, aufgrund der hohen Dynamik der Preisentwicklung nicht kalkulierbar seien. Der für Preisanpassungen herangezogene Index sei mangels Vergleichbarkeit der dort aufgeführten Schiffe untauglich und hinke der Entwicklung zwangsläufig hinterher. Zudem sei der Anspruch wegen des im insgesamt unklaren § 8 Abs. 9 des Vertragsentwurfs des Rahmenvertragsentwurfs geregelten Widerspruchsrechts nicht durchsetzbar.

Nach dem Wortlaut bestehe in diesem Fall nicht einmal ein Kündigungsrecht des Auftragnehmers. Die Preisanpassung stehe folglich im Belieben der Antragsgegnerin. Faktisch handele es sich nur um eine Möglichkeit ein Angebot auf Abschluss einer Vertragsänderung abzugeben. Aber auch ein Sonderkündigungsrecht des Auftragnehmers für den Fall des Widerspruchs gleiche die Risiken nicht aus, weil bis dahin die Leistungsbereitschaft aufrecht zu erhalten sei. Auch die Liefertermine begründeten ein unzumutbares Kalkulationswagnis, da feste Lieferfristen bestimmt seien und in Abhängigkeit von der Bestellung alle sechs Boote parallel hergestellt werden müssten. Ein Großteil der Einzelkomponenten habe erhebliche Lieferzeiten, wobei die Preise der Zulieferer zugleich nur für kurze Zeiten gültig seien. Gerade vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen Kostenstrukturen, insbesondere der Lohnkosten, in den unterschiedlichen EU-Staaten, wirke sich dies gravierend aus. Letztendlich sei auch ein abschließender Zahlungsmeilenstein von 30 Prozent unangemessen. Auch habe sie mit ihrem am 6. Mai 2024 übersandten Schriftsatz einen weiteren Vergabefehler eingeführt, den die Vergabekammer zu Unrecht nicht berücksichtigt habe. So habe die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2024 eingeräumt, die optionale Ausschreibung der Boote drei bis sechs sei allein deshalb erfolgt, weil deren Finanzierung haushälterisch nicht gesichert sei. Vor diesem Hintergrund sei die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung missbräuchlich, weil insoweit keine Ausschreibungsreife gegeben gewesen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes VK 2-35/24 vom 8. Mai 2024 aufzuheben;

2. das Vergabeverfahren aufzuheben;

3. die Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären;

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der Kosten ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, der Antragstellerin fehle bereits die Antragsbefugnis. Ein Bieter habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Vergabeverfahrens, dies zu entscheiden sei allein Sache des Auftraggebers. Zudem habe kein bezuschlagungsfähiges Angebot der Antragstellerin vorgelegen. Der Nachprüfungsantrag sei auch nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB verfristet. Deutlicher als ihr Nein auf die Bieterfragen 65 bis 67 könne eine Antwort nicht sein. Eine bestimmte Form sei für die Nichtabhilfemitteilung nicht vorgesehen. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei korrekt gewesen. Sie habe die Bieter richtigerweise informiert, dass bei Nichtabhilfe die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags auf Nachprüfung binnen 15 Tagen bestehe. Ein “Muss” wäre hier verfehlt gewesen, denn der Bieter müsse keine kostenträchtigen Rechtsmittel einlegen. Die Beanstandung eines unzumutbaren Wagnisses sei auch in der Sache unbegründet. Die Ausschreibung eines Festpreises für zwei Jahre mit anschließender Möglichkeit der Preisanpassung trage den Interessen der Bieter und des Auftraggebers Rechnung. Dabei sei die Anbindung an den Index für Sonstige Fahrzeuge, der auch Schiffe und Yachten erfasse, sachgerecht für Standardprodukte wie vorliegend ausgeschriebenen Boote. Die Lieferbedingungen seien nicht unzumutbar. Die Frist von 18 Monaten für die ersten beiden Boote berücksichtige den Konstruktionsaufwand. Die folgende Frist von zwölf Monaten sei begrenzt auf den gleichzeitigen Bau von maximal zwei Booten. Soweit die Antragstellerin nachterminlich eine missbräuchliche Wahl der Rahmenvereinbarung beanstandet habe, sei dies zu Recht nach § 296 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt geblieben. Im Übrigen begründe die fehlende Finanzierung der optionalen Boote keine missbräuchliche Wahl der Rahmenvereinbarung. Die finanzielle Vergabereife für die Festbestellmenge sei gegeben gewesen.

Die Beigeladene trägt ergänzend vor, eine Antragsbefugnis der Antragstellerin sei auch deswegen nicht gegeben, weil es sich bei den angeblichen Rechtsverstößen in den §§ 7 und 8 der Rahmenvereinbarung um zivilrechtliche Fragen und nicht um die Geltendmachung einer Verletzung bieterschützender Vergabevorschriften im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB handele. Jedenfalls aber sei die Antragstellerin mit diesen Beanstandungen nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, weil sie diese nicht bis zur Angebotsabgabe gerügt habe. Die Bieterfragen seien keine Rügen, zeigten aber die Erkennbarkeit der Beanstandungen.

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Mitarbeiter Reinhardt und Simon der Antragsgegnerin befragt. Diese haben übereinstimmend erklärt, es sei lediglich die Finanzierung der Festbestellmenge gesichert, die Gelder für die optionalen Boote müssten noch eingeworben werden. In der anschließenden Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien hat der Senat Bedenken im Hinblick auf die Ausschreibung der Rahmenvereinbarung geäußert.

Mit nachterminlichen Schriftsätzen vom 21. August 2024 haben die Antragsgegnerin und Beigeladene hierzu ergänzend vorgetragen. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, ihrer Auffassung nach genüge bei der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung für die Vergabereife eine Sicherung der Finanzierung der Mindestbestellmenge; insoweit hat sie “die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof” angeregt. Eine Sicherung der Finanzierung für die optional abrufbare Menge weit vor dem Einzelabruf sei haushaltsrechtlich unzulässig. Nach § 6 BHO seien bei der Aufstellung des Haushaltsplans nur die Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen zu berücksichtigen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes notwendig seien. Dabei seien Verpflichtungsermächtigungen nach dem Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 7. Februar 2024, II A2-H 1200123110033:0011 nur zulässig, wenn die Verpflichtungen rechtsverbindlich eingegangen würden. Diese entstünden jedoch erst mit dem Einzelabruf. Das Verlangen nach einer Mittelbindung über die etwaige Festbestellmenge hinaus nehme der Rahmenvereinbarung die bezweckte Flexibilität und könne auch den zum Missbrauch dieses Instruments ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht entnommen werden.

Die Beigeladene hat ergänzend vorgetragen, dass die Finanzierung des gesamten Auftragsvolumens einer Rahmenvereinbarung gesichert sein müsse, sei weder gesetzlich vorgesehen noch ergebe es sich aus den Anforderungen der Rechtsprechung. Vergabereife erfordere nur eine Sicherung des Leistungsbeginns, weshalb die finanzielle Absicherung der Festbestellmenge ausreiche. Die Rahmenvereinbarung sei auch noch nicht der öffentliche Auftrag, dies sei erst der Einzelabruf, weshalb auch nur die Finanzierung des konkret anstehend Abrufs gesichert sein müsse. Für den Bieter ändere die Finanzierung des gesamten Volumens auch nichts, da er für optionale Bestellmenge auch dann das Verwendungsrisiko trage. Hierauf müssten sich alle Bieter einstellen, weshalb auch keine Behinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs gegeben sei. Würde gleich eine Finanzierung des gesamten Auftragsvolumens verlangt, begründe dies eine unzumutbare Einschränkung der Antragsgegnerin, die mit erheblichen Mehrkosten wiederholt ausschreiben müsste und so keine einheitliche Flotte beschaffen könne. Die Forderung nach einer gesicherten Finanzierung für das gesamte Auftragsvolumen lasse sich auch nicht aus der Vergaberichtlinie 2014124/EU herleiten, jedenfalls aber bedürfe es insoweit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, in der Sache hat sie den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren ursprünglichen Nachprüfungsantrag – soweit noch beschwerdegegenständlich – als unzulässig verworfen hat.

2. In der Sache hat die Beschwerde insoweit Erfolg, als sich die Antragstellerin gegen eine missbräuchliche oder wettbewerbsbeeinträchtigende Anwendung der Rahmenvereinbarung wendet. Soweit die Antragstellerin geltend macht, eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation sei ihr in Anbetracht der vertraglichen Regelungen in §§ 7 und 8 des Vertragsentwurfs nicht möglich, ist ihr Nachprüfungsantrag unzulässig.

a) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist nur teilweise zulässig.

aa) Zutreffend hat die Vergabekammer die nach § 160 Abs. 2 GWB erforderliche Antragsbefugnis bejaht.

Der Antragstellerin kann das erforderliche Interesse am Auftrag nicht abgesprochen werden, auch wenn sie den Ausschluss ihres Angebots nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV hingenommen hat. Der erstrebte Auftrag darf nicht mit dem Zuschlag im streitgegenständlichen, als vergaberechtswidrig gerügten Vergabeverfahren gleichgesetzt werden (Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 160 Rn. 10), sondern ist durch den konkreten Beschaffungsbedarf bestimmt. Denn es ist die tatsächliche Erteilung des Auftrags, welche die Vermögenslage von Bietern beeinflusst, nicht der Umstand, in welchem Vergabeverfahren sie erfolgt (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09, BeckRS 2009, 87528 Rn. 32). Von daher ist das erforderliche Interesse beim Antragsteller auch dann gegeben, wenn er auf die Aufhebung des vorliegenden Vergabeverfahren und die Chance zu einem verbesserten Angebot in einem neuen Vergabeverfahren spekuliert. Macht der Antragsteller – wie hier – Vergaberechtsfehler geltend, aufgrund derer das eingeleitete Vergabeverfahren nicht durch Zuschlag beendet werden darf, ist regelmäßig auch das Schadenserfordernis des § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB erfüllt (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09, BeckRS 2009, 87528 Rn. 31), weil er dann im Fall eines ordnungsgemäßen (neuerlichen) Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09, BeckRS 2009, 87528 Rn. 32). Dabei genügt es, dass zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt und es möglich erscheint, dass der Antragsteller ohne den behaupteten Vergaberechtsverstoß den Bedarf gegen Entgelt befriedigen kann (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09, BeckRS 2009, 87528 Rn. 32).

Die Antragstellerin macht auch eine Verletzung in ihren Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend. Vertragsklauseln werden von den Vergabenachprüfungsinstanzen zwar nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft, da sie keine Bestimmungen über das Vergabeverfahren i.S.d. § 97 Abs. 6 GWB sind. Sie können jedoch zum Gegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist (Senatsbeschlüsse vom 28. September 2022, VII-Verg 2/22, BeckRS 2022, 57527 Rn. 50, und vom 6. September 2017, VII-Verg 9/17, BeckRS 2017, 150181 Rn. 47). Eine solche Anknüpfungsnorm war das in § 8 Abs. 3 VOL/A 2006 normierte Verbot, dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Nach dem Wegfall dieses Verbots können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstandet werden (Senatsbeschluss vom 6. September 2017, VII-Verg 9/17, BeckRS 2017, 150181 Rn. 48), weil dann die Vergabeunterlagen unzumutbare Anforderungen (Wagnisse) begründen (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14), wobei hier dahinstehen kann, ob dies aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herzuleiten ist (Senatsbeschluss vom 28. September 2022, VII-Verg 2/22, BeckRS 2022, 57527 Rn. 51). Genau dies macht die Antragstellerin vorliegend in Bezug auf die Regelungen in §§ 7 und 8 des Vertragsentwurfs geltend. Dies gilt auch, soweit sie die Preisanpassungsregelung in § 8 Abs. 9 des Rahmenvertrags für in ihrer vertraglichen Reichweite unklar und wegen unter Umständen fehlender Auslegungsfähig für möglichweise insgesamt unwirksam erachtet, da die Frage, ob dem Bieter eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation möglich ist oder ein unzumutbares Wagnis aufgebürdet wird, eine umfassende Interessenabwägung erfordert, bei der es auf die Frage der Wirksamkeit der Preisanpassungsregelung ankommen könnte.

bb) Soweit die Antragstellerin geltend macht, eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation sei aufgrund der vertraglich vorgesehenen Festpreis- und Preisanpassungsregelungen unzumutbar, ist ihr Nachprüfungsantrag gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 unzulässig (siehe unter (1)). Im Hinblick auf die als unzumutbar beanstandeten Liefertermine und Zahlungsmeilensteine liegt eine Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 GWB vor (siehe unter (2)). Von einer Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist auszugehen, soweit die Antragstellerin die Regelungen in § 8 Abs. 9-12 des Vertragsentwurfs zum Preisanpassungsanspruch und Kündigungsrecht als widersprüchlich kritisiert (siehe unter (3)).

(1) Die Antragstellerin ist mit ihrem Vorbringen, eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation sei aufgrund der vertraglich vorgesehenen Festpreisregelung und der intransparenten Preisanpassungsregelung in § 8 Abs. 7-12 des Vertragsentwurfs unzumutbar, nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB präkludiert. Der Nachprüfungsantrag ist nicht rechtzeitig erhoben worden.

Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Dies ist vorliegend der Fall. Die Antragstellerin hat erst mit Schriftsatz vom 5. April 2024 Nachprüfung beantragt, obwohl die Nichtabhilfe des mit Bieterfrage 65 vom 6. Dezember 2023 gerügten Vergaberechtsverstoßes bereits am 11. Dezember 2023 durch die Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage erfolgt ist.

(a) Der Inhalt der Bieterfrage 65 ist als Rüge eines Vergaberechtsverstoßes zu verstehen.

Grundsätzlich sind Bieterfragen keine Rügen. Bieterfragen dienen einem anderen Zweck, nämlich – wie Fragen allgemein – dem Verständnis, also der Aufklärung des Inhalts der Vergabeunterlagen. Durch eine Bieterfrage will das an der Ausschreibung interessierte Unternehmen Klarheit darüber gewinnen, was der öffentliche Auftraggeber fordert. Von den Antworten des öffentlichen Auftraggebers erwartet es eine Auslegungshilfe zu den Vergabeunterlagen, die je nach ihrem Inhalt dann eine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB begründen kann (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21 ZfBR 2022, 295, 298; Senatsbeschluss vom 22. Januar 2024, VII-Verg 14/23). Auch wenn an den Inhalt einer Rüge keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind, setzt eine ordnungsgemäße Rüge doch eine konkrete und deutliche vergaberechtliche Beanstandung voraus, so dass der öffentliche Auftraggeber erkennen kann, um welchen konkreten Verstoß es sich handelt, und dass von ihm die Beseitigung dieses Vergaberechtsfehlers verlangt wird (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020, VII-Verg 24/19 – Schachtförderanlage Konrad 2). Von daher stellen allgemeine Fragen und Hinweise, Kritik oder Unverständnis genauso wenig eine ausreichende Rüge dar, wie die Ankündigung, man werde das nicht hinnehmen. Zudem muss deutlich werden, dass das Unternehmen nicht nur eine Anregung zur Optimierung des Vergabeverfahrens geben will, sondern ein vom Auftraggeber zu beseitigender Rechtsfehler geltend gemacht wird.

Entscheidend ist, dass der Bieter objektiv gegenüber dem Auftraggeber deutlich macht, in welchem Punkt und aus welchem Grund er das Vorgehen des Auftraggebers für fehlerhaft hält und dass er eine Korrektur des Fehlers in seinem Sinne erreichen will (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020, VII-Verg 24/19 – Schachtförderanlage Konrad 2). Es muss folglich hinreichend deutlich werden, welches konkrete Tun oder Unterlassen der Vergabestelle für rechtswidrig erachtet wird und es muss klar sein, dass es sich um eine Beanstandung handelt und nicht lediglich um Bieterfragen (Eiermann, Primärrechtsschutz gegen öffentliche Auftraggeber bei europaweiten Ausschreibungen durch Vergabenachprüfungsverfahren). Dies ist vorliegend der Fall. Trotz der Bezeichnung als Bieterfrage hat die Antragstellerin einen konkreten Vergaberechtsverstoß benannt. Ihrer Meinung nach begründet die vertragliche Festpreisregelung ein unzumutbares Kalkulationswagnis, da der aktuelle Preissteigerungsindex 6,5 Prozent betrage. Die vorgesehenen Regelungen zur Preisanpassung seien unzureichend. Der in Bezug genommene Index sei intransparent, er spiegele nicht ihre Kalkulationsgrundlagen wider. Dabei hat die Antragstellerin mit den Worten “Wird die Festpreisregelung entsprechend angepasst” unmissverständlich Abhilfe von der Antragsgegnerin gefordert.

(b) Die Nichtabhhilfeentscheidung der Antragsgegnerin datiert vom 11. Dezember 2023. Die Antwort der Antragsgegnerin “Nein, die in § 8 der Rahmenvereinbarung vorgesehen Regelungen werden nicht angepasst” musste die Antragstellerin als Mitteilung verstehen, der Rüge nicht abhelfen zu wollen. Eine eindeutigere Zurückweisung als ein knappes “Nein, … wird nicht angepasst” ist kaum möglich.

(c) Die relevante 15 Tage-Frist ist auch in Gang gesetzt worden. Die Rechtsmittelbelehrung der Antragsgegnerin in Ziffer IV.4.3. der Bekanntmachung ist nicht zu beanstanden. Die gewählte Formulierung, im Falle der Mitteilung, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, bestehe “die Möglichkeit, innerhalb von 15 Tagen nach Eingang der Mitteilung, einen Antrag auf Nachprüfung bei der Vergabekammer zu stellen (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB)“, ist korrekt. Demzufolge besteht die Möglichkeit eben nur innerhalb von 15 Tagen, danach besteht dementsprechend die Möglichkeit nicht mehr. Eine Formulierung wie “ist … zu stellen” oder “muss … gestellt werden” wäre hingegen verfehlt, da der Bieter zwar die Möglichkeit hat, gegen eine Nichtabhilfe vorzugehen, hierzu jedoch gerade nicht verpflichtet ist.

(2) Soweit die Antragstellerin die im Vertragsentwurf vorgesehenen Liefertermine (§ 7) und Zahlungsmeilensteine (§ 8 Abs. 4) als unzumutbar beanstandet, ist gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB Rügepräklusion eingetreten. Es fehlt an einer rechtzeitigen Rüge der Antragstellerin.

Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat. Die Rügeobliegenheit wird ausgelöst, wenn der Antragsteller eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen hat. Darüber hinaus muss er aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen haben (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; Senatsbeschluss vom 19. Februar 2020, VII-Verg 27/17, BeckRS 2020, 8810 Rn. 24; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23. Juni 2020, 11 Verg 2/20, BeckRS 2020, 37626; Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 160 GWB Rn. 40). Nicht erforderlich ist die Kenntnis eines völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung sicher nachweisbaren Vergaberechtsfehlers, da für die Rügeobliegenheit nicht erheblich ist, ob ein Vergaberechtsverstoß tatsächlich vorliegt. Es reicht vielmehr schon das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt (Senatsbeschlüsse vom 19. Februar 2020, VII-Verg 27/17, BeckRS 2020, 8810 Rn. 24, und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19; OLG Celle, Beschluss vom 7. Juli 2022, 13 Verg 4/22). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

(a) Die Antragstellerin hat den Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannt, wie sich aus dem Inhalt der Bieterfragen 66 und 67 ergibt.

Insoweit ist ausreichend, dass die Antragstellerin die diesbezüglichen Anforderungen als in einem Vergabeverfahren für den Bieter unzumutbar erachtet hat. Dies gilt auch für die mit der Bieterfrage 67 beanstandeten Lieferfristen, wo sie ausführt, sie sehe eine Lieferung von zwei Schiffen 18 Monate nach Zuschlag als nicht möglich an, da der Konstruktionsvorlauf nicht ausreiche. Dass das Verlangen einer unmöglichen Leistung eine auch vergaberechtlich unzumutbare Anforderung darstellt, ist auch für den juristischen Laien klar. Dass Unmögliches nicht verlangt werden kann, gehört zum kaufmännischen Allgemeinwissen. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, die Lieferung der optionalen Schiffe in zwölf Monaten ab dem unbestimmten Zeitpunkt der Bestellung sei nicht realistisch, weil das notwendige Material erst mit der Beauftragung bestellt werden könne und die Lieferfristen für einige Komponenten wie Generatoren über ein Jahr betrügen. Auch von der Fälligkeit der Schlussrechnung über 30 Prozent erst nach Abarbeitung aller Restpunkte, nach § 8 Abs. 4 der Rahmenvereinbarung hatte die Antragstellerin ausweislich ihrer Bieterfrage 66 Kenntnis. Soweit dort die Schlussrechnung mit 35 Prozent ausgewiesen ist, ist dies unschädlich, weil ihr damit ihr diesbezügliches Anliegen nur um so gewichtiger erscheinen musste. Dabei zeigt ihr Anliegen, diese Zahlung in einen 30-prozentigen Anteil nach Übergabe und fünf Prozent nach Abarbeitung der Restpunkte aufzuteilen, dass sie die vorgesehene Aufteilung als für sie als Bieter unzumutbar benachteiligend erachtet hat.

(b) Innerhalb der Frist von 10 Kalendertagen ist eine Rüge der Antragstellerin nicht erfolgt.

(aa) Anders als die Vergabekammer angenommen hat, erfüllt der Inhalt der Bieterfragen 66 und 67 die an eine Rüge zu stellenden Anforderungen nicht. Die Antragstellerin übt zwar Kritik an der Ausgestaltung der Vergabeunterlagen. Diese ist aber verbunden mit der Anregung, die in Rede stehenden Regelungen anders zu gestalten. So hat die Antragstellerin in Frage 66 nach Wiedergabe der vertraglichen Regelung zu den Zahlungsmodalitäten ausgeführt, sie wolle “fragen, ob es möglich” sei, die Schlussrechnung so in zwei Positionen aufzusplittern, so dass der größere Teil bereits nach Übergabe und nur fünf Prozent erst nach Abarbeitung der Restpunkte fällig sei. Die Frage schließt mit den Worten “Würden Sie dieser Splittung … zustimmen?“. Dies konnte die Antragsgegnerin lediglich als höfliche Anregung verstehen, nicht jedoch als unmissverständliche Beanstandung der Regelung, die von der Antragstellerin so nicht hingenommen werde. Gleiches gilt für die Frage 67. Dort hat die Antragstellerin zwar ausgeführt, sie sehe eine Lieferung der ersten beiden Schiffe innerhalb von 18 Monaten wegen des konstruktiven Aufwands als nicht möglich und der weiteren Schiffe in zwölf Monaten wegen der Lieferzeiten als nicht realistisch an. Sie schließt jedoch mit den expliziten Fragen, ob sie das erste Schiff nicht nach 20 Monaten und das dritte nach 18 Monaten abliefern könne. Auch dies konnte die Antragsgegnerin folglich noch als bloße Anregung verstehen. Die Antragstellerin hat ihre Bieterfragen im Übrigen auch selbst nicht als Rügen angesehen, sondern nach Erhalt der Mitteilung nach § 134 GWB mit Anwaltsschreiben vom 19. März 2024 ein unzumutbares Wagnis mit Blick auf Schwierigkeiten bei Kalkulation und Lieferterminen sowie die Ausgestaltung der Zahlungsmeilensteine gerügt, ohne dabei die Auffassung zu vertreten, diese Aspekte bereits mit ihren Bieterfragen gerügt zu haben.

(bb) Ihrer Rügeobliegenheit ist die Antragstellerin nicht mit ihrem Begleitschreiben zum Angebot vom 20. Dezember 2023 nachgekommen. Den diesbezüglichen Ausführungen der Vergabekammer (Beschluss Seite 20) ist nichts hinzuzufügen.

(c) Eine Rüge war auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise entbehrlich (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2022, VII-Verg 11/22). Eine Rüge kann zwar im Einzelfall entbehrlich sein, wenn der Bieter nach den Umständen davon ausgehen muss, dass sie offensichtlich aussichtslos ist, weil der öffentliche Auftraggeber vor Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens eindeutig zu erkennen gibt, dass er unumstößlich an seiner Entscheidung festhält und auch auf eine Rüge unter keinen Umständen von seiner Entscheidung abrücken wird (st. Rspr., zuletzt Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2022, VII-Verg 11/22). Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt seinem Wesen nach aber nur berechtigtes Vertrauen, der Bieter muss darauf vertraut haben, dass eine Rüge offensichtlich aussichtslos ist und dieses Vertrauen muss aufgrund der Umstände berechtigt gewesen sein. Vorliegend fehlt es bereits am Vertrauen der Antragstellerin in die Aussichtlosigkeit einer Rüge, wie ihre Rüge mit Anwaltsschreiben vom 29. März 2024 zeigt. Hätte die Antragstellerin eine Rüge nach den Bieterfragen für aussichtslos erachtet, hätte sie gleich einen Nachprüfungsantrag gestellt und nicht nach Erhalt der Mitteilung nach § 134 mit Anwaltsschreiben vom 19. März 2024 zunächst ein unzumutbares Wagnis mit Blick auf Schwierigkeiten bei Kalkulation und Lieferterminen sowie die Ausgestaltung der Zahlungsmeilensteine gerügt.

(3) Soweit die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift erstmals die Regelungen in § 8 Abs. 9-12 des Vertragsentwurfs zum Preisanpassungsanspruch und Kündigungsrecht als widersprüchlich, ggfls. unwirksam oder unklar kritisiert und geltend macht, ein hierauf gestützter Vergaberechtsverstoß sei nicht erkennbar im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB, weshalb keine Rügepräklusion vorliege, ist dem nicht zu folgen.

Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB müssen Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist objektiv zu bestimmen. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist – immer bezogen auf den konkreten Einzelfall – zu bejahen, wenn der Verstoß von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 3. April 2019, VII-Verg 49/18; vom 26. Juli 2018, VII-Verg 23/18; vom 28. März 2018, VII-Verg 54/17, und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn. 37). Dabei muss sich die Erkennbarkeit sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (vgl. Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 160 Rn. 49). Im Hinblick auf Vergabeunterlagen wird damit als Voraussetzung einer Rügepräklusion gefordert, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (Senatsbeschlüsse vom 26. Juli 2018, VII-Verg 23/18 und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn. 37; OLG München, Beschluss vom 22. Oktober 2015, Verg 5/15). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss (Senatsbeschluss vom 3. Aug. 2011, Verg 16/11, ZFBR 20212, 72, 74). Einer exakten rechtlichen Einordnung des Vergaberechtsverstoßes durch den Bieter bedarf es jedoch nicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 22. Januar 2019, 54 Verg 3/18, BeckRS 2019, 590 Rn. 48). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen war erkennbar, dass auch die Regelungen in § 8 Abs. 9-12 des Vertragsentwurfs zum Preisanpassungs- und Kündigungsrecht Einfluss auf die mit Bieterfrage 65 gerügte Unzumutbarkeit einer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation haben kann, weil der Auftraggeber danach dem Preiserhöhungsverlangen mit der Folge widersprechen kann, dass die Erhöhung nicht wirksam wird.

b) Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet, soweit die Antragstellerin gestützt auf die Erklärungen der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer geltend macht, es läge ein Missbrauch der Rahmenvereinbarung infolge fehlender Vergabereife vor, weil nur die Finanzierung der Mindestabnahmemenge von insgesamt vier Booten gesicherte sei, hingegen die Finanzierung der übrigen neun Boote völlig ungewiss sei.

aa) Die Antragstellerin konnte ihren Nachprüfungsantrag gestützt auf dieses Vorbringen in zulässiger Weise erweitern.

Zwar war die Vergabekammer gehindert, den nachterminlichen Vortrag der Antragstellerin zu berücksichtigen. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GWB entscheidet die Vergabekammer aufgrund mündlicher Verhandlung. In tatsächlicher Hinsicht berücksichtigungsfähig ist folglich nur, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung war; der tatsächliche Inhalt nachgereichter Schriftsätze darf folglich nicht verwertete werden (Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl. 2024, GWB § 65 Rn. 3; Johanns/ Roesen, Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, GWB § 65 Rn. 3). Der Vortrag ist allerdings als Teil der Beschwerdebegründung zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer kann die Beschwerde auch mit neuem Tatsachenvortrag begründen und neuen Tatsachenvortrag selbst noch nach Ablauf der Beschwerdefrist in das Beschwerdeverfahren einführen (Dicks/Willner in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 172 Rn. 14). Ein Novenausschluss, wie ihn § 531 Abs. 2 ZPO für das zivilprozessuale Berufungsverfahren vorsieht, kennt das Vergabenachprüfungsverfahren nicht (Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2015, VII-Verg 20/15, BeckRS 2016, 2948 Rn. 37). Auch eine die Zulässigkeit von Klageänderungen in der Rechtsmittelinstanz beschränkende Norm wie § 533 ZPO existiert nicht. Der Antragsteller ist daher auch im Beschwerderechtszug nicht gehindert, weitere mögliche Vergaberechtsverstöße zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens zu machen; dies im Übrigen selbst dann, wenn das Nachprüfungsverfahren zunächst unzulässig war, weil es aufgrund eines nicht, nicht unverzüglich oder inhaltlich unzureichend gerügten Verstoßes eingeleitet worden ist (Senatsbeschluss vom 13. April 2011, VII-Verg 58/10, ZfBR 2011, 508, 512). Es muss sich nur um einen weiteren Vergaberechtsverstoß handeln, der zulässig beanstandet, insbesondere nicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert ist (Senatsbeschluss vom 13. April 2011, VII-Verg 58/10, ZfBR 2011, 508, 512). Vorliegend ist die Antragstellerin mit ihrer Beanstandung einer missbräuchlichen Wahl der Rahmenvereinbarung aufgrund mangelnder Vergabereife schon deswegen nicht präkludiert, weil sie dies erst aus dem Vortrag der Antragsgegnerin erfahren hat.

bb) Der insoweit zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet. Die gewählte Rahmenvereinbarung verstößt gegen das Missbrauchsverbot (§ 21 Abs. 1 S. 3 VgV).

(1) Ein Missbrauch der Rahmenvereinbarung liegt vor, wenn der öffentliche Auftraggeber diese zu anderen als den mit der Rahmenvereinbarung verbundenen Zwecken einsetzt. Der Auftraggeber hat in sämtlichen Phasen des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze, insbesondere den Grundsatz der Transparenz und der Gleichbehandlung zu beachten (Poschmann in Müller-Wrede, VgV, § 21 Rn. 22). Die Anwendung einer Rahmenvereinbarung darf diese Grundsätze nicht aushöhlen. Sinn und Zweck der Rahmenvereinbarung ist es, dem öffentlichen Auftraggeber eine flexiblere Auftragsvergabe für den Fall zu ermöglichen, dass bei bestehendem Beschaffungsbedarf und konkreter Beschaffungsabsicht einzelne Vertragsbestandteile wie etwa das genaue Auftragsvolumen oder die Leistungszeit noch nicht abschließend feststehen und nicht bestimmt werden können. Ohne die Möglichkeit einer Rahmenvereinbarung müsste der öffentliche Auftraggeber zuwarten, bis er die Vertragsbestandteile bestimmen kann, und seinen Bedarf zeitlich gestaffelt durch Abschluss von Einzelaufträge decken. Durch die Rahmenvereinbarung kann er die Vergabe von Einzelaufträge in einem einzigen Vergabeverfahren bündeln.

Ihm ist es insbesondere in Bezug auf die Festlegung des Auftragsvolumens nach § 21 Abs. 1 S. 2 VgV gestattet, das in Aussicht genommene Auftragsvolumen nur “so genau wie möglich” zu ermitteln und bekannt zu gegeben; er muss es nicht abschließend festlegen. Charakteristisch für eine Rahmenvereinbarung ist daher, dass bestimmte Bedingungen für die Einzelaufträge wie zum Beispiel der Lieferzeitpunkt oder das genaue Auftragsvolumen bei ihrem Abschluss noch nicht festgelegt werden können und damit offen sind (Senat, Beschluss vom 30.11.2009, Verg 32/09). Ein Missbrauch einer Rahmenvereinbarung liegt daher vor, wenn die Flexibilität dieses Instruments gar nicht benötigt wird, weil alle Bedingungen abschließend festgelegt werden können. Gleiches gilt, wenn eine Rahmenvereinbarung der Befriedigung eines Beschaffungsbedarfs dient, der allenfalls theoretischer Natur ist, denn die zu beschaffenden Leistungen müssen auf einem grundsätzlichen Bedarf und auf eine ernsthafte Vergabeabsicht des öffentlichen Auftraggebers zurückzuführen sein (Poschmann in Müller-Wrede, VgV § 21 Rn. 71; Brauser-Jung in RKMPP, VgV § 21 Rn. 35). Missbräuchlich ist es daher auch, wenn die Ausschreibung eine Beauftragung nur in Aussicht stellt, der öffentliche Auftraggeber hierauf jedoch keinerlei Einfluss besitzt (KG, Beschluss v. 17.02.2005, Verg 27/04; Bay OLG, Beschluss v. 17.02.2005 Verg 27/04).

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin die Rahmenvereinbarung zu vergabefremden Zwecken eingesetzt, weil eine Beauftragung über die vereinbarte Mindestabnahmemenge hinaus infolge ungesicherter Finanzierung völlig ungewiss und eine Information der Bieter hierüber unterblieben ist.

(a) Im Vergaberecht gilt der anerkannte Grundsatz der Vergabereife. Danach soll der Auftraggeber ein Vergabeverfahren erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann. Dieser Grundsatz gilt zum Schutz der Bieter in jedem Vergabeverfahren, gleichviel, welchem Rechtsregime das Verfahren unterliegt und ob die jeweilige Verfahrensordnung dies ausdrücklich bestimmt (Senatsbeschluss vom 27. November 2013, VII-Verg 20/13; Hermann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, VgV § 63 Rn. 40). Zur Vergabereife gehört daher auch, dass die Vergabestelle im Zeitpunkt der Ausschreibung in der Lage sein muss, das Vorhaben durch entsprechend verfügbare Haushaltsmittel zu finanzieren (Senatsbeschluss vom 26. Juni 2013, VII-Verg 2/13, ZfBR 2014, 88, 91). Der öffentliche Auftraggeber hat Vorsorge für eine zumindest im wesentlichen ausreichende Finanzierung zu sorgen (BGH, Urteil vom 8. September 1998, X ZR 48/97, NJW 1998, 3636, 3637; Senatsbeschluss vom 27. November 2013, VII-Verg 20/13; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2024, 19 Verg 1/23, BeckRS 2024, 7190 Rn. 18; Eichler in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, Teil 1 Einleitung zum Vergaberecht, Rn. 249). Es müssen hinreichende Mittel für das Projekt im Haushalt als Ausgabe oder als Verpflichtungsermächtigung veranschlagt worden sein; gesichert ist die Finanzierung, wenn die Mittel zugewiesen oder die erforderliche Verpflichtungsermächtigung erteilt ist (Mutschler-Siebert/Quieser: Sinn und Zweck der Vergabereife und ihre Bedeutung für das Beschaffungswesen).

Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung wird in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten, dass eine Vorabfinanzierung sämtlicher später in Erwägung gezogener Leistungen nicht erforderlich ist bzw. nicht abschließend gesichert sein muss (Portz VergabeR 2014, 523, 5224; Kullack/Terner ZfBR 2004, 346, 349; Biemann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Auflage, GWB § 103 Abs. 5 Rn. 7; Mädler in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022; GWB § 103 Rn. 181).

(b) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, in welchem Umfang die Finanzierung des voraussichtlichen Beschaffungsbedarfs bei Abschluss der Rahmenvereinbarung gesichert sein muss. Steht – so wie hier – bei Abschluss der Rahmenvereinbarung nur die Finanzierung eines Teils des voraussichtlichen Beschaffungsbedarfs fest, muss hinsichtlich der übrigen Teile zumindest die begründete, auf objektive Anhaltspunkte gestützte Erwartung bestehen, dass die Finanzierung auch dieser Einzelaufträge sichergestellt und der bestehende Beschaffungsbedarf gedeckt werden kann, da anderenfalls die Durchführung der Beschaffung teilweise noch völlig offen ist. Eine solche begründete Erwartung kann beispielsweise angenommen werden, wenn durch die Rahmenvereinbarung ein wiederkehrender Beschaffungsbedarf im Bereich von Massenwaren und -dienstleistungen (z.B. Büromaterial, Streusand, regelmäßig wiederkehrende Postdienstleistungen, Rabattverträge bei Arzneimitteln u.ä.) gedeckt werden soll. Da die genannten Waren und die Dienstleistungen regelmäßig benötigt werden, werden die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel turnusmäßig im jährlichen Haushaltsplan Berücksichtigung finden.

Anders liegt der Fall bei besonderen und nicht turnusmäßigen wiederkehrenden Beschaffungsvorhaben, wie das vorliegende Verfahren zeigt. Hier kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die erforderlichen Haushaltsmittel für den Abruf von neun weiteren Booten bereitgestellt werden. Wie die Vertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigt haben, liegt eine Finanzierungszusage nur für die Mindestbestellmenge von insgesamt vier Booten vor. Eine Verpflichtungsermächtigung gemäß §§ 5, 22 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) und § 6 Bundeshaushaltsordnung existiert für die optionalen neun Boote nicht. Es besteht auch keine begründete Erwartung, dass die erforderlichen Haushaltsmittel aller Voraussicht nach bewilligt werden. Nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin ist völlig ungewiss, ob die optionalen Boote in den nächsten Jahren finanziert werden können, da eine solche Mittelbereitstellung von vielen Faktoren insbesondere der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Lage abhänge, die weder vorhersehbar noch beeinflussbar seien. Demzufolge konnte die Antragsgegnerin auch keine Aussage dazu treffen, ob es ihr in den nächsten Jahren gelingen wird, die erforderlichen Mittel ganz oder teilweise “einzuwerben“. Entschließt sich der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall – völlig ungewisse Finanzierung eines erheblichen Teils der Einzelaufträge – gleichwohl für eine Rahmenvereinbarung muss er die Bieter über dieses Finanzierungsrisiko informieren. Unterbleibt eine solche Information werden die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung beeinträchtigt und damit die Rahmenvereinbarung missbräuchlich angewandt.

Es entspricht allgemeiner Erfahrung und berechtigter Erwartung der Teilnehmer an einer Ausschreibung, dass vor einer Ausschreibung zunächst Vorsorge für eine ausreichende Finanzierung getroffen wird. Da die Finanzierung für die spätere Auftragsvergabe und im Falle einer Rahmenvereinbarung für die späteren Einzelaufträge ein wesentlicher Umstand ist, darf jeder Bewerber auch ohne besondere Rückfrage erwarten, zusammen mit der Ausschreibung informiert zu werden, wenn die Finanzierung nicht sichergestellt und damit die Durchführung der Beschaffung ganz oder teilweise im Ergebnis noch völlig offen ist (vgl. BGH, Urteil v. 08.09.1998, X ZR 48/97). Dementsprechend durfte der Bieter bei der Kalkulation der in § 8 des Vertragsentwurfs vorgesehenen und für zwei Jahre verbindlichen Festpreise unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 9 vorgesehenen Preisanpassungsklausel davon ausgehen, dass es über die Mindestabnahmemenge hinaus voraussichtlich zu weiteren kalkulationsrelevanten Einzelabrufen kommen wird, obwohl der Vertrag keine Abrufverpflichtung der Antragsgegnerin vorsah. Den Vergabeunterlagen war zu entnehmen, dass der Beschaffungsbedarf der Antragsgegnerin hinsichtlich der zu beschaffenden Menge feststand. Die vorhandene und veraltete Flotte an Kontroll- und Streifenbooten inklusive Tochterbooten sollte sukzessiv ersetzt werden. Dies impliziert, dass die Antragsgegnerin zur Finanzierung des Beschaffungsbedarfs grundsätzlich in der Lage sein wird. Steht aber – so wie hier – bei Ausschreibung der Rahmenvereinbarung nicht ansatzweise fest, ob es überhaupt zu einer Beauftragung weiterer neun Boote kommen wird, weil nicht absehbar ist, ob die erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stehen werden, ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ohne Kenntnis der offenen Finanzierungsfrage nicht möglich.

cc) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung sieht das Vergaberecht nicht vor. Nach § 179 Abs. 2 GWB kann die Sache dem Bundesgerichtshof nur dann vorgelegt werden, wenn das Oberlandesgericht von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Andere Entscheidungen betreffend die vorliegende Rechtsfrage existieren jedoch bislang nicht.

Auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung Schätzmenge und Höchstmenge anzugeben hat und damit klargestellt, dass die Rahmenvereinbarung der Ungewissheit über die Bedarfsmenge in gewissen Grenzen Rechnung tragen soll. Im Übrigen gilt auch nach Art. 33 Abs. 1 UAbs. 1 der Vergaberichtlinie, dass öffentlichen Auftraggeber Rahmenvereinbarungen nur abschließen können, sofern sie die in dieser Richtlinie genannten Verfahren anwenden. Dafür, dass der öffentliche Auftraggeber das Instrument der Rahmenvereinbarung auch aufgrund einer nur teilweise gesicherten Finanzierung nutzen können soll, ist folglich nichts ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3, Abs. 4, § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 Satz 1 GWB. Vor dem Hintergrund, dass ihr Nachprüfungsantrag begründet ist, soweit sich die Antragstellerin gegen die Wahl einer Rahmenvereinbarung wendet, und unzulässig, soweit sie ein ungewöhnliches Wagnis moniert, entspricht es der Billigkeit, die Kosten gegeneinander aufzuheben mit der Folge, dass die Antragstellerin einerseits und die Antragsgegnerin sowie die Beigeladene anderseits die Verfahrenskosten je zur Hälfte und alle Beteiligten ihre notwendigen Auslagen jeweils selbst zu tragen haben. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich auch eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Beiziehung von Verfahrensbevollmächtigten.

Neben der Antragsgegnerin ist auch die Beigeladene kostenrechtlich verpflichtet. Ein Beigeladener ist dann kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Beschwerdeverfahren auch nutzt, indem er sich an diesem Verfahren beteiligt. Hierfür bedarf es einer sachlichen Stellungnahme zur sofortigen Beschwerde (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06). Es bedarf folglich einer aktiven Beteiligung am Verfahren, in deren Rahmen der Beigeladene nicht nur erfolgreich eigene Anträge gestellt, sondern diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2004, Verg 12/03, BeckRS 2005, 3569; OLG Celle, Beschluss vom 12. Januar 2012, 13 Verg 9/11, BeckRS 2012, 1456). Dies ist vorliegend geschehen. Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56). Maßgeblich für die Wertermittlung ist bei Rahmenverträgen nach § 3 Abs. 4 VgV die Höchstabnahmemenge. Die zu Liefer- und Dienstverträgen, bei deren Wertermittlung nach § 3 Abs. 1 VgV Optionen zu berücksichtigen sind, ergangene Rechtsprechung, wonach die Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen ist (BGH, Beschluss vom 18. März 2014, X ZB 12/13), ist auf Rahmenvereinbarungen nicht übertragbar (Senatsbeschluss vom 17. April 2023, VII-Verg 36/21).

VK Niedersachsen: Die Wertungsentscheidung ist vom Auftraggeber selbst zu treffen, der Einsatz sachkundiger Personen (z. B. Nutzer) kann aber im Einzelfall geboten sein

VK Niedersachsen: Die Wertungsentscheidung ist vom Auftraggeber selbst zu treffen, der Einsatz sachkundiger Personen (z. B. Nutzer) kann aber im Einzelfall geboten sein

vorgestellt von Thomas Ax

1. Insbesondere bei abstrakten Wertungskriterien ist die Wertungsentscheidung eingehend und nachvollziehbar zu dokumentieren (hier verneint).
2. Die Wertungsentscheidung ist vom Auftraggeber selbst zu treffen. Der Einsatz sachkundiger Personen (z. B. Nutzer) kann im Einzelfall geboten sein.
VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.11.2024 – VgK-25/2024

Begründung:

I.

Die Antragsgegnerin hat mit EU-Bekanntmachung vom ….2024 den Betrieb einer städtischen Unterkunft in 3 Losen im offenen Verfahren ausgeschrieben.

Streitgegenständlich ist Los 1, der “Betrieb der Unterkunft und soziale Betreuung der dort untergebrachten Personen. Die Unterkunft wird mit … Garantietagesplätzen und … belegungsabhängigen Plätzen ausgeschrieben. Die Wochenarbeitszeit der sozialen Arbeit beträgt … Wochenstunden”.

Nach Ziffer 5.1.3 der Bekanntmachung beginnt die Laufzeit der Leistungserbringung am 02.12.2024 und endet am 01.12.2028. Es besteht eine einseitige Verlängerungsoption für die Auftraggeberin über jeweils ein Kalenderjahr (Ziffer 5.1.1), dies ist maximal zweimal möglich (Ziffer 5.1.4).

Nach der Bekanntmachung sind die Zuschlagkriterien der Preis und die Qualität. Die Qualität wird durch das Konzept über die soziale Betreuung bestimmt. Die Konzeptbewertung erfolgt anhand der Bewertungsmatrix in der Leistungsbeschreibung.

Gemäß der Aufforderung der Angebotsabgabe wird das wirtschaftlichste Angebot für Los 1 wie folgt ermittelt:

– Preis mit einer Gewichtung von 35 %

– Konzept mit einer Gewichtung von 65 %

Für die Wertung der Angebote gilt nach Ziffer 3) Kriterien der Zuschlagerteilung (Los 1) der Leistungsbeschreibung (Seite 12 und 13):

Bei der Bewertung der Angebote werden sowohl der Angebotspreis als auch das inhaltliche Konzept zur sozialen Betreuung berücksichtigt.

Dabei werden die Angebotspreise in Punkte von 0 bis 35 umgerechnet. Das preisgünstigste Angebot erhält 35 Punkte. Die übrigen Angebotspreise werden entsprechend ihrer prozentualen Abweichung vom günstigsten Angebot bewertet. So führt beispielsweise eine Abweichung um 10 % zu einer Bewertung mit 31,5 Punkten (= 35 Punkte – 35 Punkte * 10 %). Angebote mit einer Abweichung von über 100 % werden mit 0 Punkten bewertet. Die Punkte für den Preis gehen zu 35 % in die Gesamtpunktsumme ein. Das inhaltliche Konzept zur sozialen Betreuung wird ebenfalls mit 35 Punkten, aufgeteilt auf fünf Bereiche mit unterschiedlicher maximaler Punktzahl, bewertet. Eine detaillierte Bewertungsmatrix ist nachfolgend beigefügt. Die Punkte für das inhaltliche Konzept zur sozialen Betreuung gehen zu 65 % in die Gesamtpunktsumme für Los 1 ein. Den Zuschlag von Los 1 erhält der/die Bieter/-in mit der größten Gesamtpunktsumme aus Preis und inhaltlichem Konzept.

Das inhaltliche Konzept hat dabei folgende Bereiche zu berücksichtigen:

1. Beratung (maximal 8 erreichbare Punkte)

2. Betreuung (maximal 7 erreichbare Punkte)

3. Konfliktmanagement (maximal 6 erreichbare Punkte)

4. Vernetzung (maximal 7 erreichbare Punkte)

5. Qualität (maximal 7 erreichbare Punkte)

Die detaillierte Darstellung der Wertungskriterien ist der Leistungsbeschreibung auf den Seiten 13-17 zu entnehmen.

Nach Ziffer 5) “Besichtigung und Bieterfragen” der Leistungsbeschreibung (Seite 3) gilt:

Bei Unklarheiten oder Unstimmigkeiten in den Vergabeunterlagen oder Unvollständigkeit dieser ist die Auftraggeberin mittels einer Bieterfrage unverzüglich hierauf hinzuweisen. Bieterfragen sind über das e-Vergabe Portal … zu stellen.

Mit dem Informationsschreiben nach § 134 GWB teilte die Antragsgegnerin am ….2024 mit, dass auf das Angebot des Antragstellers der Zuschlag nicht erteilt werden kann, weil dieser nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Zur Erläuterung wird ausgeführt:

Wie den Verdingungsunterlagen zu entnehmen war, floss das eingereichte Konzept zur sozialen Betreuung zu 65 % in die Bewertung ein; der Preis mit 35 %. Ihre sich daraus ergebende Gesamtpunktzahl mit … war niedriger als die des Unternehmens …, welche … bezifferte.

Der Zuschlag soll am ….2024 erteilt werden.

Daraufhin rügte der Antragsteller am 26.09.2024, dass

1. die Frist zwischen Absendung des Schreibens und angekündigten Zuschlagsdatum nicht den Vorgaben des § 134 Abs. 2 GWB entspricht;

2. die Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung ebenfalls nicht den Vorgaben des § 134 GWB entspricht;

3. die Bezeichnung des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens unzureichend ist.

Zudem weist der Antragsteller darauf hin, dass soweit inzwischen der Zuschlag erteilt worden sein sollte, dieser wegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB von Anfang an unwirksam ist.

Mit Datum vom ….2024 stellt die Antragsgegnerin ein neues Informationsschreiben zu. Die beabsichtigte Zuschlagerteilung soll demnach am ….2024 erfolgen. Das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen wird jetzt mit dem Zusatz … benannt. Alle weiteren Erläuterungen sind identisch zum ersten Informationsschreiben vom ….2024.

Zudem teilt die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.09.2024 mit, dass

1. der Rüge hinsichtlich der unzutreffenden Fristberechnung abgeholfen werde;

2. eine differenzierte Darlegung der erzielten Punkte für seinen Angebotspreis und sein Konzept nicht möglich sei; weil über die Punkteberechnung durch einfachen Dreisatz der Angebotspreis des Bestbieters nachvollzogen werden könne. Dieser falle jedoch unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis;

3. die Rechtsform des obsiegenden Bieters ergänzt werde.

Daraufhin rügte der Antragsteller mit Schreiben vom 02.10.2024, dass

1. die zwischen Absendung des Schreibens und angekündigten Zuschlagsdatum festgesetzte Frist erneut nicht den Vorgaben des § 134 Abs. 2 GWB entspreche;

2. die Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung nach wie vor nicht den Anforderungen des § 134 GWB genüge:

3. die Festlegung und Gestaltung der Zuschlagskriterien vergaberechtswidrig sei.

Als Reaktion auf die Rüge teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.10.2024 mit, dass die Frist nach dem Informationsschreiben ausreichend gewesen sei, sich inhaltlich mit dem Ablehnungsschreiben zu befassen. Es seien 5 Arbeitstage verblieben, um einen Nachprüfungsantrag innerhalb der üblichen Geschäftszeiten einzureichen. Zudem sei der Anwalt des Antragstellers bereits involviert und mit der Materie vorbefasst. Der Gesetzgeber habe bei Vorabinformation per Fax oder auf elektronischem Weg eine Frist von 10 Kalendertagen für angemessen und ausreichend angesehen, ohne dass es auf den Zugang bei dem betroffenen Bieter ankäme und damit auch in Kauf genommen, dass je nach Lage der Wochenenden regelmäßig nur 6 bis maximal 8 Arbeitstage zur Verfügung stünden.

Zu der gerügten unzureichenden Mitteilung der Gründe für die Nichtberücksichtigung trug die Antragsgegnerin die Ausführungen vom 30.09.2024 erneut vor und hilft dieser Rüge nicht ab. Nach Erhalt des Ablehnungsschreibens habe der Antragsteller gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 VgV die Möglichkeit, Informationen über die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots einzuholen. In einem solchen “Feedback” würden ihm soweit wie möglich detailliertere Informationen zur Wertung ihres Angebots mitgeteilt.

Auch die Rüge zur Gestaltung der Zuschlagkriterien wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin würde die Bewertungsmatrix seit Anfang 2023 nutzen. Der Antragsteller habe schon an anderen Verfahren teilgenommen, würde die Wertungsmatrix daher kennen und habe bisher Ablehnungen ebenso akzeptiert wie Zuschläge, ohne die Bewertungsmatrix zu bemängeln. Zudem habe er keine Bieterfragen zur Bewertungsmatrix gestellt und sei daher seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.

Daraufhin reichte der Antragsteller am 07.10.2024 einen Nachprüfungsantrag ein.

Der Nachprüfungsantrag sei sowohl zulässig als auch begründet. Die Darlegung der Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots des Antragstellers sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen subjektiven Rechten.

Der Antragsteller sei so nicht ansatzweise in der Lage, die Angebotswertung der Antragsgegnerin nachvollziehen zu können, und ihm werde ein substantiierter Vortrag gegen die Auswertung praktisch unmöglich gemacht. Die Vorabinformation dürfe sich nicht in einer formelhaften Begründung erschöpfen, sondern die Bieter müssten in die Lage versetzt werden, zu entscheiden und abschätzen zu können, ob ein Nachprüfungsantrag Aussicht auf Erfolg habe.

Obwohl die qualitativen Zuschlagskriterien jeweils einer subjektiven Ermessensentscheidung bedürfen, versetze die Mitteilung nach § 134 GWB den Antragsteller nicht im Ansatz in die Lage, die Wertung seines Angebots nachvollziehen zu können, geschweige denn, die maßgeblichen Grundlagen der vergleichenden Bewertung der Angebote nachvollziehen zu können. Denn er erhalte demnach weder Informationen über die preisliche Position seines Angebots noch über die insgesamt fünf qualitativen Wertungskriterien, die einer subjektiven Beurteilung der Auftraggeberin bedürfen.

Der Antragsteller weist darauf hin, dass er nicht die Offenlegung der Punkte gefordert habe, sondern eine Darstellung nachvollziehbarer Gründe für die Nichtberücksichtigung. Ferner sei eine Rückrechnung bereits durch die Bekanntgabe der Gesamtpunktzahl ermöglicht worden. Allerdings könne der Antragsteller hier nicht auf die insgesamt 13 Preispositionen zurückrechnen, sondern allenfalls auf den Gesamtpreis. Zudem werde bestritten, dass Angebotspreise des Bestbieters grundsätzlich Geschäftsgeheimnisse seien, würde doch das Formblatt für die notwendige EU-Bekanntmachung über vergebene Aufträge gerade eine solche Angabe fordern.

Die Gründe für die Nichtberücksichtigung dürften nicht von der Gestaltung der Zuschlagskriterien abhängig sein. So könnte die Verpflichtung zur Bekanntgabe der Gründe der Nichtberücksichtigung grundsätzlich unterlaufen und damit den Sinn und Zweck des § 134 GWB aushebeln und dem Sinn und Zweck des § 134 GWB zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes widersprechen.

Ein Verweis der Antragsgegnerin auf eine Darlegung nach Zuschlagserteilung gemäß § 62 VgV entfalte keine dem § 134 GWB vergleichbare Wirkung, insbesondere keine Nichtigkeitsfolge im Fall von Verstößen. Zudem bleibe dabei unklar, welche weiteren Informationen die Antragsgegnerin im Rahmen des § 62 VgV erteilen könne, die im Rahmen des Schreibens nach § 134 GWB Gegenstand von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sein sollen.

Zudem sei die Bewertung der “Kriterien für die Zuschlagserteilung (Los 1)” intransparent und verletze den Antragsteller in seinen subjektiven Rechten, da eine objektive und nachvollziehbare vergleichende Bewertung der Angebote nicht möglich sei. Die Intransparenz werde exemplarisch an Kriterium 1 “Beratung” anhand folgender Aspekte zur Bewertung nach 7 oder nach 8 Punkten deutlich:

– Gestrichene Aspekte: Wie viele Punkte erhält ein Bieter, der die in der 7-Punkte-Kategorie verbleibenden Aspekte gebracht hat? Falls bspw. der fünfte Aspekt (“Weiterleitung”) nicht erfüllt ist, fällt ein Bieter auf “drei Punkte” zurück (dort hatte er zuletzt alles vollständig) oder zieht der Auftraggeber Punkte ab (falls ja, wann und in welcher Höhe)?

– Fett hinterlegt: Welche/wie viele Teilbereiche welchen Konzepts müssen über besonders gute Ansätze verfügen, um eine 7-Punkte-Bewertung zu erreichen? Was sind “besonders gute Ansätze”?

– Kursiv gestellt: Was ist der Unterschied zwischen besonders “guten Ansätzen” (7 Punkte) und “eigenen Ideen” (8 Punkte)?

Unklar sei, ob es sich bei den jeweiligen den Punkten zugeordneten Aspekten um Mindestanforderungen handele, bei deren bloßem Vorhandensein die jeweiligen Maximalpunkte erreicht werden.

Mit Schriftsatz vom 30.10.2024 trägt der Antragsteller neu und ergänzend vor, dass er seinen hilfsweise gestellten Antrag auf einen unwirksam erteilten Zuschlag nicht aufrechterhalte. Zudem verfolge er seine Rüge hinsichtlich einer nicht vergaberechtskonformen Fristsetzung nach § 134 GWB nicht weiter.

Die von der Antragsgegnerin dokumentierte Auswertung sei nicht mit dem Vorbringen der Antragsgegnerin insb. dem Abhilfeschreiben sowie der Antragserwiderung in Einklang zu bringen. Die verwendete Methode dürfe keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken. Dem werde die dokumentierte Auswertung der Antragsgegnerin nach den Ergebnissen der Akteneinsicht nicht gerecht. Die Checklisten seien nur “abgehakt” und die Ergebnisse der zwei Bewerterinnen dann jeweils addiert und ohne weiteren Abgleich auf Schlüssigkeit gemittelt worden.

Zudem sei die Auswertung intransparent und widerspreche den Grundsätzen, die der BGH im Rahmen seiner sog. Schulnotenrechtsprechung aufgestellt habe. Ferner sei die dokumentierte Bewertung unplausibel und in sich nicht stimmig. Die Begründungen zu den jeweiligen Ergebnissen der Einzelbewerterinnen würden keine Hinweise auf die Ausübung von Ermessen enthalten. Die Checklisten der Bewerterinnen seien von dem Antragsteller nicht eindeutig zuzuordnen. Bewerterin 1 habe sich lediglich mit dem jeweiligen Aspekt befasst, in den das Konzept ihres Erachtens nach einzuordnen sei. Die Prüfung eines Ausgleichs etwaig fehlender Angaben, seien offenbar nicht in Betracht gezogen worden, denn die Bewerterin habe über sämtliche Leistungsbereiche hinweg lediglich eine einzige Kategorie geprüft und mit Anmerkungen versehen. Beide Bewerterinnen würden in der Begründung nicht auf sämtliche gefundene Aspekte und insbesondere nicht auf die vermeintlich fehlenden Aspekte eingehen. Die Bewerterinnen hätten ihre Ergebnisse demnach nicht miteinander abgeglichen. Objektive Aspekte, die keiner Ermessenserwägung zugänglich gewesen seien, seien einmal als fehlend und einmal als vorhanden vermerkt. Aus der Bewertung lasse sich weder eine durchgehende Systematik noch regelmäßig der Ansatz einer Begründung entnehmen, warum die Bewerterinnen jeweils objektiv im Konzept des Antragstellers enthaltene Aspekte nicht positiv berücksichtigt haben.

Die Antragsgegnerin habe das Angebot des Antragstellers um mindestens 5 Punkte zu niedrig bewertet. Die nicht berücksichtigten oder jedenfalls nicht transparent dargelegten Aspekte würden … (Wertungs-)Punkte ausmachen. Demnach liege der Antragsteller auf Platz 1 der Gesamtwertung und wäre für den Zuschlag vorzusehen.

Im Konzeptbereich 1 “Beratung” würde von Bewerterin 1 der Punkt “Der Teilbereich des Konzeptes verfügt über besonders gute Ansätze.” nicht abgehakt, aber in der Begründung als erfüllt angegeben: Zudem werde angegeben: “Eigene Ideen werden gut dargestellt.”. Bei Bewerterin 1 fehle es an Anhaltspunkten, warum sie “6 und 7 Punkte” nicht bewertet habe. Nach Bewerterin 1 würden angeblich die Aspekte

– die Beratungsarbeit wird mit Einbezug der Bewohner*innen evaluiert und das Beratungsangebot daraufhin weiterentwickelt,

– Probleme und Grenzen innerhalb der sozialen Beratung sowie Lösungsansätze werden dargestellt,

fehlen. Gleichwohl würden die Evaluation auf Seite 7 und die Beratungsarbeit auf Seite 4 ff. des Konzeptes dargestellt.

Im Konzeptbereich 2 “Betreuung” sei gemäß Bewerterin 2 der Aspekt “Es wird dargestellt, welche Angebote von den Sozialarbeiter*innen der Unterkunft und welche Angebote von Externen durchgeführt werden.” nicht auffindbar. Tatsächlich werde dieser auf Seite 8 dargestellt. Dieser nicht entdeckte Aspekt führe zwingend zu der Bewertung bei Bewerterin 1 mit mindestens 5 Punkten, da dann dort sämtliche Aspekte abgebildet seien.

Zum Konzeptbereich 3 “Konfliktmanagement” fehle es bei beiden Bewerterinnen an Hinweisen auf die Ausübung von Ermessen. Bei Bewerterin 1 fehle es konkret an Hinweisen, warum jedenfalls 5 und 6 Punkte nicht erreicht sein sollen. Bei Bewerterin 2 fehle es nach der Checkliste, an dem Wertungsbereich “Der Teilbereich des Konzeptes verfügt über besonders gute Ansätze.” Dem widersprechend werde in der Begründung ausgeführt, dass es viele gute Ansätze gebe.

Zum Konzeptbereich 4 “Vernetzung” gebe es bei Bewerterin 1 keine Hinweise warum jedenfalls 5 und 6 Punkte nicht erreicht sein sollten. Bei Bewerterin 2 gebe es keine Anhaltspunkte, warum der Teilbereich des Konzeptes nicht über besonders gute Ansätze verfüge. Tatsächlich werde auf Seite 12 die konkrete Zusammenarbeit mit den Kooperationspartner/-innen unter Berücksichtigung des sozialräumlichen Umfelds und der Zielgruppe mit einer exemplarischen Darstellung beschrieben.

Bei den Wertungen zum Konzeptbereich 5 “Qualität” gebe es keine Hinweise auf Ermessen.

Zudem sei die Dokumentation fehlerhaft und intransparent, weil die Antragsgegnerin nach dem Leistungsverzeichnis feststellt: “Die inhaltlichen Konzepte wurden in vier Leistungsbereiche unterteilt und von vier verschiedenen Mitarbeiterinnen beurteilt.”, wohingegen es sich um fünf Konzepte handele, die von zwei Mitarbeitern bewertet worden seien.

Zudem sei die Prüfung der Angemessenheit der Preise auf einer völlig unzureichenden Grundlage durchgeführt worden. Grundlage einer Prüfung sei allerdings eine ordnungsgemäße Kostenschätzung. Die Antragsgegnerin habe dazu ausgeführt:

Zur Kostenschätzung wurde eine andere Flüchtlingsunterkunft herangezogen. Die Unterkünfte unterscheiden sich jedoch in der Größe und in der Beschaffenheit, so dass der Personaleinsatz nicht identisch ist. Zudem konnten unterschiedliche gebäudeabhängige Kosten, wie z.B. Instandhaltung, nicht abgebildet werden. Eine zutreffende Kostenschätzung, die alle Variablen von vornherein miteinbezieht, war nur schwer möglich.

Diesen Anforderungen werde eine Kostenschätzung nicht gerecht, deren Grundlage wie dokumentiert nicht vergleichbar mit den verfahrensgegenständlichen Leistungen ist. Die Formulierung zur Preisprüfung sei im Übrigen bei sämtlichen streitgegenständlichen Vergabeverfahren identisch, so dass von einer Leerformel ohne jedweden Inhalt und dahinterliegender Prüfung auszugehen sei.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 20.11.2024 trägt der Antragsteller vor, dass die Antragsgegnerin es versäumt habe, bei den Konzeptwertungen in unklaren und aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbaren Sachverhalten aufzuklären. Eine Wertungsentscheidung könne sich nicht zulasten des Bieters auf einen ungeklärten Sachverhalt stützen. Zudem habe die Antragsgegnerin einen Ermessensausfall gestanden, indem nach ihren Ausführungen in der Verhandlung am 13.11.2024 lediglich die Spitzennoten mit Ermessen auszufüllen gewesen seien. Die Antragsgegnerin sei der Anforderung, dass auch die Ausübung von “Ermessen” Regeln folgen müsse, nicht nachgekommen. Ferner werden zu den einzelnen Wertungsbereichen die Konzeptbereiche benannt, die als besonders guter Ansatz einzuordnen wären.

Der Antragsteller beantragt nunmehr,

1.der Antragsgegnerin die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen in dem vorbezeichneten Vergabeverfahren zu untersagen;

2.die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung des Antragstellers zu beseitigen und eine Schädigung seiner betroffenen Interessen zu verhindern,

3.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gemäß § 182 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG für notwendig zu erklären, sowie

4.der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

5.die Antragsgegnerin zu verpflichten, die für die Rechtsverfolgung des Antragstellers notwendigen Kosten zu ersetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

alle Anträge zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 14.10.2024 führt die Antragsgegnerin aus, dass die in § 134 Abs. 2 GWB normierte Frist nach Ablauf von 10 Kalendertagen enden würde. Wochenenden und Feiertage würden die gesetzte Frist daher grundsätzlich nicht verlängern. Dem Antragsteller seien insgesamt fünf volle Werktage zur Überprüfung und Einlegung eines Nachprüfungsantrages geblieben, denn bei dem 04.10.2024 handele es sich um einen regulären Werktag, “Brückentage” seien keine “halben Feiertage” oder etwas in der Art. Da der Antragsteller rechtzeitig vor Erteilung des Zuschlags einen Nachprüfungsantrag habe stellen können, könne es im Ergebnis dahinstehen, ob die hier zur Verfügung stehenden vollen fünf Werktage im Ergebnis ausreichend waren.

An die Darlegung der Gründe für die Nichtberücksichtigung dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Dem Antragsteller sei die Gesamtpunktzahl des erfolgreichen Bieters und seine eigene Gesamtpunktzahl mitgeteilt worden. Daraus könne er ersehen, dass er den Zuschlag relativ knapp verpasst habe. Er habe aber weder einen Anspruch auf den konkreten Angebotspreis des obsiegenden Bieters, noch einen Anspruch auf eine differenzierte vergleichende Darstellung der einzelnen “Qualitätskriterien” (“einschließlich der Unterkriterien”). Sollte eine ergänzende und umfassende Information erfolgen, könne das anhängige Nachprüfungsverfahren nicht mehr erfolgreich auf eine (ursprünglich) unzureichende Information gestützt werden und müsste nicht in den Stand vor Versand der Schreiben nach GWB zurückversetzt werden.

Mit dem Vortrag, die Bewertung der Qualitätskriterien sei vergaberechtlich intransparent, sei der Antragsteller präkludiert, da er diesen vermeintlichen Verstoß nicht bis zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt habe. Die gerügten Umstände seien für den Antragsteller ohne Weiteres auch bereits nach Einsichtnahme in die Vergabeunterlagen erkennbar gewesen. Maßstab sei, ob ein durchschnittlicher Bieter, der sich nicht zum ersten Mal an einer Ausschreibung beteilige, sondern schon über eine gewisse Erfahrung in Vergabeverfahren verfüge, bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und unter Zugrundelegung der üblichen Kenntnisse den behaupteten Rechtsverstoß identifizieren könne und müsse. Das sei hier der Fall, denn die Bewertungsmatrix werde von der Antragsgegnerin in dieser Form seit Anfang 2023 angewandt. Seitdem habe der Antragsteller bereits mehrfach als Bieter an Vergabeverfahren teilgenommen, ohne dass er diese Bewertungsmatrix gerügt habe. Zudem sei der Antragsteller eine der größten … und zugleich ein großes Unternehmen der …. Umfangreiche Erfahrung in Vergabeverfahren sei daher zu unterstellen. Er habe im Rahmen der Angebotsphase vor dem Submissionstermin keine Bieterfragen zu der gerügten Bewertungsmatrix gestellt und sei so seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Gleichwohl habe er ein Angebot eingereicht. Bei den aufgeworfenen Fragen handele es sich um reine Verständnisfragen, die jeder Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und unter Zugrundelegung der üblichen Kenntnisse bereits vor Ablauf der Angebotsfrist in Form einer Bieterfrage hätte klären können und müssen. Die Argumentation, er habe diese Punkte erst aufgrund der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten als vergaberechtswidrige Gestaltung erkennen können, sei nicht nachvollziehbar.

Sollte der Rechtsauffassung hinsichtlich der Präklusion nicht gefolgt werden können, weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt seien, dass der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden könne und eine wirksame Überprüfung möglich sei. Die Bewertungsmatrix mache bei sorgfältiger Lektüre konkret deutlich, welche Inhalte in welchem Umfang für jeden (Teil-)Aspekt von den Bietern erwartet würden. Je mehr Aspekte erbracht, bzw. mit Inhalten gefüllt würden, desto mehr Punkte seien erreichbar.

Bei systematischer Abarbeitung aller in der Matrix angeführten Aspekte, könne von den Bietern regelmäßig bereits die dritthöchste Punktzahl (in dem Beispiel: 6 Punkte) erzielt werden. Die zweithöchste Punktzahl könne in einem Teilbereich erreicht werden, wenn darüber hinaus von einem Bieter noch “besonders gute Ansätze” in das Konzept eingebracht worden seien. “Besonders gute Ansätze” seien solche, die in ihrer Ausgestaltung über das hinausgehen, was ohnehin durchschnittlich bzw. regelmäßig angeboten werde oder solche Konzeptideen, die besonders gut auf die hier betroffene Zielgruppe zugeschnitten seien. Um diese Beurteilung ein Stück weit zu “objektivieren”, würden die Konzepte der Bieter von mindestens zwei Personen – in der Regel aber sogar von vier Personen – bewertet. Willkürliche Entscheidungen seien insoweit nicht möglich, da der Beurteilungsspielraum durch die konkreten inhaltlichen Vorgaben in der Bewertungsmatrix hinreichend überprüfbar sei.

Wenn einzelne Aspekte nicht erbracht wurden, werde dennoch weiterbewertet und ein “Ausgleich” sei möglich. Sei der im Beispiel benannte Aspekt nicht erbracht worden, so fällt der Bieter nicht zwangsläufig auf 3 Punkte zurück. Vielmehr würden alle weitergehenden erbrachten Punkte gleichwohl bei der Wertung berücksichtigt und in der Matrix entsprechend eingeordnet. Werde z.B. im Konzept ein Aspekt in der Wertungskategorie 4 (Punkte) nicht dargestellt, könne dies über einen Aspekt in einer höheren Kategorie ausgeglichen werden, so dass weiterhin das Erreichen von 4 Punkten möglich sei. Ein solcher Ausgleich könne darüber hinaus auch durch “besonders gute Ansätze” in anderen Aspekten oder durch das Einbringen “eigener Ideen” erfolgen. “Eigene Ideen” seien solche Ideen bzw. Aspekte, die ein Bieter zusätzlich einbringt, die also über die anderen in der Matrix ausdrücklich geforderten Aspekte hinausgehen würden.

Mit Schriftsatz vom 16.10.2024 an die Vergabekammer, teilt die Antragsgegnerin das Ergebnis der Konzeptwertung für den Antragsteller mit. Das von dem Antragsteller eingereichte Angebot habe qualitativ besser abgeschnitten als das Angebot der Beigeladenen, preislich sei der Antragsteller aber teurer als deren Angebot, so dass die Beigeladene im Ergebnis das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und den Zuschlag erhalten solle. Ein anhängiges Nachprüfungsverfahren hindere den Auftraggeber nicht daran, Versäumtes nachzuholen und das Ergebnis in das laufende Verfahren einzuführen. Daher seien durch diese ergänzenden Informationen das ursprünglich mangelbehaftete Informationsschreiben geheilt und der Schutzzweck des § 134 GWB erfüllt.

Mit Schriftsätzen vom 30.10. und 08.11.2024 trägt die Antragsgegnerin neu und ergänzend vor, dass durch die gewährte Akteneinsicht kein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers an dem begehrten Informationsschreiben mehr bestehe.

Die Antragsgegnerin habe ihre Wertungsentscheidung nachvollziehbar dokumentiert. Dabei sei das Konzept des Antragstellers sogar am besten bewertet worden, preislich sei es jedoch deutlich unterlegen. Die Bewertungen der ersten Bewerterin und der zweiten Bewerterin würden aufgrund des Ermessensspielraums zum Teil voneinander abweichen. Die individuelle Wertungsentscheidung der Antragsgegnerin sei überwiegend fehlerfrei. Soweit aufgrund von berechtigten Einwänden die qualitative Bewertung nachgebessert worden sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis.

Die Wertung des Konzeptbereichs “Beratung” sei für Bewerterin 1 fehlerhaft, insofern für das Betreuungskonzept das Kriterium “Probleme und Grenzen innerhalb der sozialen Beratung sowie Lösungsansätze werden dargestellt” objektiv erfüllt worden sei. Dafür seien 6 Punkte zu vergeben. Bewerterin 2 habe “eigene Ideen” in dem Konzept entdeckt, so dass ein weiterer Punkt erteilt wurde und somit insgesamt 7 Punkte vergeben worden seien.

Bei der Wertung des Konzeptbereiches “Betreuung” hätten beide Werterinnen die Ausführungen zu den Angeboten der Sozialarbeiterinnen und den Angeboten von Externen als zu oberflächlich angesehen. So sei die Durchführung von Sprechstunden originäre Aufgabe der Sozialarbeit und die Ausführungen zu den Angeboten durch Erzieher innen und Sozialarbeiterinnen seien nicht hinreichend konkret. Die vergebene Punktzahl sei somit vertretbar.

Im Wertungsbereich “Konfliktmanagement” habe Bewerterin 1 im Konzept weder Maßnahmen für ein friedliches und interkulturelles Zusammenleben entdeckt, noch verfüge das Konzept über “besonders gute Ansätze”. Zudem könne ein Bewerter im Rahmen der Begründung keine Ermessensausführungen dazu machen, wenn Ansätze nicht im Konzept vorhanden seien.

Hinsichtlich des Konzeptbereiches “Vernetzung” habe Bewerterin 1 die Aspekte “Öffentlichkeitsarbeit unter Einbezug der Bewohnenden” und “Pressearbeit des Betreibers und die Unterkunft selbst” versehentlich übersehen. Bewerterin 2 hätten “besonders guten Ansätze” oder “eigene Ideen” gefehlt, so dass nicht mehr als 5 Punkte zu erreichen gewesen seien. Die exemplarisch genannte konkrete Kooperation habe nicht verifiziert werden können. Insgesamt wäre hier mit 5 + 5 statt mit 4 + 5 Punkten zu werten.

Für den Konzeptbereich “Qualität” hätten die Bewerterinnen im Konzept des Antragstellers keinen Ansatz gefunden, welcher die Vergabe von 6 Punkten oder 7 Punkten rechtfertigen würde.

Selbst wenn der Antragsteller für den Teilbereich “Beratung” insgesamt 13 Punkte und für den Teilbereich “Vernetzung” 10 Punkte erhalten würde, wäre er immer noch nicht Erstplatzierte.

Tatsächlich seien fünf Teilbereiche der inhaltlichen Konzepte von zwei verschiedenen Mitarbeitern bewertet worden. Bei dem Widerspruch zu deren Vortrag habe es sich um eine Unaufmerksamkeit bzw. einen Fehler auf Seiten der Antragsgegnerin gehandelt. Aufgrund personeller Engpässe im zuständigen Fachbereich hätten nur jeweils 2 Bewertende die Bewertungen durchführen können.

Vorliegend habe der Preisunterschied des günstigsten Bieters zum zweitgünstigsten Bieter mehr als 20 % ausgemacht und es sei eine Überprüfung der Auskömmlichkeit vorgenommen worden. Anhand der Überprüfung der Urkalkulation sowie einem ergänzenden Aufklärungsgespräch sei die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gekommen, dass auskömmliche Preise vorliegen würden.

Die Beigeladene hat sich schriftsätzlich nicht geäußert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13.11.2024 Bezug genommen.

II.

Der teilweise zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet, auch wenn nicht alle Argumente überzeugen.

Gemäß dem gesetzlichen Leitbild in § 160 Abs. 3 GWB kann der Antragsteller mit seiner nach der Wertung erhobenen Rüge nur Inhalte der Wertung angreifen, nicht aber Inhalte der Vergabeunterlagen (vgl. nachfolgend zu 1).

Die Antragsgegnerin hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie mindestens die Angebote des Antragstellers und der Beigeladenen in einer Weise wertete, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen. An der Wertung des Betriebskonzeptes sollten Personen mit konkreter Sachkunde des maßgeblichen Betriebs beteiligt sein, die “in der Lage leben” (vgl. nachfolgend zu 2a). Der Antragsteller ist nicht durch ein Unterkostenangebot der Beigeladenen in seinen Rechten verletzt (vgl. nachfolgend zu 2b).

1. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Die Antragsgegnerin ist als Gebietskörperschaft öffentliche Auftraggeberin gemäß § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, welche aufgrund der EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. der Richtlinie 2014/25/EU in der ab dem 01.01.2024 und damit zur Zeit der Auftragsbekanntmachung des Vergabeverfahrens geltenden Fassung ein Schwellenwert von 221.000 Euro gilt. Dieser wird laut Auftragssumme des Vermerks “Vergabevorschlag” und “Vermerk Kostenschätzung” sowie ausweislich der eingegangenen Angebote für die feste und optionale Gesamtdauer deutlich überschritten.

Der Antragsteller ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da er ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem er die unter I. genannten Beanstandungen erhebt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23). Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist regelmäßig eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 – X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).

Soweit der Antragsteller sich noch im Nachprüfungsantrag gegen die ursprüngliche, zu kurze Frist zwischen Bieterinformation und beabsichtigter Zuschlagserteilung wendet, hat die Antragsgegnerin dem bereits vor Erhebung des Nachprüfungsantrages durch die nicht nur verlängerte, sondern komplett neu in Gang gesetzte und dabei auch ausreichend bemessene Frist nach § 134 GWB bieterfreundlich abgeholfen. Eine mögliche Beschwer bestand daher zu keinem Zeitpunkt des Nachprüfungsverfahrens. Die Argumentation, bei der Wartefrist müssten innerhalb der Wartefrist liegende Feiertage hinzugerechnet werden, ist vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt, weil der Gesetzgeber ausdrücklich den Begriff der Kalendertage verwendet. Ob das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2016 – Verg 24/16; OLG Düsseldorf, NZBau 2015, 178) seine sehr weitgehenden Entscheidungen zum vor 2016 geltenden Vergaberecht, eine über mehrere Feiertage gelegte Frist habe nicht wirksam begonnen, so noch einmal treffen würde, ist offen. Andere OLG haben diese Auffassung nicht übernommen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 07.07.2022, 13 Verg 4/22).

Selbst wenn man auf die Werktage oder die Arbeitstage (Montag bis Freitag ohne Feiertage) abstellen würde, könnte das im vorliegenden Fall keine Antragsbefugnis begründen, weil der Antragsteller durch die über das Notwendige hinausgehende Abhilfe der Antragsgegnerin bei der zu kurz bemessenen Wartefrist privilegiert worden ist. Sie hatte zwischen dem Zugang der ersten Bieterinformation und dem final beabsichtigten Vertragsschluss insgesamt 10 Arbeitstage und 14 Werktage Zeit, um die Erfolgsaussichten einer Rüge und eines Nachprüfungsantrags zu prüfen und diese vorzubereiten. Beides ist ihm gelungen. Somit bleibt keine mögliche Beschwer durch eine zu kurze Wartefrist.

Soweit der Antragsteller sich gegen den Inhalt der Bieterinformation nach § 134 GWB wendet, ist die Antragsbefugnis spätestens nach Erhebung des Nachprüfungsantrages und erteilter Akteneinsicht entfallen. Zwar war die Bieterinformation unzureichend, weil der Antragsteller nicht informiert wurde, ob sein Angebot wegen des Preises oder wegen der Qualität weniger überzeugt habe. § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB fordert eine Information über die vorgesehenen Gründe der Nichtberücksichtigung seines Angebots. Das umfasst auch eine Darstellung, in welchen Bereichen (und warum) der Bieter nicht die Höchstpunktzahl erreicht hat (OLG Celle, Beschluss vom 07.07.2022, 13 Verg 4/22). Auch eine Information über den belegten Rang in der Wertungsreihenfolge wäre wünschenswert gewesen.

Durch die inhaltlich unzureichende Bieterinformation ist eine mögliche Beschwer zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr erkennbar. Das Argument kann daher keine Maßnahme nach § 168 GWB rechtfertigen. Ein Nachprüfungsantrag kann zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr auf die angeblich ursprünglich unzureichende Information gestützt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 6/19; OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2016, 13 Verg 10/15; Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB-Kommentar, § 135, Rn. 61). Dazu bedarf es eines weiteren über § 134 GWB hinausgehenden Verstoßes. Eine Anordnung der Vergabekammer zur Wiederholung der Bieterinformation mit inzwischen bekanntem Inhalt aber neu anlaufenden Fristen wäre eine überflüssige Förmelei und verstieße gegen das Beschleunigungsgebot aus § 163 Abs. 1 Satz 4 GWB.

Der Einwand eines unzureichenden Informationsschreibens nach § 134 GWB erledigt sich regelmäßig durch die fristgerechte Einreichung des Nachprüfungsantrags, spätestens mit Antragserwiderung oder Akteneinsicht. Zweck der Regelung ist die Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes für Bieter gegen eine sie benachteiligende Vergabeentscheidung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.08.2019, 15 Verg 10/19; OLG München, Beschluss vom 12.05.2011 – Verg 26/10 = NZBau 2011, S. 630 ff., 634). Ein Antragsteller macht mit Einreichung des Nachprüfungsantrags umfassend die Verletzung seiner subjektiven Rechte geltend. Was ihm weder aufgrund der Bieterinformation bekannt war noch aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar war, ist von der Rügepräklusion nicht betroffen, kann er daher nach Akteneinsicht vortragen. Der Zweck des § 134 GWB ist daher regelmäßig mit einem fristgerechten Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung erschöpft.

Ein ausschließlich aufgrund einer angeblich unzureichenden Bieterinformation erhobener Nachprüfungsantrag wäre spätestens nach einer inhaltlich aussagekräftigen Antragserwiderung oder einer Akteneinsicht in die Wertung des eigenen Angebots für erledigt zu erklären, um eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers zu verhindern.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit sich der Antragsteller gegen die angeblich vergaberechtswidrige Festlegung und Gestaltung der Zuschlagskriterien wendet. Der Antragsteller hat seine Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 Nr. GWB nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Diese Vorschrift setzt den Grundsatz von Treu und Glauben um. Die potenziellen künftigen Vertragspartner sollen auch bereits im vorvertraglichen Verhältnis konstruktiv zusammenarbeiten, Konflikte baldmöglichst und niedrigschwellig lösen, insbesondere Rügen nicht zurückhalten (Schäfer/Wiese in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht, § 61, Rn. 79). Auf ungerügte Fehler kann ein Bieter sich dann aber nachträglich nicht mehr berufen (Hofmann in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, 2. Auflage 2022, § 160, Rn. 43). Die unterlassene Rüge versperrt den Weg zu den Nachprüfungsinstanzen.

Die angeblich vergaberechtswidrige Festlegung und Gestaltung der Zuschlagskriterien war für den vergaberechtlich sehr erfahrenen Antragsteller gerade wegen der wiederholten Verwendung dieser Kriterien in Vergaben, an denen er beteiligt war, objektiv erkennbar (umfassend zur Erkennbarkeit zuletzt VK Niedersachsen, Beschluss vom 14.11.2023, VgK-3112024 “digitalisierter Posteingang”). Die Antragsgegnerin hat die Struktur und Größe des Antragstellers in der Antragserwiderung zutreffend beschrieben. Der Antragsteller ist zwar ein örtlicher …, er kann aber auch kurzfristig auf die Hilfe seines … mit umfassender vergaberechtlicher Expertise zurückgreifen. Daher waren angebliche Schwächen der Vergabeunterlagen für ihn erkennbar, er ist mit diesem Vortrag in diesem Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen. Folglich kann er gemäß dem gesetzlichen Leitbild in § 160 Abs. 3 GWB mit einer nach der Wertung erhobenen Rüge nur Inhalte der Wertung angreifen.

Der Antragsteller hat die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB von 10 Tagen nach Erhalt der Bieterinformation vom ….2024 eingehalten. Der Nachprüfungsantrag ging am 07.10.2024 und damit am 10. Tag nach Erhalt des Schreibens nach § 134 GWB bei der Vergabekammer ein.

Der Antragsteller hat die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB von 15 Tagen nach Nichtabhilfe der Rüge mit ihrem Nachprüfungsantrag eingehalten. Der Nachprüfungsantrag ist damit überwiegend zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, auch wenn nicht alle Argumente des Antragstellers überzeugen.

a. Die Antragsgegnerin hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie mindestens die Angebote des Antragstellers und der Beigeladenen in einer Weise wertete, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen. Das Transparenzgebot bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber die Wertung so durchführen muss, dass sie dem jeweiligen Bieter oder einer Nachprüfungsinstanz nachträglich in einer nachvollziehbaren Weise erläutert werden kann. Diese Verpflichtung steht in einem Spannungsverhältnis zu dem bei jeder Beurteilung vorhandenen umfangreichen Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers.

Bei der Wertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien steht dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Vergabekammer ist keinesfalls die Fachaufsicht des jeweiligen Auftraggebers, die ihre eigenen Erwägungen oder Wertungen an die Stelle des Auftraggebers setzen darf. Die Vergabekammer hat vielmehr den umfangreichen Beurteilungsspielraum des Auftraggebers zu respektieren (vgl. u.a. VK Westfalen, Beschluss vom 28.11.2017, VK 1 – 27/17, m. w. N). Die Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen beschränkt sich darauf, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, keine willkürlichen oder sonstigen nicht nachvollziehbaren Erwägungen eingeflossen sind und einzelne Wertungsgesichtspunkte objektiv nicht fehlgewichtet wurden.

Im vorliegenden Fall wendet sich der Antragsteller gegen drei Wertungsschritte, nämlich die vorgegebenen Wertungskriterien, das Wertungsverfahren und die Wertungsdokumentation.

i. Die Kritik an den Wertungskriterien ist unbegründet. Der Antragsteller behauptet, die Wertungskriterien seien nachträglich verändert worden und unterfielen daher nicht der Präklusion gemäß Ziffer II.1. Die Antragsgegnerin hat hier ein detailliertes qualitatives Wertungskonzept entwickelt, das, von Ausnahmen abgesehen, stufenweise höhere Anforderungen an die Darstellung im Konzept mit höheren Punkten honoriert. Das Konzept wurde auf Seite 13-17 der Leistungsbeschreibung allen Bietern vorab sehr transparent vorgestellt, ebenso die Verteilung der Punkte. Es enthält Optimierungspotential, wie zum Beispiel die von einer sonst durchgehend positiven Wertungszuordnung abweichende Formulierung “Die Zielgruppe wurde nicht berücksichtigt oder verfehlt.” in der Kategorie Beratung, Prüfniveau 2 Punkte. Das haben aber alle Bieter hinzunehmen.

Die von der Antragsgegnerin entwickelten Wertungspunkte lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Zum einen handelt es sich um sachlich nachprüfbare Anforderungen wie zum Beispiel: “Die Weiterleitung an externe Fachberatungsstellen wird dargestellt.” Ob dieses Kriterium erfüllt ist, lässt sich anhand des Wortlautes detailliert aus dem jeweiligen Konzept ableiten und klar mit “Ja” oder “Nein” beantworten. In der mündlichen Verhandlung konnte klargestellt werden, dass die Antragsgegnerin Differenzierungen in durchschnittliche, bessere oder herausragende Erfüllung bewusst nicht vorgesehen hat.

Es ist aus den detaillierten Vorgaben ab Seite 13 der Leistungsbeschreibung ableitbar, dass nicht nur die abstrakte Behauptung in Wiederholung der Anforderung genügen soll, sondern eine ergänzende sachverhaltsbezogene Darstellung gefordert wird. Der Beurteilungsspielraum der Bewerterinnen reduziert sich daher auf die Einschätzung, ob die Darstellung schon hinreichend konkret genug ist, um die sachverhaltsbezogene Erfüllung zu bejahen. Die Bewertung kann sich auf die Benennung der Stelle im Konzept beschränken, an der diese Darstellung zu finden ist, möglicherweise ergänzt durch eine kurze Erläuterung, warum die Stelle des Konzeptes inhaltlich ausreicht, um den Punkt zu vergeben. Jenseits dessen sind diese Kriterien für eine Nachprüfungsinstanz in vollem Umfang prüfbar.

Andere Kriterien wie zum Beispiel “verfügt über besonders gute Ansätze” oder “eigene Ideen” enthalten bereits in der Formulierung Wertungen. Es liegt daher innerhalb des individuellen Entscheidungsspielraums der jeweiligen Bewerterin, ob sie den jeweiligen geschilderten Ansatz für so gut oder so singulär hält, dass er eine höhere Punktezahl erhalten soll. Der Beurteilungsspielraum ermöglicht es, dass die jeweils für die Wertungen aller Kriterien einer Unterkunft eingesetzten zwei Bewerter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und dennoch beide Bewertungen nicht objektiv falsch sind. Solange beide Bewertungen mit ihrer Abweichung in einem vertretbaren Rahmen liegen, die Intention der Bewertung aus der Begründung erkennbar wird, wird die Vergabekammer diese Bewertungen nicht aufheben.

Es handelt sich bei den beiden oben beschriebenen Kriterien um abstrakte Wertungskriterien. Die Vorgabe abstrakter Wertungskriterien ist vom BGH (BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17) in der sogenannten Schulnotenentscheidung als zulässig bestätigt worden. Der BGH hat dies mit der Forderung verknüpft, dass die Anwendung der abstrakten Kriterien durch eine konkrete Dokumentation für Nachprüfungsinstanzen nachvollziehbar wird.

Die Behauptung des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe diese Kriterien nachträglich geändert, erfolgt ins Blaue hinein und damit unsubstantiiert. Sie trifft darüber hinaus auch nicht zu. Die Absprachen, gelegentlich derer der Antragsteller die Auffassung vertritt, es seien Wertungskriterien verändert worden, betreffen ausschließlich das Bewertungsverfahren, also die Frage, wie die Bewerterinnen mit den vorgegebenen und unveränderten Kriterien aus der Leistungsbeschreibung umgehen sollten, um eine gleichmäßige Bewertung zu erzielen. Der Antragsteller kann sich daher nicht argumentativ der durch seine Passivität eingetretenen Präklusion entwinden.

ii. Über das Verfahren der Bewertung trifft weder die Leistungsbeschreibung noch ein anderes Dokument der Vergabeunterlagen eine Aussage. Die von der Antragsgegnerin dargestellte Möglichkeit, einem Bieter, der eine bestimmte Kategorie nicht vollständig erfüllt hat, wegen einer anderen Bewertung aus einer höheren Stufe dennoch die volle Punktzahl zu geben, ist nicht in den Vergabeunterlagen vorgegeben. Es gab nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung eine Absprache der Bewerter, zumindest in den drei bei der Vergabekammer anhängigen Vergabeverfahren so zu verfahren. Eine solche Absprache verändert nicht die Vergabeunterlagen. Sie ist zulässig, denn sie dient dem Interesse der Bieter. Die Antragsgegnerin kann deren Inhalte damit vollständig und unabhängig von der vorgegebenen Bewertungskaskade gewichten. Überdies erhöht der gleiche Prüfmodus die Vergleichbarkeit der Wertungen. Diese Absprache ist daher ausdrücklich als positiv im Sinne der Transparenz zu werten.

Da die Vergabeunterlagen keine Vorgaben zum Wertungsverfahren enthalten, da der EuGH (EuGH, Urteil vom 14.07.2016, C – 6/15 Rn. 26) die nachträgliche Entwicklung sogar von Zuschlagskriterien zugelassen hat, sieht die Vergabekammer keine Einwände, dass die Antragsgegnerin solche einheitlich anzuwendenden Vorgaben auf einer Stufe unterhalb der ersten Wertungsebene einfügt, damit die Bewertung aller Angebote einheitlich erfolgt. Die Vorgabe muss aber auch von allen Bewerterinnen umgesetzt werden.

Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Bewerterinnen ihre individuellen Produktbewertungen nicht nachträglich miteinander abgeglichen und abgestimmt haben. Das ist zulässig. Für dieses Verfahren spricht auch, dass die Antragsgegnerin aus den beiden Bewertungen jeweils den Mittelwert gebildet hat.

Der Antragsteller kann nicht mit seinem Argument durchdringen, die Bewerterinnen hätten fehlerhaft ihr Ermessen nicht ausgeübt, weil sie nicht im Detail begründet hätten, warum das jeweilige Angebot die höherwertigen Prüfungsniveaus in den Kategorien verfehlt habe.

Das Bewertungsprofil ist ausweislich der Kriterien in der Prüfliste aufsteigend aufgebaut. Die Bewerterinnen sollen jeweils begründen, warum der jeweilige Bieter 2, 3 oder mehr Punkte erhält. Dementsprechend ist die Antragsgegnerin nur verpflichtet, die vergebenen Punkte zu begründen. Soweit der Antragsteller für eine bestimmte Kategorie mehr Punkte erhalten möchte, obliegt es ihm, konkret darzulegen, in welchem Umfang er einen Anspruch auf eine höhere Bewertung hat. Dazu muss er auf die konkreten Inhalte seines Konzeptes verweisen.

Anders wäre dies bei einem absteigend aufgebauten System. Die Bewerterinnen müssten dann erläutern, warum nicht die beste oder zweitbeste Bewertung möglich ist, sie im Konzept beispielsweise nicht sehen, dass der Bieter eigene Ideen vorbringt.

Der Antragsteller trägt zur Bewertung immer wieder vor, es würden Ermessenserwägungen fehlen oder es sei nicht dargelegt, warum ein bestimmtes Kriterium nicht erfüllt sei. Hier geht der Antragsteller erkennbar von einem absteigenden Bewertungssystem aus, missversteht damit den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Prüfungsmodus. Entsprechend sind die Anforderungen an die Begründung geringer. Es ist einfacher darzulegen, was erfüllt ist, als zu erläutern, warum eine vorhandene textliche Darlegung den Kriterien nicht genügt. Vollends unmöglich ist der von dem Antragsteller der Antragsgegnerin immer wieder abverlangte Vortrag negativer Tatsachen.

Im nachgelassenen Schriftsatz vom 20.11.2024 geht der Antragsteller auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 08.11.2024 ein. Angesichts der Dokumentationsdefizite ist es nicht mehr entscheidungserheblich, ob alle Argumente zutreffen. Die Antragsgegnerin wird bei der neuen Wertung prüfen müssen, ob die aufgeführten Inhalte ausreichend sachverhaltlich angesprochen werden. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert genügt die abstrakte Nennung noch nicht. Wie tief die sachverhaltsbezogene Darstellung bei einer Begrenzung auf insgesamt 15 Seiten gehen muss, soll die Antragsgegnerin vor allem angebotsübergreifend nach einheitlichen Maßstäben entscheiden. Dabei kann eine besonders gute Darstellung in einem anderen Konzept die Ansprüche des Auftraggebers erhöhen.

Der Antragsteller irrt über die Funktion des Nachprüfungsverfahrens, das nicht eine bestimmte Bewertung erstreitet, sondern allenfalls wegen Wertungsfehlern zur Zurückversetzung führen kann. Er hat schriftsätzlich vorgetragen, ihm stünde in bestimmten Kriterien ein Punkt mehr zu als bisher vergeben. Nachdem die Antragsgegnerin dem zustimmte, erhöhte er in der mündlichen Verhandlung die Forderung um einen weiteren Punkt.

iii. Wie oben ausgeführt bedarf es zur Herstellung der Transparenz bei abstrakten Wertungskriterien einer vertieften Dokumentation nach § 8 VgV. Der BGH führt in der oben zitierten Schulnoten Entscheidung hierzu aus:

“… muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Wird die Auswahlentscheidung zur Vergabenachprüfung gestellt, untersuchen die Nachprüfungsinstanzen auf Rüge gerade auch die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Auch wenn dem öffentlichen Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen in diesem Rahmen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.”

Die Begründungen der Bewerterinnen zu Erläuterung ihrer Punkte genügen nicht den obigen Anforderungen des BGH.

Es ist zwar fehlerhaft, aber unschädlich, dass die Bewerterin 1 in der Prüfliste ihre Kreuze nicht bereits bei dem niedrigsten Prüfniveau 1 oder 2 begonnen hat, sondern erst bei dem ihr relevant erscheinenden Prüfniveau. Fehlerhaft ist es, weil die Antragsgegnerin von dem eigentlich stringenten Aufbau, die Prüflisten der vorherigen Prüfniveaus zu wiederholen, bei der Beratung und bei der Vernetzung abgewichen ist. In der Kategorie Beratung wird das Prüfmerkmal “Inhalte und Schwerpunkte werden beschrieben” nicht nur wiederholt, sondern auf den verschiedenen Prüfniveaus verändert und ausgebaut. In der Kategorie Vernetzung wird das Prüfmerkmal die “die konkrete Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnerinnen wird beschrieben” ebenfalls in verschiedenen Prüfungsniveaus ausgebaut.

Unschädlich ist der Fehler, weil in den von der Bewerterin 1 geprüften Prüfniveaus jeweils eine Fassung dieser Prüfliste enthalten ist, die alle vorherigen einschließt. Die Bewertung erscheint fehlerhaft, weil Bewerterin 1 davon ausgeht, die Beratungsarbeit werde nicht evaluiert. Auch das ist unschädlich, weil die Bewerterin dennoch in der Beratung 5 Punkte vergeben hat. Bewerterin 1 ist allerdings von dem nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung von allen Bewertern abgesprochenen System, auch dann, wenn ein Prüfniveau nicht vollständig abgeschlossen werden kann, auch höherwertigere Prüfniveaus zu untersuchen, abgewichen. In der Prüfliste hat sie in keinem einzigen Fall nach einem unvollendet gebliebenen Prüfniveau höherwertigere Prüfniveaus teilweise angekreuzt.

Die Begründung der Bewerterin 1 ist recht kurz und erlaubt es dem Leser nicht, Rückschlüsse zu ziehen, welche Passage des Konzeptes sie davon überzeugt hat, dass sie innerhalb des Prüfniveaus einer Kategorie einen Prüfinhalt als erfüllt angesehen hat.

Das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2022, Verg 47/21) weist darauf hin, dass die individuelle Wertungsentscheidung naturgemäß immer eine subjektive Note habe, da sie auf dem Hintergrund und auf der Erfahrung der betreffenden Persönlichkeit beruhe (OLG München, Beschluss vom 25.09.2014, Verg 9/14). Die Dokumentation sei “einerseits eingehend zu dokumentieren, andererseits dürften an die Nachvollziehbarkeit der Bewertungsbegründung keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden”.

Hier entfaltet die Begründung der Bewertung in der schriftsätzlichen Erläuterung weder verborgene fachliche Inhalte noch ist sie vollständig, sondern sie bleibt unvollständig.

Bei der Bewerterin 2 hat die Antragsgegnerin im Konfliktmanagement eine Fehlbewertung eingeräumt, die nicht schädlich ist, weil der Antragsteller einen Punkt mehr erhalten hat, als ihm eigentlich zustünde. Die Bewerterin 2 hat die Prüfliste gemäß den Vorgaben und gemäß den vorherigen Absprachen ausgefüllt. Die kurze Darstellung der Begründung ist etwas aussagekräftiger als die der Bewerterin 1.

Die Bewertung des Angebots der Beigeladenen weist die gleichen strukturellen Schwächen auf wie die Bewertung des Angebots des Antragstellers. Es besteht daher keine Gewähr für eine Wertung der Angebote nach gleichen Regeln mit vergleichbaren Ergebnissen.

Die Antragsgegnerin wird bei der neuen Wertung prüfen, ob die aufgeführten Inhalte vorliegen und wie sie zu werten sind.

Beide Bewerterinnen haben sicherlich mit Engagement gewertet. Sie waren aber der ihnen übertragenen Aufgabe der Dokumentation nicht gewachsen, ob sie nicht ausreichend für diese Arbeit geschult waren, mag dahingestellt bleiben.

Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung gefordert, dass eine solche Bewertung von sachkundigem Personal idealerweise mit der Qualifikation als Sozialarbeiter durchgeführt wird. Dieser Wunsch ist in der Intention nachvollziehbar, aber in der Ausformulierung fernliegend. Das Vergaberecht darf den Bürokratieaufwand nicht exponentiell vermehren. Es darf nicht dazu führen, dass eine über Jahrzehnte wahrgenommene Aufgabe plötzlich unlösbar wird, weil das dafür angeblich erforderliche Personal nicht zur Verfügung steht.

Die Vergabekammer hatte sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Kritik unterlegener Bieter an der Sachkenntnis der vergebenen Personen auf der Seite des öffentlichen Auftraggebers auseinanderzusetzen. Sie hat beispielsweise die Forderung abgelehnt, ein Auftraggeber dürfe seine technisch anspruchsvolle Entscheidung nur unter Hinzuziehung eines externen Sachverständigen treffen (VK Niedersachsen, Beschluss vom 22.08.2022, VgK-15/2022). Der Antragsteller argumentiert nun in die gleiche Richtung, kann damit ebenfalls nicht gehört werden. Die Vergabeentscheidung ist vom Auftraggeber grundsätzlich selbst zu treffen. Ob er sachkundige Hilfe heranzieht, steht ausschließlich in seinem Ermessen.

Der Antragsteller fühlt sich allerdings im Ergebnis zu Recht durch die dokumentierten Bewertungen unzureichend wahrgenommen. Seine Forderung nach Sachkunde der Bewerterinnen ist dem Grunde nach berechtigt. In der oben zitierten Entscheidung der Vergabekammer aus dem Jahr 2022 gab es Anlass, die Fachkenntnis des Auftraggebers hervorzuheben. Die Forderung nach einer bestimmten beruflichen Qualifikation grenzt dies aber zu sehr ein. Der beruflichen Qualifikation steht die durch Berufserfahrung gewordene Qualifikation jedenfalls in der Rolle als Auftraggeber gleich.

Bewährt und praktisch umsetzbar ist eine Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen Nutzer und der Vergabestelle. Nutzer ist hier der Fachbereich, der für den Betrieb der Unterkunft zuständig ist. Dort weiß man am besten, was gefordert wird, weil man dort die größte Nähe zum Bedarf hat. Der an der Vergabeentscheidung beteiligte Nutzer sollte die konkrete Unterkunft oder zumindest gleichwertige Einrichtungen und deren tägliche Arbeit kennen. Er sollte über die typischerweise auftretenden Schwierigkeiten informiert sein. Bei der Polizei gibt es dafür den Begriff: “in der Lage leben.” Daran fehlt es hier erkennbar bei den Bewerterinnen.

Die Vergabestelle kann die Anforderungen des Nutzers vergaberechtskonform umsetzen. Dazu gehört auch die Schulung und Vor- und Nachbereitung des Nutzers für die von ihm bei der Vergabeentscheidung wahrzunehmenden Teilaufgaben. Oft wird vereinbart, dass der Nutzer die Wertung durchführt.

Die Auswertung der Bewertungsbögen und der Begründungen zu den Wertungen ergibt, dass die Bewerterinnen der Antragsgegnerin die in den Prüflisten vorgegebenen Hilfestellungen nicht ausreichend genau umgesetzt haben, um die Auswertung des Konzeptes inhaltlich zu begründen.

Die Bewerterinnen haben sowohl das Angebot des Antragstellers als auch das Angebot der Beigeladenen in bestimmten Kategorien, die eigentlich mit klar ja oder nein zu beantworten sein müssen unterschiedlich bewertet. D.h., dass die eine oder die andere Sachbearbeiterin entweder Inhalte der Konzepte übersehen hat oder Inhalte in Formulierungen der Konzepte hineininterpretiert hat, die nicht mit der erforderlichen Klarheit dort vorhanden waren. Ein Abgleich der Bewerterinnen miteinander ist aufgrund der nach internen Absprachen nicht durchzuführenden Abstimmung unterblieben.

Scheinbar ist aber auch eine Qualitätssicherung unter der Fragestellung: Ist das nachprüfungssicher? durch die Vergabestelle unterblieben. Daher sind die Bewertungen für die externe Vergabekammer nicht hinreichend nachvollziehbar, auch nicht unter Berücksichtigung der jeweils von den Bewerterinnen gelieferten textlichen Begründungen.

Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass auch weitere Formulierungen Ermessen enthalten, daher in der Dokumentation für die Punktevergabe gesondert zu begründen seien. Hier nennt er beispielsweise die Formulierungen “praxisnah beschrieben” oder “richtig erfasst”. Nach Einschätzung der Vergabekammer überzieht der Antragsteller damit seine Anforderungen an die Dokumentation, in dem er Begriffe des Alltags, über deren Bedeutung ein breiter gesellschaftlicher Konsens besteht, künstlich problematisiert.

Die Dokumentation hier in Form der Datei “Bewertung soziale Betreuung_Bietername. Bewertername” hat die Aufgabe, in einer auch für unterlegenden Bieter und für Nachprüfungsinstanzen transparenten Art und Weise zu begründen, warum die jeweilige Bewerterin Punkte vergeben hat. In Einzelfällen kann die Bewerterin ihr Ermessen auch durch eine Erläuterung ausdrücken, warum eine im Konzept enthaltene Passage zu einem Kriterium nicht zum Punkt führt.

Unerheblich ist der Einwand der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller auch bei Gewährung der von ihm schriftsätzlich vorgetragenen höheren Bepunktung in der Bewertungsrangfolge nicht den Zuschlag erhielte. Bei den festgestellten Bewertungsfehlern handelt es sich um strukturelle Fehler, welche die Wertungen aller Bieter betreffen. Es ist daher für die Herstellung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs erforderlich, dass alle Wertungen wiederholt werden. Das Ergebnis der wiederholten Prüfung ist offen. Dabei ist es sowohl möglich, dass sich die Bieterreihenfolge nicht verändert, als auch das andere Bieter darunter auch der Antragsteller auf Platz 1 kommen können.

b. Der Antragsteller ist nicht durch ein Unterkostenangebot der Beigeladenen in seinen Rechten verletzt. Die Regelung des § 60 VgV ist drittschützend, so dass sich der Antragsteller darauf berufen kann. Erscheint ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigen Gebot oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen, ungewöhnlich niedrig, können die Mitbewerber verlangen, dass die Vergabestelle in die vorgesehene nähere Prüfung der Preisbildung eintritt. Die Antragsgegnerin hat eine Prüfung der Preisbildung nach § 60 VgV durchgeführt, weil das Angebot der Beigeladenen den Preis des zweitniedrigsten Bieters um mehr als 20 % unterschreitet. Die Rechtsprechung hat eine pauschale Aufgreifschwelle von 20 % stets abgelehnt, stattdessen auf eine Einzelfallabwägung abgestellt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.06.2023 – Verg 34/23 – und Beschluss vom 12.06.2024 – Verg 36/23). Gleichwohl hat sich in der Praxis ein sehr häufiger Rückgriff auf eine Preisabweichung ab etwa 20 % als Indiz für die Notwendigkeit einer Preisprüfung herausgearbeitet (VK Bund, Beschluss vom 03.07.2024 – VK 2-47/24).

Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Beigeladenen wegen einer Abweichung von mehr als 20 % zu dem Angebot der Antragstellerin für aufklärungsbedürftig gehalten und ist dem nachgegangen. Sie ist daher ihrer Pflicht, das Angebot aufzugreifen und zu überprüfen, nachgekommen, weshalb offenbleiben kann, ab welchem Preisabstand im Einzelnen der Auftraggeber dazu gezwungen ist (OLG Celle, Beschluss vom 13.03.2017; 13 Verg 5/17).

Die Antragsgegnerin hat hier einzelne Positionen, insbesondere Personalkosten der Beigeladenen aufgeklärt, dabei sowohl die Arbeitnehmerbruttokosten als auch die Arbeitgeberbruttokosten ermittelt und diese Zahlen auf die Tagespreise umgelegt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es möglich sei, mit diesen Preisen die Leistungen zu erbringen, ohne dass die Gefahr besteht, dass der Auftragnehmer sich der mit dem Auftrag übernommenen Pflichten möglichst unaufwendig entledigt oder in Insolvenz gerät (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16, Rn. 26). Dies zugrunde gelegt, ist die von der Antragsgegnerin getroffene Prognoseentscheidung, die Beigeladene werde über die vorgesehene Vertragslaufzeit in der Lage sein, den Auftrag so, wie angeboten, zu erfüllen, nicht zu beanstanden, sondern vielmehr vertretbar ergangen. Das genügt nach der vorgenannten Rechtsprechung des OLG Celle.

c. Der Antragsteller kann seinen Antrag nicht mit dem Argument begründen, die Kostenschätzung der Antragsgegnerin sei fehlerhaft. Die Kostenschätzung eines öffentlichen Auftraggebers hat nicht primär die Aufgabe, vorab den Marktpreis abzubilden. Deshalb wird sie auch oft nicht in der Bekanntmachung erwähnt. Eine fehlerhafte Schätzung wird nur vergaberelevant, wenn der Auftraggeber darauf eine Aufhebung der Vergabe wegen Unwirtschaftlichkeit stützt, oder wenn sie ohne sachlichen Grund einen Wert unterhalb der Schwellenwerte das § 106 GWB festlegt, so dass der öffentliche Auftraggeber von einer eigentlich gebotenen europaweiten Bekanntmachung absieht und den Auftrag national vergeben möchte. Beides liegt hier nicht vor.

Der Marktwert entsteht nicht durch die Kostenschätzung, wird auch nicht vom Auftraggeber entwickelt, sondern er entsteht durch die eingegangenen Angebote in Abhängigkeit von den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Auf diesen Marktwert hat der von der Antragsgegnerin für die Erstellung des Schätzwertes herangezogene Quervergleich mit anderen Unterkünften keine Auswirkungen. Er ist daher irrelevant.

Der inhaltlich offen formulierte Nachprüfungsantrag ist daher wegen der Ausführungen zu 2a begründet.

3. Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Das ist der Grund, weshalb der Antrag auch dann vollständig begründet ist, wenn nicht alle Argumente des Antragstellers überzeugen.

Hier liegt ein Grund vor, mit Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Die Zurückversetzung bis zum Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Wertung ist das mildeste der in Erwägung zu ziehenden Mittel, da hier nur die Wertung der Angebote fehlerhaft erfolgte. Die Wertung kann bei der Wertung abstrakter Kriterien nicht von ihrer Dokumentation getrennt werden, weil nach der Rechtsprechung des BGH beides zusammengehört.

Für das weitere Verfahren weist die Vergabekammer ergänzend darauf hin, dass die Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen keine Festlegung getroffen hat, aus welchem Kreis sich das Bewertungsteam zusammensetzen soll. Daher ist sie in der Entscheidung frei, ob sie die bisher eingesetzten Bewerterinnen eine erneute Bewertung durchführen lässt, oder die Teams innerhalb der Verfahren untereinander tauscht oder neu zusammengestellt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Auftragswert ist nach dem Interesse des Antragstellers am Auftrag zu bewerten. Der Antragsteller hat zunächst ein Angebot für 4 Jahre abgegeben. Hinzu kommt sein Interesse an der Auftragsverlängerung von maximal 2 Jahren. Nach der Rechtsprechung des BGH wird die Verlängerungsoption wegen der Unsicherheit, ob sie vom Auftraggeber ausgeführt wird mit 50 % des Wertes berechnet. Daraus ergibt sich ein Gesamtwert für den Antragsteller in Höhe von … Euro brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse des Antragstellers am Auftrag.

Bei einer Ausschreibungssumme von … Euro brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von … Euro. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar wurde das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Hier gilt zunächst das oben zu Ziffer 3. Ausgeführte.

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für den Antragsteller erforderlich.

Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 – Verg W 10/09; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hier hat die Beigeladene darauf verzichtet Sachanträge zu stellen. Es gibt daher keinen Grund, die Beigeladene in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.

Ax Vergaberecht
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