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LG Bielefeld zu der Frage, dass der Architekt im Rahmen der Rechnungsprüfung nicht verpflichtet ist, den Auftraggeber auf einen Einbehalt von Bauabzugssteuer hinzuweisen

LG Bielefeld zu der Frage, dass der Architekt im Rahmen der Rechnungsprüfung nicht verpflichtet ist, den Auftraggeber auf einen Einbehalt von Bauabzugssteuer hinzuweisen

vorgestellt von Thomas Ax

Der Architekt ist im Rahmen der Rechnungsprüfung nicht verpflichtet, den Auftraggeber auf einen Einbehalt von Bauabzugssteuer hinzuweisen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Auftraggeber steuerlich beraten ist oder über eigene Sachkunde verfügt.
LG Bielefeld, Urteil vom 16.02.2024 – 7 O 167/20

Tatbestand:

Die Klägerin, eine im Oktober 2013 gegründete Gesellschaft mit dem Unternehmensgegenstand des Erwerbs, der Veräußerung, der Vermietung und Verwaltung eigener und fremder Immobilien sowie der Projektentwicklung dieser Immobilien (Bl. 343 d.GA), macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus Architektenhaftung gelten.

Die Parteien des Rechtsstreits waren über einen sog. “Planungsvertrag“, datierend aus Mai 2014, verbunden. Nach dem Inhalt des Vertrages sollte der Beklagte Architektenleistungen u.a. für den Neubau eines Ärztehauses, XXX, XXX erbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 6 ff. d.GA verwiesen.

Mit Schlussrechnung vom 09.03.2017 (Bl. 12 ff. d.GA) rechnete der Beklagte seine Leistungen ab.

Die Firma XXX (nachfolgend: Fa. XXX), war im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben mit verschiedenen Bauleistungen beauftragt. Der Beklagte prüfte die seitens der Fa. XXX erteilten Rechnungen (Bl. 300 d.GA). Unstreitig verfügte die Fa. XXX über eine Freistellungsbescheinigung für die Bauabzugssteuer bis zum 31.07.2015, die der Klägerin vorlag und der auch die Problematik der Bauabzugssteuer bekannt war (Bl. 426 d.GA). Streitig ist zwischen den Parteien, ob auch dem Beklagten diese Freistellungsbescheinigung vorlag und ob er diese an die Klägerin übermittelt hatte. In den Folgejahren (2016 / 2017) verfügte die Fa. XXX über keine Freistellungsbescheinigung.

Im September 2020 nahm das Finanzamt XXX die Klägerin für die Haftung der Bauabzugssteuer bezogen auf die Jahre 2016 und 2017 in Anspruch. In dem Anhörungsschreiben vom 01.09.2020 (Bl. 15 f. d.GA) heißt es u.a.:

[…] aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Firma XXX, XXX ist dem Finanzamt bekannt, dass die XXX, später XXX, 2016 Bauleistungen an die XXX GmbH von insgesamt 688.660,92 Euro erbracht hat.

Die Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b Abs. 1 Satz 1 ESTG für die XXX endete zum 31.07.2015. Ein am 15.04.2016 gestellter Antrag auf Verlängerung der Freistellungsbescheinigung wurde vom Finanzamt XXX mit Schreiben vom 19.04.2016 abgelehnt.

Da für die Firma XXX für 2016 keine gültige Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG vorlag, war die Leiter Immobilien GmbH nach § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG als Leistungsempfänger verpflichtet, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15% für Rechnung des Leistenden vorzunehmen.

Sie sind der Verpflichtung zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Bauabzugsteuer nicht nachgekommen und haften deshalb nach § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG für den nicht abgeführten Abzugsbetrag.

Der Steuerberater der Klägerin fragte mit Schreiben vom 10.09.2020 bei dem Beklagten an, ob er – der Beklagte – “bei Auftragserteilung bzw. bei Prüfung der Rechnungen die Freistellungsbescheinigungen gem. § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG angefordert und geprüft habe“.

Hierauf erfolgte keine Reaktion des Beklagten.

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 19.11.2020 (Bl. 18 f. d.GA) begehrte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Freistellung bezüglich der Inanspruchnahme durch das Finanzamt.

Am 26.11.2020 erließ das Finanzamt XXX einen Nachforderungsbescheid, wonach gegen die Klägerin ein Betrag in Höhe von 91.520,25 Euro festgesetzt worden war (Bl. 21 ff. d.GA). Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 04.12.2020 legte die Klägerin Einspruch gegen den Nachforderungsbescheid ein (Bl. 68 d.GA) und begründete diesen mit weiterem Schriftsatz vom 19.01.2021. Mit Bescheid vom 15.02.2021 setzte das Finanzamt XXX die Vollziehung des Nachforderungsbescheides zu einer Höhe von 64.020,25 Euro aus (Bl. 96 d.GA). Den nicht ausgesetzten Betrag (27.500, – Euro) zahlte die Klägerin am 25.03.2021.

Unter dem 18.01.2023 fragte das Finanzamt XXX an, ob der Einspruch zurückgenommen werde, was die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.01.2023 ablehnte.

Am 13.02.2023 erließ das Finanzamt XXX eine Entscheidung über den Einspruch und setzte den Steuerabzug auf 91.520,25 Euro fest.

Mit Beschluss vom 24.05.2023 lehnte das Finanzgericht Münster den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des Nachforderungsbescheides (in der Gestalt der Einspruchsentscheidung) des Finanzamtes XXX ab und fragte mit Verfügung vom 25.05.2023 an, ob die finanzgerichtliche Klage zurückgenommen werde (FG Münster, 9 K 401/23 E).

Mit Bescheid vom 12.06.2023 setzte das Finanzamt XXX Säumniszuschläge und mit Bescheid vom 10.11.2023 Aussetzungszinsen fest.

Die Klägerin bringt vor, dass § 1 Abs. 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages richtigerweise hätte heißen müssen “Ärztehaus in XXX, XXX“. Tatsächlich seien die Parteien von dem gesamten Ärztehaus in XXX ausgegangen.

Der Beklagte habe sämtliche Angebote für die Realisierung des Planungsauftrags bei den verschiedenen Bauunternehmen eingeholt, die für die Klägerin am besten geeigneten Bauunternehmen ausgesucht, Vertragsverhandlungen geführt und die Aufträge so gefertigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Aufträge an die Werkunternehmer lediglich hätte zeichnen müssen.

Der Beklagte habe die Freistellungsbescheinigung beim Bundeszentralamt für Steuern unmittelbar angefordert, da er die Bauabzugsteuer bei den Rechnungsprüfungen der Fa. XXX ab April 2015 benötigt habe. Ebenfalls habe der Beklagte der Klägerin die Freistellungsbescheinigung vom 29. Juli 2014 per Telefax (oder persönlich, Bl. 370 d.GA) zu kommen lassen.

Der Beklagte habe als erfahrener Architekt von sich aus seine Bereitschaft erklärt, im Rahmen der Rechnungsprüfung die Bauabzugsteuer zu beachten. Er habe es als seine Aufgabe angesehen, die entsprechenden Freistellungsbescheinigungen für die Bauabzugssteuer bei der Vergabe der Aufträge durch die Klägerin einzufordern bzw. auch bei seiner Rechnungsprüfung zu beachten. Der Beklagte habe im Rahmen der Rechnungsüberwachung als Standardleistung die Freistellungsbescheinigungen von den beauftragten Unternehmen selbständig angefordert, Bl. 312 d.GA. Der Fehler des Beklagten bestehe darin dass er sich die entsprechende Freistellungsbescheinigung vom Finanzamt für das Jahr 2016 nicht habe vorlegen lassen.

Er habe eine Hinweispflicht gegenüber der Klägerin, dass ab dem 01. August 2015 die Freistellungsbescheinigungen für die Fa. XXX abgelaufen sei, verletzt.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei im Rahmen der Rechnungsprüfung verpflichtet gewesen, die Rechtmäßigkeit der Bauabzugsteuer für die von ihr beauftragten Unternehmen zu prüfen. Die Verpflichtung des Beklagten zur Rechnungsprüfung ergebe sich aus der tatsächlichen Übung. Zudem ergebe sich die Verpflichtung zur Überprüfung der Rechnungen aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages.

Die Klägerin habe nicht die Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG bei der Steuerschuldnerin angefordert, da die Klägerin davon ausgegangen sei, dass der Beklagte sich selbständig um die Freistellungsbescheinigung des Finanzamts kümmere. Bekanntlich habe für das Jahr 2015 eine entsprechende Freistellungsbescheinigung vorgelegen. Insofern habe sich die Klägerin in der Gewissheit fühlen können, der Beklagte werde in Einhaltung seiner Pflicht darauf achten, dass die Fa. XXX im Besitz einer gültigen Freistellungsbescheinigung für die Jahre 2016 und 2017 sei.

Der Beklagte habe es als seine vertragliche Nebenpflicht angesehen, auf die Problematik der Bauabzugsteuer zu achten.

Die Klägerin sei anlässlich dieses Bauprojektes nicht durch einen Steuerberater begleitet worden.


Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1) an sie einen Betrag in Höhe von 91.520,25 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 27.5000,00 Euro seit dem 31. März 2021 und 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05. Juni 2023 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung des Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 91.520,25 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 27.500,00 Euro seit dem 31. März 2021 und 64.020,25 Euro seit dem 03. Juni 2023 gegen die Firma XXX;

2) an sie einen Betrag in Höhe von 406,00 Euro sowie weitere 599,80 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen seit dem 02. Juni 2023 zu zahlen;

3) an sie außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe 941, 70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4) an sie einen Betrag in Höhe von 1.280,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20. Juni 2023 zu zahlen;

5) sie von sämtlichen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Finanzgericht Münster zum Az.: 9 K 401/23 E freizustellen sowie

6) an sie einen Betrag in Höhe von 8.320,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2023 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unzutreffend sei die Behauptung, die Fa. XXX habe die ihr erteilte Freistellungsbescheinigung für 2015 dem Beklagten vorgelegt. Unzutreffend sei ferner die Behauptung, dass der Beklagte im Rahmen der Rechnungsprüfung für 2015 die Freistellungsbescheinigung bei den beauftragten Unternehmen angefordert habe. Dies sei weder bei der Fa. XXX, noch bei anderen beauftragten Unternehmen erfolgt.

Der Beklagte habe für die Rechnungen der Fa. XXX bis einschließlich Juli 2015 die Bauabzugsteuer berücksichtigt, weil ihm durch die Klägerin bekannt gewesen sei, dass für diesen Zeitraum eine Freistellungsbescheinigung vorliege. Der Beklagte selbst sei nicht im Besitz der Freistellungsbescheinigung gewesen (Bl. 590 d.GA). Er habe eine solche auch nicht angefordert und auch nicht an die Klägerin übermittelt.

Dass der Steuerschuldnerin für den Veranlagungszeitraum 2016 die Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch die Finanzverwaltung verweigert worden sei, sei dem Beklagten nicht bekannt gewesen.

Davon unabhängig stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch aber auch deshalb nicht zu, weil der Beklagte im Rahmen der an ihn vergebenen Bauüberwachung nicht verpflichtet gewesen sei, die Vorlage der Freistellungsbescheinigung zu verlangen. Der Beklagte habe weder im Architektenvertrag ausdrücklich die Einhaltung steuerlicher Pflichten der Klägerin gegenüber dem Fiskus übernommen, noch sei die Sicherstellung des Einbehalts der Bauabzugsteuer im Rahmen der Bauüberwachung geschuldet gewesen.

Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Vorlage von Freistellungsbescheinigungen sicherzustellen, nach deren Zeitablauf nachzuprüfen, ob Nachfolgebescheinigungen ausgestellt worden seien.

Jedenfalls treffe die Klägerin ein mitwirkendes Verschulden an der Schadensentstehung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage ist dem Beklagten am 28.12.2020 zugestellt worden.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe nebst Nebenforderungen. Die Klage ist mit sämtlichen Anträgen unbegründet, da bereits dem Grunde nach kein Anspruch gegeben ist.

Ein Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 631, 634 Nr. 4, 280 BGB. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte aus dem sich aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Planungsvertrag (in Verbindung mit § 631 BGB) ergebenen Pflichtenprogramm nicht gehalten, die Klägerin auf den Einbehalt von Bauabzugssteuer betreffend die Fa. XXX hinzuweisen.

Eine solche Pflicht des Beklagten, die in dem abgeschlossenen, schriftlichen Planungsvertrag nicht enthalten ist, lässt sich in diesem konkreten Einzelfall auch nicht aus dem Gesetz herleiten. Eine Hinweispflicht des Beklagten dergestalt, dass er seine Vertragspartnerin – die Klägerin – unaufgefordert über Umstände im Zusammenhang mit der Bauabzugssteuer betreffend die Fa. XXX zu informieren hatte, besteht nicht. Insoweit schließt sich die Kammer der weit überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung an, wonach ein solcher Hinweis deshalb nicht erforderlich ist, weil diese Pflicht nur Unternehmer, was bei der Klägerin unzweifelhaft der Fall ist, als Auftraggeber trifft und diese die für ihre Tätigkeit gültigen Steuerregeln kennen müssen (vgl. zum Meinungsstand: LG Hannover, Urteil vom 05.07.2017 – 14 0 236/16).

Dies gilt im vorliegenden Fall unabhängig davon, ob die Klägerin im Rahmen des hier streitgegenständlichen Projektes steuerlich beraten war. Denn nach ihrem eigenen Vortrag (Schriftsatz vom 17.05.2022, letzte Seite, 2. Absatz, Bl. 426 d.GA) war ihr die Problematik um die Bauabzugssteuer bekannt. Selbst wenn man grundsätzlich eine entsprechende Hinweispflicht des Architekten annehmen wollte, bestand jedenfalls eine solche Pflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin bei Zugrundelegung dieser Sachlage nicht, weil die Klägerin bereits über eine hinreichende Sachkunde verfügte. Unstreitig lag der Klägerin die bis zum 31.07.2015 gültige Freistellungsbescheinigung der Fa. XXX vor, weswegen sie auch von den wesentlichen Umständen zur Beendigung Kenntnis hatte. Der Beklagte war daher auch nicht gehalten, zeitlich nach Juli 2015 einen entsprechenden Hinweis zu erteilen.

Es kam schließlich auch nicht darauf an, ob der Beklagte seinerzeit die Freistellungsbescheinigung der Fa. XXX eingeholt und an die Klägerin – per Fax oder persönlich – weitergeleitet hatte. Soweit die Klägerin meint, der Beklagte habe durch dieses Verhalten einseitig sein (vertragliches) Pflichtenprogramm erweitert, kann allein in einer Übergabe eines Dokumentes ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die den sicheren Rückschluss auf ein konkludentes Angebot des Beklagten auf Vertragserweiterung zulassen, keine entsprechende Willenserklärung des Beklagten gesehen werden. Insoweit käme ebenfalls in Betracht, dass es sich um rein faktisches Verhalten handelt, dem kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zukäme.

Da bereits keine Haftung des Beklagten dem Grunde nach besteht, war die Klage mit allen Anträgen abzuweisen. Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf Nebenforderungen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

OLG Bamberg zu der Frage, dass wenn der Auftragnehmer von ihm bzw. seinen Mitarbeitern verursachte Mängel arglistig verschweigt, die Mängelansprüche des Auftraggebers nicht innerhalb von fünf Jahren ab der Abnahme der Leistung verjähren, sondern innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Auftraggebers von den den Anspruch begründenden Umständen.

VG Magdeburg zu der Frage, dass ein (fördermittelschädlicher) vorzeitiger Maßnahmebeginn jedenfalls dann vorliegt, wenn die einschlägige Förderrichtlinie eine klare Linie bei Leistungsphase 6 zieht und der Subventionsempfänger darüber informiert wurde, dass er im Rahmen einer Ausschreibung eingeschaltete Ingenieurbüros oder Architekten vor Erhalt der Förderzusage zur Wahrung der Förderfähigkeit nur mit Planungs- und Vorbereitungsleistungen bis einschließlich Leistungsphase 6 beauftragen soll

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Leistung eines mit der Errichtung einer Dach-Photovoltaikanlage beauftragten Auftragnehmers ist mangelhaft, wenn er Unterlegplatten und Dachhaken verwendet, die für die verbauten Dachziegel nicht zugelassen waren, die Konterlattung beschädigt und die Stromzuleitungs- und Erdungskabel ohne Abdichtungsmanschetten zwischen Dachstein und Schalung verlegt.
2. Verschweigt der Auftragnehmer von ihm bzw. seinen Mitarbeitern verursachte Mängel arglistig, verjähren die Mängelansprüche des Auftraggebers nicht innerhalb von fünf Jahren ab der Abnahme der Leistung, sondern innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Auftraggebers von den den Anspruch begründenden Umständen.
3. Bei gravierenden oder offensichtlichen Mängeln, die durch nachfolgende Arbeiten verdeckt werden, liegt Arglist nahe.
OLG Bamberg, Beschluss vom 10.10.2022 – 3 U 61/22
vorhergehend:
OLG Bamberg, Beschluss vom 29.08.2022 – 3 U 61/22
LG Hof, 21.02.2022 – 35 O 5/20
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – VII ZR 200/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


Gründe:

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie die gestellten Anträge wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022 sowie auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 29.08.22 Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022, Aktenzeichen 35 O 5/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Im Hinblick auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 26.09.2022 ist auszuführen:

1. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass aufgrund der Vorgänge im Jahr 2014 der Klägerin keine grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf eine Unkenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers vorzuwerfen und damit die Verjährung nicht eingetreten ist.

a) Es mag zwar sein, dass nach dem Erwerb des streitgegenständlichen Anwesens durch die Klägerin im Jahr 2010 Arbeiten am Dach nur durch die Dachdeckerfirma A. GmbH und den Beklagten durchgeführt wurden. Zutreffend ist auch, dass sich die Klägerin nach dem Starkregenereignis und dem damit verbundenen Wassereintritt im Jahr 2014 an keine der beiden Firmen gewandt hat. Allerdings setzt sich der Beklagte nicht mit der Tatsache auseinander, dass die Klägerin eine Fachfirma beauftragt und damit gerade versucht hat, die Klärung der Ursache des Schadens und der möglichen Verantwortlichkeit über eine neutrale Person herbeizuführen. Dass der von ihr gewählte Weg hierfür auch grundsätzlich geeignet war, stellt der Beklagte nicht in Abrede. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang eine Rechtspflicht zu konstruieren versucht, sich stattdessen auf Verdacht an einen der möglichen Schädiger zu wenden und diesen um Aufklärung nachzusuchen, um dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von einem Schaden und der Person des Schädigers zu entgehen, liegt dies neben der Sache.

b) Dass die von der Klägerin veranlasste Untersuchung ohne Erfolg blieb, ist der Klägerin nicht anzulasten, weil sie grundsätzlich auf die Kompetenz der beauftragten Fachfirma vertrauen durfte; Gegenteiliges trägt auch der Beklagte nicht vor.

c) Unbehelflich ist der Verweis auf das vor dem Senat anhängige Berufungsverfahren 3 U 410/21, in dem entgegen der Behauptung des Beklagten eine gänzlich andere Fallkonstellation streitgegenständlich ist, so dass sich ein weiteres Eingehen hierauf erübrigt.

Vorliegend kann also von einem “groben Pflichtenverstoß” oder einer “schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung” (BGH NJW 2009, 1482 Rn. 34) im Sinne der Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Bezug auf das Tätigwerden der Klägerin nach dem Wassereintritt im Jahr 2014 nicht die Rede sein, so dass dies einen Beginn der Verjährungsfrist nicht begründen kann.

d) Von einer Kenntnis der Klägerin von dem Schaden und der Person des Schädigers ist damit erst im Jahr 2016 auszugehen. Damit begann die aus § 634a Abs. 3 S. 1 BGB resultierende dreijährige Verjährungsfrist mit Ablauf dieses Jahres und endete mit Ablauf des Jahres 2019 (§ 199 Abs. 1, 195 BGB). Die Klageerhebung am 24.12.2019 hat daher gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung rechtzeitig gehemmt.

2. Auch die Einwendungen des Beklagten gegen die Höhe des Schadensersatzanspruchs greifen nicht durch.

a) Im Hinblick auf den angeblich vom Sachverständigen B. erstmals im Termin vom 17.01.2022 genannten Betrag von 20.000,00 Euro bestand für das Landgericht kein Anlass, deswegen einen ergänzenden Beweisbeschluss zu erlassen. Zum einen bezogen sich die Ausführungen des Sachverständigen auf die Kosten der Nachrüstung des Daches mit einer regendichten Nagelschutzbahn und nicht auf die Kosten der Beseitigung der vom Beklagten verursachten Schäden. Vor allem jedoch hat der Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die von der Klägerin unter Vorlage der Rechnung der Fa. A. behaupteten Aufwendungen zur Schadensbeseitigung in Höhe von 62.500,86 Euro nicht bestritten, weshalb sich eine Beweisaufnahme hierüber verbot und Ausführungen des Sachverständigen hierzu als nicht entscheidungserheblich zu behandeln gewesen wären. Zutreffend hat das Landgericht daher diese Kosten seiner Entscheidung zugrunde gelegt, auch wenn es der Klägerin aus Rechtsgründen (Sowiesokosten, Abzug “neu für alt“) nicht den vollen Betrag zugesprochen hat.

b) Soweit der Beklagte erstmals mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31.01.2022 die Schadenshöhe in Frage gestellt hat, hat der Senat bereits in dem vorgenannten Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt, dass das Landgericht rechtsfehlerfrei von einem Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO abgesehen hat. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Einer weiteren Erörterung bedarf das Vorbringen im Schriftsatz vom 26.09.2022, das der Senat zur Kenntnis genommen hat, nicht.

Die Berufung des Beklagten ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO.

VG Magdeburg zu der Frage, dass ein (fördermittelschädlicher) vorzeitiger Maßnahmebeginn jedenfalls dann vorliegt, wenn die einschlägige Förderrichtlinie eine klare Linie bei Leistungsphase 6 zieht und der Subventionsempfänger darüber informiert wurde, dass er im Rahmen einer Ausschreibung eingeschaltete Ingenieurbüros oder Architekten vor Erhalt der Förderzusage zur Wahrung der Förderfähigkeit nur mit Planungs- und Vorbereitungsleistungen bis einschließlich Leistungsphase 6 beauftragen soll

VG Magdeburg zu der Frage, dass ein (fördermittelschädlicher) vorzeitiger Maßnahmebeginn jedenfalls dann vorliegt, wenn die einschlägige Förderrichtlinie eine klare Linie bei Leistungsphase 6 zieht und der Subventionsempfänger darüber informiert wurde, dass er im Rahmen einer Ausschreibung eingeschaltete Ingenieurbüros oder Architekten vor Erhalt der Förderzusage zur Wahrung der Förderfähigkeit nur mit Planungs- und Vorbereitungsleistungen bis einschließlich Leistungsphase 6 beauftragen soll

vorgestellt von Thomas Ax

Ein (fördermittelschädlicher) vorzeitiger Maßnahmebeginn liegt jedenfalls dann vor, wenn die einschlägige Förderrichtlinie eine klare Linie bei Leistungsphase 6 zieht und der Subventionsempfänger darüber informiert wurde, dass er im Rahmen einer Ausschreibung eingeschaltete Ingenieurbüros oder Architekten vor Erhalt der Förderzusage zur Wahrung der Förderfähigkeit nur mit Planungs- und Vorbereitungsleistungen bis einschließlich Leistungsphase 6 beauftragen soll.
VG Magdeburg, Urteil vom 25.03.2024 – 3 A 155/21

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten verfügte Rückforderung von Subventionen.

Mit Schreiben vom 21.5.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Zuwendung in Höhe von 240.000,- Euro aus dem Aufzugsprogramm Sachsen-Anhalt (Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Herstellung des barrierefreien Zugangs zu Wohngebäuden und Wohnungen, Aufzugsprogramm – AufzugsRL). Geplant waren Maßnahmen der Barrierereduzierung zur Verbesserung des Zugangs zu Wohngebäuden mit 24 Wohnungen in ###, ###.

Mit Ziff. 5. b) des vorgegebenen Antragsformulars versicherte die Klägerin:

“Mit dem im Antrag dargestellten Vorhaben habe(n) ich/wir noch nicht begonnen und werden auch nicht vor Erhalt des Zuwendungsbescheides beginnen. Mir/Uns ist bekannt, dass als Vorhabensbeginn grundsätzlich bereits der verbindliche Abschluss von Lieferungs- oder Leistungsverträgen – dazu gehören auch Darlehensverträge -, die der Ausführung zuzurechnen sind, anzusehen ist. Der Abschluss von Lieferungs- und Leistungsverträgen steht der Förderung dann nicht entgegen, wenn dem Antragsteller nach diesem Vertrag ein Rücktrittsvorbehalt eingeräumt ist und ihm im Fall des Rücktritts – außer den Kosten für Planung, Bodenuntersuchung und Grunderwerb – keine weiteren Lasten entstehen. Mir/Uns ist bekannt, dass dagegen mit der Ausführung der Leistungen aus den Verträgen auch bei Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts nicht begonnen werden darf.”

Beigefügt und unterzeichnet wurde auch die Erklärung zur Vergabe von Aufträgen vom 21.5.2019 mit dem Passus:

“Ich versichere/Wir versichern, dass mir/uns die einschlägigen vergaberechtlichen Vorschriften bekannt sind und dass die Vergabe von Aufträgen für das beantragte Vorhaben gemäß diesen Regelungen erfolgt. Sofern bereits vor Auftragserteilung bzw. vor Abgabe dieser Erklärung Aufträge vergeben worden sind (z.B. für Planungsleistungen) versichere(n) ich/wir, dass die Vergabe gemäß diesen Regelungen erfolgt ist. Die im jeweiligen Förderprogramm geltenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines vorzeitigen Vorhabenbeginns (Abschluss von Lieferungs- und Leistungsverträgen) bleiben hiervon unberührt.”

Mit Bescheid vom 26.7.2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin für ihr Vorhaben eine Zuwendung in Höhe von bis zu 240.000,- Euro als nicht rückzahlbaren Zuschuss im Wege der Projektförderung. Als rechtliche Grundlagen und Bestandteile des Bescheides wurden der Antrag der Klägerin, die Förderrichtlinie, die §§ 23, 44 LHO nebst dazu ergangener Verwaltungsvorschriften und ANBest-P genannt. Der vorgelegte Ausgaben- und Finanzierungsplan mit Gesamtausgaben des Vorhabens von 538.576,15 Euro wurde für verbindlich erklärt. Der Projektzeitraum wurde mit dem Projektbeginn 26.7.2019 und Projektschluss 25.2.2021 festgesetzt. Der Bewilligungszeitraum wurde vom 26.7.2019 (Beginn) bis zum 25.8.2021 (Ende) festgelegt. In den beigefügten Nebenbestimmungen wurden u.a. die vergaberechtlichen Bestimmungen der VOB/A, VOL/A einbezogen. Weiter heißt es in Ziff. 7.2.1: Weitere Pflichten nach Nr. 3 der ANBest-P bleiben unberührt. Beigefügt waren des weiteren Rücknahme- und Widerrufsvorbehalte (Ziff. 9), etwa für den Fall, dass mit dem Projekt vor Projektbeginn (Ziff. 3) begonnen wurde. Der Klägerin wurde die Führung eines Verwendungsnachweises auferlegt. Der Bescheid wurde aufgrund Rechtsbehelfsverzichts bestandskräftig.

Unter dem 11.12.2020 legte die Klägerin den Verwendungsnachweis vor. Sie gab hierbei an, es seien auch Ausgaben abgerechnet, für die Verträge vor dem bewilligten Projektbeginn abgeschlossen bzw. Aufträge ausgelöst worden seien. Es handele sich dabei ausschließlich um Verträge für Planung/Bodenuntersuchung/Grunderwerb. Vorgelegt wurden auch Rechnungen des Ingenieurbüros ### vom 28.5.2019 und 26.10.2020 über den Leistungszeitraum ab 17.12.2018 und einer Vergütung von 2 % für die Leistungsphase 7.

Unter dem 3.3.2021 hörte die Beklagte die Klägerin infolgedessen zur Frage der Rücknahme der Förderung wegen vorzeitigen Beginns an. Hierzu nahm die Klägerin mit e-mail vom 9.3.2021 wie folgt Stellung:

Die Planungsphase 8 sei erst beauftragt worden, nachdem der Zuwendungsbescheid eingegangen sei.

“Was allerdings definitiv beauftragt war, ist die Planungsphase 7, welche in den Förderrichtlinien keine Erwähnung findet”.

Mit Bescheid vom 26.5.2021 nahm die Beklagte den Zuwendungsbescheid vom 26.7.2019 – gestützt auf § 48 VwVfG – mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und forderte die Erstattung bereits ausgezahlter 216.000,- Euro nebst Verzinsung. Zur Begründung wurde unter Ausübung von Ermessen ausgeführt, die Klägerin habe mit dem Vorhaben vorzeitig begonnen.

Am 24.6.2021 hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor: Der Zuwendungsbescheid enthalte weder im Tenor noch in der Begründung einen Hinweis auf die Schädlichkeit eines vorzeitigen Maßnahmebeginns. Er enthalte dafür auch keine Definition. Die ANBest-P seien auch nicht Inhalt des Bescheides. Gem. §§ 133, 157 BGB sei bei der Vorzeitigkeit auf den unmittelbaren Baubeginn abzustellen. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben. Die Förderrichtlinie lasse sich auch zu Gunsten der Klägerin auslegen. Sie, die Klägerin, habe die bauausführenden Firmen erst am 30.7.2019 und später beauftragt. Leistungen aus der Planungsphase 8 seien erst nach Ergehen des Zuwendungsbescheides erbracht worden. Zugegebenermaßen seien Teile der Planungsphase 7 gegenüber dem Ingenieurbüro ### schon am 17.12.2018 beauftragt worden. Sie habe bei Erstellung und Versand der Leistungsverzeichnisse, Auswertung und Vergleich der Angebote der Mithilfe des Planers/Architekten bedurft, da es an eigenem know-how fehle. Es handele sich um die Sondierung von Angeboten nach Ausschreibung. Dies sei der Planung und Vorbereitung des Vorhabens zuzurechnen, nicht aber der Phase der Ausführung. Die Leistungsphase 7 sei auch nicht vollständig beauftragt worden, sondern nur zu 2 % statt 4 %. Die eingegangenen Angebote seien technisch und kaufmännisch zu klären gewesen. Mitwirkung bei der Auftragserteilung sei keine Leistung, die vor der Förderzusage erbracht worden sei. Die Beklagte habe die Leistungen innerhalb der Leistungsphase 7 nicht differenziert. Aus dem Auftrag an das Ingenieurbüro vom 17.12.2018 sei nicht auf einen unbedingten Willen zur Durchführung des Bauvorhabens auch ohne Förderung zu schließen. Wäre die Förderung abgelehnt worden, hätte sie das Projekt nicht durchgeführt. Eine Förderschädlichkeit der Leistungsphase 7 sei der Förderrichtlinie nicht zu entnehmen, so dass eine differenzierende und einzelfallbezogene Betrachtung geboten sei. Der Richtliniengeber hätte sonst klarstellend regeln können, als Vorhabenbeginn seien sämtliche Leistungen anzusehen und damit nicht förderfähig. Der Fragenkatalog der FAQ sei nicht Bestandteil des Bescheides und daher unerheblich. Auch beziehe sich Frage 14. der FAQ auf vollständige Leistungsphasen und nicht etwa auf Teile der Leistungsphase 7. Das VG Lüneburg habe mit Urt. v. 8.12.2010 – 5 A 163/09 – entschieden, dass die Planungsphase bis in die Leistungsphase 7 hineinreiche. Die gegenteilige Auffassung des OVG Nds. (Urt. v. 13.9.2012 – 8 LB 58/12 -) überzeuge nicht. Für die Leistungsphasen 5-7 sei offen, ob sie noch der Planung oder bereits der Ausführung zuzurechnen seien (Sächs. OVG, Urt. v. 5.8.2020 – 6 A 1165/17 -). Auch in Bayern gälten Planungsaufträge bis einschließlich Leistungsphase 7 nicht als Beginn des Bauvorhabens. Sie, die Klägerin, habe die Ausschreibung jederzeit aufheben können mit der Folge, dass der Bieter auf einen Schadensersatzanspruch gerichtet auf das negative Interesse beschränkt sei. Die Ausschreibung selbst begründe noch keinen Leistungsvertrag, sondern nur ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis. Sie, die Klägerin, habe nach bestem Wissen und Gewissen angegeben, mit dem Vorhaben noch nicht begonnen zu haben. Sie genieße daher Vertrauensschutz, der der Rücknahme des Zuwendungsbescheides entgegenstehe. Dem Erstattungsanspruch stehe entgegen, dass sie sich auf den Einwand der Entreicherung berufe


Die Klägerin beantragt,

den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 26.5.2021 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erwidert: Es liege ein förderschädlicher vorzeitiger Vorhabenbeginn vor. Das ergebe sich aus Ziff. 4.1 der Förderrichtlinie und Ziff. 14. der dazu im Internet veröffentlichten FAQ (“Planungsleistungen sind nur förderfähig, sofern sie nach Bewilligung anfallen. Vor Bewilligung sind sie bis einschließlich Leistungsphase 6 aber nicht förderschädlich.”). Die Klägerin habe bereits am 17.12.2018 das Ingenieurbüro ### mit der Planung und Ausführung des Bauvorhabens beauftragt. Dies gehe aus deren Rechnung vom 28.5.2019 (Bl. 429 der Beiakte C) hervor, in der auch die Leistungsphasen 5-8 ausgewiesen seien. Am 20.12.2018 sei die Ausschreibung in der Mitteldeutschen Zeitung mit Datum der Zuschlagsfrist 31.5.2019 veröffentlicht worden (Rechnung hierfür Bl. 435 der Beiakte C). Die Ausschreibung sei nicht unter dem Vorbehalt der Bewilligung der Fördermittel erfolgt. Solle das Vergabeverfahren unter den echten Vorbehalt der Bewilligung einer Förderung gestellt werden, so müsse dies in der Ausschreibung deutlich gemacht werden. Geschehe dies – wie hier – nicht, werde also vorbehaltlos ausgeschrieben, verhalte sich der Auftraggeber vergaberechtswidrig, wenn die Finanzierung noch nicht gesichert sei. Die Durchführung von Vergabeverfahren zum Zweck der bloßen Markterkundung sei unzulässig (§ 2 Abs. 7 S. 2 VOB/A). Bei der Ausschreibung müsse eine konkrete Vergabeabsicht und die tatsächliche Möglichkeit der Zuschlagserteilung bestehen, andernfalls sei die Ausschreibung unzulässig. Der Umstand, dass die Anzeige in der ### gerade einmal 3 Tage nach Beauftragung des Ingenieurbüros erfolgt sei, lasse die Darstellung der Klägerin zweifelhaft erscheinen. Spätestens mit Mitteilung der Zuschlagsfrist 31.5.2019 sei eine vertragliche Bindung eingetreten, da der Zuwendungsbescheid erst später ergangen sei. Voraussetzung für die Veranlassung der Ausschreibung sei die Ausschreibungsreife nach § 2 Abs. 8 VOB/A. Die streitgegenständlichen Maßnahmen seien bereits Teil der Ausführung und seien nicht der bloßen Planungs- und Vorbereitungsphase zuzuordnen. Der Abschluss des Honorarvertrags eines derartigen Umfangs lasse darauf schließen, dass sich die Klägerin bereits zur Ausführung des Vorhabens entschlossen hatte, bevor der Zuwendungsbescheid ergangen sei. Das Planungsstadium sei mit der Leistungsphase 7 (Mitwirkung bei der Vergabe) überschritten. Die bereits in Anspruch genommenen Leistungen des Ingenieurbüros hätten die Entscheidung über die Vergabe vorgezeichnet, wie sich aus dessen e-mail vom 9.3.2021 (Bl. 135 der Beiakte A) ergebe. Bei den Kosten handele es sich daher um solche der Ausführung des Vorhabens.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.5.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die in dem Bescheid verfügte Rücknahme des Zuwendungsbescheides vom 26.7.2019 ist § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der eine Geldleistung gewährt, darf dabei nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der Abs. 2-4 des § 48 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind im vorliegenden Fall gegeben.

Bei der Gewährung eines Zuschusses für Maßnahmen zur Barrierefreiheit von Wohnungen der Klägerin handelte es sich um eine haushaltsrechtlich zweckgebundene Geldleistung i.S.v. §§ 23, 44 LHO. Da die Bewilligung derartiger Zuwendungen im Ermessen der zuständigen Behörde liegt und das Gesetz selbst Umfang und Voraussetzungen der Subventionierung nicht abschließend regelt, sind aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) für die Beurteilung, ob ein Zuschuss gewährt und aufrechterhalten werden kann, die jeweils gültigen Verwaltungsrichtlinien maßgebend. Diese sind in der im Zeitpunkt des Vorliegens eines vollständigen Antrags der Klägerin geltenden Förderrichtlinie des Landes enthalten – hier der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Herstellung des barrierefreien Zugangs zu Wohngebäuden und Wohnungen (Aufzugsprogramm – AufzugsRL) -, RdErl. des MLV vom 7.7.2017 – (MBl. LSA S. 443 ff.), im Folgenden: Förderrichtlinie. Diese Vorschriften sind auch in den in Bestandskraft erwachsenen Bewilligungsbescheid vom 26.7.2019 einbezogen und bereits aufgrund des zwingend zu verwendenden Antragsformulars (Ziff. 8 der Förderrichtlinie) wirksam zum Inhalt der Förderung gemacht worden.

Nach Maßgabe der Förderrichtlinie wird die Förderung u.a. aufgrund von Rechtsgrundlagen des Landeshaushaltsrechts, des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) und des BGB (Ziff. 1.1) gegenüber Eigentümern von in Sachsen-Anhalt gelegenem Wohnraum (Ziff. 3.1) erbracht. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Zuwendung besteht nicht, vielmehr entscheidet die Bewilligungsstelle der Beklagten (Ziff. 9.1) auf Grund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Ziff. 1.2). Zu den Zuwendungsvoraussetzungen gehört, dass Bauvorhaben, mit deren Ausführung bereits vor Erteilung der Förderzusage begonnen worden ist, nicht gefördert werden dürfen (Ziff. 4., 4.1 S. 1). Als Vorhabenbeginn ist der Abschluss von Lieferungs- und Leistungsverträgen anzusehen, die der Ausführung zuzurechnen sind; Planung bis einschließlich Leistungsphase 6 des § 34 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), Bodenuntersuchung, das Herrichten des Grundstücks und der Grunderwerb gelten nicht als Beginn des Bauvorhabens. Der Abschluss von Lieferungs- und Leistungsverträgen steht der Förderung dann nicht entgegen, wenn dem Antragsteller nach diesen Verträgen ein Rücktrittsvorbehalt eingeräumt ist und ihm im Falle des Rücktritts – außer den Kosten für Planung, Bodenuntersuchung und Grunderwerb – keine weiteren Lasten entstehen. Mit der Ausführung der Leistungen darf im Sinne von Satz 1 auch bei Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts nicht begonnen werden (Ziff. 4.1).

Bei der Rechtmäßigkeitsprüfung des angefochtenen Bescheides ist es dem Gericht allerdings verwehrt, die Bestimmungen der Förderrichtlinie wie ein Gesetz auszulegen und an dieser Interpretation gemessen die Entscheidung der Beklagten zu überprüfen. Denn Subventionsrichtlinien sind keine Rechtsnormen. Vielmehr lenken sie das Ermessen der für die Bewilligung der Subventionen zuständigen Behörde und sind insoweit gem. § 114 VwGO verwaltungsgerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob bei der Anwendung der Richtlinien im Einzelfall, in dem die beantragte Leistung (teilweise) versagt bzw. nicht aufrechterhalten worden ist, der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (std. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.1979, BVerwGE 58, 45, 51).

Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG), im Einklang mit §§ 23, 44 LHO LSA, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Das Verwaltungsgericht hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 -; BayVGH, Beschl. v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 -; Urt. v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 -; VG Cottbus, Urt. v. 31.5.2021 – 3 K 2082/18 (Förderung des Abbaus von Barrieren bei vorhandenem Wohnraum) -). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden.

Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach entgegen der klägerischen Auffassung nicht daran anzusetzen, wie die für den Zuwendungsbescheid vom 26.7.2019 maßgebliche Förderrichtlinie nach natürlichem Sprachgebrauch oder gem. §§ 133, 157 BGB und ggf. auch zu Gunsten der Klägerin auszulegen wäre, sondern daran, welche Förderpraxis der Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag. Diese Förderpraxis indes war vorliegend nach den unwiderlegten Ausführungen der Beklagten dergestalt, dass die vor Erlass des Zuwendungsbescheides erfolgte Beauftragung von Leistungen eines Ingenieurbüros über Leistungen der Mitwirkung bei der Vergabe nach Leistungsphase 7 der HOAI v. 10.7.2013 (BGBl. I S. 2276) – wie vorliegend – als vorzeitiger Beginn des Vorhabens gilt und damit eine Förderfähigkeit ausscheidet. Dies ist bereits deshalb sachgerecht und willkürfrei, weil die Förderrichtlinie in Ziff. 4.1 deutlich vorgibt, was als förderunschädlich gilt, nämlich die “Planung bis einschließlich Leistungsphase 6”.

Mit dem Antrag vorzulegen war eine Erklärung, dass mit der Maßnahme noch nicht begonnen wurde. Zu den Erklärungen der Klägerin gehörte Ziff. 5. b) des formgebundenen Antrags (Ziff. 8 der Förderrichtlinie), die lautet:

“Mit dem im Antrag dargestellten Vorhaben habe(n) ich/wir noch nicht begonnen und werden auch nicht vor Erhalt des Zuwendungsbescheides beginnen. Mir/Uns ist bekannt, dass als Vorhabenbeginn grundsätzlich bereits der verbindliche Abschluss von Lieferungs- oder Leistungsverträgen – dazu gehören auch Darlehensverträge -, die der Ausführung zuzurechnen sind, anzusehen ist. Der Abschluss von Lieferungs- und Leistungsverträgen steht der Förderung dann nicht entgegen, wenn dem Antragsteller nach diesem Vertrag ein Rücktrittsvorbehalt eingeräumt ist und ihm im Fall des Rücktritts – außer den Kosten für Planung, Bodenuntersuchung und Grunderwerb – keine weiteren Lasten entstehen. Mir/Uns ist bekannt, dass dagegen mit der Ausführung der Leistungen aus den Verträgen auch bei Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts nicht begonnen werden darf.”

Diese Erklärung im Subventionsantrag steht im Einklang mit Ziff. 4.1 sowie 1.1. a) der Förderrichtlinie i.V.m. Ziff. 1.3 VV-LHO, denn die Gewährung der Zuwendungen und ggf. deren Rückabwicklung erfolgt auf der Grundlage der §§ 23, 44 LHO sowie der VV-LHO zu § 44 LHO (Ziff. 1.1 a, 7. der Förderrichtlinie).

In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen erklärte die Klägerin in ihrem Antrag vom 21.5.2019, sie habe vom Inhalt der geltenden Richtlinien Kenntnis genommen. Die in der Förderrichtlinie genannten Rechtsgrundlagen einschließlich der haushaltsrechtlichen Bestimmungen sind damit ordnungsgemäß zum Bestandteil des Antrags und auch durch den Bescheid vom 26.7.2019 zum Bestandteil der Zuwendungsentscheidung gemacht worden.

Nach den Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung (VV-LHO) – RdErl. des MF vom 1.2.2001 – (MBl. LSA S. 241 ff.), zuletzt geändert durch RdErl. v. 21.12.2017 (MBl. LSA 2018 S. 211), dürfen Zuwendungen zur Projektförderung nur für solche Vorhaben bewilligt werden, die noch nicht begonnen worden sind (Ziff. 1.3 Satz 1 VV-LHO zu § 44 LHO). Es ist im maßgeblichen Förderzeitraum auch weder im Einzelfall der Klägerin noch generell für Vorhaben der hier streitigen Art ein vorzeitiger Maßnahmebeginn von der obersten Landesbehörde über die Leistungsphase 6 hinaus zugelassen worden (Ziff. 1.3 Satz 2 VV-LHO zu § 44 LHO). Diese Vorschriften dienen der Verhinderung von Mitnahmeeffekten, denn die aus öffentlichen Steuermitteln stammenden Subventionen sollen neue, zusätzliche Wirtschaftsimpulse (hier: Baumaßnahmen für barrierefreie Wohnungen) auslösen und nicht bereits bestehende Strukturentscheidungen nachfinanzieren.

Die Klägerin vermag sich für ihr Vorbringen, sie habe “zugegebenermaßen” “Teile” der Leistungsphase 7 am 17.12.2018 (vor Ergehen des Zuwendungsbescheides vom 26.7.2019) beauftragt, nicht auf die Verwaltungspraxis in anderen Bundesländern (Niedersachsen, Sachsen, Bayern) zu berufen. So muss etwa die Förderung nicht ausgeschlossen sein, wenn nur ein Ingenieurvertrag über die Vorhabenplanung unter Einschluss einer der Leistungsphasen 7-9 HOAI abgeschlossen worden ist, der Vertragsschluss über die eigentlichen Bauleistungen aber noch aussteht, wenn es an einer ausdrücklichen Vorgabe in den Förderrichtlinien fehlt, die sich auf den Umgang mit Ingenieur-Honorarverträgen beziehen, welche vor einer Bewilligungsentscheidung abgeschlossen sind (so OVG NRW, Urt. v. 8.9.2023 – 4 A 3042/19 -). Das ist im vorliegenden Fall ausdrücklich anders. Gerade zum Ausschluss von Missverständnissen, wann die Planungs- und Vorbereitungsphase endet und ein förderschädlicher Beginn anfängt (vgl. OVG Nds., Urt. v. 13.9.2012 – 8 LB 58/12 -; Sächs. OVG, Urt. v. 5.8.2020 – 6 A 1175/17 -: “… verhalten sich die sächsischen Verwaltungsvorschriften nicht dazu, bis zu welcher Leistungsphase der Gegenstand eines Ingenieurleistungsvertrages nicht mehr der förderunschädlichen Planung zugerechnet wird”; kritisch hierzu Häberer, Vorzeitiger Maßnahmebeginn – Nichts geht mehr?, in: NVwZ 2019, 1230, 1232 m.w.N., jedoch mit der Empfehlung “… sollten in der Praxis auch die Leistungsphasen 6 und 7 der HOAI bei geförderten Projekten vorsorglich nicht beauftragt werden, solange noch keine Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn vorliegt oder der Zuwendungsbescheid erlassen wurde”), hat die hier einschlägige Förderrichtlinie eine klare Linie bei Leistungsphase 6 gezogen und damit der Beklagten als Bewilligungsstelle (Ziff. 9.1) deutliche ermessenslenkende Vorgaben gemacht. Entsprechend waren Subventionsinteressierte darüber informiert, dass sie im Rahmen einer Ausschreibung eingeschaltete Ingenieurbüros oder Architekten vor Erhalt der Förderzusage zur Wahrung der Förderfähigkeit nur mit Planungs- und Vorbereitungsleistungen bis einschließlich Leistungsphase 6 beauftragen sollten, denn nur dann galt dies nicht als Beginn des Vorhabens. Dies hat die Klägerin, wie aus den Rechnungen des Ingenieurbüros ### vom 28.5.2019 und 26.10.2020 ersichtlich, nicht beachtet. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob ein “Ausstieg” aus der Ausschreibung unter Inkaufnahme, Schadensersatz leisten zu müssen, möglich gewesen wäre, sondern allein darauf, ob ein Rücktrittsvorbehalt schriftlich vereinbart wurde. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Geeignete Nebenbestimmungen, welche es der Klägerin ermöglicht hätten, im Fall der Versagung der Fördermittel vom Vertrag kostenfrei Abstand zu nehmen, hat die Klägerin nicht dargetan. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin in der Ausschreibung in der Mitteldeutschen Zeitung deutlich gemacht habe, dass die Vergabe unter den Vorbehalt der Bewilligung von Fördermitteln gestellt werde (vgl. Thür. OVG, Urt. v. 27.4.2004 – 2 KO 433/03 -).

Gegen die Rücknahme der Zuwendungsentscheidung im Fall des vorzeitigen Beginns bestehen keine rechtlich durchgreifenden Bedenken. Bei der Gewährung von Subventionen kann der Subventionsgeber die Einhaltung strenger Form- und Fristerfordernisse zur Voraussetzung machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.5.1973, NJW 1973, 2172). Durch den Ausschluss des vorzeitigen Beginns soll die Entscheidungsfreiheit sowohl der Bewilligungsbehörde als auch des Antragstellers gewährleistet werden (vgl. OVG NRW, Urt. v. 7.2.1977, OVGE 32 Nr. 48; VG München, Urt. v. 2.6.2016 – M 15 K 13.5005 -,). D.h., auch der Subventionsbewerber selbst soll durch den grundsätzlichen Ausschluss des vorzeitigen Beginns vor finanziellen Nachteilen geschützt werden, denn er muss sich des Risikos bewusst sein, dass auch durch Schaffung vollendeter Tatsachen (Beginn der ggf. förderungswürdigen Maßnahme) vor Erlass des Zuwendungsbescheides kein Rechtsanspruch auf eine spätere Förderung abgeleitet werden kann und dass er die volle Verantwortung für die Finanzierung zunächst selbst trägt. Hinzu kommt, dass der grundsätzliche Ausschluss des vorzeitigen Beginns auch dazu dient, den wirksamen Einsatz der Haushaltsmittel zu sichern. Denn es ist nicht Sinn der Subventionierung, solche Vorhaben zu fördern, zu deren Ausführung und Finanzierung der Antragsteller ohnehin bereits entschlossen und/oder auch ohne staatliche Hilfe in der Lage ist (vgl. OVG RhPf., Urt. v. 4.9.1981, DVBl. 1982, 219).

Die Klägerin hatte daher frühzeitig Kenntnis von der Förderschädlichkeit des vorzeitigen Maßnahmebeginns durch einen Vertragsschluss mit dem Ingenieurbüro über die Leistungsphase 6 hinaus, bevor ihr die Förderentscheidung der Beklagten vorliegt.

Aufgrund des vorliegenden Verstoßes gegen das Verbot des vorzeitigen Beginns i.V.m. dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und der – gerichtsbekannten – ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten (vgl. zuletzt VG Magdeburg, Urt. v. 23.1.2024 – 3 A 141/21 MD -) ist die Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheides gegeben.

Ermessensfehler i.S.v. § 114 VwGO sind im Bescheid der Beklagten vom 26.5.2021 nicht ersichtlich. Insbesondere ist die rückwirkende und vollständige Aufhebung des Zuwendungsbescheides mangels besonderer Umstände nicht unverhältnismäßig. Zutreffend hat die Beklagte insoweit ausgeführt, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Rücknahme des Zuwendungsbescheides infolge der Verpflichtung zum wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln gegenüber dem privaten Interesse der Klägerin, die bewilligte Zuwendung zur Auszahlung zu erhalten, überwiegt. Diese Erwägungen entsprechen den Grundsätzen des sog. intendierten Ermessens, wonach mit Rücksicht auf die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung (vgl. § 7 LHO) das Ermessen in der Regel nur durch die Aufhebung des Zuwendungsbescheides fehlerfrei ausgeübt werden kann (BVerwG, Urt. v. 16.6.1997, BayVBl. 1998, 27; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 2.12.1999 – A 1 S 89/99 -). Es liegt allein im Verantwortungsbereich des Maßnahmenträgers, rechtzeitig die Voraussetzungen für die Förderfähigkeit seines Projekts zu schaffen und dies gegenüber dem Subventionsgeber darzulegen. Aufgrund der Angaben im Subventionsantrag kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Folgerichtig ergibt sich der Rückzahlungsanspruch sodann aus § 49a Abs. 1 S. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA und die Zinsregelung aus § 49 a Abs. 3 S. 1 VwVfG. Auch die Zinshöhe ist nicht zu beanstanden (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 25.3.2021 – 3 A 284/19 -), zumal die Klägerin nichts dazu vorträgt.

Ergänzend und zur Vermeidung von Wiederholungen stellt das Gericht fest, dass es den Feststellungen und der Begründung des ergangenen Bescheides der Beklagten vom 26.5.2021 folgt, und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 117 Abs. 5 VwGO ab.

Die Klage war nach alldem abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Kurz belichtet – Was ist ein „Einfamilienhaus“?

Kurz belichtet - Was ist ein „Einfamilienhaus“?

OLG Hamm, Urteil vom 18.03.2024 – 18 U 80/23

1. Eine Anwendung der §§ 656a ff. BGB auf Objekte mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten unter dem Begriff “Wohnung” scheidet aus.

2. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Objekt als “Einfamilienhaus” i.S.d. §§ 656a ff. BGB zu qualifizieren ist, ist darauf abzustellen, ob eine Nutzung des Gesamtobjekts durch die Mitglieder eines einzigen Haushalts nach der Aufteilung des Gebäudes und dessen sonstigen Eigenschaften unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung objektiv angelegt ist.

3. Das Vorhandensein einer zweiten Wohnung von untergeordneter Bedeutung steht der Qualifikation eines Objekts als “Einfamilienhaus” i.S.d. §§ 656a ff. BGB nicht entgegen (vgl. BT-Drucks. 19/15827, S. 18). Die Frage der Unterordnung ist anhand einer Gesamtbetrachtung der objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beantworten.

4. Die Gestaltungs- und Nutzungsabsichten des Erwerbers spielen für die sachliche Anwendbarkeit der §§ 656a ff. BGB grundsätzlich keine Rolle, vielmehr kommt es grundsätzlich allein auf den vorbestehenden Zustand des Objekts an.

Kurz belichtet – Übernahme des Mangelbeseitigungsrisikos durch ungeeignete Mangelbeseitigungsmaßnahme?

Kurz belichtet - Übernahme des Mangelbeseitigungsrisikos durch ungeeignete Mangelbeseitigungsmaßnahme?

LG Lübeck, Urteil vom 18.04.2024 – 10 O 222/22

Ergreift ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen, verschlechtert dadurch das anfängliche Ergebnis und nimmt dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen damit eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme, geht deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen über (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten “weißen Wanne” durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen).

BGH zu der Frage, dass der Tatrichter, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht – auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) – auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten darf, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

BGH zu der Frage, dass der Tatrichter, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht - auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) - auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten darf, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

vorgestellt von Thomas Ax

Zur Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Inanspruchnahme eigener Sachkunde des Gerichts im Rahmen der Schadensschätzung (hier entgangener Gewinn, § 252 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO; im Anschluss an BVerfG, NJW 2003, 1655, unter II. 1.; BVerfG, Beschluss vom 09.10.2007 – 2 BvR 1268/03, BeckRS 2007, 28255; ; BVerfG, NJW 2021, 50, Rn. 20; BGH, Urteil vom 06.12.1995 – VIII ZR 270/94, NJW 1996, 584, unter II. 3. b) cc); Beschluss vom 09.01.2018 – VI ZR 106/17, NJW 2018, 2730, Rn. 16 = IBR 2018, 424 ).
BGH, Beschluss vom 26.03.2024 – VIII ZR 89/23
vorhergehend:
OLG Brandenburg, 15.08.2023 – 7 U 40/20
OLG Brandenburg, 12.04.2023 – 7 U 40/20
LG Potsdam, 05.02.2020 – 6 O 85/17


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bünger, die Richter Kosziol und Dr. Schmidt sowie die Richterinnen Wiegand und Dr. Böhm

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – 7. Zivilsenat – vom 12. April 2023 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. August 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung der Höhe nach angreift.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorstehend genannten Urteil zurückgewiesen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 350.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

1

Die Klägerin nimmt nach einem Unternehmenskauf die Beklagte wegen pflichtwidriger Konkurrenztätigkeit zuletzt auf Zahlung entgangenen Gewinns in Anspruch.

2

Die Beklagte war Gründerin, Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der K. S. GmbH (im Folgenden: K. S. GmbH), deren Geschäftsgegenstand die Betreuung schwerstkranker Kinder ist. Im April 2015 veräußerte sie ihre Anteile an der Gesellschaft zu einem Kaufpreis von 2 Mio. EUR an die Klägerin. Diese ist (als Konzernmutter) mit mehreren Gesellschaften ebenfalls im Bereich der Kinderintensivpflege tätig. Der Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag der Parteien enthielt ein “Wettbewerbs- und Abwerbeverbot”, wonach sich die Beklagte verpflichtete, für die Dauer von 30 Monaten nach dem Kauf keine Konkurrenztätigkeit auf dem Gebiet der Betreuung schwerstkranker Kinder – auch nicht durch Gründung eines Unternehmens – auszuüben und keine Mitarbeiter der K. S. GmbH abzuwerben.

3

Die Beklagte blieb zunächst Geschäftsführerin der veräußerten Gesellschaft. Nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen war, sprach die Klägerin im Februar 2016 zunächst die ordentliche, später auch die außerordentliche Kündigung des Dienstleistungsvertrags mit der Beklagten aus und berief diese als Geschäftsführerin ab.

4

Im März 2016 gründete die Beklagte mittels einer Strohfrau die F. GmbH, welche die Pflege schwerstkranker Kinder im räumlichen Geschäftsgebiet der K. S. GmbH anbot. Bis Ende Mai 2016 kündigten mindestens 32 Angestellte der K. S. GmbH dort ihre Arbeitsverhältnisse und schlossen Arbeitsverträge mit der F. GmbH.

5

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe schon vor dem Verkauf ihrer Gesellschaftsanteile an sie geplant, eine Konkurrenzgesellschaft zu gründen, Mitarbeiter zu übernehmen und auch bisherige Kunden der K. S. GmbH abzuwerben. Die erstinstanzlich zuletzt auf die Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Stammkapitalanteils gerichtete Klage der Klägerin hat vor dem Landgericht keinen Erfolg gehabt. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf eine mögliche Nebenpflichtverletzung der Beklagten aus dem Unternehmenskaufvertrag aufgrund der Konkurrenztätigkeit zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung entgangenen Gewinns in Höhe von 800.000 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat – unter Zurückweisung des Rechtsmittels und Abweisung der Klage im Übrigen – die Beklagte zur Zahlung von 350.000 EUR nebst Zinsen verurteilt.

6

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung begehrt.

II.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die Beklagte hafte der Klägerin auf Schadensersatz, da sie eine Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag über die Gesellschaftsanteile verletzt habe (§ 453 Abs. 1, § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB). Auf die Frage der Wirksamkeit des im Unternehmenskaufvertrag der Parteien vereinbarten Wettbewerbs- und Abwerbeverbots komme es nicht an. Denn auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung bestehe für den Verkäufer – hier die Beklagte – ein Verbot des Wettbewerbs mit dem auf den Käufer – hier die Klägerin – übergegangenen Unternehmen. Das Verbot folge als Nebenpflicht aus dem Vertragszweck, dem Käufer die Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, und reiche daher sachlich, räumlich und zeitlich so weit, wie es erforderlich sei, um diesen Zweck nicht zu gefährden.

9

Hiernach hätte es die Beklagte unterlassen müssen, dazu beizutragen, dass so viele Mitarbeiter die K. S. GmbH verlassen, dass die Unternehmensfortführung gefährdet werde. Dabei sei unerheblich, ob jeder einzelne Mitarbeiter sein Arbeitsverhältnis zur Klägerin “auf Veranlassung der Beklagten” beendet habe. Pflichtwidrig sei es schon gewesen, den Mitarbeitern eine Gelegenheit zum Wechsel zu dem am selben Ort und im selben Marktsegment betriebenen, neu eingerichteten Unternehmen zu bieten, zu dessen Gründung die Beklagte beigetragen habe. Die Nebenpflicht der Beklagten, eine Konkurrenz zum verkauften Unternehmen zu unterlassen, sei vorliegend zeitlich auf eine Spanne von drei Jahren zu begrenzen.

10

Somit habe die Beklagte den Schaden auszugleichen, welcher der Klägerin durch die Errichtung eines Konkurrenzunternehmens entstanden sei. Die Klägerin mache einen entgangenen Gewinn geltend, indem sie ihre “Ist-Gewinne” den aus ihrer Sicht erzielbaren hypothetischen Gewinnen, jeweils ab dem Beginn der Konkurrenztätigkeit der Beklagten (März 2016) bis einschließlich April 2018, gegenüberstelle. Dies sei dem Grunde nach berechtigt, so dass die Klägerin so zu stellen sei, wie sie bei Unterlassung der vertragswidrigen Konkurrenz der Beklagten stünde. Insoweit müsse für jeden angeführten Grund eines Gewinnrückgangs erläutert werden, dass er auf dem unlauteren Einfluss der Beklagten beruhe und nicht auf anderen Ursachen, etwa eigenen – von der Pflichtverletzung der Beklagten unabhängigen – unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin. Weder den Darlegungen der Klägerin noch den Einwendungen der Beklagten könne mit dem Anspruch nachgegangen werden, die Auswirkungen der jeweils vorgetragenen Umstände auf den von der Klägerin vorgetragenen Gewinnrückgang exakt voneinander abzugrenzen und genau festzustellen, was einerseits auf unerlaubter Konkurrenz durch die Beklagte beruhe und andererseits welche davon unabhängigen unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin – etwa die Hinzuziehung von Fremdpersonal – sich ungünstig ausgewirkt hätten.

11

Diese Fragen seien mit Beweismitteln nicht zu beantworten. Ein betriebswirtschaftlicher Sachverständiger werde die Motivationslage der Unternehmensführung der Klägerin nicht präzise aufklären und benennen können. Daher müsse bereits die Beurteilung, ob ein Schaden entstanden sei, mithin ob und in welchem Umfang ein entgangener Gewinn der Klägerin allein auf dem vertragswidrigen Zutun der Beklagten und nicht auf anderen, von ihr nicht verschuldeten Ursachen beruhe, im Wege einer Schätzung ermittelt werden (§ 287 Abs. 1 ZPO).

12

Im Ergebnis seien die von den Parteien vorgetragenen Gründe bezüglich des (behaupteten) Gewinnrückgangs der Klägerin ungefähr gleichgewichtig. Demzufolge habe die Klägerin einen Anspruch auf die Erstattung der Hälfte des ihr in den ersten drei Jahren nach der Unternehmensübernahme entgangenen Gewinns.

13

Auch die Höhe des Schadens müsse geschätzt werden (§ 287 Abs. 1 ZPO). Als Schätzgrundlagen kämen die Berechnungen der Klägerin, die einen entgangenen Gewinn in Höhe von 800.000 EUR geltend mache, und die Einwendungen der Beklagten in Betracht, nach denen “einzelne Positionen auf ungeschickte Unternehmensführung ohne Beeinflussung durch die Beklagte oder auf unternehmerisch nicht veranlasste Darstellung eines vermeintlichen Schadens zurückzuführen seien”. Der Senat sehe keine Aussicht in dem Versuch, mit sachverständiger Hilfe festzustellen, ob die von der Beklagten beanstandeten Positionen betriebswirtschaftlich gar nicht zur Ermittlung eines tatsächlichen und fiktiven, ohne schädigendes Ereignis zu erwartenden Gewinns geeignet seien und ob einzelne Rechnungsposten in ihrer Höhe und Entwicklung eher auf der unerlaubten Konkurrenz oder eher auf davon unbeeinflussten unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin beruhten. Der Vortrag der Klägerin zu dem zu erwartenden Gewinn des von der Beklagten übernommenen Unternehmens stelle sich jedenfalls als plausibel und schlüssig dar, so dass er als Anhaltspunkt einer Schadensschätzung verwendet werden könne. Die geringeren Geschäftsführerkosten im tatsächlichen Verlauf – durch die Kündigung des Vertrags mit der Beklagten – müsse sich die Klägerin wie einen Vorteilsausgleich anrechnen lassen. Von einem hiernach bereinigten Schadensbetrag in Höhe von 700.000 EUR habe die Beklagte somit die Hälfte zu tragen.

III.

14

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere übersteigt der Wert der Beschwer die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch in der Sache Erfolg (§ 544 Abs. 9 ZPO) und führt zu einer auf die – einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs bildenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2011 – II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschlüsse vom 22. Juli 2014 – VIII ZR 334/13, Rn. 8; vom 16. November 2021 – VIII ZR 15/20, Rn. 11; jeweils mwN) – Höhe des Anspruchs beschränkten Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 – V ZR 258/15, NJW 2017, 736 Rn. 25; vom 25. Juli 2022 – VIa ZR 622/21, Rn. 5), weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung insoweit eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn es hat zur Höhe des von der Klägerin behaupteten – von der Beklagten bestrittenen – Schadens in Form des entgangenen Gewinns den (angebotenen) Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erhoben.

15

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 86, 133, 144; 96, 205, 216; BVerfG, Beschluss vom 16. Januar- 2 BvR 1114/23, Rn. 30; Senatsbeschlüsse vom 26. Mai 2020 – VIII ZR 64/19, NJW-RR 2020, 1019 Rn. 13; vom 22. Juni 2021 – VIII ZR 134/20, NJW- RR 2021, 1093 Rn. 13; vom 10. Oktober 2023 – VIII ZB 29/22, NJW-RR 2024, 60 Rn. 19). Der Anspruch auf rechtliches Gehör als grundrechtsgleiches Recht soll sicherstellen, dass die Entscheidung des Gerichts frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 2 BvR 1114/23, aaO; Senatsbeschluss vom 26. Mai 2020 – VIII ZR 64/19, aaO).

16

Ferner gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines solchen erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (st. Rspr.; siehe etwa BVerfGE 65, 305, 307; 69, 141, 144; BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 2 BvR 1114/23, aaO; BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2016 – V ZR 232/15, Rn. 5; vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 4; vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 16; vom 9. Mai 2023 – VIII ZR 160/21, Rn. 15; jeweils mwN).

17

2. Gemessen hieran ist dem Berufungsgericht eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG anzulasten. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Schadenshöhe im Wege richterlicher Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO, § 252 Satz 2 BGB) den angebotenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben, sondern zur Ermittlung des von der Klägerin begehrten entgangenen Gewinns allein auf deren – von der Beklagten bestrittenen – Vortrag zur tatsächlichen sowie zur hypothetischen Gewinnentwicklung des gekauften Unternehmens abgestellt hat.

18

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe keine Aussicht, mithilfe eines Sachverständigen festzustellen, ob einzelne von der Klägerin zur Ermittlung ihres entgangenen Gewinns herangezogene, von der Beklagten beanstandete Positionen, betriebswirtschaftlich überhaupt einen entgangenen Gewinn begründen können und überdies von der Klägerin der Höhe nach zutreffend berechnet wurden, verletzt die Beklagte in ihrem rechtlichen Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat diesbezüglich eine besondere eigene Sachkunde in Anspruch genommen, ohne darzulegen, woher es diese bezieht.

19

aa) Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht – auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) – auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss der Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BVerfG, NJW 2021, 50 Rn. 20; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1995 – VIII ZR 270/94, NJW 1996, 584 unter II 3 b cc; vom 8. Juni 2004 – VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 262; vom 29. Januar 2019 – VI ZR 113/17, BGHZ 221, 43 Rn. 32; vom 10. November 2022 – I ZR 16/22, GRUR 2023, 416 Rn. 47; Beschlüsse vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17, NJW 2018, 2730 Rn. 16; vom 25. Oktober 2023 – VII ZR 17/23, NJW-RR 2024, 148 Rn. 17, 20). Überschreitet das Gericht die Grenzen, die seinem Ermessen im Sinne des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzt sind, weil es nach Vorstehendem eine nicht dargelegte Sachkunde in Anspruch nimmt und lehnt es hiernach einen Beweisantrag ab, stellt dies zugleich eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1655 unter II 1; NJW 2021, 50 Rn. 20; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – IX ZR 173/03, NJW-RR 2007, 500 Rn. 9). Dies gilt auch dann, wenn der Tatrichter auf ein Sachverständigengutachten verzichten will, weil er es auf Grundlage eigener Sachkunde für ungeeignet zur Erbringung sachdienlicher Erkenntnisse hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 2 BvR 1268/03, Rn. 18; BVerfG, GRUR-RR 2009, 375 Rn. 21; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17, aaO).

20

bb) So liegt der Fall hier. Durch die Annahme, ein Sachverständiger könne weder beurteilen, ob die von der Klägerin vorgelegte Gewinnermittlung der Jahre 2016 bis 2018 zutreffend nach bilanziellen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde, noch die Höhe der einzelnen Positionen auf ihre Richtigkeit überprüfen, hat sich das Berufungsgericht eine Sachkunde angemaßt, ohne darzulegen, woher es diese nimmt, und versäumt, die Parteien vor Erlass des Urteils hierauf hinzuweisen.

21

(1) Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, die Beklagte habe die Gewinnermittlung der Klägerin als zur Schadensdarlegung schon grundsätzlich ungeeignet angesehen und hierzu konkret eingewandt, mehrere von der Klägerin in die Berechnung ihres tatsächlichen und ihres hypothetischen Gewinns eingestellte Positionen hätten bereits dem Grunde nach hierzu nicht herangezogen werden dürfen.

22

So hat die Beklagte etwa vorgebracht, die Klägerin habe für die Gewinnermittlung des Jahres 2016 eine gewinnmindernde Wertberichtigung in Höhe von 145.790,83 EUR vorgenommen und periodenfremde Aufwendungen in Höhe von 105.239,55 EUR eingestellt, welche aus dem Jahresabschluss hätten herausgerechnet werden müssen. Zu letzterem hat die Klägerin darauf hingewiesen, diese Periodenverschiebung habe in 2016 zwar den Gewinn erhöht, jedoch der Sache nach den “zuviel gezahlten Kaufpreis kompensiert.” Zudem hat die Beklagte eingewandt, mit Blick auf die Konzernstruktur der Klägerin könne nur der Jahresabschluss im Ganzen Grundlage der Schadensermittlung sein. Es müssten die vollständigen Jahresabschlüsse der Jahre 2015 bis 2018 – einschließlich der Beschlussnachweise -, die Gewinn- und Verlustrechnungen, die Erlöskonten und sämtliche Kontennachweise vorgelegt werden. Diese Unterlagen seien sachverständig auszuwerten. Erst hiernach böte sich dem Gericht eine geeignete Schätzgrundlage.

23

Mit seiner gegenteiligen Annahme, ein Sachverständiger könne nicht feststellen, ob die seitens der Beklagten beanstandeten Positionen “betriebswirtschaftlich” zur Gewinnermittlung “geeignet” seien, hat sich das Berufungsgericht – wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt – ein Fachwissen angemaßt, ohne anzugeben, woher es dieses bezieht, und ohne zuvor den Parteien einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Bereits die Bewertung, ob die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die hierin enthaltenen Positionen – wie etwa die vorgenannte Wertberichtigung – in betriebswirtschaftlicher Hinsicht zur Ermittlung eines entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) geeignet sind, setzt eine Sachkunde voraus. Eine solche – vorliegend nicht dargelegte – zuverlässige Sachkunde zur Beurteilung einer Gewinnermittlung kann, anders als die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung meint, nicht ohne Weiteres allein deshalb angenommen werden, weil sich das Berufungsgericht (ständig) mit handels- und gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten befasse (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 – VII ZR 17/23, NJW-RR 2024, 148 Rn. 18 [zu bautechnischem Fachwissen]).

24

(2) Das Berufungsgericht hat sich ebenso hinsichtlich der Beurteilung der Höhe einzelner in die Gewinnermittlung durch die Klägerin eingestellter Positionen eine eigene Sachkunde angemaßt, ohne darzulegen, worauf diese beruht.

25

(a) Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die Beklagte dem Vortrag der Klägerin, wonach diese aufgrund des Verlusts zahlreicher Mitarbeiter auf den – gewinnmindernden – Einsatz von geleastem Fremdpersonal angewiesen gewesen sei, entgegengehalten habe, diese Maßnahme sei aufgrund gesunkener Patientenzahlen nicht notwendig gewesen. Zudem hat die Beklagte die seitens der Klägerin angegebenen Fremdpersonalkosten in Höhe von 397.938 EUR bestritten. Die Beklagte hat ferner den von der Klägerin behaupteten Verlust in Höhe von 355.500 EUR für das Jahr 2016 unter Hinweis auf Umsatzzahlen und den Personalaufwand bestritten; ebenso den Anfall von Managementkosten in Höhe von 10.000 EUR.

26

(b) Den seitens der Beklagten – auch insoweit – angebotenen Sachverständigenbeweis hat das Berufungsgericht nicht erhoben. Es hat vielmehr angenommen, ein Sachverständiger könne nicht angeben, ob einzelne Rechnungsposten in ihrer Höhe “eher auf die unerlaubte Konkurrenz” durch die Beklagte oder “eher auf davon unbeeinflusste unternehmerische Entscheidungen der Klägerin” zurückzuführen seien, und hat den Vortrag der Klägerin zu dem zu erwartenden Gewinn des von dieser übernommenen Unternehmens in der Gesamthöhe von 800.000 EUR als “plausibel und schlüssig” angesehen.

27

Insoweit hat das Berufungsgericht verkannt, dass die vorgenannten Einwände der Beklagten nicht die von ihm zuvor bereits bejahte – von den Parteien im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht angegriffene – Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den entgangenen Gewinn der Klägerin betreffen, sondern die Erforderlichkeit sowie die Höhe einzelner in die Gewinnberechnung der Klägerin eingestellter Positionen. Inwiefern es ausgeschlossen ist, dass ein Sachverständiger – einen grundsätzlichen Kausalitätsbeitrag der Beklagten hierzu annehmend – beurteilen kann, ob schadensbegründende – und damit gewinnmindernde – Maßnahmen der Klägerin, etwa durch Hinzuziehung von Fremdpersonal, erforderlich waren (§ 249 BGB; vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Dezember 2020 – VIII ZR 371/18, NJW-RR 2021, 201 Rn. 49 mwN) und ob diese der Höhe nach zutreffend berechnet wurden, legt das Berufungsgericht nicht dar. Dies ist auch nicht ersichtlich, da es sich um dem Sachverständigenbeweis zugängliche Tatsachen handelt.

28

b) Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO).

29

aa) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht im Falle der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einem anderen, hinsichtlich der Schadenshöhe der Beklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

30

bb) Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein Sachverständiger zur Berechnung des entgangenen Gewinns der Klägerin fachliche Angaben machen kann, als auch in dem – vom Berufungsgericht angenommenen – Fall, dass er hierzu nicht in der Lage ist und demzufolge weitere Erkenntnisse nicht gewonnen werden können. Denn auch dann fällt die Entscheidung des Berufungsgerichts möglicherweise anders aus, weil der Schaden der Klägerin nicht, wie es das Berufungsgericht im angegriffenen Urteil getan hat, auf der Grundlage von deren Angaben zum tatsächlichen und zum hypothetischen Gewinn im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO, § 252 Satz 2 BGB) ermittelt werden kann. Ist es einem Sachverständigen nicht möglich, weitere Erkenntnisse zur Höhe des entgangenen Gewinns der Klägerin zu ermitteln, entbehrt eine Schadensschätzung – wie die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend rügt – einer tragfähigen Grundlage. Denn der Vortrag der Klägerin zu ihrem zu erwartenden Gewinn kann nicht als “plausibel und schlüssig” und als (alleiniger) “Anhaltspunkt einer Schadensschätzung” gesehen werden, weil die Beklagte – wie ausgeführt – zahlreiche der Gewinnermittlung zu Grunde liegenden Positionen bestritten hat.

31

Mit seiner Schadensschätzung auf einer zwischen den Parteien streitigen Tatsachengrundlage hat das Berufungsgericht verkannt, dass die aus den Vorschriften der § 287 Abs. 1 ZPO und § 252 Satz 2 BGB folgenden Darlegungs- und Beweiserleichterungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 – VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404 Rn. 16; Beschluss vom 6. Juni 2023 – VI ZR 197/21, NJW-RR 2023, 1038 Rn. 13; jeweils mwN) nichts daran ändern, dass es im Rahmen der notwendigen Prognose des entgangenen Gewinns im Sinne des § 252 Satz 2 BGB konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte – hier die Klägerin – darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2017 – VI ZR 530/16, NJW 2018, 864 Rn. 15). Erst wenn die Klägerin die für eine Schätzung erforderlichen und bestrittenen Anknüpfungstatsachen, die ihre Gewinnerwartung wahrscheinlich machen sollen, bewiesen hat, kann auf der dann gesicherten Tatsachengrundlage die Schadensschätzung vorgenommen werden (vgl. BGH, Urteile vom 29. März 2000 – VIII ZR 81/99, NJW 2000, 2272 unter II B 2; vom 21. Januar 2016 – I ZR 90/14, GRUR 2016, 860 Rn. 34; vom 8. Mai 2018 – VI ZR 295/17, VersR 2018, 1067 Rn. 37; Beschluss vom 8. Februar 2023 – IV ZR 9/22, ZfSch 2023, 330 Rn. 21; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 5. Aufl., § 287 Rn. 41). Ist dieser Beweis der Anknüpfungstatsachen – wovon das Berufungsgericht gehörswidrig ausgegangen ist – nicht möglich, überschreitet das Gericht die seinem Ermessen nach § 287 Abs. 1 ZPO gesetzten Grenzen, da es zu einer Schätzung greift, ohne für diese eine tragfähige Grundlage zu haben (vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 1995 – VI ZR 62/94, NJW 1995, 1023 unter II 2 a; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151 Rn. 17).

32

Damit ist der Gehörsverstoß in Form der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens vorliegend auch dann entscheidungserheblich, wenn dieses “weitere Erkenntnisse” nicht erbringen kann, da in diesem Fall die Schätzung des Schadens der Klägerin nicht in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Weise erfolgen darf.

33

3. Die weiteren – den Schaden der Klägerin dem Grunde nach betreffenden – Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).

IV.

34

Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und der Rechtsstreit hinsichtlich der Anspruchshöhe zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).

OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

vorgestellt von Thomas Ax

Ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis ergibt sich nicht allein daraus, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat.
OLG Oldenburg, Urteil vom 23.04.2024 – 2 U 128/23
vorhergehend:
LG Oldenburg, 24.11.2023 – 5 O 1825/21

 
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.11.2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer Landgerichts Oldenburg (5 O 1825/21) wird mit der Maßgabe auf seine Kosten zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des ### (Schuldner) restlichen Werklohn von der Beklagten.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil einschließlich der Anträge Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Kläger weiterverfolgte Werklohnforderung des Schuldners nicht fällig sei. Es fehle an einer nach der Beweisaufnahme nicht feststellbaren Abnahme durch die Beklagte, welche diese wegen wesentlicher Mängel sowie ausstehender Restleistungen auch zu Recht verweigere. Es lägen nach den zuletzt nicht mehr angegriffenen Ausführungen des beauftragten Sachverständigen Mängel vor. Ein Teil dieser Mängel zöge bezifferbare Beseitigungskosten in Höhe von 6.104,70 € brutto nach sich. Ferner bestünden erhebliche Mängel, für die neben dem Schuldner auch die Beklagte wegen einer unzureichenden Planung und Ausschreibung verantwortlich sei, was teilweise deren Beteiligung unter dem Gesichtspunkt von Sowiesokosten rechtfertige. Der Kostenaufwand für die Beseitigung dieser Mängel stünde nicht fest, was unerheblich sei. Sie seien funktionaler Natur und führten gemeinsam mit denjenigen Mängeln, deren Beseitigungsaufwand feststehe, sowie den ausstehenden Restleistungen dazu, dass die Abnahmereife nicht gegeben sei. Der Umstand, dass der Kläger gem. § 103 InsO die Nichterfüllung des Vertrages gewählt habe, begründe kein unabhängig von der Abnahme die Fälligkeit des Werklohnanspruchs nach sich ziehendes Abrechnungsverhältnis. Die Klage sei indes als endgültig unbegründet abzuweisen, weil der Kläger die Fälligkeit durch die Wahl der Nichterfüllung i.S.d. § 103 InsO nicht mehr herbeiführen könne.

Gegen dieses Urteil wendet der Kläger sich mit seiner Berufung. Er meint, die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch ihn gem. § 103 InsO führe für sich genommen und unabhängig von der Abnahme oder Abnahmereife zu einem die Fälligkeit der Vergütungsforderung auslösenden Abrechnungsverhältnis. Das ergäbe sich aus grundsätzlichen Erwägungen zu § 103 InsO und den Besonderheiten des vorliegenden Streitfalls wie der Bereitschaft des Schuldners zur Leistungserbringung sowie einem Annahmeverzug der Beklagten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Darüber hinaus meint der Kläger, das seitens des Schuldners hergestellte Werk weise lediglich unwesentliche Mängel auf, die einer Abnahme nicht entgegenstünden, woraus die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs folge. Die durch den Sachverständigen festgestellten Mängel, die mit einem Aufwand von 6.104,70 € brutto zu beseitigen seien, stünden dem nicht entgegen. Die weiteren durch das Landgericht angenommenen Mängel, für die ein Beseitigungsaufwand nicht feststünde, könnten der Abnahmereife nicht entgegenstehen, weil die ihnen zugrundeliegenden Arbeiten vom Schuldner angesichts der vorgefundenen Bausubstanz gar nicht anders hätten ausgeführt werden können, sondern eine andere, nicht vorgegebene Planung vorausgesetzt hätten, deren Umsetzung mit erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden gewesen wäre. Deswegen sei es dem Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, die Abnahme wegen dieser Mängel zu verweigern.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24.11.2023 zum AZ 5 O 1825/21 aufzuheben und die Beklagte entsprechend der erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt sowie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen unbegründet und führt allein zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung, dass die Klage mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

Dem aufgrund des § 80 Abs. 1 InsO prozessführungsbefugten Kläger steht ein fälliger Anspruch auf den geltend gemachten Werklohn des Schuldners gem. §§ 631 Abs. 1, 650a BGB nicht zu. Die Werkleistung ist weder abgenommen noch abnahmereif. Ferner kommt weder die Fälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB (Durchgriffsfälligkeit) noch die Fälligkeit auf Grundlage eines Abrechnungsverhältnisses in Betracht.

1. Die Werkleistung des Schuldners ist weder ausdrücklich noch konkludent durch die Beklagte abgenommen worden. Gegen diese durch das Landgericht nach Beweisaufnahme getroffene Feststellung bringt die Berufung nichts vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit verwiesen.

2. Die Fälligkeit der Werklohnforderung ergibt sich auch nicht über die Abnahmereife der Werkleistung.

Zwar kann im Falle des Zusammentreffens einer unberechtigten Abnahmeverweigerung des Bestellers mit der Abnahmereife des Werks der Unternehmer unmittelbar auf Zahlung des Werklohns klagen. In seinem Zahlungsantrag liegt ein konkludentes Abnahmeverlangen (vgl. OLG Nürnberg, NZBau 2021, 539 Rn. 9 ff. m.w.N.). Allerdings ist die Leistung des Schuldners, deren Erfüllung der Kläger i.S.d. § 103 InsO abgelehnt hat, nicht abnahmereif. Sie weist nicht nur unwesentliche Mängel auf.

a) Der Kläger trägt als Prozessstandschafter des Auftragnehmers die Beweislast dafür, dass die Mängel der Werkleistung des Schuldners unwesentlich sind. Diesen Beweis hat er nicht erbracht. Vielmehr steht auf Grundlage der Gutachten des Sachverständigen EE fest, dass die Mängel der Werkleistung der Klägerin nicht unwesentlich sind und die Beklagte deswegen berechtigen, die Abnahme zu verweigern.

Die Frage, wann ein Mangel unwesentlich ist, ist einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich, sondern immer am Einzelfall zu entscheiden (vgl. BGH NJW 1981, 1448, 1449 zu § 12 Abs. 3 VOB/B). Es bedarf der Abwägung der beiderseitigen Interessen dahin, ob es für den Auftraggeber zumutbar ist, sich auf eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses einzulassen und so auf die vor der vollzogenen Abnahme bestehenden Vorteile zu verzichten (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeilt/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). In die Bewertung sind der Umfang der Mängelbeseitigungsmaßnahmen, insbesondere die Höhe der Mängelbeseitigungskosten (BGH a.a.O.; BauR 2000, 1482), aber auch die Auswirkungen des Mangels auf die Funktionsfähigkeit des Gesamtwerks und das Maß der Beeinträchtigung einzustellen (vgl. Werner/Pastor, 17. Auflage, Rn. 1787; OLG München Urteil vom 15. Januar 2008 – 13 U 4378/07 -). Eine fühlbare Beeinträchtigung der Funktionalität bzw. Gebrauchsfähigkeit eines Bauwerks, zieht regelmäßig die Einstufung des Mangels als wesentlich nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Liegen mehrere Mängel vor, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich.

b) Diese Kriterien berücksichtigend geht der Senat vorliegend von wesentlichen Mängeln im Gewerk des Schuldners aus.

aa) Zunächst steht fest, dass die vom Landgericht mit insgesamt 6.104,70 € bezifferten Mängelpunkte vorliegen. Auf die insoweit durch die Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts (S. 9 – 11 LGU) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

bb) Damit hat es indes nicht sein Bewenden. Denn überdies bestehen erhebliche Mängel in Bezug auf die Entwässerung:

(…)

Es steht mithin angesichts der insoweit vom Kläger nicht in Abrede genommenen tatsächlichen Feststellungen fest, dass die Entwässerung des Daches und der Balkone nicht ordnungsgemäß hergestellt, sondern erheblich mangelbehaftet ist.

Der Annahme der Mangelhaftigkeit steht nicht entgegen, dass die Mängel weitgehend auch darauf beruhen, dass die Entwässerung der Flächen und Balkone unzureichend geplant und ausgeschrieben war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weist ein Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf und ist damit mangelbehaftet, soweit es nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionstauglichkeit erreicht (vgl. BGH NZBau 2008, 109, 110). Das wiederum gilt unabhängig von der Frage, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden (vgl. BGH a.a.O.). Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung respektive Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Auftragnehmer dennoch die vereinbarte Funktionstauglichkeit (vgl. BGH a.a.O.). Reicht mit anderen Worten die Umsetzung der Leistungsbeschreibung (Leistungssoll) nicht aus, um ein funktionstaugliches Werk herzustellen, liegt ein Mangel trotz Erfüllung der Leistungsbeschreibung vor, soweit das Werk nicht funktionstauglich ist (Erfolgssoll verfehlt). Das gilt selbst dann, wenn die Funktionsuntauglichkeit auf vom Besteller bindend vorgegebener Leistungsbeschreibung, auf fehlerhafter Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer fehlerhaften Vorunternehmerleistung beruht. Der Werkunternehmer kann sich in diesen Fällen seiner Verantwortung für den Mangel seines Werks nur durch die Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflichten entlasten (vgl. BGH a.a.O.). Der Unternehmer wird mithin von der Mängelhaftung frei, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung, der Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer Vorunternehmerleistung nicht erkennen konnte, er im Falle der Erkennbarkeit ordnungsgemäß auf seine Bedenken hingewiesen hat oder die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht nicht ursächlich dafür war, dass die fehlerhaften Vorleistungen nicht korrigiert wurden (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn.70 ff).

Dem ist der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. Jurgeleit, a.a.O.; BGH a.a.O.) nicht nachgekommen. Es steht nach den Ausführungen des Sachverständigen fest, dass der Schuldner die unzureichende Ausschreibung/Planung als Fachunternehmer hätte erkennen können und müssen. Unstreitig sind Bedenkenhinweise durch ihn nicht erteilt worden. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es eines Bedenkenhinweises nicht bedurft hätte. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Unternehmer auf die Fachkenntnisse des Hauptunternehmers vertrauen darf, ist grundsätzlich nicht anzuerkennen (vgl. Jurgeleit, a.a.O., Teil 5 Rn.65). Eine solche Annahme ist auch vorliegend nicht angezeigt.

Ferner trifft die rechtliche Sichtweise der Berufung nicht zu, dass das Landgericht die Mangelhaftigkeit der Leistung des Schuldners auf eine “Hilfskonstruktion” wegen einer angeblichen Verletzung der Aufklärungspflicht gestützt hat. Es hat vielmehr die Grundlagen des BGH zum funktionalen Mangelbegriff zutreffend angewendet. Ferner geht der Einwand der Berufung ins Leere, der Sachverständige habe erklärt, die Arbeiten hätten durch den Schuldner gar nicht anders ausgeführt werden können. Das hat der Sachverständige in Bezug auf die Entwässerung nicht angegeben und das trifft auch nicht zu.

Die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Entwässerung von Dachflächen und Balkonen sind wesentlich. Sie beeinträchtigen die Nutzbarkeit und Funktionalität des durch den Schuldner hergestellten Bauwerks insgesamt. Das zieht die Wesentlichkeit des Mangels nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Angesichts der Funktionsbeeinträchtigung bedarf es auch nicht der Feststellung des konkreten Mängelbeseitigungsaufwands. Die Feststellung der Wesentlichkeit dieser Mängel im Zusammenhang mit der Entwässerung lässt sich unabhängig davon treffen. Auch die Frage, inwieweit sich die Beklagte an den Kosten für die mangelfreie Herstellung in Form der Vergabe zusätzlicher vergütungspflichtiger Aufträge bzw. Sowieso-Kosten zu beteiligen hätte, kann auf sich beruhen. Sie ist von derjenigen der gegebenen Mangelhaftigkeit getrennt zu betrachten und spielt für die Einordnung, ob wesentliche oder unwesentliche Mängel vorliegen, keine Rolle.

cc) Hinzu tritt, dass im Bereich B 470/Küche (Mangelpunkt 37 GA) ein Gesimsblech nicht erneuert worden ist. Außerdem ist im Bereich B 533 (Mangelpunkt 40 und 45 GA) die Attikaabdeckung nicht umlaufend ausgeführt und es fehlt der Handlauf der Bodeneinschubtreppe als Absturzsicherung im Spitzbodenbereich (Mangelpunkt 49 GA), was unabhängig von der nicht erfolgten Ausschreibung dieser Leistungen einen Mangel darstellt. Die Abdeckung ist zum Schutz der Attika funktional erforderlich; der Einbau des Handlaufs aus Sicherheitsgründen. Auch insoweit steht die denkbare Zuschusspflicht der Beklagten im Rahmen einer Mängelbeseitigung der Annahme eines Mangels nicht entgegen.

dd) Die Gesamtheit der unter aa) bis cc) beschriebenen Mängel führt zu der Bewertung, dass diese wesentlich sind und das Werk nicht abnahmereif ist. Dasselbe Ergebnis zieht bereits die separate und eigenständige Betrachtung der Mängel aus dem Bereich der Entwässerung nach sich.

Vor diesem Hintergrund lässt der Senat es auf sich beruhen, ob tatsächlich von einer Mangelhaftigkeit ausgegangen werden kann, weil

– die Gehwegplatten auf der Dachterrasse im Bereich B533 (Mangelpunkt 42 GA) nicht plan verlegt sind

– der Laufweg vor dem Spitzboden nicht komplett hergestellt worden ist, weil sonst die Brandschutztür nicht geschlossen werden könnte bzw. die Brandschutzluken wegen der Dämmung nicht schließbar sind (Mangelpunkte 48, 50 – 52)

– die Abdichtung im Bereich der Balkone B250, B 436 und B 439a jeweils an die Türschwelle und nicht unter die Fenster geführt worden ist (Mangelpunkte 3, 4, 5, 18, 27 GA).

Insoweit hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 24.3.2023 (Protokoll S. 3 f.; Bl. 60 f. Bd. II d.A.) ausgeführt, dass die Einhaltung der verletzten allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen der vorgenommenen Altbausanierung dazu geführt hätte, dass andere verletzt worden wären bzw. die Einhaltung aller Fachregeln erhebliche Umbaumaßnahmen wie den Abbruch und Neubau der Balkone nach sich gezogen hätte. Vor diesem Hintergrund käme möglicherweise in Betracht, dass die Beklagte trotz der an sich notwendigen Hinweise auf eine Durchführung der aus der Sicht des Unternehmers bedenklichen Leistungen bestanden hätte (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn. 74), was indes keiner abschließenden Entscheidung bedarf.

3. Für eine Durchgriffsfälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB hat der Kläger keinerlei Tatsachen vorgetragen. Vielmehr ergibt sich aus dem Streitverkündungsschriftsatz der Beklagten vom 27.6.2023 (Bl. 117 Bd. II d.A.), dass im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber weder ausreichende Zahlungen vorgenommen wurden, noch eine Abnahme der Leistungen erfolgt ist.

4. Die Abnahme als Voraussetzung der Vergütungsfälligkeit ist auch nicht aus anderen Umständen entbehrlich. Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis liegt nicht vor. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht daraus, dass der Kläger die Erfüllung des Bauvertrages, auf den das Erfüllungswahlrecht des § 103 InsO grundsätzlich Anwendung findet (vgl. BGH NZI 2002, 375, 376), mit Schriftsatz vom 24.4.2023 (Bl. 70 Bd. II d.A.) abgelehnt hat.

a) Der Senat verkennt nicht, dass dies in der Literatur teilweise abweichend beurteilt wird. Es wird vertreten, dass der die Erfüllung ablehnende Insolvenzverwalter unabhängig von einer Abnahme und wesentlichen Mängeln des teilweise erbrachten Werkes einen Anspruch auf den fiktiven Wert des mangelfreien Werkes abzüglich der Mangelbeseitigungskosten habe (vgl. Huber ZInsO 2005, 449, 551). Andernorts wird unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 645 BGB sowie die missliche Lage des Insolvenzverwalters, der zur Erfüllung des Bauvertrages in Gestalt eines abnahmereifen Werks außerstande ist und damit die Werklohnforderung nicht zur Masse ziehen kann, das Abnahmeerfordernis suspendiert und auf § 271 BGB zurückgegriffen (vgl. Bopp, Der Bauvertrag in der Insolvenz, S. 241f) bzw. unter Annahme einer Vertragsspaltung in einen erfüllten und einen nicht erfüllten Teil des Bauvertrages, die auf der analogen Anwendung des § 105 InsO auch auf die Vorleistung des Schuldners beruht, eine Abrechnung der Vergütungsforderung unter Minderung von Mangelbeseitigungskosten angenommen (vgl. Bopp, a.a.O., S. 284ff). Ferner wird vertreten, dass ein zur Fälligkeit führendes Abrechnungsverhältnis dadurch entsteht, dass der die Vertragserfüllung ablehnende Insolvenzverwalter für das mangelhafte Werk Vergütung verlangt und der Auftraggeber diese verweigert, weil er damit seine Gegenansprüche geltend mache oder jedenfalls die Abnahme des mangelhaften Teilgewerks endgültig verweigere (vgl. Matthies, BauR 2012, 1005, 1011). Demgegenüber vertreten andere Stimmen die Auffassung, dass die Erfüllungsablehnung i.S.d. § 103 InsO kein eigenes Abrechnungsverhältnis begründet, sondern vielmehr die Vergütungsforderung für den Insolvenzverwalter undurchsetzbar bleibt, wenn wesentliche Mängel vorliegen, keine Abnahme erfolgt ist und die Abnahme auch nicht aus anderen Gründen ausnahmsweise entbehrlich erscheint (vgl. Schmitz, Der Bauvertrag in der Insolvenz, ibr-online, Stand 30.8.2021, Rn. 53f; ders. in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2. Aufl., Kap. 9 Rn. 91, 94 ff; Thode ZfBR 2006, 638, 640; wohl auch Matthies in BeckOK Insolvenzrecht, 34. Edition, Stand: 15.01.2024, Bau- und Architektenrecht in der Insolvenz Rn. 337).

b) Die letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug. Ein Abrechnungsverhältnis allein dadurch, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrages gem. § 103 InsO ablehnt, ist nicht anzuerkennen.

aa) Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von einer Abnahme und trotz fehlender Abnahmepflicht herbeiführendes Abrechnungsverhältnis ist gegeben, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrages, sondern Minderung oder Schadensersatz verlangt oder die Abnahme des Werks oder weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft und endgültig ablehnt (vgl. BGH NJW 2006, 2475 Rn. 26 m.w.N.; BGH NJW 2017, 1607 Rn. 44, 47) oder die Erfüllung unmöglich geworden ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490 m.w.N.). Es sind mithin Fälle betroffen, in denen dem Unternehmer eine Werklohnforderung zusteht und der Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung des Werks beanspruchen kann (BGH NJW 2005, 2771). Das entscheidende Kriterium für die Annahme eines solchen Abrechnungsverhältnisses liegt darin, dass es dem Unternehmer rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich ist, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und er damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs nicht herbeiführen kann (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 21).

bb) Gemessen daran begründet die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch den klagenden Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO kein unabhängig von der Abnahme und Abnahmereife die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis.

Nach gefestigter Rechtsprechung hat die Wahl der Nichterfüllung des Vertrages durch den Insolvenzverwalter keine materiell-rechtliche Wirkung, sondern bestätigt nur die durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich eingetretene Suspendierung der Hauptleistungspflichten (vgl. BGH NZI 2002, 375). Diese wirkt nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens und schafft ein auf dessen Zeitraum begrenztes Leistungsverweigerungsrecht (vgl. Huber in MüKo InsO, 4. Aufl., § 103 Rn. 18, 43). Macht nun der Vertragspartner von der ihm in § 103 Abs. 2 S. 1 InsO eröffneten Möglichkeit, seinen Anspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anzumelden, keinen Gebrauch, bleibt ihm sein (werkvertraglicher) Erfüllungsanspruch erhalten (vgl. BGH NZI 2013, 296 Rn. 8), sofern dem nicht eine anderweitige Regelung in einem Insolvenzplan oder eine Restschuldbefreiung des Schuldners entgegenstehen. Dieser Anspruch ist während des Insolvenzverfahrens undurchsetzbar, kann aber nach Aufhebung des Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (vgl. BGH a.a.O.). Genauso kann der Schuldner in diesem Fall, soweit er nicht als juristische Person liquidiert und beendet wird, nach der (abnahmereifen) Erfüllung die ausstehende Vergütung verlangen.

Auch wenn das Wiederaufleben der Forderungen nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens nicht der Regelfall sein wird, entsteht angesichts der dargestellten Rechtslage gerade keine Sachlage, in der es dem Schuldner rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich wäre, die Voraussetzungen der Abnahmepflicht des Bestellers herbeizuführen, wenn sich der Insolvenzverwalter i.S.d. § 103 InsO dafür entscheidet, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, solange der Besteller seinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht gem. § 103 Abs. 2 S. 1 InsO zur Insolvenztabelle anmeldet. Soweit eine Werklohnforderung lediglich undurchsetzbar ist, begründet dies kein Abrechnungsverhältnis (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 19 ff., 21 für den Fall der Verjährung); wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt oder wird er als juristische Person liquidiert und beendet, erlöschen die Forderungen.

Auch bezogen auf den Insolvenzverwalter lässt sich kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Er hat zwar nach der grundsätzlich bindenden sowie rechtsgestaltenden Ablehnung der Erfüllung des Bauvertrages oder dem Schweigen auf eine Aufforderung des Bestellers, sein Wahlrecht auszuüben (§ 103 Abs. 2 S. 2, 3 InsO), keine Möglichkeit mehr, die Abnahmereife herzustellen. Allerdings handelt es sich unter dem maßgeblichen Blickwinkel des bestehenden Bauvertrages und nicht der persönlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters lediglich um einen temporären Zustand, der mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet. Zudem erscheint es verfehlt, für die Bestimmung des Abrechnungsverhältnisses allein auf den Zeitpunkt der Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO abzustellen. Vielmehr ist maßgeblich, dass der Insolvenzverwalter bis zur Ausübung seines Wahlrechts die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hatte, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs herbeizuführen. Mit seiner Entscheidung, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, verhält sich der Insolvenzverwalter wie ein Unternehmer, der die Mängelbeseitigung verweigert und als Kompensation für die Mängel einen Abzug von der Rechnung vornimmt. Genauso wie dem Unternehmer dieser Weg, ein Abrechnungsverhältnis dergestalt eigenmächtig herbeizuführen, verschlossen bleibt (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 492), gilt dies für den Insolvenzverwalter.

Damit ist der Insolvenzverwalter auch nicht über die Maßen benachteiligt. Es entspricht seinen Pflichten, abzuschätzen, ob die Erfüllung des Bauvertrages und der damit zur Masse zu ziehende (Rest-) Werklohn es rechtfertigt, das Bauwerk mangelfrei fertig zu stellen. Danach hat er die Entscheidung zu treffen, ob es lohnt, den Betrieb des Schuldners aufrecht zu erhalten, oder, wenn dies unwirtschaftlich oder unmöglich erscheint, gegebenenfalls einen Drittunternehmer mit der Mängelbeseitigung zu beauftragen. In diesem Fall werden die (Nach-)Erfüllungsansprüche des Bestellers gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO sowie die Werklohnansprüche eines beauftragten Drittunternehmers nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten und es entsteht ein Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters nach § 61 Abs. 1 S. 2 InsO. Auch wenn entsprechende Entscheidungen im Einzelfall schwierig zu treffen sein mögen, weil der Bautenstand und die Mängel für den Insolvenzverwalter schwer zu beurteilen sein können, liegen sie in seinem ihm gesetzlich übertragenen Pflichtenkreis. Damit verbundene Risiken können mithin nicht als unzumutbar angesehen werden. Insbesondere stellen sie keinen sachlich gerechtfertigten Grund dar, dem Insolvenzverwalter wider die werkvertraglichen Grundsätze den für ihn deutlich einfacheren und haftungsrechtlich risikoärmeren Weg zu eröffnen, die Vertragserfüllung gem. § 103 InsO abzulehnen und im Anschluss dem Besteller die Vergütung zu berechnen, um diese im Streitfall gerichtlich geltend zu machen, im Zuge dessen die Mängel aufzuklären und die Kosten für deren Beseitigung bestimmen sowie diese durch Urteil von der Werklohnforderung in Abzug bringen zu lassen. Anders ausgedrückt: Kommt der Insolvenzverwalter den ihm gesetzlich übertragenen Pflichten nach, wird er sich für eine Vertragserfüllung entscheiden, wenn der ausstehende Werklohnanspruch die Kosten der mangelfreien Fertigstellung übersteigt. Er wird indes davon absehen, sofern die Kosten der Mängelbeseitigung die unbezahlte Vergütung erreichen oder übersteigen.

Schon aus diesem Grund lässt sich nicht einwenden, dass der Besteller mit seiner Entscheidung, keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen und damit den Bauvertrag unbeendet zu belassen, wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Zum einen wäre er dazu allein auf Grund einer vorangehenden, wirtschaftlichen Entscheidung des Insolvenzverwalters in der Lage. Überdies gilt Folgendes: Sobald feststeht, dass der Besteller das Werk dauerhaft mit den darin verkörperten Mängeln behält, die Mangelbeseitigung dauerhaft unmöglich wird oder der Besteller das Werk selbst bzw. durch einen Drittunternehmer fertigstellen lässt, entsteht ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von der Abnahme auslösendes Abrechnungsverhältnis (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490ff). Gleiches gilt, sobald der Besteller einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anmeldet. Vorliegend steht allerdings entgegen der Andeutungen der Berufung gerade nicht fest, dass die Beklagte die Arbeiten so belassen möchte. Sie befindet sich ausweislich ihres unwidersprochen gebliebenen Vortrags aus dem Streitverkündungsschriftsatz im Streit mit ihrem Auftraggeber.

Auch der Umstand, dass der Besteller im Falle des Schadensersatzverlangens wegen Nichterfüllung mit diesen Kosten gegenüber dem durch den Insolvenzverwalter geltend gemachten Werklohnanspruch aufrechnen kann (vgl. BGH NZBau 2005, 685, 686f), rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dies mag es für den Besteller attraktiver machen, den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Solange er dies indes nicht tut, entsteht kein Abrechnungsverhältnis.

Die von der Berufung darüber hinaus geltend gemachten Umstände vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, wie ein Verzug der Beklagten mit der Annahme von Mängelbeseitigungsarbeiten oder eine nicht bzw. zu niedrig geleisteten Sicherheit gem. § 650f BGB, lässt der Senat dahinstehen. Denn sie rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Insbesondere kommt eine Fälligkeit der Forderung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben aus den durch den Kläger dargestellten Gründen nicht in Betracht.

5. Allerdings war die Klage nicht als endgültig, sondern nur mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abzuweisen. Sollte die Beklagte oder ihre Auftraggeberin die Mängel beseitigen oder sie doch noch ihre Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen, träte ein Abrechnungsverhältnis ein.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die beschränkte Zulassung der Revision zugunsten des Klägers beruht darauf, dass die Frage, ob die Wahl der Nichterfüllung eines Werkvertrages durch den Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO unabhängig von der der Abnahme oder eines anderen Abnahmesurrogats ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis herbeiführt, höchstrichterlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten ist.

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine unangemessene Benachteiligung kann auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt.
2. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht.
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2024 – 13 U 97/23
vorhergehend:
LG Stuttgart, 04.04.2023 – 47 O 611/21

In dem Rechtsstreit

(…)

wegen Bürgenhaftung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 13. Zivilsenat – durch die Richterin am Oberlandesgericht ###, den Richter am Landgericht Dr. ### und die Richterin am Oberlandesgericht ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. Streitwert des Berufungsverfahrens: 406.097,00 Euro

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Bestimmungen zur Gestellung von Sicherheiten in einem Bauvertrag über die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens “###”, bestehend aus zwei Gebäuden mit insgesamt 52 Wohnungen, Freianlagen und Tiefgarage in der ###-Straße ### in ###. Die Beklagten werden hierbei als Bürgen der zwischenzeitlich insolventen Generalunternehmerin ### GmbH von der Klägerin (Bestellerin/Auftraggeberin) auf Zahlung von insgesamt 406.097,00 Euro in Anspruch genommen.

Der zwischen der Klägerin und der ### GmbH am 23.03.2016 geschlossene “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” (Anlage K 1 – nachfolgend “GU-Vertrag”, auf CD-ROM [wie alle Anlagen K 1 bis K 53]) enthält u.a. die folgenden Bestimmungen (wobei AN = Auftragnehmer/### GmbH, AG = Auftraggeber/Klägerin):

Ҥ 2 Vertragsgrundlagen

Der AN hat seine Leistungen aufgrund folgender Vertragsgrundlagen zu erbringen:

2.1 dieser Vertrag,

(…)

2.3 Für Bauleistungen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung.

(…)

2.8 lm Falle von Widersprüchen zwischen den Vertragsgrundlagen hat diejenige Angabe Gültigkeit, die zu einer höherwertigeren Ausführung des Bauvorhabens führen wird. Ist der Widerspruch hierdurch nicht aufzulösen, sind die erforderlichen Angaben dem Referenzobjekt (§ 3.8.1 dieses Vertrages) zu entnehmen. Sind aus dem Referenzobjekt keine Vorgaben ableitbar, gehen zeichnerische Angaben den textlichen vor. Soweit hierdurch der Widerspruch noch nicht gelöst wird, geht die vorstehend oder in der Auflistung in Anlage 2.2 zuerst genannte Vertragsgrundlage der später genannten Vertragsgrundlage vor.

(…)

§ 10 Zahlungen und Abrechnung

10.1 Für seine Leistungen erhält der AN zunächst Abschlagszahlungen nach Maßgabe des ggf. wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen anzupassenden Zahlungsplans (Anlage 2.2 ###). Die Höhe der jeweiligen Zahlung richtet sich nach dem tatsächlichen Leistungsstand, wobei jeweils 90 % des Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen zur Auszahlung gelangen. Der Sicherheitseinbehalt ist durch Erfüllungsbürgschaft eines deutschen Kreditinstituts oder eines deutschen Kreditversicherers gem. Muster AG ablösbar.

(…)

10.4. Alle Abschlagszahlungen sind, zuzüglich Mehrwertsteuer, 15 Werk-Tage nach Eingang einer prüffähigen Abschlagsrechnung fällig.

10.5 Die Schlusszahlungen erfolgt, ggfs. abzüglich des nachfolgend in § 13.3 dieses Vertrages bestimmten Einbehalts für Mängelansprüche in Höhe von 5 %, innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme und Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung.

(…)

§ 11 Abnahme der Leistungen des AN

11.1 Alle Leistungen des AN nach § 3 dieses Vertrages sind förmlich abzunehmen. Eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sowie eine Abnahme durch Ingebrauchnahme sind ausgeschlossen. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB bleibt unberührt. Teilabnahmen sind ausgeschlossen.

11.2 Der AN hat die vollständige Fertigstellung der ihm nach Maßgabe dieses Vertrages übertragenen Leistungen schriftlich anzuzeigen und die Abnahme der Leistungen zu beantragen. Eine Abnahmebegehung zur Erlangung der förmlichen Abnahme der dem AN übertragenen Leistungen hat innerhalb von 20 Werktagen nach Zugang der Anzeige beim AG zu erfolgen. Mit dem Abnahmeverlangen hat der AN dem AG folgende Unterlagen zu übergeben:

(1) Nachunternehmerverzeichnis

(2) Behördliche Genehmigungen, soweit diese nicht dem AG in direktem Wege zugestellt wurden

(3) Alle Prüftestate und Abnahmebescheinigungen von staatlichen Stellen oder hierfür besonders bestimmten Stellen, insbesondere Abnahmebescheinigungen des TÜV für diejenigen technischen Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(4) Alle vertraglich vereinbarten Nachweise über Eigenschaften von Baustoffen

(5) Alle Bedienungs-, Wartungs- und Pflegeanleitungen, Handbücher und sonstige Unterlagen für technische Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(6) Die gültigen Bestands- und Revisionspläne der baulichen Anlagen einschließlich Kalt- und Warmwasserzuleitungen, Heizungs-, Lüftungs-, Klimaanlagen, Elektroanlagen, Abwasserleitungen, Beförderungsanlagen, Feuerlöschanlagen sowie Werkstattzeichnungen der technischen Anlagen;

(7) Sämtliche Werkstatt- und Montagepläne

(8) Einweisungsprotokolle für Nutzer

Die Übergabe der vorstehenden Unterlagen ist Abnahmevoraussetzung, soweit der AN sie nicht von Dritten, die nicht selbst von ihm beauftragt sind (z.B. Behörden), nicht erhält oder vom AG selbst zu beschaffen sind. Sofern im Vertrag weitere Unterlagen genannt sind, sind diese spätestens vier Wochen nach Abnahme zu übergeben. (…)

§ 13 Sicherheiten

13.1 Erfüllungssicherheit

Der AN hat dem AG für die Erfüllung aller Ansprüche, die dem AG aus diesem Vertragsverhältnis gegenüber dem AN zustehen oder zustehen können, insbesondere Erfüllungsansprüche, Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel, Rückzahlungsansprüche bzgl. geleisteter Anzahlungen, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, Schadenersatzansprüche statt der Leistung oder aus sonstigen Gründen einschließlich deliktischer Ansprüche Sicherheit in Höhe von 5 % des Brutto-Vertragspreises gemäß § 7.1 dieses Vertrages (einschließlich MwSt.) zu leisten. Die Sicherheit hat auch künftige Ansprüche aus etwaigen Änderungs-, Ergänzungs-, Erweiterungs-, Zusatz oder Nachtragsvereinbarungen mit abzusichern. Im Übrigen hat die Sicherheit ebenfalls gesetzliche und vertragliche Rückgriffs- und Schadenersatzansprüche (einschließlich Bürgenregress- und Gesamtschuldnerausgleich) des AG gegenüber dem AN für den Fall, dass der AG,

• gem. § 1 a Arbeitnehmerentsendegesetz auf Mindestentgelt,

• nach den Vorschriften des SGB oder anderen gesetzlichen Vorschriften für Sozialversicherungsbeiträge/Unfallversicherungsbeiträge und andere Beiträge, die vom AN oder dessen Subunternehmern geschuldet werden;

• im Zusammenhang mit den Steuerabzugsverpflichtungen nach den §§ 48 bis 48d EstG, in Anspruch genommen werden, abzusichern.

Die Vertragsparteien haben als Sicherheit eine Bürgschaft vereinbart. Die Bürgschaft muss selbstschuldnerisch, unbefristet, unbedingt, unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit sowie der Aufrechenbarkeit mit anderen als unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen als auch auf Vorausklage sowie auf Hinterlegung ausgestellt sein. Die Bürgschaftsforderung muss deutschem Recht unterstehen; der Bürge muss seinen Geschäftssitz in Deutschland haben oder aber unwiderruflich einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland benennen. Sie muss auch ansonsten dem Muster in Anlage 10.1 entsprechen.

Die Bürgschaft ist binnen einer Frist von zwei Wochen nach Abschluss dieses Vertrages zu stellen. Solange die Bürgschaft nicht vorliegt, kann der AG den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe vornehmen (siehe oben § 10.1.). Er kann außerdem diesen Vertrag kündigen, wenn die Bürgschaft nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist nachgereicht wird.

13.2 Austausch der Sicherheiten

Der AN kann vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sowie Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen. Der AG kann nach seiner Wahl die Übergabe einer neuen Teilerfüllungssicherheit zur Absicherung folgender Ansprüche geltend machen:

(i) Anspruch auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel in Höhe des Nacherfüllungsinteresses (bis zum zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) sowie

(ii) Anspruch auf Erbringung von zurückgestellten, bis zur Abnahme nicht ausgeführten Leistungen in Höhe der hierfür anfallenden Vergütung

oder die Rückgabe der Erfüllungssicherheit gemäß § 13.1 dieses Vertrages in entsprechender Höhe (teilweise) verweigern.

13.3 Bürgschaft für Mängelansprüche

Für die Dauer der Mängelhaftung hat der AN dem AG für etwaige Mängelhaftungsansprüche Sicherheiten in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten (einschließlich MwSt.). Sicherheiten sind in Form von Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster in Anlage 13.3 zu erbringen, für die § 13.1 entsprechend gilt. Bis zur Überreichung kann der AG 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten. § 17 Abs. 6 VOB/B ist im Übrigen ausgeschlossen.

Nach Ablauf der jeweiligen Verjährungsfristen für die Mängelansprüche erfolgt eine entsprechende (Teil-)Freigabe. Im Hinblick auf folgende Gewerke, für die die Parteien eine zehnjährige Verjährungsfrist vereinbart haben, vereinbaren die Parteien, dass der AG die Bürgschaft für Mängelansprüche in Höhe von EUR ### (zweifacher Wert) erst nach Ablauf der zehnjährigen Gewährleistungsfrist freizugeben und dann die Urkunde zurückzugeben hat. (…)”

Die Beklagte zu 1) gab am 07.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” über eine Höchstbetragssumme von 175.000,00 Euro und am 23.09.2016 eine solche über einen Höchstbetrag von 31.097,00 Euro ab (Anlage K 2).

Die Beklagte zu 2) erteilte am 11.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” zum Höchstbetrag von 100.000,00 Euro und am 12.09.2016 eine weitere Bürgschaft zur Sicherstellung der “vertragsgemäßen Ausführung” und der “vertragsgemäßen Mängelansprüche” bis zu einem Betrag von 100.000,00 Euro (Anlage K 2).

Die ### GmbH beendete ihre Leistungen nicht vollständig. Mit Schreiben vom 02.05.2018 (Anlage K 16) erklärte die Klägerin die Kündigung des GU-Vertrags. Nach eigenem Insolvenzantrag der ### GmbH vom 02.11.2019 wurde am 01.01.2020 das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Die Klägerin nahm infolgedessen die Beklagten jeweils auf der Grundlage der übernommenen Bürgschaften auf Zahlung in Anspruch (Anlage K 31).

Im Einzelnen begehrt die Klägerin Ersatz von behaupteten Fertigstellungsmehrkosten und Mängelbeseitigungskosten, Ersatz für ihren Kunden (den Erwerbern) mangelbedingt erteilte Gutschriften, Ersatz sonstiger Schäden sowie Zahlung von Vertragsstrafe wegen behaupteter verschuldeter Überschreitung des Gesamtfertigstellungstermins. Auf Seite 4 f. ihrer Replik vom 24.06.2022 (eALG Bl. 206 f.), worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Klägerin überdies klargestellt, in welcher konkreten Reihen- und Rangfolge sie die behaupteten – jeweils nach Grund und Höhe streitigen – und in ihrer Summe die Höchstbeträge der streitgegenständlichen Bürgschaften übersteigenden Ansprüche – verteilt auf die vier Bürgschaften – geltend macht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 206.097,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten haben jeweils Klageabweisung betragt.

Sie sind den behaupteten Hauptforderungen im Einzelnen entgegengetreten und haben darüber hinaus die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 768, 812, 821 BGB) erhoben. Die Sicherungsabreden im GU-Vertrag, bei denen es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, hielten der erforderlichen Inhaltskontrolle nicht stand und seien unwirksam. Es liege eine Übersicherung vor, welche den Auftragnehmer (### GmbH) unangemessen benachteilige.

Die Beklagte zu 2) hat des Weiteren geltend gemacht, dass die Klägerin ihre am 12.09.2016 abgegebene Bürgschaft nicht akzeptiert habe und daher ohnehin keine Grundlage bestehe, aus dieser vorzugehen.

Für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und den übrigen landgerichtlichen Akteninhalt Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten könnten ihrer Inanspruchnahme als Bürgen aus § 765 BGB den ihnen nach §§ 768, 821 BGB im Verhältnis zur Klägerin zustehenden Einwand entgegenhalten, dass die zwischen der Klägerin und der ### GmbH zustande gekommenen Sicherungsvereinbarungen insgesamt nach §§ 305, 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien. Die von der Klägerin gestellte vertragliche Regelung in § 13 in Kombination mit den Regelungen in § 10 des GU-Vertrags benachteilige die ### GmbH unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Bei den maßgeblichen Vertragsbestimmungen handele es sich um formularmäßig vorgedruckte Regelungen der Klägerin. Diese seien nicht gemäß § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB im Einzelnen von den Parteien ausgehandelt worden. Vielmehr habe die Klägerin sie der ### GmbH einseitig gestellt. Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen könne sich nach der Rechtsprechung ein vom Verwender zu widerlegender Anschein ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert seien. Diesen Anschein erwecke der GU-Vertrag. Die einzelnen Reglungen bestünden aus einer Vielzahl von formelhaften Wendungen zur Regelung typischer konfliktgefährdeter Sachverhalte. Der Klägerin sei es trotz entsprechenden Hinweises nicht gelungen, diesen Anschein zu widerlegen. Das seitens der Klägerin geäußerte Bestreiten, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, sei nicht ausreichend. Tatsachen, die Anhaltspunkte zur Widerlegung des Anscheins böten, trage die Klägerin nicht vor.

Das von der Klägerin verwendete Klauselgefüge über die Stellung einer Vertragserfüllungs- und Mängelbürgschaft in Kombination mit dem unter § 10 geregelten Einbehalt stelle gemäß § 307 Abs. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH dar. Zusammenfassend lasse sich aus der Zusammenschau der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sagen, dass eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vorliege, wenn nach Abnahme des Werkes Ansprüche des Auftraggebers über einen nicht unerheblichen Zeitraum besichert würden, die nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme lägen. Dies sei ebenso der Fall, wenn für den Zeitraum vor Abnahme Ansprüche des Auftraggebers von über 10 % der Auftragssumme gesichert würden. Möglich sei auch, dass eine Kombination beider für sich genommen wirksamen Sicherungen zu einer Unwirksamkeit der Regelungen insgesamt führen könne, wenn diese sich überlappten und beide dem Auftraggeber zur Verfügung stünden. Gerade ein solcher Fall der Überlappung mehrerer Sicherheiten liege hier vor. Hierdurch bestehe die Gefahr, dass der Klägerin über den Zeitraum der Abnahme hinaus für Mängelansprüche sowohl die Erfüllungsbürgschaft (bzw. der Sicherheitseinbehalt von 10 %) als auch die Bürgschaft der Mängelansprüche (§ 13.3) zur Befriedigung zustünden.

Zunächst sei bereits zweifelhaft, ob sich eine Unangemessenheit und damit Unwirksamkeit dieser Abreden bereits mit Blick auf das Verhältnis von § 10.1 in Zusammenschau mit § 13.1 ergebe. § 10 regele, dass die Leistungen des Auftragnehmers nach dem Leistungsstand zu bezahlen und insoweit Abschlagszahlungen fällig seien, wobei nur 90 % zur Auszahlung gelangten. Dieser Sicherungseinbehalt in Höhe von 10 % könne durch eine Erfüllungsbürgschaft abgelöst werden. § 13.1 regele weiter zur Erfüllungssicherheit, dass der Auftragnehmer eine Sicherheit zur Erfüllung aller Ansprüche, insbesondere Erfüllungs- als auch Mängelansprüche, in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu leisten habe. Diese Regelungen legten den Anschein nahe, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % zu leisten habe, um den vollen Betrag seiner Abschlagsrechnungen zu erhalten, und daneben eine weitere Bürgschaft in Höhe von 5 %, die sowohl die Erfüllungsansprüche absichere und insoweit den gleichen Inhalt habe wie die unter § 10.1 geregelte Bürgschaft, als auch mögliche Gewährleistungsansprüche. Die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten mit sodann 15 % überschreite das Maß des Angemessenen. Dieser Auslegung stehe der letzte Absatz in § 13.1 nicht zwingend entgegen, wonach der Auftraggeber, solange die Bürgschaft nicht vorliege, den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe nach § 10.1 vornehmen könne. Soweit die Klägerin daraus folgere, dass die Sicherheiten in § 10 und § 13.1 eindeutig nicht kumulativ bestehen sollten, sei dies gerade mit Blick darauf, dass § 10 keinerlei Bezug auf § 13.1. nehme (wohingegen für die Schlusszahlungen in § 10.5 durchaus ein Bezug zu § 13.3 hergestellt werde), weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik zwingend, zumal in § 10.1. vorgeschrieben werde, dass die Sicherheit durch Erfüllungsbürgschaft “gem. Muster AG” abgelöst werden könne, wohingegen § 13.1. bereits im Vertragstext konkrete Vorgaben für die Bürgschaft mache und hier auf Anlage 10.1 als Muster verweise.

Deutlich werde die unangemessene Benachteiligung auch mit Blick auf § 13.1 sowie § 13.3, die letztlich beide zur Sicherung von Mängelansprüchen des Auftraggebers dienten. Nach dem Wortlaut in § 13.1 sichere die Erfüllungssicherheit alle Ansprüche des Auftraggebers, mithin sowohl Erfüllungs- als auch Mängelansprüche. § 13.3 regele eine zu stellende Sicherheit in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme für etwaige Mängelhaftungsansprüche, bis zu deren Vorlage der Auftraggeber 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme einbehalten könne. § 13.2 regele zum Austausch der Sicherheiten, dass die Erfüllungssicherheit nach Abnahme der Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und auch Gestellung der Sicherheit nach § 13.3 zurückverlangt werden könne. Der Auftraggeber könne jedoch nach seiner Wahl die Rückgabe der Erfüllungssicherheit verweigern oder eine neue Teilerfüllungssicherheit für die Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel sowie auf Erbringung nicht ausgeführter Leistungen nach § 13.2 verlangen. Durch die Vertragskonstruktion könne es zu einer Konstellation kommen, wonach die Klägerin durch die Kombination dieser Sicherheiten auch nach Abnahme Sicherheiten in Höhe von deutlich über 5 % der Auftragssumme einbehalte, was unter Berücksichtigung der Interessen des Auftragnehmers unangemessen sei. Der Auftraggeber habe durch das Wahlrecht in § 13.2 die Möglichkeit, zusätzlich zu der Summe von 5 % – auch noch längere Zeit nach der Abnahme, z.B. bei Streit über noch offene Forderungen des Auftragnehmers – eine Erhöhung der Bürgschaft um das Doppelte von Mängelbeseitigungskosten zu verlangen oder eben die Erfüllungsbürgschaft einzubehalten.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.

Soweit das Landgericht die maßgeblichen Vertragsbestimmungen im GU-Vertrag als der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB unterliegend ansehe, werde dem nach wie vor widersprochen und insoweit auf den Vortrag in erster Instanz verwiesen.

Die Auffassung des Landgerichts, dass die vertraglichen Sicherheitsabreden nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien, sei unzutreffend. Zunächst sei die Darstellung der Regelungen zur Erfüllungssicherheit aus dem GU-Vertrag im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unvollständig. Zwar würden die maßgeblichen Regelungen in § 10.1 und § 13.1 zutreffend zitiert. Das Erstgericht übersehe allerdings, dass die Vertragsparteien in § 2.3 die Geltung der “Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung” (seinerzeit die VOB/B 2012) vereinbart hätten. Bei der Erfüllungssicherheit hätten die Vertragsparteien – anders als explizit bei der Mängelsicherheit (§ 13.3) – die Regelung des § 17 Abs. 6 VOB/B nicht ausgeschlossen, so dass diese im Hinblick auf die vereinbarten Erfüllungssicherheiten in § 10.1 und § 13.1 vereinbart worden sei. Auch hätten die Parteien durch Einbeziehung der VOB/B 2012 ein alternatives Wahlrecht des Auftragnehmers gem. § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 vereinbart.

Soweit das Landgericht den Regelungen in § 10.1 und § 13.1 des GU-Vertrags die (mögliche) Verpflichtung entnehme, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % (zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts in § 10.1) zu leisten habe und daneben eine weitere Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % gem. § 13.1, sei eine solche “kundenfeindlichste” Auslegung nicht möglich und zulässig. Denn nach der vereinbarten Regelung in § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B 2012 dürfe der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt zwar – wie in § 10.1 des GU-Vertrags vorgesehen – bei den einzelnen Abschlagsrechnungen in Höhe von maximal 10 % vornehmen, allerdings insgesamt nur bis zur Höhe der vereinbarten Sicherheitssumme, welche in § 13.1 in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises vereinbart worden sei. Selbst wenn man die Gefahr einer Kumulation von Einbehalt/Ablösebürgschaft gem. § 10.1 und Vertragserfüllungsbürgschaft gem. § 13.1 annehmen wollte, so habe auch dann jedenfalls die Gefahr einer Erfüllungssicherheit von über 10 % des Bruttovertragspreises nicht bestanden, da sowohl Einbehalt/Ablösebürgschaft (§ 10.1 des GU-Vertrags i.V.m. § 17 Abs. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B), als auch Bürgschaft (§ 13.1 des GU-Vertrags) auf eine Höhe von je 5 % beschränkt gewesen seien, somit zusammen allenfalls maximal 10 % des Bruttovertragspreises erreicht hätten, was nicht zu beanstanden wäre. Die Möglichkeit einer Kumulation habe aber ohnehin angesichts der Regelungen in § 13.1 des GU-Vertrags nicht bestanden, da darin einerseits die höhenmäßige Begrenzung des in § 10.1 des GU-Vertrags vereinbarten Sicherheitseinbehalts (5 % des Bruttovertragspreises) durch das Wort “entsprechender” zum Ausdruck komme, andererseits auch, dass die Sicherheiten in Gestalt eines Werklohneinbehalts gemäß §§ 10.1, 13.1 bzw. einer Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß § 13.1 zwei Alternativen derselben Sicherheit verkörperten, so dass jede Kumulierung insoweit ausscheide. Diese Alternativität ergebe sich zusätzlich aus den vereinbarten Regelungen der VOB/B 2012, § 17 Abs. 6 Nr. 1 bzw. Nr. 3 [gemeint wohl: Abs. 3]. Auch die “kundenfeindlichste” Auslegung müsse sich im Rahmen der anerkannten Auslegungsgrundsätze bewegen. Wenn das Landgericht darauf abstellen wolle, dass der Konnex von § 13.1 und § 10.1 zwar durch die vorgenannten Verweise in § 13.1 aufgezeigt werde, es aber in § 10.1 an korrespondierenden Verweisen wiederum auf § 13.1 fehle, so überzeuge dies nicht. Das Gericht verkenne, dass im Rahmen von § 307 BGB zwar grundsätzlich eine einzelklauselbezogene Würdigung erfolge, bei dem zugrunde zu legenden Klauselinhalt und dessen Auslegung – auch nach § 305c Abs. 2 BGB – jedoch nicht nur der Wortlaut der jeweiligen Einzelklausel zu berücksichtigen sei, sondern auch deren erkennbarer Sinn und Zweck sowie systematische Gesichtspunkte. Eine Formularklausel sei vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren. Demgegenüber verstoße es gegen die Grenzen zulässiger Auslegung, wenn eine Klausel isoliert und aus dem Zusammenhang des Gesamtklauselwerks gerissen interpretiert werde. Dies müsse umso mehr gelten, wenn sich, wie es das Landgericht unzutreffend meine, eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB ohnehin gerade erst aus einer Gesamtschau und Kumulierung der Rechtsfolgen beider Vertragsbestimmungen herleiten lassen solle.

Auch die Annahme einer unangemessenen “Überlappung” der Sicherungen nach § 13.1 bis § 13.3 des GU-Vertrags sei unzutreffend. Aus § 13.1 ergebe sich zwar, dass die dortige Vertragserfüllungssicherheit auch Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel sichern solle. Insofern sicherten sowohl die Vertragserfüllungssicherheit gem. § 13.1 als auch die Mängelsicherheit gem. § 13.3 Mängelansprüche, die bei Abnahme entstanden seien oder nach Abnahme entstünden. Ebenso eindeutig sei aber durch § 13.2 Satz 1 geregelt, dass der Auftragnehmer die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und Stellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen könne. Es sei somit ein durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungssicherheit vereinbart, sodass die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Unangemessenheit sprechende Konstellation, dass die Mängelansprüche sichernde Vertragserfüllungssicherheit “längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss” gerade nicht bestehe. Unbeachtlich sei insoweit, ob eine Mängelbürgschaft durch den Auftragnehmer gestellt werde, oder der Auftraggeber einen Einbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme vornehme. Unbeachtlich sei auch, dass der Anspruch des Auftragnehmers auf Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit nach § 13 Abs. 2 Satz 1 des GU-Vertrags – im Vergleich zum Wortlaut des § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B – zusätzlich von der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung abhängig gemacht werde. Denn erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sei die Berechnung der Höhe der Mängelsicherheit überhaupt möglich; der Auftragnehmer habe es zudem ab Abnahme selbst in der Hand, seine prüffähige Schlussrechnung alsbald nach Abnahme zu stellen – bzw. sei gemäß § 14 Abs. 1 und 3 VOB/B sogar ohnehin gehalten, dies kurzfristig nach Abnahme zu tun.

Demgemäß könne sich eine Unangemessenheit nur aus den weiteren Regelungen in § 13 Abs. 2 Satz 2 des GU-Vertrags ergeben. Jedoch bestehe bei keiner der dort vorgesehenen Konstellationen die Gefahr einer unangemessenen Übersicherung: Fordere der Auftraggeber nach § 13.2 Satz 2 Alt. 1 eine (neue) Teilerfüllungssicherheit (nur) zur Absicherung bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel (maximal in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands), so führe dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung. Dem Auftraggeber stehe nämlich von Gesetzes wegen ohnehin das Recht auf Zahlungseinbehalt in angemessener Höhe nach §§ 641 Abs. 3 BGB, § 632a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F zu. Nachdem dem Auftragnehmer zudem gemäß § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 die Wahl unter den verschiedenen Arten der Sicherheit verbleibe, könne dieser sogar auswählen, ob diese Sicherheit durch entsprechende Einbehalte an seinem Werklohn oder durch Bürgschaft geleistet werden solle. Die ihm so zustehende Ablösemöglichkeit eines Einbehalts gem. §§ 641 Abs. 3/632a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. stelle somit für den Auftragnehmer eine Verbesserung gegenüber der gesetzlichen Lage dar; an Stelle des gesetzlich (nur) vorgesehenen Einbehalts von Werklohnliquidität könne er gemäß § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eine Bürgschaft stellen, die seine Liquidität weniger belaste und das Risiko einer Insolvenz des Auftraggebers ausblende. Mache der Auftraggeber demgegenüber von seinem Wahlrecht in § 13 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 des GU-Vertrags Gebrauch und verweigere wegen bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel teilweise die Rückgabe der Erfüllungssicherheit, so stehe ihm neben der bereits übergebenen Sicherheit für Mängelansprüche nicht etwa die gesamte Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 in voller Höhe zusätzlich zur Absicherung von Mängeln nach Abnahme zur Verfügung, sondern eben nur teilweise und nur zur Absicherung eines Anspruchs auf Beseitigung der bei Abnahme festgehaltenen Mängel. Angesichts dessen, dass dem Auftraggeber auf der Grundlage der §§ 632a Abs. 1 S. 3, 641 Abs. 3 BGB a. F. ein Recht zum Einbehalt von Werklohnzahlungen wegen des Anspruchs auf Beseitigung der Abnahmemängel zustehe, ergebe sich auch insoweit allenfalls eine verbesserte Position des Auftragnehmers gegenüber der gesetzlichen Regelung. Und der Auftraggeber habe – anders als der Auftragnehmer gemäß dem ergänzend vereinbarten § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 – auch kein Wahl- bzw. Austauschrecht mehr dahingehend, doch stattdessen seinerseits einen Einbehalt von Werklohnliquidität wegen Abnahmemängeln vornehmen zu können. Aus dem in beiden Alternativen des § 13.2 eingeschränkten Sicherungszweck folge zudem, dass eine inhaltliche und zeitliche Parallelität und “Überlappung” einer Sicherung gemäß § 13.2 zu einer Sicherung gemäß § 13.3 im Stadium nach Abnahme allenfalls in ausgesprochen eingeschränktem Umfang entstehen könne, der eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB nicht auslösen könne. Die Überlegung des Landgerichts, dass § 13.2 des GU-Vertrags es dem Auftraggeber ermögliche, auf unangemessene Weise die Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 (teilweise) zurückzuhalten, weil mit dem Auftragnehmer Streit über das Bestehen von Mängeln bei Abnahme entstehen könne, verkenne, dass auch § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B dem Auftraggeber die Möglichkeit eröffne, Teile einer Vertragserfüllungssicherheit wegen noch offener Ansprüche zurückzubehalten, die in den Sicherungszweck dieser Sicherheit fielen. Auch über das Bestehen solcher Ansprüche könne Streit mit einem Auftragnehmer entstehen, der sich potenziell über längere Zeit hinziehen könne. Gleichwohl erkenne die Rechtsprechung eine solche Regelung ohne Weiteres an.

Schließlich führe, selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Regelung in § 13.2. Satz 2 des GU-Vertrags zusätzlich zur Mängelsicherheit nach § 13.3. als solche eine Unangemessenheit bewirkte, dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht zur Unwirksamkeit der Sicherheitenabreden insgesamt. Insbesondere bliebe die Wirksamkeit von § 13.1 des GU-Vertrags (samt Rückgaberegelung in § 13.2 Satz 1) als Rechtsgrund für die von der ### GmbH ursprünglich gestellten Vertragserfüllungssicherheiten, aus denen die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ihre Klageforderungen herleite, unberührt. Eine solche Beschränkung sei auch keine unzulässige “geltungserhaltende Reduktion”.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 206.097,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 200.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil als richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 01.02.2024 (eAOLG Bl. 114 ff.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagten können der Inanspruchnahme aus den von ihnen übernommenen Bürgschaften gemäß §§ 768 Abs. 1 Satz 1, 812, 821 BGB die Einrede entgegenhalten, die ### GmbH habe die Bürgschaften ohne rechtlichen Grund gestellt.

1. Der Bürge kann gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Hat der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, so kann er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des Akzessorietätsgedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht mehr zu leisten hat als der Hauptschuldner (BGH, Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 14; Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 15; Urt. v. 12.02.2009 – VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374, Rn. 9; Urt. v. 23.01.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 316 m.w.N.).

2. Bei den in Rede stehenden und eingangs auszugsweise zitierten Regelungen im GU-Vertrag, namentlich dessen §§ 10, 11 und 13, handelt es sich zur Überzeugung des Senats um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die seitens der Klägerin ihrer Vertragspartnerin, der ### GmbH, im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt wurden. Das Landgericht hat diese Feststellung mit zutreffender Begründung und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 26.02.2004 – VII ZR 247/02 -; Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102) auf einen diesbezüglichen Anscheinsbeweis gestützt. Der mit “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” überschriebene GU-Vertrag (Anlage K 1) ist auf seiner ersten Seite mit dem Schriftzug und dem Logo der Klägerin versehen und enthält zahlreiche Regelungen, darunter auch die hier maßgeblichen Bestimmungen, die nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt sind. Des Weiteren finden sich darin Platzhalter und Verweise auf “Muster” des Auftraggebers (so etwa in § 10.1 oder in § 13.1 und § 13.3). Die Klägerin hat den Anschein des Vorliegens von AGB nicht erschüttert, geschweige denn widerlegt. Sie hat in erster Instanz lediglich ohne jede Substantiierung bestritten, dass es sich bei den maßgeblichen Bestimmungen um von ihr gestellte AGB handeln solle. Auch in der Berufungsbegründung verweist sie insoweit nur auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne diesen zu vertiefen oder überhaupt erstmals tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorzutragen, die gegen eine Einordnung der hier maßgeblichen Bestimmungen als AGB sprechen könnten.

3. Die Sicherungsabrede in § 13.1 des GU-Vertrags ist unwirksam, weil sie in der Gesamtschau mit § 13.2, den Bestimmungen zu den Abnahmevoraussetzungen in § 11.1 und 11.2 sowie mit der Regelung in § 13.3 den Auftragnehmer im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Letztlich offenbleiben kann damit, ob die Regelung in § 13.1 darüber hinaus – und davon unabhängig – auch wegen ihres Zusammenspiels mit § 10.1 des GU-Vertrags unwirksam ist (dazu unter 4.).

a) Das Landgericht hat – wie die Klägerin in der Berufungsbegründung konzediert – die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dazu, wann eine formularmäßige Regelung in einem Bauvertrag über die Stellung von Vertragserfüllungs- und Mängelgewährleistungssicherheiten gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt, zutreffend zusammengefasst. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht (BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 24; Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 18 m.w.N.).

Als AGB sind die formularmäßigen Vertragsbestimmungen dabei gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Sind danach mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen Zweifel bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben (nur solche) Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind. Nach diesen Grundsätzen ist auch im Individualprozess gemäß § 305c Abs. 2 BGB die “kundenfeindlichste” (hier: “auftragnehmerfeindlichste”) bzw. “verwenderfreundlichste” Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese im Rahmen einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Vertragspartner des Verwenders begünstigt (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 27).

b) Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze halten die Bestimmungen in den §§ 13.1, 13.2 und 13.3 GU-Vertrag in ihrer Gesamtschau der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Unwirksamkeit ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenspiel der Regelungen.

aa) Nach § 13.1 des GU-Vertrags hat der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu stellen, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch “Mängelansprüche einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel” absichert. Des Weiteren hat der Auftragnehmer nach § 13.3 für die Dauer der Mängelhaftung Sicherheiten für etwaige Mängelhaftungsansprüche in Form von Mängelhaftungsbürgschaften in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten, bis zu deren Überreichung der Auftraggeber 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten kann, wobei § 17 Abs. 6 VOB/B im Übrigen ausgeschlossen sein soll (§ 13.2 Satz 4). Nach dem Wortlaut der Regelungen in den §§ 13.1 und 13.3 des GU-Vertrags sichern demnach beide Sicherheiten Mängelansprüche ab.

bb) Soweit § 13.2 Satz 1 ein Zurückverlangen der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftragnehmer vorsieht, ist diese Möglichkeit des Zurückverlangens an bestimmte qualifizierte Voraussetzungen geknüpft. Solange diese qualifizierten Voraussetzungen gemäß § 13.2 Satz 1 nicht erfüllt sind, kann der Auftraggeber mithin trotz Erbringung der nach § 13.3 geschuldeten Bürgschaft für Mängelansprüche (oder – bei Nichtbeibringung derselben – des Bareinbehalts in Höhe von 5 % nach § 13.3 Satz 3) die Rückgabe der Erfüllungssicherheit nach § 13.1 verweigern. Hieraus allein ergibt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont und der maßgeblichen “kundenfeindlichsten” Auslegung der getroffenen Regelungen bereits die Möglichkeit einer Überlappung der Sicherheiten für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahmereife. Dies ist für sich genommen schon nicht unproblematisch.

So knüpft § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Sicherheit nach § 13.1 zum einen an die Abnahme, die ihrerseits in § 11.2 an bestimmte zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist, und zum anderen an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung an. Weitere Rückgabevoraussetzung ist die “Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche”, wobei sich der Regelung nicht entnehmen lässt, dass diese “Gestellung”, wie die Klägerin meint, auch bereits in dem Einbehalt des Auftraggebers in Höhe der 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme liegen kann. Vielmehr wird – ausdrücklich abweichend von § 17 Abs. 3 VOB/B – in § 13.3 Satz 2 GU-Vertrag auf “Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster” abgestellt und dem Auftragnehmer insoweit gerade kein Wahlrecht belassen.

(1) Problematisch hieran ist insbesondere schon, dass bereits die “Abnahme” selbst in § 11.2 des GU-Vertrags an qualifizierte Voraussetzungen geknüpft wird, die über die gesetzlichen Voraussetzungen der Abnahmereife hinausgehen, nämlich an die Übergabe der dort genannten Unterlagen, ohne danach zu differenzieren, ob es sich dabei um wesentliche oder unwesentliche Restleistungen handelt. Außerdem nimmt § 11.2 Satz 3 (8) mit der Pflicht des Auftragnehmers zur Übergabe der “Einweisungsprotokolle für Nutzer” an den Auftraggeber letztlich auf § 3.6.6 des GU-Vertrags Bezug, worin es heißt: “Der AN weist das Bedienungspersonal des AG, und/oder der Käufer und/oder der künftigen Verwalter, insbesondere die Hausmeister nach deren Bestellung, in die Bedienung der technischen Anlagen im erforderlichen Umfang, auch nach Fertigstellung und ggfs. mehrmals (max.2), ein.” Hiernach bleibt weitgehend unklar, welche Einweisungen erfolgt und durch Einweisungsprotokolle belegt werden müssen, um die Abnahmevoraussetzungen zu schaffen. Schon dies birgt die Gefahr in sich, dass die Abnahme seitens des Auftraggebers (der Klägerin) trotz vorhandener Abnahmereife wegen des Fehlens (nicht ausschließbar) unwesentlicher Unterlagen oder Einweisungen hinausgezögert wird, und dass deshalb die Vertragserfüllungssicherheit nach § 13.1 trotz bereits von der Auftragnehmerin (### GmbH) erbrachter Mängelgewährleistungsbürgschaft oder – in Ermangelung dessen – vorhandenen weiteren 5 %-Einbehalts (§ 13.3 Satz 3 des GU-Vertrags) für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nicht zurückgegeben werden muss.

(2) Soweit § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit darüber hinaus an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung knüpft, trifft zwar das Argument der Klägerin zu, dass der Auftragnehmer ohnehin nach § 14 Abs. 3 VOB/B verpflichtet ist, zeitnah nach Fertigstellung eine prüffähige Schlussrechnung einzureichen, und dass ohne eine solche die Höhe der Gewährleistungsbürgschaft (5 % der Schlussrechnungssumme) schon nicht bestimmt werden kann. Allerdings dürfte eine Schlussrechnung – selbst wenn sie nicht prüfbar sein sollte – eher selten zum Nachteil des Auftragnehmers einen zu niedrigen Betrag aufweisen, so dass mit der Vorlage der Schlussrechnung (auch ohne die Voraussetzungen ihrer Prüfbarkeit) und der Gestellung der sich hieraus errechnenden Mängelgewährleistungssicherheit zumindest in der Regel den Interessen des Auftraggebers hinreichend Genüge getan wird, wohingegen sich Streitigkeiten über die Prüfbarkeit der Schlussrechnung durchaus länger hinziehen können.

Der Gesichtspunkt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft (zugunsten des Auftraggebers) auch Rückzahlungsansprüche wegen Überzahlungen sichert, die ggf. erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung festgestellt werden können, trägt ebenfalls nicht. Denn der Auftraggeber wird insoweit bereits dadurch geschützt, dass er nach § 10.1 des GU-Vertrags nur Abschlagszahlungen im Umfang des “Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen” leisten muss, und zwar auch hier nur unter der weiteren Voraussetzung des Eingangs einer “prüffähigen Abschlagsrechnung” (§ 10.4). Überdies bleibt die Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlusszahlung (§ 10.5).

cc) Eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH als Auftragnehmerin folgt jedenfalls aus dem Zusammenspiel der vorgenannten Regelungen in Verbindung mit der – ihrerseits schon für sich genommen die ### GmbH unangemessen benachteiligenden – Regelung in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags:

(1) Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass (zumindest nach der “auftragnehmerfeindlichsten” bzw. “auftraggeberfreundlichsten” Auslegung) sowohl die Erfüllungsbürgschaft nach § 13.1 als auch die “Bürgschaft für Mängelansprüche” nach § 13.3 Mängelansprüche nach Abnahme einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel sichern. Dann kann aber die dem Auftraggeber (also nicht etwa dem Auftragnehmer, wie § 17 Abs. 3 VOB/B es ansonsten vorsähe) in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eingeräumte Wahlmöglichkeit, nach der dieser – wahlweise zur Geltendmachung der Übergabe einer Teilerfüllungssicherheit – die Rückgabe der Erfüllungssicherheit in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands für sog. Protokollmängel sowie in Höhe der anfallenden Vergütung für bis zur Abnahme noch nicht ausgeführte Leistungen verweigern kann, dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Auftraggeber zu Unrecht Protokollmängel erhebt und hierüber Streit entsteht. Auch bei berechtigten Ansprüchen auf Beseitigung von bei Abnahme festgestellten Mängeln oder Vornahme von Restarbeiten kann sich deren Erledigung über einen nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahme hinziehen. Dabei kann der zweifache Beseitigungsaufwand je nach Sachlage durchaus eine Größenordnung erreichen, bei der zusammen mit der Sicherheit nach § 13.3 des GU-Vertrags die Schwelle von 5 % der Vertragssumme nicht nur unwesentlich überschritten wird (vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 12.05.2016 – 22 U 34/15, juris Rn. 45 ff.).

(2) Nach Auffassung des Senats lässt sich auch nicht argumentieren, dass die nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) zurückbehaltene Erfüllungssicherheit nur noch die Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten und die zusätzliche Mängelhaftungssicherheit nur Ansprüche wegen bei Abnahme noch nicht entdeckter Mängel sichere, sich die Sicherungszwecke also gar nicht überschnitten. Ein solches Verständnis gibt jedenfalls die “auftragnehmerfeindlichste” Auslegung nicht her. Zwar dürfte dann, wenn der Auftraggeber sein Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2, 1. Alt. dahin ausübt, dass er eine neue Teilerfüllungssicherheit verlangt, hinreichend klar sein, dass diese dann nur noch die vorbehaltenen Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten sichert. Wählt er aber die teilweise Verweigerung der Rückgabe der Erfüllungssicherheit “in entsprechender Höhe”, dann ergibt sich aus der Klausel gerade nicht eindeutig, dass dann (neben der höhenmäßigen Begrenzung auf den zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) auch der ursprüngliche Sicherungszweck der Erfüllungsbürgschaft auf Protokollmängel und Restarbeiten beschränkt sein soll. Daher erscheint ein Klauselverständnis jedenfalls nicht fernliegend, wonach der einbehaltene Teil der Erfüllungsbürgschaft auch weiterhin Mängelansprüche generell sichert, also auch solche wegen bislang unbekannter Mängel, etwa auch solcher, die in dem Zeitraum, in dem der Auftragnehmer Protokollmängel und Restarbeiten erledigt, erst zu Tage treten. Demgemäß fehlt auch eine eindeutige Regelung, dass die teilweise einbehaltene Erfüllungsbürgschaft schon vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zurückzugeben ist, sobald die Protokollmängel und vorbehaltenen Restarbeiten erledigt sind.

Ebenso wenig lässt sich – umgekehrt – den Regelungen in den §§ 13.1 bis 13.3 entnehmen, dass die Mängelsicherheit in § 13.3. nicht auch Ansprüche wegen sog. Protokollmängel erfassen soll. Selbst wenn man also eine Einschränkung des Sicherungszwecks der nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) einbehaltenen Sicherheit auf Protokollmängel und Restleistungen annehmen wollte, dann bliebe immer noch die Möglichkeit einer Überlappung mit § 13.3, weil auch dort Mängelansprüche abgesichert sind und hierunter auch Protokollmängel zu verstehen sind.

(3) Soweit die Klägerin weiter damit argumentiert, dass der Auftragnehmer durch die Klausel in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags sogar bessergestellt sei als bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn eine solche Besserstellung würde ein Klauselverständnis voraussetzen, dass der Auftraggeber neben seinem Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2 nicht auch noch kumulativ ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ausüben können soll. Ein solches Verständnis ist aber wiederum nicht zwingend und jedenfalls nicht eindeutig im GU-Vertrag geregelt. Nach der von der Klägerin selbst zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 08.07.1982 – VII ZR 96/81) hindert ein vereinbarter Sicherheitseinbehalt den Auftraggeber auch nach Abnahme der Werkleistung grundsätzlich nicht, die Zahlung fälligen Werklohnes wegen mangelhafter Ausführung des Werkes zu verweigern. Gleiches dürfte dann aber auch für eine anstelle eines Sicherheitseinbehalts vereinbarte Bürgschaft gelten. Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass die Leistungsverweigerung gemäß § 320 BGB (das erst später eingefügte Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ist nichts anderes als eine Ausprägung des § 320 BGB) über die Sicherung des Anspruchs hinaus auf den Auftragnehmer Druck auszuüben solle, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt. Daher könne die Einrede des § 320 BGB auch nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden (§ 320 Abs. 1 Satz 3 BGB). Solange der Nachbesserungsanspruch bestehe, stehe dem Auftraggeber daher grundsätzlich neben dem Sicherheitseinbehalt ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Werkmängeln zu (BGH, aaO.). Auch wenn eine beträchtliche Sicherheit nicht ohne Belang für die Höhe einer berechtigten Leistungsverweigerung sein möge, brauche sich der Auftraggeber doch nicht wegen Werkmängeln, deren Beseitigungskosten vom Sicherheitsbetrag gedeckt seien, allein auf diesen verweisen zu lassen. Er dürfe vielmehr einen weiteren erheblichen Betrag zurückbehalten, welcher erforderlich erscheine, den Auftragnehmer zur schleunigen Nachbesserung anzuhalten. Die Höhe des Betrags, den der Auftraggeber gemäß § 320 BGB zurückbehalten dürfe, hänge von den jeweiligen Umständen mit Rücksicht auf Treu und Glauben ab (BGH, aaO.).

Nach alledem geht der Bundesgerichtshof allenfalls von einer Reduzierung des Druckzuschlags, aber nicht von einem Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts aus. Solange also in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags nicht eindeutig geregelt ist, dass – entgegen der gesetzlichen Wertung in § 320 Abs. 1 Satz 3 BGB – die neue Teilerfüllungssicherheit oder – nach Wahl des Auftraggebers – die teilweise Einbehaltung der Erfüllungssicherheit wegen Protokollmängeln und Restleistungen an die Stelle des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB treten soll, stellt sich die Regelung nicht als vorteilhaft für den Auftragnehmer dar, der im Übrigen auch nicht danach gefragt werden muss, ob er im konkreten Fall die teilweise Zurückbehaltung der Erfüllungsbürgschaft einem Mängeleinbehalt nach § 641 Abs. 3 BGB vorzieht. Eine angebliche Abwendungsmöglichkeit dieses Einbehalts durch den Auftragnehmer folgt auch nicht aus § 17 Abs. 3 VOB/B, wonach dieser die Wahl unter verschiedenen Sicherheiten hat und eine Sicherheit durch eine andere ersetzen kann. Bei dem Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB handelt es sich schon nicht um eine “Sicherheit” im Sinne des § 17 VOB/B, da es nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur der Sicherung von Ansprüchen des Auftraggebers dient, sondern Ausdruck des vertraglichen Synallagmas ist und überdies auf den Auftragnehmer Druck auszuüben soll, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt.

(4) Vor diesem Hintergrund stellt es sich überdies als unangemessen dar, dass § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags das Verlangen einer Teilerfüllungssicherheit oder – wahlweise für den Auftraggeber – die Einbehaltung der Erfüllungsbürgschaft (zusätzlich zur Mängelbürgschaft nach § 13.3) bis zur Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands ermöglicht. Eine Bürgschaft sichert nämlich letztlich immer nur Zahlungsansprüche und nicht unmittelbar den Anspruch auf Mängelbeseitigung. Daher ist auch ein “Druckzuschlag” regelmäßig nicht vom Sicherungszweck einer Bürgschaft erfasst (so auch BGH, Urt. v. 26.03.2015 – VII ZR 92/14).

c) Die aus der Gesamtschau der Bestimmungen in § 13 des GU-Vertrags (auch in Verbindung mit den qualifizierten Abnahmevoraussetzungen des § 11 Abs. 2) folgende unangemessene Benachteiligung der ### GmbH führt wegen der Unteilbarkeit der Regelungen (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 36) zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers erst aus der Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, sind beide Klauseln unwirksam. Denn es ist nicht Sache des Gerichts auszusuchen, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll (BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 27; Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29; Urt. v. 17.01.1989 – XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 263 m.w.N.). Gleiches gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für den Fall, dass eine der beiden Klauseln bereits für sich genommen unwirksam ist (BGH, Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29 m.w.N.).

bb) Dies zugrunde gelegt kann vorliegend § 13.1 GU-Vertrag, da die dort geregelte Bürgschaft auch Mängelansprüche nach Abnahme sichert und somit eine Überschneidung mit der Bürgschaft nach § 13.3 droht, ohne die Rückgaberegelung in § 13.2 keinen Bestand haben. § 13.2 kann aber wiederum nicht ohne Weiteres in einen unzulässigen und einen zulässigen Teil aufgespalten werden. Innerhalb von § 13.2 stößt, wie ausgeführt, bereits die Regelung in § 13.2 Satz 1 für sich genommen mit Blick auf die qualifizierten Voraussetzungen der Abnahme in § 11.2 sowie das weitere Erfordernis der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung zumindest auf Bedenken. Jedenfalls in Verbindung mit der Regelung in § 13.2 Satz 2 BGB wird die Schwelle einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers überschritten. Dann ist es aber nicht Sache des Gerichts, hier durch Streichung einzelner Klauseln oder Klauselteile – etwa des gesamten § 13.2 Satz 2 und in § 13.2 Satz 1 der Wörter “vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung”, des Worts “prüffähigen” und/oder einzelner Regelungen in § 11.2 – eine noch hinnehmbare Regelung zu generieren. Überdies erhielte die Klausel dadurch einen von ihrem ursprünglichen Inhalt grundsätzlich abweichenden Regelungsgehalt, der letztlich zu einer der Intention des Klauselverwenders entgegenstehenden abweichenden Vertragsgestaltung führen würde (vgl. BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 28).

cc) Die Rückgaberegelung in § 13.2 GU-Vertrag lässt sich auch nicht insgesamt durch Rückgriff auf § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B ersetzen (sodass § 13.1 für sich genommen bestehen bleiben könnte), nachdem die Parteien mit § 13.2 gerade eine von § 17 Abs. 8 VOB/B abweichende Regelung vereinbart haben, die bei “Widersprüchen” vorgehen sollte (vgl. § 2.8 GU-Vertrag). Dass im Fall der Unwirksamkeit der vorgehenden Klausel dann doch auch insoweit die VOB/B gelten sollte, lässt sich dem GU-Vertrag gerade nicht entnehmen (vgl. auch BGH, Urt. v. 25.03.2015 – VII ZR 92/14, Rn. 43). Im Gegenteil sieht § 20.4 des Vertrags vor, dass in diesem Fall eine “angemessene” Regelung gelten soll, die der unwirksamen Regelung am nächsten kommt. Allerdings sind Klauseln, nach denen eine Regelung gelten soll, die einer nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksamen Klausel soweit wie möglich entspricht, wegen Verstoßes gegen § 306 Abs. 2 ebenfalls nach § 307 BGB unwirksam (vgl. BGH, aaO., Rn. 45 m.w.N).

4. Nach alledem kann offenbleiben, ob sich die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede auch daraus ergibt, dass bei “auftragnehmerfeindlichster” Auslegung die Regelungen in § 10.1, 13.1 und 13.3 Satz 3 GU-Vertrags im Zusammenspiel dazu führen können, dass der Auftragnehmer während des Erfüllungsstadiums (vor Abnahme) Sicherheiten von mehr als 10 % der Auftragssumme stellen muss, oder ob das Verständnis und Verhältnis dieser Regelungen zueinander insoweit in einem Maße unklar ist, dass sie schon deswegen wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam sind.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe, die die Zulassung gem. § 543 Abs. 2 ZPO gebieten, nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und es werden auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, die eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung erforderlich machen. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Grundsätze zur Inhaltskontrolle formularmäßiger Sicherheitsabreden in Bauverträgen einschließlich Fragen der Gesamt- oder Teilunwirksamkeit sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischenzeitlich im Wesentlichen geklärt. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf das vorliegende Klauselwerk.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

von Thomas Ax

Ein Leitungswasserschaden wegen teilweise fehlender Isolierung an den Pressfittingen der verbauten Warmwasserleitungen verletzt nicht das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Integritätsinteresse für den geltend gemachten Schaden. Die Stoffgleichheit mit dem Mangelunwert ist gegeben. Der behauptete Mangel war “nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise zu beheben” (BGH, Urteil vom 23.02.2021 – VI ZR 21/20, Rz. 16, IBRRS 2021, 0841), weil die Wasserleitung mit Fußboden, Wand und Estrich in der Weise verbunden war, dass ein Auswechseln nur unter Zerstörung der anderen Bauteile möglich war. Die Bestellerin der Werkleistung hat bei Fertigstellung ein Gebäude erhalten, bei dem nicht nur die Wasserleitungen, sondern auch die damit verbundenen Teile des Fußbodens und der Wände vom Mangel betroffen waren und die Fehlstellen bis zum Eintritt der Leckage weder geortet waren noch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand hätten beseitigt werden können, sondern nur durch Komplettaustausch.

OLG Celle, Urteil vom 06.03.2023 – 6 U 35/22