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VertragsManagement – VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen: Oberlandesgericht Hamm, 7 U 89/20

VertragsManagement - VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen:
Oberlandesgericht Hamm, 7 U 89/20:

Das Verlegen eines Erdkabels über einen Fahrradweg begründet eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle, deren fehlende Absicherung eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Verlegenden bedeutet

1.

Das Verlegen eines Erdkabels über einen Fahrradweg begründet eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle, deren fehlende Absicherung eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Verlegenden bedeutet.

  • 2.

Für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch seinen Verrichtungsgehilfen muss der Geschäftsherr nach § 831 BGB verschuldensunabhängig (und gesamtschuldnerisch neben seinem Verrichtungsgehilfen) einstehen, wenn er – wie hier – den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht führen kann.

  • 3.

Ist ein über einen Fahrradweg verlegtes Erdkabel im Einzelfall weder schwer erkennbar noch überraschend, kann dem Fahrradfahrer ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO und damit ein haftungsbegründendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB – hier in Höhe von 50 % – vorgeworfen werden (anders – im Einzelfall – bei einem über einen Feldweg gespannten Stacheldraht BGH Urt. v. 23.4.2020 – III ZR 251/17, VersR 2020, 1062 Rn. 37 f. m. w. N.; BGH Urt. v. 23.4.2020 – III ZR 250/17, RdL 2020, 427 Rn. 38 f. m. w. N.).

1

G r ü n d e

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(abgekürzt gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

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I.

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Die Berufung ist (nur) teilweise begründet.

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Sie hat Erfolg, soweit mit ihr die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten verfolgt wird, der Klägerin bereits entstandene und künftige materielle Schäden aus dem Unfall vom 13.04.2018 auf dem Radweg der A-Straße in B zu 50 % und ihren zukünftigen unfallbedingten, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines klägerischen Eigenverschuldens von 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

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Sie ist hingegen unbegründet, soweit die Klägerin die Zuerkennung eines höheren Schmerzensgeldbetrages sowie den Ausgleich weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.

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Im Einzelnen:

8

1.

9

Der Beklagte haftet der Klägerin aus § 831 Abs. 1 BGB; denn er hat die Zeugen C und D als seine Beschäftigten zu einer Verrichtung, hier der Bergung des Erdkabels unter Einsatz eines Baggers, bestellt und diese haben in Ausführung dieser Verrichtung der Klägerin widerrechtlich Schaden zugefügt, ohne dass der Beklagte sich entlastet hat.

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a.

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Die erstinstanzlich als Zeugen vernommenen Mitarbeiter C und D wurden unzweifelhaft als Verrichtungsgehilfen in Ausübung der ihnen durch den Beklagten als Arbeitgeber übertragenen Aufgabe der Bergung des Erdkabels weisungsgebunden tätig. Hierbei haben sie eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dadurch geschaffen, dass der mit der Ausführung der Kabelbergung durch den Beklagten betraute Baggerführer und Zeuge C – wohl bedingt durch den Straßenverlauf – im Bereich der späteren Unfallstelle das Erdkabel statt wie zuvor praktiziert am Rand verlaufend nunmehr quer über den Rad- und Gehweg zog und der ihn unterstützende und zur Absicherung eingesetzte Kollege D gleichwohl untätig blieb und keine Sicherungsmaßnahmen, insbesondere keine Warnung für die auf dem Radweg gemäß dessen Bestimmung herannahenden Radfahrer(innen), einleitete. Da die Klägerin unstreitig im Bereich der Gefahrenstelle stürzte, spricht bereits der Anschein für eine Kausalität zwischen Gefahrenstelle und Sturz, durch den die Klägerin unstreitig verletzt wurde.

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aa.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (BGH, Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 194/18, VersR 2021, 460 Rn. 8; BGH, Urt. v. 02.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 = r+s 2013, 97 Rn. 6 m. w. N.).

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Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 194/18, VersR 2021, 460 Rn. 8; BGH Urt. v. 02.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 = r+s 2013, 97 Rn. 7 m. w. N.).

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Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen (BGH, Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 194/18, VersR 2021, 460 Rn. 9; BGH Urt. v. 02.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 = r+s 2013, 97 Rn. 8).

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bb.

17

Hier war es der Zeuge C, der vor Ort die Baustelle verantwortlich geleitet hat. Er war es, der durch das eigentliche Bergen des Kabels unmittelbar die abhilfebedürftige Gefahrenstelle zum Entstehen gebracht hat, ohne allerdings pflichtgemäß entweder durch eigenes enges Überwachen der genauen Lage des gezogenen Kabels oder des herannahenden Radverkehrs oder unter Rückgriff auf seinen Kollegen D für eine Sicherstellung des seitlichen Kabelverlaufs oder für eine Warnung herannahenden Radverkehrs Sorge getragen zu haben. Ebenso unzureichend auf die erkennbare Gefahrenstelle reagiert hat der Zeuge D, der weder in den Kabelverlauf korrigierend eingegriffen noch die herannahende Klägerin gewarnt hat. Beiden Zeugen fällt damit zur Last, eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle geschaffen bzw. aufrechterhalten zu haben. Angesichts der abschüssigen und weitgehend gerade verlaufenden Strecke konnten und durften sie nicht – wie der streitgegenständliche Unfall belegt – schlicht darauf vertrauen, dass Radfahrer(innen) jeglichen vom dem losen und daher potentiell rollenden Kabel ausgehenden Gefahren selbst rechtzeitig begegnen konnten.

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b.

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Der Beklagte als Geschäftsherr handelte auch schuldhaft, da er den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht geführt hat.

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Nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB werden sowohl das Verschulden des Geschäftsherrn als auch die Kausalität seines Sorgfaltsverstoßes für den Schadenseintritt widerleglich vermutet. Der Geschäftsherr muss sich mithin mit Blick auf sein Verschulden exkulpieren. Zu diesem Zweck hat er nachzuweisen, dass er die erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl und – obgleich im Wortlaut nicht genannt – auch bei der Instruktion und Überwachung des Verrichtungsgehilfen eingehalten hat. Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach der Verkehrsanschauung sowie den konkreten Einzelfallumständen (vgl. z.B. HK-BGB/Ansgar Staudinger, 10. Aufl. 2019, BGB § 831 Rn. 10, 11, beck-online).

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Die Einzelumstände waren streitgegenständlich dadurch gekennzeichnet, dass das zu bergende Erdkabel parallel zum Rad- und Gehweg verlegt war, der Weg aber, da er zur Bergung genutzt werden musste, aus Sicht der Zeugen nicht vollständig gesperrt werden konnte. Insoweit drängte es sich auf, dass geeignete Maßnahmen zu ergreifen waren, um insbesondere Gefahrenstellen für Radfahrer(innen) abzusichern. Das wurde offenbar auch seitens des Beklagten im Vorfeld erkannt; denn er hat schriftsätzlich vortragen lassen, was der erstinstanzlich vernommene Zeuge D auch bestätigt hat, dass die Zeugen D und C darauf hingewiesen wurden, bei der Durchführung der Arbeiten darauf zu achten, Personen im öffentlichen Verkehrsraum nicht zu gefährden. Der Zeuge D bekundete konkret, es habe Anweisungen gegeben, die Baustelle abzusperren und keine Steine auf der Straße liegen zu lassen. Über den Fahrradweg sei allerdings nicht explizit gesprochen worden.

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Gerade dieser aber war es, der im besonderen Maße bei dem „Ziehen“ des Kabels in Anspruch genommen wurde, weil der Weg als Fahrstrecke für den das Kabel aus dem Erdreich ziehenden Bagger genutzt wurde und – wie die unstreitig geschaffene Gefahrenstelle belegt – ein stabiler Verlauf des gezogenen und damit losen Kabels unmittelbar neben dem und nicht quer über den Radweg gerade nicht gesichert war. Da weder vom Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich ist, inwieweit es zielführende Instruktionen zur Wegsicherung im Vorfeld gegeben hat, lässt sich schon eine den Beklagten entlastende sorgfältige Anleitung seiner Verrichtungsgehilfen nicht feststellen – abgesehen davon, dass auch eine zumindest stichprobenartige Überwachung der Tätigkeit der Zeugen C und D offenbar nicht stattgefunden hat. Die Kausalität dieser Sorgfaltspflichtverstöße des Beklagten für die eingetretene Schädigung wird im Rahmen des § 831 BGB wiederum vermutet, so dass die Haftung des Beklagten dem Grunde nach gegeben ist.

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2.

24

Allerdings muss sich die Klägerin ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB) entgegenhalten lassen, das auch der Senat unter den Umständen des Falles mit 50 % bemisst.

25

a.

26

Im Rahmen der nach § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge können nur solche Umstände zu Lasten eines Beteiligten berücksichtigt werden, die unstreitig oder bewiesen sind und die sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt haben. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (OLG Hamm, Beschl. v. 02.01.2018 – 7 U 44/17, juris Rn. 37; OLG Hamm, Beschl. v. 10.04.2018 – 7 U 5/18, juris Rn. 28).

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b.

28

Gestützt durch ihre eigenen Angaben im Rahmen ihrer Anhörung gem. § 141 ZPO im Senatstermin fällt der Klägerin ein Verstoß gegen das sog. Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO zur Last.

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aa.

30

Das Sichtfahrgebot, das auch für Fahrradfahrer gilt, verlangt, dass der Fahrer vor einem Hindernis, das sich innerhalb der übersehbaren Strecke auf der Straße befindet, anhalten kann. Er muss beim Fahren auf Sicht dementsprechend prüfen, wie weit er sehen und ob er mit der gefahrenen Geschwindigkeit noch rechtzeitig anhalten kann, wenn im sich beim Fahren regelmäßig in Fahrtrichtung verschiebenden Sichtbereich – genauer am Ende der sich verschiebenden übersehbaren Strecke – ein Hindernis auf der Fahrbahn erscheint. Maßgeblich ist damit, dass der Fahrer innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann. Nur auf gegebenenfalls erst aus wenigen Metern erkennbare Objekte muss der Fahrer seine Geschwindigkeit – bei allerdings Anwendung eines strengen Maßstabs hinsichtlich der Erkennbarkeit – nicht einrichten. Insoweit wird das Sichtfahrgebot durch den Vertrauensgrundsatz für solche Hindernisse begrenzt, mit denen der Fahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss. Dies betrifft etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet. Ein Radfahrer ist demnach nicht verpflichtet, lückenlos den unmittelbar vor seinem Rad liegenden Bereich noch gezielt im Auge zu behalten und auf Hindernisse zu überprüfen, die – bei an sich übersichtlicher Lage – aus größerer Entfernung noch nicht zu erkennen waren (so BGH, Urt. v. 23.04.2020 – III ZR 251/17, VersR 2020, 1062 Rn. 37 m. w. N.).

31

bb.

32

Das ca. 20m quer über den Radweg verlaufende 4 cm dicke Erdkabel war für die Klägerin weder schwer erkennbar noch überraschend. Vielmehr haben die von der Klägerin erkannten tatsächlichen Umstände deutlich Anlass geboten, den unmittelbar vor ihrem Rad liegenden Bereich gezielt im Auge zu behalten und auf Hindernisse zu überprüfen. So hatte die Klägerin ihren eigenen Angaben zufolge sowohl erkannt, dass sie einen Baustellenbereich durchfuhr, als auch konkret das lose Erdkabel am Rand des Radweges wahrgenommen. Sie ist eine Strecke von jedenfalls mehr als 10 Metern neben ihm hergefahren. Dabei hat sie offenbar schlicht darauf vertraut, das Kabel werde auch weiter neben dem Radweg verbleiben. Nur so lässt sich erklären, dass sie es gerade nicht im Blick behalten hat, mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren ist und daher den Querverlauf zu spät erkannt hat, obwohl dieser mangels Sichtbehinderung und – wie die nach dem Unfall angefertigten und in Augenschein genommenen Lichtbilder (Bl. 8 f. BeiA) belegen – durch den Farbunterschied zwischen hellem Asphaltbelag und dunklem Kabel unproblematisch von weitem erkennbar war. Infolgedessen hat sie durch ihr nicht situationsangepasstes Verhalten maßgeblich zum Sturzgeschehen beigetragen.

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c.

34

Bei wertender Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge stehen sich diese gleichwertig gegenüber. Es handelt sich jeweils um deutliche Verstöße, da sich sowohl der Beklagte als auch die Klägerin den zwanglos erkennbaren Gefahrensituationen verschlossen und naheliegende Vorkehrungen unterlassen haben.

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Folglich haftet der Beklagte der Klägerin nach einer Quote von 50 % bzw. ist bei der Schadensbemessung der Höhe nach ein Eigenverschulden der Klägerin im Umfang von 50 % zu berücksichtigen.

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3.

37

Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines weiteren über die erstinstanzlich ausgeurteilten 1.000,00 EUR hinausgehenden Schmerzensgeldes aus §§ 831 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 2 BGB nebst Zinsen.

38

a.

39

Unter Zugrundelegung der erlittenen Verletzungen und ihrer Folgen sowie des Eigenverschuldens der Klägerin ist ein Schmerzensgeld von insgesamt 3.000,00 EUR angemessen, aber auch ausreichend.

40

aa.

41

Mit der gefestigten Rechtsprechung hängt die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes entscheidend von dem Maß der Lebensbeeinträchtigung ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten war oder für die Zukunft erkennbar und objektiv vorhersehbar ist (vgl. aktuell OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2021 – 9 U 221/19, juris Rn. 7; OLG Hamm, Urt. v. 19.01.2016 – 7 U 52/15, juris Rn. 23; OLG Hamm, Urt. v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, juris Rn. 34). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt, wobei etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen besonderes Gewicht zukommt (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.1955 – GSZ 1/55, wolterskluwer.online Rn. 16; OLG Hamm, Urt. v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, juris Rn. 34). Im Sinne einer Objektivierung der Leiden wirken sich insbesondere die Art der Verletzungen, die Zahl der Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Behandlung, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und das Ausmaß eines eingetretenen Dauerschadens bei der Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2021 – 9 U 221/19 unter Hinweis auf OLG Hamm, Urt. v. 11.09.2020 – 9 U 96/20, NJW-Spezial 2020, 715, juris Rn. 3; OLG Celle, Urt. v. 04.11.2020 – 14 U 81/20, juris Rn. 12 und OLG Celle, Urt. v.19.02.2020 – 14 U 69/19, juris Rn. 53 f. m. w. N.).

42

Der Maßstab für eine billige Entschädigung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB muss unter Berücksichtigung ihrer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstände neu gewonnen werden. Bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes unterliegt der Tatrichter von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen. Hierbei muss er aber im Hinblick auf den Gleichheitssatz das gewonnene Ergebnis anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen überprüfen, wobei die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 26). Insoweit sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte zu benennen genügt allein nicht. Ausgangspunkt sind Art der Behandlung (Krankenhaus/Reha) und Dauer der Beeinträchtigung (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.2018 – 22 U 97/16, juris Rn. 62). Bei der Heranziehung von Vergleichsfällen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfährt als früher und zu Gunsten eines Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 26; OLG München, Urt. v. 09.09.2020 – 10 U 1722/18, juris Rn. 24).

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Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß § 513 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie zwar für vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es demnach nicht dabei belassen, zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinander gesetzt und eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2006 – VI ZR 46/05, juris Rn. 30; OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 12).

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bb.

45

Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht der Klägerin bereits auf der Grundlage ihres – hier unterstellten – eigenen Vortrags kein höheres, also 3.000,00 EUR übersteigendes Schmerzensgeld zu.

46

Der Schmerzensgeldbemessung zu Grunde liegen zunächst sämtliche von der Klägerin behaupteten Primärverletzungen mit insbesondere dem handgelenksnahen Speichenbruch links, den Prellungen im Bereich beider Knie, der traumatischen Einblutung in den Hoffa’schen Fettkörper am rechten Knie, der Verletzung am rechten Sprunggelenk, den trotz getragenen Helms erlittenen Prellungen am Kopf, dem HWS und der blutenden Nase.

47

Die Einschränkungen in der Lebensführung machen sich auch für den Senat an der insbesondere im unmittelbaren Nachgang des schädigenden Ereignisses gegebenen Beeinträchtigung an immerhin drei Gliedmaßen (linkes Handgelenk und beide untere Extremitäten) fest, wobei allerdings die konservativ behandelte Bruchverletzung am linken Handgelenk die schwerwiegendste Primärverletzung darstellt. Weiter hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin zwar noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Physiotherapie erhält, allerdings vorrangig wegen unfallunabhängiger Beschwerden; unfallabhängige Beschwerden stehen insoweit nicht im Vordergrund, sondern werden – soweit vorhanden, was zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden kann – lediglich mitbehandelt.

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Darüber hinaus hat der Senat auch die weitergehenden Verletzungsfolgen (sog. Sekundärschäden, vgl. etwa BGH, Urt. v. 29.01.2019 – VI ZR 113/17, juris Rn. 12 ff.) bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu Grunde gelegt. Danach ist durch den Unfall, wie in dem Arztbrief des Dr. med. E vom 07.06.2021 (Bl. 139 GA) beschrieben, eine Fehlstellung des distalen Radius zurückgeblieben, die zu einer Fehlbelastung des linken Handgelenks und in deren Folge zu einer posttraumatischen Arthrose geführt hat. Als praktische Auswirkung ist zu Grunde gelegt worden, dass das Handgelenk bei Benutzung wie etwa dem Radfahren zu schmerzen beginnt, worauf die Klägerin mit einem Ausschütteln der Hand reagiert. Berücksichtigt wurde zudem, dass die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden am rechten Knie auch auf die unfallbedingte traumatische Einblutung in den Hoffa’schen Fettkörper zurückzuführen sind, und ihre Probleme, längere Strecken zu Fuß zu bewältigen, nicht allein oder überwiegend auf die bei der Klägerin am rechten Knie unfallunabhängig gegebene Varusgonarthrose zurückzuführen sind.

49

Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf Antrag der Klägerin bedurfte es daher nicht, da der Senat die von der Klägerin beschriebenen Auswirkungen des Fahrradunfalls vollumfänglich zu Grunde legt und sie weder schriftsätzlich noch im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung weitere greifbare Anknüpfungstatsachen vorgetragen hat. Soweit gegenbeweislich angeboten bedarf es der Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens nicht, da mit dem vorliegenden Urteil kein weiteres, über den erstinstanzlich rechtskräftig zuerkannten Betrag hinausgehendes Schmerzensgeld zugesprochen wird.

50

Das so ohne den Eigenverschuldensanteil im Ausgangspunkt auf einen Betrag von 6.000,00 EUR bemessene Schmerzensgeld steht im Einklang mit anderweitiger fallähnlicher obergerichtlicher Rechtsprechung und fügt sich in den Rahmen, der bei vergleichbaren Verletzungen zugesprochen wird.

51

So hat das LG Leipzig (Urt. v. 16.09.2010 – 08 S 573/09, Hacks/Wellner/ Häcker/Offenloch, Schmerzensgeldbeträge 2021, 39. Aufl. 2021, lfd. Nr. 848) in einem Fall mit einer dreiwöchigen Behandlung mit Gipsverband nur für eine Handgelenksverletzung 4.000,00 EUR zugesprochen.

52

Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urt. v. 28.03.2012 –7 U 104/11, Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch, a. a. O. lfd. Nr. 888). Das Gericht hat in dem genannten Urteil ein Schmerzensgeld i. H. v. 5.000,00 EUR für eine Radiusfraktur aufgrund eines Sturzereignisses mit einem achttägigen Krankenhausaufenthalt sowie einer Ellenhakenfraktur zugesprochen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall ein stationärer Krankenhausaufenthalt nicht erforderlich war, neben der Radiusfraktur aber die vorbenannten weiteren Verletzungen sowie die zwischenzeitliche Geldentwertung in die Schmerzensgeldberechnung einzufließen haben.

53

Die von der Klägerin begehrten 8.000,00 EUR sind demgegenüber deutlich übersetzt. Soweit in der Rechtsprechung Schmerzensgeld in einer solchen Höhe zugesprochen wurde, sind diese Fälle mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Deutlich wird dies bei Betrachtung der Entscheidung des LG Landau in der Pfalz (Urt. v. 28.7.2014 – 4 O 381/12). Im dortigen Fall wurden für eine unfallbedingte Jochbeinfraktur, eine Nasenbeinfraktur, ein Lidhämatom, eine LWS-Prellung, eine Ellenbogenprellung, tiefe Schürfwunden am linken Unterschenkel, eine Handgelenksdistorsion rechts, eine kausale Augenentzündung – also für in Quantität und Qualität deutlich intensivere Verletzungen als im vorliegenden Fall und unter zugleich schmerzensgelderhöhender Berücksichtigung eines zögerlichen Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung 8.000,00 EUR zugesprochen (Hacks/Wellner/Häcker, a. a. O. lfd. Nr. 699). Dem ist der vorliegende Fall auch unter Berücksichtigung unfallursächlichen andauernder Beeinträchtigungen der Klägerin am linken Handgelenk und rechtem Knie nicht vergleichbar.

54

In Bezug auf Dauerschäden war zu berücksichtigen, dass eine unfallbedingt erforderliche Schmerzmitteleinnahme von der Klägerin im Termin vor dem Senat selbst verneint wurde.

55

b.

56

Steht der Klägerin danach unter Berücksichtigung ihres Eigenverschuldens von 50 % ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 EUR zu, ist dieses entweder bereits durch Zahlung erfüllt oder rechtskräftig zugesprochen.

57

aa.

58

Die Beklagte hat über ihren Haftpflichtversicherer vorgerichtlich bereits 1.500,00 EUR gezahlt (§ 362 Abs. 1 BGB).

59

bb.

60

Der Zeuge C hat ebenfalls vorgerichtlich zur Schadenswiedergutmachung, anzurechnen auf den Gesamtschmerzensgeldbetrag, einen weiteren Betrag von 500,00 EUR gezahlt. Der Zahlung kommt ebenfalls Erfüllungswirkung gem. §§ 840; 422 Abs. 1 S. 1; 362 Abs. 1 BGB zu.

61

Der Beklagte und der Zeuge C haften nämlich als Gesamtschuldner, weil beide für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden nebeneinander verantwortlich sind, § 840 Abs. 1 BGB. Die Haftung des Beklagten beruht wie ausgeführt auf § 831 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB, die des Zeuge C auf § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB; denn die von der Klägerin erlittenen Einbußen an der Gesundheit resultieren auch aus der rechtswidrigen und unzweifelhaft (fahrlässig) schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung des Zeugen.

62

cc.

63

Weitere 1.000,00 EUR hat das Landgericht rechtskräftig zu erkannt. Damit sind sämtlich derzeitigen Schmerzensgeldansprüche der Klägerin erfüllt. Ihre Berufung bleibt folglich insoweit ohne Erfolg.

64

4.

65

Die Berufung hat hingegen Erfolg, soweit mit ihr die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten verfolgt wird, der Klägerin bereits entstandene und künftige materielle Schäden aus dem Unfall vom 13.04.2018 auf dem Radweg der A-Straße in B zu 50 % und ihren zukünftigen unfallbedingten, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines klägerischen Eigenverschuldens von 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

66

Auf Basis der v.g. Haftungsverteilung war dem Feststellungsantrag der Klägerin stattzugeben.

67

Das erforderliche Feststellungsinteresse, d. h. die Möglichkeit des zukünftigen Eintritts weiterer materieller und derzeit noch nicht konkret absehbarer immaterieller Schäden aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls, ist angesichts der unstreitig erlittenen Bruchverletzung im Bereich des linken Handgelenks der Klägerin zu bejahen. Infolgedessen besteht jedenfalls das gerichtsbekannte Risiko einer Arthrose, wie sie auch in dem Arztbrief des Dr. med. E vom 07.06.2021 (Bl. 139 d. A.) bereits beschrieben, ihr (weiterer) Verlauf aber im Einzelnen unklar und nicht vorhersehbar ist. Daraus wiederum resultiert die Möglichkeit weiterer unfallbedingter materieller und immaterieller Schäden, was für Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrages ausreicht (vgl. hierzu aktuell BGH, Beschl. vom 08.06.2021 – VI ZR 1272/20, juris).

68

5.

69

Soweit die Klägerin schließlich Ausgleich weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i. H. v. 685,32 EUR verlangt, bleibt die Berufung ebenfalls erfolglos.

70

Die Klägerin ist insoweit nämlich jedenfalls schon nicht mehr aktivlegitimiert, weil infolge vorgerichtlichen Ausgleichs durch den Rechtsschutzversicherer – wie im Senatstermin eingeräumt wurde – der Anspruch gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf diesen übergegangen ist.

71

Eine Modifikation des entsprechenden Klageantrags oder eine Erklärung zu einer etwaigen Vorgehensweise der Klägerin im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft sind auf Nachfrage im Termin nicht erfolgt.

72

II.

73

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

74

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

75

III.

76

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

BGH, Urteil vom 28.05.2021 – V ZR 24/20: Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde

BGH, Urteil vom 28.05.2021 - V ZR 24/20: Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde

1. Bezugspunkt der Arglist in § 444 BGB ist ein konkreter Mangel. Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gemäß § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist.

2. Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen (Bestätigung von Senat, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11, NJW 2013, 2182).

3. Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde.

Tatbestand

Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag vom 27. März 2012 von den Beklagten zu 1 und 2 ein Grundstück für 253.000 €. In dem Vertrag wurden die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundstücks, des Gebäudes und der mitverkauften beweglichen Sachen ausgeschlossen. Auf dem Grundstück befindet sich ein Gebäude, das der Beklagte zu 1 aufgrund eines Werkvertrags mit einer inzwischen verstorbenen Bauunternehmerin hatte errichten lassen. Im Zuge von Umbauarbeiten stellte die Klägerin Mängel der Abdichtung des Kellers und des Haussockels gegen Feuchtigkeit fest. Im Dezember 2012 trat der Beklagte zu 1 an die Klägerin sämtliche ihm gegenüber der Bauunternehmerin zustehenden Gewährleistungsansprüche ab.

Die Klägerin hat wegen der Feuchtigkeitsmängel von den Verkäufern und den Erben der Bauunternehmerin zuletzt insgesamt 48.457,51 € als Wertminderungsschaden verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin hinsichtlich des Beklagten zu 2 und der Erben der Bauunternehmerin durch Teilurteil vom 30. April 2019 zurückgewiesen. Dieses Teilurteil ist rechtskräftig. Mit Schlussurteil vom 23. Dezember 2019 hat es den Beklagten zu 1 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung von 34.679,72 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte zu 1 mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Gründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin von dem Beklagten zu 1 gemäß § 437 Nr. 3, § 440 i.V.m. § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB Ersatz der geltend gemachten Schäden im zuerkannten Umfang als Schadensersatz statt des ausgefallenen Leistungsteils verlangen. Das seinerzeit errichtete Gebäude sei mangelhaft, weil es nach den Feststellungen des Sachverständigen keine Vertikalabdichtung und eine unzureichende Horizontalabdichtung aufweise. Auf den Haftungsausschluss könne sich der Beklagte zu 1 nicht berufen, da er arglistig gehandelt habe. Der Beklagte zu 1 habe die Klägerin darüber aufklären müssen, dass das Haus nicht mit einer Vertikalabdichtung versehen worden sei. In dem Bauvertrag sei eine entsprechende Abdichtung nicht vorgesehen gewesen. Es habe bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Tatsachen gegeben, aus denen sich dem Beklagten zu 1 habe erschließen müssen, dass der Auftrag eine solche Abdichtung nicht erfasst habe. Sein Vortrag, ein Sperrputz mache eine Vertikalabdichtung entbehrlich, sei eine Schutzbehauptung. Aus ihr erschließe sich zwar nicht zwingend der Zeitpunkt, zu dem ihm bewusst geworden sei, dass es eine Vertikalabdichtung nicht gegeben habe. Er habe diese Tatsache aber zumindest verschleiern wollen. Letztlich könne unentschieden bleiben, ob der Beklagte zu 1 gewusst oder mindestens billigend in Kauf genommen habe, dass eine Vertikalsperre nicht und die Horizontalsperre unzureichend ausgeführt worden seien. Denn er habe die Klägerin darüber unterrichten müssen, dass das Gebäude teilweise in Schwarzarbeit errichtet worden sei. Von letzterem sei sowohl auf Grund der Aussage des Beklagten zu 3 als auch der übrigen Indizien auszugehen.

II.

Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Im Wesentlichen zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach den von ihm mit sachverständiger Hilfe getroffenen Feststellungen war das Gebäude auf dem verkauften Grundstück bei Gefahrübergang mangelhaft, weil es, obwohl neueren Baujahrs, nicht mit einer Vertikalabdichtung versehen und die Horizontalabdichtung unzureichend war. Aufgrund dieser Mängel kann der Beklagte zu 1 nach § 437 Nr. 3, § 440, § 280 Abs. 1 u. 3, § 281 BGB zu Schadensersatz statt des ausgefallenen Leistungsteils verpflichtet sein. In diesem Rahmen könnte die Klägerin nicht nur, wie zuletzt beantragt, Ersatz des Minderwertes, sondern, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, auch Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2021 – V ZR 33/19, ZIP 2021, 960 Rn. 7). Beides setzt nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB voraus, dass der Beklagte zu 1 das Fehlen der Vertikalsperre und den Einbau einer unzureichenden Horizontalsperre zu vertreten hat und weiter, dass er sich auf den vereinbarten Haftungsausschluss für Sachmängel nicht berufen darf. Sollte der Beklagte zu 1 einen der beiden oder beide Mängel arglistig verschwiegen haben, wäre ihm – und dann – entgegen der von dem Berufungsgericht in dem Teilurteil vertretenen Ansicht – auch dem Beklagten zu 2 (vgl. dazu Senat, Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 150/15, VersR 2017, 766 Rn. 8) – nach § 444 BGB die Berufung auf den Haftungsausschluss verwehrt.

2. Unzutreffend ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 1 die festgestellten Mängel arglistig verschwiegen habe, ergebe sich schon daraus, dass der gesonderte Vertrag über die Herstellung der Bodenplatte und der Abdichtung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (vom 23. Juli 2004, BGB I S. 1842, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 30. März 2021, BGBl. I S. 448 – Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz oder SchwarzArbG) verstoßen habe. Damit verkennt das Berufungsgericht den Anknüpfungspunkt der Arglist in § 444 BGB und die ihr nach dieser Vorschrift zugedachte Wirkung.

a) Nach § 444 BGB darf sich der Verkäufer auf einen in dem Kaufvertrag vereinbarten Haftungsausschluss nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen hat.

aa) Mit den Worten “den Mangel” spricht das Gesetz jeden einzelnen Mangel an, auf den sich der Käufer beruft. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang von § 444 BGB mit § 437 Die in § 437 BGB bezeichneten Mängelrechte stehen dem Käufer nämlich immer dann zu, wenn die Sache mangelhaft ist, damit also im Grundsatz bei jedem einzelnen Sach- oder Rechtsmangel im Sinne der §§ 434 und 435 BGB. Dieser Umstand führt etwa dazu, dass der Käufer, der wegen eines bestimmten Mangels der Kaufsache gemindert hat, zwar nicht wegen desselben Mangels großen Schadensersatz und unter diesem Gesichtspunkt die Rückgängigmachung des Kaufvertrages verlangen kann (BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – VIII ZR 26/17, BGHZ 218, 320 Rn. 19), wohl aber wegen eines anderen (rechtzeitig geltend gemachten) Mangels, dessentwegen er den Kaufpreis nicht gemindert hat, doch noch vom Kaufvertrag zurücktreten oder im Wege des großen Schadensersatzes dessen Rückabwicklung verlangen könnte (BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – VIII ZR 26/17, BGHZ 218, 320 Rn. 17: “wegen desselben Mangels”; ausdrücklich: Erman/Grunewald, BGB, 16. Aufl., § 437 Rn. 48; Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 437 Rn. 31; MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl., § 441 Rn. 10).

bb) Das arglistige Verschweigen eines Mangels führt nach § 444 BGB auch nicht dazu, dass sich der Verkäufer überhaupt nicht mehr auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen könnte. Vielmehr ist ihm die Berufung auf einen solchen Haftungsausschluss nur “insoweit” verwehrt, als er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Berufung auf den Haftungsausschluss ist also nur ausgeschlossen gegenüber den Rechten und Ansprüchen des Käufers aus § 437 BGB, die sich aus dem verschwiegenen Mangel ergeben. Gegenüber Ansprüchen und Rechten des Käufers aus § 437 BGB, die sich aus anderen Mängeln ergeben, die er dem Käufer nicht arglistig verschwiegen hat, darf sich der Verkäufer weiterhin auf den Haftungsausschluss berufen.

cc) Bezugspunkt der Arglist ist in § 444 BGB damit stets ein konkreter Mangel. Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Senat, Urteile vom 7. März 2003 – V ZR 437/01, ZfIR 2003, 769, 771, vom 16. März 2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078 24 und vom 14. Juni 2019 – V ZR 73/18, ZfIR 2019, 846 Rn. 29).

b) Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gemäß § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist.

aa) Schwarzarbeit im Sinne des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes leistet nach § 1 2 SchwarzArbG, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt (Nr. 1), als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt (Nr. 2), als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt (Nr. 3), als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 GewO) nicht nachgekommen ist oder die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 GewO) nicht erworben hat (Nr. 4) oder als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne gemäß § 1 HwO in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (Nr. 5). Diese Tatbestände betreffen sämtlich die sozialversicherungs-, steuer- und gewerberechtlichen Rahmenbedingungen von Dienst- oder Werkverträgen. Sie befassen sich dagegen nicht mit dem Inhalt der versprochenen Leistungen und besagen erst recht nichts darüber, ob die vereinbarte Leistung wie vorgesehen erbracht worden ist oder nicht. Sie geben deshalb auch keine Auskunft darüber, ob der Auftraggeber, worauf es im Zusammenhang von § 444 BGB allein ankommt, von Fehlern bei der Ausführung der Werkleistungen Kenntnis hatte oder das Vorhandensein solcher Fehler billigend in Kauf genommen hat. Sie begründen für sich genommen auch nicht den Verdacht, die Arbeiten seien nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden und das Grundstück dadurch mangelhaft. Deshalb könnte in der unterbliebenen Kontrolle der ausgeführten Arbeiten kein billiges Inkaufnehmen etwaiger Mängel gesehen werden (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2016 – V ZR 216/14, WM 2016, 1755 Rn. 19 f., für die Beseitigung eines Mangels durch ein Fachunternehmen).

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass ein Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zur Nichtigkeit des Werkvertrags führt.

(1) Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sieht keine ausdrücklichen Verbotstatbestände vor. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes sowie der darin vorgesehenen Androhung von Geldbußen ergibt sich jedoch, dass Verträge, die einen der Tatbestände für Schwarzarbeit erfüllen, bei bestimmter Beteiligung beider Vertragsparteien nichtig sind. Das ist jedenfalls bei dem von dem Berufungsgericht hier angenommenen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG der Fall (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 17, 20). Wäre gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen worden, wäre der Vertrag über die Herstellung unter anderem der Abdichtung des Gebäudes gemäß § 134 BGB nichtig. Das wiederum hätte zur Folge, dass dem Beklagten zu 1 als Besteller aus einem solchen Vertrag keine Ansprüche und Rechte nach § 634 BGB zustünden (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 27) und überdies schon keine wechselseitigen Leistungspflichten begründet worden wären.

(2) Das Fehlen der wechselseitigen Leistungspflichten und der Ansprüche und Rechte des Bestellers aus § 634 BGB rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass die zwar nicht wirksam vereinbarten, aber doch abgesprochenen Leistungen nicht so erbracht wurden, wie sie bei Wirksamkeit des Vertrages zu erbringen gewesen wären. Es bietet insbesondere keine Grundlage für die Annahme, der Auftraggeber habe allein schon wegen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Kenntnis von einem bestimmten, nach Fertigstellung festgestellten Ausführungsfehler oder habe diesen billigend in Kauf genommen.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (vgl. § 561 ZPO). Auch die zusätzlich angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts tragen seine Annahme, der Beklagte zu 1 habe arglistig gehandelt, nicht.

a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob sich seine Annahme, der Beklagte zu 1 habe die beiden festgestellten Mängel – fehlende Vertikalabdichtung und unzureichende Horizontalabdichtung – arglistig verschwiegen, hinsichtlich der Vertikalabdichtung auch auf andere Gründen stützen lasse. Seine in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen vermögen aber auch deshalb nicht zu begründen, dass der Beklagte zu 1 das Fehlen der Vertikalabdichtung arglistig verschwiegen hat, weil das Berufungsgericht für die Feststellung der Arglist falsche Maßstäbe angelegt hat.

aa) Es geht zwar zutreffend davon aus, dass Arglist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Kenntnis des arglistig Handelnden – hier des Beklagten zu 1 – von dem Mangel oder voraussetzt, dass dieser den maßgeblichen Mangel billigend in Kauf nimmt und nicht offenbart (Nachweise oben in Rn. 10). Es hat die Anforderungen, die der Senat an die Annahme von Eventualvorsatz stellt, aber missverstanden und gelangt deshalb im Ergebnis durchweg nicht zur Feststellung von Eventualvorsatz.

bb) Das Berufungsgericht führt unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 12. April 2013 (V ZR 266/11, NJW 2013, 2182) aus, “hinsichtlich der Gesamtbewertung dieser Umstände reicht es für den subjektiven Tatbestand der Arglist aus, dass sich dem Beklagten zu 1 der Mangel aufdrängen musste”. Das entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats und auch nicht dem dazu zitierten Senatsurteil. In diesem Urteil hat der Senat das genaue Gegenteil entschieden, dass es nämlich für die Annahme von Arglist gerade nicht genügt, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen. Zur Begründung hat er angeführt, dass andernfalls die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde (Senat, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11, NJW 2013, 2182 Leitsatz und Rn. 13). Diese Anforderungen hat das Berufungsgericht nicht erkannt und sich bei seinen Ausführungen zum Vorsatz oder Eventualvorsatz des Beklagten zu 1 durchweg mit (grober) Fahrlässigkeit begnügt, die aber für arglistiges Handeln nicht ausreicht.

b) Das Berufungsgericht hat ferner offengelassen, ob der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bei dem Vertrag über die Anbringung der Vertikal- und der Horizontalabdichtung einen Sachmangel des später verkauften Grundstücks darstellt. Das ist nicht der Fall.

aa) Einem verkauften Grundstück fehlt nicht deshalb die gesetzlich geschuldete Beschaffenheit, weil dem Verkäufer infolge der mit dem Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz eingetretenen Nichtigkeit des Vertrags über die Errichtung des Gebäudes gemäß § 134 BGB bei Mängeln des Gebäudes keine Ansprüche und Rechte nach § 634 BGB zustehen. Er schuldet dem Käufer die Verschaffung eines Grundstücks, das die geschuldete Beschaffenheit hat. Ohne besondere Vereinbarungen ist der Verkäufer nicht verpflichtet, dem Käufer seine eigenen Gewährleistungsrechte gegen Dritte abzutreten. Auch wenn eine Abtretung von Mängelansprüchen vereinbart wäre und daran scheiterte, dass diese Ansprüche wegen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht bestehen, würden dadurch weder das Gebäude noch das Grundstück, auf dem es errichtet wurde, mangelhaft. Das Nichtbestehen der Ansprüche könnte nur Ansprüche aus einer Verletzung von Leistungs- oder Aufklärungspflichten auslösen. Hier war die Abtretung von Mängelansprüchen nicht vereinbart. Die nach dem Auftreten der Mängel erklärte Abtretung der Ansprüche gegen die verstorbene Bauunternehmerin und ihre Erben sollte nur der Beseitigung der Abdichtungsmängel dienen.

bb) Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde. Als Beschaffenheit einer Kaufsache im Sinne von § 434 1 BGB sind sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben (BGH, Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/15, NJW 2016, 2874 Rn. 10). Zu diesen Faktoren gehört der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bei der Errichtung eines auf dem später verkauften Grundstück stehenden Gebäudes regelmäßig nicht. Er begründet einen persönlichen Vorwurf gegen den Verkäufer und den von ihm beauftragten Unternehmer. Er betrifft deren Geschäftsgebaren und nicht das errichtete Gebäude. Deshalb wirkt sich ein solcher Verstoß regelmäßig nicht auf die Wertschätzung des später verkauften Grundstücks aus. Das Fehlen solcher Verstöße gehört deshalb nicht zu den § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB kraft Gesetzes geschuldeten Eigenschaften eines Kaufgrundstücks. Ob das Fehlen als Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB – etwa auf besonderen Wunsch eines Käufers – vereinbart werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung, weil in dem Vertrag eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden ist.

c) Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich zugleich, dass der Beklagte zu 1 die Klägerin auch nicht von sich aus und losgelöst von der Beschaffenheit des Grundstücks auf den Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz hätte hinweisen müssen. Deshalb lässt sich der von der Klägerin verlangte Ersatz der sich aus den Abdichtungsmängeln ergebenden Wertminderung des Grundstücks auch nicht auf eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten gemäß § 280 1, § 241 Abs. 2 BGB stützen.

III.

Die Verurteilung des Beklagten zu 1 kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsurteil ist insoweit aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hierbei macht der Senat von der in § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen. Die neue Berufungsverhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den weiteren von dem Beklagten zu 1 in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragenen Einwänden gegen die Annahme der Arglist und seinen Einwänden zur Höhe des Anspruchs zu befassen.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Kazele

Haberkamp

Hamdorf

VergMan Bau ® – Professionelle Prüfung und Wertung von Angeboten

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Lassen Sie sich durch uns als Vergabestelle qualifiziert unterstützen: Wir prüfen und werten für öffentliche Auftraggeber Angebote im Rahmen von Bauvergabeverfahren klar strukturiert, rechtssicher und nachvollziehbar dokumentiert wie folgt:

1. Allgemeines
2. Aufklärung des Angebotsinhalts gemäß § 15 VOB/A bzw. 15 EU VOB/A
3. Formale, rechnerische und technische Prüfung der Angebote, Prüfung auf Mischkalkulation (§ 16 und
§ 16c VOB/A bzw. EU- VOB/A)
4. Prüfung und Wertung der Eignung der Bieter (§ 16b VOB/A bzw. EU VOB/A)
5. Festlegung der Angebote für die weitere Wertung
6. Besonderheiten der Prüfung und Wertung von Nebenangeboten
7. Prüfung und Wertung der Angemessenheit der Preise (§ 16d Abs. 2 VOB/A bzw. EU VOB/A)
8. Unangemessen hoher oder niedriger Preis
9. Prüfung und Wertung der Angebote hinsichtlich Spekulation
10. Unerwartet hohe Angebotsendsumme
11. Ermittlung der Wertungssummen für die Angebote der Bieter der engeren Wahl
12. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (§ 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 2 VOB/A)
13. Festlegung des anzunehmenden Angebots

1. Allgemeines

1.1 Prüfung und Wertung der Angebote (Haupt- und Nebenangebote) werden nach §§ 16, 16c und 16d VOB/A bzw. EU VOB/A unter Beachtung von § 127 GWB und den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zügig innerhalb der festgelegten Bindefrist durchgeführt. Dabei werden insbesondere auch die §§ 2, 6, 13 bis 15 VOB/A bzw. EU VOB/A beachtet.

1.2 Angebote von Unternehmen, die von der Vergabestelle keine Aufforderung zur Angebotsabgabe erhalten haben, werden bei Verfahren mit vorgeschaltetem öffentlichem Teilnahmewettbewerb und beschränkter Ausschreibung ausgeschlossen.

1.3 Ist eine Angabe oder Erklärung im Angebot eines Bieters offenbar unrichtig, lässt sich aber aus der Sicht des Auftraggebers das wirklich Gewollte zweifelsfrei erkennen, so ist die Angabe oder Erklärung wie erkannt zu behandeln (vergleiche § 133 BGB).

1.4 Beruft sich ein Bieter

– auf einen Irrtum bei der Aufstellung und Abgabe seines Angebots, so kann eine derartige Erklärung als Anfechtung der Angebotserklärung betrachtet werden; die Wirksamkeit der Anfechtung und deren Rechtsfolgen richten sich nach den §§ 119 ff. BGB.

– auf einen Irrtum bei der Kalkulation seines Angebots, so wird diese Erklärung grundsätzlich nicht als Anfechtungsgrund anerkannt.

1.5 Bei der Prüfung und Wertung erforderliche Eintragungen in Angeboten werden als solche deutlich gekennzeichnet.

1.6 Die Maßstäbe, nach denen Prüfung und Wertung durchgeführt werden, sind für alle Angebote gleich.

2. Aufklärung des Angebotsinhalts gemäß § 15 VOB/A bzw. 15 EU VOB/A

2.1 Die Notwendigkeit einer Aufklärung des Angebotsinhalts kann sich im Rahmen der Prüfung von Angeboten ergeben. Aufklärungen werden nur für die in § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A bzw. EU VOB/A vorgesehenen Zwecke und nur soweit notwendig vorgenommen. Sie erfolgen grundsätzlich in Textform und werden Bestandteil des Vergabevermerks.

2.2 Bei der Aufklärung wird beachtet, dass mit Ablauf der Angebotsfrist der Wettbewerb abgeschlossen ist. Eine nachträgliche Veränderung der Angebote und damit des Wettbewerbsergebnisses, z. B. durch:

– Preiszugeständnisse durch Bieter,
– sachlich nicht begründete Auslegung von Erklärungen, Nebenangeboten usw. durch Bieter oder
– Änderung der Person des Bieters dadurch, dass mehrere getrennt aufgetretene Bieter eine Arbeitsgemeinschaft bilden wollen oder
– Änderung der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft durch Ergänzung oder Austausch ist unzulässig.

2.3 Wenn zu einem in die engere Wahl kommenden Angebot eine für dessen Wertung maßgebende Feststellung getroffen wurde, z. B.

– Korrektur offenbar unrichtiger Angaben oder Erklärungen eines Bieters (siehe Nr. 1.3),
– Beurteilung des von einem Bieter geltend gemachten Irrtums (siehe Nr. 1.4),

wird der betreffende Bieter vor Zuschlagserteilung auf diesen Sachverhalt in Textform hingewiesen.

2.4 Soweit die Ergebnisse der Aufklärung über

– den Angebotsinhalt nach § 15 Abs. 1 VOB/A bzw. EU- VOB/A,
– Änderungen von Nebenangeboten nach § 15 Abs. 3 VOB/A bzw. EU- VOB/A,

für die Zuschlagserteilung rechtserheblich sein können, wird vom jeweiligen Bieter eine Erklärung in Textform eingeholt, dass das Ergebnis Gegenstand seines Angebots ist.

3. Formale, rechnerische und technische Prüfung der Angebote, Prüfung auf Mischkalkulation (§ 16 und § 16c VOB/A bzw. EU- VOB/A)

Die formale und rechnerische Prüfung sowie die Prüfung auf Mischkalkulation der Angebote erfolgt nach den Vorgaben für die Angebotsprüfung HA und Angebotsprüfung NA.

3.1 Formale Prüfung (einschl. Ausschlussprüfung)
Bei der formalen Prüfung der Angebote werden nur Tatsachen dokumentiert. Wenn die Ausschlussgründe des § 16 Abs. 1 VOB/A bzw. § 16 EU- VOB/A erfüllt sind, führt dies direkt ohne weitere Prüfungsschritte zum zwingenden Ausschluss des Angebotes. Die Entscheidung bezüglich eines Ausschlusses wird im Vergabevermerk begründet.

3.2 Nachfordern von Unterlagen (Erklärungen oder Nachweise)
Ein Abschluss der formalen Prüfung kann bei Angeboten mit fehlenden und mit Angebotsabgabe geforderten Unterlagen (Erklärungen oder Nachweise), bei denen die Angebote nicht entsprechend § 16 Abs. 1 VOB/A bzw. § 16 EU- VOB/A zwingend auszuschließen sind, erst dann erfolgen, wenn die fehlenden Unterlagen nachgefordert und geprüft sind.
Dazu fordert die Vergabestelle den Bieter in Textform auf, spätestens innerhalb von 6 Kalendertagen nach Aufforderung die fehlenden Unterlagen zu übergeben. Dies gilt nicht für Unterlagen, welche auf gesondertes Verlangen angefordert werden. Hier ist eine Nachforderung nach Verstreichen der gesetzten Frist nicht zulässig.
Die Frist der Aufforderung beginnt am Tag nach der Absendung. Das Absendedatum wird von der Vergabestelle dokumentiert.
Dieser Prüfschritt kann für Angebote, welche nach der rechnerischen Prüfung für eine Auftragserteilung vorerst nicht in Betracht kommen, zurückgestellt werden.

3.3 Rechnerische Prüfung
Alle nicht ausgeschlossenen Angebote werden rechnerisch geprüft (nachgerechnet).

3.3.1 Bei Grund- oder Wahlpositionen wird bei der Nachrechnung und Ermittlung der Wertungssummen nur die preisgünstigere Variante (Grund- oder Wahlposition) berücksichtigt.

3.3.2 Der am Schluss des Angebots eingetragene Steuersatz für die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) wird gegebenenfalls auf den bei Ablauf der Angebotsfrist geltenden Steuersatz geändert und der sich daraus ergebende Umsatzsteuerbetrag entsprechend umgerechnet.

3.3.3 Ein gemäß § 13 Abs. 4 VOB/A bzw. EU VOB/A im „Angebotsschreiben“ angebotener Preisnachlass ohne Bedingungen wird von der Angebotssumme (netto) abgesetzt. Alle anderen Preisnachlässe werden von der Angebotssumme des Angebotes nicht abgesetzt, denn es dürfen nur Preisnachlässe gewertet werden, die als %-Wert ohne Bedingungen auf die Abrechnungssumme des Haupt- und aller Nebenangebote angeboten wurden (§ 16 Abs. 9 VOB/A bzw. EU VOB/A).

3.3.4 Fehlen in einem Angebot in OZ (Positionen) die Preise, wird geprüft, ob es sich hierbei um unwesentliche Positionen in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung handelt (sowohl nach Art der Leistung als auch nach dem Gesamtbetrag der OZ). Handelt es sich um unwesentliche Positionen, werden zunächst in der rechnerischen Prüfung die fehlenden Preise mit 0,00 Euro eingesetzt, um den preislichen Rang des Angebotes festzustellen (Angebotssumme). Anschließend wird die Angebotsendsumme mit den höchsten für diese Positionen angebotenen Wettbewerbspreisen (ohne Berücksichtigung der formal ausgeschlossenen Hauptangebote) ermittelt.
In der Niederschrift über die Angebots(er-)öffnung, der Mitteilung des Ausschreibungsergebnisses und ggf. der Bieterinformation nach § 134 GWB wird jedoch die mit 0,00 Euro nachgerechnete Angebotssumme eingetragen.

3.3.5 Nach der Nachrechnung werden die Hauptangebote in aufsteigender Rangfolge, die sich aus der Höhe der nachgerechneten Angebotsendsummen ergibt, in einer „Bieterliste“ zusammengestellt.

3.3.6 Die Einzelpreise der Hauptangebote werden in einem „Preisspiegel“ zusammengestellt; dabei werden die Angebote in der Reihenfolge der Bieterliste aufgenommen. In der Regel wird nur für die fünf niedrigsten Hauptangebote ein Preisspiegel aufgestellt.

3.4 Prüfung hinsichtlich Mischkalkulation
Wegen möglicher Mischkalkulationspreise werden bei Hauptangeboten mit Hilfe des Preisspiegels, bei Nebenangeboten aufgrund von Erfahrungen, wesentliche OZ (Positionen) der Angebote auf überhöhte und untersetzte Einheitspreise geprüft. Werden dabei OZ mit überhöhten und untersetzten Einheitspreisen festgestellt, werden diese Einheitspreise und alle wesentlichen Pauschalpositionen des
Angebots nach § 15 VOB/A bzw. EU-VOB/A aufgeklärt.

Dabei wird wie folgt zu verfahren:

1. Für die betroffenen OZ (Positionen) ist von den Bietern die Übersendung der Preisermittlungsunterlagen (Urkalkulation) mit Fristsetzung zu fordern. Ggf. kann dies zusammen mit der Nachforderung nach Nr. 3.2 erfolgen.

2. Die Angaben der Bieter sind auf Verlagerung von Preisbestandteilen zu prüfen. Eine Mischkalkulation liegt dann vor, wenn durch Abpreisen bestimmter Leistungspositionen und so genanntes Aufpreisen anderer Leistungspositionen (OZ) Preise benannt werden, welche die für die jeweiligen Leistungen geforderten Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben. Der Bieter bildet in diesem Fall keine „echten“ Preise, sondern versteckt Preisanteile einzelner OZ in andere OZ.

3. Bei Unklarheiten werden die betroffenen Bieter mit Terminsetzung zur Aufklärung in Textform aufgefordert. Den Bietern ist dabei mitzuteilen, dass

– bei den aufgeführten OZ ein Verdacht auf Mischkalkulation besteht,
– der Bieter verpflichtet ist, die Einheitspreise der genannten OZ nachprüfbar aufzuklären,
– unplausible und damit ungenügende Erklärungen, z. B. pauschale Behauptungen oder Floskeln, für eine nachprüfbare Aufklärung nicht ausreichen,
– eine nicht prüfbare Aufklärung oder verweigerte Aufklärung zum Ausschluss des Angebots führt.

Die Feststellungen aus den Preisermittlungsunterlagen (Urkalkulation) und die Erklärungen des Bieters werden festgehalten.

3.4.1 Die Bewertung der Aufklärung zur Mischkalkulation darf nur anhand von Tatsachen erfolgen. Eine Prüfung und Wertung der Erklärungen der Bieteraufklärung auf „Wahrhaftigkeit“ hat nach derzeitiger Rechtslage zu unterbleiben, auch wenn die Erklärungen sämtlichen Lebenserfahrungen widersprechen. Kann ein Bieter nicht alle Unklarheiten der Vergabestelle ausräumen, hat die Vergabestelle im Vergabevermerk schlüssig und anhand von Tatsachen (keine Mutmaßungen und subjektive Einschätzungen) den Nachweis für eine Mischkalkulation zu erbringen. Gelingt dies, ist das Angebot wegen unvollständiger Preisangaben gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16 EU Nr. 3 VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. EU VOB/A von der Wertung auszuschließen. Kann ein Bieter in der Aufklärung alle Unklarheiten ausräumen oder kann die Vergabestelle eine Mischkalkulation objektiv nicht nachweisen, ist das betreffende Angebot weiter zu prüfen und zu werten, insbesondere hinsichtlich Spekulation (siehe Nr. 9).

3.5 Abschluss der formalen und rechnerischen Prüfung und Wertung
Aufgrund der Feststellungen der formalen und rechnerischen Prüfung sowie der Prüfung auf Mischkalkulation wird entschieden, ob ein Angebot auszuschließen ist oder weiter geprüft und gewertet wird. Aufgrund der Festlegungen ist der Preisspiegel zu berichtigen bzw. neu aufzustellen.

3.5.1 Fällt ein Bieter wiederholt durch nicht zweifelsfreie Preiseintragungen oder erhebliche Rechenfehler in seinen Angeboten auf oder legt ein Bieter mit einem preislich günstigen Angebot in Kenntnis des Wettbewerbsergebnisses die nach Angebotsabgabe angeforderten Erklärungen oder Nachweise nicht fristgemäß vor, so dass das Angebot aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden muss, ist dieser Bieter abzumahnen und darüber zu informieren, dass er im Wiederholungsfalle wegen fehlender Eignung nach § 16b Abs. 1 VOB/A bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen werden kann.
Hierzu ist in der Verständigung der Bieter folgender Textbaustein aufzunehmen:

„Wegen nicht vollständiger oder fristgerechter Vorlage nachgeforderter Erklärungen oder Nachweise ausgesprochenen Ausschlusses, welcher in Kenntnis des Submissionsergebnisses einen Selbstausschluss darstellt, spreche ich eine Abmahnung aus. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass nach einem Wiederholungsfall, auch bei einer anderen Vergabestelle, ein Ausschluss vom Wettbewerb für künftige Vergaben wegen fehlender Eignung (Zuverlässigkeit) nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 VOB/A erfolgen kann.“

3.5.2 Die geprüften Angebotsendsummen der Hauptangebote werden in die Niederschrift über die (Er)Öffnung der Angebote – Zusammenstellung der Angebote bzw. Zusammenstellung der Lose eingetragen. Wurde die Anzahl der abgegeben Nebenangebote im „Angebotsschreiben” falsch angegeben, ist die richtige Anzahl im Formblatt Niederschrift über die (Er)Öffnung der Angebote – Zusammenstellung der Angebote bzw. Zusammenstellung der Lose nachzutragen. Preise und Sonstiges aus dem Inhalt von Nebenangeboten sind nicht einzutragen.

3.5.3 Im Rahmen der technischen Prüfung wird das Angebot auf Übereinstimmung mit den Ausschreibungsunterlagen geprüft. Dabei ist auch festzustellen, ob es sich bei dem Hauptangebot um ein Angebot mit geänderten technischen Spezifikationen handelt oder um ein Nebenangebot. Handelt es sich um ein Nebenangebot ist die Anzahl der Nebenangebote in der Niederschrift zur Angebots(er-)öffnung zu korrigieren.

4. Prüfung und Wertung der Eignung der Bieter (§ 16b VOB/A bzw. EU VOB/A)

4.1 Im Rahmen der Prüfung und Wertung der Eignung werden diejenigen Bieter ausgewählt, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet. Dies bedeutet, dass diese– die erforderliche Fachkunde und die

– erforderliche Leistungsfähigkeit besitzen müssen

– über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen und

– keine Ausschlussgründe gemäß § 6e EU VOB/A bzw. § 16 VOB/A bzw. EU VOB/A vorliegen.

Die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit ist gemäß § 6a Abs. 2 VOB/A bzw. § 6 EU Abs. 2 VOB/A dann gegeben, wenn der Bieter über die in den Vergabeunterlagen geforderte Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit verfügt.

Ausgeschlossen werden:

– Bieter, wenn bei EU-Vergabeverfahren die Ausschlussgründe von § 6e EU Abs. 1 und 4 VOB/A gegeben sind,

– Angebote, wenn bei EU-Vergabeverfahren die Eignungsnachweise gemäß § 6a EU VOB/A nicht fristgerecht erbracht werden können,

– Angebote, wenn bei nationalen Vergabeverfahren die Ausschlussgründe gemäß § 16 Abs. 1 VOB/A vorliegen.

Fakultativ ausgeschlossen werden:

– Bieter gemäß § 6e EU Abs. 6 VOB/A bei EU-Verfahren bzw.

– Angebote gemäß § 16 Abs. 2 VOB/A bei nationalen Vergabeverfahren.

Bei fakultativen Ausschlüssen wird durch die Vergabestelle nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung aller einen eventuellen Ausschluss beeinflussenden Sachverhalte darüber entschieden, ob die betreffenden Bieter bzw. die betreffenden Angebote ausgeschlossen werden sollen. Dabei sind die Interessen des Auftraggebers nach einer wirtschaftlichen Vergabe mit den allgemein öffentlichen
Belangen abzuwägen und das Ergebnis im Vergabevermerk zu dokumentieren. Vor einem Ausschluss des Bieters ist zu prüfen, inwieweit der Bieter ausreichende Selbstreinigungsmaßnahmen (§ 6f EU-VOB/A) nachgewiesen hat. Bezüglich des Ausschlusses von Angeboten bei nationalen Vergabeverfahren ist analog zu verfahren

4.2 Die Prüfung und Wertung der Eignung derjenigen Bieter, die nicht auszuschließen sind (Nr. 3.1) und (Nr. 4.1) und deren Angebote nach der formalen und rechnerischen Prüfung sowie der Prüfung auf Mischkalkulation für eine Beauftragung in Betracht kommen, wird nach § 16b VOB/A bzw. EU VOB/A i. V. m. § 6a und 6b VOB/A bzw. EU VOB/A unter Beachtung der nachfolgenden Hinweise vorgenommen. Dieser Vordruck wird dem jeweiligen Angebot zugeordnet. Die Eignung wird anhand der in der Bekanntmachung geforderten Nachweise und Angaben für die geforderten Eignungskriterien geprüft.

4.3 Die Eignung der Bieter wird bei öffentlicher Ausschreibung oder offenen Verfahren im Rahmen der Wertung der Angebote, in allen anderen Verfahren vor Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe geprüft. Die Eignung der Bieter ist bezogen auf die jeweils geforderte Leistung bzw. bei Nebenangeboten zusätzlich auf die angebotene Leistung zu beurteilen. Die Vergabestelle hat bei der Eignungsprüfung Umstände, welche die Eignung des Bieters betreffen, bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens (rechtswirksame Zuschlagserteilung) zu berücksichtigen.

4.4 Eignungsleihe (§ 6d VOB/A)

4.4.1 Die Eignungsleihe ist von der Unterauftragsvergabe zu unterscheiden. Während im Rahmen der Vergabe von Unteraufträgen ein Teil des Auftrags durch den Bieter auf einen Dritten übertragen wird, der dann diesen Teil ausführt, beruft sich bei der Eignungsleihe der Bieter für die Eignungsprüfung auf die Kapazitäten eines Dritten, ohne dass er zwingend zugleich diesen mit der Ausführung eines Teils des Auftrags beauftragen muss (gleichwohl kann dieses Unternehmen auch Unterauftragnehmer sein). Stützt sich der Bieter zum Nachweis seiner Eignung auf andere Unternehmen im Rahmen einer Eignungsleihe ist zwingend die Eignung der vorgesehenen anderen Unternehmen zu prüfen und vor Zuschlagserteilung zwingend vom Bieter ein Nachweis zu verlangen (z. B. in Form einer Verpflichtungserklärung), dass ihm die erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung stehen.

4.4.2 Eine Eignungsleihe hinsichtlich der beruflichen Befähigung oder beruflichen Erfahrung ist gemäß § 6d EU Abs. 1 Unterabsatz 3 VOB/A nur dann möglich, wenn die hierfür benannten Unternehmen die Arbeiten auch ausführen, für die die Eignungsleihe geltend gemacht wird.

4.4.3 Bei einer Eignungsleihe in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht kann der Auftraggeber vorschreiben, dass der Bieter und das Unternehmen, dessen Kapazitäten er sich im Rahmen der Eignungsleihe bedient, gemeinsam für die Auftragsdurchführung haften (§ 6d EU Abs. 2 VOB/A). Für den Bereich des Bundesfernstraßenbaus soll diese Regelung grundsätzlich angewandt werden.

4.5 Nachweis der Eignung

4.5.1 Der Nachweis der Eignung kann wie folgt geführt werden:

1. Eintragung in das ULV/Präqualifikationsverzeichnis
Der Nachweis der Eignung kann nach § 6b VOB/A bzw. EU VOB/A durch Eintrag im Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis (ULV) oder in die Liste des „Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V.“ (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen. Für die Feststellung der auftragsspezifischen Eignung sind die konkreten Nachweise einzusehen und zu prüfen, ob durch die angegebene(n) PQ- bzw. ULV-Nummern alle Leistungsbereiche abgedeckt sind, die vom Bieter im eigenen Betrieb erbracht werden sollen und

2. die in PQ hinterlegten Referenzen nach Art und Umfang mit der ausgeschriebenen Bauleistung vergleichbar sind. Werden wesentliche Leistungen an Unterauftrag-/ Nachunternehmer übertragen, wird geprüft, ob diese geeignet sind und ob der Bieter wirtschaftlich, technisch und organisatorisch die Gewähr für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung, insbesondere für die einwandfreie Koordinierung und Aufsicht, bietet. Da präqualifizierte Bieter nur präqualifizierte Unterauftrag-/Nachunternehmer bzw. solche Unternehmen, die die Voraussetzungen für eine Präqualifizierung erfüllen, einsetzen dürfen, darf grundsätzlich von deren Eignung ausgegangen werden.

2. Einzelnachweise

Bieter können den geforderten Nachweis der Eignung auch durch Einzelnachweise erbringen. Von Angeboten, die in die engere Wahl gelangen, sind die Bestätigungen mit Terminvorgabe anzufordern und zu prüfen. Auf den konkreten Auftrag bezogene zusätzlich angeforderte Nachweise, die nicht über die Präqualifikation bzw. Eigenerklärung erfasst werden, sind gesondert zu prüfen.

3. Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)

Als vorläufigen Eignungsnachweis müssen die Vergabestellen auch die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) akzeptieren. Maßgebend für die Anwendung ist die zugehörige Durchführungsverordnung EU 2016/7 vom 05.01.2016 zur Einführung des zugehörigen Standardformulars. Die Umsetzung der EEE in deutsches Recht ergibt sich aus § 6b EU Abs. 1 VOB/A. Dieser regelt, dass der öffentliche Auftraggeber die EEE akzeptieren muss, wenn der Bewerber/Bieter sich entscheidet, diese vorzulegen. In diesem Falle ist der öffentliche Auftraggeber nach der Vorgabe in § 6b EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A auch verpflichtet, die eigentlichen Nachweise von dem Unternehmen einzufordern, das den Zuschlag erhalten soll (z.B. Gewerbeanmeldung, Bankbürgschaft, Zeugnisse von Führungskräften etc.).

Aufbau:

Die EEE besteht aus folgenden Teilen:

– Teil I: Angaben zum Vergabeverfahren und zum öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber,

– Teil II: Angaben zum Wirtschaftsteilnehmer,

– Teil III: Ausschlussgründe,

– Teil IV: Eignungskriterien,

– Teil V: Verringerung der Zahl geeigneter Bewerber,

– Teil VI: Abschlusserklärungen; Ort, Unterschriften.

Verwendung:

Einem Angebot in offenen Verfahren oder einem Teilnahmeantrag in nicht offenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichen Dialogen oder Innovationspartnerschaften können die Wirtschaftsteilnehmer eine ausgefüllte EEE beifügen, um die einschlägigen Informationen vorzulegen. Außer bei bestimmten Aufträgen auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen, muss dann nur noch der Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, aktuelle Bescheinigungen und zusätzliche Unterlagen beibringen. Erfolgt die Vergabe in mehreren Losen und werden für die einzelnen Lose unterschiedliche Eignungskriterien festgelegt, ist für jedes Los (bzw. für jede Gruppe von Losen, für die dieselben Eignungskriterien gelten) eine eigene EEE auszufüllen.

Elektronischer EEE-Dienst:

Gemäß Artikel 59 der Richtlinie 2014/24/EU darf seit dem 18. April 2018 die EEE ausschließlich in elektronischer Form ausgestellt werden. In der VgV hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Abstimmung mit den beteiligen Ressorts bezüglich der Einführung der EEE festgelegt, dass die EEE ein Instrument ist, das der Bieter freiwillig nutzen kann. Der Auftraggeber hat nicht die Pflicht, es einzufordern. Er muss die EEE aber akzeptieren, sofern sie denn vorgelegt wird. Die EEE kann auch bei nationalen Vergabeverfahren als vorläufiger Eignungsnachweis verwendet werden.

4.6 Ablauf der Eignungsprüfung:

1. Von den Bietern, die für einen Auftrag in Betracht kommen, werden umgehend unter angemessener Fristsetzung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A bzw. EU-VOB/A (i. d. R. 6 Kalendertage) für die im „Verzeichnis der Unterauftrag/Nachunternehmerleistungen angeführten Teilleistungen die Namen der Unternehmen angefordert. Gemäß § 8 EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A ist hierzu in den Vergabeunterlagen eine diesbezügliche Aufforderung aufzunehmen; im Unterschwellenbereich ist mangels Regelung in der VOB/A analog zu verfahren.

2. Von dem für die Zuschlagserteilung vorgesehenen Bieter, den ggf. benannten Unternehmen im Rahmen einer Eignungsleihe sowie ggf. Nachunternehmen bzw. Unterauftragnehmer, die wesentliche Teilleistungen ausführen, werden die bezeichneten Nachweise und Bestätigungen unter Fristsetzung zu verlangen und anschließend zu prüfen. Dies entfällt soweit jeweils eine Präqualifikation vorliegt und nicht darüber hinausgehende Eignungsnachweise gefordert werden.

3. Prüfung der Eignung des für die Zuschlagserteilung vorgesehenen Bieters anhand der vorgelegten Angaben und Nachweise. Der Nachweis der Eignung der Nachunternehmen bzw. anderen Unternehmen für wesentliche Teilleistungen erfolgt gesondert.

Angebote von Bietern, für die nach obiger Prüfung die Eignung nicht bestätigt werden kann, sind nicht zu berücksichtigen. Dies gilt nicht, wenn

– bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte für einen benanntes anderes Unternehmen, das wesentliche Teilleistungen erbringt, die Eignung nicht gegeben ist und der Bieter dieses ungeeignete Unternehmen nach Aufforderung durch die Vergabestelle gemäß § 6d EU Abs. 1 4. UA VOB/A gegen einen geeignetes austauscht,
– für ein anderes Unternehmen, auf welches sich der Bieter im Rahmen der Eignungsleihe beruft, die Eignung nicht gegeben ist und der Bieter dieses nach Aufforderung durch die Vergabestelle gegen ein geeignetes austauscht.
Von dem Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag erteilt werden soll, ist von der Vergabestelle ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister beim Bundesamt für Justiz anzufordern und zu prüfen.

5. Festlegung der Angebote für die weitere Wertung

5.1 Nach der Prüfung und Wertung der Eignung der Bieter wird entschieden, welche Angebote für die weitere Wertung berücksichtigt werden müssen. Dabei ist zu beachten, dass bei Vergaben bei denen die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes über gewichtete Zuschlagskriterien erfolgt, auch Angebote, die nur unter Berücksichtigung des Kriteriums Preis nicht in die engere Wahl kommen würden, durch die Berücksichtigung weiterer nichtmonetärer Zuschlagskriterien ihre Wettbewerbsposition eventuell verbessern können. Die Festlegungen werden im Vergabevermerk angegeben.

5.2 Ausgeschlossene Bieter sowie Bieter, deren Angebote ausgeschlossen wurden, und solche, deren Angebote nicht für die weitere Wertung berücksichtigt werden, sind so bald wie möglich zu informieren. Verlangen die nicht berücksichtigten Bieter weitere Auskünfte, sind diese unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 15 Kalendertagen gemäß § 19 Abs. 2 VOB/A bzw. § 19 EU Abs. 1 VOB/A zu geben.

6. Besonderheiten der Prüfung und Wertung von Nebenangeboten

6.1 Nebenangebote sind, soweit zutreffend, entsprechend den Nrn. 3. und 4. zu prüfen und zu werten.

6.2 Nebenangebote dürfen nur gewertet werden, wenn die Abgabe von Nebenangeboten in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe zugelassen war. Weiterhin dürfen bei EU-Vergaben Nebenangebote nur gewertet werden, wenn hierzu in der Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. in der Baubeschreibung Mindestanforderungen genannt worden sind. Wird die Erfüllung von Mindestanforderungen mit Angebotsabgabe nachgewiesen, ist das Nebenangebot als wertbar anzusehen.

6.3 Da bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte Nebenangebote die qualitative und quantitative Gleichwertigkeit mit der ausgeschriebenen Leistung erfüllen müssen, ist zu prüfen, ob das Nebenangebot in technischer, wirtschaftlicher, terminlicher, gegebenenfalls gestalterischer usw. Hinsicht der geforderten Leistung gleichwertig ist.

6.4 Die Gleichwertigkeit muss sich aus dem Nebenangebot, so wie es vorliegt, ergeben. Defizite hinsichtlich der vorgelegten Unterlagen braucht der Auftraggeber nicht durch eigene Nachforschungen auszugleichen, es sei denn, dass die relevanten Informationen der Vergabestelle ohnehin bekannt sind. Ein Nebenangebot darf nicht durch Nachreichen von Unterlagen nachgebessert und damit gleichwertig gemacht werden. Ein Nachfordern von Unterlagen zu Nebenangeboten (Nachweise, Erklärungen etc.) ist gemäß der einschlägigen Rechtsprechung nur in dem Umfang zulässig, wie er keine den Angebotspreis und damit die Wertung beeinflussenden Sachverhalte beinhaltet.

6.5 Die Feststellungen aus der Prüfung und Wertung der Nebenangebote werden festgehalten.

7. Prüfung und Wertung der Angemessenheit der Preise (§ 16d Abs. 2 VOB/A bzw. EU VOB/A)

Bauleistungen dürfen nur zu angemessenen Preisen vergeben werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 16d Abs. 1 Nr. 1 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Die Angemessenheit der Preise für Teilleistungen ist in der Regel nicht für sich, sondern im Rahmen der Angebotsendsumme zu beurteilen. Bei der Prüfung ist zu untersuchen, ob der Preis eine einwandfreie Ausführung gemäß § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d Abs. 1 Nr. 4 VOB/A erwarten lässt.

8. Unangemessen hoher oder niedriger Preis

8.1 Zweifel an der Angemessenheit können sich insbesondere ergeben, wenn die Angebotsendsumme eines oder einiger weniger Bieter erheblich geringer ist als die der Übrigen. Ob derartige Abweichungen als erheblich anzusehen sind, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. Weicht die Angebotsendsumme des Mindestbietenden um mehr als 10 % von den nächsthöheren ab, ist eine Aufklärung der Ursachen im Rahmen des § 15 VOB/A bzw. EU VOB/A unerlässlich. Dazu ist vom Bieter eine Aufklärung in Textform über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung zu verlangen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A bzw. EU VOB/A). Kommt der Bieter innerhalb der von der Vergabestelle festgelegten Frist dieser Vorlagepflicht nicht nach, so ist er von dem weiteren Verfahren ausgeschlossen. Es gilt § 3 Berl AVG.

8.2 Bei solchen Angeboten sind die Einzelansätze unter folgenden Gesichtspunkten objekt- und betriebsbezogen zu untersuchen:

„Lohnkosten“ für eigene und fremde Arbeitskräfte darauf, ob

– der Zeitansatz pro Leistungseinheit bzw. Gesamtstundenzahl den bautechnisch erforderlichen Ansätzen entspricht,

– der Mittellohn und die Lohn abhängigen einschließlich Lohn gebundenen Kosten sich im Rahmen der tarifvertraglichen Vereinbarungen und der gesetzlichen Verpflichtungen halten.

„Einzelstoffkosten“ darauf, ob sie den üblichen Ansätzen entsprechen,

„Baustellengemeinkosten“ darauf, ob ausreichende Ansätze für alle gesetzlich (z. B. Umwelt-, Arbeits- und Unfallschutz), technisch und betriebswirtschaftlich notwendigen Aufwendungen enthalten sind. Trifft dies nicht zu, ist zu prüfen, ob der Bieter aus sachlich gerechtfertigten Gründen die Ansätze knapper als die übrigen Bieter kalkulieren konnte, beispielsweise deswegen, weil er rationellere Fertigungsverfahren anwendet oder über günstigere Baustoffbezugsquellen oder über Produktionsvorrichtungen verfügt, die andere Bieter nicht haben oder erst beschaffen müssen, oder weil sich sein Gerät bereits auf oder in der Nähe der Baustelle befindet.

Die Prüfung hat sich ferner darauf zu erstrecken, inwieweit sich die Ansätze für die Gerätevorhaltekosten, für allgemeine Geschäfts- und Sonderkosten einschließlich Einzelwagnissen in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen halten. Niedrige Ansätze begründen nicht ohne weiteres die Vermutung eines unangemessen niedrigen Preises, weil der Bieter Anlass haben kann, auf einzelne dieser Ansätze teilweise zu verzichten. In diesen Fällen ist daher lediglich zu prüfen, ob dem sachgerechte Erwägungen zugrunde liegen.

Das Fehlen eines Ansatzes für Wagnis und Gewinn ist unbeachtlich.

9. Prüfung und Wertung der Angebote hinsichtlich Spekulation

9.1 Ein Spekulationsangebot liegt vor, wenn der Bieter den Preis nicht – allein – an den voraussichtlichen Kosten einer unveränderten Leistungsbeschreibung kalkuliert, sondern auch an der Erwartung, dass sich für ihn aus angenommenen künftigen Änderungen der Leistungsbeschreibung ein finanzieller Vorteil ergibt. Im Gegensatz zur Mischkalkulation sind bei Spekulationspreisen Verschiebungen von Kostenbestandteilen nicht vorhanden bzw. objektiv nicht nachweisbar.

9.2 Solche Angebote dürfen bei der Prüfung und Wertung auf grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden.

9.3 Bei den verbliebenen Angeboten der engeren Wahl mit überhöhten oder untersetzten Einheitspreisen, sind die Vergabeunterlagen, insbesondere die Leistungsbeschreibung (Mengenermittlung), auf Mängel zu untersuchen. Werden Mängel festgestellt, sind die Ursachen zu erforschen. Das Ergebnis der Prüfung ist zu dokumentieren.

9.4 Können Mängel in den Vergabeunterlagen (z. B. Fehler in der Mengenermittlung) nicht ausgeschlossen werden und liegt nach der bisherigen Prüfung und Wertung ein Angebot mit spekulativen Einheitspreisen preislich an erster Stelle, sind die aus dem Mangel in der Leistungsbeschreibung resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen für den Auftraggeber abzuschätzen. Dazu werden die Angebote der engeren Wahl mit den korrigierten Mengen und den Angebotspreisen neu berechnet. Ergibt sich dabei ein Wechsel des Mindestbietenden, ist zu prüfen, ob die Ausschreibung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 VOB/A bzw. EU VOB/A aufgehoben werden kann.

10. Unerwartet hohe Angebotsendsumme

Liegen im Vergleich zur Kostenermittlung der Vergabestelle nur Angebote mit unerwartet hohen Preisen vor, ist die Kostenermittlung hinsichtlich Richtigkeit und Aktualität zu überprüfen. Wird sie im Wesentlichen bestätigt, kann die Ausschreibung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. EU VOB/A aufgehoben werden.

11. Ermittlung der Wertungssummen für die Angebote der Bieter der engeren Wahl

11.1 Für die abschließende Wertung werden für die jeweiligen Haupt- oder Nebenangebote „Wertungssummen“ ermittelt. Diese ergeben sich aus den bei der Prüfung festgestellten Angebotsendsummen und kostenmäßigen Auswirkungen, z. B. Wertungsboni, Wahlpositionen sowie gegebenenfalls aus sonstigen kostenmäßigen Auswirkungen bei Nebenangeboten.

11.2 Fehlen in einem Angebot in unwesentlichen Positionen die Preise ist die Wertungssumme zusätzlich mit den höchsten für diese Positionen angebotenen Wettbewerbspreisen zu ermitteln. Ändert sich hierdurch die Wertungsreihenfolge (unter Einbeziehung der wertbaren Nebenangebote) ist es auszuschließen. Ändert sich die Reihenfolge nicht, bleibt das Angebot in der Wertung.

11.3 Die Angebote werden mit ihrer jeweiligen „Wertungssumme“ in aufsteigender Folge in einer Übersicht „Wertungssummen der Angebote der engeren Wahl“ im Vergabevermerk aufgelistet.

12. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (§ 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 2 VOB/A)

12.1 Der Zuschlag ist gemäß § 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Dabei können nur die in der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe in Nr. 6 und der zugehörigen Anlage neben dem Preis genannten weiteren Zuschlagskriterien z. B. technischer Wert angewendet werden.

12.2 Bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots wird anhand der Übersicht „Wertungssummen der Angebote der engeren Wahl“ (siehe Nr. 11.3) in der Reihenfolge der ermittelten Wertungssummen vorgegangen.

VergabeManagement – VergMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

VergabeManagement - VergMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

Sofern für einzelne Leistungsbestandteile ein eigener funktionierender Markt existiert und die Leistungserbringung nicht aus einer Hand erfolgen muss, erfolgt die Beschaffung losweise.
Die Beantwortung der Frage, ob technische oder wirtschaftliche Gründe es im Sinne des Gesetzes “erfordern”, von einer Losbildung abzusehen, setzt eine Bewertung voraus. Dabei steht dem Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen eine Einschätzungsprärogative zu.
Die Frage, ob gemäß § 97 Abs. 4 GWB Fachlose zu bilden sind, ist für jede in Betracht kommende Leistung getrennt zu beantworten. Das bedeutet zum einen, dass die “wirtschaftlichen oder technischen Gründe”, die die Norm verlangt, sich auf die jeweilige Leistung beziehen müssen, die für eine getrennte Losvergabe in Betracht kommt. Globale, also das gesamte Vorhaben betreffende Überlegungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auch und gerade die jeweilige Leistung erfassen. Andererseits ist damit auch klar, dass die Entscheidung über die Bildung eines Fachloses für eine bestimmte Leistung keine Aussage darüber trifft, ob auch für andere Leistungen Fachlose zu bilden sind, oder ob der “Rest” des geplanten Projekts einheitlich vergeben werden kann.
Gründe, die im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen, können grundsätzlich keine Gesamtvergabe rechtfertigen. Die Sicherstellung ausreichender Personalkapazitäten liegt im Verantwortungsbereich des Antragsgegners. Steigende Personalkosten auf Grund von notwendigen Neueinstellungen können daher grundsätzlich keine Gesamtlosvergabe begründen.
Das Vergaberecht sieht grundsätzlich keine “Flucht ins vergabefreie Privatrecht” vor, indem viele Leistungen “gesamt” an einen Auftragnehmer vergeben werden, damit dieser dann, ohne dem Vergaberecht unterworfen zu sein, die einzelnen Leistungsbestandteile an Nachunternehmer vergibt.
VK Westfalen, Beschluss vom 13.08.2021 – VK 3-26/21 (nicht bestandskräftig)

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb im offenen Verfahren durch Bekanntmachung vom 23.04.2021 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter der Nummer 2021/… Betreuungsdienstleistungen in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen (nachfolgend “ZUE”) und Erstaufnahmeeinrichtungen (nachfolgend “EAE”) des Landes Nordrhein-Westfalen aus. Insgesamt umfasst die Ausschreibung zehn Lose, wobei streitgegenständlich nur drei Lose Nr. 7 “ZUE N…”, Nr. 8 “ZUE W…” und Nr. 10 “S…” sind.

Ausweislich der Auftragsbekanntmachung sollen Dienstleistungen für die Organisation und Betreuung vergeben werden. Die Leistungen, die als Gesamtlos vergeben werden sollen, umfassen insbesondere folgende Bereiche:

– Organisation der ZUE/EAE,

– Soziale Betreuung,

– Sanitätsstation,

– Freizeitgestaltung,

– Kinderbetreuung,

– Mobiliar und Ausstattung,

– Körperpflegeartikel,

– Wascheinrichtungen,

– Kleiderkammer,

– Verpflegung,

– Reinigung,

– Hausmeister,

– Winterdienst und Grünpflege, – Auszahlung des Taschengeldes.

Die Antragstellerin ist ein Catering-Unternehmen. Sie ist derzeit – u.a. auch als Nachunternehmerin – für die Verpflegung in einigen Flüchtlingsunterkünften im Land Nordrhein-Westfalen tätig.

Aktuell wird der Betrieb der Betrieb der ZUE und EAE des Landes Nordrhein-Westfalens von jeweils einem Betreuungsdienstleister pro Einrichtung organisiert und koordiniert. Die Betreuungsdienstleister erbringen darüber hinaus teilweise auch Leistungen des vorstehend genannten Leistungskatalogs selbst. Für andere Bereiche setzen sie Nachunternehmer ein. Die Betreuungsdienstleister fungieren dabei auch als zentrale Ansprechpartner für den Antragsgegner und die Flüchtlinge. Außerdem sind in den ZUE und EAE dezentrale Beschwerdestellen für die Flüchtlinge installiert, die nicht in den Verantwortungsbereich der Betreuungsdienstleister fallen und von Dritten geführt werden. Die Beschwerdestellen sind für die Entgegennahme, Zusammenstellung und ggf. Aufbereitung von Beschwerden der Geflüchteten verantwortlich, nicht aber für die Lösung der Beschwerde selbst.

Mit Schreiben vom 26.04.2021 rügte die Antragstellerin ein aus ihrer Sicht bestehenden Verstoß gegen das vergaberechtliche Gebot der Bildung von Fachlosen gemäß § 97 Absatz 4 GWB durch den Antragsgegner.

Mit Schreiben vom 12.05.2021 wies der Antragsgegner die Rüge als unbegründet zurück und begründete dies mit umfangreichem Vortrag:

Der Auftraggeber genieße ein Leistungsbestimmungsrecht, wonach er grundsätzlich die auszuschreibende Leistung frei bestimmen könne. Zwar müsse er gemäß § 97 Absatz 4 GWB mittelständische Interessen vornehmlich durch Losvergabe berücksichtigen. Allerdings gelte dies nicht, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe eine Gesamtvergabe erforderten. Insbesondere müsse der Auftraggeber nicht solche eigenen Interessen opfern, die er nur in der Gestalt einer Gesamtvergabe zu erreichen vermöge – insoweit greife sein Leistungsbestimmungsrecht.

Vorliegend sei auf Grund von technischen und wirtschaftlichen Gründen für die gegenständliche Ausschreibung die Gesamtvergabe gewählt worden.

So führe die Gesamtlosvergabe zum Entfall eines zusätzlichen erheblichen Koordinierungsaufwandes für den Antragsgegner, der bei einer Fachlosvergabe auf Grund der Komplexität und Vielzahl der zu erbringenden Leistungen entstünde. Die Abstimmungsaufgaben könnten am ehesten erfolgreich erbracht werden, wenn hierfür nur ein Auftragnehmer verantwortlich sei. Dieser habe wegen seiner generellen und leistungsübergreifenden Verantwortung nicht nur ein erhöhtes Interesse an einem reibungslosen Ablauf, sondern könne auf den Betrieb der Einrichtung effektiv einwirken. Dass der Entfall von zusätzlichen Koordinierungsaufwänden bereits ausreiche, um von der Fachlosvergabe abzusehen, sei – unter Hinweis auf den Beschluss des OLG München vom 09.04.2015 (Verg 1/15) – auch anerkannt.

Zudem stünde dem Ziel der Integration von Flüchtlingen in die Arbeitsabläufe der Einrichtung die Beauftragung einer Vielzahl von Auftragnehmern entgegen. Nur der Betreuungsdienstleister könne auf Grund seiner leistungsübergreifenden Zuständigkeit sinnvoll bewerten, in welchen Arbeitsbereichen Flüchtlinge sinnvoll integriert werden könnten.

Weiterhin würde eine Vielzahl von Auftragnehmern – und selbst schon eine formale Trennung zwischen Betreuungsdienstleister und Verpflegungsdienstleister – zu einer erheblichen Erschwerung bei der flexiblen Leistungserbringung führen, die insbesondere vor dem Hintergrund stark schwankender Flüchtlingszahlen notwendig sei. So sei es im Bereich Kantine in der Vergangenheit zu diversen unerwartet und nicht planbaren Ausfällen gekommen, denen mit kurzfristigen alternativen Lösungswegen begegnet werden musste.

Außerdem könnten Schwierigkeiten bei der Auftragsabwicklung besser begegnet werden, wenn der Betreuungsdienstleister dies unmittelbar mit seinen Nachunternehmen regele, als wenn der Antragsgegner versuchen würde, eine für alle Konstellationen passende Vorgabe zu treffen.

Auch seien Verpflegung und Sozialbetreuung untrennbar miteinander verbunden. Insbesondere hätten die Verpflegungsleistungen eine besondere Bedeutung für die soziale Betreuung. Wichtige Kontaktmöglichkeiten zu den Flüchtlingen entstünden im Rahmen der Verpflegung. Dem Betreuungsdienstleister sei die Atmosphäre und Zufriedenheit ein großes Anliegen, so dass er grundsätzlich für Anregungen, die von den Flüchtlingen über die Sozialbetreuung an ihn herangetragen würden, offen stünde und versuchen würde, diese umzusetzen, da er den Mehrwert auch für andere Bereiche wahrnehmen und schätzen würde.

Im Übrigen müssten im Bereich der Verpflegung eine Vielzahl von Leistungen erbracht werden (Ausstattung der Küche, Verwendung und Erneuerung von Betriebsmitteln, Schädlingsbekämpfung Hygienemaßnahmen, Reinigung). Eine weitere Schnittstelle, die durch die Fachlosvergabe entstehen würde, sei die Regelung zur einheitlichen Müllentsorgung. Eine Abtrennung des Bereichs Verpflegung sei auf Grund von Platz und der Berücksichtigung verschiedener Verantwortungsbereiche bei der Mülltrennung nicht möglich. Konsequenz dessen sei, dass der Auseinanderfall dieses Bereichs zu erheblichen vertraglichen Ausgestaltungsproblemen führen würde. Alle diese Gründe stritten für eine Gesamtlosvergabe.

Darüber hinaus sprächen wirtschaftliche Gründe für eine Gesamtlosvergabe. So führe eine Fachlosvergabe auf Grund des erhöhten Abstimmungsaufwands etwa zu kostenintensiven Besprechungsterminen. Darüber hinaus müsste der Auftraggeber weiteres Personal einstellen, um die Vertragsabwicklung sicherstellen zu können. Die Vertragsgemäßheit könnte nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand sichergestellt werden. Dies belaste den Steuerzahler und sei daher auch als wirtschaftlicher Grund zu werten.

Nachdem der Rüge der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte sie mit Schreiben vom 27.05.2021 einen Nachprüfungsantrag. Daraufhin leitete die Kammer am selben Tag das Nachprüfungsverfahren ein.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass es sich bei den abgefragten Leistungen, jedenfalls aber bei dem Leistungsteil Verpflegung um ein Fachlos handele, dass auf Grund der Vorgabe des § 97 Absatz 4 GWB separat ausgeschrieben werden müsste.

Da der Antragsgegner wiederholt Ausschreibungen wie die gegenständliche durchführe, bestreitet die Antragstellerin, dass vor der Einleitung der Ausschreibung eine im Einzelfall und die Umstände für und gegen die eine Los- oder Gesamtvergabe würdigende Abwägung stattgefunden habe.

Darüber hinaus trägt die Antragstellerin vor, dass ein Verzicht auf die Bildung von Fachlosen unter Berufung auf das Leistungsbestimmungsrecht nur dann in Betracht käme, wenn die benötigte Leistung in Form einer Losvergabe objektiv nicht erbracht werden könne.

Auch sei der Anwendungsbereich des § 97 Absatz 4 GWB nicht eröffnet. Gemäß § 97 Absatz 4 GWB müssten technische oder wirtschaftliche Gründe es ausnahmsweise erfordern, dass die Verpflegung von Flüchtlingen mit den weiteren Betreiberleistungen zusammen vergeben werden müssten. Derlei Gründe lägen aber nicht vor.

So sei die Vermeidung von Schnittstellen, zusätzlichem Koordinierungsaufwand und das Risiko von Informationsverlusten, die bei der Vergabe mehrere Leistungen im Rahmen eines Projekts entstünden, kein ausreichender Grund für das Absehen einer Fachlosvergabe. Das KG Berlin habe mit Beschluss vom 26.03.2019 (Verg 16/16) für eine ähnliche Ausschreibung zutreffend entschieden, dass die vermeintliche Vermeidung von Schnittstellen eine Gesamtlosvergabe nicht rechtfertige. Darüber hinaus ließe sich das Schnittstellenmanagement durch eine entsprechende Vertragsgestaltung ohne Weiteres auf den Betreuungsdienstleister übertragen.

Ferne könnten auch bei einer Gesamtlosvergabe nur die einzelnen Dienstleister für ihre Leistungsbereiche beurteilen, inwieweit Flüchtlinge mitarbeiten könnten. Das von dem Antragsgegner angestrebte Einbindungskonzept könne sich auch bei einer Fachlosvergabe erreichen lassen, indem die Dienstleister vertraglich verpflichtet würden, bestehende Einsatzmöglichkeiten in ihren Leistungsbereichen dem Betreuungsdienstleister zu melden.

Auch bei einer Gesamtlosvergabe bestünde die Gefahr von Rollenunklarheiten, da auch hier eine Vielzahl von Unternehmen für den Betreuungsdienstleister tätig würden. Diesen Gefahren könne durch eine entsprechende Vertragsgestaltung und namentlich einem Schnittstellenkatalog begegnet werden, eine Gesamtlosvergabe sei nicht zwingend erforderlich.

Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, warum nur bei einer Gesamtlosvergabe die untrennbare Verbundenheit zwischen Verpflegung und sozialer Betreuung gewahrt würde. Auch bei einer Fachlosvergabe könnten soziale Betreuer bei Themen der Verpflegung eingebunden werden. Insbesondere lasse sich der Zugriff auf Essenvorräte durch das Betreuungspersonal vertraglich regeln.

Auch lasse sich vertraglich regeln, dass jeder Dienstleister für die Beschaffung, Verwendung und Erneuerung der Betriebsmittel verantwortlich sei. Ein zusätzliches Abstimmungserfordernis erschließe sich nicht. Speisereste müssten – unabhängig von Gesamt- oder Fachlosvergabe – getrennt entsorgt werden. Das Problem der ordnungsgemäßen Mülltrennung bestünde unabhängig von der Los- oder Gesamtvergabe.

Auch sprächen keine wirtschaftlichen Gründe für eine Gesamtvergabe. Der Koordinierungsaufwand liege bei einer Fachlosvergabe in der Natur der Sache und sei vom Auftraggeber – und hier nimmt die Antragstellerin Bezug auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 08.09.2004 (Verg 38/04) – hinzunehmen. An der Dauer der Besprechungstermine – und den damit verbundenen Kosten – ändere sich auch bei einer Gesamtlosvergabe nichts, da auch in diesem Fall unterschiedliche Unternehmen tätig würden. Außerdem müsse der Antragsgegner den notwendigen Koordinierungsaufwand nicht zwingend selbst übernehmen und hierfür Personal stellen – auch diese Aufgabe ließe sich vertraglich auf den Betreiber übertragen.

Im Übrigen würden bei einer “Generalunternehmerausschreibung” regelmäßig entsprechende Generalunternehmeraufschläge kalkuliert, so dass die Gesamtvergabe im Regelfall für den Auftraggeber nachteilig sei.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die in den aufgeführten Aufträgen Los Nr. 7 “ZUE N…”, Los Nr. 8 “ZUE W…” und Los 10 “ZUE S…” erhaltene Teilleistung Verpflegung als Fachlos in einem gesonderten Auftrag auszuschreiben.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Der Antragsgegner beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten des Antragsgegners notwendig gewesen ist,

3. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen.

Der Antragsgegner hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Ergänzend zu den Ausführungen in dem Antwortschreiben auf die Rüge vom 12.05.2021 trägt er Folgendes vor:

Der Antragsgegner sei seiner Pflicht zur Interessensabwägung nachgekommen und habe diese ausreichend dokumentiert. Anlässlich der Rüge habe er seine Interessenabwägung noch einmal kritisch hinterfragt, letztlich sein bisheriges Ergebnis aber bestätigt.

Für die Gesamtlosvergabe spreche ein Bündel von Gründen. Für eine optimale Qualität der Leistungserbringung müssten sämtliche Leistungen aus “einer Hand” erbracht werden. Nur der Betreuungsdienstleister könne optimal auf die an der Leistungserbringung beteiligten Unternehmen einwirken. Darüber hinaus habe es sich der Antragsgegner zum Ziel gesetzt, nur einen Ansprechpartner in den jeweiligen Einrichtungen zu haben. Dies sei sowohl für den Antragsgegner als auch für die Flüchtlinge von Vorteil. Bei dieser Vorgabe handele es sich im weitesten Sinne auch um einen “technischen Grund” im Sinne von § 97 Absatz 4 GWB.

Die Organisation von Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge sei komplexer, als die Antragstellerin darstelle. Insbesondere müsste die Einarbeitung, Überwachung und Abrechnung der Tätigkeiten organisiert werden. Hierfür müssten unzählige Schnittstellen geregelt werden. Konsequenz einer Fachlosvergabe sei zudem, dass etwa im Bereich Verpflegungsleistungen unzählige Fachlose wie etwa die Belieferung mit Backwaren gebildet werden müssten.

Außerdem gewährleiste nur die Gesamtvergabe ein ausreichendes Maß an Flexibilität. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung der Verpflegungsleistungen für die soziale Betreuung. Gerade im Bereich der Verpflegung komme es immer wieder zu unvorhergesehen und nicht planbaren Ereignissen, die Auswirkungen auf das Zusammenleben der Flüchtlinge hätten.

Darüber hinaus seien die Verpflegungsleistungen von erheblicher Bedeutung für die soziale Betreuung, so dass diese in der Hand des Betreuungsdienstleisters liegen müssten.

Ferner ergäben sich auch für den Fall einer nicht konfliktfreien Zusammenarbeit zwischen Betreuungsdienstleister und den weiteren Unternehmen erhebliche Vorteile. Denn dem Betreuungsdienstleister stünde – im Gegensatz zum öffentlichen Auftraggeber – ein breiteres Instrumentarium an Werkzeugen zur Konfliktlösung zur Verfügung. Insbesondere könne vertraglich nicht jeder Schwierigkeit vorgebeugt werden. Im Übrigen sei es bis zu einer außerordentlichen Kündigung durch einen öffentlichen Auftraggeber “ein weiter Weg”, der eine Neuausschreibung als Konsequenz nach sich ziehen würde. Infolge dessen könnte sich das gekündigte Unternehmen neuerlich um den Auftrag bemühen. Ein etwaiger Ausschluss – etwa gemäß § 124 Absatz 1 Nummer 7 GWB – führe dann gegebenenfalls zu einer neuen Nachprüfung. Auf Grund der aktuellen Auslastung des zuständigen Vergabesenats sei eine schnelle Klärung – jedenfalls in der zweiten Instanz – ausgeschlossen.

Im Übrigen irre die Antragstellerin mit der Behauptung, dass eine Gesamtvergabe stets zu Generalunternehmeraufschlägen führe. So habe das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 29.09.2018 (Verg 14/17) festgehalten, dass “kein genereller Erfahrungsschatz” bestehe, “dass sich Baukosten durch den Einsatz eines GU erhöhen”.

Der Antragsgegner trägt zudem vor, dass er nach Abwägung aller Interessen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Gründe für die Gesamtvergabe vorlägen. Insbesondere müsse er kein zusätzliches Wagnis und keine unnötigen Risiken eingehen, sondern sei nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.03.2020 – Verg 10/20) berechtigt, einen sicheren Weg zu wählen. Es handele sich bei den Nachteilen nicht um solche, die typische Konsequenz einer Fachlosvergabe seien. Auch könne nicht jede Frage – anders als die Antragstellerin meint – im Vorfeld vertraglich geregelt werden. Auch stehe der getroffenen Entscheidung nicht entgegen, dass die Sicherheitsdienstleistungen als weiteres Fachlos ausgeschrieben würden. In diesem speziellen Bereich sei es in der Vergangenheit auf Grund von Gesamtvergaben zu Problemen gekommen, so dass hierfür nur branchenspezifische Unternehmen in Frage kämen.

Weiterhin stelle die Gesamtvergabe keinen gravierenden Nachteil für die Antragstellerin dar, da sie zwar zur Kooperation mit einem Betreuungsdienstleister gezwungen sei, aber auf Grund ihrer Marktstellung sicherlich eine gute Chance auf eine Nachunternehmerstellung habe. Im Übrigen könne das von der Antragstellerin verfolgte Geschäftsmodell nicht in allen Einrichtungen dieser Vergabestaffel vollständig umgesetzt werden.

Die Vorsitzende hat die Frist für die Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 GWB bis zum 30.09.2021 verlängert. Am 06.08.2021 hat eine mündliche Verhandlung im Einvernehmen mit den Verfahrensbeteiligten in der Form einer Videokonferenz stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeunterlagen und die Niederschrift aus der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die Zuständigkeit der Vergabekammer Westfalen ergibt sich aus § 156 Absatz 1 GWB und § 159 Absatz 3 GWB i.V.m. § 1 Absatz 2 und § 2 Absatz 2 VK ZuStV NRW. Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert nach § 106 GWB und die Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin hat ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Vergabekammer Westfalen.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis erfüllt lediglich die Funktion eines groben Filters, um von vorneherein eindeutige Fälle auszusondern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2016, Verg 37/14). Deshalb sind an das Vorliegen der Antragsbefugnis auch keine allzu großen Anforderungen zu stellen.

Das Interesse an der Teilnahme an der gegenständlichen Ausschreibung hat die Antragstellerin mit Rüge vom 12.05.2021 dokumentiert und mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 27.05.2021 bestätigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. September 2004 – Verg 38/04). Die Antragstellerin musste sich für die Antragsbefugnis nicht am Vergabeverfahren durch die Abgabe eines – für sie nutzlosen – Angebots beteiligen. Sie macht geltend, durch den gerügten Vergaberechtsverstoß in Form der unterbliebenen Losaufteilung – an der Abgabe eines Angebots gehindert gewesen zu sein. In einer solchen Situation wäre es nutz- und sinnlos, ein Angebot einzureichen und damit der Antragstellerin auch nicht zuzumuten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.11.2009 – Verg 27/09).

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

Der Antragsgegner hat gegen das Gebot der Fachlosvergabe gemäß § 97 Absatz 4 GWB verstoßen. Gründe, die diesen Verstoß rechtfertigen, liegen nicht vor. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen gemäß § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB nur zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Auch die dazu ergangene Rechtsprechung fordert regelmäßig die Losbildung (vgl. statt vieler OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.03.2020 – Verg 9/20 und Verg 10/20 (nicht veröffentlicht).

Gemäß § 97 Absatz 4 Satz 2 GWB sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art und Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Dieser Grundsatz dient der Mittelstandsförderung (vgl. BT-Drs. 18/6281, S. 68; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18). Deshalb darf vom Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden (vgl. BT-Drs. 16/10117, S. 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18).

Insoweit schränkt dieses Gebot das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers ein (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 26.03.2019; Verg 16/16; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.04.2011, 15 Verg 3/11). Zwar bestimmt der Auftraggeber weithin selbst, welche konkrete Leistung seinem Beschaffungsbedarf am ehesten entspricht (vgl. BTDrs. 18/6281, S. 68; OLG Celle, Beschluss vom 02.02.2021, 13 Verg 8/20). Die vergaberechtlichen Grundsätze sind grundsätzlich gewahrt, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist und dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen, wobei die Festlegung willkür- und diskriminierungsfrei sein muss (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18 m.w.N.). Allerdings ist eine Fachlosbildung grundsätzlich geboten, wenn sich für eine Einzelleistung ein eigener abgegrenzter Markt etabliert hat (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 31.05.2012, 1 Verg 2/11; grundlegend hierzu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 – Verg 52/11; Vergabekammer Niedersachsen, Beschluss vom 25.05.2018, VgK-07/2018). Freilich kann das Erfordernis der Losvergabe nur greifen, wo eine getrennte Beschaffung der ausgeschriebenen Leistung aufgeteilt nach Art oder Fachgebiet überhaupt sinnvoll ist, woran es fehlen kann, wenn die nachgefragte Leistung nach ihrem Gegenstand voraussetzt, dass sie nur aus einer Hand erbracht werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 26.04.2010, 13 Verg 4/10).

Sofern für einzelne Leistungsbestandteile ein eigener funktionierender Markt existiert und die Leistungserbringung nicht aus einer Hand erfolgen muss, erfolgt die Beschaffung losweise. Das Losaufteilungsgebot stellt – wie sich unzweifelhaft aus der gesetzlichen Systematik und Teleologie des § 97 Absatz 4 Sätze 2, 3 GWB i.V.m. dem dieser Vorschrift zugrunde liegenden Art. 46 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe ergibt – den gesetzlichen Regelfall dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.03.2020 – Verg 9/20 und Verg 10/20 (nicht veröffentlicht)). Es steht somit nicht per se zur Disposition eines öffentlichen Auftraggebers (VK Bund, Beschluss vom 08.06.2020, VK 2-41/20).

Nach § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB dürfen mehrere Teil- oder Fachlose ausnahmsweise dann zu einer Gesamtvergabe zusammengefasst werden, wenn (i.) wirtschaftliche oder technische Gründe vorliegen und (ii.) diese Gründe eine Gesamtvergabe erforderlich machen. Die Norm statuiert insoweit ein Regel-Ausnahmeverhältnis (vgl. statt vieler: OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18). Nicht notwendig ist allerdings, dass eine Losvergabe objektiv unmöglich ist. Technische oder wirtschaftliche Gründe, die eine Gesamtlosvergabe erfordern, reichen aus.

Dabei sind technische Gründe, die den Verzicht auf eine Losaufteilung gestatten, dann gegeben, wenn bei einer losweisen Ausschreibung das – nicht durch die inhaltliche Gestaltung der Vergabeunterlagen vermeidbare – Risiko besteht, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber letztlich nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11; VK Bund, Beschluss vom 06.12.2016, VK 1-118/16). Auch das besondere Interesse an der Einheitlichkeit der Leistungserbringung, die beispielsweise in einem Erfordernis nach der Kompatibilität verschiedener Systeme und baulicher Anlagen zurückzuführen ist, mag als technischer Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB verstanden werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.11.2009 – Verg 43/09).

Auf der anderen Seite liegen wirtschaftliche Gründe etwa dann vor, wenn die alternative Fachlosvergabe zu einer unverhältnismäßigen Verteuerung der Gesamtleistung führt (vgl. schon OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2004 – Verg 38/04). So kann etwa die Verteuerung einer Ausschreibung um 50 % bereits einen wirtschaftlichen Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB darstellen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2011, VII Verg 48/11). Zwar besitzt der Auftraggeber bei der Prüfung, ob eine bestimmte Losaufteilung unwirtschaftlich ist einen Einschätzungsspielraum mit prognostischen Elementen. Seine Entscheidung muss aber insgesamt tatsachengestützt und plausibel sein (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11). Auf Grund des restriktiven Charakters des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB darf der Auftraggeber nur solche Mehrkosten berücksichtigen, die unmittelbar die Auftragsdurchführung verteuern. Die Mehrkosten, die durch die Losvergabe entstehen und im Verantwortungs- und Aufgabebereich des Antragstellers liegen, sind grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig. Andernfalls hätte es der öffentliche Auftraggeber in der Hand, die Voraussetzungen für eine Gesamtvergabe zu schaffen.

Nach dem Wortlaut des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB müssen die technischen oder wirtschaftlichen Gründe zudem eine Gesamtvergabe “erfordern”. Die Beantwortung der Frage, ob technische oder wirtschaftliche Gründe es im Sinne des Gesetzes “erfordern”, von einer Losbildung abzusehen, setzt eine Bewertung voraus. Dabei steht dem Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen eine Einschätzungsprärogative zu. Der Maßstab der rechtlichen Kontrolle ist dabei beschränkt. Die Entscheidung des Auftraggebers, eine Gesamtlosvergabe beim Vorliegen von technischen oder wirtschaftlichen Gründen für erforderlich zu halten, ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen darauf zu prüfen, ob sie beurteilungsfrei ergangen ist. Ist der entsprechende Sachverhalt vollständig ermittelt und beruht die Entscheidung nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, ist der dem Auftraggeber zustehende Beurteilungsspielraum gewahrt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.03.2020 – Verg 9/20 und Verg 10/20 (nicht veröffentlicht); OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19 m.w.N., OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.05.2018, 11 Verg 4/18; a. A. KG Berlin, Beschluss vom 23.06.2019, Verg 16/16, das mit guten Gründen eine vollständige Überprüfbarkeit der Entscheidung nach Satz 3 des § 97 Absatz 4 GWB durch die Vergabenachprüfungsinstanzen annimmt sowie Antweiler in: Burgi/Dreher (Hrsg.), Beck´scher Vergaberechtskommentar, § 97 Abs. 4 Rn. 38).

Nicht ausreichend ist insoweit, dass der Auftraggeber nur anerkennenswerte Gründe für seine Beurteilung vorbringen kann. Aus der klaren Wertung des Gesetzgebers folgt, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19). Kommt der Auftraggeber nach umfassender Abwägung der widerstreitenden Belange zu dem Ergebnis, dass die technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen, ist die Gesamtvergabe zulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19; OLG Frankfurt, 14.05.2018, 11 Verg 4/18.).

Allerdings vermag ein erhöhter Koordinierungsaufwand durch die Vermeidung von “Gewährleistungsschnittstellen” für sich allein ein Absehen von einer Losaufgabe ebenso wenig zu rechtfertigen, wie Probleme bei der Mängelbeseitigung, die typischerweise mit einer Losvergabe verbundenen Mehraufgaben oder der etwa mit der Aufsicht verbundene Mehraufwand (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19; OLG Frankfurt, 14.05.2018, 11 Verg 4/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2016, VII-Verg 6/16 – zur Vorschrift des § 97 Abs. 3 S.2 und 3 GWB a.F., die denen des § 97 Absatz 4 Satz 2 und 3 gleich lautend waren). Auch der Vorzug, nur einen Vertragspartner zu haben oder Gewährleistungsansprüche einfacher durchzusetzen, sind nicht geeignet, eine Rechtfertigung für die Gesamtvergabe zu begründen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2007 – Verg 10/07). Dieser Abwägungsprozess ist freilich ausführlich zu dokumentieren.

Dabei ist die Frage, ob gemäß § 97 Absatz 4 GWB Fachlose zu bilden sind, für jede in Betracht kommende Leistung getrennt zu beantworten. Das bedeutet zum einen, dass die “wirtschaftlichen oder technischen Gründe”, welche die Norm verlangt, sich auf die jeweilige Leistung beziehen müssen, welche für eine getrennte Losvergabe in Betracht kommt. Globale, also das gesamte Vorhaben betreffende Überlegungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auch und gerade die jeweilige Leistung erfassen. Andererseits ist damit auch klar, dass die Entscheidung über die Bildung eines Fachloses für eine bestimmte Leistung keine Aussage darüber trifft, ob auch für andere Leistungen Fachlose zu bilden sind, oder ob der “Rest” des geplanten Projekts einheitlich vergeben werden kann. (vgl. zur Fachlosbildung bei Fachgewerken: OLG München, Beschluss vom 09.04.2015, Verg 1/15, VK Südbayern, Beschluss vom 12.08.2016, Z3-3/3194/1/27/07/16). Ausgehend von diesen Grundsätzen rückt daher die Frage in den Mittelpunkt, ob die Verpflegungsdienstleistungen als einzelnes Fachlos ausgeschrieben werden müssen.

Die Ausführungen des Antraggegners bleiben inhaltlich hinter den dargestellten Anforderungen an das Vorliegen technischer oder wirtschaftlicher Gründe zurück. Dem Antragsgegner gelingt es nicht, nachvollziehbar und plausibel einen technischen oder wirtschaftlichen Grund für sein Vorgehen – Absehen von einer Fachlosbildung – darzustellen. Denn die vom Antragsgegner angeführten Gründe sind weder technischer noch wirtschaftlicher Natur.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Antragsgegner formal vorbildlich mit den Anforderungen der Fachlosvergabe auseinandergesetzt hat. Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und Ausführungen sowie die in ihm mitgeteilten Gründe für die getroffene Entscheidung sind sehr detailliert und können von einem mit der Sachlage vertrauten Bieter ohne Weiteres nachvollzogen werden. Der Antragsgegner hat die Gründe, die für eine Gesamtvergabe streiten, dargelegt und gegen die aus seiner Sicht dagegensprechenden Argumente abgewogen. Der Antragsgegner hat sich somit mit der Thematik entsprechend den Anforderungen des Gesetzes ausführlich und gut nachvollziehbar auseinandergesetzt. Allerdings ist die erfolgte Abwägung teilweise unzutreffend, weil die gesetzlichen Anforderungen nicht hinreichend berücksichtigt wurden.

Denn die vom Antragsgegner angeführten Gründe sind weder technischer noch wirtschaftlicher Natur.

a) Der Antragsgegner beruft sich darauf, nur einen Vertragspartner, nämlich den Betreuungsdienstleister, haben zu wollen, um auf diese Weise eine qualitativ hochwertige Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten. Auch habe es sich das Land Nordrhein-Westfalen zum Ziel gesetzt, nur einen Ansprechpartner in den Einrichtungen zu haben. Außerdem sollten sämtliche Leistungen “aus einer Hand” erbracht werden. Der Antragsgegner führt aus, dass der Betreuungsdienstleister durch die Übernahme der leistungsübergreifenden Gesamtverantwortung ein “erhöhtes Interesse am reibungslosen Betrieb” der jeweiligen Einrichtung habe. Durch die Übernahme würden Schnittstellen entfallen, die mit einer Fachlosvergabe zwangsläufig entstünden. Dadurch entfalle der Koordinierungsaufwand auf Seiten des Antragsgegners. Im Übrigen verfüge der Betreuungsdienstleister über die notwendigen Informationen wie etwa Neu- und Abgänge sowie Krankheitsfälle und geplante Abschiebungen, um die Essenspläne anzupassen. Bei einem separaten Verpflegungsdienstleister müssten diese Informationen weitergegeben werden. Dies erfolgte meist nur “mit zeitlicher Verzögerung und dem Risiko von Informationsverlusten”.

Der Vortrag der Antragsteller vermag keinen technischen Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB zu belegen, die eine Gesamtlosvergabe erfordern. Vielmehr handelt es sich bei der Abstimmung der verschiedenen Leistungsbereiche um Koordinierungsaufwände, die sich bei einer losweisen Vergabe typischerweise ergeben und deswegen gerade keine anerkennenswerten Gründe sind. Insbesondere reduziert sich durch die Einrichtung eines Betreuungsdienstleisters, wie sie die gegenständliche Ausschreibung vorsieht, nicht die Zahl der Schnittstellen in einem erheblichen Umfang. Zwar kann – allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen – auch die Reduzierung des Koordinierungsaufwands ausreichen, um eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen (vgl. OLG München, Beschluss vom 09.04.2015, Verg 1/15). Allerdings führt das OLG München insoweit aus, dass es “aber nicht [heißt], dass immer schon bei Wegfall einer Koordinierungsebene relevante wirtschaftliche Gründe gegeben sind, weil sonst das gesetzgeberische Gebot – welches den Schutz mittelständischer Unternehmen bezweckt – ausgehöhlt werden würde. Es müssen also Gründe vorliegen, welche über solche Schwierigkeiten hinausgehen, die typischerweise mit jeder losweisen Ausschreibung verbunden sind.”

Derlei Gründe sind nicht gegeben. Inwieweit es sich hierbei um technische oder wirtschaftliche Gründe handelt, muss nicht entschieden werden. Ausweislich der Ausschreibungsunterlagen soll der Betreuungsdienstleister den Betrieb in den Unterkünften organisieren und betreuen. Nach dem Verständnis der Kammer und unter Berücksichtigung der Vergabeunterlagen sowie dem Vortrag der Parteien werden wesentliche Leistungen – so auch die Verpflegung – vom Betreuungsdienstleister an Nachunternehmer “vergeben”. Der Betreuungsdienstleister muss dann die Arbeit “seiner” Nachunternehmer koordinieren und entsprechende Informationen weiterleiten. Insoweit verringert sich nicht der Koordinationsaufwand im Vergleich zur Fachlosvergabe, bei der der Auftraggeber den Koordinationsaufwand trägt. Vielmehr ändert sich die Schnittstelle, an der die Koordination stattfindet. Das Risiko einer zeitlichen Verzögerung sowie von Informationsverlusten bleibt damit unverändert bestehen. Der Antragsgegner stellt sein Licht unter den Scheffel, wenn er vorträgt, dass derlei Risiken nur dann bestünden, wenn er die Koordinierungsaufgaben wahrnehme. Die Kammer hegt keine Zweifel daran, dass der Antragsgegner in der Lage ist, die Leistungserbringung einer Vielzahl von Unternehmen zu koordinieren und zu überwachen.

Auch stellt der Vorzug, nur einen Vertragspartner zu haben, gerade keinen Grund für eine Gesamtlosvergabe dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2007 – Verg 10/07). Andererseits besteht das Risiko eines “unzuverlässigen” und “unkooperativen” Auftragnehmers in der Form eines Nachunternehmers auch bei einer Gesamtlosvergabe, wenn der Zuschnitt einer Vergabe – wie hier – darauf ausgelegt ist, dass der Auftragnehmer für diverse Leistungen Nachunternehmer einsetzt und sie nicht “aus einer Hand” erbringt. Insoweit gereicht der Vortrag des Antragsgegners, die abgefragten Leistungen und besonders die Verpflegungsleistungen müssten aus einer Hand kommen, nicht zu seinem Vorteil. Bereits der Zuschnitt der Ausschreibung sowie die Möglichkeit, umfassend Nachunternehmer einzusetzen, widerspricht diesem angestrebtem Grundsatz. Letztlich geht es dem Auftraggeber darum, durch die Gesamtlosvergabe seine Verantwortungsbereiche erheblich zu konzentrieren und die Gesamtverantwortung auf einen Betreuungsdienstleister zu übertragen. Derlei Erwägungen, die als solche nachvollziehbar sind, reichen jedoch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht aus, eine Gesamtlosvergabe zu rechtfertigen.

Vor diesem Hintergrund vermag auch der Vortrag, die Zielsetzung des Landes Nordrhein-Westfalens, nur einen Ansprechpartner haben zu wollen, rechtfertige eine Gesamtvergabe, ebenfalls nicht zu seinem Vorteil gereichen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 01.02.2001 (VK 1-1/01). Zwar hat die Vergabekammer des Bundes zur Begründung einer Gesamtvergabe ausgeführt, dass “ein einheitlicher Ansprechpartner (…) zweckmäßig sei”. Allerdings hat die Vergabekammer des Bundes vorab wirtschaftliche und technische Vorteile, die eine Gesamtvergabe begründen, anerkannt. Darüber hinaus betraf die Entscheidung “komplexe Einrichtungen” im “sicherheitsrelevanten Bereich eines Flughafens” und ist deswegen auch aus diesem Grund für dieses Nachprüfungsverfahren ohne weitere Bedeutung. Zudem erging die Entscheidung zu § 97 Absatz 3 GWB a. F. der lediglich eine Interessenabwägung vorsah, aber kein Regel-Ausnahmeverhältnis statuierte, wie es der § 97 Absatz 4 GWB in seiner aktuellen Fassung enthält (vgl. Knauff, in Säcker, Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrechts, § 97 Rn. 251 ff).

Sofern der Antragsgegner vorträgt, für einen reibungslosen Betrieb der Einrichtungen sei es erforderlich, dass die Flüchtlinge nur einen Ansprechpartner hätten, verfängt dieses Argument nicht. So ist bereits jetzt schon neben den derzeit eingesetzten Betreuungsdienstleistern eine weitere Beschwerdestelle in den jeweiligen Einrichtungen installiert, die (i.) nicht im Verantwortungsbereich der eingesetzten Betreuungsdienstleister liegt und (ii.) von unabhängigen Dritten geführt wird. Im Ergebnis stehen für Flüchtlinge bereits jetzt schon zwei Ansprechpartner zur Verfügung. Auch ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum mehrere Ansprechpartner die Flüchtlinge “überlasten” würden.

Auch kann der Ansicht des Antragsgegners, die Schnittstelle im Bereich Entsorgung erfordere eine Gesamtlosvergabe, nicht gefolgt werden. Zunächst ist erneut festzustellen, dass die Reduzierung von Schnittstellen, wie sie bei einer Losvergabe regelmäßig gegeben sind, eine Gesamtlosvergabe nicht zu rechtfertigen vermag. Sofern der Antragsgegner vorträgt, es sei bei einer Losvergabe etwa unklar, wer für den Geschirreinsatz verantwortlich sei, begründet dies gerade keine Gesamtvergabe. Diese ist vielmehr in technischer Hinsicht nur dann zulässig, wenn sämtliche Auftragnehmer ihre Leistung ordnungsgemäß erbringen, das “Gesamtwerk” aber dennoch nicht dem Beschaffungsbedarf entspricht. Antizipierte Unklarheiten und das damit verbundene Risiko von Schlechtleistungen muss der Auftraggeber im Vorfeld durch eine entsprechende Anpassung der Vergabeunterlagen in den Griff bekommen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11). Die Gesamtvergabe als Ausnahmemöglichkeit soll es dem Auftraggeber nicht ermöglichen, sich von – vielleicht auch komplexen – Regelungen im Hinblick auf die Auftragsdurchführung freizustellen.

Ebenso wenig vermag die Beschaffung, Verwendung und Erneuerung der Küchenbetriebsmittel eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen. Es liegt gerade in der Natur der Sache, das bei einer Fachlosvergabe – speziell bei der gleichzeitigen Beschaffung mehrerer Dienstleistungen – derlei Gesichtspunkte vertragsrechtlich zu regeln und deren Einhaltung grundsätzlich durch den Auftraggeber als Vertragspartner zu überwachen sind. Die Kammer hegt keine Zweifel daran, dass der Antragsgegner in der Lage ist, die Leistungserbringung einer Vielzahl von Unternehmen zu koordinieren und zu überwachen.

Im Übrigen gilt: Gründe, die im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen, können grundsätzlich keine Gesamtvergabe rechtfertigen. Denn es wäre systemwidrig und würde den Schutzzweck des § 97 Absatz 4 GWB aushöhlen, da es der Auftraggeber selbst in der Hand hätte, sich etwa durch die Verringerung seiner Personalmittel in die Lage zu versetzen, den Ausnahmefall einer Gesamtlosvergabe regelmäßig begründen zu können.

Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der Vortrag des Antragsgegners, die Vermeidung von rechtlichen Schwierigkeiten bei der Auftragsabwicklung würde vorliegend eine Gesamtvergabe rechtfertigen. Zwar kann es zutreffen, dass eine außerordentliche Kündigung eines Auftragnehmers durch den Auftraggeber zeitintensiv ist und mit einer gerichtlichen Kontrolle einhergeht. Dieses Risiko besteht insoweit aber auch für den Betreuungsdienstleister. Insoweit vermag die Kammer nicht zu erkennen, inwieweit die Gesamtvergabe Vorteile bietet. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass ein gekündigtes Unternehmen sich neuerlich an der entsprechenden Ausschreibung beteiligt, die notwendig ist, weil der öffentliche Auftraggeber der Ausschreibungspflicht unterliegt. In einem solchen Fall mag dann ein getroffener Ausschluss gemäß § 124 Absatz 7 GWB – sofern möglich – durch die Vergabenachprüfungsinstanzen überprüft werden, wobei die Dauer der Prüfung nicht abschließend einschätzbar ist. Allerdings rechtfertigt weder die Vermeidung von vergaberechtlichen Vorgaben – wie etwa die Ausschreibungspflicht – noch eine mögliche und länger dauernde Nachprüfung das Absehen von der Fachlosvergabe. Andernfalls würde die gesetzlich vorgesehene regelmäßige Anwendung der Fachlosvergabe gerade dazu führen, dass dadurch (i.) die Gesamtlosvergabe gerechtfertigt wäre und (ii.) die betreffende Gesamtvergabe dem Vergaberecht jedenfalls zum Teil entzögen würde. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck der Fachlosvergabe. So ist § 97 Absatz 4 GWB auch im Kontext der Ziele des Vergaberechts auszulegen und die Grundsätze des Vergaberechts im Blick zu behalten (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18). Das Vergaberecht sieht grundsätzlich keine “Flucht ins vergabefreie Privatrecht” vor, indem viele Leistungen “gesamt” an einen Auftraggeber vergeben werden, damit dieser dann, ohne dem Vergaberecht unterworfen zu sein, die einzelnen Leistungsbestandteile an Nachunternehmer vergibt (vgl. hierzu etwa auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015 – Verg 11/15). Erst Recht vermögen derlei Überlegungen keine Gesamtvergabe zu rechtfertigen.

b) Soweit der Auftraggeber argumentiert, die Integration von Flüchtlingen in die Arbeitsabläufe der Einrichtungen könne nur bei einer Gesamtvergabe erfolgen, führen auch diese Erwägungen nicht weiter. Insbesondere begründen derlei Überlegungen keinen technischen Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB. Inwieweit die in § 5 Absatz 1 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz festgelegte Zielsetzung nicht eine originäre – und damit nicht zu delegierende – Aufgabe des Antragstellers ist, vermag die Kammer nicht abschließend einzuschätzen und ist auch nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist, ob bei einer losweisen Vergabe das angestrebte Ziel, Flüchtlinge in die Arbeitsabläufe zu integrieren, nicht erreicht werden kann. Die Kammer zweifelt nicht daran, dass bei einer losweisen Vergabe die einzelnen Leistungserbringer in der Lage sind, etwaige Arbeitsgelegenheiten zu identifizieren und dem Auftraggeber zu melden, der dann die entsprechende Zuteilung durchführt. Die angestrebte Einbindung ist somit gewährleistet. Insbesondere besteht gerade auch in diesem Fall keine “Konkurrenz” oder “Wettbewerb” zwischen den Auftragnehmern. Selbst wenn der Auftraggeber sich für die Organisation und Koordination der Unterkünfte eines Dienstleisters bedienen sollte – dies ist ihm im vergaberechtlichen Rahmen freilich unbenommen -, der dann die Einbindung der Flüchtlinge in die Arbeitsabläufe organisiert, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründe dies nicht funktionieren sollte. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum nur bei einer Gesamtlosvergabe Betreuungs- und Verpflegungsdienstleister “an einem Strang” ziehen.

Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der Vortrag des Antragsgegners, dass nur eine Gesamtlosvergabe die notwendige Flexibilität der Leistungserbringung ermögliche. So trägt der Antragsgegner vor, dass eine Vielzahl von Auftragnehmern und selbst schon eine formale Trennung von Betreuungsdienstleister zu Verpflegungsdienstleister die erforderlichen Anpassungen im täglichen Kantinenbetrieb erschwere. Im Bereich Kantine könne es immer zu unerwarteten Ereignissen kommen, die eine schnelle Reaktion erforderten. Der Betreuungsdienstleister könne auf Grund seiner Gesamtverantwortung “nicht mit dem Finger auf den anderen Dienstleister” zeigen. Vielmehr bedürfe es weniger Beteiligter in verantwortlicher Position, die sich ihrer Verantwortung bewusst seien, in der Gesamtverantwortung stünden und dieser gerecht würden. Diese – in der Sache sicherlich vertretbaren Argumente – stellen jedoch keinen technischen Grund dar, der eine Gesamtlosvergabe rechtfertigt. Ein solcher liegt – wie vorstehend bereits dargestellt – vor, wenn die Gefahr besteht, dass der Auftragnehmer zwar eine Vielzahl von ausschreibungskonformen Einzelleistungen erhält, die aber in ihrer Gesamtheit nicht dem Beschaffungsbedarf entsprechen. Vorliegend zeichnet der Antragsgegner ein Bild, wonach bei einer Fachlosvergabe die einzelnen Auftragnehmer zwar “vertragstreu”, nicht aber ordnungsgemäß miteinander arbeiten und der Auftraggeber keine Möglichkeiten hat, einzugreifen. Einerseits vermag die Kammer dem Bild des “unzuverlässigen” und “unkooperativen” einzelnen Auftragnehmers nicht zu folgen. Insbesondere besteht kein genereller Erfahrungssatz, dass bei Fachlosvergaben der Auftraggeber regelmäßig regulierend und sanktionierend auf die einzelnen Auftragnehmer einwirken muss. Vielmehr zeichnet sich die Beauftragung einzelner Auftragnehmer dadurch aus, dass diese sich intensiver für ihre eigenen Leistungen verantwortlich fühlen, als dies im Falle eines Nachunternehmers in der Regel der Fall ist.

c) Auch die vom Antragsgegner vorgetragene untrennbare Verbundenheit zwischen Verpflegungsleistungen und Sozialbetreuung vermag eine Gesamtlosvergabe nicht zu rechtfertigen. Zwar hat die Kammer keine Zweifel daran, dass die Flüchtlinge in bestimmten Fällen ihre Verpflegungswünsche über die Sozialbetreuer adressieren. Allerdings ist für die Kammer nicht ersichtlich, warum diese Informationen nur im Rahmen einer Gesamtlosvergabe und nicht bei einer Fachlosvergabe berücksichtigt werden sollen. In beiden Fällen müssen die entsprechenden Informationen über eine weitere Stelle – sei es über den Betreuungsdienstleister oder den Antragsgegner selbst – weitergespielt werden. Die Kammer vermag auch dem Vortrag nicht zu folgen, nur der Betreuungsdienstleister hätte ein Interesse an einer guten Atmosphäre und Zufriedenheit der Flüchtlinge. Auch der Vortrag, es bestünde die Notwendigkeit, dass Ablauf und Organisation der Verpflegung in einer Hand mit der Betreuungsdienstleistung liegen müssten, überzeugt nicht. Wenn der Antragsgegner diesem Prinzip eine solche Bedeutung beimisst, erschließt sich für die Kammer nicht, warum der Zuschnitt der Ausschreibung darauf ausgelegt ist, dass – jedenfalls einige – der Betreuungsdienstleister für die Verpflegung Nachunternehmer einsetzen werden. So führt der Antragsgegner selbst in seinem Schreiben vom 18.06.2021 aus, dass die Antragstellerin “zwar (…) zur Kooperation mit einem Betreuungsdienstleister gezwungen [sei].” Jedoch habe sie bei diesen “sicherlich eine gute Chance auf eine Nachunternehmerstellung.” Wollte der Antragsgegner tatsächlich die Verpflegung und Betreuung zusammen erbracht wissen, müsste er stattdessen einen Nachunternehmereinsatz bei der Sozialbetreuung und Verpflegung ausschließen, damit beide Leistungen – wie gewünscht – “aus einer Hand” erfolgen.

d) Weiterhin stellen die von dem Antragsgegner vorgebrachten wirtschaftlichen Gesichtspunkte keine wirtschaftlichen Gründe im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB dar, die eine Gesamtvergabe rechtfertigen. Selbst bei einem unterstellt erhöhten Abstimmungsaufwand auf Grund mehrerer Auftragnehmer ist es für die Kammer nicht ersichtlich, inwieweit sich die Kosten für die eingekauften Dienstleistungen jedenfalls so erheblich erhöhen, dass die von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Schwellen erreicht werden. Maßgeblich sind insoweit nur unmittelbar mit der Beschaffung verbundene Kosten. Ebenso wenig kann der Aufwand, mit dem die Vertragsgemäßheit sichergestellt werden, vorliegend einen wirtschaftlichen Grund darstellen. Dies mag dann gegeben sein, wenn statt einer Gesamtlosvergabe die Vergabe einer Vielzahl von “Kleinstlosen” (sog. Splitterlose) im Raum steht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 – Verg 51/11). Bei der Vergabe der Verpflegungsdienstleistungen handelt es sich aber schon dem Umfang nach nicht um ein Splitterlos. Im Übrigen ist der Antragsgegner auch nicht gezwungen, den Bereich Verpflegungsdienstleistungen in weitere kleinere Fachlose “aufzusplitten”. Auch ist die Sicherstellung der Vertragsgemäßheit der Fachlosvergabe immanent und stellt einen damit typischerweise verbundenen Mehraufwand dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 – Verg 51/11). Im Übrigen kann auch der Vortrag des Antragsgegners, er müsse zur Vertragsüberwachung weiteres Personal einstellen, nicht zu seinem Vorteil gereichen. Die Sicherstellung ausreichender Personalkapazitäten liegt im Verantwortungsbereich des Antragsgegners. Steigende Personalkosten auf Grund von notwendigen Neueinstellungen können daher grundsätzlich keine Gesamtlosvergabe begründen.

Inwieweit eine Gesamtvergabe auf Grund eines “Generalunternehmeraufschlags” teurer ist als eine Fachlosvergabe, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.

Im Ergebnis kann sich der Antragsgegner folglich nicht auf die Gesamtvergabe diverser Leistungen, insbesondere nicht auf die Einbeziehung von Verpflegungsdienstleistungen in die Gesamtvergabe, berufen, weil dies vorliegend nach § 97 Absatz 4 GWB nicht gerechtfertigt ist.

3. Die Antragstellerin ist gemäß § 168 Absatz 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil sie ein am Markt “Verpflegungsdienstleistungen” tätiges Unternehmen ist und sie unmittelbar durch die Vorgehensweise des Antragsgegners betroffen ist. Dies lässt sich auch aus den vorhandenen Teilnehmeranträgen herleiten, weil es sich überwiegend um Bieter handelt, die schwerpunktmäßig im Bereich der sozialen Betreuung tätig sind. Bieter, die andere besondere Dienstleistungen erbringen, wie Reinigungsdienstleistungen oder Verpflegungsdienstleistungen, haben sich bislang überhaupt nicht beworben. Die Antragstellerin trägt zu Recht vor, dass ihr durch die Art der Ausschreibung der Zugang zur Vergabe verwehrt wird.

Unbeachtlich und in der Sache unzutreffend ist insoweit der Vortrag des Antragsgegners, dass die Gesamtvergabe keine gravierenden Nachteile für die Antragstellerin darstelle und sie ihr verfolgtes Geschäftsmodell nicht in allen Einrichtungen vollständig umsetzen könne. Vielmehr ist es für ein Unternehmen in der Regel immer von Nachteil, wenn es in die Position eines Nachunternehmers gedrängt wird. Im Übrigen kann der Antragsgegner aufgrund seines Leistungsbestimmungsrecht entsprechende Vorgaben in seiner Ausschreibung machen, die dann von den Bietern zu akzeptieren sind. Er muss somit nicht das Geschäftsmodell der Antragstellerin wählen, sondern kann je nach Einrichtung – beispielsweise vor Ort kochen oder liefern lassen- seine Vorstellungen umsetzen.

Da der Nachprüfungsantrag sich lediglich auf 3 Lose bezieht, bezieht sich auch die Entscheidung der Vergabekammer nur auf die im Tenor genannten Lose Nr. 7, Nr. 8 und Nr. 10.

Der Antragsgegner wird somit verpflichtet – soweit weiterhin Beschaffungsbedarf bestehen sollte – in Bezug auf die vorstehend genannten Lose die Ausschreibung mit der Bekanntmachung neu zu beginnen und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu § 97 Absatz 4 GWB zu beachten.

III.

Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I. S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Die Gebühr beträgt gemäß § 182 Absatz 2 GWB mindestens 2.500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden. Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Absatz 3 GWB die Kosten zu tragen.

Die Kammer setzt vorliegend eine Gebühr in Höhe von … Euro fest. Für die Berechnung der Verfahrensgebühr zieht die Kammer die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes und der Länder heran (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2005 – Verg 30/05). Maßgeblich für die Berechnung der Gebühr ist grundsätzliche die streitbefangene Auftragssumme (vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2011, X ZB 5/10).

Vorliegend war die Antragstellerin gehindert, ein eigenes Angebot abzugeben. Die Kammer schätzt daher – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – den Wert der Verpflegungsleistungen für die drei streitgegenständlichen Lose jährlich auf … Euro brutto. Maßgeblich sind insoweit die von den Verfahrensparteien übermittelten Einschätzungen, wobei die Kammer bei ihrer Ermittlung einerseits eine Preissteigerung im Vergleich zur 4. Staffel berücksichtigt hat, andererseits aber auch die laut den Referenzangaben der Antragstellerin bisher erzielten Umsätze. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat die Kammer einen Mittelwert gebildet.

Diese Gebühr ist dem Antragsgegner aufzuerlegen, der aber als juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß § 182 Absatz 1 GWB in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 2 Verwaltungskostengesetz des Bundes von den Gebühren befreit ist.

Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Absatz 4 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war notwendig, da die Verfahrensführung in einem Nachprüfungsverfahren für rechtliche Laien häufig unübersichtlich ist und schnell zu Fehlentscheidungen führt. Insbesondere waren vorliegend schwierige und komplexe vergaberechtliche Fragen streitentscheidend. Insbesondere die Zulässigkeit einer Gesamtlosvergabe ist auch vor dem Hintergrund einer nicht immer ganz einheitlichen Rechtsprechung nur schwer zu bewerten und erfordert vergaberechtliche Expertise. Daneben ist das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich konzipiert, so dass auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind, um eigene Rechte wirksam wahren zu können. Die notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung der Antragstellerin werden dem Antragsgegner auferlegt.

Rechtsmittelbelehrung

(…)

Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs

Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs

BWI7-70437/9#4
Berlin, 25. März 2022

Aufgrund der Kriegsereignisse in der Ukraine und der in der Folge verhängten weltweiten Sanktionen gegen Russland sind die Preise vieler Baustoffe zum Teil extrem gestiegen. Rund 30 Prozent des Baustahls kommen aus Russland, der Ukraine und Weißrussland. Hinzu kommt der hohe Anteil von Roheisen (40 Prozent aus diesen Ländern) und diverser weiterer Rohstoffe, die für die Stahllegierung notwendig sind (Nickel 25 Prozent und Titan 75 Prozent). Auch rund 30 Prozent der hiesigen Bitumenversorgung erfolgt in Abhängigkeit von Russland, mit entsprechenden Auswirkungen auf den deutschen Straßenbau. Auch die Kosten für Energie und Kraftstoffe sind erheblich gestiegen.

Um den Auswirkungen für kommende und laufende Bundesbaumaßnahmen entgegenzuwirken, wird für die Produktgruppen

  • Stahl und Stahllegierungen
  • Aluminium
  • Kupfer
  • Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut)
  • Epoxidharze
  • Zementprodukte
  • Holz
  • Gusseiserne Rohre

    folgende Sonderregelung getroffen:


I. Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe
Von der Regelung in Nummer 2.3 der Richtlinie zum Formblatt 225 des VHB (ausnahmsweise Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe) darf bei maschinenintensiven Gewerken Gebrauch gemacht werden, vorausgesetzt, beide der nachfolgend genannten Voraussetzungen treffen zu:

1. Die Vertragsunterlagen sind so aufgestellt, dass sie sich für die indexbasierte Preisgleitung eignen
(eigene Ordnungsziffer).
2. Der Wert der Betriebsstoffe übersteigt ein Prozent der geschätzten Auftragssumme.

II. Neue Vergabeverfahren
Trotz der mit den Preissteigerungen einhergehenden Unwägbarkeiten sind ausschreibungsreife Gewerke zu vergeben, Planungen fortzusetzen und zur Ausschreibung zu führen. Die Voraussetzung Nummer 2.1 a) der Richtlinie zum Formblatt 225 VHB (nicht kalkulierbares Preisrisiko) für die o.g. Produkte ist erfüllt. Nummer 1d) der „Grundsätze zur Anwendung von Preisvorbehalten bei öffentlichen Aufträgen“ vom 4. Mai 1972 wird vorübergehend dahin ausgelegt, dass die Vereinbarung einer Preisgleitklausel auch dann zulässig ist, wenn der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung bzw. Fertigstellung einen Monat beträgt. Damit gilt die Voraussetzung der Nummer 2.1 b) der Richtlinie zum Formblatt 225 VHB (Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung/Fertigstellung) als erfüllt, wenn der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung/Fertigstellung einen Monat überschreitet.
Liegen die Voraussetzungen der Nummer 2.1 c) der Richtlinie zum Formblatt 225 (Stoffkostenanteil beträgt mindestens ein Prozent der geschätzten Auftragssumme) vor, sind im Formblatt 225 alle Stoffe, die der Preisgleitung unterworfen werden sollen, mit ihren Ordnungsziffern (LV-Positionen),
der entsprechenden GP-Nummer, einem Basiswert 1 inkl. Zeitpunkt seiner Ermittlung und der jeweilige Abrechnungszeitpunkt (Einbau, Lieferung oder Verwendung) einzutragen. Sind für die Festlegung des Basiswertes 1 von einschlägigen Händlern keine Angebote zu erhalten, ist der Basiswert aus Angeboten vorausgegangener Ausschreibungen oder aus Erfahrungswerten, ggf. mit einem Zuschlag versehen, festzulegen und bei Erfordernis während des Vergabeverfahrens anzupassen.
Das Formblatt ist den Vergabeunterlagen beizufügen. Neben dem Formblatt 225 ist den Vergabeunterlagen auch das diesem Erlass (nochmals) beigefügte Hinweisblatt beizufügen und im Anlagenverzeichnis der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Buchstabe A aufzunehmen. Zur Sicherstellung des Wettbewerbs sind Vertragsfristen der aktuellen Situation angepasst zu vereinbaren. Vertragsstrafen sind nur in begründeten Ausnahmefällen zu vereinbaren.

III. Laufende Vergabeverfahren
Soweit Vergabeverfahren bereits eingeleitet sind, aber die Angebote noch nicht geöffnet wurden, sind die Stoffpreisgleitklauseln nachträglich einzubeziehen. Ausführungsfristen sind an die aktuelle Situation anzupassen. Die Angebotsfrist ist ggf. zu verlängern.
Bieteranfragen zur Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel zu o.g. Produktgruppen ist zu folgen, es sei denn, der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung/Fertigstellung unter-schreitet einen Monat oder der Stoffkostenanteil des betroffenen Stoffes unterschreitet wertmäßig ein Prozent der von der Vergabestelle geschätzten Auftragssumme. Ist die Angebots(er)öffnung bereits erfolgt, ist das Verfahren zur Vermeidung von Streitigkeiten bei der Bauausführung in den Stand vor Angebotsabgabe zurück zu versetzen, um Stoffpreisgleitklauseln einbeziehen und ggf. Ausführungsfristen verlängern zu können.

IV. Anpassungen in bestehenden Verträgen
Bestehende Verträge sind grundsätzlich einzuhalten und die Leistungen von den Unternehmen wie beauftragt auszuführen. Ungeachtet dessen können die Kriegsereignisse in der Ukraine und die dadurch unmittelbar oder mittelbar hervorgerufenen Materialengpässe und Materialpreissteigerungen auch insoweit rechtliche Folgen haben.

IV.1 Verlängerung von Vertragslaufzeiten, § 6 VOB/B
Sind Materialien aus den eingangs genannten Produktgruppen nachweislich nicht oder vorüber-gehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise als kalkuliert, durch das Unternehmen beschaffbar, ist von einem Fall der höheren Gewalt bzw. einem anderen nicht abwendbaren Ereignis im Sinne von § 6 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c) VOB/B auszugehen. Als Rechtsfolge wird die Ausführungsfrist verlängert um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der Stoffe zuzüglich eines angemessenen Aufschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten, § 6 Absatz 4 VOB/B. Schadens-ersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Unternehmen entstehen dadurch nicht. Umgekehrt gerät auch der Auftraggeber ggü. Folgegewerken nicht in Annahmeverzug, wenn sich deren Leistung in der Folge verschieben muss (vgl. BGH, Urteil vom 20.4.2017 – VII ZR 194/13).

IV.2 Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB
Sind die Materialien aus den eingangs genannten Produktgruppen zwar zu beschaffen, muss das Unternehmen jedoch höhere Einkaufspreise zahlen als kalkuliert, gilt folgendes:
Auftraggeber und Auftragnehmer haben den Vertrag in der Annahme geschlossen, dass sich die erforderlichen Materialien grundsätzlich beschaffen lassen und deren Preise nur den allgemeinen Unwägbarkeiten des Wirtschaftslebens unterliegen. Sie hätten den Vertrag nicht mit diesem Inhalt geschlossen, hätten sie gewusst, dass die kommenden Kriegsereignisse in der Ukraine derart unvorhersehbaren Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen würden.
Zwar weist der Bauvertrag das Materialbeschaffungsrisiko grundsätzlich der Sphäre des Unternehmens zu. Das gilt jedoch nicht in Fällen höherer Gewalt.
Insoweit sind die Ereignisse grundsätzlich geeignet, die Geschäftsgrundlage des Vertrages im Sinne von § 313 BGB zu stören.
Die daran anschließende weitere Frage, ob dem Unternehmen gleichwohl das Festhalten an den unveränderten Vertragspreisen zumutbar ist, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden. Es gibt keine feste Grenze, ab deren Überschreiten von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist. Die Rechtsprechung hat zum ebenfalls auf eine gestörte Geschäftsgrundlage abstellenden und daher vergleichbaren § 2 Absatz 7 VOB/B (Änderungen im Pauschalvertrag) in einzelnen Entscheidungen Werte zwischen 10 und 29 Prozent Mengen- bzw. Preissteigerung an-genommen, bei denen von einer Unzumutbarkeit auszugehen war. Ähnlich uneinheitlich ist das Meinungsbild in der baurechtlichen Literatur, die Angaben bewegen sich zwischen 20 und 25 Prozent, teilweise aber auch bereits bei 15 Prozent Kostensteigerung (vgl. Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, Rn. 66 f.; BeckOK VOB/B, Rn. 34).
Dabei ist nicht auf die einzelne Position, sondern auf eine Gesamtbetrachtung des Vertrages ab-zustellen. Je geringer der Anteil einer betroffenen Position am Gesamtauftragsvolumen ist, desto höher wird die anzusetzende Schwelle sein. In die Betrachtung sind bereits geschlossene Nachtragsvereinbarungen und bereits vorliegende oder angekündigte Nachtragsangebote einzubeziehen. Eine ohne Vertragsanpassung drohende Insolvenz des Unternehmens ist einerseits zwar nicht Voraussetzung, andererseits genügt es nicht, wenn die höheren Materialpreise den kalkulierten Gewinn aufzehren (die insoweit stellenweise angeführte Entscheidung des BGH aus 2011 (Urteil vom 30.06.2011, AZ VII ZR 13/10) betraf einen Einzelfall, bei dem irreführende Angaben des Auftraggebers in der Leistungsbeschreibung zu einer Fehlkalkulation des Unternehmens bei-getragen haben; sie ist nicht verallgemeinerungsfähig).
Wenn nach dieser Prüfung von einer gestörten Geschäftsgrundlage auszugehen ist, hat das Unternehmen einen Anspruch auf Anpassung der Preise für die betroffenen Positionen. Das bedeutet nicht, dass der Auftraggeber sämtliche die Kalkulation übersteigenden Kosten trägt. Die Höhe der Vertragsanpassung ist im Einzelfall festzusetzen, wobei die o.g. Gesichtspunkte der Zumutbarkeit erneut zu berücksichtigen sind. Eine Übernahme von mehr als der Hälfte der Mehrkosten wird jedenfalls regelmäßig unangemessen sein. Grundlage der Anpassung sind die reinen Materialpreise. Die Zuschläge für BGK, AGK, Wagnis und Gewinn bleiben unberücksichtigt.
Ich weise vorsorglich darauf hin, dass, sollte die Zumutbarkeit durch die Preisanpassung nicht wiederhergestellt werden können, dem Unternehmen nach § 313 Absatz 3 BGB ein Rücktrittsrecht vom Vertrag bzw. ein Sonderkündigungsrecht zusteht. Das bedeutet nicht, dass den Forderungen der Unternehmen in vollem Umfang Rechnung getragen werden muss. Das Risiko einer insoweit unberechtigten Kündigung trägt das Unternehmen.

IV.3 Veränderung von Verträgen, § 58 BHO
Der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass Verträge zum Nachteil des Bundes und zu Gunsten der Unternehmen auch unterhalb der Schwelle der gestörten Geschäftsgrundlage geändert werden können, vgl. Nummer 1.1 VV zu § 58 BHO.
Der Begriff des „Nachteils“ erlaubt es, nicht allein auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens abstellen zu müssen, sondern in eine Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile für die Baumaßnahme eintreten zu können. Ergibt diese Gesamtabwägung beispielsweise, dass eine Anpassung von Preisen den termingerechten Fortgang der Baumaßnahmen fördert, Auseinandersetzungen an anderer Stelle vermeidet, Verwaltungsaufwand und Folgekosten (etwa durch längere Nutzung eines Ersatzmietobjekts) erspart, mag bereits kein Nachteil im wirtschaftlichen Sinne vorliegen.
Nur wenn nach dieser Abwägung dem Bund ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen würde, kommt es auf die Frage an, ob ein besonders begründeter Ausnahmefall vorliegt, weil das Unter-nehmen unbillig benachteiligt ist, da sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse bei Vertragserfüllung infolge ihm nicht zuzurechnender Umstände erheblich verschlechtern würden (siehe VV Nummer 1.4 zu § 58 BHO). Insoweit übertrage ich meine Entscheidungsbefugnisse auf die Fachaufsicht führende Ebene. Sollte ein besonders begründeter Ausnahmefall festgestellt werden und Verträge angepasst werden, bedarf es ab einem Betrag von 125.000 Euro (Höhe des Nachteils des Bundes) der Zustimmung des BMF, die über mich einzuholen wäre. Ergibt die Gesamtabwägung der Umstände bereits keinen Nachteil (s.o.), bedarf es einer solchen Zustimmung nicht.

IV.4 Nachweis durch die Unternehmen
Eine Preisanpassung muss das Unternehmen beantragen. Begehrt das Unternehmen eine Preisanpassung, sei es nach § 313 BGB, sei es nach § 58 BHO, ist es für die Darlegung der Voraussetzungen vollständig in der Pflicht. Insoweit ist beispielsweise zu verlangen:

  • Urkalkulation/Preisblätter
  • Nachweis der tatsächlichen Einkaufskosten und Versicherung des Unternehmens, dass etwaige Rückvergütungen oder Nachlässe des Baustofflieferanten o.ä. abgezogen sind
  • Nachweis der Marküblichkeit der tatsächlichen Einkaufspreise durch Vorlage von Vergleichsangeboten


    IV.5 Nachträgliche Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel
    Nach Prüfung der Unterlagen und in der Gesamtabwägung des Einzelfalls nach Ziffer IV.2 bzw. IV.3 kann auch die nachträgliche Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel in einen bestehenden Vertrag in Frage kommen. Dabei ist folgendes zu beachten: Eine nachträgliche Vereinbarung kommt nur in Betracht für solche Verträge, bei denen bisher höchstens die Hälfte der Leistungen aus den o.g. Produktgruppen ausgeführt wurde. Preisgleitung kommt dabei nur für noch nicht erbrachte Leistungsteile in Betracht. Für die betroffenen Positionen ist eine GP-Nummer festzulegen, der Abrechnungszeitpunkt (s. Formblatt 225) zu bestimmen und der Basiswert 2 in Höhe des Materialanteils der jeweiligen Position aus dem Angebot des Auftragnehmers festzulegen. Die Fortschreibung auf den Basiswert 3 erfolgt über die Indizes des statistischen Bundesamtes auf die gewohnte Weise. Für die Ermittlung der Mehr-/Minderaufwendungen ist die Differenz aus Basiswert 3 und Basiswert 2 mit der ausgeführten Menge zu multiplizieren. Anstelle der im Formblatt 225 festgelegten Selbstbeteiligung von 10 Prozent ist mit dem Auftragnehmer eine Selbstbeteiligung in Höhe von 20 Prozent zu vereinbaren.

Die nachträgliche Vereinbarung erstreckt sich auf alle noch nicht erbrachten Teilleistungen, deren Ausführung in die Laufzeit des Erlasses fällt.

IV.6 Auftragsänderung, § 132 GWB bzw. § 22 EU VOB/A
Eine etwaige Preisanpassung im bestehenden Vertrag berührt den Anwendungsbereich des § 132 GWB. Hier gilt folgendes.
Nach § 132 Absatz 1 Nummer 2 GWB liegt eine wesentliche Auftragsänderung u.a. insbesondere dann vor, wenn mit der Änderung das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Auftrags zugunsten des Auftragnehmers in einer Weise verschoben wird, die im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehen war. Nach dem Vorgesagten dient § 313 BGB gerade dazu, das ursprüngliche wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages wiederherzustellen. Es wird nicht zugunsten des Auftragsnehmers verschoben. Insoweit ist im Umkehrschluss regelmäßig bereits nicht von einer wesentlichen Auftragsänderung auszugehen.
Sollte – hilfsweise – gleichwohl eine wesentliche Vertragsänderung anzunehmen sein, so ist eine solche ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, soweit die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte, und sich aufgrund der Änderung der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert (§ 132 Absatz 2 Nummer 3 GWB).
Davon ist auszugehen, da die Kriegsereignisse in der Ukraine und ihre Folgen für den Auftraggeber in gleicher Weise unvorhersehbar waren wie für den Auftragnehmer.
Der Preis darf in diesem Fall nicht um mehr als 50 Prozent des Wertes des ursprünglichen Auftrags erhöht werden. Eine solche Vertragsänderung wäre im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt zu machen.

Schließlich ist – ebenfalls hilfsweise – die Änderung eines öffentlichen Auftrags zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderung (Summe aller Auftragsänderungen) den europäischen Schwellenwert nicht übersteigt und nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt. In diesem Fall bedarf es auch keiner Bekanntmachung der Änderung.

Ich bitte um Bericht, sollte eine etwaige Preisanpassung vergaberechtlich angegriffen werden.

V. Inkrafttreten
Die Regelungen treten mit sofortiger Wirkung in Kraft und sind befristet bis 30. Juni 2022.

Im Auftrag
gez.
i.V. Lothar Fehn Krestas

Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 9611 vergabe- und vertragsrechtlich sauber implementieren

Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 9611 vergabe- und vertragsrechtlich sauber implementieren

von Thomas Ax

Die Eignungsprüfung durch den RAL-Güteausschuss in Zusammenarbeit mit den beauftragten Prüfingenieuren erspart Auftraggebern und Auftragnehmern aufwendige Einzelprüfungen bzw. -nachweise. 
Aufgabe der Gütegemeinschaft Kanalbau ist die regelmäßige Prüfung, ob Antragsteller bzw. Gütezeicheninhaber die Anforderungen der Güte- und Prüfbestimmungen erfüllen. Unternehmen, die den Nachweis erbracht haben und in der Folge kontinuierlich erbringen, weisen dies über das RAL-Gütezeichen Kanalbau aus. Der konkrete Ausführungsbereich, für den die Qualifikation nachgewiesen ist, wird durch Nennung der Beurteilungsgruppe unterhalb des Gütezeichens ausgewiesen. 

Antragsteller weisen in einer Qualifikationsprüfung gegenüber dem Güteausschuss der Gütegemeinschaft nach, dass sie die Anforderungen RAL-GZ 961 erfüllen. Einer der vom Güteausschuss beauftragten Prüfingenieure unterstützt die Antragsteller bei der Nachweisführung und führt hierzu mindestens einen Firmen- und Baustellenbesuch durch. 
Sind alle Anforderungen erfüllt, erstellt der Prüfingenieur entsprechende Berichte zu den Besuchen und der Vorstand der Gütegemeinschaft verleiht auf Empfehlung des Güteausschusses der Gütegemeinschaft das Gütezeichen Kanalbau. 

Nach Verleihung des Gütezeichens melden Gütezeicheninhaber ihre Baustellen über den Login-Bereich und weisen so kontinuierlich ihre Erfahrung im Ausführungsbereich nach und ermöglichen damit gleichzeitig die Durchführung der Baustellenbesuche durch die vom Güteausschuss beauftragten Prüfingenieure. 

Darüber hinaus wird nach Gütezeichenverleihung die Erfüllung der Anforderungen an die Eigenüberwachung und die Einhaltung der weiteren Güte- und Prüfbestimmungen in regelmäßigen Firmenbesuchen geprüft. Firmenbesuche erfolgen situationsabhängig, mindestens aber: 

1 Firmenbesuch alle 2 Jahre in den Beurteilungsgruppen AK3, AK2, AK1, VP, VM, VMD, VO und VOD.

1 Firmenbesuch pro Jahr in den Beurteilungsgruppen S..,I, R, D, ABAK, ABV und ABS.

Detaillierte Bestimmungen für die Verleihung und Führung des Gütezeichens

– Durchführungsbestimmungen für die Verleihung und Führung des Gütezeichens 
– Gütezeichensatzung (Markensatzung im Sinne des § 102 Absatz 2 Markengesetz)

In der Bekanntmachung muss ergänzt werden:

Nachweis zur Eignung des Unternehmens (Nachweis nach §6a Abs.3 VOB/A)

Bieter müssen mit Angebotsabgabe die fachliche Qualifikation (Fachkunde, technische Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit der technischen Vertragserfüllung) nachweisen. Die Anforderungen der vom Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. herausgegebenen Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 9611) – Beurteilungsgruppe*) “…” sind zu erfüllen und mit Angebotsabgabe nachzuweisen.

Der Nachweis gilt als erbracht, wenn der Bieter die Erfüllung der Anforderungen und die Gütesicherung des Unternehmens nach Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 mit dem Besitz des entsprechenden RAL-Gütezeichens Kanalbau für die geforderte(n) Beurteilungsgruppe(n) nachweist.

Der Nachweis gilt als gleichwertig erbracht, wenn der Bieter die Erfüllung der Anforderungen durch eine Prüfung, welche inhaltlich den Anforderungen der Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 961 Abschnitt 4.1 für die geforderte(n) Beurteilungsgruppe(n) entspricht, mit einem Prüfbericht nachweist. Der Prüfbericht muss die Erfüllung der gestellten Anforderungen nachvollziehbar belegen. Mit dem Prüfbericht sind vorzulegen: Angaben zur Personalausstattung mit Aus- und Weiterbildungsnachweisen / Angaben zur Betriebs- und Geräteausstattung / Angaben zu den in den letzten drei Jahren durchgeführten vergleichbaren Projekten / Muster der Dokumentation der Eigenüberwachung (Sanierungshandbuch bei Gruppe S).

1) Die Anforderungen sind aufrufbar unter:
http://kanalbau.com/de/bietereignung/guete-pruefbestimmungen.html
bzw. zu beziehen über: http://beuth.de – Stichwort-Suche: „RAL-GZ 961“.

Kennzeichnung S-Systeme RAL-GZ 961 siehe
http://kanalbau.com/tl_files/kanalbau/upload/pdf/infoschrift/einteilung_s-systeme.pdf

Weitere Hinweise zur Formulierung durch die Vergabestelle

*) Nachfolgend sind von der Vergabestelle der/die vorgesehene(n) Ausführungsbereich(e)/geforderte(n) Beurteilungsgruppe(n) einzutragen: 

AK1

AK1 oder AK2 mit Angabe der Ausführung von Leistungen in den letzten drei Geschäftsjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind.

AK2

AK2 oder AK3 mit Angabe der Ausführung von Leistungen in den letzten drei Geschäftsjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind.

VOD – VO – VMD – VM – VP – I – R – D

S.. (hier Angabe der vorgesehenen Sanierungsgruppe(n) (z.B. S21; S27) oder der System Kurzbezeichnung(en) (z.B. S21.1; S27.2). Definition der Ausführungsbereiche und Anforderungen der Beurteilungsgruppen: Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961, Abschnitt 3 – Kennzeichnung S-Systeme.

Sie müssen folgende Ergänzende Teilnahmebedingungen verwenden:

Beiblatt (aus Einheitliche Formularblätter VHB EFB Teil 5)
EFB 212 Ergänzende Teilnahmebedingungen
Nachweis zur Eignung des Unternehmens (Nachweis nach § 6a Abs. 3 VOB/A)
Bieter müssen mit Angebotsabgabe die fachliche Qualifikation (Fachkunde, technische
Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit der technischen Vertragserfüllung) nachweisen. Die
Anforderungen der vom Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.
herausgegebenen Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961*) sind für die nachstehend
angegebene(n) Beurteilungsgruppe(n) zu erfüllen und mit Angebotsabgabe nachzuweisen:
AK1
AK1 oder AK2 mit Angabe der Ausführung von Leistungen in
den letzten 3 Geschäftsjahren, die mit der zu
vergebenden Leistung vergleichbar sind.
AK2
AK2 oder AK3 mit Angabe der Ausführung von Leistungen in
den letzten 3 Geschäftsjahren, die mit der zu
vergebenden Leistung vergleichbar sind.
AK3
VOD VO VMD VM VP
I R D
S-System(e) ____________________________________________________________ **)
Der Nachweis gilt als erbracht, wenn der Bieter die Erfüllung der Anforderungen und die
Gütesicherung des Unternehmens mit dem Besitz des entsprechenden RAL-Gütezeichens Kanalbau
für die geforderte(n) Beurteilungsgruppe(n) nachweist.
Der Nachweis gilt als gleichwertig erbracht, wenn der Bieter die Erfüllung der Anforderungen durch
eine Prüfung, welche inhaltlich den Anforderungen der Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 961
Abschnitt 4.1 für die geforderte(n) Beurteilungsgruppe(n) entspricht, mit einem Prüfbericht nachweist.
Der Prüfbericht muss die Erfüllung der gestellten Anforderungen nachvollziehbar belegen. Mit dem
Prüfbericht sind vorzulegen: Angaben zur Personalausstattung mit Aus- und Weiterbildungs-
nachweisen / Angaben zur Betriebs- und Geräteausstattung / Angaben zu den in den letzten drei
Jahren durchgeführten vergleichbaren Projekten / Muster der Dokumentation der Eigenüberwachung.
*) Die Anforderungen sind aufrufbar unter:
http://kanalbau.com/de/bietereignung/guete-pruefbestimmungen.html
bzw. zu beziehen über: http://beuth.de – Stichwort-Suche: „RAL-GZ 961“.
**) Kennzeichnung S-Systeme RAL-GZ 961 siehe
http://kanalbau.com/tl_files/kanalbau/upload/pdf/infoschrift/einteilung_s-systeme.pdf
Anforderungen an die Nachunternehmer
Nachunternehmer für die Durchführung von Tätigkeiten, die unter die in angegebene(n)
Beurteilungsgruppe(n) oder eine andere Beurteilungsgruppe nach RAL-GZ 961 fallen, müssen die
zugehörigen Anforderungen der Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 961 entsprechend
erfüllen und vor Beauftragung durch den Bieter / durch den AN gegenüber dem AG nachweisen.
“Ende der Ergänzenden Teilnahmebedingungen“

Sie müssen folgende Weitere Besondere Vertragsbedingungen verwenden:

Beiblatt (aus Einheitliche Formularblätter VHB EFB Teil 5)
EFB 214 Weitere Besondere Vertragsbedingungen
Gütesicherung der Ausführung nach RAL-GZ 961
Sicherstellung der Qualifikation
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die mit Angebotsabgabe nachgewiesene fachliche Qualifikation
des Unternehmens entsprechend RAL-GZ 961 (Fachkunde, technische Leistungsfähigkeit,
Zuverlässigkeit der technischen Vertragserfüllung) und Gütesicherung des Unternehmens während
der Ausführung der Werkleistung sicherzustellen und zu erfüllen.
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, während der Ausführung der Werkleistung projektbegleitend
die zugehörige “Eigenüberwachung” entsprechend RAL-GZ 961 Abschnitt 4.2 durchzuführen.
Übergabe Nachweis zur Gütesicherung (in Kopie an AG)
Der Nachweis auf Abschluss einer externen Gütesicherung des Unternehmens für die Dauer der
beauftragten Werkleistung (in Form eines Gütesicherungsvertrages über die Durchführung der
Gütesicherung und der damit verbundenen regelmäßigen Überprüfung des Unternehmens durch eine,
der vom AG anerkannten, Prüfstellen) bzw. alternativ der Nachweis über die Gültigkeit der
bestehenden RAL-Gütesicherung (in Form der Beurkundung) ist nach Auftragserteilung dem
Auftraggeber auf Verlangen innerhalb von 6 Kalendertagen vorzulegen und zu übergeben.
Übergabe des / der Verfahrenshandbuchs / Verfahrenshandbücher an den AG
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, das/die Grundmuster seiner Dokumentation zur
Eigenüberwachung (mit Angabe der SOLL-IST-Werte zu den eingesetzten Materialien und
Verfahren) zu dem/den unter angegebenen S-
System(en) zum Projektstartgespräch dem AG zu übergeben und für die Dauer des
Bauverfahrens zu überlassen.
Eigenüberwachung und Überprüfung des Unternehmens
Die Eigenüberwachungsunterlagen entsprechend Leitfaden für die Eigenüberwachung nach
RAL-GZ 961 sind dem Auftraggeber auf Verlangen vorzulegen und zu übergeben.
Baustellenmeldungen
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, nach Zuschlagserteilung zeitgleich mit der jeweiligen
Meldung der Baustellen den Auftraggeber über die Abgabe der Meldung der Baustelle zu
unterrichten (Kopie an den Auftraggeber).
Baustellenbesuche nach Güte- und Prüfbestimmungen
Satzungsgemäß durchgeführte und den konkreten Auftrag betreffende Prüfberichte
entsprechend RAL-GZ 961 sind dem Auftraggeber auf Verlangen vorzulegen und zu
übergeben.
“Ende der Weiteren Besonderen Vertragsbedingungen“

Dauerbrenner Prüfung der Preisbildung. Wann? Wie? Wann ist eine Aufklärung zufriedenstellend?

Dauerbrenner Prüfung der Preisbildung. Wann? Wie? Wann ist eine Aufklärung zufriedenstellend?

von Thomas Ax

Auf ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis darf gemäß § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Norm dient der Umsetzung des Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU. Hierzu hat der öffentliche Auftraggeber eine Aufklärung zu veranlassen und auf der Basis der vom Bieter erteilten Auskünfte zu entscheiden, ob dieser in der Lage ist, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen (vgl. Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, VOB/A-EU § 16d, Rn. 6).

VK Bund, Beschluss vom 15.11.2021, VK 1-112/21

Nach dem Wortlaut des Art. 69 Abs. 3 1. Absatz Satz 2 RL 2014/24/EU kann der Auftraggeber ein Angebot nur dann ablehnen, wenn die beigebrachten Nachweise das niedrige Niveau des vorgeschlagenen Preises beziehungsweise der Kosten unter Berücksichtigung der in Art. 69 Abs. 2 RL 2014/24/EU genannten Faktoren nicht zufriedenstellend erklären. Dem Auftraggeber wird bei dieser Entscheidung ein rechtlich gebundenes Ermessen, auf das sich grundsätzlich auch die anderen Teilnehmer am Vergabeverfahren berufen können, eingeräumt. Die Ablehnung des Zuschlags ist grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten an der Auskömmlichkeit des Angebots des betreffenden Bieters nicht zufriedenstellend aufklären kann (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16).
VK Bund, Beschluss vom 15.11.2021, VK 1-112/21

Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, in eine Preisprüfung einzutreten, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten aber auch aus Erfahrungswerten, insbesondere aus Erkenntnissen aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen oder aus einem Vergleich mit der eigenen Auftragswertschätzung des Auftraggebers ergeben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Mai 2020 – Verg 26/19). Der öffentliche Auftraggeber ist jedenfalls dann verpflichtet, in die Prüfung der Preisbildung einzutreten, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mehr als 20 % beträgt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2019 – Verg 10/19).

VK Bund, Beschluss vom 15.11.2021, VK 1-112/21

Der öffentliche Auftraggeber hat mittels der in § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 VOB/A vorgeschriebenen Aufklärung dem betreffenden Bieter die Möglichkeit zu geben, den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zu entkräften oder hinreichende Gründe aufzuzeigen, dass sein Angebot annahmefähig ist. Dafür hat er an den Bieter eine eindeutig formulierte Anforderung zu richten, mit der er Erläuterungen zu den angebotenen Preisen verlangt und Gelegenheit gibt, die Seriosität des Angebots nachzuweisen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Mai 2020 – Verg 26/19 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 29. März 2012, Rs. C-599/10). Die Prüfung muss einerseits darauf gerichtet sein, eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für die zu treffende Entscheidung zu schaffen. Wegen des Interesses nicht nur des öffentlichen Auftraggebers, sondern auch der Allgemeinheit an einer zügigen Umsetzung von Beschaffungsabsichten und einem raschen Abschluss von Vergabeverfahren sowie wegen der begrenzten Ressourcen und Möglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers sind jedoch seiner Überprüfungspflicht durch den Grundsatz der Zumutbarkeit Grenzen gesetzt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2019 – Verg 10/19).
VK Bund, Beschluss vom 15.11.2021, VK 1-112/21

Eine Aufklärung ist nicht zufriedenstellend, wenn sie trotz pflichtgemäßer Anstrengung des öffentlichen Auftraggebers keine gesicherte Tatsachengrundlage für die Feststellung bietet, das Angebot sei entweder angemessen oder der Bieter sei im Falle eines Unterkostenangebots wettbewerbskonform in der Lage, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen (vgl. grundsätzlich VK Bund, Beschluss vom 12. Juli 2019, VK 1-35/19). Die Aufklärung betrifft neben rechnerischen Unklarheiten auch alle preisrelevanten inhaltlichen Aspekte des Angebots (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 18. September 2019 – Verg 10/19 und 29. Mai 2020 – Verg 26/19). Eine ordnungsgemäße Aufklärung nach erfolgter Vorlage der Unterlagen über die Preisermittlung erfordert zudem eine konkrete Auseinandersetzung mit den Angaben des Bieters im Sinne einer Überprüfung. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der zugrunde liegenden Normen (§ 16d EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 VOB/A: „prüft der öffentliche Auftraggeber die betreffende Zusammensetzung und berücksichtigt dabei die gelieferten Nachweise“; Art. 69 Abs. 3, 1. Absatz Satz 1 RL 2014/24/EU: „Der öffentliche Auftraggeber bewertet die beigebrachten Informationen mittels einer Rücksprache mit dem Bieter“). Unter Umständen kann in Folge der zunächst gewonnenen Prüfungsergebnisse eine ergänzende Aufklärung in Betracht kommen.
VK Bund, Beschluss vom 15.11.2021, VK 1-112/21

Zwar kann der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag erteilen, wenn der Bieter mit einem Unterkostenangebot wettbewerbskonforme Ziele verfolgt und er nachweisen kann, trotz Unauskömmlichkeit den Auftrag zu erfüllen. Die Entscheidung darüber prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse.

VK Bund, Beschluss vom 15.11.2021, VK 1-112/21

Vorsicht: Kreatives Pauschalpreisnebenangebot nicht unbedingt richtige Handlungsalternative

Vorsicht: Kreatives Pauschalpreisnebenangebot nicht unbedingt richtige Handlungsalternative

von Thomas Ax

Da gemäß § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2019 Nebenangebote bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte nur dann gewertet werden können, wenn sie vom Auftraggeber ausdrücklich zugelassen worden sind, muss sich aus den Ausschreibungsbedingungen unter dem maßgeblichen Blickwinkel eines verständigen und sachkundigen Bieters hinreichend klar ergeben, ob und wenn ja, in welchem Umfang der Auftraggeber Nebenangebote zugelassen hat.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Die Abgabe eines Pauschalpreisnebenangebots ist nicht zulässig, wenn der beabsichtigte Bauvertrag ersichtlich als Einheitspreisvertrag konzipiert war und wenn der Auftraggeber in der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (unter Verwendung des Formblatts 211 – EU) lediglich für einzelne Titel technische Nebenangebote, z. B. in Form eines alternativen Bauverfahrens, zugelassen und insoweit formale und qualitative Mindestanforderungen an die technische Ausführung gestellt hat.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Nach der hier maßgeblichen Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 VOB/A-EU können Nebenangebote bei der Vergabe von Bauaufträgen oberhalb der Schwellenwerte nur dann gewertet werden, wenn sie vom Auftraggeber ausdrücklich zugelassen worden sind. Die Vorschrift folgt einem völlig anderen Regelungsmechanismus, wie er für den Unterschwellenbereich im ersten Abschnitt der VOB/A gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A vorgeschrieben ist. Während der Auftraggeber dort angeben muss, ob er Nebenangebote nicht oder nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässt (andernfalls sie vom Bieter abgegeben werden durften und gewertet werden müssen), kann der Bieter hier nur dann auf eine Wertung seiner Nebenangebote hoffen, wenn der Auftraggeber Nebenangebote entweder uneingeschränkt oder eingeschränkt für den vom Bieter angebotenen Bereich ausdrücklich zugelassen hat (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 12 zu § 8 VOB/A-EU).
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Ein Nebenangebot liegt vor, wenn ein Bieter eine von den Vertragsunterlagen abweichende Art der Leistung anbietet, unabhängig von dem Umfang und dem Gegenstand der Änderung. Eine Abweichung kann daher in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht erfolgen (Kapellmann/Messerschmidt-von Rintelen, aaO., Rn 54 zu § 8 VOB/A; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.11.2011 – Verg 22/11, OLG Jena, Beschluss vom 21.9.2009 – 9 Verg 7/09). Ein technisches Nebenangebot enthält eine abweichende Lösung von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen. Rechtliche Abweichungen betreffen in der Regel den Inhalt des Bauvertrags. Ein wirtschaftliches oder kaufmännisches Nebenangebot liegt beispielsweise im Angebot einer abweichenden Vergütungsform oder im Angebot bestimmter Preisnachlässe unter bestimmten Bedingungen, wie der Beauftragung mehrerer Lose (vgl. dazu Liebschwager in: Burgi/Dreher Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., Rn 8 zu § 35 VgV).
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Der Auftraggeber kann bei der Zulassung von Nebenangeboten differenzieren, z.B. nur technische oder nur kaufmännische Nebenangebote zulassen bzw. diese auf bestimmte Teile der Leistung beschränken. Dies wird auch durch § 8 Abs. 2 Nr. 3 lit a) und b) VOB/A-EU verdeutlicht, wenn dort vorgeschrieben ist, dass der Auftraggeber anzugeben hat, in welcher Art und Weise Nebenangebote einzureichen sind und wenn ihm vorgeschrieben wird, Mindestbedingungen an Nebenangebote zu stellen.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Der Erklärungswert von Vergabeunterlagen richtet sich nicht nach dem subjektiven Verständnis des Antragstellers eines Nachprüfungsverfahrens, sondern nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, so dass der Senat die Unterlagen aus der Sicht eines verständigen, mit der Materie vertrauten Bieters auslegen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.6.2008 – X ZR 78/07 – Nachunternehmererklärung).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Es kommt darauf an, ob nach einer Gesamtschau der Vergabeunterlagen festgestellt werden kann, dass Nebenangebote ausdrücklich zugelassen waren. Maßgeblich ist in erster Linie die mit Hilfe der einschlägigen Vorlagen (Formblatt 211 EU-Hessen) bekannt gemachte „Aufforderung zur Abgabe eines Angebots“. Dieses Formblatt bietet der Vergabestelle unter Ziffer 6. die Möglichkeit, Nebenangebote entweder für die gesamte Leistung, eingeschränkt für konkret zu benennende Bereiche, grundsätzlich in weitem Umfang aber mit Ausnahme konkret benannter Bereiche und zuletzt unter konkreten weiteren Bedingungen, wie z.B. nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zuzulassen.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Mangels einer eindeutigen gesetzlichen Regelung wird der Pauschal(preis)vertrag in Abgrenzung zum Einheitspreisvertrag definiert. Während beim Einheitspreisvertrag die Vergütung immer erst nach Ausführung der Leistung feststeht, weil sie gem. § 2 Abs. 2 VOB/B aus der Multiplikation der ausgeführten Mengen mit dem jeweiligen Einheitspreis ermittelt wird, ist es beim Pauschalvertrag genau umgekehrt: Die Vergütung steht grundsätzlich schon vor der Ausführung fest, nämlich in Form einer „festen“ Summe, eben des Pauschalpreises (vgl. Kapellmann/Messerschmidt-Kapellmann, VOB-Kommentar, 7. Aufl., Rn 447 zu § 2 VOB/B).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Der vertraglichen Abrechnung nach Einheitspreisen wohnt die Tendenz inne, dass qualitativ so gebaut wird, wie es sich der Auftraggeber vorstellt. Dieser Anreiz fehlt bei einer Pauschalierung. Die damit einhergehende Gefahr, für die beiden Leistungen mehr bezahlen zu müssen, als dies nach Einheitspreisen notwendig ist, erlaubt den Ausschluss der Nebenangebote. Preislich vorteilhafter ist für den Auftraggeber eine Pauschalierung vielmehr in der Regel nur, wenn die Ersparnis in jeder denkbaren Variante einer noch vertragsgerechten Leistungserbringung größer ist, als wenn nach Einheitspreisen abgerechnet würde.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Das Angebot eines Bieters muss gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EU die im Leistungsverzeichnis bzw. den sonstigen Vergabeunterlagen zweifelsfrei geforderten Preisangaben enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis, so wie gefordert, vollständig und mit dem Betrag angegeben werden, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Dies wird damit begründet, dass ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Auswahlverfahren nur dann gewährleistet werden kann, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht vergleichbare Angebote abgegeben werden (BGH, Beschluss vom 7.1.2003, X ZR 50/01; BGH, Beschluss vom 18.5.2004, X ZB 7/04 – Mischkalkulationen). Demzufolge liegt eine unvollständige Preisangabe schon dann vor, wenn zumindest bezüglich einer einzigen Ordnungsziffer des Leistungsverzeichnisses kein Preis angegeben wird (Kapellmann/Messerschmidt-Fister aaO., Rn 28 zu § 16a EU VOB/A).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21

Rechtsprechungsreport Mein Hausbau

Rechtsprechungsreport Mein Hausbau

von Thomas Ax

Allgemeine Geschäftsbedingungen des Verkäufers einer Einbauküche: Kein Anspruch auf Vorauszahlung des gesamten Kaufpreises

Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers einer Einbauküche, wonach der Kaufpreis „zahlbar sofort ohne Abzug“ ist, benachteiligt den Käufer unangemessen und ist unwirksam (Anschluss an BGH, IBR 2013, 379). Die Verwendung einer (erkennbar) unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung ist eine Vertragspflichtverletzung. Der Käufer hat daher einen Anspruch so gestellt zu werden, als hätte der Verkäufer die unwirksame Klausel nicht verwendet.

OLG Düsseldorf, Gerichtlicher Hinweis vom 09.02.2021 – 22 U 262/20

Lieferung und Montage von Treppenlift mit individueller Laufschiene ist Werkvertrag

Ein Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts mit einer individuell erstellten, an die Wohnverhältnisse des Kunden angepassten Laufschiene ist ein Werkvertrag. Wird ein solcher Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen mit einem Verbraucher geschlossen, steht diesem ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu, weil der in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgesehene Ausschluss dieses Rechts Werkverträge nicht erfasst. Die werbliche Angabe eines Anbieters von Treppenliften, im Falle eines Kurventreppenlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, begründet Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die Pflicht zur Information über das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB gem. § 312d Abs. 1 und Art. 246a Abs. 2 Nr. 1 EGBGB.

BGH, Urteil vom 20.10.2021 – I ZR 96/20

Vertragsschluss geht Ortstermin voraus: Kein Fernabsatzvertrag, kein Widerruf

Haben die Parteien einen Vertrag über Gartenbauarbeiten durch schriftliches Angebot des Unternehmers und telefonische Annahme des Kunden geschlossen, ist dem Vertrag zur Vorbereitung des Angebots aber ein gemeinsamer Ortstermin vorangegangen, ist er nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen. Gibt der Unternehmer Angebote regelmäßig erst nach vorhergehendem Ortstermin ab, so ist sein Geschäftsbetrieb auch nicht auf den Fernabsatz ausgerichtet. In diesen Fällen liegt kein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB vor.

OLG Schleswig, Urteil vom 15.10.2021 – 1 U 122/20

Keine Arbeiter auf der Baustelle: Auftraggeber kann kündigen

Eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung ist dann nicht erforderlich, wenn sich das Verhalten des Auftragnehmers als schwere Vertragsverletzung darstellt. Das Setzen von Einzelfristen ist dann zulässig, wenn die rechtzeitige Erfüllung des Bauvertrags ernsthaft in Frage steht und dem Auftraggeber ein weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist.

OLG Celle, Urteil vom 29.09.2021 – 14 U 149/20

Auftraggeber muss die Ursache von Feuchtigkeitsschäden beweisen

Behauptet der Auftraggeber, der Auftragnehmer habe bei den Arbeiten zur Anbringung einer abgehängten Decke die Dampfsperre vielfach durchbohrt, so dass es zu Feuchtigkeitserscheinungen gekommen sei, muss er das darlegen und gegebenenfalls beweisen. Stehen nur zwei Durchbohrungen fest und reichen diese zur Verursachung des aufgetretenen Schadens nicht aus, ist der Beweis, dass die Feuchtigkeitserscheinungen auf mangelhafte Leistung des Auftragnehmers zurückzuführen sind, nicht geführt.

OLG Frankfurt, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 219/19

Lieferung und Montage von Standardtüren und -zargen: Kaufrecht

Ein Vertrag über die Lieferung und Montage von Standardtüren und -zargen ist ein Werklieferungsvertrag mit der Folge, dass Kaufrecht anzuwenden ist. Etwas anderes gilt nicht aufgrund des Einbezugs der VOB/B. Die Parteien haben kein Wahlrecht zwischen Werkvertragsrecht und Kaufrecht. Die Folge ist, dass § 377 HGB gilt.

LG Frankenthal, Beschluss vom 02.09.2021 – 8 O 162/20

Entsorgung des im Erdreich enthaltenen Mülls: Geänderte Leistung

Hat der Auftragnehmer nach dem Leistungsverzeichnis als Material Boden und Fels abzutragen und zu verwerten, stellt das Separieren und Entsorgen des im Erdreich enthaltenen Mülls keine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B, sondern eine geänderte Leistung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B dar. Der Auftragnehmer muss seinen Mehrvergütungsanspruch deshalb nicht vor der Ausführung ankündigen.

Die Ankündigung eines Anspruchs auf zusätzliche Vergütung (§ 2 Abs. 6 VOB/B) bedarf es nicht, wenn sie für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich ist. Ein Verlust des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers nach unterbliebener Mehrkostenankündigung ist nicht angezeigt, wenn der Auftraggeber bei der Forderung der Leistung von ihrer Entgeltlichkeit ausging oder ausgehen musste oder wenn ihm nach Lage der Dinge keine Alternative zur sofortigen Ausführung der Leistung durch den Auftragnehmer blieb.

OLG Hamm, Urteil vom 27.03.2019 – 12 U 66/17

Defekte Kabeltrommel verwendet: Auftragnehmer haftet für Brandschaden

Auf einem Baustellenbetrieb ist eine Beschädigung der Isolation des Kabels einer Kabeltrommel regelmäßig zu erwarten. Die Beschädigung der Isolation des Kabels einer angesteckten Kabeltrommel kann zum Aufbau eines Fehlerstroms und als Folge zu einem Brandausbruch führen. Kommt als Ursache eines Brandausbruchs nur eine Schadensursache aus dem Obhuts- und Gefahrenbereichs des Auftragnehmers in Betracht, muss er – wenn er sich gegen die Inanspruchnahme auf Schadensersatz zur Wehr setzt – den Beweis führen, dass die Brandauslösung nicht auf sein pflichtwidriges Verhalten oder ein solches seines Personal zurückzuführen ist.

OLG München, Beschluss vom 10.12.2019 – 28 U 4069/19 Bau

Abnahme der Leistung durch den Rechtsanwalt des Auftraggebers

Wird in dem Schreiben eines vom Auftraggeber beauftragten Rechtsanwalts auf eine Mahnung des Auftragnehmers zur Zahlung des Werklohns die Bereitschaft zur Begleichung der Forderung zum Ausdruck gebracht, ohne dass dies von vorausgehenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen abhängig gemacht wird, ist darin die Billigung der Leistung als vertragsgemäß und somit die Abnahme der Leistung des Auftragnehmers zu sehen.

OLG München, Urteil vom 14.12.2020 – 3 U 3130/20

Großbauvorhaben sind (vergaberechtlich) nicht besonders dringlich

Großbauvorhaben sind (vergaberechtlich) nicht besonders dringlich

von Thomas Ax

Bei einem Großvorhaben im Baubereich, das sich noch in der Anfangsphase befindet, lässt sich die Gestattung eines vorzeitigen Zuschlags nicht auf finanzielle Einbußen stützen, welche im Falle einer hinausgeschobenen Fertigstellung frühestens in einigen Jahren zu erwarten wären, wenn die Möglichkeit der zwischenzeitlichen Kompensierung von Verzögerungen, die durch das anhängige Nachprüfungsverfahren eintreten, im weiteren Bauverlauf nicht ausgeschlossen ist.
Ebenso wenig kann für eine erhöhte Dringlichkeit der vorzeitigen Zuschlagserteilung die Dauer eines bereits vorangegangenen Vergabeverfahrens angeführt werden, weil ansonsten die Verzögerungen, welche durch die Dauer des Nachprüfungsverfahrens zu einer ersten Teilausschreibung für das Gesamtbauvorhaben verursacht wurden, den vorzeitigen Zuschlag ebenso bei allen noch ausstehenden Vergaben weiterer Leistungen bedingten und die §§ 155 ff. GWB für das restliche Projekt leer liefen.
OLG Rostock, Beschluss vom 16.09.2021 – 17 Verg 7/21

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