Ax Vergaberecht

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Vorstellung sowie rechtliche Einordnung topaktueller Entscheidungen der Vergabekammer des Bundes und des Vergabesenats des OLG Düsseldorf.

Vorstellung sowie rechtliche Einordnung topaktueller Entscheidungen der Vergabekammer des Bundes und des Vergabesenats des OLG Düsseldorf.

Sehr geehrte Damen und Herren,

anliegend gerne und mit der Bitte um Kenntnisname und Prüfung ein ausgereifter Vorschlag für den möglichen Inhalt einer topaktuellen Inhouse-Schulung zu einem topaktuellen Thema/ Themenkomplex:

Vorstellung sowie rechtliche Einordnung topaktueller Entscheidungen der Vergabekammer des Bundes und des Vergabesenats des OLG Düsseldorf.

Schulungsleiter ist der Unterzeichner.
Termine können im Januar geplant werden. Terminvorschläge sind bspw 13./14. oder 20./21.01.25..
Dauer jeweils 90 min plus 30 min Diskussion.
Als Teams oder in Präsenz.
Teilnehmerzahl bis 10 Personen.
Preis 400 Euro zzgl MWSt.. als Teams/ in Präsenz. In Präsenz zzgl Reisekosten.

Haben Sie Interesse?
Sprechen Sie uns gerne an.

Ausschreibung der Versorgung von Teilnehmenden einer Großveranstaltung mit Frühstück

Ausschreibung der Versorgung von Teilnehmenden einer Großveranstaltung mit Frühstück

von Thomas Ax

Die Gemeinschaftsquartiere sind in Schulen verortet. Teilnehmende, die in den Gemeinschaftsquartieren untergebracht werden, müssen während der Veranstaltung morgens mit Frühstück versorgt werden. Betreut werden diese Schulen durch ehrenamtliche Quartierteams, welche die Frühstücksausgabe in den Schulen übernehmen und als Ansprechpartner:innen fungieren.

Wir schlagen folgende Zuschlagskriterien vor:

Zuschlagskriterium
Durchführungskonzept
Das Durchführungskonzept muss enthalten:
Angaben zur Sicherstellung der ausgabefertigen Anlieferung und der Abholung des Frühstücks
Ablauf der täglichen Lieferung
Angabe zur Sicherstellung der hygienisch einwandfreien Lieferung und Ausgabe des Frühstücks
Angaben zur Verfahrensweise bei geändertem Bedarf (Menge zu hoch oder zu niedrig)
Angabe, wie der Austausch und die Kommunikation mit den Quartierverantwortlichen erfolgt
Angaben zum geforderten Equipment
Angaben zur Sicherstellung des Ersatzes bei Verlust
die Lebensmittelliste, welche nach Möglichkeit bereits detaillierte Informationen über die geplanten Produkte enthält
Angaben zur Rücknahme von nicht angebrochener, haltbarer Ware
Prozentuelle Darstellung des Anteils an veganen und vegetarischen Produkten sowie Angaben zum Personaleinsatz.
Die volle Punktzahl (30 Punkte) erhalten die Bieter, die alle genannten Kriterien in ihrem Konzept integrieren. Wenn mindestens 50 % der Kriterien enthalten sind werden 15 Punkte vergeben, bei weniger als 50 % erhalten die Bieter 7,5 Punkte, sind weniger Kriterien enthalten werden 0 Punkte vergeben.
Art der Gewichtung
Mindestpunktzahl
Gewichtung
30,00

Zuschlagskriterium
Regionalität
Die Regionalität der Lebensmittel macht 40 % der Bewertung aus. Bewertet wird dabei sowohl der Ursprungsort der Produktzutat sowie der Ort der Verarbeitung in Bezug auf die Entfernung zu …. Dafür muss für die zehn unterschiedlichen Lebensmittel jeweils die Postleitzahl des Ursprungsortes angegeben werden, der am weitesten von … entfernt ist. Außerdem wird die Postleitzahl des Ortes, an dem die Produkte verarbeitet werden, angegeben. Für die Bewertung werden für jedes Lebensmittel Punkte vergeben und der daraus berechnete Mittelwert fließt in die Wertung ein. Die Postleitzahlen der Orte werden in das Formblatt “Komponenten Frühstück – Regionalität” unter “Herkunftsort des am weitesten entfernten Ursprungproduktes” sowie “Verarbeitungsort des Produktes” vom Auftragnehmer eingetragen.
Art der Gewichtung
Mindestpunktzahl
Gewichtung
40,00

Zuschlagskriterium
Preis
Die Abrechnungspositionen setzen sich aus den Preisen für das Frühstück pro Person (netto) inkl. aller Logistikkosten, den Kosten für das benötigte Personal (netto), den Personenzahlen und den benötigten Frühstücken zusammen. Insgesamt soll zunächst von täglich … zu verpflegenden Personen ausgegangen werden. Bitte berechnen Sie einen einheitlichen Preis als Mischkalkulation. Es wird … Frühstücke in den Quartieren geben. Wird die Personenzahl unter- oder überschritten, vereinbaren die Vertragsparteien einen neuen Abrechnungswert, der sich eng am ursprünglichen Angebotswert orientiert. Die Punkteverteilung erfolgt gerichtet am Angebotspreis, der günstigste Anbieter er-hält die meisten Punkte und der teuerste Anbieter die wenigsten. Der Preis pro Person, pro Frühstück sollte inklusive aller anfallenden Kosten 5,70 EUR zzgl. MwSt nicht überschreiten.
Art der Gewichtung
Mindestpunktzahl
Gewichtung
30,00

Vergabestatistik leicht gemacht

Vergabestatistik leicht gemacht

Öffentliche Aufträge sind von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Jährlich vergeben Bund, Länder und Kommunen – in der Regel aufgrund von Ausschreibungen – öffentliche Aufträge, die viele Milliarden Euro umfassen. Wichtige Informationen zu diesem Wirtschaftsfaktor bietet die im Rahmen der Vergaberechtsreform geschaffene Vergabestatistik.
Die Vergabestatistikverordnung verpflichtet alle öffentlichen Auftraggeber dem vom BMWK beauftragten Statistischen Bundesamt bestimmte Daten zu Beschaffungsvorgängen zu übermitteln. Seit Oktober 2020 erfasst die Vergabestatistik in Deutschland erstmals die grundlegenden Daten zu öffentlichen Aufträgen flächendeckend. Bislang verfügten Bund, Länder und Kommunen über keine valide Datenbasis. Solche Daten zeigen die volkswirtschaftliche Bedeutung der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen und ermöglichen es, bestehende Monitoringpflichten gegenüber der EU-Kommission zu erfüllen.
Die Vergabestatistik stellt die Vergabe öffentlicher Aufträge umfassend dar. Sie unterteilt den öffentlichen Einkauf in die Bereiche Liefer-, Dienst- und Bauleistungsaufträge und zeigt, in welchen Bereichen zum Beispiel Nachhaltigkeitskriterien bei den Vergabeverfahren eine Rolle spielen. Des Weiteren wird in der Vergabestatistik aufgezeigt, welche Rolle kleine und mittlere Unternehmen – sogenannte KMU – bei der Beschaffung öffentlicher Aufträge und Ausschreibungen spielen.

Rechtsgrundlagen und Auskunftspflicht

Wer muss Daten melden?

Alle Auftraggeber nach § 98 GWB sind verpflichtet, die in der VergStatVO festgelegten Daten über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder Konzessionen ab Erreichen der EU-Schwellenwerte (Oberschwellenbereich) zu übermitteln (§ 2 Absatz 1, § 3 Absatz 1 VergStatVO).
Zusätzlich sind Auftraggeber nach § 99 GWB verpflichtet, die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenbereich) zu übermitteln, wenn der Auftragswert über 25 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) liegt (siehe § 2 Absatz 2, § 3 Absatz 2 VergStatVO). Somit sind unter anderem auch Vergaben von freiberuflichen Leistungen nach § 50 UVgO meldepflichtig.
Im Fall von öffentlichen Auftraggebern, die auch Aufträge im Bereich von Sektorentätigkeiten, also als Sektorenauftraggeber im Sinne von § 100 GWB, vergeben, ist für die Meldepflicht von unterschwelligen Vergaben an die Vergabestatistik der Inhalt des konkret vergebenen Auftrags bzw. die konkrete Beschaffung im Einzelfall entscheidend. Die Meldepflicht gemäß § 2 Abs. 2 VergStatVO besteht, wenn es sich um einen Auftrag handelt, der nicht im Bereich von Sektorentätigkeiten erfolgt und der Auftraggeber als öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB handelt. Wenn die konkrete Beschaffung im Bereich der Sektorentätigkeit als Sektorenauftraggeber erfolgt, greift die Meldepflicht gemäß § 2 Abs. 2 VergStatVO nicht ein.

Ab wann besteht die Meldepflicht zur Vergabestatistik?

Die Meldepflicht zur Vergabestatistik besteht für Auftrags-/Konzessionsvergaben mit Zuschlagsdatum ab dem 1. Oktober 2020. Im Fall einer losweisen Vergabe (Losaufteilung) ist folgende Vorgehensweise einzuhalten: Entscheidend ist das Zuschlagsdatum des letzten Loses. Liegt dieses Datum nach dem 30. September 2020, so ist das Vergabeverfahren/ der Beschaffungsvorgang insgesamt zu melden.

Was ist mit den Daten, die vor Beginn der Meldepflicht zur Vergabestatistik am 1. Oktober 2020 anfallen?

Bis zur Inbetriebnahme des Systems der neuen elektronischen Vergabestatistik ist mit Blick auf die Übermittlung von Daten zu vergebenen öffentlichen Aufträgen an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bis auf Weiteres die Übergangsregelung des § 7 VergStatVO anzuwenden. Diese führt im Wesentlichen die Statistikvorschriften der bis März 2016 geltenden VgV, SektVO und VSVgV fort. Das bedeutet, eine statistische Aufstellung der vergebenen Aufträge der ersten drei Quartale 2020 (vom 01.01. bis 30.09.2020) ist von den Auftraggebern – so wie bisher auch – an das BMWK zu übermitteln. Dazu wird das BMWK ein letztes Mal die übliche Abfrage zur Übermittlung der Daten in der bisherigen Form starten. Diese wird (wie immer nach Ende des Berichtszeitraums) im 4. Quartal 2020 oder Anfang 2021 erfolgen.

In welchem Zeitraum kann eine Vergabe gemeldet werden?

Eine Vergabe muss innerhalb von 60 Tagen nach Zuschlagserteilung gemeldet werden. Hinsichtlich der in § 1 Absatz 2 VergStatVO gesetzten Frist ist eine Verlängerung nicht vorgesehen. Sollte eine Meldung daher nicht innerhalb dieser 60 Tage erfolgt sein, kann diese Meldung derzeit nicht nachträglich übermittelt werden. Bitte beachten Sie, dass eine gesetzliche Meldepflicht nach VergStatVO besteht und das entsprechend bei Nicht-Meldung gegen das geltende deutsche Recht verstoßen wird. Wir bitten Sie daher, Datenmeldungen zur Vergabestatistik innerhalb der 60-Tage Frist an uns zu übermitteln.

Sind In-House Vergaben meldepflichtig?

Im Fall von Auftragsvergaben, auf die gemäß § 108 GWB die Regelungen des GWB-Vergaberechts nicht anzuwenden sind (sog. Inhouse-Vergaben), besteht keine Meldepflicht an die Vergabestatistik. Das gilt unabhängig vom Auftragswert.

Sind freihändige Vergaben meldepflichtig?

Da freihändige Vergaben von öffentlichen Auftraggebern nach §98 GWB vergeben werden, besteht auch hierbei die Meldepflicht ab 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer). Freihändige Vergaben von Bauleistungen gem. § 3a Abs. 4 Satz 2 VOB/A können nur bis zu einem Auftragswert von 10.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) erfolgen, demnach besteht für Bauvergaben keine Meldepflicht, Anders ist es bei freihändigen Vergaben von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, die ab 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) im Unterschwellenbereich meldepflichtig sind.

Fallen auch Direktaufträge unter die Meldepflicht?

Direktaufträge werden gemäß § 14 Satz 1 UVGO bis zu 1.000 Euro ohne Umsatzsteuer und gemäß § 3a Abs. 4 VOB/A bis zu 3.000 Euro ohne Umsatzsteuer vergeben. Für die Vergabestatistik können Direktaufträge ab einem Wert von 1.001 Euro freiwillig gemeldet werden. Sollten aufgrund der Covid-19-Pandemie die Wertgrenzen für Direktaufträge in Ihrem Ressort, Bundesland oder Ihrer Kommune angehoben worden sein, so gelten weiterhin die Wertgrenzen zur Meldung an die Vergabestatistik. Unabhängig davon, ob es sich um einen Direktauftrag handelt oder nicht, lautet die Regelung wie folgt: Alle Auftraggeber nach § 98 GWB sind verpflichtet, die in der VergStatVO festgelegten Daten über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder Konzessionen ab Erreichen der EU-Schwellenwerte (Oberschwellenbereich) zu übermitteln (§ 2 Absatz 1, § 3 Absatz 1 VergStatVO). Zusätzlich sind Auftraggeber nach § 99 GWB verpflichtet, die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenbereich) zu übermitteln, wenn der Auftragswert über 25 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) liegt (siehe § 2 Absatz 2, § 3 Absatz 2 VergStatVO).

Müssen Auftragsänderungen im Sinne von §132 GWB gemeldet werden?

Nein. Auftragsänderungen nach § 132 GWB werden durch die Vergabestatistik nicht erhoben und sind daher nicht an das Statistische Bundesamt zu melden. Vertragsänderungen in Form von zusätzlichen Optionen, deren Möglichkeit zur Inanspruchnahme bereits bei Vertragsschluss vereinbart wurde, werden bereits bei der Angabe des Auftragswerts erfasst und sind zu diesem hinzuzurechnen.

Wird der Zuschlag an einen Rahmenvertragspartner vergeben, ist dieser Vergabefall dann meldepflichtig?

Alle Auftraggeber nach § 98 GWB sind verpflichtet, den Abschluss einer Rahmenvereinbarung zu melden, wenn der Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte liegt bzw. zusätzlich bei Auftraggebern nach § 99 GWB bei einem Auftragswert über 25 000 Euro (ohne Umsatzsteuer). Die Einzelabrufe, die unter dieser Rahmenvereinbarung getätigt werden, sind nicht meldepflichtig.

Vergabe als Straftat?

Vergabe als Straftat?

Bei Vergaben kann sich die Frage stellen, ob und welche Straftaten verwirklicht werden können, wenn öffentliche Aufträge vergaberechtswidrig vergeben werden. In diesem Zusammenhang ist vielfach von Interesse, wie sich ein Schaden berechnet, wenn derartige Aufträge nicht im Wettbewerb von Auftragsnehmern und ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vergeben wurden. Auch bei der rechtswidrigen Vergabe öffentlicher Aufträge Straftatbestände verwirklicht werden. Bei einem vergaberechtswidrigen Verhalten können unterschiedlichste Strafbarkeitsrisiken auftreten. Zu erwähnen ist zunächst § 298 Strafgesetzbuch (StGB)5, der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen unter Strafe stellt. Auch weitere Strafnormen, wie Betrug oder Untreue können relevant werden.

Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen
In Betracht kommt zunächst eine Strafbarkeit wegen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen gemäß § 298 Abs. 1 StGB. Diese Strafrechtsnorm hat folgenden Wortlaut:
„(1) Wer bei einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, wird mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Ausschreibung im Sinne des Absatzes 1 steht die freihändige Vergabe eines Auftrages nach vorausgegangenem Teilnahmewettbewerb gleich.
(3) Nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass der Veranstalter das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt.
Wird ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Veranstalters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern.“
Strafrechtlich relevant können auch solche Absprachen sein, die gegen das Kartellrecht verstoßen. Darunter fallen insbesondere Absprachen, die gegen das Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die kartellrechtlichen Normen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)8 verstoßen. Erfasst werden sowohl horizontale Absprachen (Absprachen zwischen den Bietern) als auch vertikale Absprachen (Absprachen zwischen dem Veranstalter und den Bietern).
Der Bundesgerichtshof (BGH) geht davon aus, dass eine täterschaftliche Verwirklichung des § 298 Abs. 1 StGB auch für den Veranstalter einer Ausschreibung in Betracht kommt:
„Täter kann daher nicht nur derjenige sein, der selbst ein Angebot abgibt. Da seit der Neufassung des § 1 GWB auch vertikale Absprachen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllen, müssen sich vielmehr auch Veranstalter als Täter strafbar machen können, sofern ihnen nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die Abgabe des Submissionsangebots im Sinne des § 25 StGB zurechenbar ist; ansonsten würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von § 298 StGB verfolgte Zweck
– Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Kartellrecht und Strafrecht – unterlaufen.“
Der § 298 Abs. 1 StGB schützt als Rechtsgut den Wettbewerb bei öffentlichen Ausschreibungen, beschränkten Ausschreibungen und nicht offenen Verfahren;  das Vermögen des Veranstalters wird nur mittelbar geschützt. Für eine Strafbarkeit nach § 298 Abs. 1 StGB kommt es demnach nicht auf den Eintritt eines Vermögensschadens beim Veranstalter an.
Erfasste Vergabeverfahren sind
– die Öffentliche Ausschreibung oder das Offene Verfahren,
– die Beschränkte Ausschreibung oder das Nichtoffene Verfahren und
– das Verhandlungsverfahren oder die Freihändige Vergabe.

Untreue
In Betracht kommt weiter eine täterschaftliche Verwirklichung der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB. Wegen Untreue wird bestraft, „wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“. In der Praxis kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen insbesondere dann in Betracht, wenn vergaberechtswidrig die Durchführung einer Ausschreibung unterlassen wurde (sogenannte „Direktvergabe“). Der Tatbestand der Untreue differenziert zwischen dem Missbrauchstatbestand und dem Treuebruchtatbestand.

Missbrauchstatbestand
Der Missbrauchstatbestand verlangt den Missbrauch einer dem Täter eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Dies setzt zunächst voraus, dass der Täter eine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen innehat. Eine solche Befugnis bezeichnet die rechtliche Möglichkeit des Täters, Vermögensrechte eines anderen wirksam zu übertragen, aufzuheben, zu belasten oder zu ändern oder ihn Dritten gegenüber wirksam zu solchen Verfügungen zu verpflichten. Die Strafbarkeit setzt weiter voraus, dass die eingeräumte rechtliche Befugnis missbraucht wird. Von einem solchen Missbrauch ist auszugehen, wenn der Täter ein im Außenverhältnis zu Dritten rechtlich wirksames Verfügungs- oder Verpflichtungsgeschäft vornimmt, das jedoch im Widerspruch zu seinen Pflichten aus dem Innenverhältnis zu dem Geschädigten steht. Dies erfordert zunächst die Bestimmung des jeweiligen Pflichtenkreises des Innenverhältnisses zwischen Täter und Geschädigtem. Schließlich setzt der Missbrauchstatbestand in objektiver Hinsicht zwingend den Eintritt eines kausalen Vermögensnachteils beim Geschädigten voraus. Dies bedeutet, dass dem vertretenen Hoheitsträger durch die vergaberechtswidrige Vergabe des öffentlichen Auftrags ein Vermögensnachteil entstanden sein muss. Hierfür ist ein Vergleich des Vermögens vor und nach der vergaberechtswidrigen Vergabe anzustellen, wobei nachgewiesen werden muss, dass durch den Verstoß gegen das Vergaberecht ein Schaden eingetreten ist, bloße Vermutungen reichen nicht aus. Die Strafgerichte müssen im Einzelfall den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen.

In subjektiver Hinsicht setzt eine Strafbarkeit wegen des Missbrauchstatbestands der Untreue voraus, dass der Täter vorsätzlich in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit seines Tuns und den Eintritt eines Vermögensnachteils beim Geschädigten gehandelt hat. Dies entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Treuebruchtatbestand
Der Treuebruchtatbestand ist erfüllt, wenn der Täter eine beliebige vermögensrelevante Handlung vornimmt, die die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Wiederum ist die Pflichtverletzung akzessorisch zum Vergaberecht festzustellen, sodass eine Strafbarkeit davon abhängt, ob die Vergabe des öffentlichen Auftrags gegen Vergaberecht verstößt.
Auch der Treuebruchtatbestand setzt den Eintritt eines Vermögensschadens und ein vorsätzliches Handeln des Täters bezüglich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns und dem Eintritt eines Schadens beim Geschädigten voraus. Auch dies entscheidet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.

Vergaberecht versus Außenwirtschaftsrecht (?)

Vergaberecht versus Außenwirtschaftsrecht (?)

Mit der Verordnung (EU) 2021/821 (EU-Dual-Use-VO) hat die EU für alle EU-Mitgliedstaaten gemeinsame Genehmigungspflichten und Verfahrenweisen bei der Ausfuhr, der Vermittlung, der technischen Unterstützung, der Durchfuhr und der Verbringung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck festgelegt. Hierbei handelt es sich um Güter, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind (z.B. bestimmte Chemikalien, Maschinen, Technologien und Werkstoffe, aber insbesondere auch Software oder Technologien). Zuständige Behörde für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen in der Bundesrepublik Deutschland ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Dieses erteilt auch Auskünfte zur Güterliste und Nullbescheide.

Gelistete Dual-Use-Güter
Nach Artikel 3 der Dual-Use-VO ist die Ausfuhr aller im Anhang I Dual-Use-VO aufgeführten Güter genehmigungspflichtig.
Als Hilfsmittel steht Ihnen im Elektronischen Zolltarif (EZT) die Auskunftsanwendung EZT-online Ausfuhr zur Verfügung. Diese enthält bei den jeweiligen Warennummern Hinweise auf eine mögliche Listenposition. Daneben finden Sie im Elektronischen Zolltarif auch Codierungen, die gegebenenfalls in der elektronischen Ausfuhranmeldung einzutragen sind. Eine Genehmigungspflicht besteht ferner nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) für die in Teil I Abschnitt B der Ausfuhrliste genannten Güter.

Nicht gelistete Dual-Use-Güter
Nach Artikel 4,5 und 10 Dual-Use-VO kann die Ausfuhr von nicht gelisteten Dual-Use-Gütern genehmigungspflichtig sein. Zusätzliche nationale Beschränkungen finden Sie in § 9 AWV.

Ausschlaggebend für die Genehmigungsbedürftigkeit sind hierbei der vorgesehene Verwendungszweck der Güter sowie das jeweilige Käufer- oder Bestimmungsland.
Eine Genehmigungspflicht kann insbesondere dann vorliegen, wenn
• die Güter für eine Verwendung im Zusammenhang mit der Entwicklung, Herstellung, Handhabung, Wartung, Lagerung, Ortung, Identifizierung oder dem Betrieb von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen sowie Flugkörpern für derartige Waffen bestimmt sind oder sein können (Art. 4 Abs. 1 a) Dual-Use-VO) oder
• gegen das Käufer- oder Bestimmungsland ein Waffenembargo verhängt wurde (Art. 4 Abs. 1 b) Dual-Use-VO) oder
• die Güter ganz oder teilweise für die Verwendung als Bestandteil in Rüstungsgütern, die zuvor rechtswidrig ausgeführt worden sind, bestimmt sind oder sein können (Art. 4 Abs. 1 c) Dual-Use-VO) oder
• es sich um Güter für digitale Überwachung handelt, die ganz oder teilweise für eine Verwendung im Zusammenhang mit interner Repression und/oder der Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bestimmt sind oder bestimmt sein können (Art. 5 Dual-Use-VO) oder
• ein anderer Mitgliedstaat für die Ausfuhr von nicht in Anhang I aufgeführten Güter auf der Grundlage einer nationalen Kontrollliste für Güter, die dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 9 Dual-Use-VO erlassen hat und die von der Kommission gemäß Artikel 9 Absatz 4 Dual-Use-VO veröffentlicht wurde, eine Genehmigungspflicht vorschreibt (Art. 10 Dual-Use-VO).
• die Güter für die Errichtung, den Betrieb den Einbau in zivilen kerntechnischen Anlagen in den Ländern Algerien, Irak, Iran, Israel, Jordanien, Libyen, Nordkorea, Pakistan und Syrien bestimmt sind oder sein können (§ 9 AWV).
Als militärische Endverwendung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 b) Dual-Use-VO gilt
• der Einbau in Güter, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannt sind,
• die Verwendung von Herstellungs-, Test oder Analyseausrüstung – sowie Bestandteilen hierfür – für die Entwicklung, die Herstellung und die Wartung von Gütern, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannt sind oder
• die Verwendung von unfertigen Erzeugnissen in einer Anlage für die Herstellung von Gütern, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste genannt sind.

Unterrichtungspflicht bei nicht gelisteten Dual-Use-Gütern nur für Genehmigungspflichten nach Art. 4 und 5 Dual-Use-VO bzw. § 9 AWV)
Ist Ihnen als Ausführer bekannt, dass Ihre Güter einer der oben genannten Verwendungszwecke zugeführt werden, sind Sie verpflichtet das BAFA zu unterrichten.

In diesen Fällen haben Sie das BAFA über die geplanten Ausfuhren sowie über Ihre Kenntnisse zu der vorgesehenen Verwendung zu unterrichten. Dieses entscheidet dann darüber, ob die Ausfuhr einer Genehmigung bedarf und wird Sie entsprechend unterrichten.

Bitte beachten Sie, dass in jedem Fall die Entscheidung des BAFA abzuwarten ist.

Hinweis für die Ausfuhr gebrauchter Werkzeugmaschinen
Bei Ausfuhren gebrauchter Werkzeugmaschinen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Genehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erforderlich ist, wenn die Werkzeugmaschine als Neuware von Anhang I der EU-Dual-Use-VO erfasst wäre. Es obliegt dann dem Anmelder/Ausführer nachzuweisen, dass die Werkzeugmaschine in gebrauchtem Zustand diese Kriterien nicht mehr erfüllt. Ein Nachweis, dass die gebrauchte Werkzeugmaschine nicht (mehr) den Anforderungen der EU-Dual-Use-VO entspricht, kann z.B. erbracht werden durch Vorlage entsprechender aktueller Messprotokolle zu der betreffenden Werkzeugmaschine oder durch sonstige technische Gutachten mit Messdaten.

Die auf der Website des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zur Verfügung gestellten und vom Ausführer auszufüllenden Fragebögen zur Erfassung von Werkzeugmaschinen sind – neben ggf. weiteren für die Zulässigkeitsprüfung erforderlichen Unterlagen – im Rahmen der Abfertigung der Ausfuhrzollstelle nach Aufforderung vorzulegen. Auf die Vorgaben im Merkblatt zu Zollanmeldungen, summarischen Anmeldungen und Wiederausfuhrmitteilungen zur “Warenbezeichnung” in der Ausfuhranmeldung wird hingewiesen

Akuter Naturkatastrophen und schnelle Vergabe

Akuter Naturkatastrophen und schnelle Vergabe

von Thomas Ax

Im Fall akuter Naturkatastrophen wie dem Hochwasser im Westen und Süden Deutschlands 2021 sind damit die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV bzw. bei Bauleistungen des § 3a Abs. 3 Nr. 4 VOB/A EU für den Einkauf von Leistungen über Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gegeben, wenn sie der kurzfristigen Bewältigung der schlimmsten und akuten Auswirkungen der Flut dienen. Dies wird z.B. anzunehmen sein für – die Absicherung von standsicherheitsgefährdeten Bauwerken / Infrastrukturbauwerken, – die Beschaffung von Notstromaggregaten, Schlammsaugern, Bautrocknern, – die Beschaffung von Unterkunftsräumen (z.B. Containern), – die Bereitstellung von Behelfsbrücken, – die provisorische Bereitstellung von digitaler Infrastruktur. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend.

Insbesondere im Lichte der Notwendigkeit des schnellen Einkaufs stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein durchzuführendes Vergabeverfahren beschleunigt werden kann. Sofern der Anwendungsbereich des Kartell- oder Haushaltsvergaberechts eröffnet ist, hat dies in nahezu allen Fällen die Notwendigkeit der Durchführung eines Vergabeverfahrens zur Folge. Dabei gibt es nicht „das“ Vergabeverfahren. Vielmehr kennt das Vergaberecht sehr verschiedene Vergabeverfahren mit jeweils unterschiedlichen Abläufen und Anforderungen, die nicht frei miteinander kombinierbar sind („Typenzwang“).
Der Ablauf eines Beschaffungsvorgangs hängt vom konkreten Vergabeverfahren ab. Das GWB kennt verschiedene Vergabeverfahrensarten, insbesondere das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren und den wettbewerblichen Dialog (vgl. § 119 Absatz 1 GWB).16 Nach § 119 Absatz 2 Satz 2 GWB besteht dabei im Kartellvergaberecht eine grundsätzliche Nachrangigkeit des Verhandlungsverfahrens gegenüber dem offenen und dem nicht offenen Verfahren.

Insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichst kurzfristigen Beschaffung kommt dem Verhandlungsverfahren, welches nach § 119 Absatz 5 GWB sowohl mit als auch ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden kann, besonders in der Variante „ohne Teilnahmewettbewerb“ eine zentrale Rolle zu. Das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 119 Absatz 5 GWB in Verbindung mit §§ 14 Absatz 4, 17 VgV beziehungsweise bei Bauleistungen in Verbindung mit § 3a Absatz 3 Nr. 4 VOB/A EU zeichnet sich dadurch aus, dass der jeweilige öffentliche Auftraggeber etwaige Vertragspartner selbst ohne vorheriges förmliches Verfahren auf Basis seiner Marktkenntnis auswählen und sodann frei mit diesen verhandeln kann.
Damit entfällt im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb die Pflicht der EU-weiten Auftragsbekanntmachung. Der Wettbewerb kann hier demgemäß von vornherein nur zwischen den Unternehmen stattfinden, die der öffentliche Auftraggeber zur Abgabe von Erstangeboten direkt auffordert. Da hierbei allerdings die grundlegenden Vergaberechtsprinzipien des transparenten Wettbewerbs (§ 97 Absatz 1 GWB) und der Gleichbehandlung (§ 97 Absatz 2 GWB) fundamental eingeschränkt werden, sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb besonders streng. So besteht weitgehend Einigkeit, dass grundsätzlich mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern sind, um dem weiter geltenden Wettbewerbsgrundsatz Rechnung zu tragen. Zudem gilt für den Angebotseingang im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb der allgemeine vergabeverfahrensrechtliche Grundsatz der angemessenen Fristsetzung. Insofern kann auch dieses vergleichsweise flexible Vergabeverfahren nicht mit einer gänzlich formlosen Direktbeauftragung gleichgesetzt werden.

Nach § 14 Absatz 4 Nr. 3 VgV dürfen Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (sogenannte Dringlichkeitsvergabe) etwa dann vergeben werden, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind; die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein. Die Gründe müssen zwingend sein. Dafür ist eine Abwägung zwischen den bedrohten Rechtsgütern einerseits und der vergaberechtlichen Pflicht zur Durchführung eines wettbewerblichen und transparenten Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) vorzunehmen. Die bedrohten Rechtsgüter müssen so wichtig sein, dass es unmöglich ist, den Beschaffungsvertrag erst dann abzuschließen, wenn ein Verfahren mit Teilnahmewettbewerb oder ein offenes Verfahren (an dem sich alle interessierten Unternehmen beteiligen können) durchgeführt wurde. Ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb darf ein Auftrag sofort ohne irgendwelche Fristen nur vergeben werden, wenn es um besonders hochrangige Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, hohe Vermögenswerte, existentielle Daseinsvorsorge) geht und deren Beeinträchtigung unmittelbar (d.h. mit hoher Wahrscheinlichkeit in allernächster Zeit) bevorsteht bzw. schon eingetreten ist.

Eine besondere Dringlichkeit der Vergabe besteht im Kontext der Bewältigung der Notlage bei Katastrophenfällen. Starkregen und Hochwasser waren und sind weder von der beschaffenden Stelle verursacht noch war und ist für diese vorhersehbar, an welchen Stellen welche Schäden auftreten (werden). Sie haben ganze Landstriche verwüstet, (Landes-)Liegenschaften erheblich beschädigt und Infrastruktur zerstört, die dringend wiederhergestellt werden müssen. Im Fall akuter Naturkatastrophen wie dem Hochwasser im Westen und Süden Deutschlands 2021 sind damit die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV bzw. bei Bauleistungen des § 3a Abs. 3 Nr. 4 VOB/A EU für den Einkauf von Leistungen über Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gegeben, wenn sie der kurzfristigen Bewältigung der schlimmsten und akuten Auswirkungen der Flut dienen. Dies wird z.B. anzunehmen sein für – die Absicherung von standsicherheitsgefährdeten Bauwerken / Infrastrukturbauwerken, – die Beschaffung von Notstromaggregaten, Schlammsaugern, Bautrocknern, – die Beschaffung von Unterkunftsräumen (z.B. Containern), – die Bereitstellung von Behelfsbrücken, – die provisorische Bereitstellung von digitaler Infrastruktur. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend.

Angebote können im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb formlos und ohne die Beachtung konkreter Fristvorgaben eingeholt werden. Für Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb kann der Auftraggeber somit auch eine kürzere Angebotsfrist wählen, solange diese angemessen ist (vgl. § 20 VgV). Aufgrund seines besonderen Ausnahmecharakters sind damit beim Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach Würdigung der Gesamtumstände im Dringlichkeitsfall auch sehr kurze Fristen (bis hin zu 0 Tagen) denkbar.
Zwar empfiehlt es sich im Sinne einer effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln, nach Möglichkeit mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern. Auch nach der Rechtsprechung ist im Rahmen der §§ 14 Abs. 4 Nr. 3, 17 Abs. 5 VgV grundsätzlich so viel Wettbewerb wie möglich zu eröffnen; ein völliger Verzicht auf Wettbewerb kommt nur als ultima ratio in Betracht (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 9.12.2020, 17 Verg 4/20, Sollten es die Umstände – wie in der akuten Hochwassernotlage – aber erfordern, kann auch nur ein Unternehmen angesprochen werden. § 51 Abs. 2 VgV, der für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb die Ansprache von mindestens drei Unternehmen vorsieht, ist in diesem Kontext nicht anwendbar. So ist die direkte Ansprache nur eines Unternehmens dann möglich, wenn nur ein Unternehmen in der Lage sein wird, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen.“

Auch die Europäische Kommission hatte bereits im Zuge der COVID-19-Pandemie – mithin einer vergleichbar unvorhersehbaren Dringlichkeitssituation – im April 2020 eigene „Leitlinien zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation“ veröffentlicht. Darin wird zunächst auf die Möglichkeit verwiesen, im Fall besonderer Dringlichkeit die Fristen für die Beschleunigung offener oder nichtoffener Verfahren erheblich zu verkürzen. Weiterhin könnte ein Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung – beziehungsweise im deutschen Recht „ohne Teilnahmewettbewerb“ – in Betracht gezogen werden, wenn die dadurch ermöglichte Flexibilität nicht ausreichen sollte. Im Rahmen dessen könnte gemäß diesen EU-Leitlinien sogar eine „Direktvergabe“ an einen vorab ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer zulässig sein, sofern dieser als einziger in der Lage wäre, die erforderlichen Lieferungen innerhalb der durch die äußerste Dringlichkeit bedingten technischen und zeitlichen Zwänge durchzuführen.

Wettrennen bei Bauprojekten und um Entsorgungsmengen

Wettrennen bei Bauprojekten und um Entsorgungsmengen

Das Marktforschungsinstitut für die Ver- und Entsorgungswirtschaft waste:research hat eine neue Auflage der Potenzialstudie „Klärschlammverwertung in Deutschland bis 2040“ herausgebracht. Aufgrund der Gefahr einer bevorstehenden Überkapazität am Markt entwickelt sich der Bau von neuen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlangen weiterhin zu einem Wettrennen um die verbliebenen Mengen. Aktuelle Krisen sowie die Inflation verschärfen die Situation weiterhin, da unter anderem dadurch die Gestehungskosten der Bauprojekte stark gestiegen sind.

Die bereits im vergangenen Jahrzehnt erkennbare rückläufige Tendenz des Klärschlammaufkommens in Deutschland setzt sich fort: In den vergangenen Jahren ist die Menge von 1,74 Mio. Tonnen TS im Jahr 2018 auf 1,7 Mio. Tonnen TS im Jahr 2022 leicht gesunken – bei einer deutlich steigenden Bevölkerung. Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg verfügen dabei weiterhin über die größten Klärschlammaufkommen. Zusammen erzeugen diese drei Bundesländer rund die Hälfte des in Deutschland anfallenden Klärschlamms.

Während das Klärschlammaufkommen insgesamt leicht rückläufig ist, steigt – im Wesentlichen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen – die thermische Verwertung von Klärschlamm an: Die Monoverbrennung erhöhte sich in Deutschland von 2015 bis 2019 um knapp 20 Prozent auf 515 Tsd. Tonnen TS und dann bis zum Jahr 2022 auf 647 Tsd. Tonnen TS um weitere 25 Prozent.

Der Anteil der Monoverbrennung als Entsorgungsweg für Klärschlämme beträgt in Deutschland rund 31 Prozent, während die Mitverbrennung in u.a. Kohlekraftwerken und Zementwerken aktuell knapp 47 Prozent ausmacht. In beiden Fällen ist ein leichtes Wachstum zu verzeichnen, während die Entsorgung in der Landwirtschaft weiter abnimmt und inzwischen auf einen Anteil von 13 Prozent gefallen ist.

Neben dem Neubau von Monoverbrennungsanlagen werden zunehmend auch bestehende Anlagen umgebaut bzw. Standorte genutzt, vor allem auch durch den starken Trend zur Nutzung von biogenen Brennstoffen für die Wärme- und Stromversorgung („fuel switch“). Die Vorteile bei einem An- oder Umbau sind u.a. Synergien bei Bau und Betrieb, z.B. die Mitnutzung vorhandener Infrastruktur sowie die geringeren Investitions- und Betriebskosten.

Diese Entwicklungen auf dem Wärme- und Strommarkt, getrieben durch die aktuellen Krisen sowie die strategische Ausrichtung einiger Marktteilnehmer, führten zu einem teilweise extremen Preiseinbruch bei entwässerten und getrockneten Klärschlämmen – sogar in Einzelfällen bis hin zur Zuzahlung.

Trotz des leicht sinkenden Klärschlammaufkommens und der hohen verfügbaren Kapazitäten bei der Mitverbrennung werden viele Bauprojekte von Monoverbrennungsanlagen initiiert. Der Bau von neuen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen gleicht daher weiterhin einer Art „Wettrennen“.

Die Anlagen, die als erstes die benötigten Kapazitäten anbieten, haben Chancen, die Verträge zu erhalten und somit ihre Anlage auszulasten. Bei späterer Realisierung sinken die Chancen, ausreichende regionale Mengen zu akquirieren – und bei überregionalen Aufträgen senken die steigenden Transportkosten aufgrund hoher Energiepreise, steigenden Mautgebühren, Kraftfahrermangel usw. deren Rentabilität.

Ausnahme des Wettrennens sind teilweise kommunale Anlagen, die durch regionale Argumente und Spezifika punkten können und ihre Mengen durch Vereinbarungen – z.B. in einem Zweckverband – absichern.

Für die Projekte in Planung gilt, dass die Gestehungskosten, also die Kosten (CAPEX und OPEX) für den Neu-, An- oder Umbau von Monoverbrennungsanlagen, weiter gestiegen sind und auch in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen werden. Die Gründe hierfür liegen in den aktuellen Krisen, den derzeit allgemein ansteigenden Preisen (insbesondere bei Bau-, Material- und Personalkosten) und gestiegenen Zinsen.

Auch höhere rechtliche Anforderungen und eine hohe Nachfrage nach (Brenn-)Stoffen, die die örtliche Fernwärmeversorgung sichern und damit zur Autarkie beitragen, beeinflussen die Projekte. Durch diese größtenteils unvorhersehbaren Umstände müssen die Bauprojekte nun unter völlig anderen Bedingungen als ursprünglich angenommen vollendet – oder eben nach sorgfältiger Evaluation doch eingestellt – werden.

Auch Klärschlamm, ein unvermeidbares Abfallprodukt kommunaler Kläranlagen, wird vor seiner abfallwirtschaftlichen Beseitigung auf die Möglichkeit der Wiederverwendung und Verwertung geprüft.

Auch Klärschlamm, ein unvermeidbares Abfallprodukt kommunaler Kläranlagen, wird vor seiner abfallwirtschaftlichen Beseitigung auf die Möglichkeit der Wiederverwendung und Verwertung geprüft.

Mehr als 80 Prozent der insgesamt 1,67 Millionen (Mio.) Tonnen Klärschlamm wurden 2022 thermisch, 19 Prozent stofflich verwertet. Das Statistische Bundesamt hat aktuelle Zahlen veröffentlicht, die nicht nur einen Rückgang der entsorgten Klärschlammmengen um weitere drei Prozent belegen, sondern auch den erstmaligen Anstieg ihrer thermischen Verwertung auf über 80 Prozent. 2006 lag dieser Anteil noch bei lediglich 47 Prozent. Differenzierte Zahlen nach Bundesländern können der Pressemitteilung entnommen werden. Ein Teil des verbrannten Klärschlamms wird zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Nach Angaben der Energiestatistik wurden in 2022 deutschlandweit 471,8 Mio. Kilowattstunden (kWh) Strom und 860,4 Mio kWh Wärme unter anderem für Industrie und Haushalte – oder, anders gesagt, deutsche “Wohnzimmer” und “Werkbänke” – erzeugt. Neben der Erzeugung von Strom und Wärme kann Phosphor aus der Klärschlammasche zurückgewonnen werden.

Dies ist nach der Klärschlammverordnung ab spätestens 2029 verpflichtend. Phosphor wurde von der EU als kritischer Rohstoff eingestuft und ist in der Landwirtschaft und Industrie unverzichtbar. Deutschlandweit haben in 2022 rund 0,32 Mio. Tonnen ihren Weg in die Landwirtschaft und den Landschaftsbau, die sogenannte stoffliche Verwertung gefunden. Hieran sind hohe Anforderungen geknüpft, um den Eintrag von Schadstoffen wie zum Beispiel Arzneimittelrückstände oder Mikroplastik in die Böden zu verringern. Der zweite Teil der nationalen Klärschlammverordnung formuliert entsprechende Untersuchungs-, Anzeige- und Berichtspflichten. Zudem sind der Europäischen Kommission jährlich die Flächen zu berichten, welche mit Klärschlämmen gedüngt werden. Auch hierbei unterstützt das Statistische Bundesamt im Verbund mit den Statistischen Landesämtern das BMUV. Die landwirtschaftliche Nutzung von Klärschlämmen soll in Zukunft weiter durch die thermische Behandlung mit anschließender Phosphor-Rückgewinnung ersetzt werden.

Kiel soll Pilotregion für Phosphor-Rückgewinnung werden

Kiel soll Pilotregion für Phosphor-Rückgewinnung werden

Um den Rohstoff Phosphor aus Klärschlamm zu gewinnen, fördert das Land Schleswig-Holstein ein Kieler Unternehmen mit 17,7 Millionen Euro. Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) überreichte in der Landeshauptstadt den Förderbescheid an die Müllverbrennung-Phosphorrückgewinnung Kiel (MPK). Die Anlage soll bis 2028 errichtet werden und 2029 in Betrieb gehen. Kiel werde die schleswig-holsteinische Pilotregion für die Rückgewinnung von Phosphor, sagte der Minister. «Die hier geplante Anlage ist ein Meilenstein für den schonenden Ressourcenverbrauch und die Kreislaufwirtschaft.» Phosphor sei ein wertvoller Rohstoff für die Erzeugung von Nahrungsmitteln. Allerdings werde er häufig unter schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen gewonnen und aus wenigen Lieferländern nach Deutschland importiert.

Die neue Klärschlammverbrennungsanlage mit integrierter Phosphorrückgewinnung werde dieser Abhängigkeit entgegenwirken, das Klima schützen und einen Beitrag zum Gewässerschutz leisten, sagte Goldschmidt. Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer freut sich über das Projekt: Dem Standort Kiel komme damit eine landesweite Bedeutung zu, sagte er. Mit der Klärschlammverbrennung könnten weitere 4000 Kieler Haushalte mit CO2-neutral erzeugter Fernwärme versorgt werden. Aktuell liefert die Müllverbrennungsanlage Fernwärme für 17.000 Haushalte. Die Müllverbrennung Kiel (MVK) ist eine Gesellschaft in öffentlich-privater Partnerschaft zwischen der Landeshauptstadt Kiel und Remondis in Lünen, dem größten deutschen Unternehmen für Recycling, Wasserwirtschaft sowie kommunale und industrielle Dienstleistungen. Aus der MVK entstand als Tochterunternehmen die MPK, die die Anlage zur Phosphorrückgewinnung betreibt.