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OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

vorgestellt von Thomas Ax

Ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis ergibt sich nicht allein daraus, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat.
OLG Oldenburg, Urteil vom 23.04.2024 – 2 U 128/23
vorhergehend:
LG Oldenburg, 24.11.2023 – 5 O 1825/21

 
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.11.2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer Landgerichts Oldenburg (5 O 1825/21) wird mit der Maßgabe auf seine Kosten zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des ### (Schuldner) restlichen Werklohn von der Beklagten.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil einschließlich der Anträge Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Kläger weiterverfolgte Werklohnforderung des Schuldners nicht fällig sei. Es fehle an einer nach der Beweisaufnahme nicht feststellbaren Abnahme durch die Beklagte, welche diese wegen wesentlicher Mängel sowie ausstehender Restleistungen auch zu Recht verweigere. Es lägen nach den zuletzt nicht mehr angegriffenen Ausführungen des beauftragten Sachverständigen Mängel vor. Ein Teil dieser Mängel zöge bezifferbare Beseitigungskosten in Höhe von 6.104,70 € brutto nach sich. Ferner bestünden erhebliche Mängel, für die neben dem Schuldner auch die Beklagte wegen einer unzureichenden Planung und Ausschreibung verantwortlich sei, was teilweise deren Beteiligung unter dem Gesichtspunkt von Sowiesokosten rechtfertige. Der Kostenaufwand für die Beseitigung dieser Mängel stünde nicht fest, was unerheblich sei. Sie seien funktionaler Natur und führten gemeinsam mit denjenigen Mängeln, deren Beseitigungsaufwand feststehe, sowie den ausstehenden Restleistungen dazu, dass die Abnahmereife nicht gegeben sei. Der Umstand, dass der Kläger gem. § 103 InsO die Nichterfüllung des Vertrages gewählt habe, begründe kein unabhängig von der Abnahme die Fälligkeit des Werklohnanspruchs nach sich ziehendes Abrechnungsverhältnis. Die Klage sei indes als endgültig unbegründet abzuweisen, weil der Kläger die Fälligkeit durch die Wahl der Nichterfüllung i.S.d. § 103 InsO nicht mehr herbeiführen könne.

Gegen dieses Urteil wendet der Kläger sich mit seiner Berufung. Er meint, die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch ihn gem. § 103 InsO führe für sich genommen und unabhängig von der Abnahme oder Abnahmereife zu einem die Fälligkeit der Vergütungsforderung auslösenden Abrechnungsverhältnis. Das ergäbe sich aus grundsätzlichen Erwägungen zu § 103 InsO und den Besonderheiten des vorliegenden Streitfalls wie der Bereitschaft des Schuldners zur Leistungserbringung sowie einem Annahmeverzug der Beklagten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Darüber hinaus meint der Kläger, das seitens des Schuldners hergestellte Werk weise lediglich unwesentliche Mängel auf, die einer Abnahme nicht entgegenstünden, woraus die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs folge. Die durch den Sachverständigen festgestellten Mängel, die mit einem Aufwand von 6.104,70 € brutto zu beseitigen seien, stünden dem nicht entgegen. Die weiteren durch das Landgericht angenommenen Mängel, für die ein Beseitigungsaufwand nicht feststünde, könnten der Abnahmereife nicht entgegenstehen, weil die ihnen zugrundeliegenden Arbeiten vom Schuldner angesichts der vorgefundenen Bausubstanz gar nicht anders hätten ausgeführt werden können, sondern eine andere, nicht vorgegebene Planung vorausgesetzt hätten, deren Umsetzung mit erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden gewesen wäre. Deswegen sei es dem Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, die Abnahme wegen dieser Mängel zu verweigern.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24.11.2023 zum AZ 5 O 1825/21 aufzuheben und die Beklagte entsprechend der erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt sowie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen unbegründet und führt allein zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung, dass die Klage mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

Dem aufgrund des § 80 Abs. 1 InsO prozessführungsbefugten Kläger steht ein fälliger Anspruch auf den geltend gemachten Werklohn des Schuldners gem. §§ 631 Abs. 1, 650a BGB nicht zu. Die Werkleistung ist weder abgenommen noch abnahmereif. Ferner kommt weder die Fälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB (Durchgriffsfälligkeit) noch die Fälligkeit auf Grundlage eines Abrechnungsverhältnisses in Betracht.

1. Die Werkleistung des Schuldners ist weder ausdrücklich noch konkludent durch die Beklagte abgenommen worden. Gegen diese durch das Landgericht nach Beweisaufnahme getroffene Feststellung bringt die Berufung nichts vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit verwiesen.

2. Die Fälligkeit der Werklohnforderung ergibt sich auch nicht über die Abnahmereife der Werkleistung.

Zwar kann im Falle des Zusammentreffens einer unberechtigten Abnahmeverweigerung des Bestellers mit der Abnahmereife des Werks der Unternehmer unmittelbar auf Zahlung des Werklohns klagen. In seinem Zahlungsantrag liegt ein konkludentes Abnahmeverlangen (vgl. OLG Nürnberg, NZBau 2021, 539 Rn. 9 ff. m.w.N.). Allerdings ist die Leistung des Schuldners, deren Erfüllung der Kläger i.S.d. § 103 InsO abgelehnt hat, nicht abnahmereif. Sie weist nicht nur unwesentliche Mängel auf.

a) Der Kläger trägt als Prozessstandschafter des Auftragnehmers die Beweislast dafür, dass die Mängel der Werkleistung des Schuldners unwesentlich sind. Diesen Beweis hat er nicht erbracht. Vielmehr steht auf Grundlage der Gutachten des Sachverständigen EE fest, dass die Mängel der Werkleistung der Klägerin nicht unwesentlich sind und die Beklagte deswegen berechtigen, die Abnahme zu verweigern.

Die Frage, wann ein Mangel unwesentlich ist, ist einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich, sondern immer am Einzelfall zu entscheiden (vgl. BGH NJW 1981, 1448, 1449 zu § 12 Abs. 3 VOB/B). Es bedarf der Abwägung der beiderseitigen Interessen dahin, ob es für den Auftraggeber zumutbar ist, sich auf eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses einzulassen und so auf die vor der vollzogenen Abnahme bestehenden Vorteile zu verzichten (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeilt/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). In die Bewertung sind der Umfang der Mängelbeseitigungsmaßnahmen, insbesondere die Höhe der Mängelbeseitigungskosten (BGH a.a.O.; BauR 2000, 1482), aber auch die Auswirkungen des Mangels auf die Funktionsfähigkeit des Gesamtwerks und das Maß der Beeinträchtigung einzustellen (vgl. Werner/Pastor, 17. Auflage, Rn. 1787; OLG München Urteil vom 15. Januar 2008 – 13 U 4378/07 -). Eine fühlbare Beeinträchtigung der Funktionalität bzw. Gebrauchsfähigkeit eines Bauwerks, zieht regelmäßig die Einstufung des Mangels als wesentlich nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Liegen mehrere Mängel vor, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich.

b) Diese Kriterien berücksichtigend geht der Senat vorliegend von wesentlichen Mängeln im Gewerk des Schuldners aus.

aa) Zunächst steht fest, dass die vom Landgericht mit insgesamt 6.104,70 € bezifferten Mängelpunkte vorliegen. Auf die insoweit durch die Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts (S. 9 – 11 LGU) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

bb) Damit hat es indes nicht sein Bewenden. Denn überdies bestehen erhebliche Mängel in Bezug auf die Entwässerung:

(…)

Es steht mithin angesichts der insoweit vom Kläger nicht in Abrede genommenen tatsächlichen Feststellungen fest, dass die Entwässerung des Daches und der Balkone nicht ordnungsgemäß hergestellt, sondern erheblich mangelbehaftet ist.

Der Annahme der Mangelhaftigkeit steht nicht entgegen, dass die Mängel weitgehend auch darauf beruhen, dass die Entwässerung der Flächen und Balkone unzureichend geplant und ausgeschrieben war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weist ein Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf und ist damit mangelbehaftet, soweit es nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionstauglichkeit erreicht (vgl. BGH NZBau 2008, 109, 110). Das wiederum gilt unabhängig von der Frage, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden (vgl. BGH a.a.O.). Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung respektive Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Auftragnehmer dennoch die vereinbarte Funktionstauglichkeit (vgl. BGH a.a.O.). Reicht mit anderen Worten die Umsetzung der Leistungsbeschreibung (Leistungssoll) nicht aus, um ein funktionstaugliches Werk herzustellen, liegt ein Mangel trotz Erfüllung der Leistungsbeschreibung vor, soweit das Werk nicht funktionstauglich ist (Erfolgssoll verfehlt). Das gilt selbst dann, wenn die Funktionsuntauglichkeit auf vom Besteller bindend vorgegebener Leistungsbeschreibung, auf fehlerhafter Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer fehlerhaften Vorunternehmerleistung beruht. Der Werkunternehmer kann sich in diesen Fällen seiner Verantwortung für den Mangel seines Werks nur durch die Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflichten entlasten (vgl. BGH a.a.O.). Der Unternehmer wird mithin von der Mängelhaftung frei, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung, der Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer Vorunternehmerleistung nicht erkennen konnte, er im Falle der Erkennbarkeit ordnungsgemäß auf seine Bedenken hingewiesen hat oder die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht nicht ursächlich dafür war, dass die fehlerhaften Vorleistungen nicht korrigiert wurden (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn.70 ff).

Dem ist der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. Jurgeleit, a.a.O.; BGH a.a.O.) nicht nachgekommen. Es steht nach den Ausführungen des Sachverständigen fest, dass der Schuldner die unzureichende Ausschreibung/Planung als Fachunternehmer hätte erkennen können und müssen. Unstreitig sind Bedenkenhinweise durch ihn nicht erteilt worden. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es eines Bedenkenhinweises nicht bedurft hätte. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Unternehmer auf die Fachkenntnisse des Hauptunternehmers vertrauen darf, ist grundsätzlich nicht anzuerkennen (vgl. Jurgeleit, a.a.O., Teil 5 Rn.65). Eine solche Annahme ist auch vorliegend nicht angezeigt.

Ferner trifft die rechtliche Sichtweise der Berufung nicht zu, dass das Landgericht die Mangelhaftigkeit der Leistung des Schuldners auf eine “Hilfskonstruktion” wegen einer angeblichen Verletzung der Aufklärungspflicht gestützt hat. Es hat vielmehr die Grundlagen des BGH zum funktionalen Mangelbegriff zutreffend angewendet. Ferner geht der Einwand der Berufung ins Leere, der Sachverständige habe erklärt, die Arbeiten hätten durch den Schuldner gar nicht anders ausgeführt werden können. Das hat der Sachverständige in Bezug auf die Entwässerung nicht angegeben und das trifft auch nicht zu.

Die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Entwässerung von Dachflächen und Balkonen sind wesentlich. Sie beeinträchtigen die Nutzbarkeit und Funktionalität des durch den Schuldner hergestellten Bauwerks insgesamt. Das zieht die Wesentlichkeit des Mangels nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Angesichts der Funktionsbeeinträchtigung bedarf es auch nicht der Feststellung des konkreten Mängelbeseitigungsaufwands. Die Feststellung der Wesentlichkeit dieser Mängel im Zusammenhang mit der Entwässerung lässt sich unabhängig davon treffen. Auch die Frage, inwieweit sich die Beklagte an den Kosten für die mangelfreie Herstellung in Form der Vergabe zusätzlicher vergütungspflichtiger Aufträge bzw. Sowieso-Kosten zu beteiligen hätte, kann auf sich beruhen. Sie ist von derjenigen der gegebenen Mangelhaftigkeit getrennt zu betrachten und spielt für die Einordnung, ob wesentliche oder unwesentliche Mängel vorliegen, keine Rolle.

cc) Hinzu tritt, dass im Bereich B 470/Küche (Mangelpunkt 37 GA) ein Gesimsblech nicht erneuert worden ist. Außerdem ist im Bereich B 533 (Mangelpunkt 40 und 45 GA) die Attikaabdeckung nicht umlaufend ausgeführt und es fehlt der Handlauf der Bodeneinschubtreppe als Absturzsicherung im Spitzbodenbereich (Mangelpunkt 49 GA), was unabhängig von der nicht erfolgten Ausschreibung dieser Leistungen einen Mangel darstellt. Die Abdeckung ist zum Schutz der Attika funktional erforderlich; der Einbau des Handlaufs aus Sicherheitsgründen. Auch insoweit steht die denkbare Zuschusspflicht der Beklagten im Rahmen einer Mängelbeseitigung der Annahme eines Mangels nicht entgegen.

dd) Die Gesamtheit der unter aa) bis cc) beschriebenen Mängel führt zu der Bewertung, dass diese wesentlich sind und das Werk nicht abnahmereif ist. Dasselbe Ergebnis zieht bereits die separate und eigenständige Betrachtung der Mängel aus dem Bereich der Entwässerung nach sich.

Vor diesem Hintergrund lässt der Senat es auf sich beruhen, ob tatsächlich von einer Mangelhaftigkeit ausgegangen werden kann, weil

– die Gehwegplatten auf der Dachterrasse im Bereich B533 (Mangelpunkt 42 GA) nicht plan verlegt sind

– der Laufweg vor dem Spitzboden nicht komplett hergestellt worden ist, weil sonst die Brandschutztür nicht geschlossen werden könnte bzw. die Brandschutzluken wegen der Dämmung nicht schließbar sind (Mangelpunkte 48, 50 – 52)

– die Abdichtung im Bereich der Balkone B250, B 436 und B 439a jeweils an die Türschwelle und nicht unter die Fenster geführt worden ist (Mangelpunkte 3, 4, 5, 18, 27 GA).

Insoweit hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 24.3.2023 (Protokoll S. 3 f.; Bl. 60 f. Bd. II d.A.) ausgeführt, dass die Einhaltung der verletzten allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen der vorgenommenen Altbausanierung dazu geführt hätte, dass andere verletzt worden wären bzw. die Einhaltung aller Fachregeln erhebliche Umbaumaßnahmen wie den Abbruch und Neubau der Balkone nach sich gezogen hätte. Vor diesem Hintergrund käme möglicherweise in Betracht, dass die Beklagte trotz der an sich notwendigen Hinweise auf eine Durchführung der aus der Sicht des Unternehmers bedenklichen Leistungen bestanden hätte (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn. 74), was indes keiner abschließenden Entscheidung bedarf.

3. Für eine Durchgriffsfälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB hat der Kläger keinerlei Tatsachen vorgetragen. Vielmehr ergibt sich aus dem Streitverkündungsschriftsatz der Beklagten vom 27.6.2023 (Bl. 117 Bd. II d.A.), dass im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber weder ausreichende Zahlungen vorgenommen wurden, noch eine Abnahme der Leistungen erfolgt ist.

4. Die Abnahme als Voraussetzung der Vergütungsfälligkeit ist auch nicht aus anderen Umständen entbehrlich. Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis liegt nicht vor. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht daraus, dass der Kläger die Erfüllung des Bauvertrages, auf den das Erfüllungswahlrecht des § 103 InsO grundsätzlich Anwendung findet (vgl. BGH NZI 2002, 375, 376), mit Schriftsatz vom 24.4.2023 (Bl. 70 Bd. II d.A.) abgelehnt hat.

a) Der Senat verkennt nicht, dass dies in der Literatur teilweise abweichend beurteilt wird. Es wird vertreten, dass der die Erfüllung ablehnende Insolvenzverwalter unabhängig von einer Abnahme und wesentlichen Mängeln des teilweise erbrachten Werkes einen Anspruch auf den fiktiven Wert des mangelfreien Werkes abzüglich der Mangelbeseitigungskosten habe (vgl. Huber ZInsO 2005, 449, 551). Andernorts wird unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 645 BGB sowie die missliche Lage des Insolvenzverwalters, der zur Erfüllung des Bauvertrages in Gestalt eines abnahmereifen Werks außerstande ist und damit die Werklohnforderung nicht zur Masse ziehen kann, das Abnahmeerfordernis suspendiert und auf § 271 BGB zurückgegriffen (vgl. Bopp, Der Bauvertrag in der Insolvenz, S. 241f) bzw. unter Annahme einer Vertragsspaltung in einen erfüllten und einen nicht erfüllten Teil des Bauvertrages, die auf der analogen Anwendung des § 105 InsO auch auf die Vorleistung des Schuldners beruht, eine Abrechnung der Vergütungsforderung unter Minderung von Mangelbeseitigungskosten angenommen (vgl. Bopp, a.a.O., S. 284ff). Ferner wird vertreten, dass ein zur Fälligkeit führendes Abrechnungsverhältnis dadurch entsteht, dass der die Vertragserfüllung ablehnende Insolvenzverwalter für das mangelhafte Werk Vergütung verlangt und der Auftraggeber diese verweigert, weil er damit seine Gegenansprüche geltend mache oder jedenfalls die Abnahme des mangelhaften Teilgewerks endgültig verweigere (vgl. Matthies, BauR 2012, 1005, 1011). Demgegenüber vertreten andere Stimmen die Auffassung, dass die Erfüllungsablehnung i.S.d. § 103 InsO kein eigenes Abrechnungsverhältnis begründet, sondern vielmehr die Vergütungsforderung für den Insolvenzverwalter undurchsetzbar bleibt, wenn wesentliche Mängel vorliegen, keine Abnahme erfolgt ist und die Abnahme auch nicht aus anderen Gründen ausnahmsweise entbehrlich erscheint (vgl. Schmitz, Der Bauvertrag in der Insolvenz, ibr-online, Stand 30.8.2021, Rn. 53f; ders. in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2. Aufl., Kap. 9 Rn. 91, 94 ff; Thode ZfBR 2006, 638, 640; wohl auch Matthies in BeckOK Insolvenzrecht, 34. Edition, Stand: 15.01.2024, Bau- und Architektenrecht in der Insolvenz Rn. 337).

b) Die letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug. Ein Abrechnungsverhältnis allein dadurch, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrages gem. § 103 InsO ablehnt, ist nicht anzuerkennen.

aa) Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von einer Abnahme und trotz fehlender Abnahmepflicht herbeiführendes Abrechnungsverhältnis ist gegeben, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrages, sondern Minderung oder Schadensersatz verlangt oder die Abnahme des Werks oder weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft und endgültig ablehnt (vgl. BGH NJW 2006, 2475 Rn. 26 m.w.N.; BGH NJW 2017, 1607 Rn. 44, 47) oder die Erfüllung unmöglich geworden ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490 m.w.N.). Es sind mithin Fälle betroffen, in denen dem Unternehmer eine Werklohnforderung zusteht und der Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung des Werks beanspruchen kann (BGH NJW 2005, 2771). Das entscheidende Kriterium für die Annahme eines solchen Abrechnungsverhältnisses liegt darin, dass es dem Unternehmer rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich ist, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und er damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs nicht herbeiführen kann (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 21).

bb) Gemessen daran begründet die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch den klagenden Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO kein unabhängig von der Abnahme und Abnahmereife die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis.

Nach gefestigter Rechtsprechung hat die Wahl der Nichterfüllung des Vertrages durch den Insolvenzverwalter keine materiell-rechtliche Wirkung, sondern bestätigt nur die durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich eingetretene Suspendierung der Hauptleistungspflichten (vgl. BGH NZI 2002, 375). Diese wirkt nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens und schafft ein auf dessen Zeitraum begrenztes Leistungsverweigerungsrecht (vgl. Huber in MüKo InsO, 4. Aufl., § 103 Rn. 18, 43). Macht nun der Vertragspartner von der ihm in § 103 Abs. 2 S. 1 InsO eröffneten Möglichkeit, seinen Anspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anzumelden, keinen Gebrauch, bleibt ihm sein (werkvertraglicher) Erfüllungsanspruch erhalten (vgl. BGH NZI 2013, 296 Rn. 8), sofern dem nicht eine anderweitige Regelung in einem Insolvenzplan oder eine Restschuldbefreiung des Schuldners entgegenstehen. Dieser Anspruch ist während des Insolvenzverfahrens undurchsetzbar, kann aber nach Aufhebung des Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (vgl. BGH a.a.O.). Genauso kann der Schuldner in diesem Fall, soweit er nicht als juristische Person liquidiert und beendet wird, nach der (abnahmereifen) Erfüllung die ausstehende Vergütung verlangen.

Auch wenn das Wiederaufleben der Forderungen nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens nicht der Regelfall sein wird, entsteht angesichts der dargestellten Rechtslage gerade keine Sachlage, in der es dem Schuldner rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich wäre, die Voraussetzungen der Abnahmepflicht des Bestellers herbeizuführen, wenn sich der Insolvenzverwalter i.S.d. § 103 InsO dafür entscheidet, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, solange der Besteller seinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht gem. § 103 Abs. 2 S. 1 InsO zur Insolvenztabelle anmeldet. Soweit eine Werklohnforderung lediglich undurchsetzbar ist, begründet dies kein Abrechnungsverhältnis (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 19 ff., 21 für den Fall der Verjährung); wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt oder wird er als juristische Person liquidiert und beendet, erlöschen die Forderungen.

Auch bezogen auf den Insolvenzverwalter lässt sich kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Er hat zwar nach der grundsätzlich bindenden sowie rechtsgestaltenden Ablehnung der Erfüllung des Bauvertrages oder dem Schweigen auf eine Aufforderung des Bestellers, sein Wahlrecht auszuüben (§ 103 Abs. 2 S. 2, 3 InsO), keine Möglichkeit mehr, die Abnahmereife herzustellen. Allerdings handelt es sich unter dem maßgeblichen Blickwinkel des bestehenden Bauvertrages und nicht der persönlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters lediglich um einen temporären Zustand, der mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet. Zudem erscheint es verfehlt, für die Bestimmung des Abrechnungsverhältnisses allein auf den Zeitpunkt der Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO abzustellen. Vielmehr ist maßgeblich, dass der Insolvenzverwalter bis zur Ausübung seines Wahlrechts die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hatte, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs herbeizuführen. Mit seiner Entscheidung, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, verhält sich der Insolvenzverwalter wie ein Unternehmer, der die Mängelbeseitigung verweigert und als Kompensation für die Mängel einen Abzug von der Rechnung vornimmt. Genauso wie dem Unternehmer dieser Weg, ein Abrechnungsverhältnis dergestalt eigenmächtig herbeizuführen, verschlossen bleibt (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 492), gilt dies für den Insolvenzverwalter.

Damit ist der Insolvenzverwalter auch nicht über die Maßen benachteiligt. Es entspricht seinen Pflichten, abzuschätzen, ob die Erfüllung des Bauvertrages und der damit zur Masse zu ziehende (Rest-) Werklohn es rechtfertigt, das Bauwerk mangelfrei fertig zu stellen. Danach hat er die Entscheidung zu treffen, ob es lohnt, den Betrieb des Schuldners aufrecht zu erhalten, oder, wenn dies unwirtschaftlich oder unmöglich erscheint, gegebenenfalls einen Drittunternehmer mit der Mängelbeseitigung zu beauftragen. In diesem Fall werden die (Nach-)Erfüllungsansprüche des Bestellers gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO sowie die Werklohnansprüche eines beauftragten Drittunternehmers nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten und es entsteht ein Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters nach § 61 Abs. 1 S. 2 InsO. Auch wenn entsprechende Entscheidungen im Einzelfall schwierig zu treffen sein mögen, weil der Bautenstand und die Mängel für den Insolvenzverwalter schwer zu beurteilen sein können, liegen sie in seinem ihm gesetzlich übertragenen Pflichtenkreis. Damit verbundene Risiken können mithin nicht als unzumutbar angesehen werden. Insbesondere stellen sie keinen sachlich gerechtfertigten Grund dar, dem Insolvenzverwalter wider die werkvertraglichen Grundsätze den für ihn deutlich einfacheren und haftungsrechtlich risikoärmeren Weg zu eröffnen, die Vertragserfüllung gem. § 103 InsO abzulehnen und im Anschluss dem Besteller die Vergütung zu berechnen, um diese im Streitfall gerichtlich geltend zu machen, im Zuge dessen die Mängel aufzuklären und die Kosten für deren Beseitigung bestimmen sowie diese durch Urteil von der Werklohnforderung in Abzug bringen zu lassen. Anders ausgedrückt: Kommt der Insolvenzverwalter den ihm gesetzlich übertragenen Pflichten nach, wird er sich für eine Vertragserfüllung entscheiden, wenn der ausstehende Werklohnanspruch die Kosten der mangelfreien Fertigstellung übersteigt. Er wird indes davon absehen, sofern die Kosten der Mängelbeseitigung die unbezahlte Vergütung erreichen oder übersteigen.

Schon aus diesem Grund lässt sich nicht einwenden, dass der Besteller mit seiner Entscheidung, keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen und damit den Bauvertrag unbeendet zu belassen, wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Zum einen wäre er dazu allein auf Grund einer vorangehenden, wirtschaftlichen Entscheidung des Insolvenzverwalters in der Lage. Überdies gilt Folgendes: Sobald feststeht, dass der Besteller das Werk dauerhaft mit den darin verkörperten Mängeln behält, die Mangelbeseitigung dauerhaft unmöglich wird oder der Besteller das Werk selbst bzw. durch einen Drittunternehmer fertigstellen lässt, entsteht ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von der Abnahme auslösendes Abrechnungsverhältnis (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490ff). Gleiches gilt, sobald der Besteller einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anmeldet. Vorliegend steht allerdings entgegen der Andeutungen der Berufung gerade nicht fest, dass die Beklagte die Arbeiten so belassen möchte. Sie befindet sich ausweislich ihres unwidersprochen gebliebenen Vortrags aus dem Streitverkündungsschriftsatz im Streit mit ihrem Auftraggeber.

Auch der Umstand, dass der Besteller im Falle des Schadensersatzverlangens wegen Nichterfüllung mit diesen Kosten gegenüber dem durch den Insolvenzverwalter geltend gemachten Werklohnanspruch aufrechnen kann (vgl. BGH NZBau 2005, 685, 686f), rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dies mag es für den Besteller attraktiver machen, den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Solange er dies indes nicht tut, entsteht kein Abrechnungsverhältnis.

Die von der Berufung darüber hinaus geltend gemachten Umstände vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, wie ein Verzug der Beklagten mit der Annahme von Mängelbeseitigungsarbeiten oder eine nicht bzw. zu niedrig geleisteten Sicherheit gem. § 650f BGB, lässt der Senat dahinstehen. Denn sie rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Insbesondere kommt eine Fälligkeit der Forderung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben aus den durch den Kläger dargestellten Gründen nicht in Betracht.

5. Allerdings war die Klage nicht als endgültig, sondern nur mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abzuweisen. Sollte die Beklagte oder ihre Auftraggeberin die Mängel beseitigen oder sie doch noch ihre Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen, träte ein Abrechnungsverhältnis ein.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die beschränkte Zulassung der Revision zugunsten des Klägers beruht darauf, dass die Frage, ob die Wahl der Nichterfüllung eines Werkvertrages durch den Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO unabhängig von der der Abnahme oder eines anderen Abnahmesurrogats ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis herbeiführt, höchstrichterlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten ist.

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine unangemessene Benachteiligung kann auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt.
2. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht.
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2024 – 13 U 97/23
vorhergehend:
LG Stuttgart, 04.04.2023 – 47 O 611/21

In dem Rechtsstreit

(…)

wegen Bürgenhaftung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 13. Zivilsenat – durch die Richterin am Oberlandesgericht ###, den Richter am Landgericht Dr. ### und die Richterin am Oberlandesgericht ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. Streitwert des Berufungsverfahrens: 406.097,00 Euro

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Bestimmungen zur Gestellung von Sicherheiten in einem Bauvertrag über die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens “###”, bestehend aus zwei Gebäuden mit insgesamt 52 Wohnungen, Freianlagen und Tiefgarage in der ###-Straße ### in ###. Die Beklagten werden hierbei als Bürgen der zwischenzeitlich insolventen Generalunternehmerin ### GmbH von der Klägerin (Bestellerin/Auftraggeberin) auf Zahlung von insgesamt 406.097,00 Euro in Anspruch genommen.

Der zwischen der Klägerin und der ### GmbH am 23.03.2016 geschlossene “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” (Anlage K 1 – nachfolgend “GU-Vertrag”, auf CD-ROM [wie alle Anlagen K 1 bis K 53]) enthält u.a. die folgenden Bestimmungen (wobei AN = Auftragnehmer/### GmbH, AG = Auftraggeber/Klägerin):

Ҥ 2 Vertragsgrundlagen

Der AN hat seine Leistungen aufgrund folgender Vertragsgrundlagen zu erbringen:

2.1 dieser Vertrag,

(…)

2.3 Für Bauleistungen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung.

(…)

2.8 lm Falle von Widersprüchen zwischen den Vertragsgrundlagen hat diejenige Angabe Gültigkeit, die zu einer höherwertigeren Ausführung des Bauvorhabens führen wird. Ist der Widerspruch hierdurch nicht aufzulösen, sind die erforderlichen Angaben dem Referenzobjekt (§ 3.8.1 dieses Vertrages) zu entnehmen. Sind aus dem Referenzobjekt keine Vorgaben ableitbar, gehen zeichnerische Angaben den textlichen vor. Soweit hierdurch der Widerspruch noch nicht gelöst wird, geht die vorstehend oder in der Auflistung in Anlage 2.2 zuerst genannte Vertragsgrundlage der später genannten Vertragsgrundlage vor.

(…)

§ 10 Zahlungen und Abrechnung

10.1 Für seine Leistungen erhält der AN zunächst Abschlagszahlungen nach Maßgabe des ggf. wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen anzupassenden Zahlungsplans (Anlage 2.2 ###). Die Höhe der jeweiligen Zahlung richtet sich nach dem tatsächlichen Leistungsstand, wobei jeweils 90 % des Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen zur Auszahlung gelangen. Der Sicherheitseinbehalt ist durch Erfüllungsbürgschaft eines deutschen Kreditinstituts oder eines deutschen Kreditversicherers gem. Muster AG ablösbar.

(…)

10.4. Alle Abschlagszahlungen sind, zuzüglich Mehrwertsteuer, 15 Werk-Tage nach Eingang einer prüffähigen Abschlagsrechnung fällig.

10.5 Die Schlusszahlungen erfolgt, ggfs. abzüglich des nachfolgend in § 13.3 dieses Vertrages bestimmten Einbehalts für Mängelansprüche in Höhe von 5 %, innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme und Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung.

(…)

§ 11 Abnahme der Leistungen des AN

11.1 Alle Leistungen des AN nach § 3 dieses Vertrages sind förmlich abzunehmen. Eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sowie eine Abnahme durch Ingebrauchnahme sind ausgeschlossen. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB bleibt unberührt. Teilabnahmen sind ausgeschlossen.

11.2 Der AN hat die vollständige Fertigstellung der ihm nach Maßgabe dieses Vertrages übertragenen Leistungen schriftlich anzuzeigen und die Abnahme der Leistungen zu beantragen. Eine Abnahmebegehung zur Erlangung der förmlichen Abnahme der dem AN übertragenen Leistungen hat innerhalb von 20 Werktagen nach Zugang der Anzeige beim AG zu erfolgen. Mit dem Abnahmeverlangen hat der AN dem AG folgende Unterlagen zu übergeben:

(1) Nachunternehmerverzeichnis

(2) Behördliche Genehmigungen, soweit diese nicht dem AG in direktem Wege zugestellt wurden

(3) Alle Prüftestate und Abnahmebescheinigungen von staatlichen Stellen oder hierfür besonders bestimmten Stellen, insbesondere Abnahmebescheinigungen des TÜV für diejenigen technischen Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(4) Alle vertraglich vereinbarten Nachweise über Eigenschaften von Baustoffen

(5) Alle Bedienungs-, Wartungs- und Pflegeanleitungen, Handbücher und sonstige Unterlagen für technische Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(6) Die gültigen Bestands- und Revisionspläne der baulichen Anlagen einschließlich Kalt- und Warmwasserzuleitungen, Heizungs-, Lüftungs-, Klimaanlagen, Elektroanlagen, Abwasserleitungen, Beförderungsanlagen, Feuerlöschanlagen sowie Werkstattzeichnungen der technischen Anlagen;

(7) Sämtliche Werkstatt- und Montagepläne

(8) Einweisungsprotokolle für Nutzer

Die Übergabe der vorstehenden Unterlagen ist Abnahmevoraussetzung, soweit der AN sie nicht von Dritten, die nicht selbst von ihm beauftragt sind (z.B. Behörden), nicht erhält oder vom AG selbst zu beschaffen sind. Sofern im Vertrag weitere Unterlagen genannt sind, sind diese spätestens vier Wochen nach Abnahme zu übergeben. (…)

§ 13 Sicherheiten

13.1 Erfüllungssicherheit

Der AN hat dem AG für die Erfüllung aller Ansprüche, die dem AG aus diesem Vertragsverhältnis gegenüber dem AN zustehen oder zustehen können, insbesondere Erfüllungsansprüche, Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel, Rückzahlungsansprüche bzgl. geleisteter Anzahlungen, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, Schadenersatzansprüche statt der Leistung oder aus sonstigen Gründen einschließlich deliktischer Ansprüche Sicherheit in Höhe von 5 % des Brutto-Vertragspreises gemäß § 7.1 dieses Vertrages (einschließlich MwSt.) zu leisten. Die Sicherheit hat auch künftige Ansprüche aus etwaigen Änderungs-, Ergänzungs-, Erweiterungs-, Zusatz oder Nachtragsvereinbarungen mit abzusichern. Im Übrigen hat die Sicherheit ebenfalls gesetzliche und vertragliche Rückgriffs- und Schadenersatzansprüche (einschließlich Bürgenregress- und Gesamtschuldnerausgleich) des AG gegenüber dem AN für den Fall, dass der AG,

• gem. § 1 a Arbeitnehmerentsendegesetz auf Mindestentgelt,

• nach den Vorschriften des SGB oder anderen gesetzlichen Vorschriften für Sozialversicherungsbeiträge/Unfallversicherungsbeiträge und andere Beiträge, die vom AN oder dessen Subunternehmern geschuldet werden;

• im Zusammenhang mit den Steuerabzugsverpflichtungen nach den §§ 48 bis 48d EstG, in Anspruch genommen werden, abzusichern.

Die Vertragsparteien haben als Sicherheit eine Bürgschaft vereinbart. Die Bürgschaft muss selbstschuldnerisch, unbefristet, unbedingt, unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit sowie der Aufrechenbarkeit mit anderen als unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen als auch auf Vorausklage sowie auf Hinterlegung ausgestellt sein. Die Bürgschaftsforderung muss deutschem Recht unterstehen; der Bürge muss seinen Geschäftssitz in Deutschland haben oder aber unwiderruflich einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland benennen. Sie muss auch ansonsten dem Muster in Anlage 10.1 entsprechen.

Die Bürgschaft ist binnen einer Frist von zwei Wochen nach Abschluss dieses Vertrages zu stellen. Solange die Bürgschaft nicht vorliegt, kann der AG den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe vornehmen (siehe oben § 10.1.). Er kann außerdem diesen Vertrag kündigen, wenn die Bürgschaft nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist nachgereicht wird.

13.2 Austausch der Sicherheiten

Der AN kann vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sowie Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen. Der AG kann nach seiner Wahl die Übergabe einer neuen Teilerfüllungssicherheit zur Absicherung folgender Ansprüche geltend machen:

(i) Anspruch auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel in Höhe des Nacherfüllungsinteresses (bis zum zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) sowie

(ii) Anspruch auf Erbringung von zurückgestellten, bis zur Abnahme nicht ausgeführten Leistungen in Höhe der hierfür anfallenden Vergütung

oder die Rückgabe der Erfüllungssicherheit gemäß § 13.1 dieses Vertrages in entsprechender Höhe (teilweise) verweigern.

13.3 Bürgschaft für Mängelansprüche

Für die Dauer der Mängelhaftung hat der AN dem AG für etwaige Mängelhaftungsansprüche Sicherheiten in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten (einschließlich MwSt.). Sicherheiten sind in Form von Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster in Anlage 13.3 zu erbringen, für die § 13.1 entsprechend gilt. Bis zur Überreichung kann der AG 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten. § 17 Abs. 6 VOB/B ist im Übrigen ausgeschlossen.

Nach Ablauf der jeweiligen Verjährungsfristen für die Mängelansprüche erfolgt eine entsprechende (Teil-)Freigabe. Im Hinblick auf folgende Gewerke, für die die Parteien eine zehnjährige Verjährungsfrist vereinbart haben, vereinbaren die Parteien, dass der AG die Bürgschaft für Mängelansprüche in Höhe von EUR ### (zweifacher Wert) erst nach Ablauf der zehnjährigen Gewährleistungsfrist freizugeben und dann die Urkunde zurückzugeben hat. (…)”

Die Beklagte zu 1) gab am 07.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” über eine Höchstbetragssumme von 175.000,00 Euro und am 23.09.2016 eine solche über einen Höchstbetrag von 31.097,00 Euro ab (Anlage K 2).

Die Beklagte zu 2) erteilte am 11.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” zum Höchstbetrag von 100.000,00 Euro und am 12.09.2016 eine weitere Bürgschaft zur Sicherstellung der “vertragsgemäßen Ausführung” und der “vertragsgemäßen Mängelansprüche” bis zu einem Betrag von 100.000,00 Euro (Anlage K 2).

Die ### GmbH beendete ihre Leistungen nicht vollständig. Mit Schreiben vom 02.05.2018 (Anlage K 16) erklärte die Klägerin die Kündigung des GU-Vertrags. Nach eigenem Insolvenzantrag der ### GmbH vom 02.11.2019 wurde am 01.01.2020 das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Die Klägerin nahm infolgedessen die Beklagten jeweils auf der Grundlage der übernommenen Bürgschaften auf Zahlung in Anspruch (Anlage K 31).

Im Einzelnen begehrt die Klägerin Ersatz von behaupteten Fertigstellungsmehrkosten und Mängelbeseitigungskosten, Ersatz für ihren Kunden (den Erwerbern) mangelbedingt erteilte Gutschriften, Ersatz sonstiger Schäden sowie Zahlung von Vertragsstrafe wegen behaupteter verschuldeter Überschreitung des Gesamtfertigstellungstermins. Auf Seite 4 f. ihrer Replik vom 24.06.2022 (eALG Bl. 206 f.), worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Klägerin überdies klargestellt, in welcher konkreten Reihen- und Rangfolge sie die behaupteten – jeweils nach Grund und Höhe streitigen – und in ihrer Summe die Höchstbeträge der streitgegenständlichen Bürgschaften übersteigenden Ansprüche – verteilt auf die vier Bürgschaften – geltend macht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 206.097,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten haben jeweils Klageabweisung betragt.

Sie sind den behaupteten Hauptforderungen im Einzelnen entgegengetreten und haben darüber hinaus die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 768, 812, 821 BGB) erhoben. Die Sicherungsabreden im GU-Vertrag, bei denen es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, hielten der erforderlichen Inhaltskontrolle nicht stand und seien unwirksam. Es liege eine Übersicherung vor, welche den Auftragnehmer (### GmbH) unangemessen benachteilige.

Die Beklagte zu 2) hat des Weiteren geltend gemacht, dass die Klägerin ihre am 12.09.2016 abgegebene Bürgschaft nicht akzeptiert habe und daher ohnehin keine Grundlage bestehe, aus dieser vorzugehen.

Für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und den übrigen landgerichtlichen Akteninhalt Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten könnten ihrer Inanspruchnahme als Bürgen aus § 765 BGB den ihnen nach §§ 768, 821 BGB im Verhältnis zur Klägerin zustehenden Einwand entgegenhalten, dass die zwischen der Klägerin und der ### GmbH zustande gekommenen Sicherungsvereinbarungen insgesamt nach §§ 305, 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien. Die von der Klägerin gestellte vertragliche Regelung in § 13 in Kombination mit den Regelungen in § 10 des GU-Vertrags benachteilige die ### GmbH unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Bei den maßgeblichen Vertragsbestimmungen handele es sich um formularmäßig vorgedruckte Regelungen der Klägerin. Diese seien nicht gemäß § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB im Einzelnen von den Parteien ausgehandelt worden. Vielmehr habe die Klägerin sie der ### GmbH einseitig gestellt. Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen könne sich nach der Rechtsprechung ein vom Verwender zu widerlegender Anschein ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert seien. Diesen Anschein erwecke der GU-Vertrag. Die einzelnen Reglungen bestünden aus einer Vielzahl von formelhaften Wendungen zur Regelung typischer konfliktgefährdeter Sachverhalte. Der Klägerin sei es trotz entsprechenden Hinweises nicht gelungen, diesen Anschein zu widerlegen. Das seitens der Klägerin geäußerte Bestreiten, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, sei nicht ausreichend. Tatsachen, die Anhaltspunkte zur Widerlegung des Anscheins böten, trage die Klägerin nicht vor.

Das von der Klägerin verwendete Klauselgefüge über die Stellung einer Vertragserfüllungs- und Mängelbürgschaft in Kombination mit dem unter § 10 geregelten Einbehalt stelle gemäß § 307 Abs. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH dar. Zusammenfassend lasse sich aus der Zusammenschau der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sagen, dass eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vorliege, wenn nach Abnahme des Werkes Ansprüche des Auftraggebers über einen nicht unerheblichen Zeitraum besichert würden, die nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme lägen. Dies sei ebenso der Fall, wenn für den Zeitraum vor Abnahme Ansprüche des Auftraggebers von über 10 % der Auftragssumme gesichert würden. Möglich sei auch, dass eine Kombination beider für sich genommen wirksamen Sicherungen zu einer Unwirksamkeit der Regelungen insgesamt führen könne, wenn diese sich überlappten und beide dem Auftraggeber zur Verfügung stünden. Gerade ein solcher Fall der Überlappung mehrerer Sicherheiten liege hier vor. Hierdurch bestehe die Gefahr, dass der Klägerin über den Zeitraum der Abnahme hinaus für Mängelansprüche sowohl die Erfüllungsbürgschaft (bzw. der Sicherheitseinbehalt von 10 %) als auch die Bürgschaft der Mängelansprüche (§ 13.3) zur Befriedigung zustünden.

Zunächst sei bereits zweifelhaft, ob sich eine Unangemessenheit und damit Unwirksamkeit dieser Abreden bereits mit Blick auf das Verhältnis von § 10.1 in Zusammenschau mit § 13.1 ergebe. § 10 regele, dass die Leistungen des Auftragnehmers nach dem Leistungsstand zu bezahlen und insoweit Abschlagszahlungen fällig seien, wobei nur 90 % zur Auszahlung gelangten. Dieser Sicherungseinbehalt in Höhe von 10 % könne durch eine Erfüllungsbürgschaft abgelöst werden. § 13.1 regele weiter zur Erfüllungssicherheit, dass der Auftragnehmer eine Sicherheit zur Erfüllung aller Ansprüche, insbesondere Erfüllungs- als auch Mängelansprüche, in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu leisten habe. Diese Regelungen legten den Anschein nahe, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % zu leisten habe, um den vollen Betrag seiner Abschlagsrechnungen zu erhalten, und daneben eine weitere Bürgschaft in Höhe von 5 %, die sowohl die Erfüllungsansprüche absichere und insoweit den gleichen Inhalt habe wie die unter § 10.1 geregelte Bürgschaft, als auch mögliche Gewährleistungsansprüche. Die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten mit sodann 15 % überschreite das Maß des Angemessenen. Dieser Auslegung stehe der letzte Absatz in § 13.1 nicht zwingend entgegen, wonach der Auftraggeber, solange die Bürgschaft nicht vorliege, den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe nach § 10.1 vornehmen könne. Soweit die Klägerin daraus folgere, dass die Sicherheiten in § 10 und § 13.1 eindeutig nicht kumulativ bestehen sollten, sei dies gerade mit Blick darauf, dass § 10 keinerlei Bezug auf § 13.1. nehme (wohingegen für die Schlusszahlungen in § 10.5 durchaus ein Bezug zu § 13.3 hergestellt werde), weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik zwingend, zumal in § 10.1. vorgeschrieben werde, dass die Sicherheit durch Erfüllungsbürgschaft “gem. Muster AG” abgelöst werden könne, wohingegen § 13.1. bereits im Vertragstext konkrete Vorgaben für die Bürgschaft mache und hier auf Anlage 10.1 als Muster verweise.

Deutlich werde die unangemessene Benachteiligung auch mit Blick auf § 13.1 sowie § 13.3, die letztlich beide zur Sicherung von Mängelansprüchen des Auftraggebers dienten. Nach dem Wortlaut in § 13.1 sichere die Erfüllungssicherheit alle Ansprüche des Auftraggebers, mithin sowohl Erfüllungs- als auch Mängelansprüche. § 13.3 regele eine zu stellende Sicherheit in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme für etwaige Mängelhaftungsansprüche, bis zu deren Vorlage der Auftraggeber 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme einbehalten könne. § 13.2 regele zum Austausch der Sicherheiten, dass die Erfüllungssicherheit nach Abnahme der Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und auch Gestellung der Sicherheit nach § 13.3 zurückverlangt werden könne. Der Auftraggeber könne jedoch nach seiner Wahl die Rückgabe der Erfüllungssicherheit verweigern oder eine neue Teilerfüllungssicherheit für die Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel sowie auf Erbringung nicht ausgeführter Leistungen nach § 13.2 verlangen. Durch die Vertragskonstruktion könne es zu einer Konstellation kommen, wonach die Klägerin durch die Kombination dieser Sicherheiten auch nach Abnahme Sicherheiten in Höhe von deutlich über 5 % der Auftragssumme einbehalte, was unter Berücksichtigung der Interessen des Auftragnehmers unangemessen sei. Der Auftraggeber habe durch das Wahlrecht in § 13.2 die Möglichkeit, zusätzlich zu der Summe von 5 % – auch noch längere Zeit nach der Abnahme, z.B. bei Streit über noch offene Forderungen des Auftragnehmers – eine Erhöhung der Bürgschaft um das Doppelte von Mängelbeseitigungskosten zu verlangen oder eben die Erfüllungsbürgschaft einzubehalten.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.

Soweit das Landgericht die maßgeblichen Vertragsbestimmungen im GU-Vertrag als der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB unterliegend ansehe, werde dem nach wie vor widersprochen und insoweit auf den Vortrag in erster Instanz verwiesen.

Die Auffassung des Landgerichts, dass die vertraglichen Sicherheitsabreden nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien, sei unzutreffend. Zunächst sei die Darstellung der Regelungen zur Erfüllungssicherheit aus dem GU-Vertrag im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unvollständig. Zwar würden die maßgeblichen Regelungen in § 10.1 und § 13.1 zutreffend zitiert. Das Erstgericht übersehe allerdings, dass die Vertragsparteien in § 2.3 die Geltung der “Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung” (seinerzeit die VOB/B 2012) vereinbart hätten. Bei der Erfüllungssicherheit hätten die Vertragsparteien – anders als explizit bei der Mängelsicherheit (§ 13.3) – die Regelung des § 17 Abs. 6 VOB/B nicht ausgeschlossen, so dass diese im Hinblick auf die vereinbarten Erfüllungssicherheiten in § 10.1 und § 13.1 vereinbart worden sei. Auch hätten die Parteien durch Einbeziehung der VOB/B 2012 ein alternatives Wahlrecht des Auftragnehmers gem. § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 vereinbart.

Soweit das Landgericht den Regelungen in § 10.1 und § 13.1 des GU-Vertrags die (mögliche) Verpflichtung entnehme, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % (zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts in § 10.1) zu leisten habe und daneben eine weitere Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % gem. § 13.1, sei eine solche “kundenfeindlichste” Auslegung nicht möglich und zulässig. Denn nach der vereinbarten Regelung in § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B 2012 dürfe der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt zwar – wie in § 10.1 des GU-Vertrags vorgesehen – bei den einzelnen Abschlagsrechnungen in Höhe von maximal 10 % vornehmen, allerdings insgesamt nur bis zur Höhe der vereinbarten Sicherheitssumme, welche in § 13.1 in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises vereinbart worden sei. Selbst wenn man die Gefahr einer Kumulation von Einbehalt/Ablösebürgschaft gem. § 10.1 und Vertragserfüllungsbürgschaft gem. § 13.1 annehmen wollte, so habe auch dann jedenfalls die Gefahr einer Erfüllungssicherheit von über 10 % des Bruttovertragspreises nicht bestanden, da sowohl Einbehalt/Ablösebürgschaft (§ 10.1 des GU-Vertrags i.V.m. § 17 Abs. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B), als auch Bürgschaft (§ 13.1 des GU-Vertrags) auf eine Höhe von je 5 % beschränkt gewesen seien, somit zusammen allenfalls maximal 10 % des Bruttovertragspreises erreicht hätten, was nicht zu beanstanden wäre. Die Möglichkeit einer Kumulation habe aber ohnehin angesichts der Regelungen in § 13.1 des GU-Vertrags nicht bestanden, da darin einerseits die höhenmäßige Begrenzung des in § 10.1 des GU-Vertrags vereinbarten Sicherheitseinbehalts (5 % des Bruttovertragspreises) durch das Wort “entsprechender” zum Ausdruck komme, andererseits auch, dass die Sicherheiten in Gestalt eines Werklohneinbehalts gemäß §§ 10.1, 13.1 bzw. einer Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß § 13.1 zwei Alternativen derselben Sicherheit verkörperten, so dass jede Kumulierung insoweit ausscheide. Diese Alternativität ergebe sich zusätzlich aus den vereinbarten Regelungen der VOB/B 2012, § 17 Abs. 6 Nr. 1 bzw. Nr. 3 [gemeint wohl: Abs. 3]. Auch die “kundenfeindlichste” Auslegung müsse sich im Rahmen der anerkannten Auslegungsgrundsätze bewegen. Wenn das Landgericht darauf abstellen wolle, dass der Konnex von § 13.1 und § 10.1 zwar durch die vorgenannten Verweise in § 13.1 aufgezeigt werde, es aber in § 10.1 an korrespondierenden Verweisen wiederum auf § 13.1 fehle, so überzeuge dies nicht. Das Gericht verkenne, dass im Rahmen von § 307 BGB zwar grundsätzlich eine einzelklauselbezogene Würdigung erfolge, bei dem zugrunde zu legenden Klauselinhalt und dessen Auslegung – auch nach § 305c Abs. 2 BGB – jedoch nicht nur der Wortlaut der jeweiligen Einzelklausel zu berücksichtigen sei, sondern auch deren erkennbarer Sinn und Zweck sowie systematische Gesichtspunkte. Eine Formularklausel sei vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren. Demgegenüber verstoße es gegen die Grenzen zulässiger Auslegung, wenn eine Klausel isoliert und aus dem Zusammenhang des Gesamtklauselwerks gerissen interpretiert werde. Dies müsse umso mehr gelten, wenn sich, wie es das Landgericht unzutreffend meine, eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB ohnehin gerade erst aus einer Gesamtschau und Kumulierung der Rechtsfolgen beider Vertragsbestimmungen herleiten lassen solle.

Auch die Annahme einer unangemessenen “Überlappung” der Sicherungen nach § 13.1 bis § 13.3 des GU-Vertrags sei unzutreffend. Aus § 13.1 ergebe sich zwar, dass die dortige Vertragserfüllungssicherheit auch Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel sichern solle. Insofern sicherten sowohl die Vertragserfüllungssicherheit gem. § 13.1 als auch die Mängelsicherheit gem. § 13.3 Mängelansprüche, die bei Abnahme entstanden seien oder nach Abnahme entstünden. Ebenso eindeutig sei aber durch § 13.2 Satz 1 geregelt, dass der Auftragnehmer die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und Stellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen könne. Es sei somit ein durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungssicherheit vereinbart, sodass die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Unangemessenheit sprechende Konstellation, dass die Mängelansprüche sichernde Vertragserfüllungssicherheit “längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss” gerade nicht bestehe. Unbeachtlich sei insoweit, ob eine Mängelbürgschaft durch den Auftragnehmer gestellt werde, oder der Auftraggeber einen Einbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme vornehme. Unbeachtlich sei auch, dass der Anspruch des Auftragnehmers auf Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit nach § 13 Abs. 2 Satz 1 des GU-Vertrags – im Vergleich zum Wortlaut des § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B – zusätzlich von der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung abhängig gemacht werde. Denn erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sei die Berechnung der Höhe der Mängelsicherheit überhaupt möglich; der Auftragnehmer habe es zudem ab Abnahme selbst in der Hand, seine prüffähige Schlussrechnung alsbald nach Abnahme zu stellen – bzw. sei gemäß § 14 Abs. 1 und 3 VOB/B sogar ohnehin gehalten, dies kurzfristig nach Abnahme zu tun.

Demgemäß könne sich eine Unangemessenheit nur aus den weiteren Regelungen in § 13 Abs. 2 Satz 2 des GU-Vertrags ergeben. Jedoch bestehe bei keiner der dort vorgesehenen Konstellationen die Gefahr einer unangemessenen Übersicherung: Fordere der Auftraggeber nach § 13.2 Satz 2 Alt. 1 eine (neue) Teilerfüllungssicherheit (nur) zur Absicherung bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel (maximal in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands), so führe dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung. Dem Auftraggeber stehe nämlich von Gesetzes wegen ohnehin das Recht auf Zahlungseinbehalt in angemessener Höhe nach §§ 641 Abs. 3 BGB, § 632a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F zu. Nachdem dem Auftragnehmer zudem gemäß § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 die Wahl unter den verschiedenen Arten der Sicherheit verbleibe, könne dieser sogar auswählen, ob diese Sicherheit durch entsprechende Einbehalte an seinem Werklohn oder durch Bürgschaft geleistet werden solle. Die ihm so zustehende Ablösemöglichkeit eines Einbehalts gem. §§ 641 Abs. 3/632a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. stelle somit für den Auftragnehmer eine Verbesserung gegenüber der gesetzlichen Lage dar; an Stelle des gesetzlich (nur) vorgesehenen Einbehalts von Werklohnliquidität könne er gemäß § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eine Bürgschaft stellen, die seine Liquidität weniger belaste und das Risiko einer Insolvenz des Auftraggebers ausblende. Mache der Auftraggeber demgegenüber von seinem Wahlrecht in § 13 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 des GU-Vertrags Gebrauch und verweigere wegen bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel teilweise die Rückgabe der Erfüllungssicherheit, so stehe ihm neben der bereits übergebenen Sicherheit für Mängelansprüche nicht etwa die gesamte Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 in voller Höhe zusätzlich zur Absicherung von Mängeln nach Abnahme zur Verfügung, sondern eben nur teilweise und nur zur Absicherung eines Anspruchs auf Beseitigung der bei Abnahme festgehaltenen Mängel. Angesichts dessen, dass dem Auftraggeber auf der Grundlage der §§ 632a Abs. 1 S. 3, 641 Abs. 3 BGB a. F. ein Recht zum Einbehalt von Werklohnzahlungen wegen des Anspruchs auf Beseitigung der Abnahmemängel zustehe, ergebe sich auch insoweit allenfalls eine verbesserte Position des Auftragnehmers gegenüber der gesetzlichen Regelung. Und der Auftraggeber habe – anders als der Auftragnehmer gemäß dem ergänzend vereinbarten § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 – auch kein Wahl- bzw. Austauschrecht mehr dahingehend, doch stattdessen seinerseits einen Einbehalt von Werklohnliquidität wegen Abnahmemängeln vornehmen zu können. Aus dem in beiden Alternativen des § 13.2 eingeschränkten Sicherungszweck folge zudem, dass eine inhaltliche und zeitliche Parallelität und “Überlappung” einer Sicherung gemäß § 13.2 zu einer Sicherung gemäß § 13.3 im Stadium nach Abnahme allenfalls in ausgesprochen eingeschränktem Umfang entstehen könne, der eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB nicht auslösen könne. Die Überlegung des Landgerichts, dass § 13.2 des GU-Vertrags es dem Auftraggeber ermögliche, auf unangemessene Weise die Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 (teilweise) zurückzuhalten, weil mit dem Auftragnehmer Streit über das Bestehen von Mängeln bei Abnahme entstehen könne, verkenne, dass auch § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B dem Auftraggeber die Möglichkeit eröffne, Teile einer Vertragserfüllungssicherheit wegen noch offener Ansprüche zurückzubehalten, die in den Sicherungszweck dieser Sicherheit fielen. Auch über das Bestehen solcher Ansprüche könne Streit mit einem Auftragnehmer entstehen, der sich potenziell über längere Zeit hinziehen könne. Gleichwohl erkenne die Rechtsprechung eine solche Regelung ohne Weiteres an.

Schließlich führe, selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Regelung in § 13.2. Satz 2 des GU-Vertrags zusätzlich zur Mängelsicherheit nach § 13.3. als solche eine Unangemessenheit bewirkte, dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht zur Unwirksamkeit der Sicherheitenabreden insgesamt. Insbesondere bliebe die Wirksamkeit von § 13.1 des GU-Vertrags (samt Rückgaberegelung in § 13.2 Satz 1) als Rechtsgrund für die von der ### GmbH ursprünglich gestellten Vertragserfüllungssicherheiten, aus denen die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ihre Klageforderungen herleite, unberührt. Eine solche Beschränkung sei auch keine unzulässige “geltungserhaltende Reduktion”.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 206.097,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 200.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil als richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 01.02.2024 (eAOLG Bl. 114 ff.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagten können der Inanspruchnahme aus den von ihnen übernommenen Bürgschaften gemäß §§ 768 Abs. 1 Satz 1, 812, 821 BGB die Einrede entgegenhalten, die ### GmbH habe die Bürgschaften ohne rechtlichen Grund gestellt.

1. Der Bürge kann gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Hat der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, so kann er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des Akzessorietätsgedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht mehr zu leisten hat als der Hauptschuldner (BGH, Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 14; Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 15; Urt. v. 12.02.2009 – VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374, Rn. 9; Urt. v. 23.01.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 316 m.w.N.).

2. Bei den in Rede stehenden und eingangs auszugsweise zitierten Regelungen im GU-Vertrag, namentlich dessen §§ 10, 11 und 13, handelt es sich zur Überzeugung des Senats um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die seitens der Klägerin ihrer Vertragspartnerin, der ### GmbH, im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt wurden. Das Landgericht hat diese Feststellung mit zutreffender Begründung und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 26.02.2004 – VII ZR 247/02 -; Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102) auf einen diesbezüglichen Anscheinsbeweis gestützt. Der mit “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” überschriebene GU-Vertrag (Anlage K 1) ist auf seiner ersten Seite mit dem Schriftzug und dem Logo der Klägerin versehen und enthält zahlreiche Regelungen, darunter auch die hier maßgeblichen Bestimmungen, die nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt sind. Des Weiteren finden sich darin Platzhalter und Verweise auf “Muster” des Auftraggebers (so etwa in § 10.1 oder in § 13.1 und § 13.3). Die Klägerin hat den Anschein des Vorliegens von AGB nicht erschüttert, geschweige denn widerlegt. Sie hat in erster Instanz lediglich ohne jede Substantiierung bestritten, dass es sich bei den maßgeblichen Bestimmungen um von ihr gestellte AGB handeln solle. Auch in der Berufungsbegründung verweist sie insoweit nur auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne diesen zu vertiefen oder überhaupt erstmals tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorzutragen, die gegen eine Einordnung der hier maßgeblichen Bestimmungen als AGB sprechen könnten.

3. Die Sicherungsabrede in § 13.1 des GU-Vertrags ist unwirksam, weil sie in der Gesamtschau mit § 13.2, den Bestimmungen zu den Abnahmevoraussetzungen in § 11.1 und 11.2 sowie mit der Regelung in § 13.3 den Auftragnehmer im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Letztlich offenbleiben kann damit, ob die Regelung in § 13.1 darüber hinaus – und davon unabhängig – auch wegen ihres Zusammenspiels mit § 10.1 des GU-Vertrags unwirksam ist (dazu unter 4.).

a) Das Landgericht hat – wie die Klägerin in der Berufungsbegründung konzediert – die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dazu, wann eine formularmäßige Regelung in einem Bauvertrag über die Stellung von Vertragserfüllungs- und Mängelgewährleistungssicherheiten gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt, zutreffend zusammengefasst. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht (BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 24; Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 18 m.w.N.).

Als AGB sind die formularmäßigen Vertragsbestimmungen dabei gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Sind danach mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen Zweifel bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben (nur solche) Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind. Nach diesen Grundsätzen ist auch im Individualprozess gemäß § 305c Abs. 2 BGB die “kundenfeindlichste” (hier: “auftragnehmerfeindlichste”) bzw. “verwenderfreundlichste” Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese im Rahmen einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Vertragspartner des Verwenders begünstigt (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 27).

b) Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze halten die Bestimmungen in den §§ 13.1, 13.2 und 13.3 GU-Vertrag in ihrer Gesamtschau der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Unwirksamkeit ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenspiel der Regelungen.

aa) Nach § 13.1 des GU-Vertrags hat der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu stellen, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch “Mängelansprüche einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel” absichert. Des Weiteren hat der Auftragnehmer nach § 13.3 für die Dauer der Mängelhaftung Sicherheiten für etwaige Mängelhaftungsansprüche in Form von Mängelhaftungsbürgschaften in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten, bis zu deren Überreichung der Auftraggeber 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten kann, wobei § 17 Abs. 6 VOB/B im Übrigen ausgeschlossen sein soll (§ 13.2 Satz 4). Nach dem Wortlaut der Regelungen in den §§ 13.1 und 13.3 des GU-Vertrags sichern demnach beide Sicherheiten Mängelansprüche ab.

bb) Soweit § 13.2 Satz 1 ein Zurückverlangen der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftragnehmer vorsieht, ist diese Möglichkeit des Zurückverlangens an bestimmte qualifizierte Voraussetzungen geknüpft. Solange diese qualifizierten Voraussetzungen gemäß § 13.2 Satz 1 nicht erfüllt sind, kann der Auftraggeber mithin trotz Erbringung der nach § 13.3 geschuldeten Bürgschaft für Mängelansprüche (oder – bei Nichtbeibringung derselben – des Bareinbehalts in Höhe von 5 % nach § 13.3 Satz 3) die Rückgabe der Erfüllungssicherheit nach § 13.1 verweigern. Hieraus allein ergibt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont und der maßgeblichen “kundenfeindlichsten” Auslegung der getroffenen Regelungen bereits die Möglichkeit einer Überlappung der Sicherheiten für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahmereife. Dies ist für sich genommen schon nicht unproblematisch.

So knüpft § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Sicherheit nach § 13.1 zum einen an die Abnahme, die ihrerseits in § 11.2 an bestimmte zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist, und zum anderen an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung an. Weitere Rückgabevoraussetzung ist die “Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche”, wobei sich der Regelung nicht entnehmen lässt, dass diese “Gestellung”, wie die Klägerin meint, auch bereits in dem Einbehalt des Auftraggebers in Höhe der 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme liegen kann. Vielmehr wird – ausdrücklich abweichend von § 17 Abs. 3 VOB/B – in § 13.3 Satz 2 GU-Vertrag auf “Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster” abgestellt und dem Auftragnehmer insoweit gerade kein Wahlrecht belassen.

(1) Problematisch hieran ist insbesondere schon, dass bereits die “Abnahme” selbst in § 11.2 des GU-Vertrags an qualifizierte Voraussetzungen geknüpft wird, die über die gesetzlichen Voraussetzungen der Abnahmereife hinausgehen, nämlich an die Übergabe der dort genannten Unterlagen, ohne danach zu differenzieren, ob es sich dabei um wesentliche oder unwesentliche Restleistungen handelt. Außerdem nimmt § 11.2 Satz 3 (8) mit der Pflicht des Auftragnehmers zur Übergabe der “Einweisungsprotokolle für Nutzer” an den Auftraggeber letztlich auf § 3.6.6 des GU-Vertrags Bezug, worin es heißt: “Der AN weist das Bedienungspersonal des AG, und/oder der Käufer und/oder der künftigen Verwalter, insbesondere die Hausmeister nach deren Bestellung, in die Bedienung der technischen Anlagen im erforderlichen Umfang, auch nach Fertigstellung und ggfs. mehrmals (max.2), ein.” Hiernach bleibt weitgehend unklar, welche Einweisungen erfolgt und durch Einweisungsprotokolle belegt werden müssen, um die Abnahmevoraussetzungen zu schaffen. Schon dies birgt die Gefahr in sich, dass die Abnahme seitens des Auftraggebers (der Klägerin) trotz vorhandener Abnahmereife wegen des Fehlens (nicht ausschließbar) unwesentlicher Unterlagen oder Einweisungen hinausgezögert wird, und dass deshalb die Vertragserfüllungssicherheit nach § 13.1 trotz bereits von der Auftragnehmerin (### GmbH) erbrachter Mängelgewährleistungsbürgschaft oder – in Ermangelung dessen – vorhandenen weiteren 5 %-Einbehalts (§ 13.3 Satz 3 des GU-Vertrags) für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nicht zurückgegeben werden muss.

(2) Soweit § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit darüber hinaus an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung knüpft, trifft zwar das Argument der Klägerin zu, dass der Auftragnehmer ohnehin nach § 14 Abs. 3 VOB/B verpflichtet ist, zeitnah nach Fertigstellung eine prüffähige Schlussrechnung einzureichen, und dass ohne eine solche die Höhe der Gewährleistungsbürgschaft (5 % der Schlussrechnungssumme) schon nicht bestimmt werden kann. Allerdings dürfte eine Schlussrechnung – selbst wenn sie nicht prüfbar sein sollte – eher selten zum Nachteil des Auftragnehmers einen zu niedrigen Betrag aufweisen, so dass mit der Vorlage der Schlussrechnung (auch ohne die Voraussetzungen ihrer Prüfbarkeit) und der Gestellung der sich hieraus errechnenden Mängelgewährleistungssicherheit zumindest in der Regel den Interessen des Auftraggebers hinreichend Genüge getan wird, wohingegen sich Streitigkeiten über die Prüfbarkeit der Schlussrechnung durchaus länger hinziehen können.

Der Gesichtspunkt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft (zugunsten des Auftraggebers) auch Rückzahlungsansprüche wegen Überzahlungen sichert, die ggf. erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung festgestellt werden können, trägt ebenfalls nicht. Denn der Auftraggeber wird insoweit bereits dadurch geschützt, dass er nach § 10.1 des GU-Vertrags nur Abschlagszahlungen im Umfang des “Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen” leisten muss, und zwar auch hier nur unter der weiteren Voraussetzung des Eingangs einer “prüffähigen Abschlagsrechnung” (§ 10.4). Überdies bleibt die Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlusszahlung (§ 10.5).

cc) Eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH als Auftragnehmerin folgt jedenfalls aus dem Zusammenspiel der vorgenannten Regelungen in Verbindung mit der – ihrerseits schon für sich genommen die ### GmbH unangemessen benachteiligenden – Regelung in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags:

(1) Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass (zumindest nach der “auftragnehmerfeindlichsten” bzw. “auftraggeberfreundlichsten” Auslegung) sowohl die Erfüllungsbürgschaft nach § 13.1 als auch die “Bürgschaft für Mängelansprüche” nach § 13.3 Mängelansprüche nach Abnahme einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel sichern. Dann kann aber die dem Auftraggeber (also nicht etwa dem Auftragnehmer, wie § 17 Abs. 3 VOB/B es ansonsten vorsähe) in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eingeräumte Wahlmöglichkeit, nach der dieser – wahlweise zur Geltendmachung der Übergabe einer Teilerfüllungssicherheit – die Rückgabe der Erfüllungssicherheit in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands für sog. Protokollmängel sowie in Höhe der anfallenden Vergütung für bis zur Abnahme noch nicht ausgeführte Leistungen verweigern kann, dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Auftraggeber zu Unrecht Protokollmängel erhebt und hierüber Streit entsteht. Auch bei berechtigten Ansprüchen auf Beseitigung von bei Abnahme festgestellten Mängeln oder Vornahme von Restarbeiten kann sich deren Erledigung über einen nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahme hinziehen. Dabei kann der zweifache Beseitigungsaufwand je nach Sachlage durchaus eine Größenordnung erreichen, bei der zusammen mit der Sicherheit nach § 13.3 des GU-Vertrags die Schwelle von 5 % der Vertragssumme nicht nur unwesentlich überschritten wird (vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 12.05.2016 – 22 U 34/15, juris Rn. 45 ff.).

(2) Nach Auffassung des Senats lässt sich auch nicht argumentieren, dass die nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) zurückbehaltene Erfüllungssicherheit nur noch die Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten und die zusätzliche Mängelhaftungssicherheit nur Ansprüche wegen bei Abnahme noch nicht entdeckter Mängel sichere, sich die Sicherungszwecke also gar nicht überschnitten. Ein solches Verständnis gibt jedenfalls die “auftragnehmerfeindlichste” Auslegung nicht her. Zwar dürfte dann, wenn der Auftraggeber sein Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2, 1. Alt. dahin ausübt, dass er eine neue Teilerfüllungssicherheit verlangt, hinreichend klar sein, dass diese dann nur noch die vorbehaltenen Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten sichert. Wählt er aber die teilweise Verweigerung der Rückgabe der Erfüllungssicherheit “in entsprechender Höhe”, dann ergibt sich aus der Klausel gerade nicht eindeutig, dass dann (neben der höhenmäßigen Begrenzung auf den zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) auch der ursprüngliche Sicherungszweck der Erfüllungsbürgschaft auf Protokollmängel und Restarbeiten beschränkt sein soll. Daher erscheint ein Klauselverständnis jedenfalls nicht fernliegend, wonach der einbehaltene Teil der Erfüllungsbürgschaft auch weiterhin Mängelansprüche generell sichert, also auch solche wegen bislang unbekannter Mängel, etwa auch solcher, die in dem Zeitraum, in dem der Auftragnehmer Protokollmängel und Restarbeiten erledigt, erst zu Tage treten. Demgemäß fehlt auch eine eindeutige Regelung, dass die teilweise einbehaltene Erfüllungsbürgschaft schon vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zurückzugeben ist, sobald die Protokollmängel und vorbehaltenen Restarbeiten erledigt sind.

Ebenso wenig lässt sich – umgekehrt – den Regelungen in den §§ 13.1 bis 13.3 entnehmen, dass die Mängelsicherheit in § 13.3. nicht auch Ansprüche wegen sog. Protokollmängel erfassen soll. Selbst wenn man also eine Einschränkung des Sicherungszwecks der nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) einbehaltenen Sicherheit auf Protokollmängel und Restleistungen annehmen wollte, dann bliebe immer noch die Möglichkeit einer Überlappung mit § 13.3, weil auch dort Mängelansprüche abgesichert sind und hierunter auch Protokollmängel zu verstehen sind.

(3) Soweit die Klägerin weiter damit argumentiert, dass der Auftragnehmer durch die Klausel in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags sogar bessergestellt sei als bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn eine solche Besserstellung würde ein Klauselverständnis voraussetzen, dass der Auftraggeber neben seinem Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2 nicht auch noch kumulativ ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ausüben können soll. Ein solches Verständnis ist aber wiederum nicht zwingend und jedenfalls nicht eindeutig im GU-Vertrag geregelt. Nach der von der Klägerin selbst zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 08.07.1982 – VII ZR 96/81) hindert ein vereinbarter Sicherheitseinbehalt den Auftraggeber auch nach Abnahme der Werkleistung grundsätzlich nicht, die Zahlung fälligen Werklohnes wegen mangelhafter Ausführung des Werkes zu verweigern. Gleiches dürfte dann aber auch für eine anstelle eines Sicherheitseinbehalts vereinbarte Bürgschaft gelten. Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass die Leistungsverweigerung gemäß § 320 BGB (das erst später eingefügte Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ist nichts anderes als eine Ausprägung des § 320 BGB) über die Sicherung des Anspruchs hinaus auf den Auftragnehmer Druck auszuüben solle, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt. Daher könne die Einrede des § 320 BGB auch nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden (§ 320 Abs. 1 Satz 3 BGB). Solange der Nachbesserungsanspruch bestehe, stehe dem Auftraggeber daher grundsätzlich neben dem Sicherheitseinbehalt ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Werkmängeln zu (BGH, aaO.). Auch wenn eine beträchtliche Sicherheit nicht ohne Belang für die Höhe einer berechtigten Leistungsverweigerung sein möge, brauche sich der Auftraggeber doch nicht wegen Werkmängeln, deren Beseitigungskosten vom Sicherheitsbetrag gedeckt seien, allein auf diesen verweisen zu lassen. Er dürfe vielmehr einen weiteren erheblichen Betrag zurückbehalten, welcher erforderlich erscheine, den Auftragnehmer zur schleunigen Nachbesserung anzuhalten. Die Höhe des Betrags, den der Auftraggeber gemäß § 320 BGB zurückbehalten dürfe, hänge von den jeweiligen Umständen mit Rücksicht auf Treu und Glauben ab (BGH, aaO.).

Nach alledem geht der Bundesgerichtshof allenfalls von einer Reduzierung des Druckzuschlags, aber nicht von einem Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts aus. Solange also in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags nicht eindeutig geregelt ist, dass – entgegen der gesetzlichen Wertung in § 320 Abs. 1 Satz 3 BGB – die neue Teilerfüllungssicherheit oder – nach Wahl des Auftraggebers – die teilweise Einbehaltung der Erfüllungssicherheit wegen Protokollmängeln und Restleistungen an die Stelle des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB treten soll, stellt sich die Regelung nicht als vorteilhaft für den Auftragnehmer dar, der im Übrigen auch nicht danach gefragt werden muss, ob er im konkreten Fall die teilweise Zurückbehaltung der Erfüllungsbürgschaft einem Mängeleinbehalt nach § 641 Abs. 3 BGB vorzieht. Eine angebliche Abwendungsmöglichkeit dieses Einbehalts durch den Auftragnehmer folgt auch nicht aus § 17 Abs. 3 VOB/B, wonach dieser die Wahl unter verschiedenen Sicherheiten hat und eine Sicherheit durch eine andere ersetzen kann. Bei dem Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB handelt es sich schon nicht um eine “Sicherheit” im Sinne des § 17 VOB/B, da es nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur der Sicherung von Ansprüchen des Auftraggebers dient, sondern Ausdruck des vertraglichen Synallagmas ist und überdies auf den Auftragnehmer Druck auszuüben soll, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt.

(4) Vor diesem Hintergrund stellt es sich überdies als unangemessen dar, dass § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags das Verlangen einer Teilerfüllungssicherheit oder – wahlweise für den Auftraggeber – die Einbehaltung der Erfüllungsbürgschaft (zusätzlich zur Mängelbürgschaft nach § 13.3) bis zur Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands ermöglicht. Eine Bürgschaft sichert nämlich letztlich immer nur Zahlungsansprüche und nicht unmittelbar den Anspruch auf Mängelbeseitigung. Daher ist auch ein “Druckzuschlag” regelmäßig nicht vom Sicherungszweck einer Bürgschaft erfasst (so auch BGH, Urt. v. 26.03.2015 – VII ZR 92/14).

c) Die aus der Gesamtschau der Bestimmungen in § 13 des GU-Vertrags (auch in Verbindung mit den qualifizierten Abnahmevoraussetzungen des § 11 Abs. 2) folgende unangemessene Benachteiligung der ### GmbH führt wegen der Unteilbarkeit der Regelungen (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 36) zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers erst aus der Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, sind beide Klauseln unwirksam. Denn es ist nicht Sache des Gerichts auszusuchen, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll (BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 27; Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29; Urt. v. 17.01.1989 – XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 263 m.w.N.). Gleiches gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für den Fall, dass eine der beiden Klauseln bereits für sich genommen unwirksam ist (BGH, Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29 m.w.N.).

bb) Dies zugrunde gelegt kann vorliegend § 13.1 GU-Vertrag, da die dort geregelte Bürgschaft auch Mängelansprüche nach Abnahme sichert und somit eine Überschneidung mit der Bürgschaft nach § 13.3 droht, ohne die Rückgaberegelung in § 13.2 keinen Bestand haben. § 13.2 kann aber wiederum nicht ohne Weiteres in einen unzulässigen und einen zulässigen Teil aufgespalten werden. Innerhalb von § 13.2 stößt, wie ausgeführt, bereits die Regelung in § 13.2 Satz 1 für sich genommen mit Blick auf die qualifizierten Voraussetzungen der Abnahme in § 11.2 sowie das weitere Erfordernis der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung zumindest auf Bedenken. Jedenfalls in Verbindung mit der Regelung in § 13.2 Satz 2 BGB wird die Schwelle einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers überschritten. Dann ist es aber nicht Sache des Gerichts, hier durch Streichung einzelner Klauseln oder Klauselteile – etwa des gesamten § 13.2 Satz 2 und in § 13.2 Satz 1 der Wörter “vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung”, des Worts “prüffähigen” und/oder einzelner Regelungen in § 11.2 – eine noch hinnehmbare Regelung zu generieren. Überdies erhielte die Klausel dadurch einen von ihrem ursprünglichen Inhalt grundsätzlich abweichenden Regelungsgehalt, der letztlich zu einer der Intention des Klauselverwenders entgegenstehenden abweichenden Vertragsgestaltung führen würde (vgl. BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 28).

cc) Die Rückgaberegelung in § 13.2 GU-Vertrag lässt sich auch nicht insgesamt durch Rückgriff auf § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B ersetzen (sodass § 13.1 für sich genommen bestehen bleiben könnte), nachdem die Parteien mit § 13.2 gerade eine von § 17 Abs. 8 VOB/B abweichende Regelung vereinbart haben, die bei “Widersprüchen” vorgehen sollte (vgl. § 2.8 GU-Vertrag). Dass im Fall der Unwirksamkeit der vorgehenden Klausel dann doch auch insoweit die VOB/B gelten sollte, lässt sich dem GU-Vertrag gerade nicht entnehmen (vgl. auch BGH, Urt. v. 25.03.2015 – VII ZR 92/14, Rn. 43). Im Gegenteil sieht § 20.4 des Vertrags vor, dass in diesem Fall eine “angemessene” Regelung gelten soll, die der unwirksamen Regelung am nächsten kommt. Allerdings sind Klauseln, nach denen eine Regelung gelten soll, die einer nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksamen Klausel soweit wie möglich entspricht, wegen Verstoßes gegen § 306 Abs. 2 ebenfalls nach § 307 BGB unwirksam (vgl. BGH, aaO., Rn. 45 m.w.N).

4. Nach alledem kann offenbleiben, ob sich die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede auch daraus ergibt, dass bei “auftragnehmerfeindlichster” Auslegung die Regelungen in § 10.1, 13.1 und 13.3 Satz 3 GU-Vertrags im Zusammenspiel dazu führen können, dass der Auftragnehmer während des Erfüllungsstadiums (vor Abnahme) Sicherheiten von mehr als 10 % der Auftragssumme stellen muss, oder ob das Verständnis und Verhältnis dieser Regelungen zueinander insoweit in einem Maße unklar ist, dass sie schon deswegen wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam sind.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe, die die Zulassung gem. § 543 Abs. 2 ZPO gebieten, nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und es werden auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, die eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung erforderlich machen. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Grundsätze zur Inhaltskontrolle formularmäßiger Sicherheitsabreden in Bauverträgen einschließlich Fragen der Gesamt- oder Teilunwirksamkeit sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischenzeitlich im Wesentlichen geklärt. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf das vorliegende Klauselwerk.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

von Thomas Ax

Ein Leitungswasserschaden wegen teilweise fehlender Isolierung an den Pressfittingen der verbauten Warmwasserleitungen verletzt nicht das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Integritätsinteresse für den geltend gemachten Schaden. Die Stoffgleichheit mit dem Mangelunwert ist gegeben. Der behauptete Mangel war “nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise zu beheben” (BGH, Urteil vom 23.02.2021 – VI ZR 21/20, Rz. 16, IBRRS 2021, 0841), weil die Wasserleitung mit Fußboden, Wand und Estrich in der Weise verbunden war, dass ein Auswechseln nur unter Zerstörung der anderen Bauteile möglich war. Die Bestellerin der Werkleistung hat bei Fertigstellung ein Gebäude erhalten, bei dem nicht nur die Wasserleitungen, sondern auch die damit verbundenen Teile des Fußbodens und der Wände vom Mangel betroffen waren und die Fehlstellen bis zum Eintritt der Leckage weder geortet waren noch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand hätten beseitigt werden können, sondern nur durch Komplettaustausch.

OLG Celle, Urteil vom 06.03.2023 – 6 U 35/22

Keine Zahlung von Werklohn, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif

Keine Zahlung von Werklohn, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif

von Thomas Ax

Die Klage des Bauunternehmers auf Zahlung von Werklohn wird abgewiesen, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif ist und somit die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Werklohnes nicht erfüllt sind.

Gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten.

Zwar kann grundsätzlich auch die bloße Abnahmereife zur Fälligkeit des Werklohnanspruches führen (vgl. dazu m.N. OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 17. Mai 2021 – 13 U 365/21). Eine solche Abnahmereife liegt bei wesentlichen Mängeln nicht vor.

Ein Werk ist dann frei von Mängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat, § 633 Abs. 2 S. 1 BGB.

Der Unternehmer schuldet nicht nur die Umsetzung einer möglicherweise fehlerhaften Leistungsbeschreibung, sondern einen funktionalen Bauerfolg. Widersprechen die „geschriebenen“ Vertragsbestandteile den allgemeinen Regeln der Technik, so ist der Unternehmer dennoch verpflichtet, ein mangelfreies Werk zu erbringen (vgl. von Rintelen in Messerschmidt/Voit, 4. Auflage 2022, Kapitel H Rn. 3). Denn zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich dabei nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll (vgl. etwa OLG Braunschweig, Grund- und Teilurteil vom 08. Dezember 2016 – 8 U 111/15).

Ein wesentlicher Mangel liegt in der Regel vor, wenn er nach Art, Umfang und/oder Auswirkung von solchem Gewicht ist, dass dem Besteller vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung die Übernahme des Bauwerkes nicht zugemutet werden kann. Unwesentlich ist demgegenüber ein Mangel oder eine fehlende Restleistung, wenn es dem Besteller zumutbar ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen, und das Interesse des Bestellers an einer Beseitigung verbliebener Mängel vor Abnahme im Einzelfall nicht schützenswert erscheint. Maßgebend für die Beurteilung sind hierbei Art und Umfang der noch ausstehenden Restleistungen und der vorhandenen Mängel sowie ihre konkreten Auswirkungen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien. Die Grenze der Wesentlichkeit wird deshalb regelmäßig bei Mängeln erreicht sein, die für den Besteller bzw. Nutzer Gefahren mit sich bringen, die der Gebrauchsfähigkeit des Werkes entgegenstehen (vgl. m.N. Messerschmidt in Messerschmidt/Voit, 4. Auflage 2022, § 640 Rn. 99).

Wenn der Werklohn des Klägers aufgrund nicht unwesentlicher Mängel noch nicht fällig ist und die Abnahme insoweit berechtigterweise verweigert wird, ist eine Vergütungsklage als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. m.N. Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 641 Rn. 6).

Völlige Einstellung der Arbeiten als Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B?

Völlige Einstellung der Arbeiten als Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B?

von Thomas Ax

Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften i. S. des § 5 Abs. 3 VOB/B. In der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen kann eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht liegen, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn in den Fällen des § 4 Abs. 7 und 8 Nr. 1 und des § 5 Abs. 4 VOB/B die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist.

Wenn der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert, mit der Vollendung in Verzug gerät oder der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B nicht nachkommt, kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach § 5 Abs. 4 VOB/B eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag entzieht. § 5 Abs. 3 VOB/B verpflichtet den Auftragnehmer, Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile in gebotenem Umfang vorzuhalten. Sind diese so unzureichend, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können, muss der Auftragnehmer auf Verlangen unverzüglich Abhilfe schaffen.

Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften im Sinn des § 5 Abs. 3 VOB/B (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19; Urteil vom 17. August 2021 – 10 U 423/20). Kommt der Auftragnehmer der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B trotz berechtigten Abhilfeverlangens nicht nach, gerät der Auftragnehmer mit der Abhilfepflicht in Verzug (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19).

Wenn bei einem VOB/B-Vertrag der Regelungsbereich der Kündigungsgründe nach VOB/B nicht tangiert ist, ist der Auftraggeber bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen. Voraussetzung ist, dass durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder der Vertragszweck so gefährdet ist, dass es dem vertragstreuen Vertragspartner nicht zumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen. Auch wenn die rechtliche Herleitung dieses Kündigungsrechts früher nicht einheitlich beurteilt wurde, steht die Existenz dieses außerordentlichen Kündigungsrechts außer Frage (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 40 m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 21 U 136/14; OLG Jena, Urteil vom 3. Februar 2016 – 2 U 602/13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Joussen/Vygen in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 21. Aufl., § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 19; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835; Busche in MünchKomm-BGB, 9. Aufl., § 648a Rn. 24; Brüninghaus in BeckOK VOB, Stand: 31.1.2023, § 8 Abs. 3 Rn. 5) und findet sich mittlerweile in § 648a BGB n.F..

Zur fristlosen Kündigung des Vertrags kann vor allem eine schuldhaft begangene Vertragsverletzung des Vertragspartners berechtigen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um die Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht handelt. Auch Nebenpflichten können für den vereinbarten Vertragszweck von erheblicher Bedeutung sein, soweit das Verhalten des Auftragnehmers hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). In Fällen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung ist eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95).

Ob ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben ist, ist nach Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei sind für die konkrete vertragliche Situation das Interesse des einen Vertragspartners an der Lösung vom Vertrag und das des anderen an dessen Weiterbestand umfassend gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 2. September 1999 – VII ZR 225/98). Allerdings dürfen die Schutzmechanismen der §§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 7 und 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B nicht durch eine außerordentliche Kündigung umgangen werden.

Stützt sich der Vertrauensverlust des Auftraggebers auf mangelhafte oder zögerliche Arbeiten des Auftragnehmers, hat der Kündigung deshalb grundsätzlich eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vorauszugehen. Entbehrlich ist sie nach allgemeinen Grundsätzen nur, wenn sie eine reine Förmelei wäre (OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835).

In der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen, liegt vor eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht, aus der sich die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung ergibt (vgl. bspw. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2011 – 1 U 154/10; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15 m.w.N.).

Die Vertragsparteien eines VOB/B-Vertrags sind während der Vertragsdurchführung zur Kooperation verpflichtet. Aus dem Kooperationsverhältnis ergeben sich Obliegenheiten und Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information. Die Kooperationspflichten sollen unter anderem gewährleisten, dass in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung oder der Inhalt des Vertrages an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden muss, entstandene Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte nach Möglichkeit einvernehmlich beigelegt werden.

Ihren Ausdruck haben sie in der VOB/B insbesondere in den Regelungen des § 2 Abs. 5 und Abs. 6 gefunden. Danach soll über eine Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen eine Einigung vor der Ausführung getroffen werden. Diese Regelungen sollen die Parteien anhalten, die kritischen Vergütungsfragen frühzeitig und einvernehmlich zu lösen und dadurch spätere Konflikte zu vermeiden (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98, BGHZ 143, 89).

OLG Hamm zu der Frage, dass wenn ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt ist, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben

OLG Hamm zu der Frage, dass wenn ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt ist, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben.
2. Die Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.
3. Es ist den Parteien nicht möglich, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen.
OLG Hamm, Urteil vom 06.03.2024 – 12 U 127/22
vorhergehend:
LG Bochum, 07.09.2022 – 2 O 213/21


Tenor:

Die Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das am 07.09.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (Az. 2 O 213/21) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 69 % und dem Beklagten zu 31 % auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem vorzeitig beendeten Vertrag über die Erbringung von Gartenbauarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten im ###-Straße ### in ###.

Der Kläger, der unter der Firma ### einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb betreibt, begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Werklohn. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung von nach seinem Vortrag geleisteten Abschlagszahlungen.

Der Kläger beabsichtigte, den Garten seines Grundbesitzes umzugestalten. Durch einen gemeinsamen Bekannten, Herrn ###, wurde der Kontakt zum Beklagten hergestellt. Die Parteien trafen sich Ende Mai 2020 am Grundstück des Beklagten und besprachen, welche Arbeiten durchgeführt werden sollten. Der Kläger erstellte daraufhin unter dem 05.06.2020 einen Kostenvorschlag über 16.645,00 Euro, der keine Mehrwertsteuer ausweist, und übermittelte diesen per E-Mail dem Beklagten. Wegen der Einzelheiten dieses Kostenvoranschlags wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen. Der Beklagte erklärte sich per WhatsApp am 26.07.2020 mit diesem Angebot einverstanden. Am 18.09.2020 nahm der Beklagte die Arbeiten auf; wegen winterlicher Witterung wurden sie am 15.12.2020 unterbrochen.

Die Arbeiten des Klägers wurden letztlich nicht fertiggestellt, die Zusammenarbeit der Parteien beendet. Sie trafen sich zu einem klärenden Gespräch. Der Beklagte hatte zuvor die aus seiner Sicht erbrachten Leistungen ermittelt und hierüber die Anlage K3 (Bl. 193 d. eA. II) zum Schriftsatz vom 07.03.2022 erstellt, auf die Bezug genommen wird. Danach errechnete er unter Berücksichtigung von behaupteten Abschlagszahlungen einen offenen Betrag von noch rund 1.700,00 Euro.

Am 20.04.2021 erteilte der Kläger eine Schlussrechnung über 21.843,96 Euro inklusive 16 % Umsatzsteuer, die der Beklagte nicht beglich. Stattdessen erklärte er mit Schreiben vom 07.06.2021 den Widerruf vom Vertrag und bot an, den von ihm selbst ermittelten noch offenen Betrag von 1.700,00 Euro zu zahlen.

Mit der Klage verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung des Rechnungsbetrags in Höhe von 21.843,96 Euro weiter. Der Beklagte verlangt widerklagend die Rückzahlung von seinem Vorbringen nach geleisteten Barzahlungen in Höhe von 10.000,00 Euro.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ein Widerrufsrecht des Beklagten bestehe nicht. Er hat behauptet, die in der Schlussrechnung abgerechneten Arbeiten mangelfrei erbracht zu haben. Er habe die durch Aufmaß ermittelten Mengen zutreffend in Ansatz gebracht.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.843,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2021 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er sei gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zum Widerruf des Vertrages berechtigt, weil der Vertrag ausschließlich über Fernkommunikationsmittel im Sinne des § 312c BGB zustande gekommen und er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

Hilfsweise hat der Beklagte behauptet, er habe an den Kläger bereits Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 10.000,00 Euro in bar geleistet, und zwar am 02.10.2020 einen Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro, am 30.10.2020 einen Betrag in Höhe von 3.000,00 Euro und am 04.12.2020 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.000,00 Euro.

Weiter hilfsweise hat sich der Beklagte darauf berufen, der Kläger habe nicht sämtliche Arbeiten gemäß Angebot durchgeführt und ersparte Aufwendungen nicht in Abzug gebracht. Der Kläger sei trotz mehrfacher Bitte, weiterzuarbeiten, nicht mehr erschienen. Der Beklagte hat außerdem mit näheren Ausführungen vorgetragen, die Arbeiten seien nicht sach- und fachgerecht durchgeführt worden. Er hat den Umfang der abgerechneten Mengen und Leistungen bestritten.

Der Beklagte hat widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an ihn 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle vom 26.01. und 17.08.2022 Bezug genommen.

Das Landgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage nach persönlicher Anhörung der Parteien sowie Vernehmung der Zeugen ### und ### abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Vergütungsanspruch des Klägers bestehe nicht, weil die Parteien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen hätten, die nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge habe. Der Kläger habe verbotene Schwarzarbeit geleistet, indem er insgesamt 10.000,00 Euro in bar und ohne Rechnungsstellung verlangt und entgegengenommen habe. Dies habe der Beklagte erkannt und bewusst zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt. Auch wenn die Ohne-Rechnung-Abrede nachträglich getroffen worden sei und sich nur auf einen Teil der vereinbarten Vergütung beziehe, sei der gesamte Vertrag nichtig. Aus diesem Grund könne auch der Beklagte die von ihm gezahlten 10.000,00 Euro nicht erstattet verlangen. Ein solcher Anspruch sei gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren Berufungen, mit denen sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre erstinstanzlichen Klage- bzw. Widerklageziele weiterverfolgen. Sie tragen übereinstimmend vor, eine “Schwarzgeldabrede” habe es nicht gegeben.

Der Kläger beanstandet unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Ohne-Rechnung-Abrede getroffen worden sei. Er sei der deutschen Sprache nur teilweise mächtig und habe geglaubt, dass Bauunternehmen in Deutschland, wenn sie die Mehrwertsteuer offen auswiesen, diese auch sofort an das Finanzamt abzuführen hätten. Dabei sei ihm der Unterschied zwischen Kostenvoranschlag und Rechnung nicht bewusst gewesen, so dass er davon ausgegangen sei, dass bereits ein Kostenvoranschlag die Zahlungspflicht an das Finanzamt auslöse. Aus diesem Grund habe er die Mehrwertsteuer in seinem Angebot nicht aufgeführt.

Der Kläger meint unter näheren Ausführungen zudem, das Landgericht sei zu Unrecht zu dem Beweisergebnis gelangt, der Beklagte habe an ihn 10.000,00 Euro in bar gezahlt.

Der Kläger beantragt,

das am 07.09.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 21.843,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2021 zu zahlen sowie

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

den Kläger unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Zustellung der Widerklage zu zahlen sowiedie Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte beanstandet ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen, das Landgericht sei zu Unrecht von einer Ohne-Rechnung-Abrede ausgegangen. Er habe sich über die Steuerpflichtigkeit des Klägers keine Gedanken gemacht und sei davon ausgegangen, dieser werde sich um seine etwaigen Pflichten bezüglich steuerlicher Abgaben selbst kümmern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Terminsprotokolle vom 08.11.2023 und 06.03.2024 nebst dem zugehörigen Berichterstattervermerk Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien ergänzend persönlich zur Sache angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird ebenfalls Bezug genommen auf die Terminsprotokolle vom 08.11.2023 und 06.03.2024 nebst dem zugehörigen Berichterstattervermerk.

II.

Die zulässigen Berufungen haben in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage und die Widerklage zu Recht abgewiesen.

Wechselseitige Ansprüche der Parteien aus dem streitgegenständlichen Vertrag bestehen nicht, weil dieser nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig ist.

1. Diese Vorschrift enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt (BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, Rn. 13; Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 10; Urteil vom 16.03.2017 – VII ZR 197/16, Rn. 15).

Diese Voraussetzungen liegen hier zur Überzeugung des Senats vor. Der Kläger hat gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, indem er bereits bei Vertragsschluss beabsichtigte, für die vereinbarte Vergütung keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen. Der Beklagte hat dies von Anfang an erkannt und bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er mit dem Beklagten ein um den Umsatzsteueranteil verringertes Entgelt vereinbart hat. Dies ist ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrages führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG anzunehmen (BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, Rn. 13; Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, Rn. 23; Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 10).

a) Das Landgericht hat es nach Beweisaufnahme für erwiesen angesehen, dass der Beklagte insgesamt 10.000,00 Euro in bar an den Kläger als Abschlagszahlungen auf den vereinbarten Werklohn übergeben hat.

aa) Nach § 529 Abs. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03; Urteil vom 18.10.2005 – VI ZR 270/04, jeweils m.w.N.). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 199/03; BGH, Urteil vom 18.10.2005 – VI ZR 270/04, jeweils m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben, aber auch aus Fehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03 m.w.N.).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellung des Landgerichts begründen, wonach der Beklagte insgesamt 10.000,00 Euro in bar als Abschlagszahlungen auf die vereinbarte Vergütung an den Kläger übergeben hat. Die Beweiswürdigung des Landgerichts entspricht den von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelten Grundsätzen und Anforderungen. Auch sieht der Senat keinen Anlass, das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders zu würdigen als das Gericht der Vorinstanz. Es spricht nichts dafür, dass im Fall einer erneuten Beweiserhebung durch den Senat die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Da der Senat die Aussagen der Zeugen nicht anders würdigt als das Landgericht, ist eine erneute Vernehmung der Zeugen nicht angezeigt. Der Senat folgt vollumfänglich der umfangreich und überzeugend begründeten Beweiswürdigung des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Mit seinen hiergegen gerichteten Berufungsangriffen dringt der Kläger nicht durch. Er bringt insoweit keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiswürdigung vor. Auch kann er in Bezug auf seinen Vortrag im Schriftsatz vom 31.08.2022 zur Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen keinen Gehörsverstoß geltend machen.

(1) Ohne Erfolg wendet der Kläger zunächst ein, die von den Zeugen bzw. dem Beklagten geschilderten Standorte zum Zeitpunkt der der Geldübergabe seien “nicht kompatibel” und widersprüchlich. Das Landgericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung argumentativ damit auseinandergesetzt, dass die Zeugen unter Bezugnahme auf das auf Bl. 64 d. eA. I befindliche Lichtbild leicht unterschiedliche Positionen der Parteien bei der Geldübergabe beschrieben haben. Dies hat das Landgericht – zutreffend – nicht als Umstand angesehen, welcher die Glaubhaftigkeit der Aussagen zu erschüttern vermag, weil die Zeugen einerseits erklärt hätten, dass sie sich nicht ganz sicher seien und sich die Parteien (jedenfalls) in der Nähe vor dem Esszimmerfenster befunden hätten. Dies ist nicht zu beanstanden.

(2) Vor diesem Hintergrund verfängt auch die – erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 31.08.2022 vorgebrachte – Behauptung des Klägers nicht, der Zeuge ### habe von seinem geschilderten Standort die Geldübergabe nicht sehen können. Es ist nicht eindeutig festgestellt, an welcher genauen Position das Geld übergeben wurde. Insbesondere hat auch der Zeuge ### unter Vorhalt des Lichtbilds angegeben, er könne nicht genau sagen, wo die Parteien bei der Geldübergabe gestanden hätten. Er hat lediglich geschätzt, dass dies etwas unterhalb des Bildausschnitts gewesen sei. Unstimmigkeiten in Bezug auf den exakten Ort der Geldübergabe sind aber rechtsfehlerfrei ohne Einfluss auf die Überzeugungsbildung geblieben, dass die Geldbeträge wie festgestellt tatsächlich übergeben wurden. Hinzu kommt, dass die Zeugen auch nur anlässlich einer von drei Geldübergaben ausgesagt haben, diese selbst gesehen zu haben. Entsprechend musste auch kein Ortstermin stattfinden.

(3) Es spricht ferner nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen ### betreffend die getätigten Barzahlungen, dass dieser zunächst angegeben hatte, er habe den Bargeldanteil, welchen er dem Beklagten zur Verfügung gestellt habe, jeweils zeitnah “abgehoben”, was er später dahingehend korrigiert hat, dass er das Bargeld nicht abgehoben, sondern im Safe gehabt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus dieser Korrektur nicht ohne Weiteres der Schluss ziehen, dass die Angaben des Zeugen ### zu den Bargeldübergaben des Beklagten an den Kläger unwahr sind. Vielmehr bezog sich dieser Teil seiner Aussage allein auf die Frage der Herkunft des von ihm zur Verfügung gestellten Betrages, wobei er seine Aussage insoweit zeitnah berichtigt hat.

(4) Schließlich wird auch vom Kläger kein “objektiv unmöglicher Negativbeweis” verlangt. Er ist “den Personen, die dem Beklagten nahestehen”, nicht “schutzlos ausgeliefert”. Vielmehr oblag es zunächst dem Beklagten nachzuweisen, dass er die behaupteten Bargeldzahlungen geleistet hat. Diesen Beweis hat er geführt, wobei die Beweiswürdigung ureigenste Aufgabe des Tatgerichts ist und eine richterliche Kontrolle der Aussagen stattgefunden hat.

cc) Ungeachtet dessen hat der Senat die Parteien – zu anderen noch offenen Fragen – ergänzend persönlich angehört.

(1) Die Angaben des Beklagten zu den Geldübergaben sind glaubhaft. Er hat anschaulich erläutert, dass der Kläger Vorschusszahlungen verlangt habe, weil dieser den Materialeinkauf nicht habe “stemmen” können. Er, der Beklagte, habe jedes Mal eine Quittung verlangt, sei aber vertröstet worden. Er erinnere sich noch genau, dass sie das Geld durchgezählt hätten, weil man so viel üblicherweise nicht zu Hause habe. Dies ist nachvollziehbar, und der Beklagte wirkte bei der Darstellung dieser Ereignisse auch relativ frei und unbefangen. Lediglich bei der Befragung zur im Raume stehenden “Schwarzgeldabrede” wurde er jedes Mal verlegen, zeigte körperliche Reaktionen und konnte nicht spontan antworten. Umso glaubhafter wirkten jedoch damit seine relativ unbefangenen Angaben zu den Zahlungen, bei denen er derartige Reaktionen nicht zeigte.

(2) Demgegenüber glaubt der Senat dem Kläger – insbesondere auch vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen – nicht, dass die behaupteten Zahlungen nicht geflossen sind. Er hat selbst geschildert, dass ihm nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestanden und er sich deshalb Geld bei seinem Cousin geliehen habe. Die von ihm gestellten Frage, warum der Beklagte nur vor Ort und nicht auch per WhatsApp oder auf anderem Weg nach einer Quittung gefragt habe, lässt sich ohne Weiteres damit beantworten, dass hier eine Steuerhinterziehung beabsichtigt war (vgl. dazu nachstehend unter lit. b)), der Beklagte ihm seinerzeit vertraute und der Kläger nach den Angaben der Zeugen damit gedroht hatte, ohne weitere Vorschussleistungen die Arbeiten nicht fortzusetzen.

b) Der Senat ist (auch) aufgrund der persönlichen Anhörung der Parteien mit der hierfür erforderlichen Sicherheit (§ 286 Abs. 1 ZPO) davon überzeugt, dass der Kläger bereits bei Vertragsschluss – und nicht erst wie vom Landgericht angenommen bei Zahlung der Barbeträge – beabsichtigte, für die vereinbarte Vergütung keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen, und dass der Beklagte dies von Anfang an erkannte und bewusst zu seinem Vorteil ausnutzte, indem er mit dem Beklagten ein Entgelt vereinbarte, das keinen Umsatzsteueranteil enthielt, um so selbst von der Steuerersparnis zu profitieren.

Dies ergibt sich aus der Würdigung der Gesamtumstände.

aa) Der Senat ist überzeugt, dass der Kläger bereits bei Vertragsschluss beabsichtigte, für den vereinbarten Werklohn keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen, weil im – von ihm selbst erstellten – Kostenvoranschlag eine Spalte “Steuerpflichtig?” enthalten und dort in der ersten Zeile das Wort “Nein” vermerkt ist. Im Folgenden ist dann auch ausdrücklich keine Mehrwertsteuer ausgewiesen, sondern vielmehr in der dafür vorgesehenen Zeile lediglich ein “- Euro” vermerkt. Zusätzlich haben die Parteien keinen schriftlichen Vertrag geschlossen, sondern sich lediglich mündlich geeinigt. Es wurden – wie vorstehend unter lit. a) bb)) näher begründet – insgesamt 10.000,00 Euro in bar geleistet. Dabei hatte der Kläger weder vor noch nach diesen Zahlungen eine Abschlagsrechnung erstellt. Auch hat er selbst auf mehrmalige Nachfragen seitens des Beklagten keine Quittungen erteilt. All dies diente der Verheimlichung verbotener Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Hinzu tritt, dass die Parteien unstreitig über einen gemeinsamen Bekannten in Kontakt kamen, die Geschäftsbeziehung also ihren Ursprung im privaten Bereich hatte.

bb) Auch die diesbezüglichen Erläuterungen des Klägers in der Berufungsinstanz vermögen diese Überzeugung des Senats nicht zu erschüttern.

(1) Der Kläger hat ausführen lassen, er sei Türke, halte sich zwar seit einigen Jahren in Deutschland auf, sei des Deutschen aber nur teilweise mächtig. Bei Beginn seiner Tätigkeit sei ihm in steuerlicher Hinsicht erläutert worden, dass Bauunternehmen in Deutschland, wenn sie eine Mehrwertsteuer offen auswiesen, diese auch sofort an das Finanzamt abzuführen hätten. Dabei sei ihm der Unterschied zwischen Kostenvoranschlag und Rechnung nicht bewusst gewesen. Er sei also davon ausgegangen, dass bereits ein Kostenvoranschlag eine Zahlungspflicht an das Finanzamt auslöse und habe aus diesem Grunde die Mehrwertsteuer in seinem Angebot nicht aufgeführt. Nach Erbringung seiner Leistungen habe er dann ordnungsgemäß in seiner Rechnung die Mehrwertsteuer offen ausgewiesen. Der Grund für dieses eigenartige Verhalten liege also eindeutig darin, dass ihm aufgrund seiner türkischen Herkunft und seiner geringen Deutschkenntnisse bei Erteilung des Angebots die Modalitäten des hiesigen Steuerrechts nicht hinreichend deutlich bekannt gewesen seien.

(2) Dies überzeugt nicht. Im Gegenteil ist die Angabe, ihm sei der Unterschied zwischen Kostenvoranschlag und Rechnung nicht bewusst gewesen, nicht glaubhaft. Auch wenn er seinerzeit noch nicht lange als Unternehmer tätig gewesen sein sollte, ist jedem, der am Geschäftsleben teilnimmt, bewusst, dass ein Kostenvoranschlag lediglich dazu dient, Verhandlungen zu führen, einen Vertragsschluss vorzubereiten, und für sich allein noch keine Rechtsfolgen auslöst, insbesondere auch nicht im Sinne einer Umsatzsteuerpflicht. Auch durch sprachliche Barrieren, die der Senat im Rahmen der Anhörung des Klägers überdies nicht hat feststellen können, lässt sich dies nicht erklären.

cc) Es ist ferner nicht davon auszugehen, dass der Kläger nach § 19 Abs. 1 UStG von der Verpflichtung zur Abführung von Umsatzsteuer befreit war. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat hat der Kläger zwar angegeben, er habe ein “Kleinunternehmen”. Der streitgegenständliche Auftrag sei sein erster Auftrag gewesen. Er habe in den vergangenen Jahren einen Umsatz von insgesamt nur “so 25.000,00 Euro” gemacht. Dies ist jedoch nicht glaubhaft. Denn allein der hier in Rede stehende Kostenvoranschlag erreichte eine Nettosumme von 19.807,55 Euro, sodass es schon fernliegend erscheint, dass der Kläger als Kleinunternehmer tätig war.

Entscheidend steht die Behauptung des Klägers, er sei Kleinunternehmer gewesen, jedoch im Widerspruch zum Inhalt der streitgegenständlichen Schlussrechnung. Denn dort werden 16 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Klägers angegeben. Für Kleinunternehmer gilt aber nach § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG das “Verbot” des gesonderten Ausweises der Steuer in einer Rechnung; da der Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer schuldet, ist er im Gegenzug auch nicht zum Ausweis von Umsatzsteuer in der von ihm ausgestellten Rechnung berechtigt (Mrosek in Wäger, UStG, 2. Aufl. 2022, § 19 UStG, Rn. 23). Überdies muss eine Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG den Hinweis auf den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf enthalten, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt. Letzteres war weder im Kostenvoranschlag noch in der Rechnung der Fall, geschweige denn, dass eine Abschlagsrechnung mit diesem Hinweis erteilt worden wäre. Wenn eine Umsatzsteuerbefreiung vorgelegen hätte, hätte es dazu nahegelegen, eine entsprechende Bescheinigung zu den Akten zu reichen. Dies ist aber nicht geschehen. Schließlich ist der Kläger auf den Vorhalt, dass das Angebot bereits am 05.06.2020 erstellt worden sei, die Gewerbeanmeldung aber erst im September 2020 erfolgt sein soll, zunächst ausgewichen, und er hat erklärt, er gebe keine Stellungnahme ab. Dann hat er ausgeführt, sein Steuerberater habe ihm gesagt, er könne das Angebot schreiben. Auch diese Umstände sprechen für die Absicht des Klägers, Steuern zu hinterziehen.

dd) Der Beklagte hat die Absicht des Klägers, für den vereinbarten Werklohn keine Umsatzsteuer zu verlangen und abzuführen, zur Überzeugung des Senats bereits bei Vertragsschluss erkannt und bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt.

(1) Zwar mag der Beklagte, wie er hat ausführen lassen, davon ausgegangen sein, um etwaige Pflichten des Klägers bezüglich steuerlicher Abgaben werde sich dieser selbst kümmern. Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass er sich über die Steuerpflichtigkeit des Klägers keine Gedanken gemacht haben will. Denn im Angebot des Klägers war die Steuerpflichtigkeit ausdrücklich erwähnt und verneint bzw. das Feld für die Mehrwertsteuer mit “- Euro” ausgefüllt. Dass er dieses gedankenlos hingenommen haben will, wenn er einen ihm bis dahin unbekannten Unternehmer beauftragt hat, ist lebensfremd.

(2) Wenn er dann noch zusätzlich ausschließlich Barzahlungen tätigte, ohne dass hierfür eine Abschlagsrechnung erstellt worden war, sprechen diese Umstände für ein einvernehmliches Zusammenwirken der Parteien, um zu Lasten des Finanzamtes Steuern, sprich Geld, zu sparen.

(3) Dies entsprach auch durchaus der Lebenslage der Parteien. Beide haben erklärt, wenig Geld zur Verfügung zu haben. Der Kläger hat erklärt, er werde von seinem Neffen unterstützt, mit dem er zusammenlebe. Dem Beklagte wurden wesentliche Barmittel für die Haussanierung von seinem Vater zur Verfügung gestellt. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat selbst erklärt, die Kosten hätten möglichst gering gehalten werden sollen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Geld – so die Aussage des Zeugen ### – wohl auch zu Hause bereits bar vorgehalten wurde.

(4) Hinzu kommt, dass der Beklagte selbst ein Aufmaß erstellt hat, auf dessen Grundlage er die aus seiner Sicht dem Kläger zustehende Vergütung ermittelt und ihm ein Vergleichsangebot unterbreitet hat. Dabei berücksichtigen dieses “Aufmaß”, die hierauf beruhende Berechnung sowie das Vergleichsangebot die Umsatzsteuer wiederum nicht. Auch ein “geschäftsunerfahrener Verbraucher” weiß aber, dass grundsätzlich auf Waren und Dienstleistungen Umsatzsteuern gezahlt werden müssen. Dies gilt für den Beklagten erst recht, weil er – wie er selbst im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat dargestellt hat – im Rahmen der umfangreichen Sanierung der Immobilie sowohl bestreffend die hier in Rede stehenden Arbeiten als auch betreffend andere Gewerke jeweils Angebote von mehreren Handwerksunternehmen eingeholt hat, die er mit seinem Vater durchging. Damit kann ihm die Pflicht zur Zahlung von Umsatzsteuer nicht entgangen sein.

(5) Der Beklagte hat zudem eingeräumt, dass von ihm beauftragte andere Unternehmen Abschlagszahlungen verlangt hätten, diese aber “großteils als Abschlagszahlung über Rechnung” gefordert hätten. Bei den Angeboten der anderen Garten- und Landschaftsbauer sei die Steuerpflicht ausgewiesen gewesen. Seine Angabe, dass er nicht darauf geachtet habe, dass hier die Steuer nicht ausgewiesen gewesen sei, ist deshalb nicht glaubhaft. Denn er hat auch ausgeführt, dass er auf den Endpreis geachtet, zugleich aber keine schlechte Qualität gewollt habe. Es liegt deshalb nahe, dass die Angebote auch auf inhaltliche Unterschiede abgeglichen wurden und damit das Fehlen der Umsatzsteuer schon deshalb offensichtlich war, weil sie im Angebot ausdrücklich erwähnt ist. Darüber hinaus ist der Kläger nach seinen Angaben als Angestellter im kaufmännischen Bereich in der Lagerlogistik tätig. Auch wenn er eher im Lager als im Büro arbeitet, ist ihm damit aber die grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht bekannt.

(6) Schließlich war bei seiner Anhörung besonders auffällig, dass er in der Lage gewesen ist, Fragen grundsätzlich spontan und offen zu beantworten, bei Fragen nach der Steuerpflicht jedoch jedes Mal mit einer Antwort gezögert, unsicher gewirkt und körperlich reagiert hat. So errötete er sichtlich bei dem Thema, dass die Steuer im Angebot nicht ausgewiesen sei, und er hat verlegen seine Hände gerieben.

2. Die Schaffung des Schwarzarbeitstatbestandes des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG führt dazu, dass die Verstöße gegen steuerrechtliche Pflichten bereits ohne Weiteres zur Nichtigkeit des gesamten zugrundeliegenden Werkvertrages führen; eine isolierte Prüfung nur der Ohne-Rechnung-Abrede erfolgt nicht (BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13, Rn. 29). Die Nichtigkeit des Vertrages ist grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 4, Rn. 30a m.w.N.). Ein Verstoß gegen das SchwarzArbG muss nicht immer ausdrücklich vorgetragen werden (KG, Urteil vom 08.08.2017 – 21 U 34/15). Eine Häufung von Indizien kann dazu Anlass geben, einen Verstoß gegen das Schwarzarbeitsverbot auch dann anzunehmen, wenn sich – wie hier – keine Partei auf eine solche Abrede beruft (OLG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2016 – 7 U 49/16; OLG Brandenburg, Urteil vom 31.08.2023 – 10 U 207/22 m.w.N.).

Vorliegend haben die Parteien jedoch übereinstimmend vorgetragen, sie hätten keine Ohne-Rechnung-Abrede getroffen, womit die Voraussetzungen einer Nichtigkeit gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht mehr vorlägen. Die Frage, ob ein Zivilgericht an eine solche unstreitige Behauptung gebunden ist, selbst wenn Indizien gegen ihre Richtigkeit sprechen, ist streitig.

a) Nach einer Auffassung ist ein Zivilgericht unter der Geltung des Beibringungsgrundsatzes an die Behauptung der Parteien gebunden (KG, Urteil vom 08.08.2017 – 21 U 34/15; Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, a.a.O., Teil 4, Rn. 30a; Voit, NJW 2017, 3795; Eimler, NZBau 2018, 155; Rehbein, IBR 2017, 717; Selle, IBR 2022, 301). Die vom SchwarzArbG zu Recht erwünschte Sanktionierung von Schwarzarbeit erfordere es nicht, hier von den Grundsätzen des Zivilprozesses abzurücken. Denn das Zivilgericht sei verpflichtet, die Anhaltspunkte für den Verstoß gegen das SchwarzArbG den Steuerbehörden oder der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Eine zivilrechtliche Sanktionierung durch die Nichtigkeitsfolge gemäß § 134 BGB sei aber weder möglich noch erforderlich, wenn sich die hiervon ggf. profitierende Partei nicht darauf berufe. Denn auch im Geltungsbereich von § 134 BGB werde im Zivilprozess nicht die Amtsermittlung eingeführt, sondern bleibe es bei der Geltung des Beibringungsgrundsatzes (KG Berlin, a.a.O., Rn. 53).

b) Nach anderer Auffassung ist ein Zivilgericht trotz des übereinstimmenden gegenteiligen Vorbringens der Parteien, es sei keine Absprache zum Zweck der Steuerverkürzung getroffen worden, nicht an dermaßen “unstreitiges” Vorbringen gebunden (OLG Oldenburg, Urteil vom 30.10.1996 – 2 U 151/96; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 138, Rn. 7). Es seien vornehmlich Ausnahmen zu machen für betrügerisches Zusammenwirken der Parteien und für das Geständnis solcher Tatsachen, die das Gericht als offenkundig unwahr erkenne (OLG Oldenburg, a.a.O. unter Berufung auf BGH, Urteil vom 24.05.1962 – VII ZR 46/61). Die Parteien könnten nicht allein durch übereinstimmendes einfaches Leugnen einer Schwarzgeldabrede diese Überzeugungsbildung aufgrund von Anknüpfungstatsachen unterbinden, vielmehr müssten Umstände, Beweggründe und Herkunft der Gelder plausibel erklärt werden (LG Wuppertal, Urteil vom 04.04.2019 – 7 O 258/18). Mit dem durch das Gesetz verfolgten Zweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit sei es unvereinbar, wenn die Parteien nichtige Verträge gleichwohl durchführen und vertragliche Streitigkeiten von den Gerichten entscheiden lassen könnten, wenn sie es nur verstünden, die Schwarzarbeit zu verheimlichen. Deshalb könne es in dem Fall, dass Indizien für Schwarzarbeit sprächen, nicht genügen, dass beide Parteien die Vereinbarung von Schwarzarbeit schlicht leugneten (LG Potsdam, Urteil vom 16.05.2023 – 6 O 341/21).

c) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Ist ein Zivilgericht aufgrund von Indizien davon überzeugt, dass die Parteien eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede getroffen haben, hat es die daraus folgende Nichtigkeit gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn die Parteien übereinstimmend vortragen, eine solche Abrede habe es nicht gegeben.

Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Zwar sind nach § 138 Abs. 3 ZPO Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Diese Dispositionsmaxime des Zivilrechts findet jedoch in den Fällen ihre Grenze, in denen die Parteien – wie hier – gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Die Folgen dieses Verstoßes können nicht durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden.

Ziel des Gesetzes ist es, die Schwarzarbeit schlechthin zu verbieten und den Leistungsaustausch zwischen den “Vertragspartnern” zu verhindern. Es will nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zugrundeliegenden Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung nehmen (BGH, Urteil vom 16.03.2017 – VII ZR 197/16, Rn. 18 m.w.N.). Durch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz soll nicht allein der Steuerhinterziehung begegnet und damit ein fiskalischer Zweck verfolgt werden; mit der gesetzlichen Regelung soll vielmehr auch die mit der Schwarzarbeit einhergehende Wettbewerbsverzerrung verhindert oder zumindest eingeschränkt werden. Sie dient damit auch dem Schutz gesetzestreuer Unternehmer und Arbeitnehmer. Diesem Ziel ist nicht dadurch gedient, Parteien, die sich – nachträglich – für die Durchführung eines verbotenen Geschäfts entschieden haben, dieses Vorhaben mit Rechtswirkungen im Rahmen des Erlaubten zu ermöglichen (BGH, a.a.O., Rn. 21 m.w.N.).

Das gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn die Parteien sich – wie hier – zunächst auf die Durchführung eines verbotenen Geschäfts geeinigt haben, dies dann aber nachträglich durch bloße prozessuale Behauptungen bzw. schlichtes Leugnen quasi zu einem legalen Geschäft erklären wollen. Entgegen der vorstehend unter II. 2. a) dargestellten Auffassung geht es nicht darum, den Amtsermittlungsgrundsatz auch im Zivilrecht anzuwenden und vom Beibringungsgrundsatz abzuweichen. Vielmehr soll es den Parteien nicht ermöglicht werden, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften nachträglich zu umgehen, wenn ein Zivilgericht von den Tatsachen überzeugt ist, die einen Verstoß gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG begründen. Wer bewusst das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot missachtet, soll nämlich nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 17 m.w.N.). Dieses Ziel würde nicht ausreichend erreicht, wenn es in der Hand der Parteien läge, nachträglich durch offensichtlich wahrheitswidrigen Prozessvortrag die Nichtigkeitsfolgen ihres Vertrages zu umgehen.

3. Da der Vertrag nichtig ist, hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung aus § 631 Abs. 1 BGB.

Auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag besteht nicht, weil der Kläger seine Aufwendungen im Hinblick auf den mit der Ausführung des Geschäfts verbundenen Verstoß gegen das Verbotsgesetz des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht für erforderlich halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13, Rn. 14 m.w.N.).

Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch ist gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen (BGH, a.a.O., Rn. 17 ff. m.w.N.).

Schließlich ist auch ein Anspruch aus § 951 Abs. 1, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB jedenfalls nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen (BGH, a.a.O., Rn. 30).

4. Schließlich steht dem Beklagten der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Barbeträge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht zu. Denn auch bereicherungsrechtliche Ansprüche des Bestellers, der sich auf den Abschluss eines gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßenden Werkvertrags eingelassen hat, sind nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14, Rn. 14-17).

Da sein Widerruf wegen Nichtigkeit des Vertrags ins Leere ging, bestehen auch keine Ansprüche aus §§ 355 Abs. 3 Satz 1, 357 Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB, unabhängig von der Frage, ob der Beklagte überhaupt zum Widerruf berechtigt war.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO.

LG Lübeck zu der Frage, dass wenn ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen ergreift, sich dadurch das anfängliche Ergebnis verschlechtert und es damit dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme nimmt, deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen übergeht (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten “weißen Wanne” durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen)

LG Lübeck zu der Frage, dass wenn ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen ergreift, sich dadurch das anfängliche Ergebnis verschlechtert und es damit dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme nimmt, deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen übergeht (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten "weißen Wanne" durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen)

vorgestellt von Thomas Ax

Ergreift ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen, verschlechtert dadurch das anfängliche Ergebnis und nimmt dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen damit eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme, geht deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen über (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten “weißen Wanne” durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen).
LG Lübeck, Urteil vom 18.04.2024 – 10 O 222/22 (nicht rechtskräftig)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 138.470 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Bauunternehmen, begehrt von der Beklagten, einem Fachbetrieb für Bauwerkstrockenlegung, Vorschuss auf die Mangelbeseitigungskosten und Schadensersatz, weil die Beklagte die Kelleraußenwände eines von der Klägerin errichteten Wohnhauses in ### bei einer Sanierungsmaßnahme nur mangelhaft abgedichtet und dadurch weitere kostspielige Maßnahmen erforderlich gemacht habe.

Die Klägerin errichtete 2005 für den Bauherrn ### ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus mit Keller unter der eingangs genannten Anschrift. Der Keller wurde als “weiße Wanne” / WU-Konstruktion, bestehend aus Filigran-Doppelwandelementen mit Kernbeton (auch sog. “Dreifachwand” oder in “Sandwich-Bauweise” hergestellte Wand) auf einer Betonsohle errichtet. Bei dieser Wandkonstruktion wird zwischen den fertig gelieferten Doppelwänden vor Ort Kernbeton eingebracht.

Diese Technik ist schadensanfällig: Sollte der Kernbeton nicht ordnungsgemäß lagenweise eingebracht und mit einem Innenrüttler verdichtet werden, können im Beton Luftblasen oder Kiesnester entstehen, die ebenso wie etwaige Schwundrisse später nicht einsehbar sind. Planwidrig in die Kernbetonschicht eindringendes Wasser kann sich über diese Undichtigkeiten über schwer nachvollziehbare Wege bis zu fern gelegenen potenziellen Austrittsstellen ausbreiten.

Unstreitig beging die Klägerin in der Planung und Ausführung der Kellerabdichtung Fehler, die der in einem vor dem Landgericht Lübeck geführten selbständigen Beweisverfahren (Az. 17 OH 9/16) bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. ### in seinem Gutachten vom 1. November 2017, welches die Klägerin selbst in den Rechtsstreit eingeführt hat (Anlage K 5), dargelegt hat:

Der Sachverständige konnte keine Unterlagen zu einer gesonderten statischen Berechnung ausfindig machen, die aufgrund der Verwendung von Filigran-Doppelwandelementen mit Kernbeton bei den Kelleraußenwänden erforderlich gewesen wäre. Stattdessen sei die Statik für monolithische Wände aus WU-Beton berechnet worden (Gutachten Seite 50 f.). Für den wasserschlüssigen Sohlen-Wandanschluss hätte dem Sachverständigen zufolge unter anderem eine Fugenabdichtung durch Einbringung eines unbeschichteten Stahlblechs mit bestimmten Dimensionen erfolgen müssen. Die nach der WU-Richtlinie erforderliche Mindestbreite des Stahlblechs sei nicht eingehalten worden. Zudem reiche die Anschlussbewehrung zu dicht an das Fugenblech heran. Damit bestehe die Gefahr, dass Zwickel zwischen Blech und Bewehrungsstäben verbleiben, die nicht vollständig ausbetoniert werden und damit eine Wasserläufigkeit ermöglichen. Die Anschlussfuge sei generell kritisch und führe am häufigsten zu undichten Stellen in WU-Kellern (Gutachten Seite 51 ff.). Darüber hinaus habe die Klägerin keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um eine Rissbildung an den Elementfugen zu verhindern (Gutachten Seite 53 f.). Eine von der Klägerin zusätzlich aufgebrachte Außenabdichtung mit Bitumenbahnen, die jedenfalls im Bereich der Elementfugen wegen der zuvor beschriebenen Mängel als sinnvoll angesehen werden könne, entspreche ebenfalls nicht den Anforderungen (Gutachten Seite 55 ff.).

Schließlich habe die Klägerin Fehler bei der Abdichtung des Wandkopfes im Übergang der Kelleraußenwände zum Sockelplateau des Erdgeschosses begangen, die zu einem Wassereintritt in den Keller “von oben”, also von der Kellerdecke, führen konnten. Eine fachgerechte Planung der Abdichtung dieses Bereichs sei nicht dokumentiert. Die Klägerin habe lediglich schwarze Sperrfolie lose verlegt, verkantet und auf der Außenseite der Kellerwand verklebt. Unterhalb der Terrassenfenstertür sei nicht einmal eine solche, schon für sich unzureichende Abdeckung erkennbar. Am Wandkopf eindringendes Wasser könne sich innerhalb der Dreifachwände über Kapillargänge so ausbreiten, dass es auch unten an der Kellerraumseite austrete (Gutachten Seite 59 ff.).

Nach der Errichtung des Gebäudes trat im Keller des Hauses Feuchtigkeit auf. Die Klägerin beauftragte die Baubüro ### GmbH damit, die Ursache der Feuchtigkeitserscheinungen zu ermitteln. In seinem Untersuchungsbericht vom 8. Juni 2009 (Anlage K 2) kam diese zu dem Ergebnis, dass im gesamten Untergeschoss bis zur Höhe der ersten Sperrschicht und im Fußboden Feuchtigkeit gemessen werden konnte. Die Ursache liege im vorderen Gebäudeteil. Dies führte der Privatsachverständige auf Setzungen der Wände zurück. Er empfahl als Mängelbeseitigungsmaßnahme die Verpressung der in diesem Gebäudeteil befindlichen Bodenfuge mit Quellharz und sodann eine Prüfung, ob diese Maßnahme erfolgreich sei. Diese Arbeiten stellten die gegenüber einer Außenabdichtung kostengünstigere Variante dar. Bei dem empfohlenen Verfahren werden Bohrungen in die Wand gesetzt, die Wand aber nicht durchbohrt. Das in diese Bohrungen injizierte Harz dehnt sich in mögliche Hohlräume aus und führt an diesen Stellen zu einer Abdichtung.

Die Klägerin wandte sich daraufhin an die Beklagte. Den Untersuchungsbericht der Baubüro ### GmbH vom 8. Juni 2009 legte die Klägerin der Beklagten nicht vor und sie teilte ihr auch nicht die wesentlichen Ergebnisse dieses Gutachtens mit. Die Beklagte empfahl selbst eine Abdichtung mit einem Injektionsgel. Bei dieser Methode wird die Wand an vielen Stellen komplett durchbohrt und ein Injektionsgel durch die Bohrungen hindurch gespritzt. Der Gelschleier verbreitet sich zwischen Außenwand und Erdreich, erhärtet dort und bildet eine durchgehende Abdichtung. Die Klägerin beauftragte die Beklagte damit, die Arbeiten, wie von dieser vorgeschlagen, durchzuführen. Für die Arbeiten, die in der Rechnung vom 2. November 2009 (Anlage K 3) genannt sind, zahlte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 11.783,64 Euro.

Nach diesen Maßnahmen wurden die Feuchtigkeitserscheinungen nicht geringer, sondern es kam zu deutlich stärkeren und umfangreichen Feuchtigkeitseintritten im gesamten Keller des Gebäudes. Die Klägerin forderte die Beklagte im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 mehrmals zu einer Mangelbeseitigung auf. Die Beklagte nahm auch mehrfach Nacharbeiten, darunter Injektionen mit Polyurethanharz in Risse und Fugen der Wände, vor, die jedoch nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung führten.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. ### stellte in seinem im selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Lübeck (Az. 17 OH 9/16) erstellten Gutachten zunächst die oben beschriebenen Primärursachen für einen Wassereintritt in den Keller fest. Er konstatierte darüber hinaus, dass die Maßnahmen der Beklagten für eine nachträgliche Abdichtung der Kelleraußenwände nach Art und Umfang nicht ausreichend seien, um Wassereintritt hinreichend zu verhindern. Die nahezu umlaufende Durchbohrung der Kellerwände im unteren Bereich und die Verpressung eines Gels an der äußeren Kelleraußenwand sei bei der vorhandenen Konstruktion eher ungeeignet. Injektionen von Polyurethanharz in vermeintliche Risse und Fugen der Wände seien grundsätzlich geeignet, aber bisher nach Umfang und Art nicht ausreichend, um alle Wegsamkeiten in der mehrschichtigen Kelleraußenwand vollständig und dauerhaft abzudichten (Gutachten Seite 80). Zur Abdichtung empfahl der Sachverständige Injektionen in die Dreifachwand. Die Kosten der Maßnahme einschließlich der Beseitigung der durch Feuchtigkeit entstandenen Schäden schätzte er auf insgesamt 67.000 Euro netto. Kosten für mögliche Ersatzmaßnahmen wie z. B. eine Dränung im oberen Bereich und / oder die vollflächige Abdichtung der Kellerwände von außen wolle der Sachverständige einstweilen nicht kalkulieren.

In einem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 4. Juni 2018 (Anlage K 6) führte der Sachverständige unter anderem weiter aus, dass eine Abdichtung über Schleiervergelung im Zusammenhang mit Elementwänden als kritisch zu betrachten sei und im Regelfall keine geeignete Instandsetzungsmethode darstelle. Eine Gelverschleierung sei bei Elementwänden zu risikobehaftet und könne unter Umständen zu einer Verschlimmerung des Schadens führen. Die Frage, ob sich das Schadensbild durch die Injektionen der Beklagten konkret verschlimmert habe, könne nicht beantwortet werden. Stellen, die die Beklagte Maßnahmen unterzogen habe, seien nicht stärker durchfeuchtet als andere Stellen. Selbst wenn dies so wäre, sei dadurch nicht bewiesen, dass die Durchfeuchtungen aufgrund bzw. nach den Arbeiten der Beklagten stärker geworden seien. Es liege ja nahe, dass die Beklagte gerade im Bereich der (stärkeren) Durchfeuchtungen Maßnahmen ergriffen habe. Denkbar sei zudem, dass die Schleiervergelung aufgrund der Perforation der Betonwände und Beschädigung der zusätzlichen Abdichtungsschicht außen eine Zunahme der Wassereintritte bewirkt habe, die von der Beklagten im Rahmen der Nacherfüllung vorgenommene Verpressung von PUR-Harz in die Wände solche Schäden aber kompensiert habe.

In einer mündlichen Befragung am 9. November 2018 bezeichnete der Sachverständige die Wandaufstandsfuge, also den Bereich, in dem die Wand auf der Betonsohle aufsteht, als die potenzielle Haupteintrittsstelle für Wasser. Ob sich das Gel dorthin verteilt habe, könne er nicht sagen. Es wäre erforderlich gewesen, im Bereich der Aufstandsfuge Kunstharz in die Wand zu verpressen. Zudem erläuterte der Sachverständige, dass die mögliche Undichtigkeit am Wandkopf bislang keiner Maßnahme unterzogen worden sei. Wie bereits im schriftlichen Gutachten beschrieben, könne von dort Wasser in Risse einziehen und sich ausbreiten. Als Gegenmaßnahme könne über die gesamte Wand hinweg Harz in die Wände injiziert werden. Für das Verpressen habe der Sachverständige Kosten in Höhe von etwa netto 52.000 Euro kalkuliert. Bevor sämtliche Kellerwände vollflächig in einem geringen Rasterabstand injiziert würden, könne es ausreichen, Injektionen im Bereich der Stoßfuge zwischen Wand und Sockel sowie der Stoßfugen zwischen den einzelnen Betonelementen vorzunehmen und die Sockelabdichtung im Bereich der Terrasse zu sanieren, von wo aus nahezu sicher Stauwasser eintrete. Seien diese Maßnahmen durchgeführt, könne beobachtet werden, ob sie ausreichten.

Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 9. November 2018 (Anlage K 7) verpflichtete sich die Beklagte, nach dem Vorschlag des Sachverständigen eine umseitig verlaufende Harzinjektion an der Aufstandsfuge vorzunehmen. Hierfür werde sie entsprechend der zeichnerischen Darstellung in Anlage 29 des Ergänzungsgutachtens vom 4. Juni 2018 von der Kellerwandinnenseite aus Bohrungen in einem Lochabstand von ca. 12 bis 15 cm vornehmen, die durch das am Sockel eingebrachte Stahlblech hindurchreichen und dort Polyurethan verpressen. Ebenso werde sie Injektionen mit Harz im Bereich der Betonelementfugen vornehmen. Die Klägerin versprach, die erforderlichen Sanierungsarbeiten im Bereich der Terrasse vorzunehmen. Der Erfolg der Maßnahmen solle nach Ablauf eines halben Jahres bei einem Ortstermin überprüft werden.

Die Klägerin rügte die von der Beklagten durchgeführten Nachbesserungsarbeiten mit anwaltlichem Schreiben vom 18. März 2019 (Anlage K 9) als mangelhaft und forderte diese bis zum 22. März 2019 zur ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten entsprechend dem Vergleich auf. Die Beklagte nahm daraufhin noch einige Arbeiten vor.

Im April 2020 ließ die Klägerin den Keller des Hauses in der Annahme, die Beklagte habe durch ihre Arbeiten die Undichtigkeit dauerhaft beseitigt, für 1.520 Euro von einem Malerbetrieb streichen.

Ab Mitte Juni 2020 trat erneut erhebliche Feuchtigkeit im Keller des Objektes auf.

In einer E-Mail vom 28. Juli 2020 (Anlage K 11) teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Beklagten das Schadensbild mit und setzten ihr eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 7. August 2020. Hierauf reagierte die Beklagte nicht.

Am 26. August 2020 (Anlage K 12) legte die Klägerin der Beklagten in einem Schreiben dar, dass sich Feuchtigkeit im gesamten unteren Bereich der Kellerwände gezeigt habe. Sie setzte der Beklagten nochmals eine Frist zur Mangelbeseitigung und drohte ihr die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich an.

Bei einem gemeinsamen Ortstermin im Oktober 2020 stellten die Parteien fest, dass Wasser durch die von der Beklagten bei der Gelschleierinjektion gebohrten Löcher eindrang. Die Beklagte entfaltete keine weitere Tätigkeit.

Im April 2021 initiierte der Bauherr ### gegen die hiesige Klägerin, die der hiesigen Beklagten den Streit verkündete, ein selbständiges Beweisverfahren beim Landgericht Lübeck (Az. 6 OH 15/21). Der im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. ### kam in seinem Gutachten vom 29. Januar 2021 (Anlage K 14) zu dem Ergebnis, dass von außen Wasser in den Keller eindringe. Primäre Ursache sei, wie schon der Sachverständige ### festgestellt habe, die ursprünglich nicht ausreichend dichte Herstellung der WU-Beton-Konstruktion durch die Klägerin. Die durch die Beklagte durchgeführte erste Sanierungsmaßnahme (Vergelung der Aufstandsfuge) habe zu einer weiteren Verschlechterung der Abdichtungssituation geführt (Gutachten Seite 22). Alle anschließenden Sanierungsversuche der Beklagten seien gescheitert und die Empfehlungen des Sachverständigen ### auch nicht als zielführend zu beurteilen (Gutachten Seite 23 ff.).

Eine nachträgliche Abdichtung einer bereits durchgeführten partiellen Schleier- bzw. Gelinjektion durch eine zusätzliche Verpressung mit einem Zweikomponenten-PUR im Bereich der Wandaufstandsfuge könne ebenso wenig zum Erfolg führen wie eine vollflächige Rasterinjektion, da ein Wassereintritt mit den nachträglichen Bohrpackern kaum oder gar nicht mehr erreicht werden könne. Sachgerecht wäre es allenfalls gewesen, bei der Sanierung von Anfang an so vorzugehen, wie der Sachverständige ### dies in seinem Ergänzungsgutachten vom 4. Juni 2018 in der als Anlage 29 beigefügten Skizze beschrieben habe, nämlich mit zwei Reihen von Injektionen von Harz in die Wände im Bereich der Aufstandsfuge. Nach den Maßnahmen, die die Beklagte stattdessen ergriffen habe, sei die von dem Sachverständigen ### vorgeschlagene Abhilfe durch Injizierungen von Harz nicht mehr als geeignet anzusehen. Geeigneter und erfolgversprechender wäre stattdessen eine Abdichtung von außen (also mit einer “schwarzen” Abdichtung) gewesen (Gutachten Seite 25). Die Höhe der Sanierungskosten schätze er auf 136.950 Euro netto.

Im Laufe dieses Rechtsstreits hat die Klägerin die Kelleraußenwände des Hauses in ### abschnittsweise freigegraben und dort nachträglich eine Außenabdichtung aufgebracht. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung waren diese Arbeiten weit fortgeschritten, aber noch nicht beendet.

Die Klägerin trägt vor, dass die ursprüngliche Undichtigkeit des Kellers vollständig beseitigt worden wäre, wenn die Beklagte ordnungsgemäße Maßnahmen zur Sanierung ergriffen hätte. Die vom Sachverständigen ### genannten Sanierungsmaßnahmen seien nur erforderlich geworden, weil die Beklagte die bis dahin unbeschädigten Außenwände des Kellers und die dahinter liegende Außenabdichtung durchbohrt habe.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die vom Sachverständigen für eine Sanierung geschätzten Nettokosten sowie die Kosten für die im April 2020 veranlassten aber nutzlosen Malerarbeiten.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 138.470 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. April 2022 zu zahlen und sie von sämtlichen Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zwischen ihr und Herrn ### zum Az. 6 OH 15/21 des Landgerichts Lübeck freizuhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin lasse außer Acht, dass sie die primäre Verantwortung für das Schadensbild habe. Die Klägerin habe ihr, der Beklagten, keine Informationen zur Boden- und Grundwasserbeschaffenheit gegeben. Ohne Vorlage von Planungsunterlagen für den Kellerbereich habe die Beklagte nicht annehmen müssen, dass eine Dichtigkeit wie bei einer weißen Wanne notwendig gewesen sei. Die Klägerin habe die Beklagte, abgesehen von der Präsentation mehrerer Haarrisse an Kellerwänden, nicht auf die eigenen Mängel bei der Ausführung der Kellerabdichtung hingewiesen und ihr die Beurteilung durch die Baubüro ### GmbH nicht vorgelegt. Zudem sei bis heute nicht geklärt, ob und ggf. wo sich Hohlräume und Undichtigkeiten innerhalb der Dreifachwand befinden.

Der Sachverständige ### hat sein Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren 6 OH 15/21, dessen Verwertung gemäß § 411a ZPO die Kammer mit den Parteien abgestimmt hat, im Termin vom 19. Januar 2024 erläutert und auf zusätzliche Fragen geantwortet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 124 ff. der Akten) verwiesen.

In einem weiteren vor dem Landgericht Lübeck geführten und bislang nach hiesigem Kenntnisstand nicht förmlich beendeten Rechtsstreit (Az. 17 O 28/21) hat die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 887 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 9. November 2018 betrieben.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Eine anderweitige Rechtshängigkeit steht diesem Rechtsstreit nicht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Zwar begehrt die Klägerin in dem Rechtsstreit vor der 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck (Az. 17 O 28/21) und im vorliegenden Rechtsstreit jeweils von der Beklagten einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme einer Abdichtung der Kelleraußenwände am Haus in ###. Der Streitgegenstand ist gleichwohl nicht identisch.

Identität des Streitgegenstandes liegt vor, wenn aus demselben konkreten Lebenssachverhalt dieselbe Rechtsfolge abgeleitet wird, das heißt, der nämliche Antrag aus demselben Klagegrund gestellt wird (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1952 – V ZR 159/51 -, BGHZ 7, 268 ff.). Die Klägerin betreibt in dem Rechtsstreit vor der 17. Zivilkammer als Gläubigerin gegen die Beklagte als Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 9. November 2018. Grundlage der hiesigen Forderungen auf Kostenvorschuss für die Selbstvornahme ist hingegen der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag. Klageziel ist in dem einen Verfahren somit Vollstreckung aus einem bereits bestehenden Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), während die Klägerin einen solchen Titel mit der vorliegenden Klage erst anstrebt. Damit sind die Klagen nicht auf dasselbe Ziel gerichtet.

II.

Die Klage ist nicht begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die vom Sachverständigen ### als erforderlich festgestellten Sanierungsmaßnahmen.

a) Ein solcher Anspruch auf Selbstvornahme besteht nicht aufgrund der §§ 637 Abs. 2, Abs. 1, 634 Nr. 2, 633 BGB. Hiernach kann der Besteller vom Unternehmer für die zur Beseitigung eines Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen, wenn er dem Unternehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt hat.

Der Unternehmer hat dabei die Aufwendungen des Bestellers zu ersetzen, die zur Mangelbeseitigung erforderlich sind. Die Erforderlichkeit ist vom Besteller zu beweisen (Jurgeleit in: Kniffka/ Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts 5. Aufl. 2020 Teil 5 Rn. 314; Voit in: BeckOK BGB 69. Ed. 01.02.2024, § 637 BGB Rz. 9). Die Kostenpflicht des Unternehmers betrifft nicht nur die eigentliche Mangelbehebung, sondern weitergehend alles, was vorbereitend erforderlich ist, um den Mangel der Werkleistung zu beseitigen. Der Nacherfüllungsanspruch gegen den Unternehmer ist allerdings auf Fehler an dessen Werk beschränkt. Er erfasst nicht auch Mangelfolgeschäden, die an anderen als den vom Unternehmer hergestellten Gewerken eingetreten sind (Genius in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. Stand: 01.02.2023, § 637 BGB Rz. 22).

Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin kein Vorschussanspruch zu. Die Klägerin hat in diesem Rechtsstreit nicht den Beweis geführt, dass die mit der Klage geltend gemachten Kosten der Selbstvornahme aufgrund einer mangelhaften Ausführung der Sanierungsarbeiten an der Abdichtung des Kellers des Hauses in ### erforderlich geworden sind.

Zwar steht aufgrund der Gutachten der Sachverständigen ### und ### zur Überzeugung der Kammer fest, dass es im vorliegenden Fall nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprach, die unzulängliche Abdichtung der Kelleraußenwände durch Gelinjektionen in den Bereich zwischen Außenwand und Erdreich zu sanieren. Beide Sachverständige haben insoweit übereinstimmend ausgeführt, dass eine geeignete Sanierung von innen nur durch eine Verpressung von Polyurethanharz in die Wände durchzuführen gewesen wäre. Es kann jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die nunmehr geltend gemachten Kosten für eine Sanierung durch Freigraben der Kellerwände und eine Abdichtung von außen nicht auch dann angefallen wären, wenn die Klägerin von Beginn an Polyurethanharz als Bohrpacker in die Kelleraußenwände verpresst hätte und mithin entsprechend den anerkannten Regeln der Technik vorgegangen wäre. Nur wenn die Beklagte durch ein sachgemäßes Vorgehen zweifelsfrei die nun entstehenden Beseitigungskosten vermieden hätte oder wenn sie diese allein aufgrund ihrer unsachgemäßen Handlungsweise erst erforderlich machte, erschienen diese nicht als Folge des Primärschadens. Beides ist aber nicht der Fall.

Bereits die von der Klägerin als Privatsachverständige herangezogene Baubüro ### GmbH hat ausgeführt, dass nach der Verpressung mit Harz geprüft werden müsse, ob die Maßnahme erfolgreich sei; die Methode sei jedenfalls kostengünstiger als eine Öffnung des Gebäudes von außen.

Der Sachverständige ### hat im Rahmen seiner Befragung durch die Kammer ausgeführt, dass eine Ausgrabung von außen, wie nunmehr erforderlich, auch bei sachgerechter Sanierung “von innen” nicht zweifelsfrei hätte vermieden werden können. Es sei nicht gesichert, dass die anfängliche Verpressung von Harz ausreichend für eine Schadenssanierung gewesen wäre. Die Beklagte habe durch ihre Arbeiten, bei denen sie die Kelleraußenwände vollständig durchbohrte, nach Einschätzung des Sachverständigen zwar den Zustand der Abdichtung verschlimmert. Gleichwohl könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass eine Aufgrabung vermieden worden wäre, wenn sie stattdessen sachgerecht Polyurethanharz in die Wände verpresst hätte. Diesen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer an.

Es bleiben demnach nicht nur hypothetische Zweifel daran, dass die Aufgrabung nicht ohnehin hätte erfolgen müssen. Diese Zweifel gehen zu Lasten der für die Erforderlichkeit der Mangelbeseitigungskosten beweisbelasteten Klägerin. Eine erneute Befragung des Sachverständigen ### dazu, in welchem Umfang ein Verpressen der Wände mit Harz den Schaden insgesamt beseitigt hätte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geboten, weil sich aus den Ausführungen des Sachverständigen bereits ergibt, dass dies nicht sicher beantwortet werden kann. Zudem gab der Sachverständige zu verstehen, dass eine vollflächige Verpressung von Polyurethanharz ähnliche Kosten verursacht haben dürfte wie eine Schadensbeseitigung “von außen”.

Durch die mangelhaften Arbeiten hat die Beklagte der Klägerin letztlich eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung genommen. Deswegen geht jedoch das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf sie über. Dieses Risiko verbleibt bei der Klägerin, die durch ihre zahlreichen Fehler bei der Abdichtung des Kellers im Rahmen der Herstellung die ursprüngliche Ursache für die Wassereintritte gesetzt hat.

b) Auch nach §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4 BGB (Mangelfolgeschaden) kann die Klägerin keinen Schadensersatz beanspruchen, da die haftungsausfüllende Kausalität nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann. Der Gläubiger trägt grundsätzlich – und so auch hier – die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Insoweit gilt § 286 ZPO (vgl. Lorenz in: BeckOK BGB, 9. Ed. 01.02.2024, § 280 BGB Rz. 89). Da aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Aufgrabung ohnehin erforderlich gewesen wäre, scheitert ein Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens jedenfalls an der nicht feststellbaren haftungsausfüllenden Kausalität.

2. Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht die Kosten für die Malerarbeiten als Mangelfolgeschaden ersetzt verlangen. Es war zu keinem Zeitpunkt sicher, dass nicht ohnehin eine Aufgrabung erforderlich geworden wäre. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die nach dem Vergleich geschuldeten Nachbesserungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt hat. Denn es war klar, dass auch diese Nachbesserungsarbeiten nicht mit Sicherheit zum Erfolg geführt hätten. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Sachverständigen ### in seiner Anhörung im Vorfeld des Vergleichsschlusses im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens (Az. 17 OH 9/16). So haben die Parteien in dem Vergleich einen Ortstermin ein halbes Jahr nach Vergleichsschluss vereinbart, in dem geprüft werden sollte, ob die Maßnahmen erfolgreich waren.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Freihaltung von den Kosten des gegen sie vom Bauherrn ### angestrengten selbstständigen Beweisverfahrens (Az. 6 OH 15/21). Der Antragsteller eines selbstständigen Beweisverfahrens kann die ihm hieraus entstandenen Kosten jedenfalls solange im Wege der Leistungsklage und gestützt auf seinen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend machen, wie ein Hauptsacheverfahren im Sinne des § 494a ZPO – und sei es auch nur in Gestalt einer Feststellungsklage – nicht geführt wurde oder geführt wird, und auch ein Antrag nach § 494a Abs. 1 ZPO nicht gestellt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – VI ZR 520/16 -, Rn. 19).

Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch entsteht nicht kraft Veranlassung wie z. B. durch eine Klageerhebung, sondern setzt stets eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage voraus, wie Vertrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, culpa in contrahendo, positive Vertragsverletzung (§§ 280, 311 BGB), Verzug, §§ 823 Abs. 1 ff. BGB, § 1004 BGB, § 7 StVG oder andere Haftungsnormen. Hier ist keine Haftungsnorm ersichtlich, die der Klägerin einen Freihaltungsanspruch bezüglich der Kosten des vom Bauherrn ### gegen sie geführten Beweisverfahrens gewähren könnte. Deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen scheitern bereits daran, dass insoweit ein reiner Vermögensschaden gegeben wäre. Vertragliche Sekundärschadensersatzansprüche scheitern jedenfalls daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass das selbstständige Beweisverfahren durch ein ordnungsgemäßes Tätigwerden der Beklagten vermieden worden wäre. Es erscheint durchaus möglich, dass das Verfahren auch dann eingeleitet worden wäre, wenn die Beklagte ordnungsgemäß von Anfang an mit Bohrpackern aus Polyurethanharz saniert hätte und die Undichtigkeit – was nach den obigen Ausführungen möglich ist – dadurch nicht beseitigt worden wäre. Es fehlt auch insoweit zumindest an der haftungsausfüllenden Kausalität.

4. Mangels Existenz der Hauptforderung besteht auch die geltend gemachte Zinsforderung nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

OLG Oldenburg ua zu der Frage, dass wenn ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird, der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen hat

OLG Oldenburg ua zu der Frage, dass wenn ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird, der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen hat

vorgestellt von Thomas Ax

1. Nach der Kündigung eines Bau- oder Werkvertrags schuldet der Besteller dem Unternehmer eine Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht. Deshalb hat der Unternehmer die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil der Leistung abzugrenzen.
2. Wird ein Pauschalpreisvertrag gekündigt, hat der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen.
3. Fehlen dem Unternehmer Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen, muss er nachträglich im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind.
4. Von einer Aufschlüsselung der Gesamtleistungen in Einzelleistungen kann der Unternehmer absehen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nur noch geringwertige Leistungen ausstehen. Zudem darf er auf der Grundlage der Fertigstellungskosten des Bestellers für die Restleistung abrechnen, wenn dem Besteller bei dieser Berechnung kein Nachteil entsteht.
OLG Oldenburg, Urteil vom 23.05.2023 – 2 U 195/22
vorhergehend:
LG Oldenburg, 17.11.2022 – 17 O 3604/20
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 131/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


In dem Rechtsstreit

(…)

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (…), den Richter am Oberlandesgericht (…) und den Richter am Oberlandesgericht (…) auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2023

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.11.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt nach der Kündigung eines Werkvertrages restlichen Werklohn für erbrachte Leistungen, während die Beklagte die Forderung für unschlüssig hält und hilfsweise u.a. mit Sekundäransprüchen wegen Mängeln aufrechnet.

Die Parteien sind durch einen Werkvertrag aus März 2020 über Rohbauarbeiten bezüglich einer Doppelhaushälfte verbunden. Wegen der Vertragsunterlagen wird die Anlage K 1 (Bl. 14 – 16 Rs Bd. I d.A.) in Bezug genommen. Der Vertrag sah einen nicht weiter aufgegliederten Pauschalpreis in Höhe von 166.600 Euro brutto vor. Während des Bauverlaufs zahlte die Beklagte Abschläge in Höhe von 90.280,00 Euro. Mit Schreiben vom 7.9.2020 (Anlage B 19; Bl. 68 Bd. I d.A.) kündigte die Klägerin unter im einzelnen streitigen Umständen den Vertrag. Am 10.9.2020 sprach die Beklagte ihrerseits eine Kündigung aus wichtigem Grund sowie gleichzeitig die freie Kündigung aus (Anlage B 21, Bl. 70 Bd. I d.A.). Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht. Eine Abnahme der erbrachten Leistungen erfolgte nicht.

Daraufhin rechnete die Klägerin den Vertrag einschließlich Nachtragsforderungen mit Rechnung vom 22.9.2020 (Anlage K 3, Bl. 17 Rs Bd. I d.A.) ab und forderte mit dieser eine Zahlung von 83.608,00 Euro, die Gegenstand der Klageforderung ist. Einwendungen gegen deren Prüffähigkeit erhob die Beklagte nicht. Im Laufe des Rechtsstreits stellte die Klägerin klar, dass sie nur die von ihr erbrachten Leistungen abrechne und im Wege einer Teilklage vorgehe. Dazu reichte die sie eine weitere Schlussrechnung ein, die auf 86.021, 14 Euro endete (Anlage K 12; Bl. 127 Bd. I d.A.). Nachdem sie durch das Landgericht auf die Grundsätze zur Abrechnung erbrachter Leistungen nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrages hingewiesen worden war, nahm sie mit der Anlage K 16 (Bl. 19 – 20 Rs Bd. II) eine Kalkulation der Einzelleistungen vor, die wiederum auf der Kalkulation ihrer Subunternehmerin beruhte. Zu dieser erklärte ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 6.10.2022, dass die Klägerin daran nicht festhalte.

Stattdessen hat die Klägerin die Auffassung vertreten, sie habe mit der Beklagten die Kalkulation nach qm/Fläche vereinbart und auf diese Kalkulation 5% Baustelleneinrichtung und 10 % bzw. 13% Wagnis und Gewinn kalkuliert. Eine Aufgliederung in erbrachte und nicht erbrachte Leistungen sei ihr deswegen nicht möglich. Ferner hat sie behauptet, die geschuldete Leistung sei weitgehend fertiggestellt worden.

Die Beklagte hat vor dem Landgericht gemeint, die Kündigungsvergütung für die erbrachten Leistungen sei nicht schlüssig dargelegt. Es hätten noch erhebliche Leitungen gefehlt. Hilfsweise hat sie sich auf Gegenansprüche wegen Mängeln, Skonti, Vertragsstrafen und Schäden wegen verlängerter Bauzeit berufen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin den Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nicht schlüssig dargelegt hätte. Sie habe weder die tatsächlich erbrachten Leistungen dargelegt noch diese unter Berücksichtigung des als Pauschalpreis vereinbarten Preisniveaus bewertet. Genau das sei aber wegen der für den Besteller gegebenen Gefahr von kalkulatorischen Verschiebungen in den Teil der erbrachten Leistungen erforderlich. Eine Ausnahme, die eine Berechnung “von oben” ermögliche, liege nicht vor, weil nicht lediglich geringfügige Restleistungen offen gestanden hätten. Eine Berechnung anhand der von der Beklagten teilweise angegeben Fertigstellungskosten komme nicht in Betracht. Es sei unklar, ob die Fertigstellungskosten über der vereinbarten Vergütung lägen, und damit auch, ob die Klägerin einen Vorteil durch diese Abrechnung einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt. Ferner habe die Klägerin den Fertigstellungskosten ausdrücklich widersprochen. Die Beklagte habe zudem nur eine vorläufige Berechnung vorgenommen. Eine Bewertung der Preise der nicht erbrachten Leistungen habe sie gerade nicht durchführen können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, die Vergütungsforderung sei auch unter Berücksichtigung der erfolgten Kündigung ausreichend dargelegt, weil sich aus dem Prozess selbst ergäbe, dass die Beklagte in der Lage war, sich ausreichend zu verteidigen. Außerdem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass zwischen den Parteien eine Kalkulation vereinbart worden sei, die sich allein nach qm bemesse. Das damit verbundene Kalkulationsrisiko, eine Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nicht vornehmen zu können, falle nicht der Klägerin zu. Im Übrigen habe die Beklagte Abzüge hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen vorgenommen, woraus sich ergäbe, dass sie in Bezug auf die Abrechnung nicht schutzbedürftig sei. Schließlich meint die Klägerin, bei Anwendung des § 648 BGB entfalle das Erfordernis einer Abrechnung der Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht. Das ergäbe sich durch eine gebotene Auslegung anhand des neu eingeführten § 648a BGB.
Mit Schriftsatz vom 5.5.2023 reichte der Kläger die Rechnung vom 3.5.2023 zur Akte. Auf Bl. 50 – 57 Bd. III d.A. sowie die Erläuterungen dazu auf. S. 2 des Schriftsatzes (Bl. 48 f Bd. III d.A.) wird verwiesen. Sie meint, daraus ergäbe sich eine schlüssige Abrechnung.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17.11.2022 zum Az. 17 O 3604/20 abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin 83.608,00 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6.10.2020 zu zahlen und

2. hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und nimmt den Inhalt der neuen Berechnung vom 3.5.2023 in Abrede.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zutreffend mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin ihren Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung des Werkvertrages erbrachten Leistungen nicht schlüssig vorgetragen hat. Mit der neuen Abrechnung vom 3.5.2023, die mit Schriftsatz vom 5.5.2023 vorgetragen wurde, ist die Klägerin gem. §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

A)

1. Nach der Kündigung eines Werkvertrages schuldet der Besteller dem Unternehmer eine Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht (vgl. BGH NJW 1995, 2712). Deswegen obliegt es dem die Vergütung für erbrachte Leistungen verlangendem Auftragnehmer zunächst, die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Liegt ein gekündigter Pauschalpreisvertrag vor, hat der Unternehmer überdies die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Dementsprechend muss er sowohl das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung als auch das Verhältnis des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NZBau 2002, 614, 615).

Fehlen dem Auftragnehmer aus der Zeit vor Vertragsschluss die Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen, muss er im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.1996 – VII ZR 227/93 = NJW 1996, 3270). In diesem Zusammenhang kann eine ausreichend aufgegliederte und auf einzelne Gewerke bezogene Aufstellung ausreichen, welche die Gesamtkosten bei vollständiger Fertigstellung aufgrund einer Nachunternehmervergabe darlegt und den Kosten gegenüberstellt, die tatsächlich entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NJW-RR 2002, 1596). Wesentlich ist nur, dass die vorgenommene Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen sowie deren Bewertung dem Auftraggeber die Möglichkeit gibt, sich sachgerecht zu verteidigen (vgl. BGH a.a.O.), indem er die einzelnen Pauschalen sowie den kalkulatorischen Wahrheitsgehalt und damit letztlich die inhaltliche Richtigkeit überprüfen kann. Sinn und Zweck dieser Anforderungen an die Abrechnung ist, dass der Unternehmer seine Leistungen nicht beliebig bewertet und dadurch ungerechtfertigte Vorteile erlangt, wobei es im Wesentlichen um die Frage geht, ob eine ungerechtfertigte Verschiebung von Kosten in den erbrachten Leistungsteil erfolgt ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 59); also die ausgeführten Teilleistungen zu hoch bewertet werden.

Vor dem Hintergrund, dass die Gefahr kalkulatorischer Verschiebungen in diesen Fällen in den Hintergrund tritt, kann von einer Aufschlüsselung der Gesamtleistungen in Einzelleistungen abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nur noch geringwertige Leistungen nicht erbracht sind (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2014 – VII ZR 176/12 = NZBau 2015, 27). Zudem darf der Unternehmer auf der Grundlage der Fertigstellungskosten des Bestellers für die Restleistung abrechnen, wenn feststeht, dass dem Unternehmer bei dieser die Vertragsgrundlagen verlassenden Berechnung kein Nachteil entsteht (vgl. Kniffka in in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 65; Schmitz in Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 6.3.2023, § 648 Rn. 59). Es muss mithin feststehen, dass die Drittunternehmerkosten die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Restfertigstellung überschreiten, oder der Besteller akzeptiert eine Berechnung unter Abzug der Fertigstellungskosten bzw. widerspricht dieser nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2014 – VII ZR 124/13 = NZBau 2014, 351 Rn. 4).

2. Unerheblich ist in Bezug auf diese Berechnungsgrundlagen zum gekündigten Pauschalpreisvertrag, ob es sich um eine Kündigung nach § 648a BGB oder § 648 BGB handelt. Der Rechtsauffassung der Klägerin, nach Einführung des § 648a Abs. 4 BGB könnten sich die Grundsätze der Abrechnung eines gekündigten Werkvertrages nur noch auf die Fälle des § 648a BGB beziehen, während im Rahmen einer Kündigung nach § 648 BGB, für den eine dem § 648a Abs. 4 BGB entsprechende Regelung fehlt, der Besteller darlegen und beweisen müsse, in welchem Umfang Leistungen nicht erbracht wurden, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Abgesehen davon, dass diese Auffassung – soweit ersichtlich – nirgends in der Literatur oder Rechtsprechung vertreten wird, sondern weiterhin einhellig die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung auf beide Kündigungsarten angewendet werden, verkennt die Klägerin mit ihrer Rechtsmeinung, dass nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast der Anspruchsteller die seinen Anspruch ausfüllenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat. Dazu gehört auch der Umfang der erbrachten Leistungen sowie die Höhe der sich daraus ergebenden Vergütung. Im Übrigen betrifft die Regelung des § 648a Abs. 4 BGB allein die Frage der Feststellung des Leistungsstandes und keineswegs die Frage der vergütungsmäßigen Bewertung der erbrachten Leistungen.

3. Ob sich aus den Regelungen der VOB/B für die Abrechnung des gekündigten Werkvertrages etwas zugunsten der Klägerin ergeben könnte, kann auf sich beruhen. Die VOB/B ist nach ihrem eigenen Vorbringen nicht wirksam einbezogen. Keineswegs kommt dem Zeugen FF eine einem Architekten ähnliche Stellung zu, die Grund für die Annahme wäre, bei ihm handele es sich um eine im Baubereich bewanderte Person (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 2 Rn. 187). Ein vormals erteilter Bauträger- oder Maklerschein reichen insoweit nicht aus.

4. Unter Zugrundelegung der unter 1. dargelegten Grundsätze hat die Klägerin ihren Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen mit ihren im ersten Rechtszug vorgebrachten Schlussrechnungen (Anlage K 3 = Bl. 17 Rs Bd. I d.A.; Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.) nicht schlüssig dargelegt.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin bereits im ersten Schritt nicht angegeben hat, welche Leistungen aus dem Vertrag erbracht und welche nicht erbracht wurden, und schließlich auch keine Bewertung der Teilleistungen anhand des Preisgefüges des Pauschalpreisvertrages vorgenommen hat.

Es ergibt sich aus den durch die Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, dass im Kündigungszeitpunkt zwei Giebel an der Garage weder im Hinblick auf das Innen- noch auf das Außenmauerwerk errichtet waren, der Bau nicht putzgerecht hergestellt war, weil Abmauerungen im Sanitärbereich und das Verschließen der Schlitze unterblieben sind, Außenfensterbänke als Rollschichten vollständig nicht errichtet waren, Fensterbänke innen fehlten, eine komplette Stützwand im Treppenhaus nicht ausgeführt wurde und die Verfugung vollständig unterblieben ist. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der insoweit getroffenen Feststellungen ergeben sich nicht, so dass der Senat sie als bindend zugrunde legt. Daran ändert sich auch nichts durch die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung der Klägerin auf S. 5 des Schriftsatzes vom 27.7.2022, sie habe lediglich die in ihrer letzten Schlussrechnung des ersten Rechtszuges (Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.) berücksichtigen Positionen nicht erbracht. Denn der Geschäftsführer der Klägerin hatte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.7.2021 selbst erklärt, dass auch die Schlitze nicht verschlossen worden sind und die Verfugung nicht ausgeführt wurde. Im Zusammenhang mit letzterer gibt es gegen die Auslegung des Landgerichts, dass auch diese Verfugung zu den geschuldeten Arbeiten gehörte, nichts zu erinnern. Auf dessen Ausführungen (S. 12 – 14 LGU) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin vertraglich auch zur Beräumung der Baustelle von Schutt verpflichtet war. Denn die Beseitigung des mit der Werkleistung verbundenen Abfalls gehört vorbehaltlich – hier nicht ersichtlicher – abweichender vertraglicher Vereinbarung zu dem geschuldeten Werkerfolg des Auftragnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 6. 7. 2000 – VII ZR 73/00 = NZBau 2000, 466).

Die Klägerin hat in ihrer ersten Rechnung (Anlage K 3; Bl. 17 Rs Bd. I d.A.) hingegen gar keine nicht erbrachten Leistungen ausgewiesen oder berechnet. Bei der weiteren Rechnung aus der Anlage K 12 (Bl. 127 Bd. I d.A.) hat sie lediglich die beiden Giebel, die WC-Kanten-Abmauerung und 16 lfdm (statt 26 lfdm im ihr seinerzeit überlassenen, unausgefüllten LV) Rollschicht abgezogen. Eine Bewertung der Einzelleistungen unter Berücksichtigung des Preisgefüges des Pauschalpreisvertrages unterblieb gänzlich. Vielmehr nahm sie einen Abzug anhand nicht nachvollziehbarer Einzelbeträge vor. Mit Schriftsatz vom 25.8.2021 reichte die Klägerin als Anlage K 16 (Bl. 19 – 21 Rs Bd. II d.A.) eine Kalkulation ihrer Subunternehmerin ein. Anhand dieser, die den mit der Klägerin vereinbarten Pauschalpreis indes nicht widerspiegelte, errechnete sie erneut Abzüge ausschließlich für die beiden Giebel, die WC-Kanten-Abmauerung und 16 lfdm Rollschicht, um dann – zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 6.10.2022 – zu erklären, an dieser Abrechnung nicht mehr festzuhalten. Mithin hat die Klägerin die grundsätzlichen Anforderungen für die schlüssige Abrechnung einer Vergütung erbrachter Leistungen nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrages nicht erbracht.

Soweit die Klägerin argumentiert, sie habe mit einem konkreten Preis/m² Fläche zuzüglich 5% Baustelleneinrichtung und 10% bzw. 13% Wagnis und Gewinn kalkuliert, enthebt sie dies nicht von der Pflicht zur konkreten Abrechnung. Soweit sie meint, die Aufschlüsselung und Bewertung der nicht erbrachten Leistungen sei ihr deswegen nicht möglich, trifft dies nicht zu. Denn die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, fehlen der Klägerin dann lediglich Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen aus der Zeit vor Vertragsschluss, die sie im Nachhinein vornehmen muss um dann im Einzelnen darzulegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.1996 – VII ZR 227/93 = NJW 1996, 3270). Soweit in der Berufungsbegründung geltend gemacht wird, die Beklagte habe sich mit Email vom 16.3.2020 (Bl. 180 Bd. II d.A.) auf die die Kalkulation nach Preis/m² eingelassen und müsse nunmehr deren Nachteile im Rahmen der Abrechnung des gekündigten Vertrages tragen, kann sich der Senat dem nicht anschließen. Zum einen ist der Email, die sich allein auf die Angebote konkurrierender Wettbewerber bezieht, keineswegs eine Vereinbarung einer bestimmten Kalkulation mit der Klägerin zu entnehmen. Zum anderen schlüge dies nicht auf die Verpflichtung der den Werklohn beanspruchenden Klägerin durch, den gekündigten Pauschalpreisvertrag nach den Grundsätzen der Rechtsprechung abzurechnen.

b) Schließlich ist die Klägerin unter Berücksichtigung ihres erstinstanzlichen Vorbringens auch nicht von einer Abrechnung ihrer Vergütung nach den dargestellten Grundsätzen enthoben. Eine Ausnahmekonstellation, in der sie “von oben nach unten” abrechnen darf, liegt nicht vor.

aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich nicht feststellen lasse, im Zeitpunkt der Kündigung hätten lediglich noch geringfügige Restleistungen ausgestanden.

Es liegt auf der Hand, dass dies nicht anhand der Abrechnung der Klägerin erfolgen konnte. Nicht nur, dass diese wesentliche Teile der nicht erbrachten Leistungen gar nicht berücksichtigte, kann der vermeintlich geringfügige Betrag gerade auf einer “kalkulatorischen Verschiebung“, also einer Unterbewertung der Restleistung durch die Klägerin beruhen (vgl. KG NJW 2018, 3721 Rn. 82). Tatsächlich sind die oben festgehaltenen ausstehenden Leistungen in Bezug auf das Gesamtvolumen des Werkvertrages von 162.400,00 Euro nicht geringwertig. Das folgt einerseits aus den fehlenden Leistungen an sich und zusätzlich aus den durch die Beklagte zum Teil angegebenen Drittunternehmerkosten und zum Teil geschätzten

Preise der nicht erbrachten Teilleistungen:

2 Giebel Garage; 6 m² Innen- und Außenmauerwerk

4.250,00 Euro

Putzfertige Errichtung (Schätzung Beklagte)

8.250,00

Abmauerungen Sanitärbereich

2.900,00 Euro

Verschließen der Schlitze pp

(keine Angabe)

Außenfensterbänke als Rollschichten; Stützwand im Treppenhaus

1.276,00 Euro

Fensterbänke innen

997,84 (Material)

Verfugung

3.441,93 Euro + 628,93 Euro

Beräumung der Baustelle

1.303,84 Euro

 

————————–

 

20.148,54


Auch wenn dieses Rechenwerk der Beklagten nicht unstreitig ist, steht jedenfalls fest, dass nach der Kündigung nicht lediglich geringfügige Leistungen der Klägerin ausstanden. In diesem Zusammenhang ist es mangels abweichender Anhaltspunkte für die Beklagte auch zulässig, für die Schätzung auf den Abschlagsplan der Klägerin zuzugreifen.

bb) Schließlich kann eine Abrechnung nicht auf Grundlage der Fertigstellungskosten für die Restleistungen erfolgen.

Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass nicht feststeht, dass die an einen Drittunternehmer zu entrichtenden Fertigstellungskosten über dem vereinbarten Vertragspreis liegen. Das mag grundsätzlich naheliegen und der Regelfall sein, steht aber vorliegend eben weder fest noch ist es durch die Klägerin unter Beweis gestellt worden. Überdies scheidet vorliegend eine Abrechnung nach den Fertigstellungskosten aus, weil die Klägerin zu diesen gar nichts vorgetragen hat und sie auch aus dem Vortrag der Beklagten nicht vollständig hervorgehen. Die Beklagte hat insbesondere im Bereich der ausgebliebenen putzfertigen Errichtung in weiten Teilen eine Schätzung anhand des Abschlagszahlungsplans der Klägerin (5% nach “Bau putzgerecht herstellen“) vorgenommen. Darüber hinaus hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise auf seine mit Tatbestandswirkung nach § 314 ZPO getroffene Feststellung abgestellt, dass die Klägerin sich die Abrechnung nach den Fertigstellungskosten gerade nicht hilfsweise zu eigen gemacht, sondern diese bestritten hat. Damit war es gerade die Klägerin, die sich einer Abrechnung auf Grundlage der Fertigstellungsmehrkosten verweigert hat.

Soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug ihre Auffassung wiederholt, die Aufstellung der Beklagten zeige gerade, dass diese sich sachgerecht verteidigen könne und deswegen eine nähere Darlegung der Klägerin entbehrlich sei, dringt sie damit nicht durch. Es ist zwar im Grundsatz zutreffend, dass der Detaillierungsgrad der vom Unternehmer zu erbringenden Abrechnung nicht zu unverhältnismäßigen Anforderungen an diesen führen darf, sondern sich nach dem berechtigten Informationsinteresse des Bestellers richtet und nicht dessen ungerechtfertigte Verweigerungstaktik unterstützen soll. Vorliegend hat hingegen bereits das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Aufstellung der Beklagten gerade keine derartige sachgerechte Verteidigung gegen die vollkommen unvollständige Abrechnung der Klägerin, sondern allein eine vorläufige Aufstellung der bereits angefallenen und geschätzten Drittunternehmerkosten darstellt. Die Berufung vermischt in diesem Zusammenhang die Anforderung an die Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages mit der Ausnahme der Abrechnung nach Drittunternehmerkosten, die von einer solchen Abrechnung enthebt. Eine sachgerechte Verteidigung gegen die angesichts der Rechenwerke der Klägerin naheliegende ungerechtfertigte Verschiebung von Kosten in den erbrachten Leistungsteil ist mit der Aufstellung der gezahlten und geschätzten Fertigstellungskosten nicht verbunden. Der Klägerin hätte es vielmehr freigestanden, den infolge der unzureichenden Abrechnung bei der Beklagten drohenden Nachteil dadurch abzuwenden, dass sie eine Abrechnung auf Grundlage der Fertigstellungskosten hinnimmt. Dem ist sie aber gerade entgegengetreten.

5. Mit ihrem neuen Vorbringen zur Abrechnung des Vertrages aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 in Verbindung mit der Berechnung vom 3.5.2023 ist die Klägerin gem. §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, so dass auf sich beruhen kann, ob dieses den Grundsätzen einer schlüssigen Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreises entspräche.

a) Die Beklagte hat dieses neue Vorbringen der Klägerin zur Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages in ihrem Schriftsatz vom 9.5.2023 in Abrede genommen, so dass es streitig war. Damit unterliegt es dem Anwendungsbereich der §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO.

aa) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 6. 10. 2005 – VII ZR 229/03 = NJW-RR 2005, 1687, geltend macht, auf die im Berufungsrechtszug erstellte Schlussrechnung seien die §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar, vermag der Senat dem nicht näher zu treten. Aus dieser Entscheidung geht lediglich hervor, dass die vom Unternehmer im Berufungsrechtszug nach Abweisung seiner Klage in erster Instanz vorgelegte neue Rechnung nur dann nicht als neue Tatsache aus prozessualen Gründen als verspätet zurückgewiesen werden kann, wenn die Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung ist. So liegt es hier indes nicht. Unabhängig von der Frage, ob die Parteien einen BGB- oder VOB/B-Vertrag geschlossen haben, ist die Forderung unabhängig von der Prüfbarkeit der zunächst erteilten Schlussrechnung (Anlage K 3) fällig geworden, weil die Belklagte die fehlende Prüffähigkeit nicht binnen 30 Tagen nach Zugang (§ 650 f Abs. 4 S. 3 BGB; § 16 Abs. 3 S. 1 VOB/B) gerügt hat (vgl. Retzlaff in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 650g Rn. 14; Locher in Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 22. Aufl., § 16 Abs. 3 VOB/B Rn. 25). In diesen Fällen findet nur noch eine Sachprüfung statt, ob die Forderung berechtigt ist und die §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO sind anzuwenden (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 547).

bb) Die neue Berechnung der Klägerin erläutert und präzisiert auch nicht die bislang vorgelegten Abrechnungen (Anlage K 3 = Bl. 17 Rs Bd. I d.A.; Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.), sondern verändert die Abrechnungsstruktur grundlegend, so dass es sich um ein neues Angriffsmittel handelt (vgl. Kniffka a.a.O. Rn. 548). Während die Abrechnung in der Anlage K 3 gar keine Abzüge wegen nicht erbrachter Leistungen vorsah, erfolgte in der Anlage K 12 einer “Abrechnung von oben nach unten“, indem von der Bruttovergütung lediglich Abschläge wegen der nicht erbrachten Leistungen genommen wurden. Demgegenüber wird in der neuen Abrechnung aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 erstmals eine “Abrechnung von unten nach oben” vorgenommen, indem der Pauschalbetrag in Einzelpositionen der erbrachten Leistungen aufgeschlüsselt wird und im Zuge dessen die Abzüge der nicht erbrachten Leistungen eingefügt werden. Die Richtigkeit dieser kalkulatorischen Aufschlüsselung sowie der Abzüge hat wiederum die Beklagte in Abrede genommen, so dass die Tatsachengrundlage streitig ist.

b) Die Zulassung dieses neuen, streitigen Vorbringens kommt gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.

Das gilt zunächst in Bezug auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Diese Vorschrift gestattet neues Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem Eingangsgericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (vgl. BGH NJW 2004, 2152, 2153). So liegt der Fall hier allerdings nicht. Vielmehr hat das Landgericht zunächst in seiner Verfügung vom 18.2.2021 ausführlich darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der Anlage K 3 nicht schlüssig ist. Es hat auch klar und richtig vorgegeben, wie die Abrechnung zu erfolgen hat. Diesen Hinweis hat es in der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2021 wiederholt, nachdem die Klägerin die Anlage K 12 in den Prozess eingeführt hat. Die Einzelrichterin hat damit die auch für den Senat entscheidungserheblichen Fragen angesprochen. Gerade vor dem Hintergrund dieser Hinweise verbietet sich eine Zulassung nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Die Vorschrift ermöglicht neues Vorbringen im Berufungsrechtszug, weil Vorbringen infolge eines Verfahrensmangels erstinstanzlich nicht geltend gemacht wurde. Sie betrifft insbesondere den Fall, dass nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des erstinstanzlichen Gerichts unterblieben sind, die zu dem Vorbringen, das nunmehr erst im Berufungsrechtszug gehalten wird, bereits in erster Instanz Anlass gegeben hätten (vgl. BGH NJW 2004, 2152, 2153). Diese wurde indes gerade erteilt. Schließlich beruht das neue Vorbringen zur Abrechnung in der Berufungsinstanz aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 auf Nachlässigkeit, welche die Zulassung des Vorbringens gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausschließt. Es wäre ohne Weiteres bereits im ersten Rechtszug möglich gewesen.

B)

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr.10, 711 ZPO

Verkündet am 23.05.2023

OLG Bamberg ua zu der Frage, dass die Leistung eines mit der Errichtung einer Dach-Photovoltaikanlage beauftragten Auftragnehmers mangelhaft ist, wenn er Unterlegplatten und Dachhaken verwendet, die für die verbauten Dachziegel nicht zugelassen waren, die Konterlattung beschädigt und die Stromzuleitungs- und Erdungskabel ohne Abdichtungsmanschetten zwischen Dachstein und Schalung verlegt

OLG Bamberg ua zu der Frage, dass die Leistung eines mit der Errichtung einer Dach-Photovoltaikanlage beauftragten Auftragnehmers mangelhaft ist, wenn er Unterlegplatten und Dachhaken verwendet, die für die verbauten Dachziegel nicht zugelassen waren, die Konterlattung beschädigt und die Stromzuleitungs- und Erdungskabel ohne Abdichtungsmanschetten zwischen Dachstein und Schalung verlegt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Leistung eines mit der Errichtung einer Dach-Photovoltaikanlage beauftragten Auftragnehmers ist mangelhaft, wenn er Unterlegplatten und Dachhaken verwendet, die für die verbauten Dachziegel nicht zugelassen waren, die Konterlattung beschädigt und die Stromzuleitungs- und Erdungskabel ohne Abdichtungsmanschetten zwischen Dachstein und Schalung verlegt.

2. Verschweigt der Auftragnehmer von ihm bzw. seinen Mitarbeitern verursachte Mängel arglistig, verjähren die Mängelansprüche des Auftraggebers nicht innerhalb von fünf Jahren ab der Abnahme der Leistung, sondern innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Auftraggebers von den den Anspruch begründenden Umständen.

3. Bei gravierenden oder offensichtlichen Mängeln, die durch nachfolgende Arbeiten verdeckt werden, liegt Arglist nahe.
OLG Bamberg, Beschluss vom 10.10.2022 – 3 U 61/22
vorhergehend:
OLG Bamberg, Beschluss vom 29.08.2022 – 3 U 61/22
LG Hof, 21.02.2022 – 35 O 5/20
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – VII ZR 200/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


In dem Rechtsstreit

(…)

erlässt das Oberlandesgericht Bamberg – 3. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 10.10.2022 folgenden

Beschluss

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022, Aktenzeichen 35 O 5/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Hof ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 63.200,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie die gestellten Anträge wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022 sowie auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 29.08.22 Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022, Aktenzeichen 35 O 5/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Im Hinblick auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 26.09.2022 ist auszuführen:

1. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass aufgrund der Vorgänge im Jahr 2014 der Klägerin keine grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf eine Unkenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers vorzuwerfen und damit die Verjährung nicht eingetreten ist.

a) Es mag zwar sein, dass nach dem Erwerb des streitgegenständlichen Anwesens durch die Klägerin im Jahr 2010 Arbeiten am Dach nur durch die Dachdeckerfirma A. GmbH und den Beklagten durchgeführt wurden. Zutreffend ist auch, dass sich die Klägerin nach dem Starkregenereignis und dem damit verbundenen Wassereintritt im Jahr 2014 an keine der beiden Firmen gewandt hat. Allerdings setzt sich der Beklagte nicht mit der Tatsache auseinander, dass die Klägerin eine Fachfirma beauftragt und damit gerade versucht hat, die Klärung der Ursache des Schadens und der möglichen Verantwortlichkeit über eine neutrale Person herbeizuführen. Dass der von ihr gewählte Weg hierfür auch grundsätzlich geeignet war, stellt der Beklagte nicht in Abrede. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang eine Rechtspflicht zu konstruieren versucht, sich stattdessen auf Verdacht an einen der möglichen Schädiger zu wenden und diesen um Aufklärung nachzusuchen, um dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von einem Schaden und der Person des Schädigers zu entgehen, liegt dies neben der Sache.

b) Dass die von der Klägerin veranlasste Untersuchung ohne Erfolg blieb, ist der Klägerin nicht anzulasten, weil sie grundsätzlich auf die Kompetenz der beauftragten Fachfirma vertrauen durfte; Gegenteiliges trägt auch der Beklagte nicht vor.

c) Unbehelflich ist der Verweis auf das vor dem Senat anhängige Berufungsverfahren 3 U 410/21, in dem entgegen der Behauptung des Beklagten eine gänzlich andere Fallkonstellation streitgegenständlich ist, so dass sich ein weiteres Eingehen hierauf erübrigt.

Vorliegend kann also von einem “groben Pflichtenverstoß” oder einer “schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung” (BGH NJW 2009, 1482 Rn. 34) im Sinne der Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Bezug auf das Tätigwerden der Klägerin nach dem Wassereintritt im Jahr 2014 nicht die Rede sein, so dass dies einen Beginn der Verjährungsfrist nicht begründen kann.

d) Von einer Kenntnis der Klägerin von dem Schaden und der Person des Schädigers ist damit erst im Jahr 2016 auszugehen. Damit begann die aus § 634a Abs. 3 S. 1 BGB resultierende dreijährige Verjährungsfrist mit Ablauf dieses Jahres und endete mit Ablauf des Jahres 2019 (§ 199 Abs. 1, 195 BGB). Die Klageerhebung am 24.12.2019 hat daher gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung rechtzeitig gehemmt.

2. Auch die Einwendungen des Beklagten gegen die Höhe des Schadensersatzanspruchs greifen nicht durch.

a) Im Hinblick auf den angeblich vom Sachverständigen B. erstmals im Termin vom 17.01.2022 genannten Betrag von 20.000,00 Euro bestand für das Landgericht kein Anlass, deswegen einen ergänzenden Beweisbeschluss zu erlassen. Zum einen bezogen sich die Ausführungen des Sachverständigen auf die Kosten der Nachrüstung des Daches mit einer regendichten Nagelschutzbahn und nicht auf die Kosten der Beseitigung der vom Beklagten verursachten Schäden. Vor allem jedoch hat der Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die von der Klägerin unter Vorlage der Rechnung der Fa. A. behaupteten Aufwendungen zur Schadensbeseitigung in Höhe von 62.500,86 Euro nicht bestritten, weshalb sich eine Beweisaufnahme hierüber verbot und Ausführungen des Sachverständigen hierzu als nicht entscheidungserheblich zu behandeln gewesen wären. Zutreffend hat das Landgericht daher diese Kosten seiner Entscheidung zugrunde gelegt, auch wenn es der Klägerin aus Rechtsgründen (Sowiesokosten, Abzug “neu für alt“) nicht den vollen Betrag zugesprochen hat.

b) Soweit der Beklagte erstmals mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31.01.2022 die Schadenshöhe in Frage gestellt hat, hat der Senat bereits in dem vorgenannten Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt, dass das Landgericht rechtsfehlerfrei von einem Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO abgesehen hat. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Einer weiteren Erörterung bedarf das Vorbringen im Schriftsatz vom 26.09.2022, das der Senat zur Kenntnis genommen hat, nicht.

Die Berufung des Beklagten ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO.

VK Westfalen zu der Frage, dass nicht jede nicht vertragsgerechte Erfüllung eine mangelhafte Erfüllung ist. Sie erheblich sein muss. Die mangelhafte Leistung erheblich ist, wenn sie den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet

VK Westfalen zu der Frage, dass nicht jede nicht vertragsgerechte Erfüllung eine mangelhafte Erfüllung ist. Sie erheblich sein muss. Die mangelhafte Leistung erheblich ist, wenn sie den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet

von Thomas Ax

1. Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
2. Nicht jede nicht vertragsgerechte Erfüllung ist eine mangelhafte Erfüllung. Sie muss erheblich sein. Erheblich ist die mangelhafte Leistung, wenn sie den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet.
3. Neben dem Vorliegen früherer Mängel ist erforderlich, dass die Mängel zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt haben.
4. Damit ein Schadensersatzanspruch oder ein anderer aus einer Pflichtverletzung resultierender Anspruch des öffentlichen Auftraggebers mit der vorzeitigen Beendigung eines Vertrags vergleichbar ist, muss der jeweilige Anspruch nicht nur entstanden, sondern auch geltend gemacht worden sein.
5. Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen hat, darf es bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 GWB höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
VK Westfalen, Beschluss vom 16.02.2024 – VK 3-47/23
 
In dem Nachprüfungsverfahren

wegen der Vergabe von Sicherungsdienstleistungen

(…)

hat die Vergabekammer Westfalen […] auf die mündliche Verhandlung vom 06. Februar 2024 am 16. Februar 2024

entschieden:

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, im Falle fortbestehender Vergabeabsicht die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu vorzunehmen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden auf ###,- € festgesetzt.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I.

Mit Bekanntmachung vom 22.08.2023 schrieb die Antragsgegnerin Sicherungsdienstleistungen für […] in zwei Losen in einem europaweiten, offenen Verfahren aus. In dem hier allein streitgegenständlichen Los 2 […], für welches die Antragsgegnerin einen Auftragswert in Höhe von ###,- EUR schätzte, war einziges Zuschlagskriterium der Preis.

Die Antragsgegnerin verlangte in der Bekanntmachung bzw. den Vergabeunterlagen von den Bietern, unter anderem Eigenerklärungen über das Nichtvorliegen der Ausschlussgründe nach §§ 123 und 124 GWB zusammen mit dem Angebot einzureichen. Zudem forderte Sie die Unternehmen auf, den Stundenverrechnungssatz in Bestandteile aufgeschlüsselt darzustellen, und wies darauf hin, den ab Juli 2023 gültigen Beitragssatz zur Pflegeversicherung zu Grunde zu legen. Hierfür stellte sie den Bietern ein Formular zur Verfügung. Dieses sah vor, dass die Bieter zu den einzelnen Positionen des Stundenverrechnungssatzes deren Prozentsatz bezogen auf den Gesamtwert und die Höhe in Euro angeben.

Die Antragstellerin übermittelte ihr Angebot für das Los 2 fristgemäß und erklärte darin, dass Ausschlussgründe nach §§ 123 und 124 GWB für sie nicht vorlägen.

Aus der Dokumentation der Antragsgegnerin über die Prüfung der Stundenverrechnungssätze der Angebote geht hervor, dass ein Bieter nicht den aktuellen Beitragssatz zur Pflegeversicherung eingetragen hatte. In der Aufschlüsselung der Stundenverrechnungssätze ist ein geringerer Anteil von 1,53 % angegeben. Der betreffende Bieter wurde um Aufklärung gebeten, worauf dieser mitteilte, dass ihm der Fehler unterlaufen sei, die Erhöhung in der Berechnungstabelle nicht anzugleichen. Er versicherte jedoch, die Beiträge zur Pflegeversicherung gesetzeskonform abzuführen. Es wurde eine neue Aufschlüsselung bei unverändertem Stundenverrechnungssatz eingereicht; der Zuschlag für Gewinn und Wagnis wurde dabei um 0,17 % verringert. Die Antragsgegnerin lies das Angebot des Bieters zur Wertung zu.

Mit Schreiben vom 22.12.2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass ihr Angebot gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausgeschlossen worden sei. Konkret begründete die Antragsgegnerin den Ausschluss damit, dass in einem früheren öffentlichen Auftrag der Antragsgegnerin “aufgrund von Schlechtleistungen und weiteren Mängeln für die Dienstleistung Sicherheitsdienst bei Veranstaltungen im […]” die Antragstellerin “teilgekündigt” wurde. Der Zuschlag im vorliegenden Vergabeverfahren solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden. Hintergrund ist, dass die Antragstellerin bereits in den Jahren 2019 bis 2023 vertraglich mit der Durchführung des Sicherheitsdienstes bei Veranstaltungen im […] beauftragt war. Eine dieser Veranstaltungen war das […]. Infolgedessen ist es zu einer vertraglichen Änderung im November 2019 gekommen.

Die Antragstellerin rügte ihren Ausschluss mit Schreiben vom 27.12.2023. Eine Reaktion der Antragsgegnerin auf die Rüge erfolgte vor dem 02.01.2024 nicht. Die Antragstellerin hat am 29.12.2023 ihren Nachprüfungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die von der Antragsgegnerin genannte Grundlage des Ausschlusses ins Leere gehe.

Die Antragstellerin räumt ein, dass es bei der früheren Ausführung des Veranstaltungsschutzes im […] Mängel gegeben habe. Schon aus eigenem Interesse habe die Antragstellerin daraufhin ein Selbstreinigungsverfahren durchgeführt.

So habe man sich vom damaligen Einsatzleiter getrennt. Ein weiterer Mitarbeiter gehöre dem Bereich Veranstaltungen nicht mehr an. Veranstaltungen würden seitdem von einem anderen Mitarbeiter geleitet. Die Antragstellerin habe zudem einen Ablaufschulungsplan für Veranstaltungen erstellt, der individuell für die einzelne Veranstaltung geändert werde und unbedingt beachtet werden müsse.

Diese Maßnahmen habe sie jedoch nicht als Selbstreinigungsmaßnahmen in dieser Ausschreibung aufgeführt, da die Antragstellerin davon ausging, dass der zulässige Zeitraum für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 2 Nr. 7 GWB gemäß § 126 Abs. 1 GWB abgelaufen sei. Dieser betrage drei Jahre. Er beginne ab dem betreffenden Ereignis, welches im Jahre 2019 geschehen sei. Als Folge hieraus habe die Antragstellerin eine Änderungsvereinbarung mit der Antragsgegnerin im November 2019 getroffen. Demgemäß habe der Zeitraum für die Berücksichtigung dieses Ereignisses, und damit die Möglichkeit einen Vergabeausschluss darauf zu stützen, mit Beginn des Monats Dezember des Jahres 2022 geendet.

Der Rechtsgedanke des § 126 Nr. 2 GWB sei bei der Begründung der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden. Damit sei der Ausschluss der Antragstellerin rechtsfehlerhaft.

Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Inhalte der informellen Gespräche zu Vorkommnissen, die die Antragsgegnerin als Schlechtleistung bewerte, erfüllten jedoch nicht die Voraussetzungen, den Zeitraum für den Ausschluss zu verschieben. Das Gesetz schreibe ein “Ereignis” vor, das als ein berechtigter Ausschlussgrund gegeben sein müsse. Die Antragsgegnerin habe sich in ihrem Absageschreiben eindeutig auf die Teilkündigung berufen. Das Nachschieben von Gründen sei nicht möglich. Darüber hinaus liege auch kein weiteres “Ereignis” vor.

Im Übrigen halte es die Antragstellerin für bedenklich, dass – wie aus der Vergabedokumentation ersichtlich – die Einreichung von Kalkulationsblättern über Stundenverrechnungssätze des Angebotes eines weiteren Bieters nicht zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren geführt hätte. Die abgegebene Kalkulation habe nicht den aktuellen Beitragssatz zur Pflegeversicherung enthalten. Durch die Verringerung des Gewinn- und Wagniszuschlags sei einer Nachbesserung der Kalkulationsaufschlüsselung stattgegeben worden. Hätte die Antragsgegnerin tatsächlich die Einpreisung von eindeutig geforderten Aufwendungen der Sozialversicherungsbeiträge in dieser Art und Weise zugestimmt, so läge ein vergaberechtswidriger Angebotsvorteil für diesen Bieter vor.

Die Antragstellerin beantragt,

1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag in dem Vergabeverfahren zu Los 2 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen,

2. der Antragsgegnerin für den Fall fortbestehender Vergabeabsicht aufzugeben, die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu vorzunehmen,

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei. Der Ausschluss der Antragstellerin sei rechtmäßig gewesen, es liege kein Verstoß gegen vergaberechtliche Grundsätze vor.

Seit dem 01.02.2019 wäre die Antragstellerin mit der Durchführung des Sicherheitsdienstes bei Veranstaltungen im […] beauftragt gewesen. Der Vertrag zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sei zum 31.03.2023 ausgelaufen. Die letzte von der Antragstellerin begleitete Veranstaltung sei am 12.11.2022 erfolgt. Im Jahr 2023 habe die Beigeladene für drei Monate interimsweise die Sicherheitsdienstleistungen übernommen. Aktuell seien erst wieder Veranstaltungen im Frühjahr 2024 geplant.

Das Angebot der Antragstellerin sei gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausgeschlossen worden, da diese eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich und fortdauernd mangelhaft erfüllt habe. Hintergrund sei gewesen, dass mit der Antragstellerin aufgrund von Schlechtleistungen und weiteren Mängeln für die Dienstleistung Sicherheitsdienst bei Veranstaltungen im […] im November 2019 ein Änderungsvertrag habe geschlossen werden müssen. Dieser Änderungsvertrag sei notwendig geworden, nachdem bei der Veranstaltung “[…]” massive Mängel bei der Durchführung der Sicherheitsleistung festgestellt worden seien, die eine Schadensersatzforderung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin nach sich gezogen habe. Auch in der Folgezeit habe sich die mangelhafte Auftragserfüllung durchgezogen.

Die Antragstellerin habe nach Ansicht der Antragsgegnerin bei 9 von 11 Veranstaltungen nicht ordnungsgemäß geleistet. Hierzu habe sie auch eine Dokumentation erstellt. Eine etwaige Übermittlung dieser Dokumentation oder entsprechender Schreiben an die Antragstellerin konnte von der Antragsgegnerin nicht dargelegt werden.

Eine vollständige Kündigung des Vertragsverhältnisses im Jahr 2022 sei nicht erfolgt, da der Vertrag praktisch mit dem Ende der Saison 2022 ausgelaufen sei. In der mündlichen Verhandlung räumte die Antragsgegnerin zudem ein, dass hinsichtlich der als Schlechtleistung bewerteten Auftragsausführung der Antragsgegnerin aber kein Schadensersatz oder eine vergleichbare Rechtsfolge ergriffen wurde.

Der Nachprüfungsantrag sei dennoch unbegründet, da die im Jahr 2019 erfolgte Kündigung der Sicherheitsdienstleistungen für das “[…]” nicht alleinige Grundlage für den Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gewesen sei. Die vorzeitige Beendigung sei lediglich als Grundlage für die Prognose zur Beurteilung der Eignung des Unternehmens bei der aktuellen Ausschreibung dieser Leistung herangezogen worden. Sie sei somit als Teilaspekt lediglich miteingeflossen. Maßgeblich für diese Prognoseentscheidung seien die Schlechtleistungen der Folgejahre bei den Sicherheitsdienstleistungen im […] gewesen, die sich bis zum Ablauf des Vertrags gezogen hätten. Auch nach erneuter Ausübung des Ermessens könne keine positive Prognose gestellt werden.

Die Kammer nimmt Bezug auf die Vergabeakten, die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und deren Ausführungen in der am 06.02.2024 stattgefundenen mündlichen Verhandlung, sowie die rechtlichen Hinweise der Kammer vom 26.01.2024. Am 23.01.2024 hat die Kammer die Beiladung beschlossen. Die Entscheidungsfrist nach § 167 Abs. 1 GWB wurde durch Entscheidung des Vorsitzenden bis zum 29.02.2024 verlängert.

II.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die Zuständigkeit der Vergabekammer Westfalen ergibt sich aus § 156 GWB i. V. m. § 2 Abs. 2 VK ZuStV NRW, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in […] (Regierungsbezirk […]) und damit im Zuständigkeitsbereich der Vergabekammer Westfalen hat.

Die Antragsgegnerin ist eine Gebietskörperschaft und damit öffentlicher Auftraggeber i. S. v. § 99 Nr. 1 GWB. Der Auftragswert liegt mit von der Antragsgegnerin geschätzten ###,- EUR schon für Los 2 gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB oberhalb des für die Zuständigkeit der Kammer erforderlichen Schwellenwertes.

Nach § 160 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat ihr Interesse an dem Auftrag hinreichend, durch die Abgabe eines Angebots für Los 2 belegt. Ebenfalls legt die Antragstellerin dezidiert dar, in ihren Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften verletzt zu sein und dass ihr ein Schaden droht, da der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll.

Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht unzulässig gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB. Danach ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat.

Die Antragstellerin hat den geltend gemachten Verstoß vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 GWB gegenüber der Antragsgegnerin gerügt. Die Rüge datiert vom 27.12.2023, nachdem die Antragsgegnerin die Antragstellerin am 22.12.2023 gemäß § 134 Abs. 1 GWB informiert hatte. Da bereits am 02.01.2024 der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladene drohte, war der Antragstellerin ein Zuwarten auf die Rügeantwort nicht zumutbar und die Stellung des Nachprüfungsantrags am 29.12.2023 zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

Der Ausschluss der Antragstellerin ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB. Umstände, die der Antragsgegnerin einen rechtmäßigen Ausschluss gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ermöglichen, liegen nicht vor.

2.1. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin rechtswidrig ausgeschlossen.

Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat, § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Wenn ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, keine oder keine ausreichenden Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 ergriffen hat, darf es bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 124 höchstens drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, § 126 Nr. 2 GWB. 

Eine mangelhafte Erfüllung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist jede nicht vertragsgerechte Erfüllung. Erheblich ist diese, wenn die mangelhafte Leistung den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.03.2018 – Verg 49/17).

Neben dem Vorliegen früherer Mängel ist für das Eingreifen dieses Ausschlussgrundes erforderlich, dass die Mängel zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt haben. Eine Rechtsfolge muss, um eine vergleichbare Rechtsfolge im Sinne dieser Vorschrift zu sein, nicht zu einer vorzeitigen vollständigen Beendigung des Vertragsverhältnisses führen, sie muss aber hinsichtlich ihres Schweregrades mit einer vorzeitigen Beendigung oder Schadensersatz vergleichbar sein. Als vergleichbare Rechtsfolge kommt beispielsweise eine Ersatzvornahme in Betracht, aber auch das Verlangen nach umfangreichen Nachbesserungen kann unter Umständen eine vergleichbare Rechtsfolge sein (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/6281, S. 107).

Damit ein Schadensersatzanspruch oder ein anderer aus einer Pflichtverletzung resultierender Anspruch des öffentlichen Auftraggebers mit der vorzeitigen Beendigung eines Vertrages vergleichbar ist, muss der jeweilige Anspruch demnach nicht nur entstanden, sondern auch geltend gemacht worden sein. Ein Ausschluss eines Unternehmens vom Vergabeverfahren aufgrund von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, bei dem sich der öffentliche Auftraggeber auf etwaige zurückliegende Vertragspflichtverletzungen des Unternehmens beruft, ohne dass Ansprüche durch den Auftraggeber geltend gemacht oder der Auftrag vorzeitig beendet wurde, erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB somit nicht. Andererseits muss der öffentliche Auftraggeber jedoch nicht durch eine rechtskräftige Entscheidung einer Zivilkammer nachweisen, dass er Ansprüche geltend gemacht und durchgesetzt hat. Ausreichend ist vielmehr, dass er konkrete Indizien von einigem Gewicht für die Geltendmachung seiner Ansprüche vorweisen kann (vgl. dazu OLG Celle, Beschl. v. 09.01.2017 – 13 Verg 9/16).

2.1.1. Der zulässige Zeitraum für einen Ausschluss ist gemäß § 126 Nr. 2 GWB abgelaufen.

Aus der Mitteilung der Antragsgegnerin gemäß § 134 GWB vom 22.12.2023 geht hervor, dass die Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausgeschlossen wurde. Konkret heißt es dort:

“aufgrund von Schlechtleistungen und weiteren Mängeln für die Dienstleistung Sicherheitsdienst bei Veranstaltungen im […] wurde Ihr Unternehmen teilgekündigt.”

Die Antragsgegnerin stützt den Ausschluss somit ausdrücklich auf die aus ihrer Sicht erfolgte “Teilkündigung”, die infolge der “Schlechtleistung zum […]” zum Jahresende 2019 vorgenommen wurde. Nur diese mangelhafte Erfüllung, die die Antragstellerin im Wesentlichen einräumt, zu Grunde gelegt, endete der Zeitraum für den Ausschluss von der Teilnahme an Vergabeverfahren im Sinne von § 126 Nr. 2 GWB spätestens mit Ablauf des Jahres 2022. Damit reicht dieses – isoliert betrachtet – einzelne Ereignis als Begründung für den Ausschluss im streitgegenständlichen Vergabeverfahren nicht (mehr) aus, da mehr als drei Jahre seit dem betreffenden Ereignis verstrichen sind. Mithin durfte die Antragsgegnerin den Ausschluss der Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hierauf schon nicht stützen.

2.1.2. Es fehlt eine vorzeitige Beendigung, Schadensersatz oder eine vergleichbare Rechtsfolge im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB.

Ob hier überhaupt Schlechtleistungen in den Jahren 2021 und 2022 von der Antragstellerin erbracht wurden ist zwischen den Verfahrensbeteiligten bereits streitig. Selbst wenn die Kammer hier, wie von der Antragsgegnerin vorgetragenen, davon ausgeht, dass auch nach der Teilkündigung fortdauernde Schlechtleistungen der Antragstellerin bis ins Jahr 2022 erfolgt sind, fehlt es in jedem Fall an einer in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB geforderten Rechtsfolge (vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder vergleichbare Rechtsfolge). So führt die Antragsgegnerin selbst aus: “Eine vollständige Kündigung des Vertragsverhältnisses im Jahr 2022 ist nicht erfolgt, da der Vertrag praktisch mit dem Ende der Saison 2022 ausgelaufen ist.” In der mündlichen Verhandlung bestätigt die Antragsgegnerin darüber hinaus, dass weder eine Kündigung, eine Schadensersatzforderung noch eine vergleichbare Rechtsfolge gegenüber der Antragstellerin geltend gemacht wurde. Auch sie selbst ist der Ansicht, dass eine – tatbestandlich erforderliche – Rechtsfolgensetzung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB unterblieben ist. Das bloße “Auslaufenlassen” des bestehenden Vertrages erfüllt die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht.

Ob eine berücksichtigungsfähige Schlechtleistung nach der Teilkündigung Ende 2019 überhaupt vorliegt, ist damit ohne Belang, da es zumindest an der Setzung einer Rechtsfolge im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB fehlt.

Da zusammenfassend festzustellen ist, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB nicht vorliegen, bedarf es einer Überprüfung der weiteren Tatbestandmerkmale und Ermessenserwägungen nicht.

2.2. Vorsorglich weist die Kammer auf die folgenden Aspekte hin, die die Antragsgegnerin bei fortbestehender Vergabeabsicht im Rahmen der erneuten Angebotswertung berücksichtigen sollte.

Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV werden Angebote von der Wertung ausgeschlossen, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.

Das OLG Düsseldorf führt in diesem Zusammenhang in einer jüngeren Entscheidung sinngemäß aus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.03.2019 – Verg 42/18):

“Es werden unterschiedliche Ansichten dazu vertreten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein versehentlich falsch angegebener Preis nach Angebotsöffnung korrigiert werden kann. Teilweise wird bei offensichtlichen preislichen Falschangaben eine Berichtigung für zulässig gehalten und ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot (§ 15 Abs. 5 VgV; Anmerkung der Kammer) verneint. Teilweise wird eine Berichtigung von “falschen” Preisen oder auch gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen Erklärungsirrtums anfechtbaren Preisen abgelehnt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass eine Klarstellung des Angebotsinhalts zulässig, hingegen eine nachträgliche Änderung des Angebots durch das Einfügen eines neuen Preises unstatthaft ist. Von einer zulässigen Klarstellung des Angebotsinhalts ist auszugehen, wenn der tatsächlich gemeinte (richtige) Preis durch Auslegung des Angebotsinhalts gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist. Sind Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter erforderlich, sind diese Anforderungen nicht erfüllt. Anderenfalls hätte es der Bieter in der Hand, den angebotenen Preis nachträglich gegen einen anderen auszutauschen. Bei der Auslegung ist dabei maßgeblich darauf abzustellen, wie der Empfänger das Angebot im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung verstehen musste. Nachträgliches Verhalten oder Willensbekundungen einer Partei sind bei der Auslegung von Rechtsgeschäften nur insoweit berücksichtigungsfähig, als sie Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und auf das Verständnis des Erklärungsempfängers im Zeitpunkt des Zugangs zulassen.”

Infolgedessen sieht die Kammer nach vorläufiger Prüfung die aus den Vergabeunterlagen ersichtlichen Änderungen in den zu einem Angebot eines Bieters eingereichten Kalkulationsdatenblättern der Stundenverrechnungssätze als unzulässig an, unabhängig davon, dass eine Entscheidung im vorliegenden Nachprüfungsverfahren entbehrlich ist.

2.3. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten verletzt.

Nach § 168 Abs. 1 GWB entscheidet die Kammer darüber, ob die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Aufgrund des rechtswidrigen Ausschlusses des Angebots der Antragstellerin ist sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Indem ihr Angebot aus dem Wettbewerb entfernt wurde, vereitelte die Antragsgegnerin die Chancen der Antragstellerin, auf ihr Angebot den Zuschlag zu erhalten.

2.4. Gemäß § 168 Absatz 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die Anträge haben keine den Streitgegenstand umgrenzende Funktion (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2019 – Verg 30/18). Unter mehreren möglichen Maßnahmen zur Beseitigung muss sich die Vergabekammer für diejenige entscheiden, die die Interessen der Beteiligten am wenigsten beeinträchtigen (vgl. statt vieler: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 – Verg 13/19).

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall zu verpflichten, im Falle fortbestehender Vergabeabsicht das Verfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückzuversetzen und diese unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut vorzunehmen.


III.

1. Die Kosten des Verfahrens werden auf ###,- EUR festgesetzt.

Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammern Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung findet Anwendung. Für die Berechnung der Verfahrensgebühr zieht die Kammer die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes und der Länder heran (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.01.2005, VII-Verg 30/05). Maßgeblich für die Berechnung der Gebühr ist grundsätzlich die streitbefangene Auftragssumme (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2011, X ZB 5/10). Ausgehend von einer Auftragssumme von ###,- EUR wäre vorliegend ein Wert von ###,- EUR als Verfahrensgebühr zu Grunde zu legen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer Westfalen, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin zu tragen.

Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen, § 182 Abs. 3 S. 1 GWB. Hier unterliegt die Antragsgegnerin, womit ihr die Verfahrensgebühr aufzuerlegen war. Zudem hat der im Nachprüfungsverfahren Unterliegende auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu tragen, § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten ist von der Kammer mangels Mandatierung eines solchen nicht zu entscheiden.

3. Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt und bleibt bei der Kostenentscheidung unberücksichtigt.

4. Die Antragsgegnerin ist im vorliegenden Verfahren von der Zahlung der Gebühren gem. § 182 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG befreit.

Rechtsmittelbelehrung

(…)