Ax Vergaberecht

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Neue Themen – der richtige Vergabevermerk

Neue Themen – der richtige Vergabevermerk

von Thomas Ax

Der Vergabevermerk ist der Schlüssel zur rechtssicheren Durchführung des Vergabeverfahrens. Kontrollbehörde, Rechnungsprüfung,
Vergabekammer, Kommunalaufsicht – für alle ist der Vergabevermerk das entscheidende Dokument für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Beschaffung. Im Vergabevermerk müssen daher alle wesentlichen Verfahrensschritte dokumentiert werden. Alle wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren müssen begründet werden. Doch wie weit reichen die Dokumentations- und Begründungspflichten?

Ein Vergabevermerk ist ein Nachweis, dem zu entnehmen ist, welche Maßnahmen, Feststellungen und Entscheidungen in einem Vergabeverfahren getroffen wurden. Der Vermerk stellt eine lückenlose Dokumentation des gesamten Vergabeverfahrens dar. Jede Ausschreibung, ob unter- oder oberhalb der EU-Schwellenwerte ist vom Auftraggeber in einem Vergabevermerk schriftlich zu dokumentieren gem. § 8 VgV, § 20 EU VOB/A. Diese Verpflichtung gilt auch für die Beschränkte Ausschreibung und die Freihändige Vergabe (§ 20 EG VOB/A, § 20 EG VOL/A). Der Vergabevermerk ist unmittelbar nach der Festlegung des Bedarfs zu erstellen, bis zur Zuschlagserteilung fortlaufend zu ergänzen und darf nicht im Nachhinein gefertigt werden.

Welche rechtlichen Vorgaben sind zu beachten?

Der öffentliche Auftraggeber dokumentiert das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich ist. Dazu gehört zum Beispiel die Dokumentation der Kommunikation mit Unternehmen und interner Beratungen, der Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen, der Öffnung der Angebote, Teilnahmeanträge und Interessensbestätigungen, der Verhandlungen und der Dialoge mit den teilnehmenden Unternehmen sowie der Gründe für Auswahlentscheidungen und den Zuschlag.

Der öffentliche Auftraggeber fertigt über jedes Vergabeverfahren einen Vermerk in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs an. Dieser Vergabevermerk umfasst mindestens Folgendes:

1. den Namen und die Anschrift des öffentlichen Auftraggebers sowie Gegenstand und Wert des Auftrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems,

2. die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl,

3. die nicht berücksichtigten Angebote und Teilnahmeanträge sowie die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung,

4. die Gründe für die Ablehnung von Angeboten, die für ungewöhnlich niedrig befunden wurden,

5. den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt, und gegebenenfalls, soweit zu jenem Zeitpunkt bekannt, die Namen der Unterauftragnehmer des Hauptauftragnehmers,

6. bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialogen die in § 14 Absatz 3 genannten Umstände, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen,

7. bei Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb die in § 14 Absatz 4 genannten Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen,

8. gegebenenfalls die Gründe, aus denen der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags, den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems verzichtet hat,

9. gegebenenfalls die Gründe, aus denen andere als elektronische Mittel für die Einreichung der Angebote verwendet wurden,

10. gegebenenfalls Angaben zu aufgedeckten Interessenkonflikten und getroffenen Abhilfemaßnahmen,

11. gegebenenfalls die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben wurden, und

12. gegebenenfalls die Gründe für die Nichtangabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien.

Bsp

Nur wer den Aufwand einer tiefen technischen und sachlichen Begründung in dem Vergabevermerk nicht scheut, kann bspw eine produktspezifische Vergabe rechtssicher durchführen. Dabei müssen vergaberechtlicher und technischer Sachverstand interdisziplinär zusammenarbeiten.

Bsp

Für eine Abweichung vom grundsätzlichen Gebot einer Fachlosvergabe reicht es aus, wenn nach einer Abwägung der widerstreitenden Belange die wirtschaftlichen oder technischen Gründe gegen eine solche Teilung überwiegen. Die für diese Abwägung zu dokumentierenden Angaben und Gründe müssen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des konkreten Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind. Dies erfordert eine Dokumentation mit einer ausführlichen Begründung des Entscheidungsprozesses mit seinem Für und Wider sowie eine detaillierte Begründung der getroffenen Entscheidung. Ist im Vergabevermerk die Berücksichtigung eines bestimmten Umstandes bei der Abwägung nicht zu entnehmen, kann diese Lücke nicht im Nachprüfungsverfahren geschlossen werden, weil es sich um gänzlich neuen und bislang unbekannten Sachverhalt handeln würde.

Bsp

Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und die mitgeteilten Gründe für getroffene Entscheidungen müssen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind. Dabei sind die Anforderungen an den Detaillierungsgrad aus Gründen der Nachvollziehbarkeit größer, wenn es um die Dokumentation von Entscheidungen geht, die die Ausübung von Ermessen oder die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums enthalten. Für den Bereich der Ingenieur- und Architektenleistungen stellt die mündliche Präsentation von Planung und Team ein übliches Verfahren bei der Auswahl des am besten erscheinenden Bieters dar. Dabei sind die Anforderungen an den Detaillierungsgrad des Vergabevermerks aus Gründen der Nachvollziehbarkeit besonders hoch, wenn die qualitative Bewertung im Wesentlichen auf einer mündlichen Vorstellung der zur Verhandlungsrunde zugelassenen Büros beruht.

Von der Redaktion – Heft 4/24

Von der Redaktion - Heft 4/24 - Neueinsteiger herzlich willkommen!

Der Staat kauft ein! Er lässt Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Schulen sowie Straßen und Brücken bauen und sanieren. Er beschafft Fahrzeuge, IT, Büromaterialien und Medizinprodukte. Darüber hinaus kauft er Planungs- und Beratungsleistungen sowie Reinigungs- und Bewachungsdienstleistungen und vieles mehr ein. Das öffentliche Beschaffungswesen ist ein Milliardenmarkt, der seit jeher besonderen Regelungen unterliegt. Die beim Einkauf von Leistungen zu beachtenden Bestimmungen, die dem Wettbewerb, der Gleichbehandlung und der Transparenz dienen, stellen das Vergaberecht dar. Dessen komplexe Regelungen müssen beachtet werden, wenn Aufträge rechtssicher vergeben werden sollen. Hier gilt es, viele Einzelaspekte richtig zu behandeln und Stolpersteine frühzeitig zu erkennen, um das Beschaffungsvorhaben erfolgreich durchzuführen. Das Ziel unserer VergabePrax besteht darin, Neueinsteigern fundiert und praxisbezogen die Grundlagen des Vergaberechts zu vermitteln. Die VergabePrax behandelt typische Problemstellungen und deren Lösungen. Zudem werden ausgewählte und aktuelle Einzelthemen sowohl bei europaweiten als auch nationalen Vergabeverfahren beleuchtet. Die VergabePrax wendet sich an den vergaberechtlichen Praktiker. Die VergabePrax wendet sich gezielt an Neueinsteiger ohne spezielles Vorwissen. Sie eignet sich aber auch für Leser mit ersten vergaberechtlichen Erfahrungen, die ihr Wissen ordnen und vervollständigen wollen und natürlich ist sie auch für „alte Hasen“ sehr interessant.  Viel Freude und Erkenntnisgewinn beim Lesen. Herzliche Grüße!

Ihr Herausgeber
Thomas Ax

Praxistipp (2): Angebote richtig erstellen

Praxistipp (2): Angebote richtig erstellen

von Thomas Ax

Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Änderungen können den Inhalt der nachgefragten Leistung oder die Vertragskonditionen und Preise betreffen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 11 Verg 12/11). Die Vorschrift dient dem Schutz des Auftraggebers, dem Wettbewerb und damit den anderen Bietern. Der Auftraggeber soll die ausgeschriebene (und keine andere) Leistung erhalten, die Angebote sollen vergleichbar sein.

Eine unzulässige Änderung liegt vor, wenn eine andere Leistung angeboten wird als vom Auftraggeber ausgeschrieben. Änderungen sind alle unmittelbaren Eingriffe mit verfälschender Absicht, wie Streichungen, Hinzufügungen, jede Abänderung einer Position, Herausnahme von einzelnen Blättern etc. (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 16.09.2013 – 9 Verg 3/13).

Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt dann vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der Ausschreibende bestellt hat, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2017 – Verg 54/16, s. auch BGH, Urteil vom 29.11.2016 – X ZR 122/14).

Ob eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen durch das Angebot im Einzelfall vorliegt, ist anhand einer Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB sowohl der Vergabeunterlagen als auch des Angebots nach dem jeweiligen objektiven Empfängerhorizont festzustellen. Maßgeblich ist dabei der Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (vgl. BGH, Beschluss vom 15.01.2013 –X ZR 155/10; VK Nordbayern, Beschluss vom 09.12.2021 – RMF-SG21-3194-6-36, zur VgV; BayObLG, Beschluss vom 17.06.2021 – Verg 6/21).

Aktuelle Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate im Volltext (2) VK Thüringen zu der Frage, dass ein offenkundiger Rechenfehler keine Änderung der Vergabeunterlagen ist

Aktuelle Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate im Volltext (2) - VK Thüringen zu der Frage, dass ein offenkundiger Rechenfehler keine Änderung der Vergabeunterlagen ist

1. Offenkundige Rechen- oder Schreibfehler, die schon ihrem Erklärungsinhalt nach keine inhaltlichen Änderungen der Vergabeunterlagen darstellen, sind keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen.
2. Bei offenkundigen und marginalen Eintragungsfehler kann der öffentliche Auftraggeber, soweit das möglich ist, die notwendigen Berichtigungen selbst vornehmen.
VK Thüringen, Beschluss vom 10.05.2023 – 4002-812-2023-E-003-SM

Gründe

1.

Der AG schrieb das Vorhaben Sanierung und Erweiterungsbau der ### und Herstellung der Außenanlagen des ### hier: Außenputz WDVS als Offenes Verfahren im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union Nr. ###-europaweit aus. Tag der Absendung der Bekanntmachung war der ##.##.2022. Zuschlagskriterium war danach der Preis. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der ##.##.2022, ### Uhr. In Nr. Vl.3)

Zusätzliche war angegeben:

“Fehlende Erklärungen oder Nachweise werden gemäß § 16a EU VOB/A durch den AG nachgefordert und können bis zum Ablauf der dort genannten Frist nachgereicht werden.”

Laut dem in den elektronisch bereitgestellten Vergabeunterlagen enthaltenen Leistungsverzeichnis war bei der “OZ 1.3.1O” der Leistungsbeschreibung:

“TA Beidseitig beschichtete Miwo-Dämmplatten WLZ 035 anbringen Fluchtrechtes und planebenes Anbringen von beidseitig beschichteten Mineralwolle-Dämmplatten nach DIN EN 13162, 1.200 x 400 mm, Verkleben mit systemzugehörigen Plattenkleber … für eine Menge “1.000,000” ME (= Mengeneinheit) m2″

von den Bietern der Einheitspreis in EUR und der Gesamtbetrag in EUR anzugeben.

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (FB 211 EU VHB Bund) des AG war unter “Anlagen” in Punkt

“C) die, soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen sind,”

angekreuzt unter anderen das Formblatt

“[x] 225aL Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert ### mit Nachforderung”

als mit dem Angebot einzureichende Unterlage gefordert und dies nochmal unter Punkt

“3. Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweise)

3.1 folgende Unterlagen sind mit dem Angebot einzureichen:

(…)

[x] siehe Bekanntmachung und Formblatt 211 Punkt C)”


verdeutlicht. Weiterhin wurde darin gefordert unter Punkt

“3.3 Nachforderung

Fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, werden [x] nachgefordert.”


In den elektronisch über die Vergabeplattform ausgereichten Vergabeunterlagen war eine mit “1235-22_225a (Land mit Nachforderung).PDF” benannte Datei enthalten.

Die so bezeichnete Datei beinhaltete das Formblatt 225a (Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1) aus dem Vergabehandbuch des Bundes “VHB Bund Ausgabe 2017 Stand 2022” inklusive dem

“Hinweis zur Wirkungsweise der Stoffpreisgleitklausel nach Formblatt 225a”

(Seite 5) allerdings mit einem zu den “Hinweisen des BMWSB vom 22.06.2022 zum Formblatt 225a” vom AG abgeändertem Wortlaut im Absatz 2:

“Bitte beachten Sie: Bei Vereinbarung der “Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1” beruht die Berechnung der Mehr oder Mindervergütung auf dem von Ihnen zur jeweiligen GP-Nummer kalkulierten und im Formblatt einzutragenden Stoffpreis(anteil) .

Die Stoffpreisanteile sind zu jeder GP-Nummer bei Angebotsabgabe anzugeben. Feh/ende Angaben werden nachgefordert.”
[…].

Der Unterschied zum Formblatt 225a VHB Bund besteht darin, dass in dem Hinweis des vom AG (einer Behörde des Landes) ausgereichten Formblattes fehlende Angaben nachgefordert werden. Zudem fehlt die Angabe aus dem Hinweis zum Formblatt 225a Bund:

“Angebote, bei denen die Bieterangaben des Stoffpreisanteils (Formblatt 225a, Spalte 4) zu einer oder mehreren GP-Nummer(n) fehlen, werden von der Wertung ausgeschlossen.”

In diesem ausgereichten Formblatt [im Weiteren: FBL. 225aL] hatte der AG im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklausel” Vorgaben in allen 5 Spalten wie folgt gemacht:

(…)

In der hier interessierenden Zeile dieses Verzeichnisses hatte der AG für den Stoff “Mineral wolle Verwendung bei OZ: 1.3.10 GP-Nummer: 23 14” in die Spalte 4 “Stoffpreis ohne AGK, BGK und W+G [z.B. Euro/t (netto)] Vom Bieter anzugeben:” die Einheit … €/qm” eingetragen und in die Spalte 5 “Abrechnungszeitpunkt, Abrechnungseinheit (z. B. Verbrauch in llm3), Sonstiges” die Angabe “Einbau €/qm” eingetragen.

Weiterhin enthält das FBL. 225aL unter “Stoffpreisgleitklausel” (Seiten 3 bis 5) u. a. folgende Regelungen:

“1. Anwendungsbereich

Die Klausel gilt nur für die Stoffe, die im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklauseln genannt sind. Sie gilt insoweit auch für die Abrechnung von Nachträgen.

Mehr- oder Minderaufwendungen werden nach den folgenden Regelungen abgerechnet.

2. Allgemeines

2.1 Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber über die Verwendung der Stoffe nach Nummer 1 prüfbare Aufzeichnungen vorzulegen, wenn Mehr- oder Minderaufwendungen abzurechnen sind. Aus den Aufzeichnungen müssen die Menge des Stoffes und der Zeitpunkt des Einbaus, der Lieferung bzw. der Verwendung hervorgehen.

2.2 Der Ermittlung der Mehr- oder Minderaufwendungen werden nur die Baustoffmengen zugrunde gelegt, für die nach dem Vertrag eine Vergütung zu gewähren ist.

3 Abrechnung

3.1 Der Auftraggeber setzt für die im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklausel” aufgeführten Stoffe fest:

– die GP-Nummer,

– für Betriebsstoffe: die Abrechnungseinheit (z.B. Verbrauch in ltr/m3

– den Abrechnungszeitpunkt.

3.2 Abrechnungszeitpunkte:

– Einbau: Stoff ist mit dem Grundstück (Baugrund) fest verbunden worden.

– Lieferung: Stoff ist auf der Baustelle angeliefert worden.

– Verwendung: Stoff ist unabhängig von den Begrifflichkeiten des BGB bei der Herstellung einer beweglichen Sache, die nicht mit dem Grundstück (Baugrund) fest verbunden ist, so eingesetzt worden, dass er seine bisherige Eigenständigkeit verloren hat oder der Stoff ist bei der Leistungserbringung als Betriebsstoff verbraucht worden.

3.3 Der Bieter gibt für die jeweilige GP-Nummer den Stoffpreis aus seinem Angebot an. Dieser Stoffpreis bildet den Basiswert 2, dessen Fortschreibung gemäß Nummer 3.4 für die Ermittlung der Mehr-/ Minderaufwendungen ausschlaggebend ist.

3.4 Der Basiswert 2 wird durch Multiplikation mit dem Quotienten der Preisindizes (Monat/ Jahr) der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (GP) des Statistischen Bundesamtes vom Monat des Einbaus, der Lieferung bzw. der Verwendung und dem Monat der Eröffnung der Angebote, veröffentlicht in der Fachserie 17, Reihe 2 bzw. auf der Homepage des Statistischen Bundesamtes unter www.destatis.de unter der entsprechenden GP-Nummer als Basiswert 3 fortgeschrieben.

Der Basiswert 2 wird wie folgt auf den Basiswert 3 fortgeschrieben:

Basiswert 2 x Index Abrechnungszeitpunkt = Basiswert 3 Index Eröffnung der Angebote

3.5 Mehr- oder Minderaufwendungen werden errechnet für jede Position (OZ) im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklausel” aus der Differenz des Basiswertes 3 (Nummer 3.4) und des Basiswertes 2 (Nummer 3.3) multipliziert mit der abzurechnenden Menge.

3.6 Die nach Nummer 3.5 errechneten Mehr- oder Minderaufwendungen werden für jede im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklausel” angegebene Position (OZ) und der nachgewiesenen Menge (vgl. Nummer 2) unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung gemäß Nummer 2.4 und 2.5 zusätzlich zum Angebotspreis vergütet bzw. von diesem abgezogen.”


Am ##.##.2022 hat die AST ein Angebot für die ausgeschriebene Leistung abgegeben. Daneben wurden von zwei weiteren Bietern Angebote fristgerecht abgegeben.

Mit E-Mail vom ##.##.2022 hat das von der AG beauftragte Planungsbüro die AST um schnellstmögliche Übersendung der von der Vergabestelle abschließend benötigten Unter lagen gebeten. Das seien sämtliche geforderten Nachweise und Bescheinigungen aus dem Formblatt 124. Diese wurden im Anschluss daran aufgezählt. Zusätzlich wurden noch die ausgefüllten Formblätter 221 oder 222 sowie Formblatt 223 verlangt und “weiterhin das Formblatt 225aL Stoffpreisgleitklausel.”

Noch am selben Tag (##.##.2022) hat die AST u. a. die Datei “1235-22_225a (Land mit Nachforderung).PDF” eingereicht. In dem darin enthaltenen Formblatt hat die AST im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklausel” für den in der Zeile 2 vorgegebenen Stoff: “Mineralwolle, Verwendung bei OZ: 1.3.1O” (Spalte 2) “GP-Nummer: 23 14” (Spalte 3) in die Spalte 4 “… €/m” eingetragen […].

Mit Informationsschreiben vom ##.##.2023 teilte der AG der AST mit, dass das Vergabe verfahren aufgehoben worden sei, weil kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Das Angebot der AST könne nicht berücksichtigt werden, weil unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden seien. Im Formblatt 225a sei die Mengeneinheit bei der Pos. 1.3.10 von €/qm in €/m geändert worden. Als weiteres Vorgehen sei beabsichtigt, ein offenes Verfahren durchzuführen.

Mit Rügeschreiben vom ##.##.2023 hat die AST der Aufhebung des Vergabeverfahrens widersprochen. Von ihr seien keine unzulässigen Änderungen der Vergabeunterlagen vorgenommen worden. Die Pos. 1.3.10 sei nicht geändert worden. Bei den nachgereichten Unterlagen der Stoffpreisgleitklausel Formblatt 225a ohne Basiswert 1 sei versehentlich die Mengeneinheit der Position 1.3.10 verwechselt worden. Statt qm sei diese in m angegeben worden, wobei es sich lediglich um einen Schreibfehler handele, welcher weder einen Ausschluss noch die Aufhebung des Verfahrens begründe. Zudem erklärte die AST mit weiterem Schreiben vom 26.01.2023 vorsorglich eine Verlängerung der Bindefrist.

Mit Schreiben vom 31.01.2023 hat der AG der Rüge der AST nicht abgeholfen. Die Änderung der vom AG in Spalte 4 vorgegebenen Abrechnungseinheit von €/qm in €/m stelle eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, da die Bieterin lediglich den Stoffpreis ohne AGK, BGK und W+G in der Spalte 4 einzutragen gehabt habe. Um diese Eintragung für den Bieter zu gewährleisten, habe eine Sperrung der Spalte im Formblatt 225a nicht erfolgen können. Es sei beabsichtigt, ab dem 16.02.2023 ein neues offenes Verfahren einzuleiten.

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 14.02.2023, bei der Vergabekammer per Telefax am gleichen Tag eingegangen und dem AG am 15.02.2023 übermittelt, stellte die AST einen Nachprüfungsantrag und beantragt:

1. Die Aufhebung des offenen Verfahrens vom ##.##.2023, betreffend die Vergabe der Bauleistungen Außenputz WDVS, Sanierung und Erweiterungsbau der Schulsporthalle und Herstellung der Außenanlage Sportgymnasium ###, wird aufgehoben.

Das Ausschreibungsverfahren wird in den Stand vor Aufhebung der Ausschreibung versetzt.

2. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der AST wird gemäß § 182 IV GWB für notwendig erklärt.

3. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Verfahrens sowie die Aufwendungen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung der AST einschließlich der Kosten der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens auferlegt.

Hilfsweise für den Fall, dass der Antragsgegner mitteilt, auf die Vergabe der Leistungen zu verzichten, wird beantragt,

festzustellen, dass die AST durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt ist.

Außerdem wird Akteneinsicht in die Vergabeakte beantragt.


Hierzu trägt die AST vor, ein Aufhebungsgrund gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A liege nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Ausschreibung lägen insgesamt nicht vor.

Zwar bleibe es der Vergabestelle unbenommen, von einem Beschaffungsvorgang Abstand zu nehmen, wenn sie dafür einen sachlichen Grund habe. Der AG habe im Schreiben vom 31.01.2023 jedoch eine fortbestehende Vergabeabsicht mitgeteilt.

Mit dem Antrag zu 1 werde daher zulässigerweise die Aufhebung der Aufhebung vom ##.##.2023 und die Fortführung des Vergabeverfahrens begehrt.

Es liege kein Aufhebungsgrund nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A vor, da jedenfalls für das Angebot der AST kein Ausschlussgrund bestehe, dieses vielmehr zu werten sei.

Die vom AG mit Schreiben vom 31.01.2023 vorgetragene Abänderung der vorgegebenen Abrechnungseinheit in “Euro/m” durch das per E-Mail nachgereichte ausgefüllte Formblatt 225a treffe im Ergebnis zu. Unzutreffend sei jedoch die rechtliche Wertung, dass damit eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen erfolgt sei, sodass das Angebot auszuschließen sei.

Zutreffend seien gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A Angebote auszuschließen, die nicht den Bestimmungen des § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A entsprechen. Nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A sind Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig. Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, seien somit gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A auszuschließen.

Im Angebot der AST seien jedoch keine Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden. Diese seien in § 8 EU Abs. 1 Nrn. 1 und 2 VOB/A definiert und bestünden aus dem Anschreiben, der sogenannten Aufforderung zur Angebotsabgabe, ggf. den Teilnahmebedingungen, so§ 8 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sowie den Vertragsunterlagen, § 8 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A.

Als Vertragsunterlagen werde verwiesen auf§ 8a EU VOB/A, die Allgemeinen, Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen, sowie auf§§ 7 7c EU VOB/A, mithin die Leistungsbeschreibung, technische Spezifikationen, Zertifizierungen und Gütezeichen, die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis und die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm.

Im Ergebnis bestünden daher die Vertragsunterlagen im Sinne des § 8 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A aus der Leistungsbeschreibung, den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B), den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C) und ggf. den Besonderen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen und etwaigen zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen.

Änderungen an den Vergabeunterlagen im Sinne des § 8 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, also der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder den Teilnahmebedingungen, lägen eindeutig nicht vor. Änderungen an den Vertragsunterlagen i. S. d. § 8 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A lägen ebenfalls nicht vor, da das Formblatt 225a Stoffpreisgleitklausel nicht zu den in § 8 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A aufgezählten Vergabeunterlagen gehöre. Bei der Änderung in Position 1.3.10, Spalte 4, im Formblatt 225a, die die AG versehentlich vorgenommen habe, handele es sich somit eindeutig nicht um eine Änderung an den Vergabeunterlagen, weshalb auch kein Ausschlussgrund gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A bezüglich des Angebotes der AST gegeben sei.

Hinzu komme, dass die Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 EU VOB/A nicht zwingend sei, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des AG liege. Die Voraussetzungen, von denen § 17 EU VOB/A die Aufhebung der Ausschreibung auf Tatbestandsebene abhängig mache, seien in vollem Umfang überprüfbar; der AG trage die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer rechtmäßigen Aufhebung. Diesen Nachweis könne die AG nicht erbringen, da keine Änderung an den Vergabeunterlagen im Sinne des § 8 EU Abs. 1 Nrn. 1, 2 VOB/A vorliege.

Es werde eine nicht ermessensgerechte Aufhebungsentscheidung gerügt.

Die Ausschreibung habe demnach nicht gemäߧ 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A aufgehoben werden können. Schwerwiegende Gründe für die Aufhebung lägen ebenfalls nicht vor.

Sonstige Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots der AST lägen nicht vor und seien auch nicht geltend gemacht worden.

Die Nichtberücksichtigung des Angebots der AST sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, da es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler bei der Angabe im Formblatt 225a handele.

Bei dem mit Datum vom ##.##.2022 von der AST eingereichten Formblatt 225a sei in der4. Spalte irrtümlich der dort einzutragende Stoffpreis ohne AGK, BKG und W+G mit “m” anstatt “qm” angegeben worden, da auch die vorstehenden und nachfolgenden Angaben (OZ 1.2.50 und OZ 1.3.10) als “Meter”-Angaben gefordert gewesen seien.

Bereits daraus sei ersichtlich, dass es sich lediglich um einen offensichtlichen Schreibfehler handele. Dieser offensichtliche Eintragungsfehler habe jedoch auf den angebotenen Preis, insgesamt auf das Angebot, keine Auswirkung. Das von der AST abgegebene Angebot werde hierdurch nicht geändert oder in Frage gestellt. Dieses Angebot sei in allen Angaben zutreffend. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb vom Auftraggeber keine Sperrung und damit Unveränderlichkeit der vorgegebenen Angaben in Spalte 4 erfolgt sei. Der AST sei keine Möglichkeit zum Korrigieren des offensichtlichen Schreibfehlers bzw. der Erläuterung unklarer oder widersprüchlicher Angaben gegeben worden.

Der AG beantragt in der Antragserwiderung vom 23.02.2023

1. den Nachprüfungsantrag als unbegründet zu verwerfen,

2. Akteneinsicht nur in eingeschränktem Umfang zu gewähren,

3. die AST trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.

Zugleich erklärt sich der AG mit einer Entscheidung nach Aktenlage ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich einverstanden.

Er trägt vor, dem Spaltenkopf in Spalte 4 der Tabelle sei zu entnehmen gewesen, dass lediglich der Stoffpreis ohne AGK, BGK und W+G durch die AST einzutragen gewesen sei.

Die Abrechnungseinheit in Spalte 4 sei durch den AG bereits vorgegeben gewesen. Um die Eintragung in Spalte 4 für den Bieter zu gewährleisten, habe eine Sperrung der Spalte im Formblatt 225a nicht erfolgen können. Durch den AG sei im Formblatt 225a bei der Position 1.3.10 in der Spalte 4 die Einheit “… €/qm” vorgegeben worden. Diese habe die AST von “… €/qm” in ” … €/m” abgeändert.

Entgegen den Ausführungen der AST sei ein Aufhebungsgrund gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A EU gegeben, da keines der eingereichten Angebote den Ausschreibungsbedingungen entsprochen habe. Das Angebot der AST habe nicht berücksichtigt werden können, da sie eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vorgenommen habe.

Das Formblatt 225a gehöre zu den Vergabeunterlagen. Diese setzten sich gem. § 8 VOB/A EU zusammen aus den nur für das Vergabeverfahren bestimmten Unterlagen, die das Verfahren formell regeln, und den sog. Vertragsunterlagen, also den Unterlagen, aus denen sich später der Bauvertrag mit dem erfolgreichen Bieter zusammensetze. Die Vertragsunter lagen (§§ 7 bis 7c und 8a) seien die Gesamtheit aller Unterlagen aus denen sich der ausgeschriebene Vertrag zusammensetze. So zählten auch die in zusätzlichen Vereinbarungen getroffenen Regelungen zur Änderung der Vertragspreise gemäß §§ 8a Abs. 4 Nr. 1 n), 9d VOB/A zu den Vertragsunterlagen und mithin den Vergabeunterlagen i. S. d. § 8 VOB/A EU.

Vergaberechtlicher Anknüpfungspunkt für Preisgleitklauseln sei der bieterschützende Grundsatz, dass den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden dürfe und § 9d VOB/A EU die Möglichkeit vorsehe, dass für den Fall, dass wesentliche Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen zu erwarten seien, deren Eintritt oder Ausmaß ungewiss seien, eine angemessene Änderung der Vergütung in den Vertragsunterlagen vorgesehen werden, ferner die Einzelheiten der Preisänderungen festzulegen seien. Insoweit würden die Stoffpreisgleitklauseln und die zugehörigen Formblätter 225 und 225a zu den Grundlagen für die entsprechende Preisanpassung und mithin Vertragsbestandteil. Sie gehörten deshalb zu den Vergabeunterlagen. Im Ergebnis habe die AST eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen vorgenommen.

Die in die nähere Auswahl gekommenen Bieter würden unter Hinweis auf die Möglichkeit der AST, Akteneinsicht zu nehmen, zur Angabe aufgefordert, welche Teile ihrer Angebote unter Geheimnisschutz stünden.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei im vorliegenden Verfahren nicht notwendig. Vorliegend habe die AST bereits in den Rügen ihre Standpunkte und Rechtsauffassungen gegenüber der AG benannt und erläutert. Insofern seien ihr die bestehenden Sach- und Rechtsfragen bereits ohne rechtskundigen Beteiligten bekannt gewesen.

Hierzu nimmt die AST mit Schreiben vom 06.03.2023 wie folgt Stellung:

Der AG habe keine Einwände gegen die beantragte Aufhebung der Aufhebung geltend gemacht. Der Antrag, gerichtet auf die Aufhebung der Aufhebung, sei statthaft. Das Formblatt 225a (Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1) gehöre nicht zu den Vergabeunterlagen, die mit Angebotsabgabe vorzulegen gewesen seien. Es gehöre bereits nicht zu den Vergabeunterlagen.

Denn wie sich aus der Aufforderung zur Angebotsabgabe, Formblatt 211 EU, Ziffer B, ergebe, seien lediglich die BVB gemäß Formblatt 214 ausgereicht worden, worin eine Regelung der Änderung der Vertragspreise im Sinne von § 9 d EU VOB/A nicht enthalten sei.

Die ausgereichten BVB enthielten somit keine Stoffpreisgleitklausel, die ZVB seien nicht ausgereicht worden. Die Stoffpreisgleitklausel gemäß Formblatt 225a sei vorliegend gesondert bekannt gegeben worden, also außerhalb der ZVB und BVB, und sei zudem nicht bereits mit der Angebotsabgabe durch den Bieter ausgefüllt gefordert worden. Dies ergebe sich aus der Aufforderung zur Angebotsabgabe, Formblatt 211 EU, Ziffer C. Danach werde die Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1, Formblatt 225a, “mit Nachforderung” gefordert, also nicht bereits mit Angebotsabgabe. Unterlagen, die jedoch nicht bereits mit Angebotsabgabe vorzulegen seien, stellten keine Vergabeunterlagen im Sinne des § 8 EU VOB/A dar. Insbesondere die hier in Rede stehende Stoffpreisgleitklausel sei auch nicht Bestandteil der ZVB oder BVB geworden und damit nicht über § 8a EU Abs. 4 VOB/A in Verbindung mit§ 8 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A Bestandteil der Vergabeunterlagen, weshalb eine Änderung der Vergabeunterlagen im Sinne von§ 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A hier ausscheide.

Zudem handele es sich bei der unzutreffenden Angabe im Formblatt 225a, Spalte 4, Ziffer 1.3.10 um einen offensichtlichen Schreibfehler, bei dem eine bloße Klarstellung möglich sei, welche die AST in ihrer Rüge vom ##.##.2023 vorgenommen habe. Reine und offensichtliche Fehler dürfe der öffentliche AG korrigieren. Da das Angebot der AST zu werten sei, scheide eine Aufhebung nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A aus.

Die Aufhebung nach § 17 EU VOB/A sei nicht zwingend, der AG sei nicht zur Aufhebung verpflichtet, sondern die Aufhebung liege in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Nicht im Ermessen des AG liege, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 EU Abs. 1 VOB/A vorlägen, diese seien im vollen Umfang überprüfbar, der AG trage die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine rechtmäßige Aufhebung. Lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des§ 17 EU Abs. 1 VOB/A vor, bestehe ein von den Nachprüfungsinstanzen auf Ermessensfehler überprüfbares Ermessen der Vergabestelle zur Aufhebung der Ausschreibung. Ermessenserwägungen, die im vorliegenden Fall die Aufhebung begründen würden, ergäben sich jedenfalls nicht aus der Aufhebung vom ##.##.2023 und der AG habe solche auch nicht in seiner Erwiderung vom 23.02.2023 dargelegt. Auch insoweit werde ein Verstoß gegen § 97 Abs. 6 GWB gerügt. Selbst unter Annahme einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen welcher entgegengetreten werde sei daher die Entscheidung zur Aufhebung der Ausschreibung aufgrund Ermessensnichtgebrauchs bzw. Ermessensfehlgebrauchs nicht gerechtfertigt und ein Verstoß gegen§ 17 EU Abs. 1 VOB/A gegeben. Zudem werde weiter Akteneinsicht beantragt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei im vorliegenden Falle notwendig, Für die Beurteilung des Sach- und Streitstandes komme es nicht darauf an, ob der AST unzutreffende Rechtsansichten der Vergabestelle bekannt gegeben würden. Vielmehr seien gerade diese Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und könnten nicht ohne Hinzuziehung eines im Vergaberecht tätigen Rechtsanwalts sachkundig beurteilt werden.

Der AST wurde am 15.03.2023 im notwendig begrenzten Umfang Akteneinsicht gewährt.

Der AG hielt der AST mit Schriftsatz vom 16.03.2023 entgegen, entgegen den Ausführungen der AST seien die Bieter bereits in den Vergabeunterlagen im Formblatt 211 unter Abschnitt C zur Abgabe des ausgefüllten Formblatts 225a bei Angebotsabgabe aufgefordert worden. Daraus ergebe sich bereits, dass es sich bei dem Formblatt 225a um einen Bestand teil der Vergabeunterlagen im Sinne von § 8 VOB/A EU handele. Da die AST mit ihrem Angebot nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht habe, sei sie aufgefordert worden, u. a. das Formblatt 225a ausgefüllt einzureichen.


Mit Schreiben vom 17.03.2023 beantragt die AST in Abänderung der mit dem Vergabenachprüfungsantrag vom 14.02.2023 gestellten Anträge nunmehr:

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Aufhebung der Ausschreibung vom ##.##.2023 in ihren Rechten verletzt ist.

2. Die Aufhebung des offenen Verfahrens vom ##.##.2023 betreffend die Vergabe der Bauleistungen Außenputz WDVS, Sanierung und Erweiterung der Schulsporthalle und Herstellung der Außenanlage Sportgymnasium ###, wird aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Vergabeverfahren fortzusetzen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in die Wertung der zu berücksichtigenden Angebote einzutreten.

3. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Verfahrens sowie die Aufwendungen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung der Antragstellerin einschließlich der Kosten der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens auferlegt.

4. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird gemäß § 182 IV GWB für notwendig erklärt.


Ergänzend zu ihrem Nachprüfungsantrag führt die AST darin Folgendes aus:

Zum Antrag zu 1.:

Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung werde nicht mehr hilfsweise beantragt, sondern unbedingt.

Das erforderliche Feststellungsinteresse für die Feststellung des Vergaberechtsverstoßes liege in jedem Fall vor, unabhängig davon, ob der Antragsgegner hinsichtlich der zugrunde liegenden, zu vergebenden Leistung weiterhin die Vergabeabsicht verfolge.

Zum Antrag zu 2.:

Der Antragsgegner habe mit der Aufhebungsentscheidung vom ##.##.2023 bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Damit habe der Antragsgegner dokumentiert, dass ein Fortbestehen der Vergabeabsicht bestehe. Es sei dargelegt worden, dass die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien bei der Prüfung eines zur Aufhebung berechtigenden Grundes strenge Maßstäbe anzulegen.

Solche schwerwiegenden Gründe lägen im vorliegenden Fall nicht vor, letztlich deshalb, weil das Angebot der AST zu werten sei.

Die Aufhebung der Ausschreibung durch den Antragsgegner sei auch deshalb vergabe rechtswidrig, weil der Antragsgegner sein durch§ 17 EU I VOB/A eingeräumtes Ermessen nicht jedenfalls nicht fehlerfrei ausgeübt habe, auf jeden Fall dies nicht dokumentiert habe. Auch wenn ein die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtfertigender Grund vorliegen würde, führe dies nicht automatisch zur Aufhebung des Verfahrens. Der Antragsgegner habe vorliegend jedoch das ihm zustehende Aufhebungsermessen weder erkannt noch ausgeübt. Allein dies mache die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig.

Ein sachlicher Grund für die Aufhebung liege im vorliegenden Fall nicht vor.

Das Angebot der AST sei vollständig und zu werten. Es werde kein unangemessener Preis angeboten, die nachgeforderten Nachweise seien fristgemäß der Vergabestelle übermittelt worden.

Mit weiterem Schreiben vom 31.03.2023 hat die AST nach erfolgter Akteneinsicht ergänzend vorgetragen, das Angebot der AST liege auskömmlich unter dem geschätzten Auftragswert. Es liege preislich auf Platz 2 entscheidend sei insoweit, weshalb das davorliegende Angebot ausgeschieden sei. Das Angebot der AST sei daher als Best-Angebot zu berücksichtigen.

Im Widerspruch zur Aufhebungsentscheidung stehe der Vergabevermerk (FBL. 315), wonach die AST die Preise zweifelsfrei angegeben habe, fehlende Preise nicht vorlägen, Änderungen an den Vergabeunterlagen nicht vorgenommen worden seien, nachgeforderte Bieterangaben vollständig vorlägen. Es werde festgestellt, dass alle geforderten Preise im Angebot angegeben worden seien. Im Widerspruch dazu sei im Vergabevorschlag vorgesehen, dass das Verfahren aufgehoben werde, da das Angebot im Formblatt 225a geändert worden sei.

In der Aufhebungsentscheidung seien keine Ermessenserwägungen getroffen bzw. dokumentiert worden.

Entgegen der Darstellung des AG sei das Formblatt 225a nicht bereits mit Angebotsabgabe gefordert worden. Dies ergebe sich aus der Angebotsaufforderung nicht, denn diese enthalte unter Ziffer C die Angabe: “Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert ### mit Nachforderung”, womit die Stoffpreisgleitklausel nicht bereits mit der Angebotsabgabe vorzulegen gewesen sei. Die so vorbehaltene Nachforderung hinsichtlich des Formblatts 225a sei mit E-Mail des Planungsbüros vom ##.##.2022 nachträglich erstmalig gefordert worden. Unterlagen, die jedoch nicht bereits mit Angebotsabgabe vorzulegen seien, stellten keine Vergabeunterlagen im Sinne § 8 EU VOB/A dar.

Auch die Behauptung des AG, die AST habe mit ihrem Angebot nicht alle geforderten Unter lagen eingereicht, sei unzutreffend und widerspreche den Feststellungen des AG im Vergabevermerk. Unzutreffend sei auch, dass die AST nochmals aufgefordert worden sei, das Formblatt 225a vorzulegen, da die AST nach den Feststellungen des AG alle erforderlichen Unterlagen mit Angebotsabgabe eingereicht habe und nach Angebotsabgabe entsprechend der Vorgabe erstmalig ohne Fristsetzung aufgefordert worden sei, das Formblatt 225a vorzulegen. Damit handele es sich nicht um eine Nachforderung fehlender Unterlagen, die zudem die vorgegebene Fristsetzung von 6 Kalendertagen voraussetze.

Mit Schreiben vom 03.05.2023 haben die AST und der AG ihre Zustimmung zum Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung erklärt.

Zudem hat der AG in weiterem Schreiben vom 03.05.2023 mitgeteilt, aufgrund des laufenden Nachprüfungsverfahrens und damit zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens erfolge zunächst keine erneute Ausschreibung.

Sofern sich die AST auf die Feststellungen im Formblatt 315 beziehe, werde darauf hingewiesen, dass es sich dabei um die Dokumentation der ersten Durchsicht unmittelbar nach Beendigung des Erb- zw. Öffnungstermins handele. Dabei sollen Auffälligkeiten, die insbesondere geeignet seien, Ansätze zu Manipulationen bzw. Interpretationen des Angebotsinhaltes zu liefern, erkannt und sofort dokumentiert werden. Es handele sich nicht um eine tiefere abschließende Prüfung.

Hinsichtlich ihres Vortrages zum Fehlen von Ermessensabwägungen verkenne die AST vorliegend, dass das in § 17 VOB/A EU eröffnete Ermessen aufgrund der anzuwendenden Regelungen des Vergabehandbuches 2017 auf Null reduziert sei. Darüber hinaus hätten der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens keine wertbaren Angebote vorgelegen, sodass eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens eben falls nicht sachdienlich gewesen sei und mithin das Vergabeverfahren mit dem Hinweis, die Leistungen erneut auszuschreiben, aufgehoben worden sei.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

1. Zulässigkeit

Der Nachprüfungsantrag der AST ist zulässig.

a) Die Vergabekammer ist für das Nachprüfungsverfahren gemäß den §§ 155, 156 Abs. 1,2. HS, 158 Abs. 2 und 159 Abs. 3 Satz 1 GWB in Verbindung mit§ 2 Abs. 1 Satz 1 ThürVkVO sachlich und örtlich zuständig.

Der AG ist öffentlicher Auftraggeber nach den §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.

Gegenstand des (aufgehobenen) Vergabeverfahrens ist ein öffentlicher Bauauftrag im Sinne von § 103 Absätze 1 und 3 GWB.

Der für diesen Auftrag nach § 106 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit Artikel 4 lit. a) der Richtlinie 2014/24/EU maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 5.382.000 € ohne Mehrwertsteuer ist im Hinblick auf den vom AG dokumentierten voraussichtlichen Gesamt auftragswert des Bauvorhabens nach § 3 VgV deutlich überschritten.

b) Der Nachprüfungsantrag ist trotz der am ##.##.2023 durch die AG gegenüber der AST erklärten Aufhebung des Vergabeverfahrens statthaft.

Auch wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Ausschreibung für einen öffentlichen Auftrag bereits aufgehoben hat, kann ein Bieter noch in zulässiger Weise im Nachprüfungsverfahren geltend machen, durch Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschrift in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.2003 – X ZB 43/02).

Zwar bedarf es grundsätzlich eines bereits begonnen und noch nicht beendeten, laufenden Vergabeverfahrens, damit ein Nachprüfungsverfahren statthaft ist, § 155 GWB. Eine Aufhebung beendet zwar grundsätzlich das Vergabeverfahren. Dennoch ist ein gegen die Aufhebungsentscheidung gerichteter Nachprüfungsantrag statthaft, denn anders als die Zuschlagserteilung durch den Auftraggeber wirkt eine Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht als absolute, den Primärrechtsschutz ausschließende Zäsur, sondern sie ist wie ein Gegenschluss aus § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB belegt ihrerseits reversibel, so dass die AST die Aufhebungsentscheidung einer Kontrolle im Nachprüfungsverfahren unterziehen kann (VK Südbayern, Beschluss vom 15.05.2020 – Z3-3-3194-1-37-10/19; VK Bund, Beschluss vom 07.03.2018 – VK 2-12/18).

Der Bieter kann im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung die Feststellung beantragen, dass er durch das Verfahren in seinen Rechten verletzt ist (BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – X ZB 18/13).

c) Die AST ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt.

Sie hat ihr Interesse an dem Auftrag durch die fristgerechte Abgabe eines Angebotes, ihrer Rüge vom ##.##.2023 gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens sowie mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 14.02.2023 deutlich zum Ausdruck gebracht.

Es ist auch nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten.

Die AST hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht, indem sie vorträgt, dass die von dem AG mit Schreiben vom ##.##.2023 erklärte Aufhebung des Vergabeverfahrens aufgrund § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A rechtswidrig sei, weil der Aufhebungsgrund hierfür dass kein Angebot eingegangen sei, dass den Ausschreibungsbedingungen entspreche nicht vorliege, weil jedenfalls für das Angebot der AST kein Ausschlussgrund bestehe, dieses vielmehr zu werten sei.

Der ihr drohende Schaden ergibt sich nach Darlegung der AST daraus, dass ihr durch die rechtswidrige Aufhebung die vergaberechtswidrige Nichtberücksichtigung ihres wertbaren Angebots und damit die Verhinderung des möglichen Zuschlags auf ihr Angebot und der daraus entstehende Nachteil drohe.

Mangels Wertung ihres Angebots droht ihr durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß ein Schaden zu entstehen.

Auch das Feststellungsinteresse der AST wegen möglicher Schadenersatzansprüche gegenüber dem AG, wie es die AST geltend macht, wird vorliegend bejaht.

Ein Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Dieses kann sich aus der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs des Bieters gegen den öffentlichen Auftraggeber im Falle des Vorliegens eines Vergaberechtsverstoßes ergeben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.2018 – Verg 41/16).

Im Hinblick auf die von der AST gerügte Aufhebung des Vergabeverfahrens, deren Vergaberechtswidrigkeit Gegenstand ihres Feststellungsantrags ist, kommt vorliegend ein Feststellungsinteresse aufgrund der Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs in Betracht. Die AST hat insoweit ein Feststellungsinteresse wegen möglicher Schadenersatzansprüche gegen den AG geltend gemacht. Ein solcher Anspruch erscheint dem Grunde nach nicht ausgeschlossen.

Die wirksame, aber nicht rechtmäßige Aufhebung des Vergabeverfahrens würde dem Grunde nach eine Schadensersatzpflicht des AG begründen, wenn der AST im Vergabe verfahren der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.2018 – Verg 41/16).

d) Die AST ist ihren Rügeobliegenheiten insbesondere nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB fristgerecht nachgekommen. Sie hat die ihr am ##.##.2023 durch die AG mitgeteilte Aufhebung des Vergabeverfahrens noch am selben Tag und damit innerhalb der 10-Tage Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig gerügt.

Die AST ist zudem ihren Obliegenheiten aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und § 161 GWB nachgekommen, indem sie nachdem die AG am 31.01.2023 auf ihre Rüge reagiert hat am 14.02.2023 und damit innerhalb der 15-Tage-Frist einen form- und fristgerechten Nachprüfungsantrag gestellt hat.

2. Begründetheit

Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit die AST beantragt hat, festzustellen, dass die Aufhebung der Ausschreibung vom ##.##.2023 sie in ihren Rechten verletzt (A).

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, soweit die AST die Aufhebung der am ##.##.2023 durch den AG erklärten Aufhebung des Vergabeverfahrens sowie die Fortsetzung dieses Vergabeverfahrens beantragt hat (B).

A.

Die AST wird durch die Aufhebung der Ausschreibung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist vorliegend rechtswidrig, weil die vom AG für die Aufhebung angeführten Gründe des § 17 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, dass kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, nicht vorliegen.

Der AG hatte das Angebot der AST aufgrund der Bieter-Angabe der AST ” … €/m” (anstatt der Vorgabe “€/qm”) in Spalte 4 bei OZ 1.3.10 im von der AST eingereichten FBL. 225al wegen unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen.

Neben dem Angebot der AST waren auch die beiden anderen eingegangenen Angebote ausgeschlossen worden, sodass nach Auffassung des AG kein wertbares Angebot mehr vorhanden war.

Nach Auffassung der Vergabekammer war das Angebot der AST jedoch nicht wegen einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen im Sinne von § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A auszuschließen.

Gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A sind Angebote auszuschließen, die den Bestimmungen des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 nicht entsprechen.

Nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 und 2 VOB/A ist das Angebot auf der Grundlage der Vergabeunterlagen zu erstellen. Änderungen an den Vergabeunterlagen sind unzulässig.

Die Vergabeunterlagen bestehen gemäß § 8 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A aus dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe gemäß Absatz 2 Nummer 1 bis 3), gegebenenfalls Teilnahmebedingungen (Abs. 2 Nr. 6) und den Vertragsunterlagen (§ 8a EU und §§ 7 EU bis 7c EU).

Mit dem Anschreiben “Aufforderung zur Angebotsabgabe” werden die Vergabeunterlagen versandt. Es enthält die Aufforderung zur Angebotsabgabe. Nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A müssen die Angebote die geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Die Anforderungen an den Inhalt der Angebote nach den Absätzen 1 bis 5 hat der Auftraggeber in die Vergabeunterlagen aufzunehmen (§ 13 EU Abs. 6 VOB/A).

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 EU VHB Bund) des AG war bei “Anlagen” unter Punkt C) angekreuzt eindeutig das Formblatt

“225aL Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert ### mit Nachforderung”

als mit dem Angebot einzureichende Unterlage gefordert und dies unter Punkt

“3. Unterlagen (Erklärungen, Angaben, Nachweise)

3.1 folgende Unterlagen sind mit dem Angebot einzureichen:

[x] siehe Bekanntmachung und Formblatt 211 Punkt C)”


verdeutlicht. Bei dem, in dem o.g. Anschreiben “Aufforderung zur Angebotsabgabe” genannten und diesem als Anlage in der Datei “1235-22_225a {Land mit Nachforderung).PDF” beigefügten Formblatt FBL. 225aL, in dem für darin aufgeführte Stoffe bestimmter Leistungspositionen die Möglichkeit von Preisanpassungen zum Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen geregelt wird, und worin vom Bieter die Angabe des Stoffpreises aus seinem Angebot verlangt wird, handelt es sich mithin um eine Vergabeunterlage; zudem um eine wirksam geforderte Unterlage, die mit dem Angebot vorzulegen war.

Da die AST dieses mit dem Angebot geforderte Formblatt FBL. 225aL nicht wie vom AG eindeutig gefordert mit dem Angebot eingereicht hatte, dieses also fehlte, war es entsprechend den Vorgaben des AG im Formblatt 211 Punkt C) i.V.m. Nr. 3.1 und Nr. 3.3 in Verbindung mit§ 16a EU Abs. 1 VOB/A von der AST nachzufordern.

Mit E-Mail vom ##.##.2022 hat das von der AG beauftragte Planungsbüro die AST u. a. aufgefordert, das Formblatt 225aL Stoffpreisgleitklausel schnellstmöglich nachzureichen.

Noch am selben Tag (##.##.2022) hat die AST u. a. das FBL. 225aL (Datei: “1235-22_225a (Land mit Nachforderung).PDF” zudem ausgefüllt eingereicht.

Der Ausschluss des Angebotes der AST aufgrund der geändert angegebenen Mengeneinheit im vorgelegten FBL. 225aL ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Änderungen können den Inhalt der nachgefragten Leistung oder die Vertragskonditionen und Preise betreffen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 11 Verg 12/11). Die Vorschrift dient dem Schutz des Auftraggebers, dem Wettbewerb und damit den anderen Bietern. Der Auftraggeber soll die ausgeschriebene (und keine andere) Leistung erhalten, die Angebote sollen vergleichbar sein. Eine unzulässige Änderung liegt vor, wenn eine andere Leistung angeboten wird als vom Auftraggeber ausgeschrieben. Änderungen sind alle unmittelbaren Eingriffe mit verfälschender Absicht, wie Streichungen, Hinzufügungen, jede Abänderung einer Position, Herausnahme von einzelnen Blättern etc. (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 16.09.2013 – 9 Verg 3/13). Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt dann vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der Ausschreibende bestellt hat, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2017 – Verg 54/16, s. auch BGH, Urteil vom 29.11.2016 – X ZR 122/14).

Ob eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen durch das Angebot im Einzelfall vorliegt, ist anhand einer Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB sowohl der Vergabeunterlagen als auch des Angebots nach dem jeweiligen objektiven Empfängerhorizont festzustellen. Maßgeblich ist dabei der Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (vgl. BGH, Beschluss vom 15.01.2013 –X ZR 155/10; VK Nordbayern, Beschluss vom 09.12.2021 – RMF-SG21-3194-6-36, zur VgV; BayObLG, Beschluss vom 17.06.2021 – Verg 6/21).

Aus den Vorgaben des FBL. 225aL und dem Gesamt-Zusammenhang der einzutragenden Preisangabe ergibt sich jedoch ohne Weiteres nachvollziehbar, dass der AST ein Schreibfehler unterlaufen ist, der in diesem besonderen Fall keine inhaltliche Änderung der Vergabeunterlagen darstellt.

Das ausgereichte FBL. 225aL gilt vorliegend nur für die im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklausel” genannten Stoffe. Es regelt unter den darin genannten Voraussetzungen die Abrechnung von Mehr- oder Minderaufwendungen für jede im “Verzeichnis für Stoffpreisgleitklausel” angegebene Position (OZ) für nachgewiesene Baustoffmengen (vgl. Nummer 2). Nach Nr. 2.2 werden der Ermittlung der Mehr- oder Minderaufwendungen nur die Baustoffmengen zugrunde gelegt, für die nach dem Vertrag eine Vergütung zu gewähren ist.

Laut Nr. 3.1 des Formblattes setzt der Auftraggeber für die im Verzeichnis genannten Stoffe die “GP-Nummer” fest (= Nummer des Stoffes, aus: Erzeugerpreisindex gewerblicher Produkte Publikationen des Statistischen Bundesamtes (Destatis)), für Betriebsstoffe: die Abrechnungseinheit (z. B. Verbrauch in ltr/m3), den Abrechnungszeitpunkt. Der Bieter hingegen gibt für die jeweilige GP-Nummer den Stoffpreis aus seinem Angebot an, welcher den Basiswert 2 bildet, dessen Fortschreibung gern. Nr. 3.4 für die Ermittlung der Mehr-/Minderaufwendungen ausschlaggebend ist (Nr. 3.3 FBL. 225aL).

Dadurch, dass der AG für die Abfrage nach dem Stoffpreis des Bieters im FBL. 225aL nicht allein die GP-Nummer für den Stoff “Mineralwolle”, sondern jeweils in gesonderter Zeile auch die jeweilige Position (OZ) des Leistungsverzeichnisses (LV) vorgegeben hat, in der dieser Stoff Verwendung findet, ergibt sich in Verbindung mit den Nrn. 3.3 bis 3.6 des FBL. 225aL für den Bieter, dass dieser den von ihm für diesen Stoff zur jeweiligen Position des LV kalkulierten Stoffpreis(anteil) aus seinem Angebot in das Formblatt einzutragen hatte.

In der Spalte 5 des Formblattes (“Abrechnungszeitpunkt, Abrechnungseinheit (z.B. Verbrauch in f/m3 Sonstiges) hatte der AG den Abrechnungszeitpunkt und die Abrechnungseinheit für den in Spalte 4 vom Bieter anzugebenden Stoffpreisanteil, und zwar für jede OZ (Position) bereits vorgegeben hier: für Mineralwolle, Verwendung bei OZ 1.3.10 (GP 23 14): “Einbau” und “€/qm”. Bereits aus diesem Zusammenhang, nämlich der im Formblatt vorgegebenen Abrechnung (eventueller, später eintretender Vergütungsänderungen) allein des vorgegebenen Stoffes aus der gesondert abgefragten Bezugs-Position (OZ) des LV mit der in Spalte 5 bereits vorgegebenen Abrechnungseinheit zum Abrechnungszeitpunkt ergibt sich, dass als Basis der Abrechnung (“Basiswert 2”) nur noch eine Wertangabe, nämlich die Angabe eines preislichen Betrages erforderlich war der dann fortgeschrieben mit einem Preisänderungsquotienten auf den Basiswert 3 der Berechnung der (Stoff-)Preisänderung zum Abrechnungszeitpunkt dient, welche aufgrund der Vorgabe des AG in Spalte 5 für OZ 1.3.10 zwingend in “€/qm” zu erfolgen hatte(= Wertangabe bei zwingendem Ergebnis in €/qm).

Zudem ergibt sich aus der Bezugnahme auf einen bestimmten Stoff in einer bestimmten Position des LV und der Vorgabe für den Bieter, den Stoffpreis aus seinem Angebot hierfür anzugeben, dass der Bieter den für diese Position und die dazu vorgegebene Mengeneinheit des LV in seinem hierfür angebotenen Einheitspreis bereits einkalkulierten Stoffpreisanteil in die Spalte 4 des Formblattes einzutragen hatte.

Dies musste aufgrund der (im Übrigen bei allen geforderten Positionen des FBL. 225aL) vorliegenden Übereinstimmungen von Abrechnungseinheit in Spalte 5 FBl. 225aL und Mengeneinheit der jeweiligen Position im LV {hier für OZ/Position 1.3.10: €/qm und €/m2) zur Folge haben, dass in Spalte 4 allein ein Preisanteil, und zwar für OZ/Position 1.3.10 in “€/qm” anzugeben war, weshalb die nochmalige Vorgabe einer Einheit für die Preisangabe in Spalte 4 durch den AG (hier: “€/qm”) im vorliegenden Fall nicht erforderlich war und damit nur klarstellenden Charakter haben konnte. Auch aus der vorgesehenen Berechnungsformel in Nr. 3.4 FBL. 225aL (Multiplikation Stoffpreisangabe Bieter (Basiswert 2) mit Steigerungsfaktor zu Basiswert 3 im Abrechnungszeitpunkt bzw. der daran anschließenden Berechnung der Preisdifferenz von Basiswert 2 und Basiswert 3 in Verbindung mit der bereits vorgegebenen Abrechnungseinheit in Spalte 5 ergibt sich, dass die im FBL. 225aL vorgesehene Eintragung des Stoffpreises für diese Position nur in €/qm zielführend und rechnerisch richtig ist.

Die Angabe einer anderen Mengeneinheit ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Dass die Vergabeunterlagen insoweit überhaupt der Auslegung bedurften, hat die AST nicht vorgetragen, jedenfalls verbleiben nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter keine Zweifel.

Die Änderung betrifft die Angabe der Mengeneinheit in der Spalte 4 des FBL. 225aL für den von der AST in Position (OZ) 1.3.10 des LV bereits eingepreisten/kalkulierten (und im FBL. 225aL gesondert anzugebenden) Stoffpreisanteil (vgl. Nr. 3.3 Satz 1 Stoffpreisgleitklausel) für die in der genannten Position des LV angebotenen Mineralwolle-Dämm platten.

Im Unterschied zur Mengeneinheit des Einheitspreises dieser Position (€/m2 = Euro / Quadratmeter) im LV und der anzuwendenden Abrechnungseinheit in Spalte 5 des FBL. 225aL (ebenfalls €/qm = Euro / Quadratmeter) wurde von der AST in Spalte 4 des FBL. 225aL die hier vom AG vorgegebene Mengeneinheit von €/qm (= Euro/ Quadratmeter) in €/m (Euro/ Meter) und damit geändert angegeben.

Die (veränderte) Einheit “€/m” (Meter) bei der in Spalte 4 für Position 1.3.10 von der AST eingetragenen Preisangabe scheint im Widerspruch zu der vom AG in der Spalte 4 vorgegebenen Einheit 11€/qm” als auch der in der darauffolgenden Spalte 5 vorgegebenen “…, Abrechnungseinheit, …” mit “€/qm” zu stehen.

Mit dieser Veränderung erfolgte durch die AST jedoch weder eine Änderung der angebotenen Leistung in der Position (OZ) 1.3.10 des LV, noch eine Änderung des dafür von ihr in Position (OZ) 1.3.1O des LV angebotenen Einheitspreises.

Dabei handelt es sich tatsächlich auch nicht um einen fehlenden Preis. Denn die AST hat einen Einheitspreis bei Position (OZ) 1.3.10 des LV angegeben und eine Preisangabe in der streitgegenständlichen Zeile in Spalte 4 des FBL. 225aL eingetragen.

Die Abweichung betrifft vorliegend eine Angabe, deren Fehlen nicht zu einem Ausschluss geführt hätte, sondern aufgrund der Vorgaben des AG in den Vergabeunterlagen gemäߧ 16a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A hätte nachgefordert werden können.

Zudem betrifft die Abweichung einen untergeordneten, unwesentlichen Punkt.

Damit ändert sie den Inhalt der zu erbringenden Leistung nicht.

Es handelt sich um eine geringfügige Abweichung, die sich auf den Vergütungsanspruch der AST gegenüber dem AG (durch Erstattung von Mehr- oder Minderaufwendungen) theoretisch überhaupt nur dann auswirken könnte, wenn Stoffpreisänderungen auf der Grundlage dieses Formblattes zur Abrechnung kommen.

Maßstab der Auslegung einer Bietererklärung nach §§ 133, 157 BGB ist, wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle das Angebot nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2017 – Verg 54/16). Dabei ist der Wortlaut der Erklärung zwar ein ganz zentraler, aber nicht der einzige zu würdigende Gesichtspunkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die eine Erklärung begleitenden Umstände bei der Auslegung berücksichtigt werden können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2017 – Verg 17/17, vom 22.03.2017 – Verg 54/16, und vom 12.03.2007 – Verg 53/06). Allerdings sind nur solche Umstände berücksichtigungsfähig, die auch dem Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennbar sind (BayObLG, Beschluss vom 11.02.2004 – Verg 1/04, und Beschluss vom 16.09.2002 – Verg 19/02). Einigkeit besteht in der Rechtsprechung zudem darüber, dass bei der Auslegung von Bietererklärungen die Gebote eines transparenten Wettbewerbs und der Gleichbehandlung der Bieter berücksichtigt werden müssen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.11.2014 – Verg W 9/14; BayObLG, Beschluss vom 11.02.2004 – Verg 1/04), auf die auch§ 16a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2019 ausdrücklich Bezug nimmt. Schließlich ist anerkannt, dass es auf das Erklärungsverständnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung beim Erklärungsempfänger ankommt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2019 – Verg 42/18, Beschluss vom 12.03.2007 – Verg 53/06; OLG München, Beschluss vom 21.02.2008 – Verg 1/08). Spätere Äußerungen sind dabei insoweit berücksichtigungsfähig, als sie Aufschluss über das Verständnis bei Erklärungszugang geben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2019 – Verg 42/18, und Beschluss vom 12.03.2007 – Verg 53/06; OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.11.2014 – Verg W 9/14), so das OLG Düsseldorf im Beschluss vom 01.04.2020 – Verg 30/19.

Die Auslegung der Angabe der Mengeneinheit unter Berücksichtigung der Begleitumstände ergibt, dass es sich hierbei um einen offenkundigen Schreibfehler der AST handelt, der zu keiner unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen führt.

Denn die Angabe der AST in Spalte 4 des FBL. 225al mit “€/m” anstatt der vom AG vorgegebenen “€/qm” beinhaltet rein tatsächlich das Entfallen eines Buchstabens und betrifft allein die (Mengen-)Einheit für den von ihr angegebenen Stoffpreis(anteil).

Bereits aus den o.g. Ausführungen zur alleinigen Wertangabe durch den Bieter bei zwingen dem Ergebnis in €/qm, dem klarstellenden Charakter der Angabe der Mengeneinheit durch den AG in Spalte 4 sowie der Anwendung der Berechnungsformel in Verbindung mit der vorgegebenen Abrechnungseinheit in Spalte 5 ergibt sich für das Angebot der AST, dass die streitgegenständliche Angabe “€/m” (Euro/Meter) zu keiner Änderung der Vergabeunterlagen führt.

Durch die vom AG in Spalte 5 für den genannten Abrechnungszeitpunkt vorgegebene Abrechnungseinheit (für OZ 1.3.10: “€/qm”) und die Bezugnahme der Berechnungsformel auf die Abrechnungsmenge laut Vertrag (= bei Position 1.3.10 Anbringen der Mineralwolle Dämmplatten … : “1.000,00 m2”) in Verbindung mit dem anzugebenden Stoffpreisanteil aus dem zugehörigen Einheitspreis des Angebotes für die OZ 1.3.10 ergibt sich für die Angabe des Stoffpreisanteils der AST in Spalte 4 für diese Position die Einheit “€/qm”.

Für diese Auslegung des angegebenen Stoffpreisanteils der AST in “€/qm” spricht auch die Angabe der AST zur Aufgliederung des Einheitspreises bei “Stoffe” in Position 01.03.0010 (Angabe der Teilkosten einschl. Zuschlägen je Mengeneinheit für die Menge “1.000,00 m2”) in dem zeitgleich mit FBL. 225al eingereichten Formblatt 223 “Aufgliederung der Einheitspreise”, worin die “Teilkosten einschl. Zuschlägen in € (ohne Umsatzsteuer) je Mengeneinheit” für die vom AG vorgegebenen Positionen (OZ des LV), Mengen und Mengeneinheiten von der AST für die streitgegenständliche Position ohne Abänderung der dafür dort ebenfalls vorgegebenen Mengeneinheit “m2” eingetragen worden sind.

Anhaltspunkte für das von der AST im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Versehen ergeben sich zudem aus der Erklärung im Kontext der Eintragungsmodalitäten.

Denn in dieser Spalte 4, in welche die Bieter lediglich ihre Stoffpreise eintragen sollten (“Stoffpreis … vom Bieter anzugeben”), waren die Eintragungsfelder nicht gesperrt. Aber: in dieselben ungesperrten Eintragungsfelder für die Bieter hatte gleichzeitig auch der AG seine dadurch leicht und versehentlich von jedermann änder-, lösch- oder über schreibbaren Maßeinheiten für die Bietereintragung voreingetragen; hier für Mineralwolle Verwendung bei OZ 1.3.10: €/qm.

Nach den Erkenntnissen der Vergabekammer erscheint in dem den (elektronisch über das Vergabeportal) bereitgestellten Vergabeunterlagen in ausfüllbarem pdf-Format beigefügten FBL. 225al beim Darübergleiten mit dem Cursor über die Eintragungsfelder der Spalte 4 jeweils ein Kasten, in dem die vom AG vor-eingetragene Angabe “€/qm” ungesperrt enthalten ist, und zu welchem eine Kontext-Erklärung mit dem Inhalt: “Bieterangabe:Stoffpreis(anteil)” erscheint. Beim Darauf-Klicken (z. B. um eine Preisangabe einzutragen) setzt sich der Cursor unmittelbar und ohne Zwischenraum vor die voreingetragene Maßeinheit. Die Bieterangabe war in beschriebenem Kasten vor diese nicht gesperrte und dadurch nicht schreibgeschützte Maßeinheiten-Angabe des AG einzutragen. Der Bieter konnte hierbei nicht nur seine eigenen Angaben eintragen oder korrigieren, sondern ungewollt auch leicht in die Maßeinheiten-Angabe rutschen und dabei ggf. einen Bestandteil/Buchstaben löschen.

Um die Stoffpreisangabe durch den Bieter in Spalte 4 zu gewährleisten, konnte nach Aussage des AG insoweit nachvollziehbar eine Sperrung dieser Spalte im FBL. 225al dann nicht erfolgen.

Aus welchen Gründen der AG bereits in Spalte 4 zusätzlich zur Spalte 5 eine Einheit für die Angabe des Stoffpreises vorgegeben hat, erläutert er nicht. Allerdings hat der AG selbst damit für die Bieter die Möglichkeit eröffnet, bei ihrer Eintragung an dieser Stelle durch kleinste Fehlbedienung (Doppelanschlag, etc.) der Eingabe-Tastatur unabsichtliche, sogar unbewusste Änderungen vornehmen zu können.

Dem AG konnte sich nach alledem unschwer die Erkenntnis aufdrängen, dass die Bieterangabe €/m anstatt €/qm auf einem Schreibfehler der AST beruht.

Sind Rechen- oder – wie vorliegend – ein Schreibfehler offenkundig, der schon seinem Erklärungsinhalt nach keine inhaltliche Änderung der Vergabeunterlagen darstellt, stellt dies keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 16.09.2013 – 9 Verg 3/13; KG, Beschluss vom 04.05.2020 – Verg 2/20).

Bei offenkundigen, marginalen Eintragungsfehlern kann der AG, soweit das möglich ist, die notwendigen Berichtigungen sogar selbst vornehmen (KG, Beschluss vom 07.08.2015 – Verg 1/15und Beschluss vom 04.05.2020 – Verg 2/20). Sinn des Vergabeverfahrens ist es nämlich auch, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen und ein solches nicht an formalistischen Gesichtspunkten scheitern zu lassen (OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – Verg 9/10).

Bei richtlinienkonformer Auslegung ist auch im Hinblick auf die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung die Korrektur offensichtlicher Fehler oder die Klarstellung offensichtlicher Ungereimtheiten möglich, sofern eine inhaltliche Änderung des Angebots, welche einer Nachverhandlung gleichkäme, ausgeschlossen ist (VK Berlin, Beschluss vom 06.01.2020 – VK B 1-39/19 unter Hinweis auf: EuGH, Urteil vom 07.04.2016 – Rs. C-324/14, sowie Urteil vom 29.03.2012 – Rs. C-599/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 – Verg 42/17).

Damit wäre einer strengen Handhabung von Ausschlussgründen, die allein vom Gedanken formaler Ordnung geprägt ist, die gesetzliche Grundlage entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2019 – X ZR 86/17; Urteil vom 19.06.2018 – X ZR 100/16 -).

Im Übrigen wäre der AG hätte er diesen Schreibfehler erkannt nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sogar verpflichtet gewesen, diesen Schreibfehler der AST nach pflichtgemäßem Ermessen aufzuklären.

Nach dieser Vorschrift darf der AG nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von einem Bieter Aufklärung verlangen, um sich unter anderem über das Angebot selbst (und auch über die Angemessenheit der Preise) zu unterrichten.

Zwar räumt die Vorschrift dem Auftraggeber nach ihrem Wortlaut lediglich eine Befugnis ein. Der AG ist aber im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens gehalten, von der Befugnis auch Gebrauch zu machen. Hierbei kann sich sein Ermessen soweit reduzieren, dass es einen Hinweis gebietet. Dies ist unter anderem anerkannt, wenn durch geringfügige Nachfragen Zweifel an einem Angebot geklärt werden können (KG, Beschluss vom 07.08.2015 – Verg 1/15).

Im Fall widersprüchlicher Erklärungen ist der AG zur Aufklärung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2017 – Verg 17/17). Der Ausschluss eines Angebots unter rein formalen Gesichtspunkten kommt allerdings nicht in Betracht. Vielmehr sind etwaige Unklarheiten im Wege der Aufklärung zu beseitigen (BGH, Urteil vom 18.06.2019 – X ZR 86/17; BGH, Urteil vom 19.06.2018 – X ZR 100/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.04.2020 – Verg 30/19; OLG Düsseldorf – Beschluss vom 02.08.2017).

Eine Angebotsaufklärung hat der AG nicht vorgenommen.

Soweit sich die Frage eines zutreffend angebotenen Preises stellt, wäre im Rahmen der Angebotswertung zu prüfen, ob der angegebene, der Preisgleitung unterworfene Stoffpreisanteil wirtschaftlich ist und dieser ggf. aufzuklären.

Zur Verifizierung hätte dem AG das von der AST auf Nachforderung hin am gleichen Tag für eine Vielzahl von Positionen des LV ausgefüllt vorgelegte Formblatt 223 “Aufgliederung der Einheitspreise” zur Verfügung gestanden, in welchem unter anderen für die hier betreffende Position 1.3.10 für die Menge “1.000,00” mit der Mengeneinheit “m2 von der AST die Teilkosten einschl. Zuschlägen in €je Mengeneinheit für Löhne, Stoffe, Geräte und Sonstiges inkl. dem daraus resultierenden angebotenen Einheitspreis angegeben worden sind.

Eine nachvollziehbare Prüfung der Preise ist nicht dokumentiert. Die angegebenen Teilkosten für Stoffe der Position 1.3.10 erscheinen allerdings unauffällig auch in Bezug auf den in FBL. 225al angegebenen Wert.

Zudem ist das FBL. 225aL nicht wertungsrelevant. Denn hier soll ein bereits über den angegebenen Einheitspreis in der Angebotssumme enthaltener Preisanteil mitgeteilt werden und das FBL. 225al wurde vom AG auch nicht in der Aufforderung zur Angebotsabgabe (FBL. 211) zum Vertragsbestandteil erklärt, sondern unter dessen Nr. 3.1 für nachforderbar erklärt.

Hierbei verkennt die Vergabekammer nicht, dass es sich bei der Stoffpreisgleitklausel in dem ausgereichten FBL. 225al inhaltlich um eine Regelung zur angemessenen Änderung der Vergütung in den Vertragsunterlagen (im Sinne von § 9d EU VOB/A) handeln soll.

Die seitens des AG hierzu vorgesehene Möglichkeit der Nachforderung und Nachreichung von Stoffpreisen durch den Bieter nach Angebotsabgabe als Berechnungsgrundlage (Basis wert 2) der möglicherweise zu berechnenden Mehr- oder Minderaufwendungen zum Vertrag, steht dazu im Widerspruch und ist nicht nachvollziehbar.

Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände ist die Vergabekammer der Auffassung, dass der versehentliche Schreibfehler nicht zu einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen und daher nicht zum Ausschluss des Angebotes der AST führt.

Nach alledem kommt es vorliegend nicht darauf an, ob das Ermessen des AG zur Aufhebung auf null reduziert war oder ob in Fällen, in denen keinem Bieter der Auftrag erteilt werden darf, dem öffentlichen Auftraggeber eine andere Möglichkeit zu Gebote gestanden hat, wenn diese in Übereinstimmung mit den grundlegenden Grundsätzen für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu bringen ist, die der Gesetzgeber in § 97 Abs. 1 und 2 GWB niedergelegt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2006 – X ZB 14/06, NZBau 2006, 800), und der AG dies erkannt hat.

B.

Die AST hat keinen Anspruch auf die Aufhebung der Verfahrensaufhebung, da die Verfahrensaufhebung wirksam ist.

Obwohl die Aufhebung rechtswidrig war, weil nicht durch die Vorgaben des § 17 EU Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VOB/A gerechtfertigt, ist sie dennoch wirksam.

Bieter müssen die Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in § 17 EG Abs. 1 VOB/A aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Vielmehr bleibt es der Vergabestelle grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein gesetzlicher Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB), aber nicht darauf, dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – X ZB 18/13 -).

Nur in Ausnahmefällen kann ein Anspruch auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens angenommen werden, insbesondere wenn der Auftraggeber für die Aufhebung der Ausschreibung keinen sachlich gerechtfertigten Grund angegeben hat und sie deshalb willkürlich ist oder die Aufhebung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nur zu dem Zweck erfolgt, Bieter zu diskriminieren (BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – X ZB 18/13 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2021 – Verg 23/20 -; OLG Rostock, Beschl. v. 30.09.2021 – 17 Verg 5/21 -).

Ein solcher Ausnahmefall kann nicht festgestellt werden. Die Aufhebung ist weder willkürlich noch diskriminierend. Dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens zu dem Zweck erfolgte, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter anderen Voraussetzungen bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können (sog. Scheinaufhebung; siehe BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – X ZB 18/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.12.2016 – Verg 28/16😉 behauptet weder die AST noch ist dies sonst ersichtlich.

Nachdem nach dem Ausschluss auch der beiden anderen Angebote kein wertbares Angebot mehr im Vergabeverfahren verblieben war, und damit eine Zuschlagserteilung in diesem Vergabeverfahren aus der Sicht des AG vergaberechtskonform nicht mehr möglich war, verblieb diesem nur die den Bietern am ##.##.2023 mitgeteilte Aufhebung der Ausschreibung.

Dass der AG angekündigt hat, ein neues Vergabeverfahren durchführen zu wollen, signalisiert zwar den weiterhin fortbestehenden Beschaffungsbedarf des Auftraggebers. Daraus lässt sich jedoch keine Absicht des AG erkennen, dass der AG hier das Vergabe verfahren nur zum Schein aufgehoben hat, um den Auftrag einem anderen Unternehmen erteilen zu können bzw. die AST auf diese Weise zu diskriminieren. Denn die Mitteilung des AG im Schreiben vom ##.##.2023, ein erneutes Vergabeverfahren im offenen Verfahren durchführen zu wollen, zielt auf eine rechtmäßige Vergabe in einem offenen, auch der AST erneut eröffneten Wettbewerb.

In diesem Sinne handelte es sich um eine sachliche und willkürfreie Erwägung.

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist daher rechtswidrig (wie oben ausgeführt), aber wirksam erfolgt.

3. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB ein Beteiligter im Verfahren zu tragen, soweit er unterlegen ist.

Die AST und der AG haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen. Die AST ist mit ihren Anträgen, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben und den AG zu verpflichten, das vormalige Vergabeverfahren fortzusetzen, im Nachprüfungsverfahren unterlegen. Der AG hat insofern obsiegt. Die AST hat aber mit ihrem Antrag, festzustellen, dass die erfolgte Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig gewesen ist, obsiegt; der AG ist insofern im Nachprüfungsverfahren unterlegen. Dies rechtfertigt es, der AST und dem AG gemäß § 182 Absatz 3 Sätze 1 und 3 GWB nach billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens grundsätzlich jeweils zur Hälfte aufzuerlegen.

Die AST und der AG haben gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen ihres Antragsgegners jeweils zur Hälfte zu tragen, da sie beide in diesem Maße im Nachprüfungsverfahren unterlegen sind.

Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die AST war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB in Verbindung mit§ 80 Absätze 2 und 3 Satz 2 ThürVwVfG für notwendig zu erklären. Das Verfahren betraf Fragen zur Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit einer Aufhebung, mit denen ein durchschnittlich fachkundiger Bieter nicht vertraut zu sein braucht. Aufgrund der komplexen Rechtsmaterie in diesem Bereich und des enormen Zeitdrucks in einem Nachprüfungsverfahren ist eine gezielte juristische Vertretung der AST durch einen anwaltlichen Bevollmächtigten erforderlich gewesen.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500,00 Euro und 50.000,00 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt wird und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag von 100.000,00 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Gebühr wird ausgehend von dem Bruttoauftragswert des Angebots der AST sowie unter Zugrundelegung der Gebührentabelle der Vergabekammer (Stand: 01.01.2010) zunächst auf ### Euro festgesetzt. Da die Vergabekammer gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3, 1. Alternative GWB mit Zustimmung der Beteiligten nach Lage der Akten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden hat, ist von einem verminderten personellen Aufwand der Vergabekammer auszugehen (vgl. auch Müller/Wrede, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2016, § 182, Rdn. 27), so dass die Vergabekammer die Gebühr für das Nachprüfungsverfahren nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens auf ### Euro festgesetzt hat.

Da die AST und der AG die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen haben, ist die AST zur Zahlung einer Gebühr in Höhe ### Euro verpflichtet.

Da die AST bereits einen Kostenvorschuss in Höhe der Mindestgebühr von ### Euro für die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens gezahlt hat, ist dieser Betrag mit der von ihr zu zahlenden Gebühr zu verrechnen.

Der danach überzahlte Betrag in Höhe von ### Euro ist der AST nach Eintritt der Bestandskraft dieses Beschlusses zu erstatten.

Die AST wird daher um Mitteilung einer Bankverbindung gebeten, auf welche dann die Erstattung erfolgen soll.

Der AG ist nach § 182 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG bzw. nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ThürVwKostG von der Verpflichtung zur Zahlung von Verwaltungsgebühren persönlich befreit.

Hinweis: Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt (§ 182 Absatz 4 Satz 5 GWB).

Rechtsbehelfsbelehrung

(…)

AxKlärschlammforum: 80 % des Klärschlamms aus kommunalen Kläranlagen im Jahr 2022 thermisch verwertet

AxKlärschlammforum: 80 % des Klärschlamms aus kommunalen Kläranlagen im Jahr 2022 thermisch verwertet

Der Klärschlamm aus kommunalen Kläranlagen in Deutschland wurde im Jahr 2022 zu gut 80 % (1,34 Millionen Tonnen) thermisch verwertet. Seit Beginn der Erhebung wurde damit erstmals die 80 %-Marke bei der thermischen Verwertung von Klärschlamm überschritten. Nach Angaben der Energiestatistik wurden im Jahr 2022 durch die Verbrennung von Klärschlamm 471,8 Millionen kWh Strom und 860,4 Millionen kWh Wärme erzeugt.

Insgesamt wurden im Jahr 2022 deutschlandweit 1,67 Millionen Tonnen Klärschlamm entsorgt, das waren 3 % weniger als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stieg der Anteil des thermisch verwerteten Klärschlamms in den vergangenen Jahren stetig. 2012 lag er noch bei 55 % und zu Beginn der Zeitreihe im Jahr 2006 bei 47 %. Demgegenüber sank der Anteil des in der Landwirtschaft, im Landschaftsbau und anderer stofflicher Verwertung eingesetzten Klärschlamms im Jahr 2022 mit 0,32 Millionen Tonnen auf gut 19 % (2012: 45 %; 2006: 53 %). Lediglich 0,5 % des Klärschlamms wurden 2022 auf anderen Wegen entsorgt. 

Verschärfte Regeln zum Einsatz von Klärschlamm in der Landwirtschaft seit 2017

In der Klärschlammverordnung von 2017 wurden die Vorgaben zur Ausbringung von Klärschlamm in der Landwirtschaft verschärft, um den Eintrag von Schadstoffen wie zum Beispiel Arzneimittelrückstände oder Mikroplastik in die Böden zu verringern. Für eine bessere Ressourcennutzung wird ab 2029 zusätzlich die Phosphorrückgewinnung aus dem Klärschlamm verpflichtend. Diese Rückgewinnung ist nach derzeitigem technischem Stand hauptsächlich aus den Rückständen thermischer Verfahren möglich.

Die höchsten Anteile an thermischer Verwertung in den Flächenländern hatten im Jahr 2022 Baden-Württemberg (99 %), Nordrein-Westfalen (93 %) und Bayern (89 %). Demgegenüber verzeichneten Thüringen (58 %), Niedersachsen (45 %) und Mecklenburg-Vorpommern (44 %) die niedrigsten Anteile unter den Flächenländern.

Pressemitteilung Nr. 485 vom 18. Dezember 2023 des Statistischen Bundesamtes

Erfolgreiche Vergabeprojekte vorgestellt

Erfolgreiche Vergabeprojekte vorgestellt

Beschaffung des Aufbaus des anderen Kanalreinigungsfahrzeugs Referenznummer der Bekanntmachung: AP 014-23 B


Bekanntmachung vergebener Aufträge

Ergebnisse des Vergabeverfahrens

Lieferauftrag

Rechtsgrundlage:
Richtlinie 2014/24/EU

Abschnitt I: Öffentlicher Auftraggeber

I.1)Name und Adressen

Offizielle Bezeichnung: MWB Mittelhessische Wasserbetriebe
Postanschrift: Alicenstraße 33
Ort: Gießen
NUTS-Code: DE721 Gießen, Landkreis
Postleitzahl: 35390
Land: Deutschland
E-Mail: Nina.Vollmer@giessen.de
Internet-Adresse(n):
Hauptadresse: www.mwb-giessen.de

I.4)Art des öffentlichen Auftraggebers

Regional- oder Kommunalbehörde

I.5)Haupttätigkeit(en)

Allgemeine öffentliche Verwaltung

Abschnitt II: Gegenstand

II.1)Umfang der Beschaffung
II.1.1)Bezeichnung des Auftrags:

Beschaffung des Aufbaus des anderen Kanalreinigungsfahrzeugs

Referenznummer der Bekanntmachung: AP 014-23 B

II.1.2)CPV-Code Hauptteil

42996000 Maschinen zur Reinigung von Abwasser

II.1.3)Art des Auftrags

Lieferauftrag

II.1.4)Kurze Beschreibung:

Beschaffung des Aufbaus des anderen Kanalreinigungsfahrzeugs CITY 2000 Typ 4,0/3,0-320 (Zwei-Behälter-System) MWB.23.000664

II.1.6)Angaben zu den Losen

Aufteilung des Auftrags in Lose: nein

II.1.7)Gesamtwert der Beschaffung (ohne MwSt.)

Wert ohne MwSt.: 0.01 EUR

II.2)Beschreibung

II.2.2)Weitere(r) CPV-Code(s)

34144000 Kraftfahrzeuge für besondere Zwecke

34144500 Fahrzeuge für Abfall und Abwasser

II.2.3)Erfüllungsort

NUTS-Code: DE721 Gießen, Landkreis

II.2.4)Beschreibung der Beschaffung:

Beschaffung des anderen Kanalreinigungsfahrzeugs CITY 2000 Typ 4,0/3,0-320 (Zwei-Behälter-System) mit vollautomatischer kontinuierlicher Wasserrückführungstechnik, automatischer Saugschlauchhaspel, Kippentleerung und Zusatzausstattungen zum Aufbau auf ein DAF FA XD450 Fahrgestell 4×2

II.2.5)Zuschlagskriterien

Preis

II.2.11)Angaben zu Optionen

Optionen: nein

II.2.13)Angaben zu Mitteln der Europäischen Union

Der Auftrag steht in Verbindung mit einem Vorhaben und/oder Programm, das aus Mitteln der EU finanziert wird: nein

II.2.14)Zusätzliche Angaben

Abschnitt IV: Verfahren

IV.1)Beschreibung

IV.1.1)Verfahrensart

Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Amtsblatt der Europäischen Union (für die unten aufgeführten Fälle)

  • Die Bauleistungen/Lieferungen/Dienstleistungen können aus folgenden Gründen nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer ausgeführt werden:
    • nicht vorhandener Wettbewerb aus technischen Gründen


Erläuterung:

Es kommt aus zwingenden Gründen nur ein bestimmter Anbieter in Betracht.

IV.1.3)Angaben zur Rahmenvereinbarung oder zum dynamischen Beschaffungssystem

IV.1.8)Angaben zum Beschaffungsübereinkommen (GPA)

Der Auftrag fällt unter das Beschaffungsübereinkommen: ja

IV.2)Verwaltungsangaben

IV.2.8)Angaben zur Beendigung des dynamischen Beschaffungssystems

IV.2.9)Angaben zur Beendigung des Aufrufs zum Wettbewerb in Form einer Vorinformation

Abschnitt V: Auftragsvergabe

Auftrags-Nr.: 1

Bezeichnung des Auftrags:

Beschaffung des Aufbaus des anderen Kanalreinigungsfahrzeugs

Ein Auftrag/Los wurde vergeben: ja

V.2)Auftragsvergabe

V.2.1)Tag des Vertragsabschlusses:

23/06/2023

V.2.2)Angaben zu den Angeboten

Anzahl der eingegangenen Angebote: 1

Anzahl der eingegangenen Angebote von KMU: 1

Anzahl der eingegangenen Angebote von Bietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten: 0

Anzahl der eingegangenen Angebote von Bietern aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten: 0

Anzahl der elektronisch eingegangenen Angebote: 1

Der Auftrag wurde an einen Zusammenschluss aus Wirtschaftsteilnehmern vergeben: nein

V.2.3)Name und Anschrift des Wirtschaftsteilnehmers, zu dessen Gunsten der Zuschlag erteilt wurde

Offizielle Bezeichnung: WIEDEMANN enviro tec GmbH & Co. KG
Postanschrift: Freiweg 4
Ort: Altenmünster
NUTS-Code: DE276 Augsburg, Landkreis
Postleitzahl: 86450
Land: Deutschland
E-Mail: vertrieb@wieviro.de
Telefon: +49 829596930
Fax: +49 8295969330

Der Auftragnehmer ist ein KMU: ja

V.2.4)Angaben zum Wert des Auftrags/Loses (ohne MwSt.)

Gesamtwert des Auftrags/Loses: 0.01 EUR

V.2.5)Angaben zur Vergabe von Unteraufträgen

Abschnitt VI: Weitere Angaben

VI.3)Zusätzliche Angaben:

VI.4)Rechtsbehelfsverfahren/Nachprüfungsverfahren

VI.4.1)Zuständige Stelle für Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren

Offizielle Bezeichnung: Vergabekammer des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt
Postanschrift: Dienstgebäude: Wilhelminenstraße 1-3; Fristenbriefkasten: Luisenplatz 2
Ort: Darmstadt
Postleitzahl: 64283
Land: Deutschland
Fax: +49 6151125816 / +49 6151126834

VI.4.2)Zuständige Stelle für Schlichtungsverfahren

Offizielle Bezeichnung: Vergabekammer des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt
Postanschrift: Dienstgebäude: Wilhelminenstraße 1-3; Fristenbriefkasten: Luisenplatz 2
Ort: Darmstadt
Postleitzahl: 64283
Land: Deutschland
Fax: +49 6151125816 / +49 6151126834

VI.4.4)Stelle, die Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erteilt

Offizielle Bezeichnung: Vergabekammer des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt
Postanschrift: Dienstgebäude: Wilhelminenstraße 1-3; Fristenbriefkasten: Luisenplatz 2
Ort: Darmstadt
Postleitzahl: 64283
Land: Deutschland
Fax: +49 6151125816 / +49 6151126834

VI.5)Tag der Absendung dieser Bekanntmachung:

26/06/2023

Praxistipp (1): Richtig rügen

Praxistipp (1): Richtig rügen

von Thomas Ax

Was den Inhalt der Rüge anbelangt, so ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen. Da ein Bieter nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines Kenntnisstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 – Verg 9/21, unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. April 2011 – Verg 58/10).

Der Antragsteller muss aber – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen reichen nicht aus.

Da die Rüge den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzen soll, einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren, ist es unabdingbar, dass der Antragsteller – um unnötige Verzögerungen des Vergabeverfahrens zu vermeiden und einem Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens vorzubeugen – bereits frühzeitig diejenigen Umstände benennt, aufgrund derer er vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes ausgeht (vgl. zum Vorstehenden, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 – Verg 9/21 m.W.N.).

Daher ist der Antragsteller gehalten, schon bei Prüfung der Frage, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen ist, Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Formulierungen wie “nach unserer Kenntnis” oder “nach unserer Informationslage” genügen in der Regel nicht (vgl. zum Vorstehenden OLG Düsseldorf, a.a.O., mit zahlreichen Nachweisen).

Aktuelle Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate im Volltext (1) – VK Bund zu der Frage, dass eine unklare Auftraggebereigenschaft der Referenzstelle zu überprüfen ist

Aktuelle Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate im Volltext (1) - VK Bund zu der Frage, dass eine unklare Auftraggebereigenschaft der Referenzstelle zu überprüfen ist

von Thomas Ax

1. Muss eine der drei geforderten Referenzen eine Leistungserbringung gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber betreffen und benennt der Bieter keine Referenz, die auf den ersten Blick und zweifelsfrei keine Referenz eines öffentlichen Auftraggebers darstellt, muss die Vergabestelle die Auftraggebereigenschaft der als Referenz benannten Stelle prüfen und dies dokumentieren.
2. Bei der Wertung der Angebote nach “Schulnoten” ist der Wertungsprozess eingehend und angemessen zu dokumentieren.
VK Bund, Beschluss vom 02.02.2024 – VK 2-98/23

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin (Ag) machte am […] die Vergabe eines Rahmenvertrags über “Dienstleistungen für die Maßnahme […]” im Rahmen eines offenen Verfahrens im Supplement zum Amtsblatt der EU unionsweit bekannt ([…]).

Ausschreibungsgegenstand waren IT-Beratungs- und Unterstützungsleistungen […].

Der ausgeschriebene Auftrag hat eine Laufzeit von 24 Monaten, die zwei Mal um jeweils ein Jahr verlängert werden kann, sofern die Ag nicht einer Verlängerung drei Monate vor dem jeweiligen Vertragsende widersprechen sollte.

Aus der Bekanntmachung ergeben sich diverse Anforderungen an die wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit der Bieter:

“Zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter war das Formular “Unternehmenszahlen” einzureichen (Bekanntmachung, III.1.2).”

Darin war insbesondere die Höhe des Gesamtumsatzes in den letzten drei Geschäftsjahren anzugeben; der Mindestumsatz musste jeweils 13 Mio. Euro netto pro Geschäftsjahr erreicht haben.

Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit war eine Liste mit mindestens drei geeigneten Referenzen mit Bezug zur ausgeschriebenen Leistung vorzulegen (Bekanntmachung, III.1.3-1). Diesbezüglich waren Angaben zu machen u.a. zum Wert des Auftrags (mind. 1 Mio. Euro) sowie zum Zeitraum der Leistungserbringung (nicht älter als drei Jahre seit der letzten Leistungserbringung). Darüber hinaus musste es sich bei mind. einer Referenz um einen Auftrag für einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB gehandelt haben.

Zum anderen waren zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit Angaben zur durchschnittlichen Gesamtmitarbeiteranzahl des Unternehmens pro Jahr in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren zu machen (Bekanntmachung, III.1.3-2); Voraussetzung waren mindestens 60 Mitarbeitende pro Jahr im Jahresdurchschnitt. Ferner war die Anzahl der Mitarbeitenden im relevanten Tätigkeitsbereich “Entwicklung eines […]” anzugeben; die Mindestanzahl sollte bei 30 Mitarbeitenden pro Jahr im Jahresdurchschnitt liegen.

Die Leistungskriterien waren im “Kriterienkatalog Leistung” als Fragen und Forderungen in tabellarischer Form aufgeführt. Zweck der insgesamt fünf Fragen, zu denen die Bieter Konzepte einzureichen hatten, war es aus Sicht der Ag, eine Prognose für die künftige Auftragsausführung durch den Auftragnehmer abgeben zu können.

Leistungskriterium B1 fragte danach, welche nicht-funktionalen Anforderungen an ein […] speziell im Kontext von Bundesbehörden zu erwarten sind. Die Bieter sollten drei zentrale nicht-funktionale Anforderungen nennen und skizzieren, wie sie in der IT-Entwicklung deren Umsetzung sicherstellen würden.

Leistungskriterium B2 forderte die Bieter auf zu erläutern, welche Art von Tests im Hinblick auf die Funktion und nicht-funktionale Anforderungen bei der Entwicklung eines […] für die öffentliche Verwaltung durchzuführen sind. Die bei den Tests einzubeziehenden Stakeholder sollten benannt werden.

Leistungskriterium B3 verwies auf die Vorgabe in der Leistungsbeschreibung, der zufolge spätestens 3 Monate nach Leistungsbeginn sämtliche zum Einsatz kommenden Mitarbeitenden ein […]-Zertifikat der Community vorweisen müssen.

Leistungskriterium B 4 sah vor, dass ein Profil für die Rolle des Software-Architekten einzureichen war, welches den Mindestkriterien gem. Leistungsbeschreibung genügen musste.

Leistungskriterium 5 sah vor, dass ein Profil für die Rolle des Senior-Developer einzureichen war, welches den Mindestkriterien gem. Leistungsbeschreibung genügen musste.

Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgte auf Basis der erweiterten Richtwertmethode. Die Leistungskennzahl wurde auf Basis der von den Bietern eingereichten Konzepte und Erklärungen zu den vorstehend genannten Kriterien ermittelt. Die Kriterien waren gewichtet (Kriterien B1, B2 und B5 haben jeweils 10 Gewichtungspunkte, Kriterium B3 5 Gewichtungspunkte, Kriterium 4 15 Gewichtungspunkte) und wurden jeweils in einer Skala von 0 bis 5 Punkten bewertet. Die Leistungskennzahl (max. 250 Punkte) dividiert durch den Preis ergab die Kennzahl für die Wirtschaftlichkeit. Ausgehend von der besten Kennzahl wurde ein Schwankungsbereich von 6 v.H. ermittelt. Angebote jenseits des Schwankungsbereichs konnten für eine Zuschlagserteilung nicht in Betracht kommen.

Die Antragstellerin (ASt) gab ihr Angebot fristgerecht am 20. September 2023 ab.

Der vorliegenden Angebotswertung zufolge erreichten die ASt und die Beigeladene (Bg) jeweils die maximale Leistungskennzahl. Der preisliche Abstand zwischen dem Angebot der erstplatzierten Bg und der zweitplatzierte ASt liegt bei
Mit Schreiben vom 27. November 2023 informierte die Ag die ASt gem. § 134 GWB, dass der Zuschlag auf das Angebot der Bg erteilt werden solle. Das Angebot der ASt komme für eine Zuschlagserteilung nicht in Betracht, weil es außerhalb des Schwankungsbereichs liege. Die Wirtschaftlichkeit des Angebots sei selbst bei voller Punktzahl zu niedrig.

Hiergegen wandte die ASt sich mit Rügeschreiben vom 30. November 2023. Darin beanstandete sie den unzulänglichen Inhalt des Informationsschreibens. Die ASt machte ferner geltend, die Bg erfülle nicht die Eignungsanforderungen im Hinblick auf […]. Ferner äußerte sie die Vermutung, das Angebot der Bg sei unangemessen niedrig (§ 60 VgV).

Die Ag lehnte es in einem Antwortschreiben von 5. Dezember 2023 ab, dem Rügevorbringen abzuhelfen.

2. Mit einem bei der Vergabekammer des Bundes am 7. Dezember 2023 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag stellte die ASt durch ihre Verfahrensbevollmächtigten einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer übermittelte den Nachprüfungsantrag der Ag noch am 7. Dezember 2023.

a) Die ASt meint, der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Sie tritt der Ansicht der Ag und der Bg entgegen, der Nachprüfungsantrag sei nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert und damit unzulässig.

Grundlage für das Rügevorbringen der ASt sei das Informationsschreiben der Ag nach § 134 GWB gewesen. Dieses habe den gesetzlichen Mindestanforderungen an dessen Inhalt nicht genügt. So sei die Erläuterung, dass die Wirtschaftlichkeit des Angebots der ASt trotz voller Punktzahl in der Leistungsbewertung nicht wirtschaftlich genug sei, unergiebig. Aufgrund der unzureichenden Informationen habe die ASt daher die Ag um nähere Informationen zu ihrer Zuschlagsentscheidung bitten und ihr Rügevorbringen zu diesem Zeitpunkt auf Annahmen stützen müssen. In ihrer Rüge habe sie das Verlangen klar zum Ausdruck gebracht, die Vergabeentscheidung einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.

Die Bg erfülle nicht die bekanntgemachten Anforderungen an die Bietereignung. Die ASt selbst sei aktives Mitglied der […]. Aufgrund ihrer Marktkenntnisse erachte sie es als ausgeschlossen, dass die Bg in der Lage sei, drei vergleichbare Referenzen im Bereich Entwicklung eines […] beizubringen, die nicht älter als 3 Jahre sind (Bekanntmachung, III.1.3- 1). Die Akteneinsicht habe gezeigt, dass die Ag im Vergabevermerk lediglich die pauschale Feststellung dokumentiert habe, alle Bieter seien geeignet. Eine unternehmensindividuelle Prüfung der zahlreichen Eignungsanforderungen sei in der Vergabeakte nicht dokumentiert. Eine Heilung des Dokumentationsmangels einer kompletten Wertungsstufe im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens sei auch aufgrund des dem öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraums nicht möglich.

Nach Kenntnis der ASt könne die Bg nicht die erforderliche durchschnittliche Anzahl an Gesamtmitarbeitenden von mind. 60 Mitarbeitenden nachweisen, darüber hinaus auch nicht die Anzahl an mind. 30 Mitarbeitenden pro Jahr im Jahresdurchschnitt in dem Bereich, der im vorliegenden Vergabeverfahren relevant sei (Bekanntmachung, III.1.3-2).

Selbst wenn die Bg, wie von der Ag im Rügeantwortschreiben angedeutet, von der Möglichkeit der Eignungsleihe Gebrauch gemacht haben sollte, sei der ASt in der […] kein Unternehmen bekannt, das der Bg seine Eignung geliehen habe. Im Übrigen belegten die im Schriftsatz der Bg vom 21. Dezember 2023 dargelegten Referenzen deren Eignung nicht. Das von der Bg angegebene Projekt “2012ff., Suchtechnologie Anpassung für […]” werde von der ASt seit 2019 betreut, sei daher keine max. drei Jahre alte Referenz der Bg. Sollte die Bg diesen Auftrag als Referenz angegeben haben, liege eine Falschangabe vor, die zum Angebotsausschluss nach § 124 Abs. 2 Nr. 9 GWB führen könne.

Ferner sei zu vermuten, dass die Ag den sich aus § 60 VgV ergebenden Aufklärungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sei. Die Ausführungen der Ag im Nachprüfungsverfahren ließen den Schluss zu, dass der Preisabstand zwischen dem preisgünstigsten Angebot und dem des nächstfolgenden Bieters bei
Die Angebotswertung der Ag sei schon deshalb defizitär, weil die Ag diese nicht dokumentiert habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie die Bg und – nach Erkenntnissen der ASt aus dem Markt – möglicherweise ein weiterer Bieter die volle Punktzahl habe erhalten können. Zu den einzelnen Kriterien merkt die ASt inbesondere an:

B1 (Nicht-funktionale Anforderungen)

Die Akteneinsicht habe gezeigt, dass die Ag sich bei der von ihr vorgenommenen Wertung des Angebots der ASt auf wenige Argumente beschränkt habe, die – aufgrund ihrer Pauschalität – einen direkten Bezug zum eigenen Angebot nicht erkennen ließen. Ein Vergleich mit dem Inhalt der Angebote der anderen Bieter habe offensichtlich nicht stattgefunden. Unklar sei, warum die Bg und – möglicherweise auch ein anderer Bieter – die gleiche Punktzahl wie die ASt erhalten haben könnten. Die Bg könne schon deshalb nicht die volle Punktzahl erhalten, da sie die Wartung der Software (Updates, Upgrades) nicht umsetzen könne.

Dem Vortrag der Bg im Nachprüfungsverfahren sei zu entnehmen, dass diese “abstrakte” Lösungsvorschläge vorgelegt habe. Gefordert gewesen seien aber konkrete Lösungsvorschläge.

Auch aus diesem Grund habe das Angebot der Bg nicht die volle Punktzahl erhalten dürfen.

B2 (Tests)

Die Akteneinsicht habe ergeben, dass die Ag eine inhaltliche Wertung nicht vorgenommen habe. Auch hier fehle ein Quervergleich zu den Angeboten der Wettbewerber. Die Bg sei nach Kenntnis der ASt nicht in der Lage, automatisierte Tests durchzuführen.

B3 ([…])

Eine inhaltliche Wertung und ein Quervergleich zu den Angeboten der Wettbewerber habe nicht stattgefunden. Die Ag habe sich mit der Feststellung begnügt, dass alle zum Einsatz kommenden Mitarbeiter über ein […]-Zertifikat verfügen, ohne allerdings zu dokumentieren, welcher Art diese Zertifikate sind und ob diese gültig sind.

Es sei auszuschließen, dass die Bg die bekanntgemachte Vorgabe von mind. 15 Mitarbeitenden erfüllen könne, die spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe (20. September 2023) über ein gültiges […]-Zertifikat verfügen könnten.

Soweit Ag und Bg sich darauf beriefen, dass im Wege einer Eignungsleihe evtl. vorhandene Defizite ausgeglichen werden könnten, sei unklar, ob die Bg sich tatsächlich der von ihr benannten Nachunternehmen bedienen könne. Nach Ansicht der ASt sei die Ag verpflichtet gewesen, bei der […] nachzufragen, ob die von den Bietern behaupteten Zertifikate gültig sind.

4. (Software-Architekt)

Die Angebotswertung beschränke sich im Vergabevermerk auf die Feststellung, dass die Anforderungen “voll erfüllt” seien. Da vier unterschiedliche Kategorien von Profilen vorzulegen waren, sei eine solche Feststellung unergiebig.

Die Bg könne nach Kenntnis der ASt keine “zum Leistungsgegenstand vergleichbare Projekterfahrung” bei agilen Projekten vorweisen. Fraglich sei, ob der Bg die behaupteten Unterauftragnehmer tatsächlich zur Verfügung stünden. Dies gelte v.a. für den von der Bg im Nachprüfungsverfahren erwähnten Herrn […], einen von der ASt so bezeichneten “Freelancer”. Hinzu komme, dass der von der Bg angeführten Referenz nicht zu entnehmen sei, ob sie den Erwartungshorizont der Ag in vollem Umfang erfülle und damit die Höchstpunktzahl für dieses Kriterium gerechtfertigt sei.

B5 (Senior Developer)

Im Vergabevermerk werde zur Begründung der vollen Punktzahl für das Angebot der ASt lediglich festgestellt, dass der Erwartungshorizont “voll erfüllt” sei. Eine inhaltliche Aussage zu dem geforderten komplexen Profil sei bei dieser Feststellung nicht erkennbar.

Es sei die ASt gewesen, die das […] realisiert habe und damit über Projekterfahrung verfüge. Daher könne bei diesem Kriterium kein anderer Bieter die volle Punktzahl erhalten haben. Bei dem von der Bg im Nachprüfungsverfahren erwähnten Herrn […], bei dem es sich nach Angaben der ASt ebenfalls um einen sog. Freelancer handele, sei auszuschließen, dass dieser zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe über ein gültiges Zertifikat verfüge.

Die ASt beantragt,

1. die Ag zu verpflichten, die Angebote in dem Vergabeverfahren […] unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu prüfen und zu werten,

2. Akteneinsicht,

3. der Ag die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen und

4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die ASt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für notwendig zu erklären.

b) Die Ag beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. der ASt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Hierzu trägt die Ag vor, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

Unzulässig sei der Nachprüfungsantrag schon deshalb, weil die ASt ihren Rügeobliegenheiten nicht genügt habe. Eine wirksame Rügeerhebung setze ein Mindestmaß an Substantiierung voraus. In dem Schreiben der ASt vom 30. November 2023 zum Informationsschreiben nach § 134 GWB habe diese sich jedoch lediglich danach erkundigt, ob die Ag eine Prüfung nach § 60 VgV ordnungsgemäß vorgenommen habe. Eine nicht näher begründete Vermutung, diese Prüfung sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, reiche nicht aus.

Die Zweifel der ASt an der Eignung der Bg seien ebenfalls “ins Blaue hinein” geäußert. Die ASt habe in dem vermeintlichen Rügeschreiben selbst zum Ausdruck gebracht, dass ihr die Bg als Wettbewerber auf dem Markt unbekannt sei. Dann aber sei fraglich, wie die ASt habe zu dem Schluss kommen können, die Bg erfülle die Eignungsanforderungen nicht.

Das vermeintliche Rügeschreiben habe auch kein Abhilfeverlangen zum Inhalt gehabt.

Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

Die Bg habe die im Rahmen der Eignungsprüfung erforderlichen Nachweise erbracht. Die ASt versuche den Eindruck zu erwecken, bei der […] handele es sich um einen kleinen, exklusiven Kreis von IT-Entwicklern und Unternehmen. Das sei unzutreffend. […], an dem schätzungsweise 80.000 Entwickler und über 1.600 Berater aktiv beteiligt seien. In Deutschland nutzten ca. 85.000 Unternehmen […].

Die Annahme der ASt, die Bg erfülle nicht die bekanntgemachten Eignungsanforderungen, sei unzutreffend. Die Bg habe die technische und berufliche Leistungsfähigkeit im erforderlichen Umfang nachgewiesen.

Die Bg habe in den letzten 3 Geschäftsjahren den geforderten Mindestumsatz in Höhe von 13 Mio. Euro erzielt (Bekanntmachung, III.1.2).

Die Bg habe auch die geforderte Mindestanzahl an Gesamtmitarbeitenden für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre sowie der im relevanten Tätigkeitsbereich “Entwicklung eines […]” aktiven Mitarbeitenden nachgewiesen (Bekanntmachung, III.1.3-2). Im Übrigen habe der Bg die Möglichkeit der Eignungsleihe offen gestanden, um evtl. vorhandene Defizite auszugleichen.

Ferner habe die Bg die erforderliche Anzahl geeigneter Referenzen beigebracht (Bekanntmachung, III.1.3-1).

Entgegen der Annahme der ASt habe die Ag die Prüfung nach § 60 VgV ordnungsgemäß durchgeführt. Von der Rechtsprechung werde regelmäßig angenommen, dass eine Aufgreifschwelle bei einem Preisabstand des billigsten Angebots zum nächstfolgenden Angebot in Höhe von ca. 15 bis 20 % anzusetzen sei. Vorliegend liege der Preisabstand bei
Die Angebotswertung auf der vierten Stufe sei nicht zu beanstanden. Insoweit weist die Ag zunächst darauf hin, dass sie in Absprache mit dem Bedarfsträger keine allzu hohen Anforderungen gestellt habe, um auf diese Weise möglichst vielen Bietern eine Teilnahme an der Ausschreibung zu ermöglichen. Dieser Umstand könne mit dazu beigetragen haben, dass mehrere Bieter die volle Punktzahl erhalten hätten. Zu den einzelnen Wertungskriterien führt die Ag aus:

B1 (Nicht-funktionale Anforderungen)

Die Bg habe den Erwartungshorizont der Ag erfüllt, indem sie drei nicht-funktionale Anforderungen genannt habe, die für Bundesbehörden große Bedeutung haben. Diesbezüglich habe die Bg auch nachvollziehbar erläutert, wie sie diese umzusetzen beabsichtige.

B2 (Tests)

Die Annahme der ASt, dass hochautomatisierte Tests der Software erforderlich seien, zu denen die Bg nicht in der Lage sei, sei spekulativ und nicht durch Tatsachen untermauert. Im Übrigen würden Tests durch […] begleitet und gesteuert.

B3 ([…]-Zertifikat)

Auch für die Behauptung der ASt, die Bg könne nicht über die erforderliche Anzahl an […]zertifizierten Mitarbeitenden verfügen, habe die ASt keine belastbaren Anhaltspunkte beigebracht. Im Übrigen habe dem bekanntgemachten Erwartungshorizont entnommen werden können, dass die volle Punktzahl durch den Nachweis erbracht werden konnte, dass die zum Einsatz kommenden Mitarbeitenden über ein […] verfügen; eine inhaltliche Bewertung der Qualität der Referenz sei nicht vorgesehen gewesen. Die bekanntgemachten Voraussetzungen habe die Bg erfüllt. Ob der von der ASt als sog. Freelancer bezeichnete Herr […] über ein gültiges Zertifikat verfügen könne, könne dahingestellt bleiben, weil die Bg – auch ohne Berücksichtigung von Herrn […] – eine ausreichende Anzahl an Zertifikaten nachgewiesen habe.

B4 (Software-Architekt)

Die Bg habe die an das Profil des Software-Architekten gestellten Anforderungen erfüllt. Die von der ASt geäußerten Zweifel, ob Herr […] den bekanntgemachten Anforderungen genüge, seien unbegründet.

B5 (Senior-Developer)

Die Bg habe das geforderte Profil eines Senior Developer nachgewiesen. Für die Behauptung der ASt, dass nur mit […] verbundene Projekterfahrungen vergleichbar seien, lasse sich dem bekanntgemachten Erwartungshorizont nichts entnehmen. Entgegen der Annahme der ASt komme es im Übrigen nicht darauf an, dass bereits bei Angebotsabgabe ein gültiges […] vorliege; vielmehr sei es ausreichend, wenn das Zertifikat spätestens 3 Monate nach Beauftragung des Einzelabrufs eingereicht werde.

c) Die mit Beschluss vom 11. Dezember 2023 zum Verfahren hinzugezogene Bg beantragt,

1. den Antrag der ASt vom 07.Dezember 2023 zurückzuweisen,

2. der ASt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Hierzu trägt sie insbesondere vor, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Das Rügevorbringen beruhe, soweit es sich gegen die Bg richte, auf bloßen Behauptungen “ins Blaue hinein”. Das gelte bzgl. der Ausführungen der ASt hinsichtlich der – angeblich – fehlenden Auskömmlichkeit des Angebots der Bg (§ 60 VgV), gelte aber auch hinsichtlich der von der ASt behaupteten Zweifel an ihrer Eignung. Die Ausführungen der ASt zur sog. […] seien teilweise irreführend, teilweise unzutreffend. Anders, als es der Vortrag der ASt suggeriere, handele es sich bei der […] nicht um einen kleinen Zirkel von Unternehmen und IT-Entwicklern. Die […]führe mehr als 1.000 Mitglieder, darunter eine Vielzahl an Unternehmen, die entsprechende Dienstleistungen anböten. Die Behauptung der ASt, sie, die Bg, sei nicht in diesem Bereich aktiv, sei unzutreffend.

Tatsächlich gehöre die Bg schon seit 15 Jahren […] und habe schon eine Vielzahl an Projekten realisiert, darunter auch solche für die öffentliche Hand.

Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Die Bg habe ihr Angebot zusammen mit drei Unternehmen abgegeben, die als Unterauftragnehmerinnen fungierten. Die erforderlichen Verpflichtungserklärungen lägen der Ag vor. Die Bg könne, in Zusammenarbeit mit ihren Unterauftragnehmern, auf mehr als 100 erfahrene […] zurückgreifen. Mit den Herren […] als Software-Architekt und […] als Senior-Developer stünden zwei erfahrene […] zur Verfügung.

Hinsichtlich der gegen die Wertungsentscheidung gerichteten Angriffe schließt die Bg sich den Ausführungen der Ag an. In Ergänzung hierzu trägt sie vor:

B1 (Nicht-funktionale Anforderungen)

Anders, als von der ASt dargestellt, habe sich die Bewertung alleine auf die Herangehensweise bezogen, nicht aber auf eine bereits vorhandene Umsetzung.

B2 (Tests)

Der Vortrag der ASt sei nicht nachvollziehbar. Diesbezüglich gebe es etablierte Branchenstandards, die von allen Anbietern angewandt würden, und ohne die größere IT-Projekte nicht realisiert werden könnten.

B3 ([…])

Entgegen der Behauptung der ASt seien alle erforderlichen Nachweise erbracht worden.

B4 (Software-Architekt)

Die geforderte Qualifikation sei nachgewiesen worden. Die anderslautende Behauptung der ASt sei ebenso unzutreffend wie deren Annahme, die Bg verfüge nicht über Erfahrungen bei agilen IT-Projekten. Die Bg habe bereits mehr als 30 agile IT-Projekte umgesetzt.

B5 (Senior Developer)

Die Qualifikation sei im Angebot nachgewiesen worden. Im Übrigen sei nach Erfahrungen mit ähnlichen Anwendungsfällen gefragt worden, nicht – wie von der ASt dargestellt – nach Erfahrungen mit dem […].

3. Die Vergabekammer hat der ASt und der Bg nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Da alle Verfahrensbeteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten, erteilte die Vergabekammer mit Schreiben vom 3. Januar 2024 den Verfahrensbeteiligten einen rechtlichen Hinweis, wonach der Nachprüfungsantrag – nach vorläufiger Einschätzung der Vergabekammer – wegen Defiziten bei der Dokumentation der Eignungsprüfung, der Überlegungen zur Preisprüfung und der Angebotswertung auf der vierten Stufe, die eine Überprüfung nicht erlaubten, begründet sei. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit, zu diesem Hinweis Stellung zu nehmen. Auf die Ausführungen in diesem Schreiben sowie auf die ausgetauschten Schriftsätze im Übrigen, die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der ASt vom 30. Januar 2024 blieb bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt.

Mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten hat die Vergabekammer nach Lage der Akten entschieden (§ 166 Abs. 1 Satz 3 GWB). Die gesetzlich vorgesehene Frist für die Entscheidung wurde insgesamt zwei Mal, zuletzt mit Schreiben vom 17. Januar 2024, bis zum 14. Februar 2024 verlängert.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Der Ag wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilten. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Ag die Prüfung der Bietereignung und die Wertung der Angebote auf der vierten Stufe unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Die streitgegenständliche Vergabeentscheidung betrifft einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag eines dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Auftraggebers, § 103 Abs. 4, §§ 98, 99 Nr. 2 GWB, oberhalb des maßgeblichen Schwellenwertes. Das Nachprüfungsverfahren ist daher nach § 155 GWB statthaft und die Vergabekammer des Bundes nach § 159 Nr. 2 GWB für die Entscheidung zuständig.

b) Die ASt ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB. Das nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB erforderliche Interesse am öffentlichen Auftrag ergibt sich bereits aus der Abgabe eines Angebots sowie aus dem gegen die Vergabeentscheidung gerichteten Rügevorbringen. Die ASt hat auch geltend gemacht, durch die Vergabeentscheidung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein. So macht die ASt geltend, die Bg erfülle nicht die bekanntgemachten Eignungsanforderungen, darüber hinaus habe die Bg ein unangemessen niedriges Angebot eingereicht; außerdem sei die Angebotswertung defizitär. Sollte das Angebot der Bg, diesen Vortrag der ASt als richtig unterstellt, aus einem der genannten Gründe aus der Wertung auszuschließen sein, käme das Angebot der ASt für einen Zuschlag in Betracht. Daher droht der ASt durch die angefochtene Vergabeentscheidung die Entstehung eines Schadens.

c) Die ASt hat ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB genügt. Die Rüge erfolgte nach Erhalt der § 134 GWB-Information, die vom 27. November 203 datierte, am 30. November 2023 und damit fristgerecht.

Was den Inhalt der Rüge anbelangt, so ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen. Da ein Bieter nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines Kenntnisstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 – Verg 9/21, unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. April 2011 – Verg 58/10).

Der Antragsteller muss aber – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen reichen nicht aus. Da die Rüge den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzen soll, einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren, ist es unabdingbar, dass der Antragsteller – um unnötige Verzögerungen des Vergabeverfahrens zu vermeiden und einem Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens vorzubeugen – bereits frühzeitig diejenigen Umstände benennt, aufgrund derer er vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes ausgeht (vgl. zum Vorstehenden, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 – Verg 9/21 m.W.N.). Daher ist der Antragsteller gehalten, schon bei Prüfung der Frage, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen ist, Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Formulierungen wie “nach unserer Kenntnis” oder “nach unserer Informationslage” genügen in der Regel nicht (vgl. zum Vorstehenden OLG Düsseldorf, a.a.O., mit zahlreichen Nachweisen).

Soweit sich die ASt mit ihrem Vorbringen in der Rüge darauf bezieht, sie könne “nur vermuten”, dass die Bg einen unangemessen niedrigen Preis angeboten habe, ist zwar nicht ganz selbsterklärend, ob dieses Rügevorbringen den dargelegten Voraussetzungen an einen Rügeinhalt entspricht. Zur Begründung für ihre Vermutung beschränkte die ASt sich auf den Hinweis, dass

“wir (Anm.: die ASt) branchenbekannt für hohe Qualität stehen”.

Die Darlegung alleine, dass die ASt für hohe Qualität steht, lässt indes nicht erkennen, warum die Bg ein unauskömmliches Angebot abgegeben haben könnte. Allerdings stellt die ASt diese Aussage in den Kontext der Beanstandung, wonach die Information nach § 134 GWB defizitär sein solle. Daraus wird indirekt gerade noch nachvollziehbar, dass die ASt meint, die höchste Qualitätspunktzahl haben zu müssen, so dass der Vorsprung des Angebots der Bg sich aus dem Preis ableiten müsse, der dann ungewöhnlich niedrig sein müsse. Dieses Vorbringen genügt gerade noch den Anforderungen an eine substantiierte Rüge.

Zweifelsfrei genügt hat die ASt hingegen ihrer Rügeobliegenheit, soweit sie die fehlende Eignung der Bg thematisiert. Aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen ging hinreichend deutlich hervor, dass die Ag Erfahrungen und entsprechende Referenzprojekte im Bereich […]voraussetzte. Die ASt machte geltend, aktives Mitglied der […] zu sein, einem begrenzten Kreis an aktiv tätigen Unternehmen und IT-Entwicklern. Aufgrund dieser Kenntnisse habe sie Zweifel, dass die Bg dort relevante Aktivitäten entfaltet habe. Die ASt hat damit deutlich gemacht, Zweifel an der Eignung der Bg zu haben, und hat dabei der Ag gegenüber zu erkennen gegeben, auf welcher Informationsgrundlage sie zu der Bewertung gekommen ist.

Genügt hat die ASt ihren Rügeobliegenheiten auch hinsichtlich der gegen die Wertungsentscheidung gerichteten Angriffe. Die ASt hat im Rügeschreiben geltend gemacht, dass es ihr aufgrund der wenigen Informationen im Schreiben nach § 134 GWB nicht möglich gewesen sei, die Wertungsentscheidung nachzuvollziehen. Deshalb erbat die ASt von der Ag die Vorlage der Bewertungsmatrix nebst Begründung. Aus diesem Vortrag war für die Ag erkennbar, dass die ASt, nach Erhalt dieser Informationen, die Wertungsentscheidung kritisch überprüfen und ggf. zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens machen würde.

d) Die Frist für die Einreichung des Nachprüfungsantrags, die am 7. Dezember 2023 erfolgte, nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist gewahrt (ablehnende Rügeantwort datiert vom 5. Dezember 2023).

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Prüfung der Bietereignung sowie die Wertung der Angebote auf der vierten Stufe durch die Ag erweisen sich als vergaberechtswidrig. Das Unterlassen einer Preisprüfung nach § 60 VgV hat die Ag indes auf den Hinweis der Vergabekammer vom 3. Januar 2024 plausibel erklärt und es stellt sich nicht als ermessensfehlerhaft dar, nicht von der Überschreitung der sog. “Aufgreifschwelle” auszugehen.

Die Vergabekammer hat den Verfahrensbeteiligten in einem rechtlichen Hinweis vom 3. Januar 2024 zu bedenken gegeben, dass, nach ihrer vorläufigen Einschätzung, das Vergabeverfahren insoweit an einem grundlegenden Mangel leidet, als die Ag ausweislich der Vergabedokumentation keine ausreichende Prüfung der Eignung bzw. Bewertung der Angebote in preislicher sowie inhaltlicher Hinsicht vorgenommen hat. Zwar sei es zulässig, dass eine vorhandene Dokumentation des Vergabeverfahrens durch Schriftsätze im Nachprüfungsverfahren ergänzt werde. Dies setze aber voraus, dass die wesentlichen Überlegungen des Auftraggebers sich bereits in der Dokumentation finden (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Februar 2021 – Verg 23/20 m.w.N.). Sinn der Möglichkeit, vorhandene Dokumentation durch schriftsätzlichen Vortrag zu ergänzen, sei jedoch nicht, ganz wesentliche Teile der Dokumentation bzw. – weitergehend – sogar der materiellen Prüfung in den schriftsätzlichen Vortrag zu verlagern. Denn wenn die Vergabedokumentation keine Aussage zu erforderlichen Prüfungsschritten enthalte, sei davon auszugehen, dass diese im Sinne einer “negativen Beweiskraft” des Vergabevermerks auch tatsächlich nicht durchgeführt worden sei.

a) Ausgehend hiervon ist festzustellen, dass die vorliegende Dokumentation nicht erkennen lässt, inwieweit die Ag die Prüfung der bekanntgemachten Eignungskriterien ordnungsgemäß durchgeführt hat.

Die Ag hat in der Auftragsbekanntmachung diverse Anforderungen an die finanzielle, technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter gestellt. Von besonderer Relevanz waren die bekanntgemachten Anforderungen an die Referenzen (Bekanntmachung, III.1.3-1). Hiernach waren die Bieter aufgefordert, eine Liste mit mind. 3 geeigneten Referenzen in Bezug auf die gegenständliche Leistung,

“Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Rahmen einer Entwicklung eines […]”

nachzuweisen. Die Referenzen mussten diverse Mindestanforderungen erfüllen, u.a. einen Auftragswert von mind. 1 Mio. Euro, und sie durften nicht älter als 3 Jahre seit der letzten Leistungserbringung sein. Außerdem musste es sich bei einer der eingereichten Referenzen um einen “Auftrag der öffentlichen Verwaltung öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB)” handeln.

In der der Vergabekammer vorliegenden Dokumentation (“Auswertung Angebote”) wurden hinsichtlich des Prüfschritts “Referenzen” von der Ag zu den Angeboten der ASt und der Bg lediglich festgehalten:

“Mindestens 3 Referenzen, die die Mindestanforderungen erfüllen”: “Ja.”

Weitere, eingehendere Erläuterungen hierzu finden sich in der Dokumentation nicht. Eine eingehendere Prüfung und Bewertung wäre aber geboten gewesen, wie etwa die Referenz 1 der Bg zeigt.

Wie bereits ausgeführt, kamen als geeignete Referenzen nur solche in Betracht, die einen Bezug zum streitgegenständlichen Auftrag aufwiesen. Aus den Ausführungen in der von der Ag mit Schreiben vom 14. Dezember 2023 zu den Akten gereichten Referenz 1 (vgl. Anlage Ag 2) lässt sich allerdings der geforderte Bezug zu […] nicht unmittelbar erkennen. In den schriftlichen Ausführungen zu dieser Referenz findet […] keine explizite Erwähnung. Eine eingehendere Aufklärung durch die Ag hätte schon deshalb nahegelegen, weil der Bezug zu […] bei den anderen von der Bg vorgelegten Referenzen deutlich hergestellt wurde.

Wie ebenfalls dargelegt, musste eine der insgesamt drei verlangten Referenzen eine Leistungserbringung gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB betreffen. Ob ein Auftraggeber die Eigenschaft eines Auftraggebers im Sinne des § 99 GWB erfüllt, setzt eine juristische Bewertung voraus. Eine solche Bewertung hat die Ag nicht vorgenommen, was hier aber erforderlich gewesen wäre, denn die Bg hat keine Referenz benannt, die auf den ersten Blick und zweifelsfrei eine Referenz von einem öffentlichen Auftraggeber darstellt. Zwar ist durchaus denkbar, dass zumindest eine der drei Referenzen – was ausreichend wäre – von einem öffentlichen Auftraggeber stammt, denn nach dem funktionalen Auftraggeberbegriff des § 99 Nr. 2 GWB kann auch juristischen Personen die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber zukommen. Soweit für die Vergabekammer anhand öffentlich zugänglicher Quellen im Internet erkennbar, gibt es aber jedenfalls für eine der als Referenz benannten Stelle keine explizite Rechtsgrundlage, auf Grund derer sich das Vorliegen der Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB zweifelsfrei ableiten ließe. Die als Referenz benannte Stelle unterliegt keiner Fachaufsicht, und ist lediglich aus organisatorischen Gründen bei einem Ministerium angesiedelt. Ob die Stelle gleichwohl die Voraussetzungen des § 99 GWB erfüllt, hätte die Ag prüfen und dokumentieren müssen. Gleiches gilt für eine weitere Referenz, die nicht unmittelbar erkennbar einem öffentlichen Auftraggeber zuzuordnen ist. Diese Prüfungen hat die Ag unterlassen.

Ausweislich der Bekanntmachung durften die Referenzen max. 3 Jahre alt sein (maßgeblicher Zeitraum: letzte Leistungserbringung bis zum Ende der Angebotsfrist), und mussten einen Auftragswert von mind. 1 Mio. Euro aufgewiesen haben. Insbesondere bei Verträgen mit langer Laufzeit (10 Jahre und mehr) hätte seitens der Ag geprüft und dokumentiert werden müssen, worauf sich der von den Bietern angegebene Auftragswert bezieht, auf die gesamte Vertragslaufzeit, oder etwa auf den Zeitraum seit dem letzten Relaunch. Eine solche Prüfung hätte insbesondere bei einem anderen Zertifikat der Bg nahegelegen.

Dahingestellt bleiben kann hingegen, ob die von der ASt im Schriftsatz vom 15. Januar 2024 geäußerten Zweifel zutreffen, dass das von der Bg im Schriftsatz vom 21. Dezember 2023 erwähnte Projekt “2012ff., Suchtechnologie Anpassung für […]” die bekanntgemachten Anforderungen zu erfüllen geeignet war. Eine entsprechende Referenz hat die Bg tatsächlich nicht eingereicht.

Entgegen der Annahme der ASt ist die Feststellung der Ag, dass die Bg den Nachweis für das Vorliegen der erforderlichen Mindestanzahlen an Gesamtmitarbeitenden (60 Gesamtmitarbeitende) und der im einschlägigen Geschäftsbereich […] tätigenMitarbeitenden (30 Mitarbeitende) pro Jahr während der letzten drei Geschäftsjahre im Jahresdurchschnitt, nicht zu beanstanden. Die Bg hat die entsprechenden Nachweise beigebracht.

b) Die Angebotswertung auf der vierten Stufe weist ebenfalls Mängel auf.

Die Vergabekammer hat in ihrem rechtlichen Hinweis vom 3. Januar 2024 ausgeführt, dass schon fraglich sei, ob die vorliegende Dokumentation ausreichend sei, um den Anforderungen an die Dokumentation der Wertung bei “Schulnotenbewertung” zu entsprechen (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17). Der Begründung, warum ein Angebot im Sinne der vorgegebenen Notenstufen die Anforderungen des Auftraggebers z.B. voll erfüllt, so wie dies hier durch die Ag bei allen Angeboten vollumfänglich bejaht wurde, komme bei Schulnotenbewertung zwecks Vermeidung von Willkürentscheidungen generell eine besondere Bedeutung zu. Entscheidend aber sei, dass die Ag keinen Quervergleich der Angebote untereinander vorgenommen habe. Dies sei aber Sinn und Zweck der vierten Wertungsstufe, in der das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln ist. Die Ag habe sich bei Konzeption des Vergabeverfahrens entschieden, dass nicht nur der Preis Zuschlagskriterium sein solle, sondern qualitative Aspekte die Wirtschaftlichkeit der Angebote mitbestimmten. Dies erfordere aber, dass die Angebote miteinander verglichen werden. Die Bewertung habe auch im Quervergleich stimmig zu sein, was erfordere, sich mit der Prüfung zu beschäftigen, ob Angebote im Quervergleich bei einzelnen Wertungsvorgaben die Anforderungen des Auftraggebers besser oder schlechter als andere Angebote erfüllen. Die Ag habe ihren Beurteilungsspielraum bei der Wertung möglicherweise auf einer falschen Prämisse ausgeübt, denn sie spreche in diesem Zusammenhang den Aspekt der optimalen Marktöffnung an. Dieser Aspekt spiele hier jedoch keine Rolle. Unterbleibe indes ein Quervergleich bei der Angebotswertung und alle Angebote erhielten die maximale Punktzahl, so entstehe dadurch keine Marktöffnung, sondern der Effekt bestehe darin, dass die qualitativen Zuschlagskriterien im Endeffekt an Bedeutung verlören; faktisch zähle dann ausschließlich der Preis. Es sei aber nicht Sinn von qualitativen Wertungskriterien, diese nivellierend anzuwenden, denn der Auftraggeber hat ja gerade nicht nur den Preis als Kriterium für die Bemessung der Wirtschaftlichkeit vorgegeben.

Die Ag hat hiergegen mit Schriftsatz vom 15. Januar 2024 eingewandt, sich bewusst gegen einen Quervergleich der Angebote entschieden zu haben, sondern die Wertung alleine auf der Grundlage der von den Bietern bei den Kriterien B1 bis B5 jeweils erreichten Punktzahlen vorgenommen zu haben. Hierzu sei sie auch nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, a.a.O.) berechtigt gewesen. Mehrere B-Kriterien, wie z.B. die Kriterien B3, B4 und B5, ließen gar keine Wertung zu.

Ausgehend hiervon ist auf Basis der rechtlichen Anforderungen zur Dokumentationstiefe der materiellen Bewertungsentscheidung bei offenem Beurteilungsmaßstab (vgl. hierzu grundlegend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. März 2022 – Verg 24/22, sowie Beschluss vom 27. April 2022 – Verg 47/21) festzustellen:

aa) Kriterium B3 ([…])

Der Ag ist darin beizupflichten, dass das Kriterium B3 einen Quervergleich nicht zuließ.

Bei diesem Kriterium hing die zu erreichende Punktzahl lediglich davon ab, inwiefern der Bieter bestätigte, dass bis spätestens drei Monate nach Leistungsbeginn alle zum Einsatz kommenden Mitarbeitenden ein […] vorweisen könnten. 5 Punkte waren zu erlangen, wenn der Nachweis mit dem Angebot vorgelegt wurde; 3 bzw. 1 Punkt, wenn der Nachweis zum Leistungsbeginn oder später vorgelegt wurde. Einen Quervergleich oder einen Beurteilungsspielraum sieht dieses Kriterium nicht vor.

bb) Kriterien B4 und B5 (Software Architekt; Senior Developer)

Bei den Kriterien B4 und B5 verhielt es sich zwar im Ausgangspunkt ähnlich wie bei dem Kriterium B3.

So sah das Kriterium B4 vor, dass der Bieter ein Profil für die Rolle des Software-Architekten einreichen sollte, aus dem sich ergeben musste, inwiefern die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt waren. Den Ausführungen im “Erwartungshorizont”, die in mehrere Unterpunkte untergliedert sind, ist zu entnehmen:

“1 BP: Das eingereichte Profil hat zum Leistungsgegenstand vergleichbare erkennbare Projekterfahrungen aus mindestens einem Referenzprojekt aus der öffentlichen Verwaltung.

2 BP: Das eingereichte Profil hat zum Leistungsgegenstand vergleichbare erkennbare Projekterfahrungen aus zwei oder mehr agilen Projekten.

1 BP: Das eingereichte Profil hat Projekterfahrungen aus mindestens drei Referenzprojekten in der Konzeption und Umsetzung von skalierten Docker Umgebungen im Kontext von […] aus mindestens einem Projekt.

1 BP: Das eingereichte Profil hat Projekterfahrungen aus mindestens einem Referenzprojekt in der Rückführung von Quellcode in die […]”.

Das Kriterium B5 betrifft den Senior-Developer. Die Ausführungen zum Erwartungshorizont decken sich der Sache nach mit denjenigen zum Kriterium B4.

Im Unterschied zum Kriterium B3 wurden allerdings in den Ausführungen zum Erwartungshorizont bei den Kriterien B4 und B5 Begrifflichkeiten verwendet, die der Vergabestelle einen Beurteilungsspielraum einräumten, wie z.B. “vergleichbare erkennbare Projekterfahrungen”, “zwei oder mehr agile Projekte”, “[…]”.

Die Bewertungen der einzelnen Prüfer der Ag, die ausweislich von deren Vortrag auf den rechtlichen Hinweis der Vergabekammer handschriftlich vorlagen, haben in der Vergabedokumentation unstreitig keinen Niederschlag gefunden. Festgehalten wurde dort lediglich die erreichte Gesamtpunktzahl. Um die Wertungsentscheidung nachvollziehen und auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, wäre eine Dokumentation der Wertungsentscheidung erforderlich gewesen. Die eingehende Begründung für die Wertung hat die Ag auch nicht im Nachprüfungsverfahren nachgereicht, so dass es keiner Entscheidung bedarf, inwieweit ein Nachschieben von Gründen im Nachprüfungsverfahren zulässig ist. Ein Quervergleich, der sich bei Unterkriterien wie etwa “vergleichbare erkennbare Projekterfahrungen” oder “[…]” geradezu aufdrängen musste, unterblieb.

cc) Kriterium B1 (nicht-funktionale Anforderungen)

Die Gründe für die Wertung von Kriterium B1 sind nicht dokumentiert. Darüber hinaus fehlt ein Quervergleich.

Die Frage zum Kriterium B1 lautet:

“Welche nicht-funktionalen Anforderungen an ein […] sind speziell im Kontext von Bundesbehörden zu erwarten. Nennen Sie drei zentrale nicht-funktionale Anforderungen und skizzieren Sie jeweils, wie Sie in der Entwicklung deren Umsetzung sicherstellen würden.”

Zum Erwartungshorizont wird ausgeführt:

“Der Bieter nennt drei nicht-funktionale Anforderungen, die für Bundesbehörden große Priorität haben und skizziert logisch nachvollziehbar und sinnvoll strukturiert, wie er sie umsetzen würde. Die dargelegten Strategien sind geeignet (Passung) und effektiv (Wirkung) sowie effizient (Aufwand-Nutzen-Relation)”.

Die vorliegende Angebotswertung lässt nicht erkennen, ob die Ag sich mit der Zielerreichung der gestellten Anforderungen auseinandergesetzt hat. Die Ausführungen beschränken sich im Wesentlichen auf eine verbale Wiederholung der Darlegungen zum Empfängerhorizont. So fehlen etwa Ausführungen dazu, ob die genannten nicht-funktionalen Anforderungen gerade für Bundesbehörden eine große Priorität haben. Hierzu hätte es nahegelegen, dass die Ag sich bei der Konzeptbewertung mit der Frage befasst, ob nicht-funktionale Anforderungen, wie z.B. Barrierefreiheit, Datenschutz, IT-Sicherheit oder Wartbarkeit der Software, für Bundesbehörden dieselbe Priorität genießen, oder ob es insoweit Abstufungen hinsichtlich der Priorität geben könnte. Solche Überlegungen der Ag sind nicht dokumentiert. Nicht dokumentiert ist auch, ob die Ag die von den einzelnen Bietern angegebenen nicht-funktionalen Anforderungen zueinander in Beziehung gesetzt hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Bieter, der drei oder mehr hochprioritäre Anforderungen benannt hat, eine andere Bewertung verdient als ein Bieter, der drei geringer zu priorisierende Anforderungen benannt hat.

dd) Kriterium B2 (Tests)

Die Frage zum Kriterium B2 lautet:

“Erläutern Sie, welche Art von Tests im Hinblick auf die Funktion und nicht-funktionale Anforderungen bei der Entwicklung eines […] für die öffentliche Verwaltung durchzuführen sind. Benennen Sie die Stakeholder, die bei den Tests miteinzubeziehen sind.”

Den Ausführungen zum Erwartungshorizont ist zu entnehmen:

“Der Bieter liefert eine umfassende und logisch geordnete Aufzählung mit gut verständlicher Ausführung bzgl. Mehrwerte der anfallenden Tests und nennt jeweils die zentralen einzubeziehenden Stakeholder.”

Die Ausführungen in der Wertungsdokumentation beschränken sich auf eine Wiederholung des Erwartungshorizonts. Die Wertungsentscheidung ist somit nicht hinreichend dokumentiert. Auch hier hätte die Ag einen Quervergleich dazu anstellen können, ob die vorgeschlagenen Tests als geeignet erscheinen.

c) Soweit die ASt geltend macht, der Preis des Angebots sei aufklärungsbedürftig nach § 60 VgV, so hat die Ag in ihrer Stellungnahme auf den rechtlichen Hinweis der Vergabekammer überzeugend dargelegt, dass kein Anhaltspunkt für einen besonders niedrigen Preis vorliegt. Der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot liegt unter 15 %. Zwar liegt der Schwerpunkt der nachgefragten Leistung bei der Dienstleistung und damit bei den Personalkosten. Es liegen aber keine vereinheitlichenden Tarifverträge, erst recht keine allgemeinverbindlichen Tarifverträge vor, die ein Abweichen in einer relativ geringen Größenordnung als auffällig niedrig erscheinen lassen würden. Wie bereits im rechtlichen Hinweis ausgeführt, sind abweichende Preise Ausdruck von Wettbewerb. Der Schwellenwert für die Aufgreifschwelle zur Preisprüfung soll nicht zu niedrig angesetzt werden,

“weil dem Verdikt eines ungewöhnlich oder unangemessen niedrigen Preisangebots (früher war ausdrücklich sogar ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung gefordert) immer auch das Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsgrenze innewohnt” (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – Verg 8/17).

Nach alledem hat die Ag die Eignungsprüfung sowie die Angebotsbewertung auf der vierten Wertungsstufe zu wiederholen und angemessen zu dokumentieren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3 S. 1 und 2, Abs. 4 S. 1 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG. Zwar ist die ASt nicht erfolgreich, soweit sie eine Preisprüfung durch die Ag einfordert. Dennoch hat die ASt ihr Rechtsschutzziel voll erreicht, denn es wird wie beantragt eine Neuwertung angeordnet. Auf die Frage, ob eine Antragstellerin, hier die ASt, mit allen ihren Rügen durchgedrungen ist, oder ob nur eine einzelne Rüge zum Verbot der Zuschlagserteilung geführt hat, kommt es für die Frage des Obsiegens oder Unterliegens nicht an (so ausdrücklich OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. April 2022 – Verg 5/22).

Die Kosten des Verfahrens sind der Ag und der Bg gesamtschuldnerisch aufzuerlegen, da sie im Nachprüfungsverfahren unterliegen. Dabei ist hinsichtlich der Bg zu berücksichtigen, dass sie Sachanträge gestellt hat und sich schriftsätzlich zu den relevanten Fragen der Eignungsprüfung sowie der Angebotswertung eingelassen und sich dabei auf die Seite der Ag gestellt hat. Damit ist auch die Bg als in der Sache unterliegend anzusehen.

Da Ag und Bg im Nachprüfungsverfahren unterliegen, haben sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die ASt war notwendig, da das Nachprüfungsverfahren Rechtsfragen aufgeworfen hat, die ein durchschnittlicher Antragsteller ohne eigene Rechtsabteilung nicht sachgerecht beurteilen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 – X ZB 14/06 -). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Bieterunternehmen das Vergaberecht nicht vertieft beherrschen muss, da dieses sich in erster Linie an öffentliche Auftraggeber richtet.

IV.

(…)

Themen der Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate und sonstigen Gerichte 2024 im Schnelldurchlauf

Themen der Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate und sonstigen Gerichte 2024 im Schnelldurchlauf

vorgestellt von Thomas Ax

Ausschreibung der Leistung in Losen: Vorinformation an alle unterlegenen Bieter!

VK Lüneburg, Beschluss vom 28.04.2023 – VgK-9/2023

Abschluss eines Planervertrags = vorzeitiger Maßnahmenbeginn?

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.09.2023 – 4 A 2549/20

Auch Nachunternehmerpreise sind auf Verlangen aufzugliedern!

VK Bund, Beschluss vom 19.10.2023 – VK 2-78/23

Vorgabe einer bestimmten Bodendicke: Keine produktneutrale Ausschreibung!

VK Westfalen, Beschluss vom 27.10.2023 – VK 1-31/23

Keine Änderung der Vergabeunterlagen bei unklarer Leistungsbeschreibung!

VK Westfalen, Beschluss vom 15.08.2023 – VK 3-18/23

Dringlichkeit selbst verschuldet: Direktvergabe unzulässig!

VK Südbayern, Beschluss vom 26.06.2023 – 3194.Z3-3_01-23-9

Auftraggeber hat die Wahl unter verschiedenen Bewertungsmethoden!

VK Lüneburg, Beschluss vom 05.09.2023 – VgK-20/2023

Handwerkskammer ist kein öffentlicher Auftraggeber!

OLG Schleswig, Beschluss vom 24.11.2023 – 54 Verg 6/23

Verpachtung + Beschaffung = Öffentlicher Auftrag?

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 – 17 Verg 3/23

Anspruch auf Akteneinsicht zwecks Preisprüfung!

OLG Schleswig, Beschluss vom 27.11.2023 – 54 Verg 4/23

Kürzung der Zuwendung um 25% auch bei “kleinem” Vergaberechtsverstoß!

VG Halle, Beschluss vom 13.10.2023 – 3 A 256/21

Wann ist eine kaufmännisch vernünftige Angebotskalkulation unzumutbar?

BayObLG, Beschluss vom 06.12.2023 – Verg 7/23

“Medianmethode” ist vergaberechtswidrig!

VK Bund, Beschluss vom 06.11.2023 – VK 1-77/23

Aufgreifschwelle nicht erreicht: Keine Pflicht zur Preisaufklärung!

VK Bund, Beschluss vom 14.09.2023 – VK 1-61/23

Bieter darf korrektes Handeln erwarten!

OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.09.2023 – 11 Verg 2/23

Bewertungsnote muss plausibel vergeben werden!

VK Westfalen, Beschluss vom 19.07.2023 – VK 3-15/23

0 Punkte für den besten Preis: Umrechnungsformel vergaberechtswidrig!

VK Bund, Beschluss vom 25.09.2023 – VK 2-72/23

Kommunales Wohnungsbauunternehmen ist öffentlicher Auftraggeber

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2023 – 15 Verg 5/23

Vermischung von Eignungs- und Wertungskriterien ist zu rügen!

OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.12.2023 – 11 Verg 5/23

An seine eigenen Verfahrensvorgaben ist der Auftraggeber gebunden!

VK Bund, Beschluss vom 07.11.2023 – VK 2-80/23

An eine mitgeteilte Stillhaltefrist ist der Auftraggeber gebunden

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.05.2023 – VgK-8/2023

Auftraggeber muss das Fehlen von Wettbewerb beweisen

VK Südbayern, Beschluss vom 29.06.2023 – 3194.Z3-3_01-23-3

Was tun bei Fehlern in den Vergabeunterlagen?

VK Lüneburg, Beschluss vom 28.09.2023 – VgK-26/2023

Bau- oder Dienstleistungsauftrag?

OLG Schleswig, Beschluss vom 05.12.2023 – 54 Verg 8/23

Zweifel an Eignung von präqualifiziertem Bieter: Kein Ausschluss ohne vollständige Aufklärung

VK Rheinland, Beschluss vom 29.11.2023 – VK 30/23

Ausschluss der Nachforderung fehlender Erklärungen muss eindeutig erklärt werden

OLG Rostock, Beschluss vom 01.02.2023 – 17 Verg 3/22

Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Beihilfe nur bei ungewöhnlich niedrigem Angebot

VK Bund, Beschluss vom 04.04.2023 – VK 2-18/23

Vergabe eines Sondernutzungsrechts ist kein öffentlicher Auftrag

VG Bremen, Urteil vom 24.05.2023 – 5 V 829/23

Kürzung der Zuwendung um 25% auch bei “kleinem” Vergaberechtsverstoß!

VG Halle, Beschluss vom 13.10.2023 – 3 A 256/21

Auftraggeber darf Zertifizierung vertrauen

VK Niedersachsen, Beschluss vom 01.03.2023 – VgK-3/2023

Vorsicht mit Preisumrechnungsformeln

VK Bund, Beschluss vom 25.09.2023 – VK 2-72/23

Bieter darf korrektes Handeln erwarten

OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.09.2023 – 11 Verg 2/23

Angreifschwelle nicht erreicht: Keine Pflicht zur Aufklärung

VK Bund, Beschluss vom 14.09.2023 – VK 1-61/23

Verpachtung + Beschaffung = Öffentlicher Auftrag?

OLG Rostock, Beschluss vom 21.11.2023 – 17 Verg 3/23

Handwerkskammer ist kein öffentlicher Auftraggeber!

OLG Schleswig, Beschluss vom 24.11.2023 – 54 Verg 6/23

Akteneinsicht zur Preisprüfung

OLG Schleswig, Beschluss vom 27.11.2023 – 54 Verg 4/23

Wann ist eine kaufmännisch vernünftige Angebotskalkulation unzumutbar?

BayObLG, Beschluss vom 06.12.2023 – Verg 7/23

Auftraggeber muss das Fehlen von Wettbewerb beweisen

VK Südbayern, Beschluss vom 29.06.2023 – 3194.Z3-3_01-23-3

Fehler in Vergabeunterlagen – was tun?

VK Lüneburg, Beschluss vom 28.09.2023 – VgK-26/2023

Auskömmlichkeitsprüfung bei Dienstleistungskonzession nur bei ausdrücklicher Regelung

VK Südbayern, Beschluss vom 19.10.2023 – 3194.Z3-3_01-23-20

Im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb bleibt der Preis geheim

VK Niedersachsen, Beschluss vom 22.08.2023 – VgK-22/2023

Wann erfüllt ein Angebot die geforderte Textform?

VK Westfalen, Beschluss vom 07.08.2023 – VK 1-22/23

Bau- oder Dienstleistungsauftrag?

OLG Schleswig, Beschluss vom 05.12.2023 – 54 Verg 8/23

Wann darf der Auftraggeber “produktscharf” ausschreiben?

VK Niedersachsen, Beschluss vom 18.08.2023 – VgK-23/2023

Ausschluss der Nachforderung fehlender Erklärungen muss eindeutig erklärt werden

OLG Rostock, Beschluss vom 01.02.2023 – 17 Verg 3/22

Kostenschätzung ist zu dokumentieren

VK Niedersachsen, Beschluss vom 21.07.2023 – VgK-16/2023

Zweifel an der Eignung: Kein Ausschluss ohne vollständige Aufklärung!

VK Rheinland, Beschluss vom 29.11.2023 – VK 30/23

Abfrage von Referenzen mit Angaben zum Leistungsort!

OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2023 – 11 Verg 4/23

Der Auftraggeber ist an seine eigenen Verfahrensvorgaben gebunden!

VK Bund, Beschluss vom 07.11.2023 – VK 2-80/23

Kommunales Wohnungsbauunternehmen ist öffentlicher Auftraggeber

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2023 – 15 Verg 5/23

Rügepflicht: Auf den durchschnittlichen Bieter kommt es an

OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.12.2023 – 11 Verg 5/23

Widerruf von Fördermitteln: Objektiver Vergaberechtsverstoß kann ausreichen!

VG Gießen, Beschluss vom 11.12.2023 – 4 K 1641/22

Beteiligung eines Nachunternehmers an mehreren Angeboten ist kein Ausschlussgrund

VK Bund, Beschluss vom 10.11.2023 – VK 1-63/23

Auf den Zugang der Vorabinformation kommt es nicht an

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 21.03.2023 – 3 VK 12/22

Weichenstellungen für den Fernwärmemarkt

BGH, Urteil vom 05.12.2023 – KZR 101/20

Preisaufklärung geht auch ohne Bieterbefragung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.10.2022 – Verg 18/22

Angebot mit Vorbehalt hat keine Chance auf den Zuschlag!

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20.03.2023 – 1 VK 3/22 (gegenstandslos)

Mehrfache Nachunternehmerbeteiligung ist unbedenklich!

VK Bund, Beschluss vom 10.11.2023 – VK 1-63/23

Spruchpraxis der Vergabekammern und Vergabesenate und sonstigen Gerichte kurz belichtet

Spruchpraxis der Vergabekammern und Vergabesenate und sonstigen Gerichte kurz belichtet

vorgestellt von Thomas Ax

Bereits die verbindliche Bestellung ist förderschädlich

1. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig, im Einklang mit dem öffentlichen Haushaltsrecht, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt.

2. Ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn bedarf der staatlichen Zustimmung, damit der Staat auf die Ausgestaltung des Vorhabens noch Einfluss nehmen und das Erreichen des staatlicherseits erwünschten Zwecks sicherstellen kann. Bei einem Maßnahmenbeginn vor der Prüfung der Maßnahme ist ein solcher Einfluss nicht mehr möglich.

3. Ein vorzeitiger förderschädlicher Maßnahmenbeginn ist nicht nur und erst der Abschluss eines entsprechenden Vertrags über eine förderfähige Maßnahme (i.d.R. ein Kauf- oder Werkvertrag mit einer Liefer- oder Baufirma), sondern auch ein bindendes Angebot des Fördermittelempfängers. Nur wenn ausnahmsweise das Vertragsangebot nicht bindend ist, ist dies förderunschädlich.

VG Augsburg, Urteil vom 24.10.2023 – 8 K 22.2258

Preisaufklärung geht auch ohne Bieterbefragung

1. Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der öffentliche Auftraggeber zur Auswertung der Angebote externer sachverständiger Hilfe bedient. Das gilt jedenfalls dann, wenn die technische Übereinstimmung der Angebote mit dem der Ausschreibung zu Grunde gelegten Leistungsverzeichnis neben einem erheblichen Arbeitsaufwand auch fachliches Spezialwissen erfordert, über das die Mitarbeiter behördlicher Vergabestellen nicht immer verfügen.

2. Der öffentliche Auftraggeber muss den sachverständigen Vorschlag aber überprüfen und die Vergabeentscheidung in eigener Verantwortung treffen. Dies kann auch dadurch erfolgen, dass er sich die vorgeschlagene sachverständige Wertung zu eigen macht.

3. Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung. Die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, in eine Preisprüfung einzutreten, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten aber auch aus Erfahrungswerten, insbesondere aus Erkenntnissen aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen oder aus einem Vergleich mit der eigenen Auftragswertschätzung des Auftraggebers ergeben.

1. Der öffentliche Auftraggeber hat dem betreffenden Bieter grundsätzlich die Möglichkeit zu geben, den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zu entkräften oder beachtliche Gründe aufzuzeigen, dass sein Angebot annahmefähig ist. Dafür hat er an den Bieter eine eindeutig formulierte Anforderung zu richten, mit der er Erläuterungen zu den angebotenen Preisen verlangt und Gelegenheit gibt, die “Seriosität” des Angebots nachzuweisen.

2. Sofern der öffentliche Auftraggeber aufgrund anderweitiger gesicherter Erkenntnisse zu der beanstandungsfreien Feststellung gelangt, das Angebot eines Bieters sei nicht ungewöhnlich oder unangemessen niedrig, darf er auf eine Aufklärung durch den betroffenen Bieter verzichten.

3. Der Anspruch auf Akteneinsicht hat im Vergabenachprüfungsverfahren eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion. Das Akteneinsichtsrecht besteht nur in dem Umfang, wie es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des Antragstellers erforderlich ist.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.10.2022 – Verg 18/22