Ax Vergaberecht

OLG Köln zu der Frage, dass Verträge mit Architekten, Bauingenieuren, Statikern u.s.w. zwar in der Regel Werkverträge sind, Abweichendes aber dann gilt, wenn die Aufgabe des Architekten oder der anderen Baufachleute sich auf eine bauleitende, überwachende oder beratende Tätigkeit beschränkt und nicht die Bauführung umfasst

OLG Köln zu der Frage, dass Verträge mit Architekten, Bauingenieuren, Statikern u.s.w. zwar in der Regel Werkverträge sind, Abweichendes aber dann gilt, wenn die Aufgabe des Architekten oder der anderen Baufachleute sich auf eine bauleitende, überwachende oder beratende Tätigkeit beschränkt und nicht die Bauführung umfasst

vorgestellt von Thomas Ax

1. Verträge mit Architekten, Bauingenieuren, Statikern u.s.w. sind zwar in der Regel Werkverträge. Abweichendes gilt dann, wenn die Aufgabe des Architekten oder der anderen Baufachleute sich auf eine bauleitende, überwachende oder beratende Tätigkeit beschränkt und nicht die Bauführung umfasst.
2. Auch der Vertrag mit einem Sachverständigen über die Erstattung eines Gutachtens ist als Werkvertrag zu qualifizieren, da der Gutachter ein geistiges Werk schuldet. Wird der Sachverständige aber über längere Zeit hinweg beratend oder überwachend tätig, liegt ein Dienstvertrag vor.
3. Ein Auftrag über die Dokumentation des Zustands eines Weges hat mit Blick auf den geschuldeten Erfolg werkvertraglichen Charakter. Umfasst der überwiegende Teil der beauftragten und erbrachten Leistungen indes die Beratung des Auftraggebers im Hinblick auf Ursachen und erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung von Schäden am Weg, ist im Schwerpunkt kein bestimmter Erfolg oder ein konkretes geistiges Werk geschuldet, sondern eine laufende (beratende) Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers.
4. Dem Dienstherrn stehen grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche zu. Insbesondere ist auch eine Minderleistung nicht als “nicht vertragsgemäße” Leistung zu sehen, die den Dienstherrn berechtigen würde, die Vergütung nicht zu zahlen.
5. Der Dienstverpflichtete hat keinen Anspruch auf Vergütung, wenn die erbrachten Dienste infolge einer von ihm zu vertretenden Schlechtleistung für den Dienstherrn ohne Interesse (i.S.v. völlig unbrauchbar) sind. Dann steht dem Dienstherrn ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet ist.
OLG Köln, Beschluss vom 14.02.2023 – 8 U 193/22
vorhergehend:
LG Aachen, 20.10.2022 – 12 O 169/22
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 06.12.2023 – VII ZR 61/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
OLG Köln, Beschluss vom 20.03.2023 – 18 U 193/22 (Zurückweisungsbeschluss)


Gründe:

I.

Die Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg, weil sie offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) und die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. Die hiergegen erhobenen Einwände der Berufung rechtfertigen keine andere, für den Beklagten günstigere Beurteilung. Im Einzelnen:

1. Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen sein, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis im Schwerpunkt als Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Verträge mit Architekten, Bauingenieuren, Statikern u.s.w. sind zwar in der Regel Werkverträge; abweichendes gilt dann, wenn die Aufgabe des Architekten oder der anderen Baufachleute sich auf eine bauleitende, überwachende oder beratende Tätigkeit beschränkt und nicht die Bauführung umfasst (BGH NJW 1982, 438; insgesamt MüKoBGB/Spinner, 9. Aufl. 2023, § 611 Rn. 28). Auch der Vertrag mit einem Sachverständigen über die Erstattung eines Gutachtens ist als Werkvertrag zu qualifizieren (BGH NJW 1995, 392; 2006, 2472), da der Gutachter ein geistiges Werk schuldet. Wird der Sachverständige aber über längere Zeit hinweg beratend oder überwachend tätig, liegt ein Dienstvertrag vor (vgl. MüKoBGB/Spinner, 9. Aufl. 2023, § 611 Rn. 35).

Zwar hat die vom Beklagten beauftragte Dokumentation des Zustands des Weges mit Blick auf den geschuldeten Erfolg werkvertraglichen Charakter. Indes umfasste der überwiegende Teil der beauftragten und erbrachten Leistungen die Beratung des Beklagten im Hinblick auf Ursachen und erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden am Weg. Insbesondere aus den vorgelegten Rechnungen, Tätigkeitsauflistungen und Unterlagen ergibt sich eine langfristige beratende Tätigkeit. Der Beklagte hat den Kläger für eine Vielzahl von Fragen und Aufgaben im Zusammenhang mit den Straßenschäden in Anspruch genommen (vgl. Bl. 22, 84 ff., 102 ff., 117 f., 216 ff., insbes. Bl. 224 ff. eA LG). Es war daher im Schwerpunkt kein bestimmter Erfolg oder ein konkretes geistiges Werk geschuldet, sondern eine laufende (beratende) Tätigkeit im Interesse des Beklagten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der (streitigen) Behauptung des Beklagten, der Kläger sei auch mit der Prüfung der vorgelegten Statiken beauftragt gewesen. Einen solchen Auftrag unterstellt, beschränkte sich die Tätigkeit des Klägers auch insoweit auf eine Beratung des Beklagten zur Frage, was sich hieraus für die örtliche Situation ergibt, und umfasste keinen Erfolg im Sinne der Erstellung einer “Vergleichs”-Statik bzw. vollständigen Nachberechnung.

2. Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte den Vertrag nicht wirksam angefochten hat. Eine allenfalls in Betracht kommende arglistige Täuschung nach § 123 BGB liegt bereits deswegen nicht vor, weil sich etwaige Täuschungshandlungen nicht auf den Abschluss des Vertrages zwischen den Parteien gerichtet haben. Auch wenn der Beklagte ausführt, das Verhalten des Klägers sei “von Anfang an darauf ausgelegt” gewesen, den Beklagten zu täuschen, trägt er keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass es der Kläger mit Blick auf eine beabsichtigte spätere Irreführung bereits vor Vertragsschluss darauf angelegt hätte, den Beklagte zu seiner Beauftragung zu bewegen. Anfechtungstatbestände nach § 119 BGB sind ebenfalls nicht ersichtlich.

3. Der demnach bestehende Vergütungsanspruch des Klägers ist nicht wegen einer vom Beklagten behaupteten Nicht- oder Schlechtleistung gemindert oder durch Aufrechnung erloschen. Aus dem gleichen Grund ist auch der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Vergütung nicht gegeben.

a) Dem Dienstherrn stehen nach den gesetzlichen Bestimmungen des Dienstvertragsrechts grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche zu. Insbesondere ist auch eine Minderleistung nicht als “nicht vertragsgemäße” Leistung zu sehen, die den Dienstherrn nach § 614 BGB berechtigen würde, die Vergütung nicht zu zahlen; ebenso ist ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB nicht gegeben (vgl. insgesamt OLG Frankfurt a. M. MDR 1992, 347; OLG Köln MedR 1994, 199; BeckOK BGB/Baumgärtner, 64. Ed. 1.11.2022, § 611 Rn. 54). Die Rechtsprechung versagt aber dann einen Anspruch auf Vergütung, wenn die erbrachten Dienste infolge einer vom Dienstverpflichteten zu vertretenden Schlechtleistung für den Dienstberechtigten ohne Interesse (i.S.v. völlig unbrauchbar) sind. Dann wird ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB angenommen, der gem. § 249 Abs. 1 BGB (Naturalrestitution) auf Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet ist (OLG Köln MedR 1994, 198; OLG München OLGR 1998, 247).

Eine völlige Unbrauchbarkeit im vorgenannten Sinne ist im Streitfall nicht gegeben. Auch wenn der Beklagte meint, zwingende Hinweise auf eine Korrumpierung des Klägers zu sehen, sind hierfür tatsächliche Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich vielmehr, dass sich der Kläger mit den Fragen und Aufgaben befasst hat, die ihm der Beklagte aufgetragen hat. Insbesondere sind seine Dokumentationen und Erkenntnisse im einstweiligen Verfügungsverfahren LG Aachen 11 O 348/17 zugunsten des Beklagten verwertet worden. So ist auf dessen Antrag unter dem 22.09.2017 eine einstweilige Verfügung gegen die Bauherrin des Nachbargrundstücks erlassen worden mit dem Inhalt, dass dieser untersagt wurde, ihr Grundstück so zu bebauen und zu vertiefen, dass die Straße des (hiesigen) Beklagten beschädigt wird, sowie für eine genügende Befestigung zu sorgen (Bl. 56 ff. Beiakte 11 O 348/17). Diese einstweilige Verfügung wurde u.a. auch nach Anhörung des Klägers durch Urteil bestätigt. Dabei kam es nicht entscheidend darauf an, in welchem Umfang die Straße vor den Bauarbeiten belastbar war, und dass die Trägerbohlwand ausweislich des vorgelegten Prüfberichts des Prof. Dr. ### für einen Lastfall von 12 t ausgelegt ist. Denn nach den Urteilsgründen sei ihr jedenfalls die erforderliche Stütze genommen worden, weshalb Risse und Absackungen – wie vom Kläger dokumentiert – entstanden sind. Dass sich etwaige Falschangaben des Klägers für den Beklagten nachteilig ausgewirkt hätten, ist daher schon nicht ersichtlich. Zudem ergeben sich aus der Aktenlage keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegen die Interessen des Beklagten gearbeitet hätte.

b) Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass dem Beklagten ein sonstiger Schadensersatzanspruch zustehen könnte, der dem klägerischen Anspruch im Wege der Aufrechnung oder der Widerklage entgegen gehalten werden könnte. Mit Blick auf die Ausführungen zu lit. a) lässt sich insbesondere keine Treuepflichtverletzung gemäß § 241 Abs. 2 BGB feststellen. Zudem fehlt es seitens des Beklagten an Darlegungen dazu, welcher konkrete Schaden ihm hinsichtlich einer etwaigen Pflichtverletzung des Klägers entstanden sein soll. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger in Anbetracht der vorgelegten Unterlagen – insbesondere des Prüfberichts des SV-Büros ### – überhaupt eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, ist schon nicht ersichtlich, welche konkreten Vermögensnachteile dem Beklagten daraus erwachsen sein sollen. Das einstweilige Verfügungsverfahren ging in erster Instanz zu seinen Gunsten aus und die Trägerbohlwand wurde verstärkt. Dass es infolge einer Pflichtverletzung des Klägers zu einer Vergrößerung des schon vorhandenen Schadens gekommen wäre, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

c) Soweit der Beklagte im Wege der Widerklage eine Schadensersatzpflicht des Klägers feststellen lassen will, fehlt es schließlich – wie bereits das Landgericht zutreffend ausführt – an einem Feststellungsinteresse. Welche Schäden infolge einer Pflichtverletzung noch eintreten oder derzeit noch nicht beziffert werden können, ist nicht dargetan.

II.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

III.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 23.224,85 EUR festzusetzen.

BGH zu der Frage, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben

BGH zu der Frage, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Sachvortrag ist schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden.
2. Ein Gericht verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben.
3. Der – unter Beweis gestellte – Vortrag, der bauüberwachende Architekt habe durch konkrete fehlerhafte Anweisungen an den ausführenden Unternehmer einen Mangel (hier: der Lüftungsanlage) mitverursacht, ist hinreichend substantiiert.
BGH, Beschluss vom 24.04.2024 – VII ZR 871/21
vorhergehend:
OLG München, 25.10.2021 – 28 U 3889/21 Bau
LG München I, 21.05.2021 – 24 O 9550/20

Gründe:

I.

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Architekten im Wege der Teilklage Schadensersatz in Höhe von 500.000 Euro.

2

Die Klägerin beauftragte den Beklagten im Jahr 2012 mit der Erbringung von Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 3 und 5 bis 8 gemäß § 34 HOAI (2009) in Bezug auf den Umbau ihres Wohn- und Geschäftshauses. Sie stützt ihr Schadensersatzverlangen in erster Linie auf eine Baukostenüberschreitung, hilfsweise auf erhöhte Finanzierungskosten und weiter hilfsweise auf im Rahmen der Beseitigung von Mängeln einer Lüftungsanlage entstandene Kosten in Höhe von 11.739,35 Euro.

3

Das Landgericht hat die Klage aufgrund fehlender Bestimmtheit des Klageantrags als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin nach Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, wobei es die Klage nach erfolgter Klarstellung des Klagebegehrens durch ziffernmäßige Aufteilung beziehungsweise durch Erklärung eines Anspruchs zum Haupt- und der übrigen Ansprüche zu Hilfsansprüchen zwar für zulässig, aber für unbegründet erachtet hat. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

II.

4

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat im tenorierten Umfang Erfolg und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

5

1. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Mängeln der Lüftungsanlage ausgeführt:

6

Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, warum die behaupteten Mängel der Lüftungsanlage (in vollem Umfang) vom Beklagten zu vertreten seien. Es werde lediglich vorgetragen, der Beklagte habe persönlich den Handwerkern die Anweisung erteilt, die Lüftungsanlage in einer den Regeln der Technik widersprechenden Art und Weise einzubauen. Gleichzeitig habe die Klägerin bereits erstinstanzlich ausgeführt, dass die Planung der Lüftungsanlage nicht vom Beklagten ausgeführt und der Innenausbau gänzlich von einem Dritten betreut worden sei. Außerdem laste die Klägerin dem Beklagten an, Luftauslässe von Klimageräten falsch behandelt zu haben, während weiter vorgetragen werde, das Gewerk Klima- und Kältetechnik werde dem Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht. Bei dieser Sachlage sei nicht hinreichend substantiiert dargetan, inwieweit der geltend gemachte Schaden tatsächlich kausal dem Beklagten anzulasten sei. Es erschließe sich schon nicht, inwieweit der Beklagte in Bezug auf die Lüftungsanlage weisungsbefugt gewesen sei. Ferner sei unklar, ob ihm eine Fehlplanung, eine fehlerhafte Überwachung oder eine fehlerhafte Anweisung im Rahmen des Innenausbaus, die nach unbestrittenem Vortrag des Beklagten im Einvernehmen und nach den Wünschen der Klägerin erfolgt sei, angelastet werde.

7

2. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

8

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZR 23/14 Rn. 10, ZfBR 2017, 146; Beschluss vom 20. Mai 2015 – VII ZR 78/13 Rn. 7, BauR 2015, 1528; Beschluss vom 22. August 2012 – VII ZR 2/11 Rn. 14, BauR 2012, 1822). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 26. Februar 2020 – VII ZR 166/19 Rn. 14, BauR 2020, 1035 = NZBau 2020, 293; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom 6. Februar 2014 – VII ZR 160/12 Rn. 12, NZBau 2014, 221).

9

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag schlüssig, wenn der Anspruchsteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 14, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZR 314/13 Rn. 22, BauR 2017, 306; Beschluss vom 6. Februar 2014 – VII ZR 160/12 Rn. 12, NZBau 2014, 221).

10

b) Nach diesen Maßstäben beanstandet die Beschwerde zu Recht einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und eine hinreichende Darlegung des Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten wegen eines Mangels der Lüftungsanlage verneint hat.

11

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht ergebe, welches haftungsbegründende Verhalten dem Beklagten zur Last gelegt werde, sind unzutreffend. Die Klägerin hat vielmehr, worauf sie in ihrer von der Beschwerde in Bezug genommenen Stellungnahme vom 18. Oktober 2021 hingewiesen hat, bereits in der Klageschrift behauptet, dass der von ihr mit Architektenleistungen beauftragte Beklagte in Bezug auf den Einbau der Lüftungsanlage fehlerhafte Anweisungen an den ausführenden Unternehmer erteilt habe. Konkret habe der Beklagte die Anweisungen erteilt, keine Ventile zu verbauen und die Lüftungsschläuche (teilweise) nicht an die Luftauslässe anzuschließen. Dies sei regelwidrig und habe dazu geführt, dass die Lüftungsanlage in einem Teil der Räume so gut wie wirkungslos gewesen sei. Zur Herstellung der Funktionsfähigkeit der Lüftungsanlage seien Kosten in Höhe von 11.739,35 Euro angefallen. Für die Anweisungen seitens des Beklagten hat die Klägerin Beweis durch Vernehmung der Zeugen ###, ### und angeboten. Die Regelwidrigkeit der nach diesen Anweisungen hergestellten Lüftungsanlage wurde durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt.

12

Nachdem das Berufungsgericht darauf hingewiesen hat, dass – im Hinblick auf weiteren Vortrag der Klägerin – nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei, dass der Mangel der Lüftungsanlage (auch) von dem Beklagten zu vertreten sei, hat die Klägerin, wie die Beschwerde zu Recht rügt, in der hierauf erfolgten Stellungnahme vom 18. Oktober 2021 erneut geltend gemacht, dass der Schadensersatzanspruch auf die vorgenannten fehlerhaften Anweisungen des Beklagten gestützt werde. Weiter hat sie auf erläuternden schriftsätzlichen Vortrag verwiesen, wonach der Vertrag mit dem zunächst beauftragten Fachplaner auf Drängen des Beklagten gekündigt worden sei und der Beklagte während der Bauausführung sodann selbst die behaupteten fehlerhaften Anweisungen betreffend den Einbau der Lüftungsanlage erteilt habe. Auch wird erläutert, dass der Umstand, dass die Klägerin dem Beklagten Mängel der Kälte- und Klimatechnik nicht angelastet habe, nicht die Lüftungsanlage, die ein hiervon getrenntes System darstelle, betreffe.

13

Mit diesem Vortrag hat die Klägerin hinreichend substantiiert behauptet und unter Beweis gestellt, dass der Beklagte durch konkrete fehlerhafte Anweisungen an den ausführenden Unternehmer einen Mangel der Lüftungsanlage (mit)verursacht habe. Sie hat ferner auf den Hinweis des Berufungsgerichts erläutert, warum der Beklagte anstelle des Fachplaners die behaupteten Anweisungen zum Einbau der Lüftungsanlage erteilt habe. Auch wenn der Beklagte insoweit seine Befugnisse überschritten haben sollte, führt dies – anders als das Berufungsgericht möglicherweise meint – nicht dazu, dass er für eine fehlerhafte Anweisung, die zu einem Mangel der Lüftungsanlage geführt hat, nicht gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB haftet. Soweit das Berufungsgericht weiter ausführt, dass die Anweisung unstreitig im Einvernehmen mit der Klägerin erfolgt sei, hat dies ebenfalls weder die fehlende Substantiierung noch die Unschlüssigkeit des Klägervortrags zur Folge. Denn Feststellungen dazu, dass die Klägerin in Kenntnis des hierdurch verursachten Mangels der Lüftungsanlage mit den behaupteten Anweisungen des Beklagten zum Einbau einverstanden gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

14

c) Der angefochtene Beschluss beruht im Umfang der Aufhebung auf diesen Gehörsverstößen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die Darlegung für ausreichend substantiiert erachtet und – wie erforderlich – die angebotenen Beweise erhoben hätte.

III.

15

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen unbegründet. Sie zeigt insoweit nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz ZPO abgesehen.

LG Berlin zu der Frage der Unwirksamkeit der Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, wonach sich die Frist für die Fälligkeit des Anspruchs auf Schlusszahlung auf bis zu 60 Tage verlängert, wenn dies vereinbart wurde und aufgrund der besonderen Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist, wenn keine die Fristverlängerung rechtfertigenden Umstände (z.B. die besondere Komplexität des Bauvorhabens) vorliegen

LG Berlin zu der Frage der Unwirksamkeit der Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, wonach sich die Frist für die Fälligkeit des Anspruchs auf Schlusszahlung auf bis zu 60 Tage verlängert, wenn dies vereinbart wurde und aufgrund der besonderen Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist, wenn keine die Fristverlängerung rechtfertigenden Umstände (z.B. die besondere Komplexität des Bauvorhabens) vorliegen

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, wonach sich die Frist für die Fälligkeit des Anspruchs auf Schlusszahlung auf bis zu 60 Tage verlängert, wenn dies vereinbart wurde und aufgrund der besonderen Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist, ist unwirksam, wenn keine die Fristverlängerung rechtfertigenden Umstände (z.B. die besondere Komplexität des Bauvorhabens) vorliegen.
2. Stellt der Auftragnehmer seine Leistung aufgrund eines Zahlungsverzugs des Auftraggebers berechtigter Weise ein, kann er die Stillstandskosten, die ihm dadurch entstehen, dass er seine Mitarbeiter nicht produktiv einsetzen kann, auf der Grundlage seiner Stundenverrechnungsätze abzüglich des kalkulierten Gewinns berechnen.
3. Macht der Auftragnehmer eine Entschädigung nach § 642 BGB geltend, ist die Vorlage einer bauablaufbezogenen Darstellung des Stillstands nur dann erforderlich, wenn die Behinderung auf andere Weise nicht nachvollzogen werden kann.
4. Sofern die Parteien keine abweichende Vereinbarungen getroffen haben, obliegt es dem Auftraggeber nicht, ungünstige Witterungseinflüsse (hier: zu niedrige Umgebungstemperaturen) durch die Beheizung des Objekts abzuwehren (Anschluss an BGH, IBR 2017, 302).
LG Berlin, Urteil vom 07.09.2023 – 12 O 225/20

Tatbestand

Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung gemäß VOB/A 2016 erhielt die Klägerin auf Ihr Angebot vom 20.4.2017 den Zuschlag der Beklagten gemäß Schreiben vom 7.7.2017. Das Angebot, das auf der Grundlage von Einheitspreisen erstellt war, schloss mit einer Angebotssumme von brutto 475.310,20 Euro. Die Klägerin bot einen Preisnachlass auf die Abrechnungssumme von 3,79 % an. Es galt VOB/B in der Fassung des Jahres 2016. Wegen der Einzelheiten wird auf das Leistungsverzeichnis (K1), auf die besonderen Vertragsbedingungen (K2) auf die zusätzlichen Vertragsbedingungen (K3) und auf ein Letter of Intent (K4) verwiesen.

Ein weiteres Letter auf Intent vom 12.4.2018 enthielt unter anderem die Vereinbarung der Parteien betreffend verbindliche Zwischentermine und ergänzende Vereinbarungen zur Vergütung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf K4 Bezug genommen.

Im Zeitraum zwischen 7.8.2017 und 6.10.2018 erteilte die Beklagte auf der Grundlage von insgesamt neun Nachtragsangebote der Klägerin neun Nachaufträge. Wegen der Einzelheiten der Nachtragsangebote wird auf Anlagen K 83 bis K 92 Bezug genommen.

Die Beklagte nahm die Leistungen der Klägerin am 18.1.2019 ab. Wegen der Einzelheiten des Abnahmeprotokolls wird auf Anlage K5 Bezug genommen.

Mit Datum vom 13.8.2019 legte die Klägerin eine Schlussrechnung, die sie am selben Tag an die Beklagte übergab. Die Schlussrechnung schloss mit einem Bruttorechnungsbetrag von 1.217.073,52 Euro einschließlich Nachlass, nach Abzug der geleisteten Abschlagszahlungen bezifferte die Klägerin ihre Forderung auf 388.928,11 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage K6 Bezug genommen.

Die Beklagte prüfte die Schlussrechnung auf einen Bruttobetrag von 1.161.213,50 Euro und zahlte weitere 152.390,76 Euro an die Klägerin aus.

Die Klägerin trägt vor: Hier stehe ein weiterer Vergütungsanspruch von 151.316,00 Euro brutto zu. Die Kürzungen der Beklagten seien zum überwiegenden Teil nicht gerechtfertigt. Die von ihr ermittelten Mengen und Massen seien zutreffend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift, dort Seiten 9-25 verwiesen. Der Ansatz für Stundenlohnarbeiten wegen Stillstandskosten (Position 4.1.0.40) sei zutreffend. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlagen K 38 bis K 42 verwiesen. Die 2-K-Personenschleuse sei über die Positionen “Herstellen” gemäß N1.14 mit 47,00 Stück zu vergüten, weil die Schleusen infolge der Umstände auf der Baustelle nach dem Abbau am ursprünglichen Standort, dort komplett hätten abgebaut und an andere Stelle neu aufgebaut werden müssen. Die Nachtragsleistungen habe sie mit den Nachtragsangeboten Nr. 1 bis Nr. 9 in der Zeit zwischen dem 7.8.2017 und dem 6.10.2018 angeboten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 28.2.2022 (II, Blatt 16-18) sowie auf die Anlagen K 83 bis K 92 Bezug genommen. Die Beklagte habe die Leistungen des Nachtrags 09.01 auf Grundlage des von ihr bereits gestellten LV angeboten und im Anschluss gegenüber der Klägerin freigegeben. Im Übrigen habe die Beklagte die Nachtragsleistungen in Auftrag gegeben.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Beklagte zu verurteilen, an 151.316,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten seit dem 14.10.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 9179,26 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 18.7.2020 zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2802,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die der Klägerin nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss verstorbenen Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs ihres Kostenfestsetzungsantrages bei Gericht zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet: Die in ihrem Auftrag durch ### vorgenommenen Schlussrechnungsprüfungen seien zutreffend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Klageerwiderung, dort Seiten 9-21 sie auf Anlagen K 8, B 10 und B 11 verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen ### sowie des von der Beklagten benannten Zeugen ###. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls vom 14.7.2022 II, Blatt 81-88 d.A. verwiesen. Ferner hat sie Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen ### sowie der von der Beklagten benannten Zeugen ###. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Protokolls vom 23.2.2023, dort Seiten 2-11 Bezug genommen. Auch die Vernehmung der Zeugen ### hat die Beklagte verzichtet. Schließlich hat die Kammer Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen ###. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 17.8.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum Teil auch in der Sache begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 76.581,22 Euro aus § 631 BGB in Verbindung mit dem Bauvertrag zu.

1. Mengen und Massen

Der Klägerin waren nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme diejenigen Positionen zuzusprechen, die von der Bauleitung ### positiv geprüft worden sind. Die Zeugen ### haben glaubhaft erklärt, dass etwaige Differenzen bei der Bewertung der Mengen und Massen einverständlich aufgeklärt und geregelt worden sind. Nach dem glaubhaften Bericht des Bauleiters der Klägerin, ###, sind auf entsprechende Klärungen Beanstandungen der Beklagten dann durchaus auch fallengelassen worden.

Dementsprechend war für die Kammer maßgeblich, was letztlich im Rahmen der Prüfungen durch die am Bau Beteiligten festgestellt worden ist. Verständlicherweise hatten die Zeugen keine konkrete Erinnerung mehr an die von ihnen festgestellten und dokumentierte Leistungen. Dementsprechend verwiesen sie auf die Aufmaßunterlagen, die Grundlage für die Abstimmungen über die Einsprüche der Klägerin waren. Bereits am 24.1.2019 führten die Parteien, vertreten durch den Bauleiter ### für die Seite der Klägerin sowie Frau ### von den bauleitenden Architekten für die Beklagte durch. Im Rahmen dieses Aufmaßgesprächs haben die Parteien die Aufmaßdifferenzen diskutiert und es sind Festlegungen hierzu getroffen worden. Insoweit kann auf den Inhalt von K 94 verwiesen werden. Auch der Zeuge ### bestätigte dieses Vorgehen. Der Zeuge ### war gemeinsam mit ### der ab September 2019 für die Leistungsprüfung zuständige Mitarbeiter der ###, die von der Klägerin als Projektsteuerin eingesetzt war. ### war für den Zeitraum ab September 2019 für die Prüfung der Abrechnungen zuständig. Er hat glaubhaft bekundet, er habe auf den Einspruch der Klägerin nochmals die Mengen und Massen anhand der vorangegangenen Prüfungen von ### überprüft. Dabei sei er zu den Ergebnissen gelangt, die er in seiner Kommentierung zum Schreiben von Rechtsanwälten ### formuliert habe. Vor diesem Hintergrund waren die Ausführungen des Zeugen ###, die Leistungen seien genau so ausgeführt worden, wie sie in den Aufmaßblättern ausgewiesen seien, nicht überzeugend.

Jedenfalls blieben vernünftige Zweifel. Trotz der zeitnahen Überprüfung der eingereichten Aufmaße konnten die Aufmaßdifferenzen durch die Klägerin gegenüber der Bauleitung nicht hinreichend aufgeklärt werden. Die Bauleitung, die in großen Umfang auch Massenmehrungen anerkannt hat, konnte sie wegen der hier streitige Positionen mangels Leistungsbelegen nicht überzeugen. Ein Gegenaufmaß war der Beklagten nicht möglich, weil sie wegen der Asbestkontaminierung während der Arbeiten bis zur PCB-Freigabe keinen Zugang zu den Schwarzbereichen hatte. Aus den genannten Gründen konnte sich auch die Kammer vom behaupteten Leistungsumfang nicht überzeugen lassen.

Im Einzelnen:

A) Position 1.1.10 (168,81 Euro netto). Die Position ist nicht zu berücksichtigen. Die Leitung (Reinigung der Baustellenfläche) ist doppelt in Ansatz gebracht worden, weil die Beklagte wegen langer Bauzeit eine (zusätzliche) Zwischenreinigung für erforderlich hielt. Gemäß LV durfte eine Reinigung jedoch nur auf Anweisung der örtlichen Bauleitung erfolgen. Eine solche Anweisung hat die Klägerin nicht vorgetragen.

B) Position 1.1.40 (413,56 Euro netto) ist nicht begründet. Nach der Stellungnahme des Büros ### vom 16.10.2019 ist die Position nicht angefallen, weil ausweislich eines Vermerks im entsprechenden Aufmaßblatt die betreffende Entsorgung nicht erfolgt ist. Die Kammer ist nach der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass die abgerechneten Entsorgungsbehälter vorgehalten wurden.

C) Position 1.1.50 (1.846,00 Euro netto) ist nicht begründet. Wie vor.

D) Pos. 1.1.80 (147,00 Euro netto). Die Beklagte hat für die behauptete Entsorgung von 0,58 t Kunststoffabfall den Ansatz eines Behälters für bis zu 10 m3 anerkannt. Für eine Entsorgung über den anerkannten Teil hinaus hat die Klägerin keinen Nachweis erbracht. Insoweit konnten auch die vernommenen Zeugen die Kammer nicht überzeugen.

E) Die Pos. 1.1.90 ist in Höhe von 115.80 Euro netto begründet. Gemäß des Letter auf Intent vom 28.3.2018, dort Zfr. 2. lit g) durfte die Klägerin anstelle von Kleincontainern einen Container aufstellen. Es musste somit die gesamte Zeit der Vorhaltung abgedeckt werden. Eine Kürzung ist nicht gerechtfertigt.

F) Pos. 1.1.340 (1.229 Euro netto). Es kann dahinstehen, ob die Klägerin 43,33 Stück Umsetzungen ausgeführt hat. Ausweislich des LV waren Umsetzungen von Baucontainern nur auf Anweisung der Bauleitung vorzunehmen. Die Bauleitung bzw. ### hatte lediglich 16 Umsetzungen vermerkt als von ihr angeordnet.

Diese Umsetzungen hat die Klägerin auch anerkannt. Die Anordnung weiterer Umsetzungen hat die Beklagte schon nicht vorgetragen. Die Aufmaße sind nach Überprüfung mangels Belegen nicht anerkannt worden. Die Beweisaufnahme hat außer des generellen Verweises auf die Aufmaßunterlagen neue Erkenntnisse nicht erbracht. Somit kommt es auf das Vorbringen der Klägerin, sie haben nach dem Letter of Intent große statt kleiner Baucontainer aufstellen dürfen, nicht an.

G) Pos. 1.1.400 (172,21 Euro netto). Die Leistungen sind von ### nach Prüfung in den (Aufmaß)Skizzen 154 und 155 nicht bestätigt worden. Die Klägerin hat die Aufmaßdifferenz nicht zu beweisen vermocht.

H) Pos. 1.1.410 (190,12 Euro netto) + 1.1.420 (48.54 Euro netto). Aus den unter F) genannten Gründen ist die Kammer von der Leistungserbringung nicht überzeugt.

I) Pos. 1.2.340 (66,33 Euro netto). Wie vor. Die Zeugen der Klägerin, namentlich der Zeuge ### haben die Leistung nicht bestätigt.

J) Pos. 2.1.050 (56,00 Euro). Wie vor (aber in Bezug auf Aufmaßblatt 152 und 153).

K) Pos. 2.1.070 (150,00 Euro netto). Wie vor.

L) Pos. 2.1.120 (47,40 Euro netto). Wie vor zu I) (aber Skizze 156).

M) Pos. 2.1,140 (154,45 Euro netto). Wie vor zu I) (aber Skizze 156).

N) Pos. 2.1.190 (8,79 Euro netto). Wie vor zu I) (aber Skizze 157). 0) Pos. 2.1.210 (28,08 netto). Wie vor zu I) (aber Skizze 158).

P) Pos. 2.1.250 (124,80 Euro netto). 2 Leitungen im Steiger Abbruch Rohrleitungen DN 15 – DN 25) Wie vor zu I).

Q) Pos. 2.2.010 (13,35 Euro netto). Der Mengenzuwachs von 3,14 qm gegenüber der (anerkannten) Abrechnung in einer Abschlagsrechnung konnte von der Klägerin nicht nachgewiesen werden.

Die Skizze Nr. 106 ist nicht anerkannt worden. Der Zeuge ### konnte insoweit ebenfalls nur pauschal auf die Aufmaßskizzen und gelegentliche Abrechnungsauseinandersetzungen mit der Bauleitung /IUP verweisen.

R) Pos. 2.2.120 (114,37 Euro netto). Wie vor zu I) (aber Skizze 106).

S) Pos. 2.2.140 (40,00 Euro netto). Wie vor zu l).

T) Pos. 2.2.230 (4,92 Euro netto). Wie vor zu I) und Q) (aber Skizze 65 – 68)

U) Pos. 2.3.340 (17,83 Euro netto). Wie vor zu I) und Q) (aber Skizze 116, 117 und 124) Die Forderungen wegen weiterer Mengen und Massen beziffern sich auf 115,80 netto.

2. Stundenlohnarbeiten wegen eines Leistungsverweigerungsrecht bezüglich Zahlungsverzuges

Die Klägerin kann für die Zeit von 5.2.2018 bis 21.2.2018 (Tagelohnzettel 16 und 17) insgesamt (19.980,00 Euro netto – (19.980,00 x 10 % Gewinnanteile =) 1.998,00 Euro = 17.982.00 Euro netto an Stillstandskosten abrechnen. In dieser Zeit hat sie gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 VOB/B berechtigt ein Leistungsverweigerungsrecht ausgeübt, weil sich die Beklagte in Verzug mit der Begleichung der Abschlagsrechnung befand. Ihre Abschlagsrechnung Nr. 1 datiert vom 12.12.2017. Verzug ist damit gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 VOB/B mit dem 11.1.2017 eingetreten. Die Verlängerung der Nachfrist auf 60 Tage nach Rechnungslegung bis zum Eintritt des Verzuges ist nicht wirksam vereinbart. Diese Klausel verstößt vor diesem Hintergrund gegen §§ 308 Nr. 1 a BGB. Sie ist gemäß § 305 BGB unwirksam. Die Beklagte hat insoweit nicht dargetan, dass besondere Umstände eine solche Verlängerung gerechtfertigt hätten, vergleiche § 16 Abs. 5 Nr. 4 Satz 3 VOB/B. Ausnahmsweise kann sich die Frist nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B auf bis zu 60 Tage verlängern. Dies setzt freilich neben einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien voraus, dass die Fristverlängerung sachlich gerechtfertigt ist, z.B. durch besondere Komplexität des Bauvorhabens (Staudinger/Peters (2019) BGB § 641, Rn. 85). Eine besondere Komplexität ist vorliegend nicht anzunehmen. Bei der Würdigung hatte die Kammer zu berücksichtigen, dass die Schadstoffsanierung bei den Gewerken an erster Stelle stand, dass also Umbauarbeiten weiterer Gewerke parallel nur eingeschränkt betrieben werden konnten. Das Bauvorhaben ist von der Klägerin in Umfang und Komplexität als durchschnittlich eingestuft worden. Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, die Abrechnung hätten zunächst durch die Bauleitung als auch durch den Projektsteuerer und die ### geprüft werden müssen, ehe sie zur Zahlungsfreigabe an die zuständige Stelle des Beklagten weitergeleitet worden sein, ist nicht ersichtlich, dass dieser Vorgang notwendig länger als 30 Tage in Anspruch nehmen muss. Der Zeuge ### hat glaubhaft erklärt, die Prüfungen durch die Bauleitung habe im Regelfall nur eine Woche benötigt. Die Plausibilitätsprüfung des Projektsteuers und des ### hätten parallel erfolgen können. Ein Zeitbedarf von mehr als drei Wochen bis zur Freigabe durch die zuständige Stelle ist nicht nachvollziehbar.

Eine bauablaufbezogene Darstellung des Stillstandes war entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erforderlich. Sie ist nicht in jedem Falle notwendig, sondern nur dann, wenn die Behinderung auf andere Weise nicht nachvollzogen werden kann. Da die Klägerin sich vorliegend wegen des Zahlungsverzuges zu Recht auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen hat, kommt es nicht darauf an, ob sie ihre Mitarbeiter an anderer Stelle hätte einsetzen können. Dass ihre Mitarbeiter in der fraglichen Zeit vor Ort, aber unproduktiv waren, hat die Klägerin durch die entsprechenden Stundenlohnzettel, die bestätigt worden sind, belegt.

Schließlich konnte die Klägerin die stillstandsbedingten Entschädigung auch auf der Grundlage ihrer Stundenverrechnungssätze berechnen. Hierbei war allerdings der kalkulierte Gewinn abzuziehen, den die Kammer zugunsten der Beklagten gemäß § 287 ZPO auf 10 % geschätzt hat. Die Stundenverrechnungssätze repräsentieren neben den Löhnen für die Mitarbeiter auch die sonstigen Mitarbeiterkosten und die allgemeinen Betriebskosten. Sie sind deshalb ein geeignetes Mittel, den Stillstand für bestimmte Mitarbeiter konkret zu beziffern.

3. Stundenlohnarbeiten wegen Baustopp niedrige Umgebungstemperaturen

Stillstandskosten für den Zeitraum 2.12.2017 bis 28.2.2018 im Umfang von 484 Stunden in Höhe von 14.520,00 Euro netto wegen niedriger Umgebungstemperaturen kann die Klägerin nicht aus § 642 BGB beanspruchen. Der Anspruch aus § 642 BGB setzt voraus, dass die Behinderung durch fehlender Mitwirkung des Auftraggebers verursacht worden ist. Eine Mitwirkungsobliegenheit des Auftraggebers ist den vertraglichen Vereinbarungen jedoch nicht zu entnehmen. Eine ausdrückliche Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Aus einer ergänzenden Vertragsauslegung lässt sich eine Pflicht der Beklagten zur Beheizung des Objekts ebenfalls nicht herleiten. Aus § 6 Abs. 2 VOB/B ergibt sich vielmehr die Wertung, dass der Auftragnehmer solche Behinderungen, die sich aus der Vorhersehbarkeit von Witterungsverhältnissen ergibt, einzukalkulieren hat. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass sich eine Pflicht zur Beheizung des Objekts für den Auftraggeber nicht aus den vertraglichen Verpflichtungen herleiten lässt (BGH, Urteil vom 20.4.2017 – VII ZR 194/13 -). Nach den besonderen Vertragsbedingungen (K2) war ursprünglich eine Ausführungszeit von Juni 2017 bis Mai 2018 vorgesehen gewesen. Winterwetter war von der Klägerin daher einzukalkulieren.

4. Stundenlohnarbeiten wegen fehlender PCB-Freigabe

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung der Stillstandskosten im Umfang von 352 Stunden für den Zeitraum 9.10.2017 bis 23.10.2017 in Höhe von 10.560,00 Euro netto aus § 642 BGB nicht zu. Die Klägerin hat für diesen Zeitraum nicht vorgetragen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befunden hätte. Ist – wie hier – eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers erforderlich, ist Annahmeverzug gegeben, wenn der Schuldner den Gläubiger zur Vornahme der notwendigen Handlung aufgefordert hat, § 295 Satz 2 BGB. Eine solche Aufforderung hat die Beklagte bestritten, weil es einen fertig gestellten Schwarzbereich in der fraglichen Zeit überhaupt nicht gegeben habe. Dieses Vorbringen wird gestützt durch die Behinderungsanzeigen, auf die die Klägerin verweist. So ist weder aus der Behinderungsanzeige Nr. 2 vom 26. September 2017 noch aus der Behinderungsanzeige Nr. 3 vom 20. Oktober 2017 erkennbar, dass es eine Behinderung aufgrund fehlender Freigabemessungen gegeben hat. Eine weitere Aufforderung an die Beklagte, die für den fraglichen Zeitraum in Betracht käme, hat die Klägerin nicht eingereicht.

5. Stillstandskosten PCR-Prüfung 1.12.2017 (480,00 Euro netto)

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf der Vergütung der Stillstandskosten wegen der 480 Euro netto aus § 642 BGB. Ausweislich des Tagelohnzettels Nr. 15 (K 78) beruht die Ausfallzeit auf zu kühler Witterung. Diese Witterungsverhältnisse ergeben sich auch aus dem Bautagebuch Nummer 82. Für die Witterungsverhältnisse trägt die Klägerin das Risiko. Es wird auf die Ausführungen oben unter 3. verwiesen. Da die Klägerin aufgrund der Witterungsverhältnisse ohnehin nicht arbeiten konnte oder wollte, kommt es auf die Frage, ob sie durch eine Freimessung PVB (zusätzlich) behindert worden ist, nicht mehr an.

6. Nachaufträge

Der Klägerin steht wegen der Nachaufträge eine zusätzliche Vergütung von 45.256,17 Euro netto zu.

N 1.10 Brandmeldesockel

Der Anspruch ist nicht gegeben. Das Aufmaßblatt der Klägerin (K 43) weist lediglich 30 Brandmeldesockel aus, die die Beklagte insoweit auch anerkannt hat.

N. 1.12. (Entfernt Kabelrohre/Elektroinstallation, 988,71 Euro)

Die Massenmehrung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erwiesen. Es wird auf die Ausführungen oben zu 1) verwiesen. Das Aufmaßblatt K 44 ist nicht aussagekräftig, weil es offensichtlich eine andere Leistung (“3 Stück“) betrifft.

N. 1.14

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung der Nachtragsposition N 1.14 (Herstellen 2 K Personenschleuse) in Höhe von (41.390,80 Euro ./. 44 Schleusen x 40 Schleusen =) 37.627.27 Euro gegen die Beklagte zu. Die Position “Herstellen” ist auch für das Umsetzen der Personenschleusen angefallen, soweit es sich nicht um die Umsetzung einer mobilen Einheit, sondern quasi um eine bauliche Neukonstruktion nach komplettem Abbau an anderer Stelle handelt. Die Behauptung der Klägerin, die mobile Einheit habe nicht im gesamten Bauvorhaben eingesetzt werden können, weil dies baubedingt nicht möglich gewesen sei, hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme bestätigt. Danach konnten die mobilen 2-K-Schleusen in vielen Fällen nicht an den neuen Einsatzort verbracht werden, weil sie nicht durch andere Schwarzbereiche transportiert werden konnten. In diesen Fällen sei es erforderlich gewesen, eine Schleuse aus einer Holzlattenkonstruktion mit Folie zu konstruieren. Die Umsetzung einer solchen Konstruktion kann damit der Neuherstellung einer Schleuse gleich. Dieses Vorgehen ist sowohl von dem durch die Klägerin benannten Zeugen ### als auch von dem Zeugen ### bestätigt worden, der durch die Beklagte benannt worden ist.

Ersterer Zeuge war der Bauleiter der Klägerin, der Zeuge ### war Bauleiter der durch die Beklagte beauftragte Bauleitung (für die Schadstoffbeseitigung) IUP. Gemäß Ziff. 2 f) Satz 3 des Letter of Intent vom 12.4.2018 (K 4) haben die Parteien vereinbart, dass bei den 2-K-Personschleusen abrechnungstechnisch zu verfahren werden solle, wie bei der Materialkontaminationseinheit (2-Kammerschleuse). Bei verständiger Würdigung der vorgenannten Vereinbarung ist der Einsatz einer Schleuse, die jeweils am neuen Einsatzort vollständig wieder neu errichtet werden muss, wie die erstmalige Herstellung zu bewerten. Für diese Lesart spricht auch der Umstand, dass die Parteien ursprünglicher an den Einsatz einer mobilen Schleuse, also lediglich auf das Tragen einer geschlossenen Konstruktion an den neuen Einsatzort gedacht hatten. Diese Auslegung wird gestützt durch die Abrechnungspraxis der Parteien. Im Rahmen von Vergleichsgesprächen hat sich nämlich ergeben, dass die Beklagte für die Materialkontaminationseinheiten, die im Falle baulicher Notwendigkeiten ebenfalls am neuen Einsatzort ebenfalls komplett neu konstruiert werden mussten, die Position 1.2.40 anerkannt hat hatte.

Allerdings hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Klägerin die Position 1.2.40 im Rahmen der Nachtragsposition N1. 14 nur insgesamt 40-mal in Ansatz bringen kann. Die Bauleitung ### hatte für diese Position eine Stückzahl von nur 40 anerkannt. Im Rahmen einer Baubesprechung ist diese Stückzahl von den Parteien diskutiert worden mit der Folge, dass letztlich die genannte Stückzahl festgehalten wurde. Die von der Klägerin benannten Zeugen konnten nicht überzeugend begründen, dass weitere sieben Stück ausgeführt worden sind. Der Zeuge ### hatte insoweit ebenso wenig wie der Zeuge ### konkrete Erinnerungen. Beide verwiesen nur auf die Aufmaße und auf die Baubesprechungen mit der ###

NA Nr. 2 (Entfernen Schalter/Steckdosen/Verteilerdose; 801,36 Euro)

Die Leistung ist nicht zu vergüten. Es wird auf die Ausführungen oben zu I) verwiesen. Eine gemeinsame Leistungsfeststellung hat entgegen der Vereinbarung nicht stattgefunden. Es fehlte auch der Beleg des Leistungsumfangs. Die Lichtbilder waren nicht aussagekräftig.

NA Nr. 4 (Massenmehrung zu 1.2.120, Unterdruckhaltegeräte [UHG] Aufbau; 1.190,70 Euro) Die Leistung ist nicht zu vergüten. Es wird auf die Ausführungen oben zu I) verwiesen. Eine Gemeinsame Leistungsverstellung hat entgegen der Vereinbarung nicht stattgefunden. Es fehlte auch der Beleg des Leistungsumfangs.

NA 4.15 (Massenmehrung zu Pos. 1.2.130 UHG Reinigung; 100.- Euro)

Die Klägerin hat gegen das Bestreiten der Beklagten keinen Leistungsnachweis erbracht. Die Kammer muss deshalb davon ausgehen, dass nur 26 Stück Massenmehrungen angefallen sind, weil eine der Massenmehrungen durch einen anderen Unternehmer ausgeführt worden ist.

N 4.16 (Massenmehrung zu Pos. 1.2.140; 475,95 Euro)

Es wird auf die Ausführungen oben zu I) verwiesen. Es fehlte der Beleg des Leistungsumfangs.

N 4.17 (Vorhalten UHG; 8750.-Euro) Wie vor.

N 4.18 (Massenmehrung Pos. 1.2.150; 298,00 Euro) Wie vor.

N 7.5 Zulage Mehraufwand Demontage Leichtbauwand Beplankung; 1.904,45 Euro)

Ein Vergütungsanspruch für die Demontage der Leichtbauwand/Beplankung in Höhe von 1904,45 Euro steht der Klägerin gegen die Beklagte aus N 7.5. nicht zu. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen der Beklagten, wonach diese Arbeit von Position 2.1.240 LV mit erfasst ist. Diese Position beschreibt eine Leichtbauwand nach TRGS 521, die aus einer Wanddämmung sowie einer Unterkonstruktion aus Metall bzw. Holz besteht. Die zusätzliche Holzplatte ist Teil der Leichtbauwand im Sinne der genannten Position. Eine Leichtbauwand im Trockenbau ist nach allgemeiner Definition eine leichte fachwerkähnliche Konstruktion aus Holz oder Metallblech-Profilen mit Beplankungen zum Beispiel aus Gipskarton oder Holzwerkstoffplatten.

Danach ist die Beplankung bereits Teil der Leichtbauwand im Sinne von NA 7.

N 7.6. Abschottung horizontaler Heizungskanäle; 15.55 Euro)

Es wird auf die Ausführungen oben zu I) verwiesen. Es fehlte der Beleg des Leistungsumfangs. Die Heizungskanäle lassen sich dem Aufmaßblatt K 56 nicht entnehmen. Die Bodenkanäle zu Position 2.2.310, in denen sich die horizontalen Heizungskanäle befunden haben, machen ebenfalls 102,85 m aus. Das entspricht dem Prüfvermerk im Aufmaß.

N 7.13 (Massenmehrung Grob-/Feinreinigung; 198,90 Euro)

Es wird auf die Ausführungen oben zu I) verwiesen. Es fehlte der Beleg des Leistungsumfangs. Den Aufmaßblättern lassen sich Leistungsnachweise, wie etwa freigegebene Skizzen oder Reinigungsbestätigungen nicht entnehmen.

N 7.16 und 7.17 (Massenmehrung Zuluftleitungen/-klappen für UHG; 149,00 E + 100,00 E) Es wird auf die Ausführungen oben zu NA 4.15 verwiesen, die hier entsprechend gelten.

N 7.21. (Maximierung zu Position 1.2.320, fahrbare Arbeitsbühne; 500,00 Euro)

Die von der Klägerin behaupteten Ausführungsänderungen, insbesondere parallel auszuführende Putz- und Asbestabbrucharbeiten in verschiedenen Sanierungsbereichen hat die Klägerin gegen das Bestreiten der Beklagten nicht zu substantiierten vermocht. Eine entsprechende Anordnung der Bauleitung ist nicht vorgetragen.

N 7.22. (Massenmehrung zu 1.2.330 LV/PSA für Beschäftigte; 870,96 Euro) und N 7.24 (Demontage PromAsbest – Lüftungskanäle SG; 3953,46 Euro)

Eine Vergütung ist nicht zuzusprechen. Der Preis ist nach § 2 Abs. 6 Nummer 2 VOB/B zu bilden. Die Klägerin hat zur Preisbildung jedoch nichts vorgetragen.

NA 8.2 (Schüttungsdicke 9 cm gemäß Position 2.2.280 LV; 6.630,69 Euro)

Die Klägerin kann eine Zulage für die Schüttungsdicke 9 cm gemäß Position 2.2.280 LV in Höhe von 6.630,69 nicht verlangen. Die Erteilung eines Nachauftrages hat sie gegen das Bestreiten der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Eine Schüttungsdicke über das in der Zulage gemäß Pos. 2.2.280 LV vorgesehene Maß von insgesamt 6 cm hinaus hat sie nicht zu beweisen vermocht. Die Zeugen ### haben auf die Aufmaße verwiesen, die der Zeuge ### erstellt hat. Dieser Zeuge konnte ebenfalls keine Angaben mehr zu seinen Aufmaßen machen. Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, ein Vergütungsanspruch ergebe sich aus Geschäftsführung ohne Auftrag, ist dies nicht nachvollziehbar vorgetragen.

Insbesondere sind die Voraussetzungen nicht nachvollziehbar, da nicht vorgetragen wurde, wie sich die Preisgrundlagen durch die zusätzliche Schichtdicke verändert haben.

N 09 (Linoleumbelag Podest, Stufen TH P, Stufen TH Q; Treppenkantenprofil, 2.308,40 Euro + 1.848,00 Euro + 1.815,00 Euro + 1.657,50 Euro)

Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ist in Höhe von 7 628 90 netto insoweit gegeben. Die Beauftragung ist dem Grunde nach durch die Beklagte erfolgt, wie sich aus der Nachtrag Beurteilung von Fischer + Werner Architekten (K 93) zu NA 09 (Seite 8) ergibt. Ebenso ergibt sich aus diesem Vermerk die Notwendigkeit der Arbeiten, da sie im Leistungsverzeichnis nicht vorgesehen sind. Die Leistungen mussten danach ausgeführt werden. Die Beklagte ist bei der Beurteilung der Mengen und Massen sowie der Angebotspreise stets von der Prüfung und Einschätzung der von ihr mit der Prüfung der Abrechnungen betrauten Architekten und Projektsteuerer ausgegangen. Danach hatte auch die Kammer keine Bedenken, der Beurteilung von ### zu folgen. Diese beanstandeten zwar. dass die Preisbildung nicht nachvollziehbar war.

Gleichzeitig verwiesen sie darauf, dass die Angebotspreise ortsüblich und angemessen seien (vergleiche K 93 Seite 13 oben). Die abgerechneten Mengen und Massen sind insoweit nicht bestritten worden. Auch vorprozessual sind insoweit Mengen und Massen nicht beanstandet worden (vgl. K 8).

7. Dokumentationspauschale

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Vergütung der Dokumentationspauschale in Höhe von 1000.00 Euro netto gemäß Position 3.1.10 LV. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Dokumentationsunterlagen an die Beklagte übergeben und diese hätten auch den Vorgaben der vorgenannten Position entsprochen, hat die Beklagte nicht zu widerlegen vermocht Insoweit trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Sie hat die Leistungen der Klägerin am 18.1.2019 abgenommen.

Im Abnahmeprotokoll (K5) fand sich kein Vorbehalt bezüglich der Dokumentationsunterlagen.

8. Der Vergütungsanspruch beziffert sich demnach wie folgt:

Mengen und Massen (Pos. 1.1.90)

115,80 Euro

Stillstandskosten

17.982,00 Euro

Nachträge

45.256,17 Euro

Dokumentenpauschale

1.000.00 Euro

  

Gesamt netto

64.353,97 Euro

MwSt.

12.227.25 Euro

  

Gesamt brutto

76.581,22 Euro


9. Verzugszinsen

Die Zinsansprüche rechtfertigen sich ab dem geltend gemachten Zeitpunkt aus §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB, soweit die Klageforderung begründet ist.

II. Klageantrag zu 2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zinszahlung in Höhe von insgesamt 9.197,26 E aus §§ 280, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB zu. Gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B tritt der Verzug unabhängig von einer Nachfristsetzung nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang der jeweiligen Rechnung ein. Die verlängerte Verzugsfrist von 60 Tagen, die sich aus den besonderen Vertragsbedingungen ergibt, ist vorliegend nicht in Anwendung zu bringen. Sie ist nicht wirksam vereinbart. Es wird auf die Ausführungen oben zu 2. verwiesen.

Wegen der Einzelheiten zu Fälligkeit der Rechnungen, zum Verzugseintritt, zur Höhe der zu verzinsenden Forderung sowie zur Berechnung wird auf die zutreffenden Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift, dort Seiten 57-64, verwiesen, denen sich die Kammer nach der gebotenen eigenen Überprüfung anschließt.

Auch die Verzugspauschalen sind in Ansatz bringen. Dem Hinweisbeschluss des BGH vom 18.1.2018 (III ZR 174/17), auf die die Beklagte verweist, kann nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnommen werden, dass Verzugspauschalen auf einen geschuldeten Verzugsschadensersatz anzurechnen sind, wenn Kosten der Rechtsverfolgung begründet sind.

Eine Verzinsung der Zinsansprüche scheidet jedoch aus, § 289 BGB.

III. Klageantrag zu 3. und 4.

Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten fußt auf § 286 Abs. 1 BGB. Er beziffert sich nach einem Wert von bis zu 95.000,00 Euro auf (1.561,00 Euro X 1,3 Geb. + 20,00 Euro Telekommunikationspauschale + Mehrwertsteuer =) 2.438,67 Euro.

Einen verletzungsbedingten Schaden im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB stellte auch der eingezahlte Gerichtskostenvorschuss dar, soweit er der Klägerin aufgrund der obsiegenden Klage zu erstatten war. Insoweit ist er zwischen Einzahlung und Erstattung zu verzinsen.

IV. Nebenentscheidungen

Die prozessualen Nebenentscheidungen fußen auf §§ 92 Abs. 1, 709 Sätzen 1 und 2 ZPO. Die Kostenentscheidung spiegelt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen wider.

OLG Köln zu der Frage, dass eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen kann

OLG Köln zu der Frage, dass eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen kann

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine Partei kann die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse u. a. daran hat, dass der Zustand einer Person, die Ursache eines Personenschadens und der Aufwand für dessen Beseitigung festgestellt werden, wobei ein rechtliches Interesse anzunehmen ist, wenn die begehrte Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.
2. Der Antragsteller muss die Beweisfragen nicht ausdrücklich formulieren. Es genügt, wenn aus dem Antrag die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden sollen, deutlich hervorgehen. Gleichwohl ist ein Minimum an Substantiierung in Bezug auf die Beweistatsachen zu fordern.
3. Die Beweistatsachen sind jedenfalls dann nicht ausreichend bezeichnet, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.
OLG Köln, Beschluss vom 12.12.2023 – 4 W 8/23
vorhergehend:
LG Köln, 08.03.2023 – 16 OH 13/21


Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren.

Er hat geltend gemacht, infolge eines von dem Antragsgegner ausgehenden tätlichen Angriffs am 2. September 2019 ein Schädel-Hirn-Trauma mit großen subduralen Hämatomen erlitten zu haben. Wegen dieser Tat sei der Antragsgegner durch das Amtsgericht ### (51 Ls 1/21) wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden (LG-A 3). Der Antragsteller will den Antragsgegner auf Schadenersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch nehmen (LG-A 4).

Mit dem am 21. Dezember 2021 bei Gericht eingegangenen Antrag vom 20. Dezember 2021 (LG-A 2-5) begehrt der Antragsteller unter Bezugnahme auf beigefügte Behandlungsunterlagen (LG-A 19-409) Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens eine sachverständige Begutachtung, um den Umfang seiner durch die behauptete Körperverletzung bedingten Gesundheitsschäden feststellen und überdies klären zu lassen, ob diese kausal und zurechenbar durch den Antragsgegner verursacht worden seien, ob Dauerschäden verblieben seien, und wie und mit welchem Kostenaufwand die Gesundheitsschäden zu behandeln seien (LG-A 5).

Das Landgericht Köln hat den Antrag mit Beschluss vom Beschluss vom 27. Januar 2021 (Pkh-Heft 238) und nach dessen Aufhebung durch den Senat ein weiteres Mal mit Beschluss vom 8. März 2023 (Pkh-Heft 389 f.) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, die Antragsschrift genüge nicht den Anforderungen des § 487 Nr. 2 ZPO.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller vom 10. März 2023 (LG-A 561-563, Eingang beim Landgericht am 14. März 2023 (LG-A 560) sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat der Entscheidung nicht abgeholfen und die sofortige Beschwerde dem Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14. März 2023 (LG-A 571) zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Anträge der Beteiligten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde, über die das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einer Einzelrichterin erlassen worden ist (§ 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO), ist zulässig; insbesondere ist sie gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1, 576 ZPO statthaft und gemäß § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO fristgerecht eingelegt. In der Sache ist das Rechtsmittel des Antragstellers teilweise begründet. Die Auffassung des Landgerichts, im Streitfall bestehe kein Anspruch auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens, hält den Rügen der sofortigen Beschwerde nicht stand. Diese hat dahin Erfolg, dass Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Durchführung des selbständige Beweisverfahren nicht, wie geschehen, mangels Zulässigkeit des Antrags auf dessen Einleitung zu versagen ist. Nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragsteller gemäß § 115 ZPO ist dem Antragssteller allerdings, wie mit Beschluss vom 19. Oktober 2022 (4 W 6/22 OLG Köln, LG-A 534 ff.), auf den zur Meidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ausgeführt ist, Prozesskostenhilfe bei monatlicher Ratenzahlung in Höhe von 116 EUR zu gewähren. Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Der Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens wäre nach § 485 Abs. 2 ZPO zulässig. Nach dessen Satz 1 kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse u. a. daran hat, dass der Zustand einer Person, die Ursache eines Personenschadens und der Aufwand für dessen Beseitigung festgestellt werden, wobei ein rechtliches Interesse nach Satz 2 anzunehmen ist, wenn die begehrte Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Hierzu ist die Feststellung der Folgen des behaupteten körperlichen Angriffs durch den Antragsgegner im selbständige Beweisverfahren grundsätzlich geeignet. Die ausgebliebene Antragserwiderung im Prozesskostenhilfeverfahren berechtigt nicht zu dem Schluss, dass die Parteien in einem möglichen Hauptsacheverfahren nicht auch darüber streiten werden, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei dem Antragsteller vorliegen, inwieweit diese auf den behaupteten körperlichen Angriff zurückzuführen und mit welchem Aufwand diese möglicherweise zu beseitigen sind. Zur Klärung dieser Fragen ist die beantragte Begutachtung grundsätzlich geeignet.

2. Dass der Antragsteller, was sinnvoll gewesen wäre, Beweisfragen nicht ausdrücklich formuliert hat, ist unschädlich. Ausdrücklich formulierte Beweisfragen sind nämlich nicht zwingend, soweit aus dem Antrag die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden sollen, deutlich hervorgehen (OLG Köln, Beschluss vom 11. Oktober 2018 – 5 W 20/18). Das ist hier der Fall.

3. a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass jedenfalls ein Minimum an Substantiierung in Bezug auf die Beweistatsachen zu fordern ist, auch wenn man berücksichtigt, dass sich aus dem besonderen Charakter des selbständigen Beweisverfahrens und dem mit ihm verfolgten Zweck, einen Rechtsstreit zu vermeiden, möglicherweise niedrigere Anforderungen an die Darlegungslast ergeben und deshalb die Angabe der Beweistatsachen in groben Zügen ausreichen soll. Nur so ist der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar und hat der Sachverständige eine Grundlage für die ihm übertragene Tätigkeit. So sind etwa die Beweistatsachen im Sinne von § 487 Nr. 2 ZPO jedenfalls dann nicht ausreichend bezeichnet, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen (BGH, Beschluss vom 10.11.2015 – VI ZB 11/15, mit weiteren Nachweisen).

b) So liegen die Dinge hier aber nicht. Der beabsichtigte Antrag wird den Anforderungen des § 487 Nr. 2 ZPO gerecht. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers, die der Sachverständige einer Begutachtung unterziehen soll, sind in der Antragschrift (LG-A 3) bezeichnet. Das Krankheitsbild (Schädel-Hirn-Trauma mit großen subduralen Hämatomen) ist offensichtlich der Diagnose aus den Berichten des ###-Hospitals ### über die Notfallbehandlung vom 02.09.2019 (LG-A 38-43) und der ###-Klinik ### vom 09.09.2019 (LG-A 173) entnommen worden. Trotz der ergebnisoffenen Fragestellung (LG-A 5), wonach ein Gutachter sich dazu verhalten soll, welche Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das Verhalten des Antragsgegners zurückzuführen sind, ob eingetretene Gesundheitsbeeinträchtigungen Dauerschäden darstellen, sowie ob und mit welchem Aufwand die Gesundheitsbeeinträchtigungen beseitigt werden können, ist der beabsichtigte Antrag nicht so allgemein gehalten, dass ein Sachverständiger eigenständig alle denkbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen selbst suchen und begutachten müsste, was tatsächlich als Ausforschung auch im selbständigen Beweisverfahren unzulässig wäre (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 3. Juni 2019 – 12 W 17/19). Im Hinblick auf die in Bezug genommenen Diagnosen des ### und der ### ist der beabsichtigte Antrag dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller festgestellt wissen, dass der darin dokumentierte Gesundheitsschaden eines Schädel-Hirn-Traumas mit großen subduralen Hämatomen ohne den körperlichen Angriff des Antragsgegners nicht eingetreten wäre. Der beabsichtigte Antrag zielt danach auf die Feststellung der Kausalität des Verhaltens der Beklagten für die konkret bezeichnete Gesundheitsbeeinträchtigung und damit auf eine zulässige Fragestellung ab. So verstanden handelt es sich um einen nach § 487 Nr. 2 ZPO zulässigen Antrag. Das Beweisersuchen soll zwar im Hinblick auf mit dem Schädel-Hirn-Trauma mögliche weitere im Zusammenhang stehende, bisher nicht bekannte (dauerhafte) Beeinträchtigungen und im Hinblick auf den möglichen Aufwand zur Beseitigung des Personenschadens offen gestellt bleiben. Dies begegnet vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller nicht wissen kann, ob noch weitere, bislang nicht bekannte (dauerhafte) Körperschäden eingetreten sein könnten, indes keinen Bedenken. Bei der Formulierung der Beweisfrage kann – zur Erleichterung der Arbeit des Sachverständigen – auf das von dem Antragsteller konkret behauptete Krankheitsbild Bezug genommen werden nehmen und im Übrigen kann die Beweisfrage offen formuliert werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 11. Oktober 2018 – 5 W 20/18).

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

4. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor.

Bieter müssen der Bekanntmachung klar entnehmen können, welche Voraussetzungen an ihre Eignung gestellt werden

Bieter müssen der Bekanntmachung klar entnehmen können, welche Voraussetzungen an ihre Eignung gestellt werden

von Thomas Ax

Die Bieter müssen der Bekanntmachung klar entnehmen können, welche Voraussetzungen an ihre Eignung gestellt werden und welche Erklärungen/Nachweise von ihnen in diesem Zusammenhang verlangt werden (BGH, Urt. v. 03.04.2012 – X ZR 130/10; OLG München, Beschl. v. 21.04.2017, Verg 2/17). Die vorzulegenden Eignungsnachweise müssen nach Art, Inhalt und Zeitpunkt der Vorlage eindeutig gefordert sein (Dittmann, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 57 Rn. 99). Für das Verständnis maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises. Die Eignungskriterien sind nach § 122 Abs. 4 GWB in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen und müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, der in der Leistungsbeschreibung, für die die allgemeinen Auslegungsgrundsätze gelten (Stein/Wolf, in: BeckOK Vergaberecht, 27. Aufl., § 121 GWB Rn. 13 m. w. N.), nach § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben ist. Dass Bieter oder Bewerber Vergabeunterlagen auslegen müssen, um das vom öffentlichen Auftraggeber Verlangte zu erkennen, ist als solches nicht vergaberechtswidrig (Senat, Beschl. v. 13.12.2017, Verg 19/17). Auf die Vergabeunterlagen kommt es insoweit nicht an. Diese können die Bekanntmachung – sofern sie mit dieser übereinstimmen – allenfalls konkretisieren (OLG Celle, Beschluss vom 24. April 2014, 13 Verg 2/14, BeckRS 2014, 14221 Rn. 36). Bestehen nach dieser Auslegung noch Unklarheiten und Widersprüche, gehen sie allerdings zu Lasten des Auftraggebers (Senat, Beschl. v. 13.12.2017, Verg 19/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.08.2019, 11 Verg 3/19; Friton, in: BeckOK Vergaberecht, 27. Aufl., § 122 GWB Rn 58).

VK Bund: Auftraggeber ist frei in seiner Entscheidung, dass er das Leistungsversprechen der Bieter einschließlich der Erfüllung bestimmter Zuschlagskriterien mithilfe einer Teststellung überprüft (1. Vergabekammer des Bundes VK 1 – 63/23)

VK Bund: Auftraggeber ist frei in seiner Entscheidung, dass er das Leistungsversprechen der Bieter einschließlich der Erfüllung bestimmter Zuschlagskriterien mithilfe einer Teststellung überprüft (1. Vergabekammer des Bundes VK 1 - 63/23)

vorgestellt von Thomas Ax

Der öffentliche Auftraggeber bestimmt, was er beschafft. Er bestimmt ebenfalls grundsätzlich selbst, wie er bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots vorgeht oder die Einhaltung des ausgeschriebenen Leistungssolls sicherstellt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19; OLG München, Beschluss vom 2. November 2012, Verg 26/12). Dabei kann er auf das allgemeine Leistungsversprechen, das ein Bieter mit seinem Angebot abgibt, die ausgeschriebene Leistung im Zuschlagsfall vertragskonform zu erbringen, vertrauen. Genau so ist ein Auftraggeber aber auch frei in seiner Entscheidung, dass er das Leistungsversprechen der Bieter einschließlich der Erfüllung bestimmter Zuschlagskriterien mithilfe einer Teststellung überprüft (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 22. April 2020, VII-Verg 34/19; und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19 jeweils m.w.N.).

Die Grenzen dieses Leistungsbestimmungsrechts sind dann überschritten, wenn für diese Vorgehensweise des Auftraggebers tatsächlich keine nachvollziehbaren und auftragsbezogenen Gründe vorliegen und einzelne Wirtschaftsteilnehmer diskriminiert werden (s. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2018, VII-Verg 30/18 m.w.N.). Bspw als Grund die Vermeidung von bei neu entwickelter Software nicht ungewöhnlichen Funktionalitätsdefiziten, die den rechtzeitigen Einsatz der Software gefährden, anzuführen, ist objektiv nachvollziehbar. Die Entscheidung in einem solchen Fall, eine Teststellung durchzuführen, ob und inwieweit das von einem Bieter angebotene Produkt den Beschaffungsbedarf erfüllen wird, ist vergaberechtskonform (so zur Anerkennung von Vorgaben zur Verringerung von Risikopotentialen (Fehlfunktionen, Umstellungsaufwand etc.) auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2017, VII-Verg 36/16).

Bei einer solchen Teststellung werden auch nicht unzulässigerweise Eignungs- und Angebotsprüfung miteinander vermischt. Die Eignungsprüfung betrifft die generellen Fähigkeiten der Unternehmen, die sich an einem Vergabeverfahren beteiligen (in wirtschaftlicher, finanzieller, technischer und beruflicher Hinsicht, vgl. nur §§ 44 bis 46 VgV). Demgegenüber geht es bei der durchzuführenden Teststellung um die Prüfung, ob die von einem Bieter konkret angebotene Leistung bestimmte Anforderungen erfüllt oder nicht. Letzteres ist zulässiger Bestandteil der Angebotswertung und findet also auf der sog. 1. oder 4. Wertungsstufe statt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2018, VII-Verg 30/18 m.w.N.).

Der Durchführung einer Teststellung vor Zuschlagserteilung steht auch nicht entgegen, dass dies dazu führt, dass jedenfalls die zu testenden Teile der angebotenen Leistung bereits zum Zeitpunkt der Teststellung vorhanden sein müssen.

Denn Angebote in Vergabeverfahren sind nicht stets darauf gerichtet, dass die zu beschaffende Leistung erst nach Vertragsschluss hergestellt werden muss. Dies ist zwar bei Bau- und Dienstleistungen regelmäßig so und mag häufig auch beim Kauf von Fertigprodukten der Fall sein. Allerdings kann es einem öffentlichen Auftraggeber, der für die Deckung seines Bedarfs an das Vergaberecht gebunden ist, ebenso wenig verwehrt sein, ein Produkt zu beschaffen, das in Bezug auf grundlegende Funktionalitäten bereits existiert und nach Vertragsschluss lediglich noch bestimmten Anpassungsleistungen unterliegt. Das Vergaberecht bestimmt nicht, was der Auftraggeber beschafft, sondern regelt nur das „Wie“ der Beschaffung (std. Rspr., s. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Mai 2017, VII-Verg 36/16 m.z.N.) – anderenfalls wäre es einem öffentlichen Auftraggeber unmöglich, einen solchen Bedarf wie hier überhaupt zu decken.

Umgekehrt betrachtet spricht gegen die Zulässigkeit einer Teststellung hier ebenfalls nicht, dass jedenfalls ein Teil der ausgeschriebenen Software erst nach Zuschlagserteilung zu entwickeln ist ([…] und durch Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der zum Einzelabruf berechtigten Behörden das […]). Der Erkenntniswert einer solchen Teststellung ist dann zwar naturgemäß auf den im Zeitpunkt der Teststellung vorhandenen Entwicklungsstand der Software beschränkt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19). Es besteht ein anzuerkennendes Interesse daran, die grundsätzliche Tauglichkeit der versprochenen Leistung bereits in diesem frühen Stadium zu verifizieren (vgl. zu ähnlichen Sachverhalten OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, und vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Januar 2014, 15 Verg 10/13).

Dem Umstand, dass eine Vorgabe hoher Leistungsanforderungen, die bereits zum Zeitpunkt der Teststellungen erfüllt sein müssen, wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben kann, weil sie den Kreis der potentiellen Bieter einschränkt, kann gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Festlegung der zu testenden Kriterien Rechnung getragen werden.

Bauprozess: Wann kann der Sachverständige bei und nach Erstellung seines Gutachtens wegen Befangenheit abgelehnt werden?

Bauprozess: Wann kann der Sachverständige bei und nach Erstellung seines Gutachtens wegen Befangenheit abgelehnt werden?

Die absolut erforderliche Unparteilichkeit des Sachverständigen gebietet es, dass sich der Sachverständige während der Zeit der Gutachtenserstattung neutral verhalten muss und dass er an die Beantwortung der Beweisfragen unvoreingenommen und objektiv herangeht. Bereits der durch eine Formulierung verursachte Anschein von Parteilichkeit macht ein Gutachten unbrauchbar, auch wenn es sachlich ohne Mängel ist. Der Sachverständige kann seinen Vergütungsanspruch verlieren, wenn er nach seiner Beauftragung in von ihm zu vertretender Weise nicht auf eine besondere persönliche oder berufliche Nähe zu einer der Prozessparteien und damit seine mögliche Befangenheit in der Sache hinweist (OLG Frankfurt, Beschluss v. 4.5.2017, 18 W 58/17). Hält ein Sachverständiger sich in seiner Vorgehensweise nicht an die Anweisungen des Gerichts, so stellt dies einen möglichen Befangenheitsgrund dar (OLG Bamberg, Beschluss v. 22.9.2022, 8 W24/22). Dies gilt insbesondere, wenn ein Sachverständiger eigenmächtig über die ihm vom Gericht gestellten Beweisfragen hinausgeht. Dabei rechtfertigt nicht jede geringfügige Abweichung von dem gerichtlichen Gutachterauftrag die Annahme der Befangenheit. Die Befürchtung ist aber begründet, wenn sich aus der Abweichung vom Gutachterauftrag eine parteiische Tendenz zugunsten oder zulasten einer Partei ergibt (OLG München, Beschluss v. 5.5.2023, 31 W259/23).

Für die Besorgnis der Befangenheit genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen einer Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann (BGH NJW 1975, S. 1363; NJW-RR 1987, S. 893; Greger, a. a. O., § 406, Rn. 8). Dies kann der Fall sein, wenn Umstände gegeben sind, die aus der Sicht einer vernünftigen, nüchtern denkenden Partei die Befürchtung rechtfertigen, der Sachverständige habe sich einseitig festgelegt und glaube den Angaben der einen Partei mehr als den Angaben der anderen bzw. halte eine streitige Behauptung zulasten einer Partei für bewiesen (OLG München NJW 1992, S. 1569; OLG Nürnberg VersR 2001, a. a. O.). Gleiches kann gelten, wenn der Sachverständige Beweisthemen umformuliert und substantiierten Vortrag einer Partei gänzlich unberücksichtigt lässt (OLG Bamberg MedR 1993, S. 351; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, Kommentar, 22. Aufl., § 406, Rn. 44) oder seinen Gutachtenauftrag eigenmächtig erweitert und dadurch den Eindruck erweckt, er wolle an Stelle des Gerichts festlegen, welche Punkte beweisbedürftig sind (OLG Celle NJW-RR 2003, S. 135; Thüringer OLG FamRZ 2008, S. 284; OLG Köln NJW-RR 1987, S. 1198; Leipold, a. a. O.). Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeiten rechtfertigen für sich allein genommen hingegen nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit, insoweit ist vielmehr der sachliche Gehalt des Gutachtens und dessen Verwertbarkeit betroffen (BGH NJW 2005, S. 1869; GRUR 2012, S. 92; Greger, a. a. O., Rn. 9). Auch das Ausgehen von falschen Grundlagen und/oder die Verkennung des Umfangs des Beweisthemas führen erst dann zu einer Besorgnis der Befangenheit, wenn der Irrtum so schwerwiegend ist, dass er als Anlass für eine vorhandene Voreingenommenheit angesehen werden muss (Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufl., Rn. 224). Schließlich können auch unsachliche Äußerungen des Sachverständigen über eine Partei oder ihren Prozessbevollmächtigten die Besorgnis der Befangenheit begründen (OLG Nürnberg MDR 2012, Seite S. 365; Greger, a. a. O., Rn. 7).

Wann muss die Ablehnung erfolgen?

Wenn der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt eines Gutachtens oder einem anderen nach Ernennung des Sachverständigen aufgetretenen Umstand hergeleitet wird, ist für einen zulässigen Ablehnungsantrag erforderlich, dass dieser unverzüglich nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes gestellt wird (BGH NJW 2005, S. 1869; OLG Nürnberg VersR 2001, S. 391; Greger in Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Aufl., § 406, Rn. 11). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Partei schon aus Gründen der Rechtssicherheit wissen muss, welcher Zeitraum ihr zur Prüfung des Gutachtens in jedweder Hinsicht zur Verfügung steht, weshalb die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit im allgemeinen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO abläuft, wenn sich die Partei zur Begründung ihres Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen muss (BGH a. a. O.; OLG Saarbrücken MedR 2007, S. 484; OLG Düsseldorf OLGR 2001, S. 469).

Thema: Schnittstelle Vergaberecht/ Strafrecht – VK Bund: Submissionsabsprachen sind nicht a priori vom Anwendungsbereich des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausgenommen

Thema: Schnittstelle Vergaberecht/ Strafrecht - VK Bund: Submissionsabsprachen sind nicht a priori vom Anwendungsbereich des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausgenommen

vorgestellt von Thomas Ax

Der Wortlaut von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist eindeutig und damit weder auslegungsbedürftig noch auslegungsfähig. Auch gibt es keine sonstigen Gründe, welche etwa eine teleologische Reduktion des Wortlautes erforderlich machen würden.

(1) Neben den abgestimmten Verhaltensweisen erfasst § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB Vereinbarungen, die ein Unternehmen zu wettbewerbsbeschränkenden etc. Zwecken mit anderen Unternehmen abschließt. Auch eine Submissionsabsprache als Straftat i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB erfüllt zugleich auch – als besonderer Fall – den Tatbestand der wettbewerbseinschränkenden Vereinbarung einer Kartellordnungswidrigkeit i.S.v. § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV i.V.m. § 81 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Abs. 1 Nr. 1 GWB. Letztere diese wird nicht dadurch verdrängt, dass zusätzlich ein Straftatbestand im Raum steht. Der Straftatbestand des § 298 StGB kommt vielmehr additiv hinzu und überlagert aufgrund seines größeren Unrechtsgehalts die ebenfalls vorliegende Ordnungswidrigkeit (§ 21 Abs. 1 OWiG). Diese lebt wieder auf, wenn keine Strafe verhängt wird (§ 21 Abs. 2 OWiG). Dies gilt allerdings nur für die persönlich betroffenen natürlichen Personen, nicht aber für die nebenbetroffenen Unternehmen als juristische Personen. Bei diesen verbleibt es auch im Fall eines Submissionsbetrugs bei einer Ordnungswidrigkeit gem. § 30 Abs. 1 OWiG, wegen der die Kartellbehörde auch selbständig eine Geldbuße festsetzen kann, wenn das Strafverfahren gegen den persönlich betroffenen Anknüpfungstäter von der zuständigen Staatsanwaltschaft nicht eröffnet oder eingestellt wird (§ 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG).

(2) Diese gesetzliche Konstruktion wirkt sich jedoch vergaberechtlich für § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB weder dergestalt aus, dass § 298 StGB für die Anwendung dieses Ausschlusstatbestands Voraussetzung wäre noch in der hier von der ASt angenommenen anderen Richtung dahin, dass die Anwendbarkeit entfiele, wenn es sich nicht nur um eine Kartellordnungswidrigkeit, sondern zugleich um eine Straftat gem. § 298 StGB handelt.

Der Wortlaut von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB stellt allein auf das betroffene Unternehmen ab und differenziert weder nach den Tatbeständen wettbewerbswidriger Vereinbarungen noch danach, ob ein – unterstellt – nach § 1 GWB ordnungswidriges Verhalten in Bezug auf die für das betreffende Unternehmen handelnden Personen gleichzeitig auch unter § 298 StGB fällt bzw. fallen kann. Die Bestimmung stellt lediglich ohne Unterscheidung auf das Vorliegen von wettbewerbsbeschränkenden Abreden zwischen Unternehmen ab. Der Wortlaut von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist klar und damit weder auslegungsbedürftig noch auslegungsfähig. Ein Ausklammern von Submissionsabsprachen vom Anwendungsbereich des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB würde angesichts dieses klaren Wortlauts aber nicht nur eine nicht gebotene Auslegung darstellen, sondern weitergehend sogar im Gegensatz zum eindeutigen Wortlaut stehen.

(3) Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB entgegen dem eindeutigen Wortlaut ist weder in der Sache noch aufgrund eines größeren systematischen Gesetzeszusammenhangs geboten.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auf die Übernahme der Vorschrift des Art. 57 Abs. 4 lit. d) der Richtlinie 2014/24/EG zurückgeht und es auf europäischer Ebene und in den meisten Mitgliedstaaten der EU ein Nebeneinander der Ahndung von Wettbewerbsdelikten als Kartellordnungswidrigkeiten und Straftaten nicht gibt.

Auch der Gesetzesbegründung des deutschen Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie ist nicht zu entnehmen, dass im Rahmen des fakultativen Ausschlussgrundes des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB danach zu differenzieren wäre, ob die Kartellordnungswidrigkeit zusätzlich auch den Tatbestand des § 298 StGB als Straftat verwirklicht. Es soll vielmehr nach Auffassung des Gesetzgebers genügen, „wenn eine Kartellbehörde einen Verstoß in einer Entscheidung festgestellt hat“ (BT-Drs. 18/6281,S. 106).

Ein Verständnis im Sinne der ASt, wonach Submissionsabsprachen a priori vom Anwendungsbereich des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausgenommen wären, liefe im Gegenteil auf eine Privilegierung solcher Absprachen hinaus, obwohl diese als besonders schädlich angesehen werden und daher von der Rechtsordnung nicht allein als Ordnungswidrigkeit, sondern darüber hinaus auch in strafrechtlicher Hinsicht sanktioniert werden. Dies würde einen Wertungswiderspruch darstellen.

Nach der Systematik der gesetzlichen Ausschlusstatbestände knüpfen die Fallgruppen der zwingenden Ausschlussgründe des § 123 GWB an das Vorliegen von rechtskräftigen Entscheidungen an. Der Gesetzgeber hat sich dabei bewusst entschieden, die Straftat des § 298 StGB nicht als Katalogtat in § 123 Abs. 1 GWB aufzunehmen. Bei den fakultativen Ausschlussgründen wird gerade nicht das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung verlangt Ebenso wenig ergibt sich eine Notwendigkeit für die Nichtanwendung von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB aus einer Gesamtschau mit dem Wettbewerbsregistergesetz (WRegG), auf dessen Regelung in § 2 Abs. 1 Nr. 3 WRegG die ASt abstellt. Nach dieser Bestimmung, so meint die ASt, dürfen Bußgeldentscheidungen, die sich auf Submissionsabsprachen beziehen, lediglich dann in das zukünftige Wettbewerbsregister eingetragen werden, wenn es sich um rechtskräftige Bußgeldentscheidungen handelt; § 2 Abs. 2 WRegG, wonach Bußgeldentscheidungen über 50.000.- € auch ohne Rechtskraft einzutragen sind, wenn es sich um reine Ordnungswidrigkeiten handelt, gelte für Submissionskartelle nicht. Vorliegend ist der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts vom […] durch die ASt angefochten worden, so dass die Voraussetzung der Rechtskraft nicht vorliegt.

Zunächst fällt nicht in die Kompetenz der Vergabekammer, darüber zu befinden, ob die Auffassung der ASt über die Eintragungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr.3, Abs. 2 WRegG zutreffend ist; dies obliegt der Registerbehörde nach Aufnahme der aktiven Tätigkeit. Für die vorliegenden Zusammenhänge genügt es, die Richtigkeit der Rechtsauffassung der ASt in Bezug auf die Eintragungsvoraussetzungen zu unterstellen. Danach bedingt die Auffassung der ASt nicht gleichzeitig, dass § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB keine Anwendung finden darf, solange eine Strafe oder ein Bußgeldbescheid bezüglich eines Submissionskartells noch nicht rechtskräftig und damit noch nicht im Wettbewerbsregister eintragungsfähig ist. Auch wenn – die Auffassung der ASt unterstellt – eine Eintragung noch nicht erfolgen dürfte, solange keine Rechtskraft des Bußgeldbescheids gegeben ist, wenn es um ein Submissionskartell geht, so impliziert dies kein Verbot, einen dem Auftraggeber aus anderen Quellen bekannten Sachverhalt zu berücksichtigen, obwohl dieser Sachverhalt weder eingetragen ist noch hätte eingetragen werden dürfen. Es ist dem öffentlichen Auftraggeber, der die Eignung im Vergabeverfahren selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen hat, vielmehr unbenommen bzw. er kann weitergehend hierzu verpflichtet sein, auch Sachverhalte zu berücksichtigen, die nicht im Register eingetragen sind und ggf. auch nicht eintragungsfähig wären.

Das WRegG regelt in seinem § 2 rein formal die Voraussetzungen der Eintragung, trifft aber keine Aussage zu materiellen Eignungsfragen. Im Gegenteil stellt auch das WRegG in § 6 Abs. 5 S. 1 WRegG klar, dass der Auftraggeber in eigener Verantwortung über den Ausschluss eines Unternehmens von der Teilnahme am Vergabeverfahren entscheidet, und zwar – so § 6 Abs. 5 S. 1 WRegG ausdrücklich – nach Maßgabe der vergaberechtlichen Vorschriften. § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 WRegG greift also, wie § 6 Abs. 5 S. 1 WRegG bestätigt, nicht in die materiellen Eignungstatbestände ein und ändert diese nicht ab. Dies zeigt, dass mit Schaffung der zitierten Bestimmungen im WRegG keine von der im Wortlaut eindeutigen Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB abweichende Vorgabe dahin geschaffen wurde, dass Submissionskartelle nicht von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfasst werden, solange ein Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig ist. Wäre dies intendiert gewesen, so hätte der Gesetzgeber dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot folgend eine klare Gesetzesänderung von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vorgenommen.

Dem von der ASt gezeichneten Konstrukt zur Herausnahme von Submissionsabsprachen aus dem Anwendungsbereich von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB bei nicht rechtskräftigem Bußgeldbescheid kann in Summe nicht gefolgt werden. Der Anwendungsbereich von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist eröffnet. Eine fehlende Eintragung im WRegG bzw. die von der ASt hier angeführte fehlende Eintragungsfähigkeit kann nur im Rahmen der Frage eine Rolle spielen, ob „hinreichende Anhaltspunkte“ für eine wettbewerbsbeschränkende Abrede gegeben sind.

2. Vergabekammer des Bundes VK 2 – 77/20

Thema: Schnittstelle Vergaberecht/ Strafrecht – BVerfG: Verwendung des Ausdrucks “Angebot” in § 298 Abs. 1 StGB ist nicht zu beanstanden

Thema: Schnittstelle Vergaberecht/ Strafrecht - BVerfG: Verwendung des Ausdrucks "Angebot" in § 298 Abs. 1 StGB ist nicht zu beanstanden

vorgestellt von Thomas Ax

Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Maß der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar (stRspr, vgl. BVerfGE 92, 1 <12>).

Nach diesen Maßstäben ist die Verwendung des Ausdrucks “Angebot” in § 298 Abs. 1 StGB nicht zu beanstanden. Insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen ist klar, was damit gemeint ist. Wenn im Schrifttum – wie der Beschwerdeführer vorträgt – die Auffassung vertreten wird, im Hinblick auf den Schutzzweck des § 298 StGB seien nicht annahmefähige Angebote nicht erfasst, handelt es sich um eine einschränkende Auslegung, die von Verfassungs wegen zweifellos möglich, aber nicht zwingend ist, und die die Bestimmtheit des Straftatbestands nicht in Frage stellt.

§ 298 Abs. 3 StGB enthält auch keine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende ungerechtfertigte Privilegierung. Die Vorschrift regelt einen Fall tätiger Reue. Sie soll Anreize schaffen, von einem wettbewerbswidrigen Angebot vor der materiellen Beendigung der Tat Abstand zu nehmen (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 56. Aufl. 2009, § 298 Rn. 21). Insofern bewegt sie sich innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungsspielraums. Es ist nicht zu sehen, wieso sie auf Fälle der Einreichung nicht annahmefähiger Angebote ungeachtet jeder Anzeichen für tätige Reue übertragen werden müsste.

Wenn die Gerichte im vorliegenden Fall der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung des § 298 Abs. 1 StGB nicht gefolgt sind, entspricht das der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach wird ein Angebot nicht dadurch unbeachtlich, dass es gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A der Ausschließung unterliegt. Ansonsten liefe, wie der Bundesgerichtshof treffend bemerkt, die Vorschrift des § 298 Abs. 1 StGB in einem wesentlichen Bereich leer, da jedes Angebot, das auf einer wettbewerbswidrigen Preisabsprache beruht, auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 366/02 -, NStZ 2003, S. 548). Diese Auslegung der Vorschrift ist willkürfrei und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BVerfG 2 BvR 1468/08 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 2. April 2009 (OLG Düsseldorf/LG Düsseldorf)

Thema: Schnittstelle Vergaberecht/ Strafrecht – BGH: § 298 Abs. 1 StGB erfasst – unabhängig von der Frage eines vorausgegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerbs – auch beschränkte Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber

Thema: Schnittstelle Vergaberecht/ Strafrecht - BGH: § 298 Abs. 1 StGB erfasst - unabhängig von der Frage eines vorausgegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerbs - auch beschränkte Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber

vorgestellt von Thomas Ax

Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen richtet sich – je nachdem, ob der Schwellenwert gemäß § 2 Vergabeverordnung über- oder unterschritten ist – nach den Regelungen des vierten Teils des GWB (§ 100 Abs. 1 GWB) oder § 3 VOB/A bzw. VOL/A. Im letzteren Fall werden die Aufträge nach öffentlicher oder beschränkter Ausschreibung bzw. nach freihändigem Verfahren vergeben. Dabei wird hinsichtlich der beschränkten Ausschreibung, bei der nur eine ausgewählte Anzahl von Unternehmern zur Einreichung von Angeboten aufgefordert wird, weiter zwischen der ohne (§ 3 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A (2006)) und der nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb (§ 3 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A (2006)) unterschieden.

Mit Blick auf diese Regelungen ist umstritten, ob § 298 Abs. 1 StGB auch beschränkte Ausschreibungen ohne vorangegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerb im Sinne der VOB/A erfasst. Während nach einer Auffassung ein solcher zu verlangen ist (MüKo-StGB/Hohmann, 2. Aufl., § 298 Rn. 35; SSW-StGB/Bosch, § 298 Rn. 3; SK-StGB/Rogall, Stand: März 2012, § 298 Rn. 10; S/S/Heine, StGB, 28. Aufl., § 298 Rn. 4), subsumiert eine andere Ansicht beide Formen der beschränkten Ausschreibung unter den Tatbestand (NK-StGB/Dannecker, 4. Aufl., § 298 Rn. 36; Matt/Renzikowski/Schröder/Bergmann, StGB, § 298 Rn. 9; G/J/W/Böse, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 298 StGB Rn. 8; Bender, Sonderstraftatbestände gegen Submissionsabsprachen, 2005, S. 64 f.). Bei dem Streit geht es letztlich um die Frage, ob unter Ausschreibung bereits ein Verfahren verstanden werden kann, das von Beginn an darauf beschränkt ist, Angebote von einer begrenzten Mehrzahl von Unternehmern einzuholen, oder ob zu verlangen ist, dass es sich jedenfalls derart an einen unbestimmten Adressatenkreis richtet, dass diesem die Möglichkeit eingeräumt wird, einen Antrag auf Teilnahme an der Ausschreibung zu stellen (vgl. Wiesmann, Die Strafbarkeit gemäß § 298 StGB bei der Vergabe von Bauleistungen und die Implementierung eines Straftatbestands verbotener Submissionsabsprachen in ein Strafgesetz der Europäischen Union, 2006, S. 86; G/J/W/Böse aaO).

Der BGH entscheidet die Frage dahin, dass auch beschränkte Ausschreibungen ohne vorangegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerb dem Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB unterfallen (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 29. März 2012 – 2 Ws 81/12, wistra 2012, 318, 321).

Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 298 Abs. 1 StGB, der eine Einschränkung auf bestimmte Formen der Ausschreibung nicht erkennen lässt. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Ausschreibung im Sinne des § 298 Abs. 1 StGB einschränkender zu verstehen wäre als in § 3 VOB/A definiert. Der Wille des Gesetzgebers zielte ausdrücklich auf eine Einbeziehung der beschränkten Ausschreibung in den Tatbestand (BT-Drucks. 13/5584, S. 14). Da die Möglichkeit einer solchen mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb erst 2000, mithin nach Inkrafttreten des § 298 StGB in die VOB/A eingeführt wurde (hierzu Bender aaO), ist offensichtlich, dass er dabei lediglich beschränkte Ausschreibungen ohne Vorverfahren im Blick haben konnte.

Für dieses Ergebnis streiten auch Systematik und Telos der Norm, denn in § 298 Abs. 2 StGB wird sogar die freihändige Vergabe den Ausschreibungen gleichgestellt, wenn ihr ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb vorausging. Daraus wird deutlich, dass Verstöße im Vergabeverfahren nur, aber auch stets dann erfasst werden sollen, wenn das Verfahren eine bestimmte Wettbewerbsintensität erzielt (Wiesmann aaO, S. 95 f., zum Schutzzweck der Norm BT-Drucks. aaO, S. 13). Diese ist aber in allen Fällen der beschränkten Ausschreibung wegen der eng umgrenzten Anzahl an Teilnehmern erreicht. Gerade dieser Umstand lässt diese Form der Ausschreibung für Absprachen besonders anfällig und dementsprechend besonders schutzbedürftig erscheinen, steigt doch die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs einer Absprache, je weniger mitbietende Konkurrenten insgesamt am Wettbewerb beteiligt sind, die an der Absprache nicht mitgewirkt haben.

Darauf, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung (§ 3 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A (2006)) vorgelegen haben, kommt es nicht an. Denn Fehler anlässlich eines Ausschreibungsverfahrens finden – wenn überhaupt (für generelle Unbeachtlichkeit MüKo-StGB/Hohmann aaO, Rn. 46; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 298 Rn. 19; G/J/W/Böse aaO, Rn. 11) – allenfalls dann Berücksichtigung, wenn sie so schwerwiegend sind, dass von einer Ausschreibung insgesamt nicht mehr gesprochen werden kann (NK-StGB/Dannecker aaO, Rn. 44; Wiesmann aaO, S. 114 f.). Ein etwaiger Fehler bei der Auswahl eines grundsätzlich von § 298 StGB erfassten Vergabeverfahrens lässt demnach die Strafbarkeit unberührt.

Dem Schuldspruch steht auch nicht der Umstand entgegen, dass einem seiner Angebote Unterlagen gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. c bis e VOB/A (2006) nicht beigefügt waren, was – so die Revision – dazu hätte führen müssen, dass das Angebot nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dieser Mangel überhaupt einen zwingenden Ausschluss des Angebots gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A (2006) hätte nach sich ziehen müssen (dagegen: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2005 – VIIVerg 40/05, NZBau 2006, 525, 526; dafür: BGH, Urteil vom 3. April 2012 – X ZR 130/10, NZBau 2012, 513). Denn die Strafbarkeit nach § 298 StGB besteht grundsätzlich unabhängig von der Frage, ob das Angebot zu Recht Berücksichtigung fand.

Dies hat der Bundesgerichtshof bereits in einem Fall entschieden, in dem das Angebot des Bieters verspätet im Sinne des § 22 Nr. 2 VOB/A aF bei dem Veranstalter eingegangen war und deshalb der zwingenden Ausschließung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. a VOB/A aF unterlag (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 366/02, NStZ 2003, 548). Das Bundesverfassungsgericht hat die dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Auslegung für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BVerfG, Beschluss vom 2. April 2009 – 2 BvR 1468/08, wistra 2009, 269 f.).

In der Literatur wird dem allerdings entgegengehalten, ein Angebot, das an so schwerwiegenden vergaberechtlichen Mängeln leide, dass es zwingend vom Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen werden müsste, könne den Tatbestand des § 298 StGB nicht erfüllen (MüKo-StGB/Hohmann aaO, Rn. 58; NK-StGB/Dannecker aaO, Rn. 51, 53). Das Schutzgut der Vorschrift, das Vertrauen des Einzelnen in den freien und fairen Wettbewerb, werde durch solche Angebote nicht berührt (MüKoStGB/Hohmann aaO, Rn. 58, 62), weil sie sich auf die Vergabeentscheidung von vornherein nicht auswirken und deshalb eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung nicht entfalten könnten (NK-StGB/Dannecker aaO). Andere Autoren stellen darauf ab, dass es sich bei § 298 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handele: Könne eine Gefährdung des Schutzgutes – dies sei bei vergaberechtlich auszuschließenden Angeboten der Fall – im Einzelfall nicht eintreten, sei eine Bestrafung verfassungsrechtlich nicht mehr legitim (Wiesmann aaO, S. 52, 68 ff. mwN); insoweit wird zudem vertreten, ein wesentliches Element der Strafwürdigkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen liege in der möglichen Schädigung oder Gefährdung des Vermögens der Ausschreibenden; könne dessen Gefährdung ausgeschlossen werden, müsse die Strafbarkeit entfallen (Otto, wistra 1999, 41, 42 f., 46).

Zu einer solchen – methodisch im Wege einer teleologischen Reduktion zu erreichenden (Wiesmann aaO, S. 68 ff.) – Auslegung besteht indes kein Anlass. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei § 298 StGB – mit Blick auf die Beeinträchtigung des Ausschreibungswettbewerbs – überhaupt um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt (aA LK/Tiedemann aaO, Rn. 9; MüKo-StGB/Hohmann aaO, Rn. 6 f.; NK-StGB/Dannecker aaO, Rn. 17: Verletzungsdelikt) und ob gegebenenfalls eine tatbestandliche Reduktion zulässig wäre (vgl. LK/Tiedemann aaO, Rn. 11 f.). Denn es trifft schon nicht zu, dass durch die Abgabe eines zwingend auszuschließenden Angebots das Rechtsgut des § 298 StGB nicht verletzt und nicht einmal gefährdet wird:

Die Vorschrift des § 298 StGB schützt zuvorderst den freien Wettbewerb; die Vermögensinteressen des Veranstalters (und gegebenenfalls der Mitbewerber) werden lediglich mittelbar in den Schutzbereich einbezogen. Insoweit hat sich der Gesetzgeber von vorangegangenen Reformvorschlägen, die einen Straftatbestand des Ausschreibungsbetrugs als abstraktes Gefährdungsdelikt im Vorfeld des Betruges vorgesehen und den Schutz des Vermögens des Veranstalters in den Vordergrund gerückt hatten, bewusst gelöst (BT-Drucks. 13/5584, S. 13). Der Zweck von Ausschreibungen besteht darin, dem Veranstalter durch Heranziehung von auf selbständiger und verantwortlicher Rechnung beruhenden Angeboten einen verlässlichen Überblick über die tatsächlich erforderlichen Aufwendungen und die Güte der dafür zu erwartenden Leistungen zu ermöglichen (BTDrucks. aaO, S. 12 f.). Daraus ergibt sich, dass bei einer Ausschreibung das nur vom freien Wettbewerb geprägte Verfahren die Grundlage des konkreten Preisbildungsprozesses darstellt. Dieser Prozess als realer Vorgang ist Angriffsobjekt der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen (LK/Tiedemann aaO, Rn. 9) und wird von ihnen auch betroffen, wenn ein darauf beruhendes Angebot wegen vergaberechtlicher Mängel nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. Darüber hinaus gilt Folgendes: Eine wettbewerbsbeschränkende, den Preisbildungsprozess betreffende Wirkung liegt bereits in der für Submissionsabsprachen typischen Wiederholung und allmählichen Steigerung der Angebotspreise in zukünftigen Vergabeverfahren (LK/Tiedemann aaO, Rn. 12; G/J/W/Böse aaO, Rn. 31; NK-StGB/Dannecker aaO, Rn. 18). Diese entsteht durch die Abgabe der abgesprochenen Angebote unabhängig davon, ob sie hätten ausgeschlossen werden müssen. Erst recht wird der Eintritt dieser Wirkung nicht dadurch gehindert, dass im konkreten Fall keine Vermögensschädigung eines Einzelnen eintritt (LK/Tiedemann aaO, Rn. 12; NK-StGB/Dannecker aaO, Rn. 18; Kuhlen in Festschrift für Lampe, 2003, 743, 751).

BGH 3 StR 167/13 – Beschluss vom 17. Oktober 2013 (LG Stade)

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