Ax Vergaberecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-vergaberecht.de

Woran Vergabeverfahren scheitern (1) – unklare Leistungsbeschreibungen

Woran Vergabeverfahren scheitern (1) – unklare Leistungsbeschreibungen

von Thomas Ax

Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Aus den Vergabeunterlagen muss für Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319 Rn. 7 – Parkhaus; BGH, Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn. 9 – Straßenausbau). Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (BGH, Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn. 9 – Straßenausbau).

Für die Leistungsbeschreibung ergibt sich dies ausdrücklich aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV, wonach der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben ist, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 – LKW-Mautsystem III). Infolge der übergeordneten Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB, die durch §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV für einen Teilbereich nur näher ausgeformt werden, gelten die für die Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen für andere Teile der Vergabeunterlagen entsprechend (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2018, VII-Verg 52/17, NZBau 2018, 563 Rn. 31).
Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera).
Es kommt nicht darauf an, wie der einzelne Bewerber die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 40 – BSI, sowie vom 5 November 2014, VII-Verg 21/14, BeckRS 2015, 11625; Lampert in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77).

Wie Mitbieter oder -bewerber die Vergabeunterlagen verstanden haben, kann für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters beziehungsweise Bewerbers von indizieller Bedeutung sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, X ZR 78/07, NZBau 2008, 592 Rn. 15 – BAB-Leiteinrichtungen; OLG Düsseldorf, Beschluss vom vom 13. Dezember 2017, VII- Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 – LKW-Mautsystem III; Lampert in Burgi/ Dreher, a. a. O.). Auf Abweichungen vom Üblichen ist hinzuweisen, da ein Bieter Ungewöhnliches grundsätzlich nicht erwarten muss (Lampert in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77).

Vor diesem Hintergrund wird bspw der durchschnittliche Bieter von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt beziehungsweise eine Selbstausführung vorgeschrieben wird. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist
diese zulässig, da nicht auf das Übliche – ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche – ihren Ausschluss – hingewiesen werden muss.

OLG Naumburg zur Frage der Zulässigkeit der Schätzung nach § 287 ZPO auch im Bereich der Vergütungshöhe

OLG Naumburg zur Frage der Zulässigkeit der Schätzung nach § 287 ZPO auch im Bereich der Vergütungshöhe

Eine Schätzung nach § 287 ZPO ist im Ausnahmefall auch im Bereich der Vergütungshöhe zulässig (hier: Höhe der Vergütung des Bauunternehmers, der Restleistungen im Rahmen einer Ersatzvornahme erbringt und abrechnet, bei unstreitiger Höhe des Einheitspreises und streitigem Aufmaß) mit der Maßgabe, dass lediglich die Mindestmengen der erbrachten Leistungen in Ansatz gebracht werden können.*)
OLG Naumburg, Urteil vom 22.12.2022 – 2 U 49/18 

Gründe

A.

Der Kläger begehrt Restwerklohn für in den Jahren 2000 und 2001 ausgeführte Elektroinstallationsarbeiten. Das beklagte Land verteidigt sich inzwischen ausschließlich mit Gegenforderungen, die sich überwiegend auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten richten, die es im Wege der Aufrechnung und nunmehr auch im Wege der Widerklage geltend macht, nachdem der vom beklagten Land gegen den Kläger geführte Rechtsstreit (10 O 1633/05) mit dem vorliegenden Rechtsstreit des Klägers verbunden worden ist.

Unter dem 26.11.1999 erteilte das beklagte Land dem Kläger den Auftrag für die Elektroinstallation in dem Bauvorhaben “Neubau ###” (Anlage K3, Bd. I Bl. 53 – 10 O 1633/05). Grundlage war das Angebot des Klägers vom 26.03.1999 nebst verpreistem Leistungsverzeichnis (Anlage K1, Anlagenordner I). Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Anlagen verwiesen. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B.

Im weiteren Verlauf unterbreitete der Kläger insgesamt 14 Nachtragsangebote, von denen das beklagte Land fünf ausdrücklich annahm. Insoweit wird auf die tabellarische Übersicht auf Seite 3 der Klageschrift (Bd. I Bl. 12) verwiesen.

Während der Ausführung der Arbeiten rügte das beklagte Land zahlreiche Mängel und sprach mehrere Teilkündigungen aus:

Hinsichtlich von Installationsleistungen an den Brüstungskanälen erhob das beklagte Land mit Schreiben vom 20.04.2001 (Anlage K 6 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 62 f) gegenüber dem Kläger eine Mängelrüge gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B. Dem Kläger wurde eine Frist bis zum 03.05.2001 gesetzt, bestimmte Mängel zu beseitigen, wobei auch auf frühere Mängelrügen Bezug genommen wurde. Bei einer Baustellenbegehung am 07.05.2001 war das beklagte Land der Auffassung, dass eine Vielzahl von Mängeln nicht beseitigt worden sei. Mit Schreiben vom 09.05.2001 (Anlage K 7 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 64 ff.) sprach das beklagte Land eine Teilkündigung hinsichtlich der Brüstungskanäle aus (Pos. 5.550-5.740 und 7.010-7.260 des LV).

Zur Beseitigung von diversen Mängeln hinsichtlich der Leitungsführung und ähnlichem im Keller und der Tiefgarage setzte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 26.04.2001 (Anlage K 8 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 70) eine Frist bis zum 09.05.2001. Eine weitere Mängelrüge erhob das beklagte Land mit Schreiben vom 08.05.2001 (Anlage K 9 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 71) unter Fristsetzung bis zum 10.05.2001. Unter Bezugnahme auf diese Mängelrügen sprach das beklagte Land mit Schreiben vom 15.05.2001 (Anlage K 10 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 72) eine Teilkündigung hinsichtlich der Montage der Elektroinstallation des Kellers, der Tiefgarage und der Unterverteilungen für die Pos. 5.010-5.740 und 2.010-2.370 aus dem Leistungsverzeichnis Starkstrom vom 25.03.1999 aus. Dem Schreiben war eine Mängelliste beigefügt (Bd. I Bl. 73-77 – 10 O 1633/05). Der Kläger führte keine Mängelbeseitigungsarbeiten aus.

Betreffend die Beleuchtung im Haupttreppenhaus und in den Nebentreppenhäusern forderte das beklagte Land den Kläger mit Fax vom 14.05.2001 (Anlage K 12 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 79) auf, diese kurzfristig zu komplettieren sowie die Funktionstüchtigkeit bis zum 15.05.2001 nachzuweisen. Mit Fax vom 16.05.2001 (Anlage K 13 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 80) wurde der Beklagte erneut aufgefordert, die Leistungen bis zum 17.05.2001 um 11:00 Uhr fertig zu stellen, da die Leuchtmittel im Treppenhaus fehlten.

Mit Schreiben vom 17.05.2001 (Anlage K 14 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 81) erklärte das beklagte Land, dass es wegen der Verweigerung der Fertigstellung durch den Kläger eine Drittfirma beauftrage, um die Objektübergabe nicht zu gefährden und größeren Schaden zu vermeiden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 14 verwiesen.

Am 17.05.2001 führten die Parteien einen Abnahmetermin zu den bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen des Klägers durch. Hierüber erstellte das beklagte Land eine “Teilabnahmebescheinigung”, der eine umfangreiche Mängelliste beigefügt wurde (Anlage K 29 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 122-130), auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

Unter dem 07.06.2001 erteilte das beklagte Land der St. Elektro GmbH (im Folgenden: Firma ###) den Auftrag (Anlage K 30 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 131), Nacharbeiten an der Elektroinstallation, zunächst zu einem Auftragsvolumen von 40.000,00 DM, zu erbringen. Auf der Grundlage von fünf Nachträgen erhöhte sich die Auftragssumme auf 168.278,52 DM.

Mit Schreiben vom 28.08.2001 (Anlage K 26 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 105) erklärte das beklagte Land eine Teilkündigung hinsichtlich der Teilleistung Außenbeleuchtung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 26 Bezug genommen.

Nach vorangegangenen Aufforderungen vom 31.07.2001 (K 16 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 86) und vom 03.08.2001 (K 17 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 88, 89) an den Kläger, seine Leistungen zur Integration des Rolltores in die Ampelanlage vertragsgerecht zu erbringen, erhob das Staatshochbauamt mit Schreiben vom 06.08.2001 (K 18 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 90) eine Mangelrüge vor Abnahme nach § 4 Nr. 7 VOB/B, da auch die Inbetriebnahme am 03.08.2001 trotz Vorliegens aller technischen Voraussetzungen gescheitert sei. Dem Kläger wurde eine Frist bis zum 16.08.2001 zur Vornahme einer mangelfreien Leistung gesetzt. Mit Faxschreiben vom Morgen des 24.08.2001 (K 19 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 91), wurde dem Kläger eine weitere Frist bis zum 24.08.2001, 13:00 Uhr, zur Behebung der noch auftretenden Fehler gesetzt. Mit Schreiben vom 30.08.2001 (Anlage K 20 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 93) erklärte das beklagte Land, dass es dem Kläger gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B den Auftrag der Montage der Ampelsteuerung entziehe. Der Steuerschrank mit Inhalt sei bis zum 07.09.2001 durch den Kläger zu entfernen. Die Ampeln, die Verkabelung, die Induktionsschleifen und die Säule für den Kartenleser würden Bestandteil der Elektroanlage und durch das beklagte Land übernommen.

Der Kläger legte unter dem 03.11.2001 gegenüber dem beklagten Land seine Schlussrechnung (Anlage K6, Anlagenband IV), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Unter Anrechnung von Zahlungen auf Abschlagsrechnungen errechnete der Kläger eine Forderung in Höhe von 263.245,45 DM.

Die Firma ### rechnete ihre unter dem 14.06.2002 abgenommenen Leistungen mit Schlussrechnung vom 19.06.2002 (Anlage K 33 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 138 ff.) in Höhe von 163.413,17 DM ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 33 Bezug genommen.

Unter dem 07.02.2003 erstellte das beklagte Land seinerseits eine Schlussrechnung über die Leistungen des Klägers (Anlage B 7, Anlagenband I). Ausgehend von einem darin geprüften Anspruch aus der Werklohnforderung des Klägers errechnete das beklagte Land unter Berücksichtigung von Gegenforderungen eine Überzahlung des Klägers in Höhe von 45.711,26 DM, entsprechend 23.371,80 €.

Am 03.02.2003 (Anlage K 60 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 194) erhob das beklagte Land eine Mängelrüge hinsichtlich von Funktionsstörungen der Schrankenanlage dahingehend, dass die Schranke zu zeitig schließe, so dass die Durchfahrt von Lkw nicht gewährleistet sei. Leistungen zu einer Schrankenanlage mit Ein- und Ausfahrtschranke gehörten zu den Leistungen des Klägers (Titel 9 des LV Positionen 9.010 ff., Anlagenordner I (blau) (1660/05)). Die Leistungen waren am 03.07.2001 abgenommen worden. Der Kläger lehnte die Mängelbeseitigung ab. Das beklagte Land beauftragte wiederum die Firma ### mit der Behebung der Mängel (Anlage K 63 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 198) aufgrund von deren Angebot (Anlage K 64 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 200). Die Firma ### führte die Arbeiten aus und stellte sie mit einem Betrag von 1.944,90 € netto in Rechnung (Anlage K 66 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 205 – 208), den das beklagte Land vom Kläger ersetzt verlangt.

Mit der nach Widerspruch im Mahnverfahren bei dem Landgericht Magdeburg eingereichten Anspruchsbegründung vom 24.06.2005 hat der Kläger Restwerklohn in Höhe von 133.754,83 € nebst Verzugszinsen sowie Zahlung von weiteren 11.070,49 € wegen einer zu Unrecht gezogenen Bürgschaft verlangt. Der Kläger hat sich hierzu auf seine Schlussrechnung vom 03.11.2001 (Anlage K6, Anlagenband IV) gestützt. Außerdem hat der Kläger die Erstattung des Betrages verlangt, den das beklagte Land im Wege der Durchsetzung einer Bürgschaft in Höhe von 21.651,00 DM (entsprechend 11.070,49 €) erzielt hat.

Das beklagte Land hat die Berechtigung des Werklohnanspruchs des Klägers weitgehend bestritten und – unter Bezugnahme auf den oben dargestellten vorprozessualen Schriftverkehr – wegen erheblicher Mängel der Werkleistung Gewährleistungsansprüche geltend gemacht und insbesondere die Erstattung von Mängelbeseitigungskosten verlangt.

Gegenüber der Abrechnung des Klägers in der Schlussrechnung vom 03.11.2001 (Anlage K 6) betreffend die Positionen 9.270 ff. (u.a. “Kabelgraben profilgerecht ausheben”, “Kabelschutzrohre”, “Erdkabel”) hat das beklagte Land außerdem behauptet, dass die diesbezüglichen Arbeiten des Klägers mangelhaft gewesen seien, weil die vom Kläger in einer Tiefe von nur 30 – 45 cm verlegten Kabel – unstreitig – nicht durch ein Stahlschutzrohr geschützt waren.

Hinsichtlich der Integration der Rolltoranlage in die Ampelsteuerung hat das beklagte Land im Wesentlichen behauptet, dass sich insbesondere im Ergebnis der fehlgeschlagenen Abnahmetermine herausgestellt habe, dass der Kläger fachtechnisch nicht in der Lage gewesen sei, die Rolltorsteuerung mit der Ampelsteuerung zu koordinieren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 21.12.2005 (Bd. III Bl. 17 ff. in 10 O 1633/05) Bezug genommen.

Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche für Trockenbau, Malerarbeiten und Reinigung hat das beklagte Land behauptet, dass der Kläger weitere Schäden verursacht habe. So seien Gipskartonplatten in verschiedenen Stockwerken durch nachträgliches Verlegen von Elektrokabeln beschädigt worden und hätten ausgewechselt werden müssen. Fehlbohrungen für Lichtschalter bzw. Steckdosen hätten geschlossen werden müssen, außerdem habe es Materialtransport und Schutträumung gegeben (Anlagen K 38 bis K 40 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 35 – 37). Am 12.03.2001 habe die Rasterdecke neu ausgerichtet werden müssen, da Angestellte des Klägers die Decken verschoben hätten (Anlage K 41 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 165). Insgesamt seien zur Schadensbeseitigung 51 Arbeitsstunden der Firma ### GmbH angefallen. Wegen der Beschädigungen der Gipskartonwände und Deckenbohrungen seien auch Malerarbeiten erforderlich gewesen, die durch die Firma ### Malerarbeiten GmbH in Stundenlohnarbeiten erbracht worden seien (Anlagen K 42-45a in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 168 ff.).

Wegen weiterer Einzelheiten zu den geltend gemachten Gegenforderungen des beklagten Landes wird insb. auf den Schriftsatz vom 21.12.2005, Bd. III Bl. 8 ff., 10 O 1633/05, verwiesen.

Der Kläger hat gegenüber den Mängelrügen, verzeichnet in den Anlagen K 9 und K 10, bestritten, dass seine Leistungen mangelhaft gewesen seien.

Gegenüber dem vom beklagten Land geltend gemachten Anspruch wegen mangelhafter Tiefbauarbeiten hat der Kläger behauptet, dass die Verlegung eines Stahlrohrs unfachmännisch gewesen wäre, zur Anwendung kämen hingegen ein Warnband oder Abdeckhauben aus Kunststoff oder Ton, Kunststoffrohre bzw. Kabelzugsteine und “oben drüber” das Warnband.

Gegenüber dem geltend gemachten Anspruch wegen Mehrkosten für die Dokumentation der Verteilungen, die die Fa. St. in ihrer Schlussrechnung unter Position 10.4.001 (Erstellen von Verteilerplänen) mit 3.180,00 DM netto abrechnete (Bd. I Bl. 152 in 10 O 1633/05), hat der Kläger behauptet, dass die Dokumentation seinerseits mit Inbetriebnahme der Verteilungen in den einzelnen Verteilungen hinterlegt worden seien. Außerdem sei eine vervollständigte Dokumentation fristgerecht am 25.05.2001 dem Staatshochbauamt übergeben worden. Hierbei habe es sich um eine Zusatzleistung gehandelt.

Gegenüber dem vom beklagten Land verlangten Ersatz von Mehrkosten wegen der Integration der Rolltoranlage hat der Kläger behauptet, dass seine Leistungen mangelfrei gewesen seien. Die aufgetretenen Probleme seien nicht vom Kläger zu verantworten, sondern einer mangelnden Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen Bauherr, Planer, Rolltorbauer, S., Industrie M. mit dem Kläger geschuldet. In einem Prozess vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen sei festgestellt worden, dass die Steuerung fehlerfrei laufe und somit fehlerfrei geliefert worden sei. Insoweit wird ergänzend auf den Vortrag in der Berufungsbegründung vom 22.06.2018, Bd. IX Bl. 194, 195, und die in Bezug genommenen Anlagen 11 und 12 (Bd. IX Bl. 77, 78) verwiesen.

Das Landgericht hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten des Sachverständigen ### vom 12.06.2007 (Anlagenband III) und vom 08.10.2008 (Bd. V Bl. 1 ff.).

Das beklagte Land hatte seinerseits einen Rechtsstreit gegen den Kläger vor dem Landgericht Magdeburg (Aktenzeichen 10 O 1633/05) angestrengt und Zahlung von 32.242,72 € verlangt. Nachdem über längere Zeit das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war, hat das Landgericht ebenfalls Beweis erhoben über Mängel der Werkleistung durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen ### und durch Vernehmung von Zeugen. Mit Beschluss vom 07.01.2013 (Bd. V Bl.119 in 10 O 1633/05) hat das Landgericht den Rechtsstreit wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung in dem vorliegenden Rechtsstreit (10 O 1660/05) ausgesetzt.

In diesem Rechtsstreit hat das Landgericht – auch unter Verwertung der Beweisaufnahme aus dem Rechtsstreit 10 O 1633/05 – am 22.11.2012 ein Urteil verkündet und die Klage abgewiesen (Bd. VI Bl. 2 ff.).

Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Naumburg mit Urteil vom 07.11.2014, Az. 10 U 58/12 (Bd. VI Bl. 194 ff.), das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 22.11.2012 einschließlich des Verfahrens aufgehoben, soweit das Landgericht die Klage im Umfang von 49.389,57 € nebst Verzugszinsen abgewiesen hatte. Insoweit ist das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden. Dabei hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass (wegen insoweit fehlender Berufungsangriffe des beklagten Landes) bindend festgestellt sei, dass der Kläger einen Werklohnanspruch in Höhe von 46.537,64 € habe. Zu überprüfen sei lediglich, ob der Kläger einen weitergehenden Anspruch in Höhe von 2.851,93 € habe. Außerdem ist das Verfahren zurückverwiesen worden, weil die Feststellungen des Landgerichts zu den Gegenansprüchen des beklagten Landes verfahrensfehlerhaft seien, u. a. wegen der Verwertung von Beweisergebnissen aus dem Rechtsstreit

10 O 1633/05.

Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht Beweis erhoben über die weitere Werk-lohnforderung des Klägers durch Vernehmung des Zeugen ###. Mit Beschluss vom 16.12.2015 (Bd. VII Bl. 49 f.) hat das Landgericht die beiden Verfahren 10 O 1660/05 und 10 O 1633/05 verbunden. Mit Beschlüssen vom 18.03.2016 und 28.12.2016 (Bd. VIII Bl. 66 ff.) hat das Landgericht wegen der Gegenforderungen des beklagten Landes die Einholung eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen ### angeordnet, das der Sachverständige unter dem 10.09.2017 erstattet hat (Bd. VIII Bl. 92 ff.).

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 49.389,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2001 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

sowie widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 32.242,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das beklagte Land hat gegenüber dem Kläger zusätzlich titulierte Restansprüche aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts Magdeburg vom 18.04.2016 und 19.04.2016, Az. 9 O 1538/01 (Anlagen B 74 und 75, Bd. IX Bl. 94 – 96), in Höhe von insgesamt 6.402,01 € geltend gemacht. Es hat wegen des behaupteten Gegenanspruchs die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung erklärt und die errechnete verbleibende Restforderung im Wege der Widerklage geltend gemacht.

Das Landgericht hat am 18.04.2018 das hier angefochtene Urteil verkündet. Darin hat es die Klage abgewiesen, weil der Kläger zwar einen Anspruch in Höhe von 49.389,57 € habe, dieser aber durch Aufrechnung mit den Gegenansprüchen des beklagten Landes erloschen sei. Das Landgericht hat Gegenansprüche des beklagten Landes in Höhe von insgesamt 56.209,32 € für begründet gehalten (gemäß Aufstellung auf Seite 27, 28 des angefochtenen Urteils, Bd. IX Bl. 133 f.) und den “überschießenden” Betrag von 6.819,75 € im Rahmen der Widerklage zugesprochen und sie im Übrigen abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das ihm am 24.04.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.05.2018 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22.06.2018, eingegangen am 24.06.2018, begründet.

Damit rügt der Kläger im Wesentlichen, dass das Landgericht auf seinen Vortrag zur Begründung der Klageforderung nicht hinreichend eingegangen sei und sich rechnerische Unstimmigkeiten insbesondere hinsichtlich der Gegenforderungen des beklagten Landes ergäben. Der Kläger wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag dazu, dass seine Leistungen nicht mangelhaft gewesen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 22.06.2018 (Bd. IX Bl. 186 ff.) sowie auf die ergänzenden Schriftsätze vom 03.10.2018 (Bd. X Bl. 31 f.), vom 29.11.2019 (Bd. X Bl. 156 ff., vom 11.05.2020 (Bd. XI Bl. 1 ff., vom 08.08.2021 (Bd. XI Bl. 94 ff. sowie vom 30.06.2022 (Bd. XI Bl. 116 ff.) Bezug genommen, in denen der Kläger auch der Anschlussberufung entgegen getreten ist.

Das beklagte Land hat mit Schriftsatz vom 30.08.2018 Anschlussberufung eingelegt, nachdem die Berufungserwiderungsfrist bis zum 30.08.2018 verlängert worden war. Mit der Anschlussberufung hat das beklagte Land zunächst beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Kläger zu einer Zahlung von weiteren 8.780,73 € nebst Verzugszinsen zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 20.01.2020 hat das beklagte Land seine Anschlussberufung in Höhe von 2.360,29 € zurückgenommen.

Das beklagte Land tritt der Berufung des Klägers entgegen und rügt mit der Anschlussberufung im Wesentlichen, dass dem beklagten Land weitergehende Gegenansprüche zustünden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anschlussberufungsschrift nebst Berufungserwiderung vom 30.08.2018 (Band X Bl. 16 ff.) sowie auf die weiteren Schriftsätze vom 08.01.2019 (Bd. X Bl. 33 f.), vom 20.01.2020 (Bd. X Bl. 198 ff.) und vom 15.06.2020 (Bd. XI Bl. 23) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 49.389,57 € nebst Verzugszinsen (wie oben) zu zahlen,

sowie die Widerklage abzuweisen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie im Wege der Anschlussberufung,

das Urteil des Landgerichts Magdeburg abzuändern und den Kläger auf die Widerklage zu verurteilen, an das beklagte Land weitere 6.420,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2005 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschlüssen vom 29.08.2019 und vom 08.04.2020 Hinweise erteilt und aufgrund Beweisbeschlusses vom 08.04.2020 ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ### eingeholt, das dieser unter dem 24.06.2021 erstattet hat und auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Parteien hatten jeweils Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Beschluss vom 20.10.2022 hat der Senat nach schriftlicher Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 11.11.2022 angeordnet.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg, während die zulässige Anschlussberufung des beklagten Landes im Ergebnis keinen Erfolg hat.

Im Ergebnis ist die Klage teilweise begründet. Der vom Landgericht im angefochtenen Urteil festgestellte Anspruch des Klägers auf Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 49.389,57 €, der auch mit der Anschlussberufung des beklagten Landes nicht angegriffen worden ist, ist in Höhe von 47.934,93 € gemäß § 389 BGB erloschen, da das beklagte Land mit Gegenforderungen in dieser Höhe wirksam aufgerechnet hat. Der Kläger hat einen Restwerklohnanspruch in Höhe von 1.454,64 €.

Die Widerklage des beklagten Landes ist unbegründet.

I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

1. Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, dass sein Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 19.03.2018 auf Zahlung von 84.392,26 € nebst Zinsen vom Landgericht fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sei.

Maßgeblich ist der Antrag, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2018 gestellt hat, nämlich auf Zahlung von 49.389,57 € nebst Zinsen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dieser Antrag auch sachgerecht war, da das Oberlandesgericht mit Urteil vom 07.11.2014 das Urteil nur in diesem Umfang aufgehoben und zurückverwiesen hatte und die Klage darüber hinaus rechtskräftig abgewiesen war; der weitergehende Antrag im Schriftsatz vom 19.03.2018 wäre deshalb unzulässig gewesen.

2. Die Berufung hat teilweise Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Landgericht dem beklagten Land einen Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten (Stundenlohnarbeiten) in Höhe von 32.489,72 € zuerkannt hat (Seite 15, 16 des angefochtenen Urteils).

Denn dem beklagten Land steht nur ein Anspruch in Höhe von 18.927,41 € zu.

a) Die Berufung hat im Umfang von 7.458,00 DM (entsprechend 3.813,21 €) und 558,16 DM (entsprechend 285,38 €) Erfolg, weil dem beklagten Land ein Betrag von 32.489,72 € zuerkannt, dieser Betrag aber vom beklagten Land für Stundenlohnarbeiten gar nicht gefordert worden ist. Das beklagte Land hat aufgrund der Hinweise des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2005 seine Gegenforderung für den Komplex Verteilungen und Kellerinstallationen im Schriftsatz vom 21.12.2005 (in 10 O 1633/05) nochmals begründet. Dort wird zwar die Summe von 63.544,36 DM errechnet, die den dem zuerkannten Betrag von 32.489,72 € entspricht. In dieser Summe sind aber nur 55.528,20 DM für Stundenlohnarbeiten enthalten, während sich ein Betrag von 7.458,00 DM auf Mehrkosten für (weitere) Mängelbeseitigungsarbeiten an den Verteilungen bezieht und ein weiterer Betrag von 558,16 DM für Mängelbeseitigungsarbeiten an den Installationen. Über diese beiden Teilbeträge hat das Landgericht – auch nochmals – gesondert entschieden (Seite 16: Titel 02 Pos. 01 bzw. Seite 19: Titel 02 Pos. 04), weshalb die Teilbeträge in Höhe von insgesamt 4.098,59 € an dieser Stelle nicht zu berücksichtigen und herauszurechnen sind. Hierzu hat der Senat sowohl im Beschluss vom 29.08.2019 als auch im Beschluss vom 08.04.2020 Hinweise erteilt, denen das beklagte Land nicht mehr entgegen getreten ist.

b) Hinsichtlich des verbleibenden Betrages von 55.528,20 DM (entsprechend 28.391,12 €) hat die Berufung teilweise Erfolg.

Das beklagte Land hat einen Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 i. V. m. § 4 Nr. 7 VOB/B 1998 in Höhe von insgesamt 18.927,41 € in der Folge der wirksamen Teilkündigungen vom 15.05.2001 (Anlage K 10 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 72) und vom 09.05.2001 (Anlage K 7 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 64 ff.).

aa) Die Parteien haben die Geltung der VOB/B vereinbart. Einschlägig ist die VOB/B in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. April 1998 (BAnz 6414), die vom 14.04.1998 bis zum 31.01.2001 in Kraft war, da der streitgegenständliche Auftrag Nr. 1983/99 am 26.11.1999 erteilt wurde.

Das BGB ist gemäß Art. 229 § 5 EGBGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden; die im Urteil genannten Vorschriften beziehen sich auf diese Fassung des BGB.

bb) Das beklagte Land hat dem Kläger den Auftrag gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr. 7 VOB/B 1998 für die Montage der Elektroinstallation des Kellers, der Tiefgarage und der Unterverteilungen der Positionen 5.010 – 5.740 und 2.010 – 2.370 aus dem Leistungsverzeichnis durch die Teilkündigung vom 15.05.2001 (Anlage K 10 – 10 O 1633/05) wirksam entzogen.

Eine Auftragsentziehung nach § 4 Nr. 7 VOB/B 1998 setzt voraus, dass die Leistungen des Auftragnehmers schon während der Ausführung als mangelhaft erkannt werden und der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt und erklärt hat, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe.

(1) Die Werkleistungen des Klägers waren mangelhaft.

Dass die Mängel an den genannten Werkleistungen, wie sie in den Schreiben des beklagten Landes vom 26.04.2001 (Anlage K 8 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 70) und vom 08.05.2001 (Anlage K 9 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 71) gerügt worden sind, vorhanden waren, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des 1. Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Das Landgericht hat seine Überzeugung auf die Aussage des Zeugen ### in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2011 sowie auf das Gutachten des Sachverständigen ### vom 25.11.2011 und seine Erläuterungen in der Sitzung vom 21.03.2012 gestützt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden; insbesondere hat es die Aussage des Zeugen ###, der das Vorliegen der Mängel aus Sicht des Landgerichts nachvollziehbar bestätigt hat, sowie die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen ### zutreffend wiedergegeben und rechtsfehlerfrei gewürdigt.

(2) Das beklagte Land hat dem Kläger mit den Schreiben vom 26.04.2001 (Anlage K 8) und vom 08.05.2001 (Anlage K 9) erfolglos Fristen zur Mängelbeseitigung, zuletzt bis zum 10.05.2001, gesetzt und die Auftragsentziehung angedroht.

cc) Das beklagte Land hat dem Kläger den Auftrag auch in Bezug auf die Leistungen im Zusammenhang mit den Brüstungskanälen laut Mängelliste aus der Begehung vom 07.05.2001 gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr. 7 VOB/B 1998 durch die Teilkündigung vom 09.05.2001 (Anlage K 7 – 10 O 1633/05) wirksam entzogen.

(1) Auch diese Werkleistungen des Klägers waren mangelhaft.

Dass die Mängel an den genannten Werkleistungen, wie sie im Schreiben des beklagten Landes vom 20.04.2001 (Anlage K6 in 10 O 1633/05, Band I Bl. 62) gerügt worden sind, vorhanden waren, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt.

Auch hier ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, weil die o.g. Voraussetzungen vorliegen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Zeuge ### hat in der Sitzung vom 14.09.2011 ausführlich zu den in der Anlage K 6 enthaltenen Mängeln an den Brüstungskanälen ausgesagt und diese umfänglich bestätigt. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen ### in dessen Gutachten vom 10.09.2017. Der Sachverständige hat auch dazu Stellung genommen, dass diese Mängel nicht auf Ausschreibungsfehler, sondern auf Montagefehler zurückzuführen seien. Diese Beweiswürdigung hat der Kläger nicht substantiiert angegriffen, so dass keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen bestehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

(2) Das beklagte Land hat dem Kläger mit Schreiben vom 20.04.2001 (Anlage K 6) eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 03.05.2001 erfolglos gesetzt, da bei der Baustellenbegehung vom 07.05.2001 festgestellt worden ist, dass die Mängel nicht beseitigt worden waren. Außerdem ist die Auftragsentziehung angedroht worden.

dd) Aufgrund der wirksamen Auftragsentziehungen war das beklagte Land berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Klägers durch einen Dritten ausführen zu lassen.

Das beklagte Land hat jedoch nicht bewiesen, dass Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 55.528,20 DM (entsprechend 28.391,12 €) entstanden sind. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Landgericht und der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme aufgrund Beweisbeschlusses vom 08.04.2020 kann nur von Kosten für die Beseitigung der von den genannten Teilkündigungen betroffenen Mängel in Höhe von 37.018,80 DM, entsprechend 18.927,41 €, ausgegangen werden.

Denn auch aufgrund der ergänzenden Beweisaufnahme durch Erstattung eines weiteren Gutachtens des Sachverständigen ### lässt sich der erforderliche Betrag zur Mängelbeseitigung (betreffend die Stundenlohnarbeiten) nicht exakt feststellen.

(1) Der Sachverständige ### hat in seinem Gutachten vom 24.06.2021 ausgeführt, dass er davon ausgehe, dass die Stundenlohnarbeiten der Firma ###, die in der Anlage B 72 (Bd. VIII Bl. 45-48) genannt seien, für die Beseitigung der Mängel gemäß den Mängelrügen vom 26.04.2001 und vom 08.05.2001 (Anlagen K 8 und K 9) an den Verteilungen und Kellerinstallationen erforderlich gewesen seien. Allerdings könne er die tatsächlich geleisteten Stunden im Nachhinein nicht kontrollieren, da entsprechende Unterlagen fehlten und auch mit hohen Wahrscheinlichkeit nicht mehr eingeholt werden könnten, da vorgeschriebene Aufbewahrungsfristen überschritten seien.

Hinsichtlich der Mängel der Werkleistungen des Klägers gemäß der Mängelrüge vom 20.04.2001 (Anlage K 6) an den Brüstungskanälen hat der Sachverständige ausgeführt, dass die in den Anlagen B 72 und K 75 genannten Arbeiten mindestens zur Beseitigung der Mängel erforderlich gewesen seien, wobei bei weitem nicht alle Mängel behoben worden seien. Auch hier könne er zwar die angegebenen Stunden (der Firma ###) nicht konkret nachberechnen, er schätze jedoch ein, dass die Anzahl der abgerechneten Stunden gerechtfertigt sei.

Insgesamt hat der Sachverständige zwar die vom beklagten Land geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 55.528,80 DM als gerechtfertigt angesehen. Denn es seien bei weitem nicht alle Mängel behoben worden und für eine Behebung der gesamten Mängel wären weitaus höhere Kosten entstanden.

Mit den vom Kläger konkret erhobenen Einwendungen, dass ein Teil der genannten Stundenlohnarbeiten der Firma ### dazu gedient habe, spätere Auftragserweiterungen oder Arbeiten auszuführen, die nicht zum Leistungssoll des Klägers gehört hätten, hat sich der Sachverständige nicht auseinandergesetzt.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar begründet, dass ihm genauere Angaben nicht möglich seien, da er das streitgegenständliche Objekt, den Neubau des ###, erstmals bei seinen Vorortterminen am 12.03.2007 bis zum 15.03.2007 gesehen habe, also fast 6 Jahre, nachdem der Auftrag dem Kläger entzogen worden war und immerhin 4 Jahre, nachdem die Firma ### ihre Arbeiten beendet hatte. Schon damals hätten Schwierigkeiten in der Begutachtung bestanden, da nach den einzelnen Teilkündigungen gegenüber dem Kläger keine Vor-Ort-Bestandsaufnahmen stattgefunden hätten. Dies lasse sich nicht mehr nachholen.

(2) Die Beweislast für die bei der Fertigstellung der Leistung durch einen Dritten entstandenen Kosten trifft das beklagte Land. Es wäre auch Sache des beklagten Landes gewesen, eine ordnungsgemäße Dokumentation hinsichtlich der von der Firma ### vorgenommenen Mängelbeseitigungsarbeiten vorzunehmen, der im Einzelnen zu entnehmen gewesen wäre, welche Mängel mit welchem Aufwand beseitigt worden sind. Einzelheiten hierzu lassen sich indes den vorgelegten Unterlagen, insbesondere den Rechnungen der Firma ### und den ergänzend gefertigten Anlagen K 75 und B 72, nicht entnehmen. Deswegen lassen sich keine exakten Feststellungen mehr treffen, wie der Sachverständige ### plausibel und nachvollziehbar ausgeführt hat.

(3) Der von der Firma ### berechnete Stundensatz von 56,20 DM ist allerdings ortsüblich und angemessen gewesen, wie der Sachverständige ### in seinem Gutachten vom 24.06.2021, Seiten 10 und 11, plausibel und nachvollziehbar ausgeführt hat. Der Sachverständige hat den Stundensatz der Firma ### nicht nur mit denen der Firma ### verglichen, sondern auch mit denen eines anderen kleineren Unternehmens (### GmbH aus ###), die ebenfalls rund 10 % über den Preisen der Firma ### lagen. Eine Überhöhung des von der Firma ### geltend gemachten Stundensatzes liegt damit nicht vor.

(4) Die Schwierigkeiten bei der Feststellung der exakten Stundenzahl führen indes nicht dazu, dass dem beklagten Land überhaupt kein Ersatzanspruch zusteht. Denn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und nach dem gesamten Akteninhalt steht fest, dass die Werkleistungen des Klägers mangelhaft gewesen sind und dass durch die Firma ### erhebliche Leistungen zur Fertigstellung erbracht worden sind.

Die aus der Beweisaufnahme erlangten Erkenntnisse bieten dem Senat eine ausreichende Grundlage für eine Schätzung nach § 287 ZPO, die auch im Bereich einer vertraglichen Vergütung im Ausnahmefall mit der Maßgabe zulässig ist, dass lediglich das Mindestmaß der erbrachten Teilleistungen in Ansatz gebracht wird (z.B. Senatsurteil vom 19.02.2020, 2 U 177/12; BGH, Urteil vom 23.09.2004, VII ZR 173/03). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor, weil aufgrund der Schwierigkeiten im Bauablauf, zu denen auch der Kläger nicht unerheblich beigetragen hat, ein nachträgliches Aufmaß nicht mehr möglich ist.

Der Senat hält es für geboten, einen Mindestbetrag zu schätzen, der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mindestens angefallen ist. Der Sachverständige ist davon ausgegangen, dass sogar der gesamte geltend gemachte Betrag von 55.528,80 DM angefallen sei, da noch nicht einmal alle Mängel beseitigt worden seien. Das erscheint dem Senat unter Berücksichtigung der Unsicherheiten hinsichtlich der Tatsachenfeststellung durch den Sachverständigen zu weitgehend. In Anbetracht der Vielzahl von Mängeln hält der Senat jedoch einen Betrag in Höhe von 2/3 der geltend gemachten Kosten für angemessen, mithin einen Betrag von 37.018,80 DM, entsprechend 18.927,41 €.

ee) Das beklagte Land konnte sich zur Begründung der geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten (Stundenlohnarbeiten) indes nicht auf Mängel stützen, die der Teilkündigung vom 17.05.2001 (K14) zugrundelagen. Diese Teilkündigung bezog sich auf die fehlende Fertigstellung der Treppenhaus- und Flurbeleuchtung.

Es fehlt jedoch seitens des beklagten Landes an einer konkreten Beschreibung der Mängel, die dieser Teilkündigung zugrunde lagen und die durch die Fa. ### im Rahmen der Stundenlohnarbeiten beseitigt worden sind. Aus den Anlagen K 11 bis K 13 ergibt sich nichts Konkretes, was – durch Sachverständigengutachten – hätte darauf überprüft werden können, ob die in den Anlagen K 75 und B 72 aufgeführten Arbeiten der Fa. ### der Beseitigung dieser Mängel gedient haben. Deshalb hat der Senat insoweit von einer ergänzenden Beweisaufnahme abgesehen. Den diesbezüglich mit Beschluss vom 08.04.2020 erteilten Hinweisen ist das beklagte Land nicht entgegen getreten.

ff) Die übrigen Angriffe des Klägers gegenüber diesem Teilanspruch des beklagten Landes haben keinen Erfolg. Insoweit wird auf die ausführlichen Hinweise des Senats im Beschluss vom 29.08.2019, Seiten 4 – 6, Bezug genommen.

3. Die Berufung des Klägers hinsichtlich der vom Landgericht festgestellten Gegenforderung in Höhe von 1.436,23 € zu Titel 02 Position 02 (Leuchtmittel und Mängelbeseitigung Flurbeleuchtung) hat teilweise Erfolg.

Das beklagte Land hat lediglich einen Anspruch in Höhe von 1.468,70 DM, entsprechend 750,94 €.

Der Anspruch folgt aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 5 Nr. 3 und 4 VOB/B 1998. Nach § 5 Nr. 4 VOB/B 1998 kann ein Auftrag entzogen werden, wenn dem Auftragnehmer zur Vertragserfüllung eine angemessene Frist gesetzt worden ist, wenn er mit der Vollendung in Verzug gerät oder Arbeitskräfte, Geräte etc (Nr. 3) so unzureichend sind, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Das beklagte Land forderte den Kläger mit Faxschreiben vom 14.05.2001 (Anlage K 12 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 79) und vom 16.05.2001 (Anlage K 13 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 80) erfolglos auf, die Beleuchtung im Haupttreppenhaus und in den Nebentreppenhäusern kurzfristig zu komplettieren sowie die Funktionstüchtigkeit bis zum 15.05.2001 nachzuweisen. Mit Schreiben vom 17.05.2001 (Anlage K 14 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 81) erklärte das beklagte Land, dass es wegen der Verweigerung der Fertigstellung durch den Kläger eine Drittfirma beauftrage, um die Objektübergabe nicht zu gefährden und größeren Schaden zu vermeiden.

Es steht auch fest, dass die Leuchtmittel fehlten. Das Landgericht hat seine Überzeugung insoweit fehlerfrei auf die Aussage des Zeugen ### in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2011 (Bd. IV Bl. 77, 78 in 10 O 1633/05) gestützt, woran der Senat gemäß § 529 ZPO gebunden ist. Außerdem hat der Kläger selbst vorgetragen, dass die Leuchtmittel entwendet worden seien, so dass das Fehlen inzwischen unstreitig geworden ist. Vor Abnahme trägt indes grundsätzlich der Kläger das Risiko des Abhandenkommens. Jedenfalls hat er nichts dazu vorgetragen, warum das beklagte Land für das Abhandenkommen verantwortlich sein sollte. Dass das Fehlen der Leuchtmittel in der Mängelliste zum Teilabnahmeprotokoll vom 17.05.2001 (Anlage K 29 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 122) nicht ausdrücklich enthalten ist, ist unschädlich. Dass das beklagte Land das Fehlen immer wieder gerügt hat, ergibt sich hinreichend aus den Anlagen K 12 und K13.

Das beklagte Land hat aber lediglich einen Fertigstellungsaufwand in Höhe von 750,94 € nachgewiesen. Denn aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen ### vom 25.11.2011, Seite 8, ist das Nichtvorhandensein von 95 Leuchtmitteln nachgewiesen. Der Sachverständige hat pro Leuchte einen Einheitspreis von 15,46 DM als angemessen angesetzt, wonach sich ein Betrag von 1.468,70 DM, entsprechend 750,94 € errechnet.

4. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, soweit er sich gegen die Gegenansprüche des beklagten Landes auf Mängelbeseitigung und Minderung in Bezug auf die Brüstungskanäle (Titel 02. Position.03, Seite 18 des angefochtenen Urteils) wendet.

a) Der Anspruch des beklagten Landes auf Erstattung von Mängelbeseitigungskosten i.H.v. 2.182,44 DM, entsprechend 1.115,86 €, folgt aus § 8 Nr. 3 i.V.m. § 4 Nr. 7 VOB/B 1998.

Das beklagte Land hat, wie bereits unter 2. b) cc) ausgeführt, dem Kläger den Auftrag auch in Bezug auf die Leistungen im Zusammenhang mit den Brüstungskanälen durch die Teilkündigung vom 09.05.2001 (Anlage K 7 in 10 O 1633/05) wirksam entzogen.

Die Höhe der Mängelbeseitigungskosten von 1.115,86 € hat das Landgericht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen ### vom 25.11.2011 (in 10 O 1633/05) zutreffend als bewiesen angesehen. Der Sachverständige hat nach seinen Ausführungen die Rechnung der Firma ### überprüft. Er hat keine unberechtigten Positionen und Preise festgestellt. Auch wenn der Sachverständige weiter ausgeführt hat, dass er nach so vielen Jahren nicht mehr feststellen könne, ob die einzelnen Mengen und Materialien laut Rechnung mit den tatsächlichen Materialien und Mengen zu 100 % identisch seien, sind seine Ausführungen insoweit angesichts der vergleichsweise moderaten Kosten trotz der Vielzahl von festgestellten Mängeln ausreichend.

Soweit der Kläger meint, dass die Anlagen K 6 und K 7 durch die Anlagen K 8 und K 9 “entkräftet” bzw. “aufgehoben” würden, verkennt er, dass es jeweils um verschiedene Leistungen des Klägers geht, die getrennt betrachtet worden sind, jeweils erhebliche Mängel festgestellt worden sind, aufgrund derer verschiedene Teilkündigungen (Anlagen K 7 und K 10) ausgesprochen worden sind.

b) Das beklagte Land hat auch den geltend gemachten Anspruch auf Minderung des Werk-lohns in Höhe von 6.000,00 DM, entsprechend 3.067,75 €, der sich aus § 13 Nr. 6 VOB/B 1998 i.V.m. §§ 634 Abs. 1 und 4, 472 Abs. 1 BGB a. F. ergibt.

Das beklagte Land hat sich entschieden, die o.g. Mängel an den Brüstungskanälen durch die Fa. ### nur teilweise abstellen zu lassen und die Vergütung des Klägers im Übrigen zu mindern. Die Unzumutbarkeit der kompletten Mängelbeseitigung hat das beklagte Land schlüssig dargelegt, weil es erforderlich gewesen wäre, sämtliche Brüstungskanäle auszubauen und durch neue zu ersetzen; dies ist aber aus Zeit- und Kostengründen nicht möglich gewesen.

Zur Berechnung der Minderung gemäß § 634 Abs. 4 i. V. m. § 472 Abs. 1 BGB a.F. hat das beklagte Land den Vergütungsanspruch des Klägers für die Position 05.610 als Ausgangspunkt gewählt, allerdings in reduzierter Höhe von 36.140,37 DM gemäß der vom beklagten Land selbst aufgestellten Schlussrechnung.

Der Sachverständige ### hat in seinem Gutachten vom 25.11.2011 bestätigt, dass die vom beklagten Land vorgenommene Minderung um 1/6 angemessen ist. Nach seinen Ausführungen wäre sogar ein Komplettaustausch der Brüstungskanäle nötig gewesen. Deshalb wird der Kläger durch diese Vorgehensweise des beklagten Landes keinesfalls benachteiligt, weil er i. E. rund 30.000,00 DM Vergütung für eine Leistung erhält, die nach den Ausführungen des Sachverständigen ### unbrauchbar gewesen ist.

Dem Minderungsanspruch steht auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass zunächst bestimmte Mengen und Massen in der Rechnungsprüfung des beklagten Landes als ausgeführt angesehen wurden. Dies hindert das beklagte Land nicht daran, Mängel der Leistung zu rügen und Rechte daraus geltend zu machen.

5. Gegenüber dem vom Landgericht zugesprochenen Ersatzanspruch hinsichtlich der zusätzlichen Kosten für den Tiefbau in Höhe von 6.412,51 DM netto, entsprechend 3.278,66 €, hat die Berufung in geringem Umfang Erfolg.

a) Das beklagte Land hat einen Anspruch aus § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B lediglich in Höhe von 5.612,74 DM, entsprechend 2.869,75 €, für Mangelerkundungskosten.

aa) Einen Mangel der Werkleistung des Klägers hat das beklagte Land schlüssig dargelegt. Denn es ist mittlerweile unstreitig, dass die vom Kläger in einer Tiefe von nur 30-45 cm verlegten Kabel nicht durch ein Stahlschutzrohr geschützt waren, wie es das beklagte Land gegenüber der Abrechnung des Klägers in der Schlussrechnung vom 03.11.2001 (Anlage K 6) betreffend die Positionen 9.270 ff. (u.a. “Kabelgraben profilgerecht ausheben”, “Kabelschutzrohre”, “Erdkabel”) behauptet hat.

Demgegenüber ist das Bestreiten des Klägers unsubstantiiert und deshalb unbeachtlich. Der Kläger hat zwar behauptet, dass die Verlegung eines Stahlrohrs unfachmännisch gewesen wäre, sondern Abdeckhauben aus Kunststoff oder Ton, Kunststoffrohre bzw. Kabelzugsteine und “oben drüber” das Warnband zur Anwendung kämen. Nicht hinreichend ausgeführt hat jedoch der Kläger, wie er die Leistung konkret ausgeführt hat, also welche Schutzmaßnahmen er vorgenommen haben will, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger überhaupt Schutzmaßnahmen getroffen hat.

bb) Durch den Mangel ist dem beklagten Land ein Schaden in Höhe der Kosten für die Mangelsuche entstanden.

Das beklagte Land war berechtigt, die Ursache für den Mangel der nicht funktionierenden Außenbeleuchtung durch die Fa. ### erkunden zu lassen. Da dem Kläger die Fortführung der Leistungen für die Außenbeleuchtung entzogen worden war und die Leistungen von der Fa. ### fertig gestellt worden waren, hätte auch die Fa. ### für die Mängelbeseitigung verantwortlich sein können. Im Zuge der Fehlersuche stellte sich dann eine Beschädigung der durch den Kläger verlegten Leitungen heraus, die ihre Ursache in dem – zu unterstellenden – fehlenden Schutz der Leitungen hatte.

Eine vorherige Fristsetzung gegenüber dem Kläger war wegen der dargestellten Umstände entbehrlich.

cc) Mit seiner Berufung behauptet der Kläger nur noch, dass es sich bei den geltend gemachten Positionen des Titels 04 der Rechnung der Fa. ### (Anlage K 33) um Arbeiten handele, die zur für die Ausführung der Leistungen des Titels 10.3 erforderlich gewesen seien. Diesem Vortrag fehlt es ersichtlich an Substanz.

dd) Mangels substantiierten Bestreitens des Klägers ist ein Anspruch des beklagten Landes hinsichtlich der Rechnungspositionen 04.001 bis 04.005 und 04.008 und 04.010, die für die Fehlersuche aufgewendet werden mussten, zu bejahen. Dies ergibt einen Gesamtbetrag von insgesamt 5.612,74 DM, entsprechend 2.869,75 €.

b) Keinen Anspruch hat das beklagte Land hingegen hinsichtlich der eigentlichen Mängelbeseitigungskosten aus § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B. Dies betrifft die Pos. 04.006 (658,02 DM) und 04.007 (141,75 DM) aus der Rechnung der Fa. ### Anlage (Anlage K 33), die das Anbringen des Kabelschutzes und des Trassenwarnbandes betreffen.

Denn insoweit fehlt es jedenfalls an einer Aufforderung an den Kläger, die bei der Aufgrabung festgestellten Mängel an der Werkleistung des Klägers zu beseitigen. Das beklagte Land hat eine solche nicht vorgetragen, auch nicht innerhalb der selbst erbetenen Frist. Auch die Entbehrlichkeit einer solchen Fristsetzung ist nicht dargetan. Insoweit wird auf die Hinweise im Senatsbeschluss vom 29.08.2019 Bezug genommen.

6. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gegenüber dem vom Landgericht zugesprochenen Ersatzanspruch für die Überarbeitung der Dokumentation (Titel 10 Pos. 04) in Höhe von 2.688,80 DM (entsprechend 1.374,76 €).

Der Anspruch des beklagten Landes ergibt sich aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B 1998. Die Teilkündigung vom 15.05.2001 (Anlage K 10, in 10 O 1633/05) wegen der Mängel an den Verteilungen und Kellerinstallationen ist wirksam erklärt worden, wie bereits oben unter Ziff. 2 b) bb) ausgeführt worden ist.

Da aufgrund der Beweisaufnahme von mangelhaften Leistungen des Klägers bei den Verteilungen auszugehen ist, musste neben der Beseitigung der Mängel auch die entsprechende Dokumentation nachgebessert werden. Zur Mangelhaftigkeit der Leistungen hinsichtlich der Verteilungen hat der Sachverständige ### in seinem Gutachten vom 12.06.2007 (Seiten 7 und 8) ausgeführt, dass die Verteilungen grob mangelhaft gewesen seien und es an notwendigen Prüfprotokollen, Übersichtsschaltplänen und Stücklisten gefehlt habe.

Das Landgericht hat dem beklagten Land auch nur die von der Fa. ### unter der Pos. 10.4.001 abgerechnete Dokumentation zu den Verteilerplänen zuerkannt, nicht hingegen die Überarbeitung von Installationsplänen (Position 10.4.002).

Soweit der Kläger bemängelt, dass ausweislich der Schlussrechnung vom 19.06.2002 (Anlage K 33 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 138 ff.) die Firma ### 3.180,00 DM, entsprechend 1.645,91 €, verlangt habe und die Zahlenangaben im Urteil mit der Schlussrechnung nicht übereinstimmten und eine korrekte Aufklärung nicht erfolgt sei, verkennt er, dass Landgericht dem beklagten Land einen geringeren Betrag, nämlich nur 1.374,76 €, zuerkannt hat, weil es von dem Rechnungsbetrag den vom Kläger im verpreisten Grund-LV genannten Betrag von 491,20 DM abgezogen hat, woraus sich wiederum ergibt, dass nur die Mehrkosten vom Kläger verlangt worden sind, auf die das beklagte Land einen Anspruch hat.

7. Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg hinsichtlich des vom Landgericht zugesprochenen Ersatzanspruchs wegen der mangelhaften Integration der Rolltoranlage in die Gesamtsteuerung der Ein-/Ausfahrt der Tiefgarage in Höhe von 2.910,97 DM (entsprechend 1.488,36 €).

Anspruchsgrundlage für den Mehrkostenanspruch des beklagten Landes ist wiederum § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/B 1998.

a) Das beklagte Land hat dem Kläger gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr. 7 VOB/B 1998 den Auftrag für die Montage der Ampelanlage nebst Steuerschrank durch die Teilkündigung vom 30.08.2001 (Anlage K 20, Bd. I Bl. 93 in 10 O 1633/05) wirksam entzogen.

aa) Die Werkleistungen des Klägers waren mangelhaft.

(1) Der Kläger hat im Rechtsstreit zugestanden, dass er die Leistungen hinsichtlich der Einbindung des Rolltors übernommen hat. Dass die Einbindung des Rolltors bis zur Teilkündigung vom 30.08.2001 nicht mangelfrei funktioniert hat, ist unstreitig. Der Kläger hat zwar in der Klageerwiderung vom 12.08.2005 (Bd. II Bl. 1 ff.in 10 O 1633/05) Bedenkenanmeldungen erwähnt. Es kann jedoch nicht nachvollzogen werden, inwieweit sich aus diesen Bedenkenanmeldungen, die nicht weiter substantiiert worden sind, Gründe ergeben sollen, warum die Integration des Rolltors nicht gelingen konnte.

(2) Das Landgericht hat das Vorliegen von Mängeln aufgrund der Aussage des Zeugen ### in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2011 (Bd. IV Bl. 89 f. in 10 O 1633/05) rechtsfehlerfrei festgestellt. Das beklagte Land hat seine Behauptung, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, die Rolltorsteuerung in die Ampelsteuerung zu integrieren, bewiesen.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des 1. Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Der Zeuge ### hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2011 die Mängel im Einzelnen nachvollziehbar und plausibel beschrieben. Er hat ausgesagt, dass der vorgegebene Algorithmus nicht funktioniert habe. Der jeweilige Berechtigte habe mit einer Benutzerkarte die Rolltoranlage aktivieren sollen, dann habe sich die Ampel auf Grün schalten sollen und wenn die Ampel auf Grün gestanden habe, habe das Rolltor offen sein sollen. Dies habe nie funktioniert, so sei z.B. die Ampel grün gewesen, das Rolltor jedoch noch geschlossen. Die Firma ###, die den Schaltschrank gestellt habe, habe sich beschwert, dass Elemente gefehlt hätten. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen, die Rolltoranlage in die Gesamtsteuerung zu integrieren.

(3) Die Einwendungen des Klägers in der Berufungsinstanz bleiben ohne Erfolg.

(a) Soweit der Kläger die Aussage des Zeugen ### vom 14.09.2011 für falsch hält, weil er erklärt habe, dass die Firma ### nicht mit der Steuerung beauftragt gewesen sei, dies aber widerlegt werde durch die Anlagen K 17 und K 48 bis K 52, wird hierdurch kein Fehler im Urteil dargestellt. Zum einen hat sich das Landgericht auf diesen Teil der Aussage gar nicht bezogen. Zum anderen ist aus den vom Kläger genannten Anlagen ersichtlich, dass die Firma ### offenbar eingeschaltet worden ist, um die eigentlich dem Kläger obliegenden Leistungen hinsichtlich der Steuerung des Rolltors auszuführen. Von daher ist es aber durchaus richtig, dass die Firma ### nicht mit der Steuerung beauftragt worden war, sondern erst später mit Mängelbeseitigungsarbeiten. Letztere sind aber nicht streitgegenständlich.

(b) Soweit sich der Kläger auf Unterlagen aus dem Rechtsstreit mit der Fa. ### vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen (Anlagen 11 und 12, Bd. IX Bl. 77, 78) bezieht, haben diese keinen Beweiswert für das Bestreiten des Klägers hinsichtlich der Mangelhaftigkeit seiner Leistungen.

Die vom Kläger in Bezug genommene Anlage 11 ist ein Schreiben der Fa. ###, in welchem diese die Auffassung vertritt, dass die von ihr gelieferte Anlage mangelfrei arbeite. Die Anlage 12 ist ein lückenhafter Auszug eines Verhandlungsprotokolls des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 10.08.2004. Der dort ebenfalls vernommene Zeuge ### hat Aussagen zu der Ampelanlage und zum Rolltor gemacht. Es ging aber um die Leistungen der Fa. ###, die sie als Subunternehmer des Klägers erbracht hat, und nicht um die Gesamtleistung des Klägers für das beklagte Land. Der Kläger hat außerdem als – nicht nummerierte – Anlage zum Schriftsatz vom 17.03.2006 das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 17.09.2004 vorgelegt, in welchem ein Anspruch der Firma ### gegen den Kläger auf Bezahlung von Werklohn für die Ampelanlage zugesprochen worden ist. Soweit der Kläger ausführt, dass darin bestätigt werde, dass die Anlage funktioniert habe, bezieht sich auch dies auf die von der Firma ### gelieferte Ampelanlage. Das Landgericht Waldshut-Tiengen hat aber gerade ausgeführt, dass die Firma ### die Steuerung der Rolltoranlage nicht schuldete, sondern nur die Steuerung der Ampelanlage, an der keine Mängel vorhanden gewesen seien.

bb) Das beklagte Land hat dem Kläger mit Schreiben vom 06.08.2001 (Anlage K 18 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 90) erfolglos eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 16.08.2001 gesetzt und die Entziehung des Auftrags angedroht. Mit Faxschreiben vom Morgen des 24.08.2001 (Anlage K 19 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 91) ist dem Kläger eine weitere Frist zur Mängelbeseitigung bis um 13:00 Uhr des 24.08.2001 gesetzt worden.

cc) Aufgrund der wirksamen Auftragsentziehungen war das beklagte Land berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Klägers durch einen Dritten ausführen zu lassen.

Die Firma ### stellte die Leistungen fertig und rechnete in ihrer Schlussrechnung vom 19.06.2002 (Anlage K 33 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 138) unter Position 12.001 (“komplette Lieferung und Montage einer werkstattgefertigten Steuerungsanlage”) einen Betrag von 8.769,75 DM netto ab. Die dem Kläger gekündigten Positionen des Leistungsverzeichnisses 9.190, 9.200 und 9.220 machten einen Gesamtbetrag von 5.858,78 DM aus.

Das beklagte Land kann die Differenz in Höhe von 2.910,97 DM (entsprechend 1.488,36 €) als Mehrkosten vom Kläger verlangen.

8. Die Berufung des Klägers hat in geringem Umfang Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung auf Schadensersatz in Höhe von 2.260,12 € wegen zusätzlicher Trockenbau- und Malerarbeiten richtet. Das beklagte Land hat diesbezüglich einen Anspruch in Höhe von 2.231,07 €.

Allerdings ergibt sich der zuerkannte Anspruch aus den Grundsätzen über die positive Vertragsverletzung, da der vom Landgericht genannte § 280 Abs. 1 BGB in der gemäß Art. 229 § 5 EGBGB anzuwendenden, bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des BGB noch nicht gültig war.

a) Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass der Schuldner seine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat und nicht darlegt bzw. nachweist, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Einen kausalen Schaden hat der Schuldner zu ersetzen.

b) Pflichtverletzungen des Klägers hat das Landgericht fehlerfrei festgestellt.

Ein Werkunternehmer hat die Nebenpflicht, dem Auftraggeber keine Schäden zuzufügen, z.B. durch Beschädigung bereits hergestellter anderer Gewerke.

Das Landgericht hat im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme Pflichtverletzungen des Klägers zunächst im Bereich der Trockenbauarbeiten als erwiesen angesehen, da der Kläger Schäden an diesen verursacht habe. Außerdem seien 40 Stunden zusätzliche Malerarbeiten erforderlich gewesen, da der Kläger nicht von unten, sondern von oben in die Decke gebohrt habe. Hierzu hat sich das Landgericht auf die Aussage des Zeugen ### vom 17.10.2012 (Bd. V Bl. 77 ff. – 10 U 1633/15) gestützt.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des 1. Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Solche Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Der Kläger bemängelt einen fehlenden Abgleich mit den Anlagen K 38 bis K 40 (in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 162 – 164). Durch diese Anlagen wird jedoch das Ergebnis der Beweiswürdigung des Landgerichts noch bestätigt. In der Anlage K 38 ist verzeichnet, dass Gipskartonplatten ausgewechselt wurden, die durch nachträgliches Verlegen von Elektrokabeln beschädigt worden sind (“durch Elektriker”). Der Elektriker ist zwar nicht namentlich bezeichnet worden; zu der Zeit war aber der Kläger der verantwortliche Elektriker in dem Bauobjekt. In den Anlagen K 39 und K 40 sind jeweils Schäden an “GKB” durch die Firma des Klägers von den ausführenden Unternehmen genannt worden. Dem Zeugen ### sind diese Anlagen vorgehalten worden und er hat anhand dieser Anlagen seine vorherige Aussage, dass es sich bei den hier verzeichneten Arbeiten um Zusatzarbeiten gehandelt habe, um Schäden zu beheben, die der Kläger verursacht habe, weiter überzeugend begründet.

Soweit der Kläger rügt, dass der Zeuge ### hierzu hätte gehört werden müssen, ist nicht ersichtlich, dass der Zeuge zu diesem Beweisthema vom Kläger benannt worden ist.

Der Einwand des Klägers, dass die “Mängel” nicht angezeigt worden seien, ist unerheblich, da es sich bei den Beschädigungen von Bauteilen anderer Gewerke nicht um Mängel in der Leistung des Klägers handelte und ihm deshalb auch kein eigenes Nachbesserungsrecht zustand und ihm deshalb auch keine Nachfrist gesetzt werden musste.

c) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er die Schäden nicht zu vertreten gehabt habe.

d) Dem beklagten Land ist ein kausaler Schaden entstanden, da die vom Kläger verursachten Schäden durch andere Unternehmen beseitigt worden sind.

Das Landgericht hat die Arbeiten, wie sie in den Anlagen K 38 bis K 40 verzeichnet sind, für begründet gehalten, was nicht zu beanstanden ist. Es hat allerdings hinsichtlich der Anlage K 40 eine Stunde mehr zugesprochen, als das beklagte Land beansprucht hat (Anlage K 40, 3. Zeile). Der Anspruch ist deshalb um 56,80 DM (29,04 €) auf 2.215,20 DM, entsprechend 1.132,61 €, zu kürzen.

Bezüglich der Erforderlichkeit von 40 Arbeitsstunden für zusätzliche Malerarbeiten ist die Würdigung der Aussage des Zeugen ### im Zusammenhang mit den vorgelegten Anlagen nicht zu beanstanden, so dass hierfür ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.148,40 DM, entsprechend 1.098,46 € besteht.

9. Die Berufung des Klägers hat Erfolg gegenüber dem dem beklagten Land zuerkannten Anspruch auf Mehrkostenersatz in Höhe von 1.944,90 € wegen der vermeintlich fehlerhaft verlegten Induktionsschleife.

Anspruchsgrundlage ist § 13 Nr. 5 Abs. 1 und 2 VOB/B 1998. Diese setzt voraus, dass die Leistung des Klägers mangelhaft gewesen ist.

Einen Mangel in der Leistung des Klägers hinsichtlich der Verlegung der Induktionsschleife hat das beklagte Land indes nicht zur Überzeugung des Senats bewiesen.

Das beklagte Land hat zwar aufgrund der Hinweise des Senats im Beschluss vom 29.08.2019 seinen Vortrag ergänzt und nunmehr unter Bezugnahme auf die Skizze der Anlage B 78, Bd. X Bl. 200 R – 202, behauptet, dass die Verlegung der Induktionsschleife Ausfahrt in einem Abstand von 7,5 m zur Schleife Sicherheit mangelhaft gewesen sei; sie hätte stattdessen in einem Abstand von 2 m zur Schleife Sicherheit verlegt werden müssen.

Dass die vom beklagten Land gerügten Mängel an der Schrankenanlage, nämlich dass sie so zeitig schließe, dass die Durchfahrt von Lkw nicht gewährleistet sei, an der behaupteten fehlerhaften Verlegung der Induktionsschleifen liegt, kann aufgrund der Beweisaufnahme nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 29.08.2019 darauf hingewiesen, dass die Beweiserhebung durch das Landgericht insoweit nicht ausreichend gewesen ist. Denn die Aussage des Zeugen ###, auf die das Landgericht seine Überzeugung gestützt hat, lässt nicht erkennen, worauf – insbesondere auf welche technischen Vorschriften – der Zeuge seine “Meinung” gestützt hat, dass der angezeigte Mangel – das zu frühe Schließen der Schranke – darauf zurückzuführen war, dass die Induktionsschleife in einem zu großen Abstand eingebaut worden war. Soweit der Zeuge ausgesagt hat, dass der Hersteller genau vorschreibe, in welchem Abstand die Induktionsschleife verlegt werden müsse, wären diese Vorgaben vom beklagten Land darzulegen gewesen. Dies war mit der Klageschrift jedenfalls nicht geschehen; auch dort ist ein zu weiter Abstand ohne weitere Belege lediglich behauptet und in das Zeugnis des Herrn R. gestellt bzw. die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt worden. Angesichts der recht pauschalen Aussage des Zeugen ### hätte die Beweisfrage an den Sachverständigen ### anders gestellt werden müssen, nämlich dahingehend, ob Ursache des Mangels ein zu großer Abstand gewesen ist. Der Senat hat seine Bedenken auch darauf gestützt, dass dieser Mangel offenbar erst zwei Jahre nach Inbetriebnahme aufgetreten ist, was wiederum dafür sprechen könnte, dass inzwischen andere Mängel aufgetreten seien (der Sachverständige ### hat in seinem Gutachten vom 10.09.2017, Seite 11, Schnittstellenprobleme vermutet), für die das beklagte Land wiederum nachzuweisen hätte, dass der Kläger sie zu verantworten hat.

Die durch den Senat ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen ### hat insoweit nichts hinreichend Konkretes erbracht, das zu einer Überzeugung des Senats hinsichtlich einer Ursächlichkeit von Mängeln in der Werkleistung des Klägers für die vom beklagten Land erst im Februar 2003 gerügten Mängel führen könnte.

Der Sachverständige ### hat in seinem Gutachten vom 24.06.2021, Seite 14, 15, auf seine Ausführungen im Gutachten vom 10.09.2017, Seite 11, hingewiesen, dass er die Ursachen für die Probleme mit der Ampelanlage/Schrankenanlage/Rolltore und deren Zusammenspiel (Steuerung) darin sehe, dass die Gesamtanlage nicht nur von einer Firma/einem Lieferanten komplett errichtet worden sei und somit Schnittstellenprobleme entstanden seien. Da er keine weiteren Erkenntnisse gewinnen könne, könne er hierzu auch keine weiteren eindeutigen Aussagen zu den tatsächlichen Mängeln treffen. Soweit der Sachverständige im Gutachten vom 24.06.2021 weiter ausgeführt hat, dass aus dem Umstand, dass nach der Veränderung des Verlegeabstandes von 7,5 m auf 2 m die Anlage ordnungsgemäß funktioniert habe, darauf zu schließen sei, dass dieser Abstand richtig sei und nicht der ehemalige Abstand der Schleifen von 7,5 m, ist dies zwar ein möglicher Ursachenzusammenhang. Angesichts des lückenhaften Vortrages des beklagten Landes, das weder zu technischen Vorschriften, noch zu den Vorgaben des Herstellers der Schrankenanlage hinsichtlich der erforderlichen Abstände bei der Induktionsschleife Angaben gemacht hat, ist dieser Schluss aber keineswegs zwingend, weil andere Ursachen in Betracht kommen, nämlich die vom Sachverständigen ### nach wie vor für möglich gehaltenen Schnittstellenprobleme, für die eine Verantwortlichkeit des Klägers nicht nachgewiesen worden ist. Hier hat der Senat auch berücksichtigt, dass seit Inbetriebnahme der Anlage, die bereits am 03.07.2001 abgenommen worden ist, bereits zahlreiche Lkw’s durch die Schranken gefahren sein müssen, so dass schwer nachvollziehbar ist, dass die behaupteten Probleme trotz mangelhafter Herstellung der Induktionsschleife in diesem Zeitraum offenbar nicht aufgetreten sind.

II.

Die zulässige Anschlussberufung des beklagten Landes hat in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg, obwohl sie hinsichtlich weniger Positionen teilweise begründet ist.

1. Die Anschlussberufung hat nur teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Gegenanspruchs in Höhe von 7.458,00 DM, entsprechend 3.813,21 € wendet.

a) Ein Anspruch auf Mängelbeseitigungs- und Fertigstellungskosten aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B 1998 besteht zwar dem Grunde nach, da das beklagte Land unter dem 15.05.2001 wirksam eine Teilkündigung (Anlage K 10, Bd. I Bl. 72 – 10 O 1633/05) ausgesprochen hat. Insoweit wird auf die oben stehenden Ausführungen unter B. I. 2. b) bb) Bezug genommen.

b) Das beklagte Land hat aber nicht bewiesen, dass die geltend gemachten Ersatzvornahmekosten, die die Fa. ### in der Schlussrechnung vom 19.06.2002 (Anlage K 33) unter den Pos. 02.01.001-02.01.065 (mit insg. 7.458,00 DM) abgerechnet hat, vollständig der Mängelbeseitigung dienten.

Das vom Senat ergänzend eingeholte Gutachten des Sachverständigen ### hat zu der Beweisfrage zu II. 1. aus dem Beweisbeschluss vom 08.04.2020 keine weiteren detaillierten Erkenntnisse erbracht, weil der Sachverständige wiederum darauf verwiesen hat, dass er das Bauobjekt erst im Jahr 2007 erstmals begutachtet habe, als die Arbeiten des Klägers und auch die Nacharbeiten der Fa. ### teilweise bereits verändert gewesen seien.

Allerdings hat der Sachverständige wie auch schon im Vorgutachten vom 12.06.2007 ausgeführt, dass die in der Beweisfrage genannten Positionen grundsätzlich den Mängelrügen vom 26.04.2001 (Anlage K 8) und vom 08.05.2001 (Anlage K 9) zugeordnet werden könnten und dass er die Kosten und Leistungen für gerechtfertigt halte.

Deshalb hält es der Senat auch hinsichtlich dieser Ersatzvornahmekosten für geboten, einen Mindestbetrag zu schätzen, der für die erbrachten Ersatzvornahmeleistungen angefallen ist. Zur Begründung wird auf die oben stehenden Ausführungen unter I. 2. b) dd) (4) Bezug genommen.

Der Senat hält auch hier einen Betrag in Höhe von 2/3 des vom beklagten Land aufgrund der Rechnung der Fa. ### geltend gemachten Betrages von 7.458,00 DM, entsprechend 3.813,21 €, für angemessen, also einen Betrag von 2.542,08 €.

2. Keinen Erfolg hat die Anschlussberufung indes hinsichtlich des geltend gemachten Betrages von 558,16 DM, entsprechend 285,38 €.

Das beklagte Land hat einen Anspruch aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B 1998 nicht bewiesen. Der Sachverständige ### hat auch zu diesen Ersatzvornahmekosten in seinem Gutachten vom 24.06.2021 keine ergänzenden Angaben machen können.

Anders als bei der vorstehenden Ziffer verbleiben hier Zweifel hinsichtlich eines Anspruchs des beklagten Landes dem Grunde nach, weil die Fa. ### in ihrer Schlussrechnung einen Titel “Installationsanlagen” abgerechnet hat, zu dem es jedoch im Leistungsverzeichnis des Klägers keine Entsprechung gibt. Deshalb erscheint es auch möglich, dass die hier von der Fa. ### erbrachten und abgerechneten Leistungen nicht zum Leistungsumfang des Klägers gehörten und es sich deshalb nicht um eine Ersatzvornahme handelte.

3. Die Anschlussberufung hat indes Erfolg hinsichtlich des geltend gemachten Betrages von 2.809,09 DM, entsprechend 1.436,26 €, für das Steuerungstableau.

Der Anspruch aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 5 Nr. 3 und 4 VOB/B 1998 steht dem beklagten Land aus den gleichen Gründen zu, wie oben unter B. I. 3. (Titel 02 Pos. 02 Leuchtmittel/Flurbeleuchtung) ausgeführt worden ist.

Das beklagte Land hat dem Kläger den Auftrag mit Schreiben vom 17.05.2001 (Anlage K 14 in 10 O 1633/05, Bd. I Bl. 81) wirksam entzogen. Darin ist zwar das Steuerungstableau nicht ausdrücklich genannt. Der Kläger hat es jedoch unstreitig ausgeführt. Dass sich die Parteien nicht zuvor auf einen Preis geeinigt haben, ist unschädlich. Zutreffend weist das beklagte Land auf ein Anordnungsrecht hin, das sich aus §§ 1 Nr. 4 Satz 1, 2 Nr. 6 VOB/B 1998 ergibt, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Denn das beklagte Land hat eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert mit der Folge, dass der Kläger Anspruch auf besondere Vergütung hat. Der Kläger hat diesen Anspruch mit seinem Nachtragsangebot vom 25.04.2001 auch vor Ausführung der Leistungen angekündigt. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist nur möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren. Das Steuerungstableau war damit auch Vertragsgegenstand. Es gehörte zu dem Leistungskomplex Beleuchtung in den Fluren und im Treppenhaus und war deshalb auch von den Fristsetzungen und der Kündigung in den genannten Schreiben der o.g. Anlagen K 12 – K 14 erfasst.

Es ist auch bewiesen, dass das Steuerungstableau nicht funktionsfähig und damit mangelhaft gewesen ist. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen ### in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2011 (Bd. IV Bl. 77, 78 in 10 O 1633/05).

Das beklagte Land hat einen Mehrkostenanspruch, der in der Differenz zwischen dem Angebot des Klägers und den bei der Fa. ### entstandenen Kosten besteht. Unerheblich ist der Einwand des Klägers, dass er für das Steuerungstableau keine Bezahlung erhalten habe. Denn das beklagte Land begehrt nur die ihm entstandenen Mehrkosten, weil das von der Fa. ### eingebaute Steuerungstableau höhere Kosten verursacht habe, als sie bei ordnungsgemäßer Ausführung durch den Kläger gemäß seinem Nachtragsangebot vom 25.04.2001 (Anlage K 33 a, Bd. I Bl. 155 in 10 O 1633/05) entstanden wären.

Nunmehr hat das beklagte Land auch bewiesen, dass die geltend gemachten Mehrkosten in Höhe von 1.436,23 € erforderlich waren.

Der Sachverständige ### hat in seinem Gutachten vom 24.06.2021, Seite 16, ergänzend zu den Ausführungen im Gutachten vom 25.11.2011 (Seite 9) ausgeführt, dass die von der Fa. ### abgerechneten Kosten ortsüblich und angemessen gewesen sind.

4. Soweit das beklagte Land Anschlussberufung in Höhe von 2.360,29 € erhoben hatte, weil insoweit die Widerklage zu Unrecht abgewiesen worden sei, hat das beklagte Land auf die Hinweise des Senats im Beschluss vom 29.08.2019 die Anschlussberufung teilweise zurückgenommen.

Es hat erklärt, dass der Anspruch, der in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts Magdeburg vom 18.04.2016 und 19.04.2016, Az. 9 O 1538/01 (Anlagen B 74 und 75, Bd. IX Bl. 94 – 96) rechtskräftig tituliert ist, nunmehr ebenfalls im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werde.

III.

1. Aus den vorstehenden Ausführungen zum jeweils teilweisen Erfolg der Berufung des Klägers und der Anschlussberufung des beklagten Landes ergibt sich, dass Gegenforderungen des beklagten Landes in Höhe von insgesamt 47.934,93 € bestehen.

Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

(…)

2. Da das beklagte Land mit seinen Gegenansprüchen zuvörderst gegenüber dem rechtskräftig festgestellten Werklohnanspruch des Klägers in Höhe von 49.389,57 € die Aufrechnung erklärt hat, verbleibt ein Restanspruch des Klägers in Höhe von 1.454,64 €.

Die Widerklage des beklagten Landes ist demnach unbegründet.

C.

I.

Die Kostenentscheidung beruht für die I. Instanz auf § 92 Abs. 1 ZPO und für das Berufungsverfahren auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

II.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

III.

Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

IV.

1. Die Festsetzung des Streitwerts ergeht für die I. Instanz gemäß den §§ 39, 48, 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG, 3 ZPO. Er setzt sich wie folgt zusammen:

(…)

2. Für dieses Berufungsverfahren beruht die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 39, 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 2 S. 1 GKG, 3 ZPO.

Klage: 49.389,57 €
Beschwer Widerklage: 6.819,75 €
Anschlussberufung: 8.780,73 €
Summe: 64.990,05 €

3. Für das Berufungsverfahren, Geschäftsnr. 10 U 58/12, ist der Streitwert bereits im Urteil vom 07.11.2014 auf 144.852,32 € festgesetzt worden.

OLG Naumburg zur Frage, dass Fliesenarbeiten in Fachwerkhaus zu planen und zu überwachen sind

OLG Naumburg zur Frage, dass Fliesenarbeiten in Fachwerkhaus zu planen und zu überwachen sind

Ein mit den Grundleistungen der Objektplanung nach § 34 HOAI 2013 beauftragter Architekt ist im Rahmen des Neubaus von Badezimmern in einem Fachwerkhaus verpflichtet, für die Fliesen- und Bodenverlegearbeiten neben einer Erwähnung der auszuführenden Abdichtung des Untergrunds im konstruktiven Leistungsverzeichnis eine skizzenhafte Untersetzung der Art und Weise der Herstellung der Bodenabdichtung unter Angabe von Leitdetails – z. B. zur Fläche und zur Höhe der erforderlichen wannenförmigen Abdichtung – zu fertigen und dem bauausführenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die ordnungsgemäße Umsetzung der Vorgaben zur Bodenabdichtung ist im Rahmen der Bauüberwachung zu kontrollieren. Nimmt der mit der Lieferung und Montage von Sanitäreinrichtungen, insbesondere Duschen, beauftragte Unternehmer (Badausrüster) ohne eine Rücksprache oder Bedenkenanmeldung den Einbau der Duschwannen auf dem vorhandenen, offenkundig mehrschichtig aus saugfähigen Materialien bestehenden Fußbodenaufbau in einem Fachwerkhaus ohne irgendeine Abdichtung vor, so ist diese Leistung trotz des Umstands, dass die Bodenabdichtung von einem anderen Unternehmen geschuldet wird, pflichtverletzend i. S. eines Sachmangels seiner eigenen Leistungen. Ohne eine Einbeziehung der VOB/B als Ganzes in den Bauvertrag kann sich der Unternehmer auch dann nicht mit Erfolg auf eine Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von fünf auf vier Jahre berufen, wenn im Abnahmeprotokoll deklaratorisch der Ablauf der Gewährleistungsfrist datumsmäßig vier Jahre nach dem Abnahmetermin vermerkt ist.
OLG Naumburg, Urteil vom 29.12.2022 – 2 U 156/21

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt aus eigenem Recht als Bauherrin und aus abgetretenem Recht einer anderen Auftraggeberin Schadensersatz von Beteiligten am Bauvorhaben “Teilumbau und Teilsanierung Hotel ### in ### “.

Die Klägerin ist seit dem 14.01.2014 im Grundbuch von ###, Blatt ###, unter lfd. Nr. 2 der Ersten Abteilung als Eigentümerin des in der Gemarkung ###, Flur ###, Flurstück ### (postalische Anschrift: ###-Straße in ###) belegenen Grundstücks eingetragen. Das Grundstück ist mit zwei historischen und unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkhäusern bebaut, in denen teilweise ein Hotel betrieben wurde. Die Klägerin beabsichtigte den Umbau von Wohn- und Gewerberäumen im Haus zu weiteren Hotelzimmern sowie zur Erweiterung des gastronomischen Angebots (Bauabschnitt 1) sowie weitere Baumaßnahmen.

Im Rahmen des o.a. Bauvorhabens beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 1), ein ortsansässiges Architekten- und Ingenieurbüro, mit dem Ingenieurvertrag vom 08./21.08.2013 mit der Prüfung und Überarbeitung der Bestandspläne und mit diversen, im einzelnen aufgezählten Planungsleistungen der Objektplanung i.S.v. § 34 HOAI 2013 obligatorisch für den Bauabschnitt 1 – nach eigener Einschätzung im Umfang von 71 % der Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 des Leistungsbildes – und jeweils fakultativ mit 66 % der Grundleistungen für den Bauabschnitt 2 sowie 86 % der Grundleistungen für den Bauabschnitt 3. Unter den Teilleistungen für den Bauabschnitt I befanden sich die Ausführungsplanung im eingeschränkten Leistungsumfang – “Grundrisse, Schnitte i.M. 1:50, Ansichten i.M. 1:100, 10 Detaile” – unter lit. d) und “Betreuung der erforderlichen Maßnahmen” unter lit. f), jeweils Ausführung zeitlich versetzt entsprechend der o.a. Bauabschnitte. Wegen der Einzelheiten wird auf Ziffern 2.1 und 8 des Ingenieurvertrages sowie auf die Darstellung der Prozentsätze im Rahmen der Honorierung in Ziffer 3.2 des Ingenieurvertrages Bezug genommen. Für die Leistungen betreffend den Bauabschnitt 1 vereinbarten sie eine Vergütung von pauschal 51.494,24 € netto zzgl. MwSt. (Ziffer 3.2 lit. a); etwaige zusätzliche oder besondere Leistungen sollten nach Zeitaufwand abgerechnet werden (Ziffer 4.1).

Die Beklagte zu 1) fertigte am 05.08.2013 ein konstruktives Leistungsverzeichnis für die Fliesen- und Bodenbelagsarbeiten. In den Vorbemerkungen heißt es, dass die Ausführung der vertraglichen Leistungen

“in Übereinstimmung mit den allgemeinen Vertragsbedingungen (VOB), den Herstellervorschriften des zum Einsatz kommenden Materialien und Systems, den Hinweisen der Baustofflieferanten sowie dem Wärmeschutz-Nachweis”

zu erfolgen habe und diese vollinhaltlich als eine Ergänzung der Leistungsbeschreibung gelten (S. 3). Die Leistungsposition 3.4 lautete “Unterg. Abdichten Kunstst.-Zement – Fußboden” mit einem Mengenansatz von 119,55 m2 und wurde wie folgt beschrieben:

“Abdichten des Untergrundes gegen Feuchtigkeit für Bodenbeläge im Dünnbettverfahren, mit Kunststoff-Zement-Kombination, mit vollflächiger Einlage aus Kunststoffgewebe, Untergrund Estrich. Bereich: gesamtes Erdgeschoss”

Die Leistungsposition 3.6 “Untergr. Abdichten Kunstst.-Zement – Wand” mit 76,23 m2 wurde wie folgt beschrieben:

“Abdichten des Untergrundes gegen Feuchtigkeit für Wandbekleidungen im Dünnbettverfahren, mit Kunststoff-Zement-Kombination, Untergrund Kalkzementputz und Trockenbau, Höhe der Wandfläche 2,10 m, liefern und fachgerecht einbauen. Bereich: WC´s.”

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anlage K 1 Bezug genommen. Auf der Grundlage dieses Leistungsverzeichnisses beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 2) im Juni 2014 mit den Fliesen- und Bodenverlegearbeiten. Zu einem nicht näher benannten Zeitpunkt beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 2) mündlich mit entsprechenden Arbeiten an den Zimmern 12 und 13 im ersten Obergeschoss.

Die Beklagte zu 2) führte die Vertragsleistungen im zweiten Halbjahr 2014 aus. Am 19.11.2014 fand eine förmliche Abnahme der Leistungen der Beklagten zu 2) statt, welche u.a. auch die Arbeiten der Beklagten zu 2) an den Zimmern 12 und 13 umfasste. Das Abnahmeprotokoll wurde von der Beklagten zu 1) mit der Beklagten zu 2) unter Verwendung des Formblatts 331 (EFB-Abn) des VHB gefertigt. Unterhalb der Kopfzeile enthält es die Angaben: “Ausführung Beginn März 2014 Ende August 2014” und “Mängelansprüche Beginn 19.11.2014 Ende 19.11.2018” (vgl. Anlage K 3). Die Beklagte zu 2) berechnete unter dem 06.07.2014 ihre Vergütung für Fliesen- und Bodenverlegearbeiten u.a. in den Zimmern 12 und 13; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anlage K 4 Bezug genommen.

Auf der Grundlage des an die Klägerin gerichteten Angebotes vom 24.02.2014 (Anlage K 6) beauftragte die G. Hotel UG am 27.02.2014 die Beklagte zu 3) mit Bauarbeiten des Gewerks Heizung, Lüftung & Sanitärinstallation (HLS). Gegenstand des Auftrags war nach Leistungsposition 02.04.20 die Lieferung und Montage eines Wannenträgers für eine Duschwanne mit Wandanschluss- und Befestigungsteilen komplett einschließlich Befestigungs-, Dichtungs- und Kleinmaterial. In den Erläuterungen des formularhaften Auftragsschreibens (Anlage K 7, Seite 2) heißt es unter Ziffer 1:

“Ausführung und Abrechnung erfolgt nach VOB/B und VOB/C. Die Abrechnung erfolgt zu den vereinbarten Einheitspreisen und nach gemeinsamem Aufmaß der fertigen Leistung mit der örtlichen Bauleitung.”

Die förmliche Abnahme der Leistungen der Beklagten zu 3) erfolgte am 19.11.2014 durch die Beklagte zu 1) im Namen der Klägerin sowie in Anwesenheit des Bauleiters und zweier weiterer Vertreter der Klägerin. Hierüber wurde unter Verwendung des Formblatts 331 (EFB-Abn) des VHB ein Abnahmeprotokoll gefertigt, nach dessen Inhalt sich die Leistungen u.a. auf die Zimmer 12 und 13 bezogen. Unterhalb der Kopfzeile enthält es die Angaben: “Ausführung Beginn Februar 2014 Ende September 2014” und “Mängelansprüche Beginn 19.11.2014 Ende 19.11.2018” (vgl. Anlage K 8).

Im Oktober 2018 entdeckte das Hotelpersonal im Zimmer 12 Schäden an den Bodenfliesen. Die Klägerin beauftragte den Sachverständigen für Schäden an Gebäuden Dipl.-Ing. E. W. mit der Schadens- und Ursachenfeststellung. Wegen der Einzelheiten der in insgesamt drei Ortsterminen am 07.02.2019 (Zimmer 12), am 07.03.2019 (Zimmer 13) und am 21.03.2019 (Flur) getroffenen Feststellungen wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 26.03.2019 (Anlage K 10, künftig: PGA ###) Bezug genommen.

Die Klägerin beauftragte weiter den Sachverständigen für Holzschutz Dipl.-Ing. (FH) ### mit einer holzschutztechnischen Bewertung des Schadens. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 19.03.2019 (Anlage K 21, künftig: PGA M. ) Bezug genommen.

Sie zeigte die Mängel gegenüber den Beklagten zu 2) und zu 3) jeweils an.

Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2) lehnte am 18.03.2019 jegliche Regulierung von Ersatzansprüchen der Klägerin unter Verweis darauf ab, dass die Abdichtungsarbeiten nicht Vertragsgegenstand des Bauvertrages mit der Beklagten zu 2) gewesen seien.

Die Klägerin forderte die Beklagten jeweils mit Schreiben vom 02.04.2019 zur Mangelbeseitigung bis zum 19.04.2019 auf, wobei sie den Schreiben jeweils das PGA ### beifügte.

Mit ihrer am 07.05.2019 beim Landgericht Magdeburg eingegangenen und den Beklagten jeweils am 23.05.2019 zugestellten Klage hat die Klägerin zunächst Ansprüche auf einen Kostenvorschuss zur Ersatzvornahme der Mängelbeseitigung geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 18.12.2019 hat sie die Klage umgestellt auf die Geltendmachung von Schadensersatz nach erfolgter Ersatzvornahme der Mangelbeseitigung. Diese Klage hat sie – nach teilweiser Klagerücknahme mit Zustimmung der Beklagten in Höhe von insgesamt 1.980,23 € – auf die Zahlung von 77.231,73 € nebst Prozesszinsen gerichtet.

Die Beklagten haben jeweils Klageabweisung beantragt. Die Beklagte zu 1) stellte der Klägerin am 26.06.2019 eine Schlussrechnung, welche einen restlichen Honoraranspruch in Höhe von 27.369,68 € aufwies. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anlage B 1-1 Bezug genommen. Diese Honorarforderung nebst Prozesszinsen hat sie mit ihrer der Klägerin am 24.07.2019 zugestellten Widerklage geltend gemacht.

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Mangelerscheinungen im Frühjahr 2019 durch die Vernehmung der sachverständigen Zeugen ### und ### – wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 24.11.2020 verwiesen (künftig: Sitzungsprotokoll ZV) – sowie durch die Einbeziehung des Sachverständigen Dipl.-Ing. ###; insoweit wird auf den Inhalt von dessen schriftlichen Gutachten vom 01.03.2021, die Zimmer 12 und 13 betreffend (künftig: sGA 2021), und von dessen Anhörung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 17.09.2021, künftig Sitzungsprotokoll Anh) Bezug genommen.

Mit seinem am 12.10.2021 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Beklagten zu 1) bis zu 3) als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 44.532,38 € nebst Prozesszinsen zu zahlen (künftig: Ausspruch zu 1), die Beklagte zu 1) darüber hinaus, an die Klägerin weitere 22.266,20 € nebst Prozesszinsen zu zahlen (künftig: Ausspruch zu 2), die weitere Klage abgewiesen (Ausspruch zu 3) und die Widerklage abgewiesen (künftig: Ausspruch zu 4). Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt. Im Ergebnis der Beweisaufnahme seien die von der Beklagten zu 1) erbrachten Planungsleistungen und deren Bauüberwachung im Hinblick auf die Herstellung der Abdichtungen in den Bädern der Zimmer 12 und 13 mangelhaft. Die Beklagte habe im Rahmen der Ausführungsplanung versäumt, Vorgaben für die ordnungsgemäße Durchführung der Abdichtungsarbeiten an den Duschwannen und im Bereich der Übergänge der Wände zum Boden zu erarbeiten. Sie habe die Arbeiten der Beklagten zu 2) und zu 3) nicht hinreichend überwacht, weil ihr nicht aufgefallen sei, dass in den Bädern keine Abdichtungen hergestellt worden seien. Die Beklagte zu 2) habe die von ihr geschuldeten und auch abgerechneten Abdichtungsarbeiten in den Bädern der Zimmer 12 und 13 nicht ausgeführt. Die Beklagte zu 3) hat den von ihr geschuldeten Einbau der Duschwannen in den Zimmern 12 und 13 vorgenommen, obwohl die zuvor notwendigen Abdichtungsarbeiten an den Wänden und Böden noch nicht ausgeführt waren. Die Beklagten hafteten für die entstandenen Schäden teilweise gesamtschuldnerisch, wobei sich die Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten zu 2) und zu 3) das Planungsverschulden der Beklagten zu 1) anrechnen lassen müsse. Nach dem Ergebnis der sachverständigen Beratung seien die Haftungsanteile gleichmäßig auf alle drei Beklagte zu verteilen. Der Schadensersatzanspruch betrage 66.798,58 €; hierbei hat das Landgericht teilweise Abzüge “neu für alt” berücksichtigt. Soweit die Beklagten weitere Abzüge im Hinblick auf die fehlende Erforderlichkeit der Neuanschaffung von Elementen der Elektro- und der Sanitärinstallation im Zuge der Ersatzvornahme geltend gemacht habe, hätten sie die Möglichkeit der Wiederverwendung nicht bewiesen. Die Forderungen der Klägerin gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) seien nicht verjährt, weil die VOB/B – mit einer kürzeren Verjährungsfrist – nicht als Ganzes vereinbart worden sei. Die Widerklage sei unbegründet, weil das Honorar der Beklagten zu 1) wegen Mängeln der Planungsleistung und Objektüberwachung zu mindern sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits, wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz und des Wortlauts der wechselseitig gestellten Anträge, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Beklagte zu 1) hat gegen das ihr am 02.11.2021 zugestellte Urteil mit einem am 18.11.2021 beim Oberlandesgericht per beA eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (künftig: Berufung I) und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 16.01.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einem am 15.01.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte zu 1), die ein in der Berufungsbegründung enthaltenes Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens nicht aufrechterhalten hat, bestreitet weiter die Mangelhaftigkeit der Planung der von der Beklagten zu 2) auszuführenden Abdichtungsarbeiten; das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass im Leistungsverzeichnis die technisch erforderliche Abdichtung aufgeführt gewesen sei und die Beklagte zu 2) auch gewusst habe, dass eine Abdichtung herzustellen sei. Gleiches gelte für das Leistungsverzeichnis für die Beklagte zu 3). Es fehle zudem am Nachweis der Kausalität der fehlenden Abdichtung für den Wasserschaden; insoweit komme auch der schief eingebaute Siphon an der Duschwanne im Zimmer 13 in Betracht. Die Beklagte zu 1) hält an der Begründetheit ihrer Widerklage fest. Soweit sie in der Berufungsbegründung hilfsweise die Aufrechnung mit der Widerklageforderung gegen die Klageforderungen erklärt hat, hat sie im Termin der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2022 erklärt, dass sie diese Aufrechnungserklärung nicht aufrechterhalte.

Die Beklagte zu 3) hat gegen das ihr am 18.10.2021 zugestellte Urteil mit einem am 18.11.2021 beim Oberlandesgericht per beA eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (künftig: Berufung II) und diese Berufung am 20.12.2021 (Montag) begründet.

Die Beklagte zu 3) meint, dass das Landgericht den Eintritt der Verjährung zu Unrecht nicht angenommen habe. Die Gewährleistungsfrist sei durch Vereinbarung der VOB/B auf vier Jahre verkürzt worden. Sie vertritt weiter die Auffassung, dass sie für die fehlende Abdichtung nicht verantwortlich sei; diese gehöre in den Aufgabenbereich des Fliesenlegers, hier also der Beklagten zu 2). Sie habe auch nichts prüfen können, weil sie die Duschwannen montiert habe, bevor die Beklagte zu 2) die Fliesen verlegt habe. Die Beklagte zu 3) hat darauf verwiesen, dass nicht festgestellt worden sei, dass der Siphon der Duschwanne im Zimmer 13 bereits bei Abnahme schief und undicht eingebaut gewesen sei; u.U. habe es im Rahmen von Reinigungs- oder Wartungsarbeiten nach der Abnahme Eingriffe von Dritten gegeben. Hilfsweise sei der der Klägerin zuzurechnende Planungsfehler schwerer zu gewichten (mindestens mit 60 %). Schließlich hat die Beklagte zu 3) ihr Bestreiten hinsichtlich der Erforderlichkeit der Erneuerung der Elektroinstallation und der Sanitäreinrichtungen aufrechterhalten.

Die Beklagte zu 2), der das erstinstanzliche Urteil am 14.10.2021 zugestellt worden ist, hat im Rahmen ihrer Stellungnahme im Berufungsverfahren mit dem Schriftsatz vom 24.03.2022, per beA eingegangen am selben Tage, angekündigt, im Termin der mündlichen Verhandlung zu beantragen, die Klage unter Aufhebung des (erstinstanzlichen) Urteils abzuweisen, und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass das Landgericht u.a. zu Unrecht die Auffassung vertreten habe, dass sie, die Beklagte zu 2), mit den Fliesenlegearbeiten in den Zimmern 12 und 13 auf der Grundlage der ursprünglichen Ausschreibung beauftragt worden sei. Das Landgericht habe den von ihr, der Beklagten zu 2), angebotenen (Gegen-) Beweis nicht erhoben, wonach die Beauftragung mit Leistungen für die Zimmer 12 und 13 keine Abdichtungsleistungen umfasst habe. Soweit sie Abdichtungsarbeiten für diese Zimmer in der Schlussrechnung abgerechnet habe, bezögen sich diese ausschließlich auf die Wände und auf die aufsteigenden Ecken der Wände. Die Beklagte zu 2) habe ihre Leistungen mangelfrei erbracht. Zudem sei der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) verjährt, weil in das Vertragsverhältnis die VOB/B als Ganzen und insbesondere die Bestimmung des § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B wirksam einbezogen worden seien.

Im Termin der mündlichen Verhandlung am 07.12.2022 hat die Beklagte zu 2) auf Nachfrage des Gerichts erklärt, dass der Antrag aus dem Schriftsatz vom 24.03.2022 nur ein Anschluss an die Berufungen I der Beklagten zu 1) und II der Beklagten zu 3) darstellen solle und keine eigene Berufung. Sie hat mit Schriftsatz vom 06.12.2022, welcher in der mündlichen Verhandlung noch nicht vorgelegen hat, auf die Hinweise des Gerichts ausgeführt, dass ihr Schriftsatz vom 24.03.2022 nicht als (eigene) Berufung ausgelegt werden könne, sondern eindeutig aus der Position einer Nebenintervenientin verfasst worden sei.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Klage gegen die Beklagte zu 1) abzuweisen und

im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte zu 1) 27.369,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.07.2019 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2 beantragt zuletzt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Klage gegen die Beklagte zu 1) und gegen die Beklagte zu 3) jeweils abzuweisen.

Die Beklagte zu 3) beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Klage gegen die Beklagte zu 3) abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung I der Beklagten zu 1) und die Berufung II der Beklagten zu 3) jeweils zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil. Hinsichtlich der Widerklage verweist sie darauf, dass sie in erster Instanz Einwendungen gegen die sachliche Rechtfertigung erhoben habe, auf welche das Landgericht nicht eingegangen sei. Für die Schlechtleistung der Beklagten zu 1) stünden der Klägerin sowohl Schadensersatz- als auch Minderungsansprüche zu, mit denen die Klägerin hilfsweise gegen eine offene Honorarforderung der Beklagten zu 1) aufrechne.

Der Senat hat am 07.12.2022 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.

B.

Die Berufungen der Beklagten zu 1) und zu 3) sind jeweils zulässig. Der Senat geht weiter davon aus, dass die von der Beklagten zu 2) nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegte Berufung III wirksam zurückgenommen worden ist. In der Sache hat lediglich die Berufung I der Beklagten zu 1) und diese nur im Hinblick auf die überwiegende Begründetheit der mit der Widerklage geltend gemachten Honorarforderung Erfolg. Im Hinblick auf die von der Klägerin hilfsweise erklärte Aufrechnung führt dies zur Reduzierung der Klageforderungen, so dass es formell bei der Abweisung der Widerklage verbleibt.

I.

1. Gegen die Zulässigkeit der Berufungen der Beklagten zu 1) und zu 3) bestehen keine Bedenken. Die Berufung I der Beklagten zu 1) und die Berufung II der Beklagten zu 3) sind jeweils statthaft; sie sind jeweils form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

2. Die Beklagte zu 2) hat ebenfalls Berufung eingelegt, diese aber im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.

a) Der Schriftsatz der Beklagten zu 2) vom 24.03.2022 ist nach ihrem objektiven Erklärungswert als eigenständige Berufung auszulegen.

Prozesshandlungen der Parteien sind in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB der Auslegung fähig (vgl. nur Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, vor § 128 Rn. 25 m.w.N.). Entscheidend ist der objektive, dem Erklärungsempfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn. Nur soweit trotz angemessener Bemühungen um die Auslegung Zweifel verbleiben, ist davon auszugehen, dass die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Partei entspricht. Nicht zulässig ist es aber, einer eindeutigen Erklärung nachträglich denjenigen Sinn zu geben, welcher dem Interesse des Erklärenden u.U. am besten entspricht (ebenda). Bei sog. bestimmenden Schriftsätzen, wie hier dem Schriftsatz der Beklagten zu 2), ist sowohl auf den angekündigten Antrag als auch auf das zur Begründung dieses Antrags im Schriftsatz enthaltene Vorbringen abzustellen.

Nach diesen Maßstäben ist hier der Schriftsatz vom 24.03.2022 eindeutig als ein eigenes Rechtsmittel auszulegen. Allerdings hat die Beklagte zu 2) im Schriftsatz vom 07.12.2021 den Beitritt zum Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten zu 1) und zu 2) erklärt und sich selbst als Nebenintervenientin bezeichnet. Diese Bezeichnung führt sie auch im Schriftsatz vom 24.03.2022 fort. Der Erklärungswert der selbst gegebenen Parteibezeichnung ist aber ambivalent. Sie deutet nur darauf hin, dass jedenfalls ursprünglich nur eine Beteiligung der Beklagten zu 2) am Berufungsverfahren als Streithelferin der Beklagten zu 1) und zu 3) beabsichtigt gewesen sein mag. Sie schließt aber eine spätere umfangreichere Beteiligung am Berufungsverfahren nicht aus. Maßgeblich für die Auslegung ist aber der Inhalt des Schriftsatzes vom 24.03.2022 selbst. Die Beklagte zu 2) ist sowohl im Antrag als auch im Vorbringen des zuletzt genannten Schriftsatzes weit über das Vorbringen der Beklagten zu 1) und zu 3) als Berufungsführer hinausgegangen und hat ganz überwiegend Argumente vorgebracht, welche nur im Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und ihr von Bedeutung sind. Damit hat die Beklagte zu 2) im Berufungsverfahren nicht nur das Verfahrensziel einer Unterstützung der Beklagten zu 1) und zu 3) verfolgt, sondern auch ein eigenes Verfahrensziel. Der angekündigte Antrag ist nach seinem Wortlaut auf die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und die vollständige Abweisung der Klage gerichtet. Er ist nicht etwa auf die Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 1) und zu 3) beschränkt worden, sondern der Abweisungsantrag hat auch die Klage gegen die Beklagte zu 2) umfasst. Dem kommt insoweit besondere Bedeutung zu, als die Beklagten zu 1) und zu 3) in ihren Rechtsmitteln den Antrag konsequent jeweils darauf beschränkten, die Abweisung nur der gegen sie selbst gerichteten Klage als unbegründet zu erreichen. Dieses aus dem Wortlaut des angekündigten Antrags der Beklagten zu 2) abgeleitete Verständnis wird durch das Berufungsvorbringen bestätigt. Die Ausführungen der Beklagten zu 2) beziehen sich im Wesentlichen auf das Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin. Es geht der Beklagten zu 2) in ihren sämtlichen Angriffen gegen das erstinstanzliche Urteil um die Unrichtigkeit der Feststellungen und materiell-rechtlichen Wertungen des Landgerichts in Bezug auf dieses Vertragsverhältnis.

b) Der Senat hat die Beklagte zu 2) zu seinem Auslegungsergebnis durch Erteilung eines schriftlichen Hinweises und durch Erörterung in der mündlichen Verhandlung angehört. Allein die daraufhin ausgesprochene Bekräftigung, sich des Umstands einer Verfristung des eigenen Rechtsmittels bewusst gewesen zu sein und deswegen lediglich einen Streitbeitritt auf Seiten der Beklagten zu 1) und zu 3) beabsichtigt zu haben, vermag am Auslegungsergebnis nach den o.g. Maßstäben nichts zu ändern.

c) Mit der im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Stellen der Anträge erklärten “Klarstellung”, dass die Beklagte zu 2) lediglich den Anschluss an die Berufung I der Beklagten zu 1) und Berufung II der Beklagten zu 3) verfolgt, hat die Beklagte zu 2) ihre Berufung III konkludent zurückgenommen, so dass sich das Rechtsmittel nur im Rahmen der Kostenentscheidung auswirkt.

II.

Zum Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) – Berufung I

1. Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich der Kosten der Selbstvornahme nach §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB hat.

a) Soweit die Beklagte zu 1) in der Berufungsbegründung noch Einwendungen gegen die Aktivlegitimation der Klägerin vorgebracht hat, hat sie im Hinblick auf den ergänzenden Sachvortrag der Klägerin in der Berufungserwiderung im Termin der mündlichen Verhandlung erklärt, dass diese Einwendungen nicht aufrechterhalten werden.

b) Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zum Vorliegen von Mängeln an den von der Beklagten zu 1) ausgeführten Leistungen sind nicht zu beanstanden.

aa) Das Berufungsgericht ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die erstinstanzlichen Feststellungen gebunden. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen zu den Pflichtverletzungen der Beklagten zu 1) sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

bb) Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Landgericht einerseits zu der Feststellung gelangt, dass die Beklagte zu 1) die Grundleistungen der Ausführungsplanung LPh 5 fehlerhaft erbracht hat, indem sie für die Herstellung der Bodenabdichtung in den Bädern und Fluren der Zimmer 12 und 13 neben der Erwähnung der Leistungspflicht im Leistungsverzeichnis des Bauvertrages über Fliesen- und Bodenverlegearbeiten keine skizzenhafte Untersetzung der Art und Weise der Herstellung der Bodenabdichtung unter Angabe von Leitdetails – z.B. zur Fläche und zur Höhe der wannenförmigen Abdichtung – fertigte und sie zum Bestandteil der Arbeitsanweisungen an die Beklagte zu 2) machte.

(1) Der gerichtliche Sachverständige hat eine solche zusätzliche Vorgabe insbesondere in seiner Anhörung am 17.09.2021 als zwingend erforderlich herausgestellt, weil der Fußbodenaufbau mit Abdichtung das Schlüsselelement zum Schutz der Bestandsdeckenkonstruktion darstellte (Sitzungsprotokoll Anh S. 4). Es liege wegen des vorhandenen Fußbodenaufbaus und der für den weiteren Fußbodenaufbau verwendeten Materialien (Gipsfaserplatten zweilagig auf Mineralwolle auf Hobeldielung auf Traglattung mit Mineralwolle, vgl. Bericht W. v. 07.02.2019 zu Zimmer 12, Anlage K 9, S: 1, und PGA ### zu Zimmer 13, S. 5) ein feuchteempfindlicher Untergrund vor. Im Hinblick auf den bestehenden Denkmalschutz der mehr als 350 Jahre alten Fachwerkhäuser drohten im Schadensfall besonders hohe Kosten.

(2) Die Beklagte zu 1) hat in ihrer Berufungsbegründung nicht vermocht, konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorzutragen. Die Beklagte zu 1) handelte insbesondere sorgfaltswidrig, als sie – ohne eine solche skizzenhafte Umsetzung zu überreichen – unterstellte, dass die Beklagte zu 2) selbst wissen werde, dass und vor allem was konkret beim vorliegenden Auftrag auszuführen war, um einen Schutz der Gebäudekonstruktion zu gewährleisten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten zu 1) im nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 21.12.2022.

(3) Auf die weiteren Einwendungen der Beklagten zu 2) kommt es nicht an. Einerseits hat das Landgericht festgestellt, dass die nachträglich beauftragten Arbeiten der Beklagten zu 2) in den Zimmern 12 und 13 den Anforderungen des ursprünglich nur für Räume im Erdgeschoss erstellten Leistungsverzeichnisses entsprechen sollten. Die Beklagte zu 1) hat dies – als für sie günstig – nicht angegriffen, so dass die Beklagte zu 2) als deren Streithelferin nach § 67 Satz 1 ZPO nicht berechtigt gewesen ist, Abweichendes geltend zu machen. Andererseits kann offenbleiben, ob der nachträglich an sie erteilte Auftrag zur Ausführung von Fliesen- und Bodenverlegearbeiten in den Zimmern 12 und 13 auf das Leistungsverzeichnis der Beklagten zu 1) für entsprechende Arbeiten in Räumen des Erdgeschosses Bezug nahm oder nicht. Denn jedenfalls genügte nach den Vorausführungen der Text der Leistungsposition allein nicht, um die Leistungspflichten der Beklagten zu 1) zu erfüllen.

bb) Der gerichtliche Sachverständige hat darüber hinaus einen Bauüberwachungsfehler (LPh 8) darin gesehen, dass der Beklagten zu 1) nicht aufgefallen ist, dass die Beklagte zu 2) an keiner Stelle eine Bodenabdichtung auf den sog. “Trockenestrich” (zweilagige Gipsfaserplatten) aufbrachte (Sitzungsprotokoll Anh S. 2). Hiergegen sind mit der Berufung keine Einwendungen vorgebracht worden.

c) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Landgericht festgestellte Mitursächlichkeit des Verhaltens der Beklagten zu 1) für das Vorliegen der festgestellten Mängel der Werkleistungen der Beklagten zu 2) und der Beklagten zu 3) zweifelhaft wäre. Hätte die Beklagte zu 1) durch eine skizzenhafte Umsetzung der Details der erforderlichen Abdichtungsarbeiten verdeutlicht, was die Beklagte zu 2) abzuarbeiten hat, und hätte sie im Rahmen der Bauüberwachung die Einhaltung dieser Arbeitsanweisungen kontrolliert, so wäre eine ordnungsgemäße Abdichtung erstellt worden. Der gerichtliche Sachverständige hat auf der Grundlage der Feststellungen der als sachverständige Zeugen vernommenen Privatgutachter W. und M. (insbesondere Sitzungsprotokoll ZV S. 2 f., 6) nachvollziehbar ausgeführt, dass eindeutig zwei Feuchtigkeitsfelder – eines im Bad des Zimmers 12, eines im Bad des Zimmers 13 – entdeckt und messtechnisch erfasst wurden (Sitzungsprotokoll Anh S. 8), was bedeutet, dass der Wassereintritt in den Boden nicht allein von dem undicht eingebauten Wasserablauf der Wanne im Zimmer 13 ausging, sondern eine separate Feuchtigkeitsquelle auch im Zimmer 12 vorlag. Beide sachverständige Zeugen, welche die Wasserschäden unmittelbar nach der Entdeckung untersuchten, schilderten, dass sie Einlaufspuren von Wasser zwischen Wandbelag und Duschwanne in beiden Badezimmern wahrgenommen hätten (vgl. Bericht ### S. 2, PGA ### S. 5 und 6, Sitzungsprotokoll ZV ### S. 6 und 8; PGA ### S. 1, Sitzungsprotokoll ZV ### S. 7). Beide Privatsachverständige nahmen übereinstimmend wahr, dass – im Rahmen der vom gerichtlichen Sachverständigen als Sekundärabdichtung bezeichneten Abdichtung der Wannenränder zum Wandbelag – keine Dichtungsbänder eingebracht worden waren, sondern einfache elastische Silikonfugen und dass das dort bei jedem Duschgang abfließende Wasser wegen der fehlenden, vom Sachverständigen als Primärabdichtung bezeichneten Bodenabdichtung unkontrolliert in den saugfähigen Bodenaufbau eingetragen werden konnte. Darauf, ob die geringen Risse in der von der Beklagten zu 3) ausgebildeten Silikonfuge oder im Zimmer 13 der undicht eingebaute Wasserablauf an der Duschwanne mitursächlich waren, kommt es für die Mitursächlichkeit der mangelbehafteten Planungs- und Bauüberwachungsleistungen der Beklagten zu 1) im Hinblick auf die fehlende Primärabdichtung nicht an.

d) Gegen das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) sind keine Einwendungen erhoben worden, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen kann.

2. Spezifische Einwendungen gegen die festgestellte Höhe des Schadensersatzanspruches hat die Beklagte zu 1) nicht vorgebracht, so dass insoweit von einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) in Höhe von insgesamt 66.798,58 € netto (44.532,38 € + 22.266,20 €) auszugehen ist. Auf diesen Anspruch sind seit dem 24.05.2019 nach §§ 288 Abs. 1, 291 BGB Prozesszinsen zu zahlen.

3. Die von der Beklagten zu 1) erhobene Widerklageforderung ist ganz überwiegend, nämlich in Höhe von 26.177,24 € brutto, begründet. Insoweit ist die Berufung I der Beklagten zu 1) teilweise begründet.

a) Die Beklagte zu 1) hat gegen die Klägerin dem Grunde nach einen auch fälligen Anspruch auf Vergütung ihrer Leistungen.

aa) Zwischen den Prozessparteien wurde ein Werkvertrag mit einer Pauschalpreisabrede wirksam geschlossen, so dass die Beklagte zu 1) grundsätzlich nach der Ausführung ihrer Vertragsleistungen diesen Festpreis auch verlangen kann.

bb) Entgegen den – in der Berufungsinstanz aufrechterhaltenen – Einwendungen der Klägerin in erster Instanz ist die Vergütung fällig. Insoweit gehen die Prozessparteien übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass das Vertragsverhältnis durch eine konkludente Abnahme der Leistungen und jedenfalls durch die Geltendmachung von Sekundäransprüchen durch die Klägerin in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Auf die – von der Klägerin beanstandete – Prüffähigkeit der Schlussrechnung der Beklagten zu 1) vom 26.06.2019 kommt es hier schon nicht an, weil die Parteien einen BGB-Vertrag geschlossen haben, welcher nach den Vorschriften des BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung zu beurteilen ist. Ungeachtet dessen bestehen jedenfalls im vorliegenden Fall auch keine Bedenken gegen eine Prüffähigkeit dieser Schlussrechnung, denn mit ihr wurde ein Pauschalhonorar für vollständig erbrachte Leistungen entsprechend der ausdrücklichen Festlegung im Ingenieurvertrag abgerechnet. Die von der Klägerin als nicht nachvollziehbar beanstandeten Prozentsätze der Honoraranteile in den LPh 1, 3, 6 und 7 entsprachen den (kalkulatorischen) Angaben im Vertrag selbst. Die Abschlagszahlungen der Klägerin wurden – nach dem unstreitig gebliebenen Vorbringen der Beklagten zu 1) – vollständig berücksichtigt.

b) Soweit die Klägerin in erster Instanz Einwendungen gegen die Richtigkeit der Schlussrechnung an sich angeführt hat, sind diese unbegründet. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass es auf die – an sich zutreffende – Einwendung der Klägerin, dass nach §§ 4 und 6 Abs. 1 Nr. 1 HOAI 2013 die anrechenbaren Kosten als ein bestimmender Faktor der Honorarhöhe auf der Grundlage der Kostenberechnung zu ermitteln sind, nicht ankommt, weil die Vertragsparteien diese anrechenbaren Kosten bereits im Vertrag verbindlich vereinbarten und den aus diesen kalkulatorischen Grundlagen ermittelten Preis als Festpreis bestimmten.

c) Soweit die Klägerin Mängel der Leistungen der Beklagten zu 1) angeführt hat, welche eine Reduzierung der Vergütung zur Folge haben sollen, hat sie letztlich einen Anspruch auf Minderung nach §§ 634 Nr. 3 Alt. 2, 638 BGB geltend gemacht und konkludent hiermit aufgerechnet. Dieser Anspruch ist nur teilweise begründet.

aa) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kommt eine zusätzliche Minderung der Vergütung der Beklagten zu 1) wegen derselben Mängel, auf die der klageweise geltend gemachte

Schadensersatzanspruch gestützt wird, nicht in Betracht. Die Klägerin konnte im Hinblick auf diese Mängel nur entweder Minderung der Vergütung oder Schadensersatz fordern (alternativ), aber nicht beides (kumulativ). Das betrifft teilweise unterlassene Leistungen der LPh 5 und defizitäre Leistungen in den LPh 6 und LPh 7 im Hinblick auf die Bodenabdichtung der Bäder.

bb) Die weiteren, von der Klägerin im Schriftsatz vom 28.10.2019 unter Abschnitt III. behaupteten Defizite der Leistungen der Beklagten zu 1) sind als unstreitig zu behandeln. Denn das Landgericht hat am 02.06.2020 ohne Erfolg darauf hingewiesen, dass sich die Beklagte zu 1) hierzu noch erklären müsse. Danach sind die kalkulatorisch auf diese Teilleistungen entfallenden Beträge vom Pauschalfestpreis in Abzug zu bringen. Der Senat hat insoweit von der in § 638 Abs. 3 BGB, § 287 ZPO vorgesehenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch gemacht. Im Einzelnen hat der Senat für die fehlende Übergabe aktualisierter Grundrisse, Schnitte und Ansichten vom Bestand vor der Ausführung der weiteren Planungsleistungen (LPh 1) einen Betrag von 10 % von insgesamt abgerechneten 477,18 € – 47,72 € -, für die fehlende Übergabe von Schnitten und Flächenberechnungen und die fehlende Kostenermittlung (LPh 3) 20 % von 3.817,30 € – 763,46 € – sowie für die fehlenden Unterlagen zum Dachgeschoss 2 (LPh 4) einen Betrag von 5 % von 2.862,98 € – 143,15 € – in Ansatz gebracht. Hieraus ergibt sich ein Abzugsbetrag in Höhe von insgesamt 954,33 € netto.

d) Nach diesen Vorgaben errechnet sich ein Brutto-Honoraranspruch in Höhe von 26.177,24 €.

aa) Von dem von der Beklagten zu 1) ermittelten Netto-Honorarbetrag von 49.042,13 € ist der vorgenannte Minderungsbetrag von 954,33 € abzuziehen. Auf die Zwischensumme netto sind, wie vereinbart, 5 % Nebenkosten in Höhe von 2.404,39 € netto aufzuschlagen und Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 28.494,51 € netto in Abzug zu bringen. Auf den verbleibenden Nettobetrag von 21.997,68 € entfallen 4.179,56 € Mehrwertsteuer, welche die Beklagte zu 1) nach der Preisabrede im Ingenieurvertrag verlangen darf.

III.

Zum Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 3) – Berufung II

1. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 3) ist als ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der – inzwischen abgeschlossenen – Selbstvornahme nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt.

a) Das Landgericht hat zutreffend und nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das Berufungsgericht bindend festgestellt, dass die Werkleistung der Beklagten zu 3) mehrere Mängel aufwies:

aa) Der Hauptmangel bestand darin, dass die Beklagte zu 3) die Duschwannen in den Zimmern 12 und 13 auf einem noch nicht fertiggestellten Fußboden aufstellte und montierte. Die Styroporwannenträger wurden auf Mörtelbatzen direkt auf den Gipsfaserplatten aufgestellt (PGA ### S. 5). Diese Arbeiten hätten zwingend erst nach der Fertigstellung der Bodenabdichtung als sog. Primärabdichtung vorgenommen werden dürfen (sGA 2021, S. 11). Für den – hier nicht einmal behaupteten – Fall einer Anweisung der Klägerin an die Beklagte zu 3), die Duschwannen vor der Herstellung der Bodenabdichtung aufzustellen und zu montieren, wäre die Beklagte zu 3) zu einer Bedenkenanmeldung verpflichtet gewesen, welche sie unstreitig nicht vornahm.

bb) Ein weiterer Mangel bestand darin, dass die Beklagte zu 3) die sog. Sekundärabdichtung, d.h. die Abdichtung zwischen dem Wannenrand und dem Wandbelag, nicht ordnungsgemäß vornahm. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, welche sich unter Bezugnahme auf die gleichgerichteten Ausführungen des Privatsachverständigen W. (vgl. PGA ### S. 8) stützten, wäre es erforderlich gewesen, die Fugenabdichtung jeweils mit einem Wannendichtband herzustellen (sGA 2021 S. 7, 8).

cc) Schließlich war es mangelhaft, dass der Wasserabfluss der Duschwanne im Zimmer 13 (sog. Siphon) von der Beklagten zu 3) undicht montiert wurde. Auf der Grundlage der dokumentierten Beobachtungen des sachverständigen Zeugen W. über das Schadensbild bei Bauteilöffnung (vgl. PGA ### S. 6, Sitzungsprotokoll ZV ### S. 6 und 9) hat der gerichtliche Sachverständige feststellen können, dass der Siphon über einen dauerhaften Zeitraum einen Wassereintrag in den darunterliegenden Fußbodenaufbau ermöglichte. Er hat Eingriffe in den Montagezustand des Siphons durch Reinigung oder Wartung ausgeschlossen, weil es außer bei einer Verstopfung nicht erforderlich oder üblich sei, am Siphon Arbeiten vorzunehmen (Sitzungsprotokoll Anh S. 3).

b) Soweit das Landgericht bei der Quotierung der Mitverursachungsbeiträge den Anteil der planerischen Mängel mit einem Drittel berücksichtigt hat, ist es den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gefolgt. Dieser hat – auch auf zweimalige Nachfrage der Beklagten zu 3) – darauf beharrt, dass bei einer Einschätzung nach der sog. Zielbaummethode die Verursachungsbeiträge der drei Beklagten gleich zu gewichten seien (Sitzungsprotokoll Anh S. 2). Dies ist sowohl im Hinblick auf den der Klägerin zuzurechnenden Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1) durch unzureichende Planungsleistungen (Ausführungsvorgaben) als auch auf den Verursachungsbeitrag der Montagefehler der Beklagten zu 3) für die Entstehung und das Ausmaß des Wasserschadens nicht zu beanstanden. Bezüglich der Planungsleistungen hat das Landgericht jedenfalls ausdrücklich keine auf die Leistungen der Beklagten zu 3) gerichteten Mängel festgestellt. Eine nähere Befassung hiermit war nicht angezeigt, weil die Klägerin gegen die Zurechnung eines ihr zuzurechnenden Planungsverschuldens der Beklagten zu 1) auch im Verhältnis zur Beklagten zu 3) keine Einwendungen erhoben hat. Die Ausführungsmängel der Beklagten zu 3) trugen erheblich zum dauerhaften und intensiven Wassereintrag in den Fußbodenaufbau der Bäder und Flure der Zimmer 12 und 13 sowie des Gemeinschaftsflures bei. Denn eine Bedenkenanmeldung bzw. eine Baubehinderungsanzeige im Hinblick auf die völlig fehlende Bodenabdichtung hätte rechtzeitig auf das Problem aufmerksam gemacht. Ohne die handwerklichen Mängel der Sekundärabdichtung, zu denen der Senat neben der unterlassenen Verwendung von Dichtungsbändern in beiden Bädern auch die fehlerhafte Montage des Wasserabflusses der Duschwanne in Zimmer 13 zählt, hätte sich die fehlende Bodenabdichtung nicht bzw. jedenfalls in weit geringerem Maße ausgewirkt.

c) Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 3) ist nicht verjährt. Das Landgericht ist insbesondere zu Recht von der gesetzlichen Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB mit einer Dauer von fünf Jahren ausgegangen. Eine Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist ist zwischen den Vertragsparteien nicht wirksam vereinbart worden. Insbesondere sind die Regelungen der VOB/B nicht wirksam als Vertragsbedingungen in den Bauvertrag einbezogen worden.

aa) Die von der Beklagten zu 3) für die Einbeziehung der VOB/B angeführte Passage des Vertrages ist dahin auszulegen, dass lediglich die Aufmaß- und Abrechnungsregelungen der VOB Teil C zur Anwendung kommen sollten. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Regelung. Diese Regelung bezieht sich nach Satz 1 auf “Ausführung und Abrechnung”, wobei nach den nachfolgenden Sätzen die Aufmaß- und Abrechnungsregelungen im Vordergrund stehen. Was im Übrigen mit “Ausführung” gemeint sein könnte, bleibt im Ungewissen. Dieses Verständnis wird durch die systematische Stellung und den Kontext der Regelung bekräftigt, denn die Klausel ist nicht etwa bei den Vertragsbestandteilen auf Seite 1 der Vertragsurkunde aufgeführt, sondern bei den “Hinweisen zur Erläuterung” des Vertrags. Danach sollte die Regelung also nicht konstitutiv sein, sondern deklaratorisch. Der Senat folgt auch der Auffassung des Landgerichts, dass selbst dann, wenn man in der Regelung eine Einbeziehung der VOB sehen wollte, diese Einbeziehung nicht die VOB als Ganzes betraf und deswegen nach § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB unwirksam war (vgl. nur Werner/ Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl. 2018, Rn. 1260, 2825 m.w.N.). Der Umfang der Einbeziehung ist schon nicht genau bestimmbar (“Ausführung und Abrechnung” der Vertragsleistungen), jedenfalls wird nicht etwa die VOB insgesamt, sondern nur bezüglich der beiden vorgenannten Aspekte in Bezug genommen. Die Beklagte zu 3) hat für ihre Behauptung, dass beide Vertragsparteien – entgegen dem Wortlaut des schriftlich Erklärten – die Einbeziehung der VOB als Ganzes gewollt hätten, keinen schlüssigen Sachvortrag gehalten und ist auch beweisfällig geblieben.

bb) Gleiches gilt für die Eintragungen im Abnahmeprotokoll. Eine ausdrückliche Vereinbarung enthält das Protokoll nicht. Soweit unterhalb der Kopfzeile Eintragungen zu Zeitabläufen vorgenommen wurden, haben sie eindeutig eine informatorische (deklaratorische) Funktion und sind nicht etwa konstitutiver Natur. Das von den Vertragsparteien verwendete Formular aus dem VHB sieht den Abschluss einer isolierten Vereinbarung über die Dauer der Verjährungsfrist nicht vor, sondern lediglich eine klarstellende Angabe zur – bereits abgelaufenen – Bauzeit und eine Angabe zur – von den Unterzeichnenden angenommenen – Gewährleistungsfrist. Gerade mit der zuletzt genannten Angabe wird eine – u.U. unzutreffende – Beurteilung der Anwesenden wiedergegeben. Für eine Vereinbarung zur tatsächlichen Ausführungszeit bestand ohnehin kein Bedarf. Für eine konstitutive Vereinbarung über eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Gewährleistungsfrist gab es keinen äußeren Anlass. Ergänzend ist mit dem Landgericht darauf zu verweisen, dass die Klägerin das Protokoll auch nicht unterzeichnet und die Beklagte zu 1) keine Vertretungsmacht zum Abschluss einer Vereinbarung im Namen der Klägerin hatte.

2. Die Einwendungen der Beklagten zu 3) zur Höhe des Ersatzanspruches der Klägerin – gemäß der angefochtenen Entscheidung 44.532,38 € – sind unbegründet. Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Beklagten zu 3) jeweils keinen Anhaltspunkt für Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen zum Umfang der Ersatzvornahme bezüglich der Elektroinstallation (Anlage K 18) und Sanitärinstallation (Anlage K 20).

Die auf den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem Gutachten vom 01.03.2021 (sGA 2021 S. 8 zu Anlage K 18 und S. 9 zu Anlage K 20) sowie in seiner Anhörung (Sitzungsprotokoll Anh S. 2) fußenden Feststellungen des Landgerichts zur Erforderlichkeit sowohl des vollständigen Austausches der Elektroinstallation in den Bädern der Zimmer 12 und 13 als auch des vollständigen Austausches der Sanitäreinrichtungen sind für das Berufungsgericht bindend. Es ist mindestens vertretbar, wenn nicht sogar sehr naheliegend, dass auch die über die Trockenbauwände verlaufende Elektroinstallation der Deckenleuchten auszutauschen war, nachdem sich in den vertikal verlaufenden Trockenbauwänden erhebliche Feuchtigkeitserscheinungen gezeigt hatten. Gleiches gilt hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Austausches der Sanitärinstallation gegenüber einer erheblich aufwendigeren Demontage und Zwischenlagerung einzelner Ausstattungsgegenstände. Im Übrigen wurde der Vorteil der Klägerin dadurch ausgeglichen, dass das Landgericht einen Abzug “neu für alt” jeweils berücksichtigte (vgl. Sitzungsprotokoll Anh S. 6).

IV.

Zusammenfassung unter Berücksichtigung der hilfsweisen Aufrechnungserklärung der Klägerin

1. Nach den Vorausführungen hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 66.798,58 € und gegen die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) jeweils einen Anspruch auf Ersatz der bereits getätigten Aufwendungen der Selbstvornahme in Höhe von 44.532,38 €. In Höhe des zuletzt genannten Betrages haften die Beklagten zu 1) bis zu 3) als Gesamtschuldner.

2. Hilfsweise für den Fall und im Umfang der Begründetheit der Widerklageforderung hat die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung die Aufrechnung mit der Klageforderung gegen die Beklagte zu 1) erklärt. Diese Aufrechnung gegen die Honorarforderung in Höhe von 26.177,24 € führt nach §§ 387, 388, 389 BGB zu einer Verminderung ihres Schadensersatzanspruchs von 66.798,58 € auf 40.621,34 €. Dieser Feststellung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch als Nettobetrag eingefordert hat, während die Beklagte zu 1) eine Bruttovergütung geltend gemacht hat. Beide Vorgehensweisen sind berechtigt; es ist hier nicht Sache des Zivilgerichts, die steuerrechtlichen Folgen der unterschiedlichen Vorgehensweisen zu berücksichtigen.

3. Durch die Erfüllungswirkung der Aufrechnung entfällt der im Urteilsausspruch des Landgerichts zu Ziffer 2 gesondert ausgewiesene Betrag in Höhe von 22.266,20 €. Der darüberhinausgehende Betrag von 3.911,04 € führt zu einer Reduzierung auch der Ansprüche gegenüber den neben der Beklagten zu 1) gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten zu 2) und zu 3) nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB, welche den Urteilsausspruch zu Ziffer 1 tragen. Die Erfüllungswirkung führt weiter zur Abweisung der Widerklage (Urteilsausspruch zu Ziffer 4).

4. Hinsichtlich des Anspruchs auf Prozesszinsen im Urteilsausspruch zu Ziffer 1 ist zu berücksichtigen, dass sich die Klageforderungen und die Widerklageforderung erstmals zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrechnung der Beklagten zu 1) mit deren Zugang bei der

Klägerin am 24.07.2019 aufrechenbar gegenüberstanden.

C.

I.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO sowie hinsichtlich der Berufung III der Beklagten zu 2) auf § 516 Abs. 3 ZPO. Da die Klägerin die Beklagten zu 1) bis zu 3) als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch genommen und in einem unterschiedlichen Maße obsiegt hat, hat der Senat die sog. Baumbach´sche Kostenformel (vgl. nur Göertz in: Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl. 2022, § 100 Rn. 52) zur Anwendung gebracht, welche auf dem Gedanken beruht, dass zwischen den Streitgenossen kein Prozessrechtsverhältnis besteht. Hieraus ergeben sich die im Urteilsausspruch enthaltenen Kostenquoten.

1. Bei den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in erster Instanz war zu berücksichtigen, dass sie insgesamt drei Angriffe – gegen jeden der beklagten Streitgenossen in Höhe von 77.231,73 € – geführt hat, im Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten zu 1) hat sie sich zudem gegen deren Widerklage in Höhe von 27.369,68 € verteidigt. Der Grad des Unterliegens der Klägerin ist deswegen an einem – nur für die Kostenlastberechnung gebildeten – fiktiven Streitwert von 259.064,87 € zu messen und beträgt insgesamt 109.831,17 € (gegenüber jeder Beklagter jeweils die Differenz aus 77.231,73 € und 40.621,34 € = 36.610,39 €). An den außergerichtlichen Kosten eines jeden Streitgenossen sind die anderen Streitgenossen nicht zu beteiligen, sondern ausschließlich die Klägerin und der Streitgenosse selbst. Die Kostenquote ergibt sich aus dem Verhältnis des Unterliegens der Klägerin im konkreten Prozessverhältnis, hinsichtlich der Beklagten zu 1) in Höhe von 36.610,39 € zu einem fiktiven Einzelstreitwert von 104.601,41 € (Summe aus Klageforderung und Widerklageforderung) und hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) jeweils in Höhe von 36.610,39 € zu einem fiktiven Einzelstreitwert von 77.231,73 €.

2. In gleicher Weise sind für die Berufungsinstanz die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin nach einem fiktiven Gesamtstreitwert von 183.233,02 € (3x 44.532,38 € zzgl. im Prozessverhältnis zur Beklagten zu 1) 22.266,20 € und 27.369,68 €) zu verteilen; insoweit unterliegen die Klägerin in Höhe von 33.999,32 € (3x 3.911,04 € zzgl. 22.266,20 €), die Beklagten zu 1) bis zu 3) in Höhe von fiktiv 121.864,02 € (3x 40.621,34 €) und die Beklagte zu 1) allein in Höhe von weiteren 27.369,68 €.

II.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 sowie 543, 544 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

III.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

IV.

Die Festsetzung des Streitwerts für die Gebührenberechnung (Kostenwert) im Berufungsverfahren folgt aus §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Hinsichtlich der Berufung I der Beklagten zu 1) ergibt sich ein Einzelstreitwert von 94.168,26 € (Klageabweisung aus LGU Ziffer 1: 44.532,38 €, LGU Ziffer 2: 22.266,20 €, Widerklage: 27.369,68 €), hinsichtlich der Berufung III der Beklagten zu 2) ein Einzelstreitwert von 66.798,58 € (Klageabweisung aus LGU Ziffer 1: 44.532,38 €, LGU Ziffer 2: 22.266,20 €) und hinsichtlich der Beklagten zu 3) ein Einzelstreitwert in Höhe von 44.532,38 € Da die Gegenstände der Anträge teilweise wirtschaftlich identisch sind, ist nur der höchste Einzelstreitwert als Gesamtstreitwert zu berücksichtigen.

KG zur “großen” Kündigungsvergütung: Berechnung der Ersparnis auf kalkulatorischer Grundlage!

KG zur "großen" Kündigungsvergütung: Berechnung der Ersparnis auf kalkulatorischer Grundlage!

Solange sich keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung ergeben, reicht es bei der Geltendmachung der großen Kündigungsvergütung aus, wenn der Werkunternehmer die Ersparnis auf der Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation berechnet. Der Werkunternehmer kann auch auf Basis eines geplanten, aber bislang nicht genehmigten Subunternehmereinsatzes jedenfalls dann abrechnen, wenn keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung gegeben sind. Dabei müssen derartige Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung sich bereits in einem Verhalten der Vertragsparteien vor Vertragsbeendigung manifestiert haben. Zur Berichtigung des Kostentenors von Amts wegen durch das Berufungsgericht im Hinblick auf eine Nebenintervention ausschließlich in erster Instanz.
KG, Urteil vom 11.04.2023 – 7 U 74/21

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein noch über Werklohnansprüche der Klägerin aus ihrer Schlussrechnung vom 10. Januar 2019, mit der sie nach Kündigung des Bauvertrages Vergütung von nicht erbrachten Leistungen begehrt.

Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen und diese dahingehend ergänzt, dass der Beklagten der Einsatz der R GmbH als Subunternehmer der Klägerin von Anfang an bekannt war.

Das Landgericht hat – soweit hier noch von Bedeutung – der Klage auf Zahlung der großen Kündigungsvergütung nur in Höhe von 14.741,71 Euro gemäß der 5%-Vermutungsregel nach § 648a Abs. 5 Satz 3 BGB a.F. stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und meint, dass die große Kündigungsvergütung auch dann nach § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. auf Grundlage eines Nachunternehmereinsatzes kalkuliert werden könne, wenn diesem seitens des Bestellers – hier der Beklagten – nicht gemäß § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B zugestimmt worden war.

Die Klägerin beantragt nach Rücknahme ihrer Berufung im Übrigen,

die Beklagte in teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 12. Mai 2021 zum Aktenzeichen 29 O 175/18 zu verurteilen, an sie weitere 28.050,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass sie den Subunternehmereinsatz nicht genehmigt habe und diesen auch nicht genehmigt hätte, so dass die Klägerin bei der Berechnung der ersparten Aufwendungen nicht auf die vertragswidrige Weitergabe des Auftrags an die Subunternehmerin abstellen dürfe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Über die Berufung der Klägerin war infolge des durch die teilweise Berufungsrücknahme bedingten Verlustes des Rechtsmittels (§ 516 Abs. 3 ZPO) nur noch insoweit zu befinden, als die Klägerin über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus die Zahlung weiterer 28.050,99 Euro begehrt. In diesem Umfang hat die Berufung Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 28.050,99 Euro aus § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. (sog. “große Kündigungsvergütung”); auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.

Gemäß § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, wenn er den Bauvertrag gemäß § 648a Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BGB a.F. kündigt; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt.

1. Aus den zutreffenden und mit der Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts (S. 6 ff.), die sich das Berufungsgericht zu eigen macht, hatten die Parteien wirksam einen Bauvertrag über Betonarbeiten für einen Parkplatz geschlossen und dabei die Geltung der VOB/B in Gänze vereinbart (Anlage K1); diesen Bauvertrag kündigte die Klägerin wirksam durch Schreiben vom 2. August 2018 (Anlage B1) wegen der ausgebliebenen Stellung einer Sicherheit, § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB a.F.

2. Die Klägerin hat auch die Anspruchshöhe schlüssig dargelegt.

Bei der großen Kündigungsvergütung fällt dem Unternehmer allein die Erstdarlegung seiner ersparten Aufwendungen zu; behauptet der Besteller in Abweichung zum Zahlenwerk des Unternehmers, dieser habe tatsächlich höhere Beträge erspart, so trägt der Besteller hierfür die weitere Darlegungs- und die Beweislast (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 – VII ZR 467/99 -; KG, Teilurteil vom 16. Februar 2018 – 21 U 66/16 -).

Die Klägerin hat im Rahmen der sie treffenden Erstdarlegungslast nachvollziehbar einen Vergütungsanspruch in der ausgeurteilten Höhe dargelegt. Dabei durfte sie auf ihre auf einem Nachunternehmereinsatz basierende Kalkulation aufbauen (dazu a)). Auf dieser Grundlage hat sie für die Positionen 2.1.90 und 2.1.100 als ersparte Aufwendungen den durch die Kündigung ersparten Werklohn, den sie andernfalls an ihren Subunternehmer hätte zahlen müssen, abgezogen; zusätzlich hat sie als ersparte Aufwendungen Regiekosten in Abzug gebracht (dazu b)).

a) Die Klägerin durfte ihre Berechnung darauf aufbauen, dass die von ihr infolge der Kündigung nicht mehr zu erbringenden Werkleistungen durch die Firma R GmbH ausgeführt worden wären. Dieser Vorgehensweise steht nicht entgegen, dass der Klägerin für den Einsatz ihres Nachunternehmers entgegen § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B keine schriftliche Zustimmung der Beklagten vorlag.

aa) § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B findet auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag indes Anwendung. Eine Inhaltskontrolle dieser Norm (vgl. zu einer solchen instruktiv Messerschmidt/Voit/Voit, 4. Aufl. 2022, VOB/B § 4 Rn. 37 f.) nach § 307 BGB ist gemäß § 310 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB nicht veranlasst.

bb) Eine schriftliche Zustimmung der Beklagten war hier nicht gemäß § 4 Abs. 8 Nr. 1 Satz 3 VOB/B obsolet; denn es handelte sich bei den geschuldeten Werkleistungen nicht um solche, auf die der Betrieb der Klägerin nicht eingerichtet gewesen wäre.

cc) Auch fehlt es an einer schriftlichen Zustimmung zum Nachunternehmereinsatz seitens der Beklagten. Insbesondere hat die Beklagte nicht bereits deshalb eine Genehmigung des Nachunternehmereinsatzes gemäß § 4 Abs. 8 Nr. 1 Satz 2 VOB/B erteilt, weil ihr – unstreitig – der Einsatz der R GmbH als Subunternehmer bekannt war und sie diesen geduldet hat. Denn es fehlt an einer schriftlichen Zustimmung im Sinne der Norm. Auch wenn ein gewillkürtes Schriftformerfordernis – wie in § 4 Abs. 8 Nr. 1 Satz 2 VOB/B – grundsätzlich auch stillschweigend aufgehoben werden kann (s. nur Ellenberger, in Grüneberg, 82. Aufl. 2023, § 127 Rn. 1), fehlt es hier an einem entsprechenden Willen der Beklagten, auf die Schriftform zu verzichten. Denn unstreitig forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Einsatz von Nachunternehmern anzumelden. Dieses diente – wie der Klägerin bekannt – dazu, zunächst die Zustimmung der G. einzuholen, die für die Beklagte Voraussetzung dafür war, selbst über eine Zustimmung nachdenken zu können. Damit fehlte es – für die Klägerin erkennbar – jedenfalls auf Seiten der Beklagten an dem Willen, einen Nachunternehmereinsatz durch die Klägerin formlos und konkludent zu genehmigen.

dd) Indes wird ein nicht genehmigter Nachunternehmereinsatz nicht automatisch über Nachteile bei der Kündigungsabrechnung sanktioniert. Maßgeblicher Grundsatz bei der Kündigungsabrechnung ist, dass der Werkunternehmer durch die Kündigung keine Vor- oder Nachteile erlangen darf (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1995 – VII ZR 198/94 -). Er muss nach freier Kündigung des Bestellers seine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen auf der Grundlage des dafür vereinbarten Preises abzüglich anderweitigen Erwerbs und derjenigen Kosten berechnen, die bei Fortführung des Bauvertrags tatsächlich entstanden wären. Der Werkunternehmer muss deshalb die konkrete Entwicklung der Kosten vortragen, die bei Durchführung des Auftrages tatsächlich entstanden wären und die er erspart hat. Solange sich keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung ergeben, reicht es aus, wenn der Werkunternehmer die Ersparnis auf der Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation berechnet (BGH, Urteil vom 22. September 2005 – VII ZR 63/04 -). Der Werkunternehmer kann daher auch auf Basis eines geplanten Subunternehmereinsatzes jedenfalls dann abrechnen, wenn keine Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung gegeben sind (Wolber, IBR 2007, 604; großzügiger für den Fall einer vorangegangenen Kündigung durch den Besteller wohl: OLG Celle, Urteil vom 14. Februar 2007 – 7 U 165/06 -; Joussen in: Leupertz/v. Wietersheim, VOB, 22. Aufl. 2023, § 8 Abs. 1 VOB/B Rn. 73; Werner, in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Kapitel 5, Rn. 1680; Bolz/Jurgeleit/Jahn, ibr-online-Kommentar VOB/B, 13.3.2023, § 8 Rn. 135; BeckOK VOB/B/Brüninghaus, 49. Ed. 31.10.2022, VOB/B § 8 Abs. 1 Rn. 38a; ablehnend: OLG Brandenburg, Urteil vom 10. November 2022 – 12 U 69/22 -). Dabei müssen derartige Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung sich – auch aus Gründen der Rechtssicherheit – bereits in einem Verhalten der Vertragsparteien vor Vertragsbeendigung manifestiert haben.

Hier fehlt es an derartigen Anhaltspunkten dafür, dass der Besteller bei Fortführung des Werkvertrages von der ihm theoretisch zustehenden Möglichkeit, den Subunternehmereinsatz nicht zu genehmigen und der Klägerin wegen eines gleichwohl durchgeführten Subunternehmereinsatzes gemäß § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B zu kündigen, Gebrauch gemacht hätte. Denn der Beklagten war der Einsatz der Subunternehmerin bei den später von der Kündigung durch die Klägerin betroffenen Betonierungsarbeiten bereits seit Anfang an bekannt, ohne dass sie Schritte nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B unternommen hätte. Die Beklagte hat noch nicht einmal die Kündigungsandrohung der Klägerin auf der Grundlage von § 648a BGB a.F. zum Anlass genommen, ihrerseits die Klägerin aufzufordern, die Leistungen im eigenen Betrieb aufzunehmen, und anderenfalls die Kündigung anzudrohen. Daher ist davon auszugehen, dass ohne Kündigung der Klägerin die Bauleistungen wie bereits zuvor durch den Nachunternehmer der Klägerin weiter durchgeführt worden wären und diese den Werkvertrag – wie von ihr kalkuliert und im hiesigen Rechtsstreit dargelegt – auf Basis dieses Nachunternehmereinsatzes abgerechnet hätte. Da die Klägerin durch die Kündigung nicht schlechter gestellt werden soll, steht ihr daher der Rückgriff auf ihre Nachunternehmerkalkulation auch jetzt zu. Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der Beklagten eine Kündigung wegen der monatelangen Duldung des Nachunternehmereinsatzes entsprechend des Rechtsgedankens des § 314 Abs. 3 BGB ggf. verwehrt gewesen wäre (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 6. September 2018 – 29 U 55/17 -), kommt es nicht an.

Ebenso wenig kommt es vor dem Hintergrund, dass sich die Anhaltspunkte für eine andere Kostenentwicklung bereits in einem Verhalten der Vertragsparteien vor Vertragsbeendigung manifestiert haben müssen, auf die tatsächlichen Ausführungen nebst Beweisangeboten im – insoweit nicht nachgelassenen – Schriftsatz der Beklagten vom 28. April 2023, S. 4 f. (Bd. III, Bl. 78 f.) zu hypothetischen Verhaltensweisen der Beklagten bzw. deren Auftraggeberin an.

b) Auch die konkrete Darlegung der ersparten Aufwendungen durch die Klägerin ist nicht zu beanstanden.

Soweit die Beklagte lediglich den mit der Streitverkündeten vereinbarten Preis im Schriftsatz vom 21. März 2019, S.9 bestritten hat, reichte dieses einfache Bestreiten im Hinblick auf die sie treffende Darlegungs- und Beweislast nicht aus; die Beklagte ist beweisfällig geblieben. Auch die der Schlussrechnung zugrunde gelegten Leistungsmengen greift die Beklagte nicht substantiiert an.

Für die Position 2.1.90 hat die Klägerin nachvollziehbar vom zwischen den Parteien vereinbarten Werklohn in Höhe von 60,15 Euro die Subunternehmervergütung in Höhe von 51,12 Euro sowie Regiekosten in Höhe von 0,30 Euro in Abzug gebracht. Diesen Wert in Höhe von (60,15-51,12-0,30=) 8,73 Euro hat sie mit der nicht erbrachten Menge in Höhe 4.838,14 m² multipliziert und kam damit zu einer großen Kündigungsvergütung für nicht erbrachte Leistungen bezogen auf die Pos. 2.1.90 in Höhe von 42.236,96 Euro.

Für die Position 2.1.100 hat sie vom zwischen den Parteien vereinbarten Preis in Höhe von 3,50 Euro die Subunternehmervergütung in Höhe von 2,97 Euro sowie Regiekosten in Höhe von 0,02 Euro in Abzug gebracht. Diesen Wert in Höhe von (3,50-2,97-0,02=) 0,51 Euro hat sie mit der nicht erbrachten Menge in Höhe 1.091,45 m² multipliziert und kam damit zu einer großen Kündigungsvergütung für nicht erbrachte Leistungen bezogen auf die Pos. 2.1.100 in Höhe von 556,64 Euro.

Etwaige Füllaufträge waren nicht zulasten der Klägerin zu berücksichtigen. Denn die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin, dass der Einsatz des Subunternehmers kaum Kapazitäten der Klägerin gebunden hätte, so dass durch die Kündigung keine erheblichen Kapazitäten frei wurden, die mit Füllaufträgen hätten gefüllt werden können, nicht nachhaltig in Zweifel ziehen können. Soweit die Beklagte meint, dass jedenfalls der Nachunternehmer der Klägerin Füllaufträge hätte akquirieren können, kommt es darauf nicht an. Die Klägerin lässt sich u.a. den vollständig an ihren Nachunternehmer geschuldeten Werklohn als ersparte Aufwendungen anrechnen.

Von der Summe dieser beiden Positionen – 42.793,60 Euro – waren die bereits auf der Basis des § 648a Abs. 5 Satz 3 BGB a.F. vom Landgericht zugesprochenen 14.741,71 Euro in Abzug zu bringen, so dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung weiterer 28.051,89 Euro zusteht; zuzusprechen waren indes wegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO lediglich die von der Klägerin beantragten 28.050,99 Euro.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

III.

Ein Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO besteht im Hinblick auf den nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz nicht. Im Hinblick auf den ausführlichen gerichtlichen Hinweis vom 13. Februar 2023, mit dem auf das gesamte dem Gericht zur Kenntnis gelangte Meinungsspektrum zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit einer Nachunternehmerkalkulation bei zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht genehmigtem Nachunternehmereinsatz hingewiesen worden war, hatte die Beklagte ausreichend Gelegenheit zum Vortrag und rechtlicher Stellungnahme bis zum Berufungstermin am 11. April 2023 (s. in diesem Zusammenhang ferner bereits die obigen Ausführungen unter II. 2. a) dd) a.E.).

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO sowie aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Darüber hinaus war im Hinblick auf die Nebenintervention in erster Instanz der Kostentenor von Amts wegen (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. September 2017 – 6 W 31/17 -) zu berichtigen. Denn die Nebenintervenientin ist ausweislich der Antragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 21. April 2021 (Bd. II, Bl. 10) nur in Bezug auf den zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Streitwertteil beigetreten. In Bezug auf diesen Streitwertteil hatte die Klägerin voll obsiegt, so dass die Beklagte als Gegnerin gemäß § 101 Abs. 1 ZPO sämtliche Kosten des Streithelfers bezogen auf einen Streitwert in Höhe von 53.009,19 Euro zu tragen hat (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 – II ZR 94/17 -; Herget, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auf. 2022, § 101 Rn. 2 a.E.).

V.

Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Denn die hier entscheidungserhebliche Frage, ob die große Kündigungsvergütung auch dann nach § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB a.F. (bzw. jetzt § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB) auf Grundlage eines Nachunternehmereinsatzes kalkuliert werden kann, wenn diesem seitens des Bestellers nicht gemäß § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B zugestimmt worden war, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte konträr beantwortet (OLG Celle, Urteil vom 14.2.2007 – 7 U 1656/06, einerseits, und OLG Brandenburg, Urteil vom 10.11.2022 – 12 U 69/22, andererseits).

Instrumente zur Preisanpassung bei öffentlichen Aufträgen stärken Planungssicherheit für Auftraggeber und Auftragnehmer

Instrumente zur Preisanpassung bei öffentlichen Aufträgen stärken Planungssicherheit für Auftraggeber und Auftragnehmer

von Thomas Ax

Aufgrund der hohen Inflationsraten und einer zunehmend unter Druck stehenden Geldwertstabilität ist die Kalkulation mittel- und langfristig tragfähiger Preise derzeit kaum noch realisierbar. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist davon in besonderer Weise betroffen:

1. Ausschreibungs- und Vergabeprozesse können viel Zeit in Anspruch nehmen und die Preiskalkulation muss lange vor Vertragsschluss erfolgen. Zudem nutzt die öffentliche Hand häufig mehrjährige Rahmenverträge, was die Planungsunsicherheiten zusätzlich verschärft.

2. Erschwerend kommt hinzu, dass Preisindizes als ex-post-Betrachtung immer nachlaufend sind. Werden dem Auftraggeber Verlängerungsoptionen eingeräumt, kann der Auftragnehmer nach Ablauf der Grundlaufzeit in der Regel nicht einseitig kündigen (einseitige Bindung).

3. Bei Planungsunsicherheiten reagieren seriös kalkulierende Unternehmen mit hohen Risikoaufschlägen, um die Auskömmlichkeit ihrer Angebote sicherstellen zu können. In der Konsequenz werden sich besonders risikoaffine Angebote zunehmend durchsetzen. Das gilt insbesondere, da das Preiskriterium zunehmend an Bedeutung gewinnt und häufig allein ausschlaggebend ist bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags. Es resultiert die Gefahr einer Marktverengung, bei der Unternehmen ihre Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungsverfahren einschränken.

4. Es besteht die Gefahr, dass der Wettbewerb zugunsten großer Anbieter verzerrt wird, die sich (ggf. für einen gewissen Zeitraum) Negativmargen leisten können. Besonders betroffen durch die steigenden Inflationsraten sind hingegen kleine und mittelständische Unternehmen sowie Startups, deren Interessen der Auftraggeber per Gesetz (§ 97 Abs. 4 GWB) besonders zu berücksichtigen hat. Sie haben in der Regel weniger finanzielle Spielräume und eine höhere Abhängigkeit von einzelnen Aufträgen als global tätige Unternehmen.

5. Liegen die tatsächlichen Inflationsraten später über den Risikoaufschlägen, kann dies zu Komplikationen bei der Leistungserbringung führen. Für Dienstleister ist die Bedienung von Rahmenverträgen, die auf angesichts der Inflation obsolet gewordenen Preisen beruhen, ggf. sogar ruinös Im schlimmsten Falle können Unternehmen ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen – mit harten Konsequenzen auf Beschaffer- und Anbieterseite.

Mit dem Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) vom 25. März 2022 (aktualisiert am 22. Juni 2022) hat die Bundesregierung reagiert und für Bauleistungen für den Bund Stoffpreisgleitklauseln für bestimmte Baustoffe für neue und laufende Vergabeverfahren zur Pflicht gemacht. Der Erlass soll die Preissteigerungen im Baubereich in Folge des Angriffs auf die Ukraine gerechter zwischen öffentlichen Auftraggeber und Auftragnehmer aufteilen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 24. Juni 2022 ein Schreiben zum Umgang mit Preissteigerungen in der öffentlichen Auftragsvergabe veröffentlicht. Der russische Angriffskrieg wird darin als außergewöhnliches Ereignis beschrieben, das von Vergabestellen unter bestimmten Umständen als Begründung für Vertragsanpassungen bzw. die Aufnahme von Preisgleitklauseln bei der Vergabe öffentlicher Aufträge genutzt werden kann.

Das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung hat in einem Schreiben vom 29. Juni 2022 hervor gehoben, dass eine seriöse Angebotskalkulation aufgrund des Krieges in der Ukraine derzeit kaum möglich ist.

Unternehmen mit einem hohen Fachkräftebedarf stehen dann unter Umständen vor der unternehmerischen Abwägung, ob die Bedienung des öffentlichen Sektors perspektivisch überhaupt noch ein tragfähiges Geschäftsmodell darstellt oder die Beschäftigten stattdessen in anderen Bereichen eingesetzt werden. Nötig ist aus unserer Sicht insbesondere die Anpassung von Verträgen bei längeren Restlaufzeiten.

Lösung 1:

Für Verträge mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr sollten im Dialog zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer notwendige Vertragsanpassungen geprüft werden. Aufgrund der höchsten Inflation der letzten 50 Jahre, die neben dem Ukraine-Krieg auch die Corona-Pandemie verursacht wurde, ist das wirtschaftliche Gleichgewicht zu Lasten des Auftragnehmers verschoben (§ 132 Abs. 1 Nr. 2 GWB und § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB).

Lösung 2:

Die Aufnahme von Preisgleitklausen in Neuverträge ist – unabhängig vom Eintreten eines außergewöhnlichen Ereignisses – grundsätzlich möglich und auch dazu geeignet Unsicherheiten bei der Planung und Kalkulation (mehrjähriger) Aufträge zu verringern.

Sprechen Sie uns bei Bedarf gerne an.

Von der Redaktion

Von der Redaktion

Die VergabePrax unterstützt öffentliche wie private Auftraggeber bei der rechtssicheren und marktgerechten Strukturierung, Konzeption und Abwicklung von Vergabeverfahren. Entwickeln Sie mit unserer Unterstützung für jedes Projekt die optimale Vergabestrategie. Stellen Sie mit uns gemeinsam sicher, dass die Vorgaben des europäischen und des nationalen Rechts einschließlich der Landesvergabegesetze eingehalten und Gestaltungsspielräume ausgeschöpft werden. Behalten Sie im Fall einer öffentlichen Förderung alle damit verbundenen Auflagen sehr genau im Auge. Profitieren Sie als Unternehmen von der VergabePrax bei der rechtssicheren und wirtschaftlich optimierten Erstellung von Teilnahmeanträgen und Angeboten. Erkennen Sie in Vergabeunterlagen relevante Rechtsverstöße und gehen Sie optimal um mit erkannten Verstößen. Nachprüfungsverfahren sind kein Problem mit den von uns vermittelten Informationen! Viele Auftraggeber, Verbände und Unternehmen als Marktteilnehmer des Gesundheitssektors gehören zu unserem Leserkreis. Das Spektrum reicht von dem Einkauf von Medizinprodukten (Investitions- und Verbrauchsgüter) sowie Arznei- und Hilfsmitteln und verschiedensten Dienstleistungen bis hin zum Neubau von Krankenhäusern und Universitätsklinika. Sektorenauftraggeber wie Stadtwerke, Energieerzeuger, Häfen, Flughäfen und Verkehrsdienstleister profitieren von unserer VergabePrax in allen vergaberechtlichen Belangen ebenso wie klassische öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Architekten- oder Fachplanungsleistungen. Gehören Sie zu uns! Machen Sie mit! Profitieren Sie von dem entscheidenden Knowhow-Vorsprung mit unserer VergabePrax!

Ihre Redaktion

Nachprüfungsantrag trotz Erteilung des Auftrags zulässig, wenn Auftrag fehlerhaft nur national ausgeschrieben und die Antragstellerin sich an dieser Ausschreibung mit einem Angebot beteiligt hat, die fehlende europaweite Ausschreibung aber nicht gerügt hat?

Nachprüfungsantrag trotz Erteilung des Auftrags zulässig, wenn Auftrag fehlerhaft nur national ausgeschrieben und die Antragstellerin sich an dieser Ausschreibung mit einem Angebot beteiligt hat, die fehlende europaweite Ausschreibung aber nicht gerügt hat?

von Thomas Ax

Ja! Weder wird der Nachprüfungsantrag aus diesem Grund unstatthaft noch ist die Antragstellerin damit präkludiert, die fehlende europaweite Ausschreibung geltend zu machen. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB gelten die Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB.

§ 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB stellt nach seinem Wortlaut nur darauf ab, dass keine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union stattgefunden hat. Auf die Frage, ob national ausgeschrieben wurde, kommt es nach dem Wortlaut nicht an. Zudem ergibt sich aus § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB, dass eine Unwirksamkeit des Vertrags auch dann möglich ist, wenn es “betroffene Bieter und Bewerber” gegeben hat. Schließlich war nach § 101 Abs. 1 Nr. 2 GWB in der bis April 2016 geltenden Fassung ein Vertrag unwirksam, wenn der Auftraggeber “einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligten und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist”. Diese deutlich engere Formulierung hat der Gesetzgeber gerade nicht in die Neufassung übernommen, sondern die zum alten Recht vertretene europarechtlich gebotene erweiternde Auslegung nachvollzogen (siehe BT-Drs. 18/6281 S. 122). Somit kommt eine Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags und ein darauf gerichteter Nachprüfungsantrag auch dann in Betracht, wenn der Auftrag – unzulässig – nur national ausgeschrieben wurde und der Antragsteller sich mit einem Angebot beteiligt hat (so auch OLG Koblenz, Beschl. v. 1. September 2021, Verg 1/21; zum Fall eines Interessensbekundungsverfahrens unter Beteiligung der Antragstellerin OLG Jena, Beschl. v. 9. April 2021, Verg 2/20 – Kindergartenbetrieb; zum Fall einer freiwilligen Ex-Ante-Transparenzbekanntmachung und eines Angebots der Antragstellerin OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. Juli 2017, Verg 13/17 – Dialysegerät, NZBau 2017, 679).

Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB bestehen in diesem Fall auch keine Rügeobliegenheiten (so auch OLG Koblenz, a. a. O; OLG Jena, a. a. O; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4. Dezember 2020, 15 Verg 8/20; OLG Düsseldorf, a. a. O.; Jaeger in Münchener Kommentar zum GWB, 4. Aufl. 2022, § 160 Rn. 95 f.; a. A. Gabriel/Mertens in BeckOK Vergaberecht, 26. Ed. 31. Oktober 2022, GWB § 160 Rn. 209; Nowak in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 160 Rn. 84; Dreher in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, GWB § 160 Rn. 117). Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB, der keine Einschränkungen vorsieht. Vielmehr verweist er umfassend auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB, ohne danach zu differenzieren, ob es eine nationale Ausschreibung gab. Zudem erschiene es widersprüchlich, wenn einerseits der Auftraggeber gerade keine förmliche Ausschreibung nach den Vorschriften des GWB durchführt, andererseits dem Bieter aber die strengen Rügepflichten auferlegt würden. Ferner sieht § 135 Abs. 2 GWB in seiner neuen Fassung ohnehin gewisse Fristen vor, innerhalb derer die Unwirksamkeit des Vertrags geltend zu machen ist, so dass dem Bedürfnis nach einer baldigen Klärung auch im Interesse des Auftraggebers Rechnung getragen wurde. Letztlich liefe es auf eine Korrektur des § 160 Abs. 3 Satz 2, § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB entgegen des klaren Wortlauts hinaus, für die es weder Anhaltspunkte in der Entstehungsgeschichte der Neufassung noch ein sonst ersichtliches Bedürfnis gibt.
§ 160 Abs. 3 Satz 2 GWB differenziert gerade nicht danach, ob es um die Rüge der fehlenden europaweiten Ausschreibung oder um sonstige Rügen geht. Vielmehr gilt Satz 1 bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB generell nicht (so auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4. Dezember 2020, 15 Verg 8/20, und Rn. 47). Auch insoweit kann dem Bieter die vorsorgliche Einhaltung der strengen Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht zugemutet werden, wenn sich der Auftraggeber gerade nicht für eine Ausschreibung unter Einhaltung der strengeren Vorgaben des GWB entschieden hat. Die VOB/A und die UVgO enthalten keine dem § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vergleichbaren Rügeobliegenheiten.

Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht wegen Verletzung von Rügepflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis unzulässig. Ob sich aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis eine Rügeobliegenheit ergeben könnte, ist umstritten (bejahend OLG Naumburg, Beschl v. 2. März 2006, Verg 1/06; ablehnend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. Mai 2008, Verg 14/08, und Jaeger in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, GWB § 160 Rn. 96; offenlassend OLG München, Beschl. v. 19. Juli 2012, Verg 8/12; vgl. auch Dreher in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB § 160 Rn. 117). Indessen ist dies jedenfalls für § 160 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F. abzulehnen. Die Konstruktion einer Rügepflicht aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis läuft letztlich auf eine Korrektur der Neufassung hinaus, ohne dass es dafür eine Rechtfertigung gäbe.

Ausschluss wegen Schlechtleistung? Voraussetzungen und Grenzen

Ausschluss wegen Schlechtleistung? Voraussetzungen und Grenzen

von Thomas Ax

Nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A dieser Vorschrift können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme eines Vergabeverfahrens ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Zunächst stellt sich diesbezüglich die Frage, welche Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen des § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A zu stellen sind.

In der Rechtsprechung werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, welche Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (bzw. dem wortgleichen § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A) zu stellen sind. Nicht erforderlich ist es, dass die Tatsachen, auf die die Ausschlussentscheidung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützt wird, unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sein müssen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – Verg 7/18 m. w. N.). Dies würde dem gemäß § 167 GWB bestehenden Beschleunigungsgrundsatz widersprechen, da es im Nachprüfungsverfahren nicht möglich ist, eine ähnlich umfangreiche Beweisaufnahme wie in einem zivilrechtlichen Bauprozess vorzunehmen und dessen Ergebnis vorwegzunehmen.

Ebenfalls nicht erforderlich ist es nach Auffassung der Vergabekammer, dass der öffentliche Auftraggeber bezüglich der von der Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB verlangten Schlechterfüllung Gewissheit erlangt haben muss, also eine Überzeugung gewonnen haben muss, welche vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (a. A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – Verg 7/18). Einen solchen Maßstab erachtet die Vergabekammer als zu streng.
Es ist ausreichend, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basieren und die die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen lassen (OLG Celle, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 13 Verg 9/16 -, m. w. N., VK Sachsen, Beschluss vom 27. Dezember 2019 – 1/SVK/037-19).

Nachvollziehbar ist der Ausschluss aber nur dann, wenn eine hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es tatsächlich zu einer entsprechenden Pflichtverletzung gekommen ist und der Auftraggeber ein Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung oder einen Anspruch auf Schadensersatz oder vergleichbare Sanktionen aufgrund der Pflichtverletzung (Kausalität) hat (Opitz in Burgi/Dreher, GWB, § 124, Rn. 94). Mithin, ob die Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Vertragsbeendigung, das Bestehen eines Schadensersatzanspruches oder einer vergleichbaren Rechtsfolge von den Zivilgerichten bestätigt werden wird oder würde (Opitz in Burgi/Dreher, GWB, § 124 Rn. 96). Es genügt also nicht, dass öffentliche Auftraggeber Pflichtverletzungen und die Geltendmachung von Vertragsrechten lediglich behaupten. Vielmehr müssen diese mit der beschriebenen Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Auftraggeber mit hoher, jedenfalls überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Recht zur Geltendmachung der genannten Vertragsrechte haben.

Gemäß § 124 Abs. 1 GWB bzw. § 6e EU Abs. 6 VOB/A kommt ein Ausschluss eines Bieters nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Dabei ist u. a. zu berücksichtigen, ob dem Bieter zuvor die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde (VK Sachsen, Beschluss vom 17. März 2021 – 1/SVK/031-20 ). Der Auftraggeber ist verpflichtet dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit dieses unter anderem die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen (OLG München, Beschluss vom 29. Januar 2021 – Verg 11/20 m. w. N.).

OLG Koblenz zur Angabe eines Höchstwerts zu erbringender Dienstleistungen in Rahmenvereinbarung

OLG Koblenz zur Angabe eines Höchstwerts zu erbringender Dienstleistungen in Rahmenvereinbarung

vorgestellt von Thomas Ax

1. Dass der öffentliche Auftraggeber die Schätzmenge und/oder den Schätzwert sowie eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert der gemäß einer Rahmenvereinbarung zu erbringenden Dienstleistungen angibt, ist für den Bieter von erheblicher Bedeutung, da er auf der Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann. Ansonsten könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht leisten könnten (Anschluss EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-274/21). (Rn.48)

2. Es führt jedoch nicht immer die Angabe einer Höchstmenge und/oder eines Höchstwerts der gemäß der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung zu erbringenden Dienstleistungen dazu, dass sich der öffentliche Auftraggeber nur bis zu dieser Höchstmenge und/oder des Höchstwerts verpflichten kann und die Rahmenvereinbarung damit ohne Weiteres ihre Wirkung verliert, wenn die Menge oder der Wert erreicht ist. Anders ist es beispielsweise, wenn ein Kündigungsrecht des Auftraggebers für den Fall vorgesehen ist, dass das diesem genehmigte Budget aufgrund bereits erteilter Aufträge ausgeschöpft ist. Entspricht dieses genehmigte Budget seiner Höhe nach gerade dem in den Vergabeunterlagen als solches bezeichneten und ebenfalls maximalen Auftragsvolumen der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung, führt eine Überschreitung des Höchstwerts der zu erbringenden Dienstleistungen ohne Weiteres zu einem Erlöschen der Leistungspflicht des Auftragnehmers; sonst hätte die Regelung des Kündigungsrechts keinen Sinn. (Rn.50)

OLG Koblenz Vergabesenat, 12.12.2022, Verg 3/22


Gründe

I.

Randnummer1

Die Antragsgegnerin veröffentlichte im Supplement zum EU-Amtsblatt vom […] 2022 eine Auftragsbekanntmachung zur Vergabe einer Rahmenvereinbarung bezüglich Dienstleistungen „[…]“ im offenen Verfahren. Der Gesamtwert des Auftrags war antragsgegnerseits zuvor auf […] € (netto) geschätzt worden.

Randnummer2

In den Vergabeunterlagen ist das maximale Auftragsvolumen der Rahmenvereinbarung mit […] € (netto) angegeben. Bei den Vergabeunterlagen befindet sich zudem ein Entwurf der abzuschließenden Rahmenvereinbarung. Dieser sieht in Ziffer 2.4 folgende Klausel vor:

Randnummer3

„Die Rahmenvereinbarung kann vom Auftraggeber jederzeit vor Ablauf der Vertragslaufzeit mit einer Frist von fünf (5) Tagen in Schriftform gekündigt werden, wenn das genehmigte Budget des Auftraggebers in Höhe von […] EUR (netto) aufgrund bereits erteilter Aufträge ausgeschöpft ist.“

Randnummer4

Unter anderem die Antragstellerin sowie die Beigeladene beteiligten sich mit fristgerecht eingereichten Angeboten an der Ausschreibung. Am 10. Mai 2022 schloss die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV aus, weil darin fehlerhafte Preise enthalten seien und somit das Angebot nicht die (echten) erforderlichen Preisangaben enthalte. Die Preisblattanpassung stelle eine nachträgliche Änderung der Angebotspreise dar, die gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VgV nach Ablauf der Angebotsfrist aus Gründen der Gleichbehandlung aller Bieter im Rahmen der Wertung unbeachtlich zu bleiben habe. Mit Vorabinformationsschreiben vom 10. Mai 2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Angebotsausschluss sowie die Absicht mit, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.

Randnummer5

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Mai 2022 rügte die Antragstellerin diese Absicht. Sie rügte unter anderem, dass weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen eine Höchstabnahmemenge angegeben sei, ab deren Erreichung die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung ende. Dies stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung und damit einen schweren Vergaberechtsverstoß dar. Ohne die Angabe von Höchstmengen sei die Kalkulation kaum zu bewerkstelligen gewesen. Sie – die Antragstellerin – habe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Angabe von Schätz- und Höchstmengen bei Rahmenvereinbarungen nicht gekannt, sei sich ihrer eigenen Leistungsfähigkeit nicht vollständig gewahr gewesen und habe dennoch ein Angebot unter Zeitdruck abgegeben.

Randnummer6

Am 19. Mai 2022 wies die Antragsgegnerin die Rüge zurück. Dies nahm die Antragstellerin zum Anlass, am 20. Mai 2022 einen Nachprüfungsantrag zu stellen.

Randnummer7

Diesen hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 12. August 2022 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin sei bereits nicht antragsbefugt, denn sie habe nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch die gerügten Vergaberechtsverstöße ein Schaden zumindest zu entstehen drohe. Denn das Angebot der Antragstellerin sei vorliegend aufgrund fehlerhafter Preisangaben ausgeschlossen worden. Hiergegen habe die Antragstellerin auch keine Rüge erhoben, weshalb von einem vergaberechtskonformen Ausschluss auszugehen sei. Damit habe die Antragstellerin – ungeachtet etwaiger der Antragsgegnerin unterlaufener Vergaberechtsverstöße – keine Chance mehr, den ausgeschriebenen Auftrag zu erhalten.

Randnummer8

Eine derartige (zweite) Chance und damit die Antragsbefugnis der Antragstellerin folge auch nicht daraus, dass entweder das Vergabeverfahren in das Stadium vor Angebotsabgabe zurückversetzt oder dass nach Aufhebung gar neu ausgeschrieben werden müsse.

Randnummer9

So sei die Beigeladene – bei deren Angebot es sich um das einzige in der Wertung verbliebene handele – nicht wegen fehlender Eignung zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Ein entsprechender Ausschlussgrund liege nicht vor.

Randnummer10

Zudem ergebe sich auch vor dem Hintergrund der Rüge, die Antragsgegnerin habe vergaberechtswidrig keine Höchstabnahmemenge der abzuschließenden Rahmenvereinbarung bekannt gemacht, ab deren Erreichen die Rahmenvereinbarung unmittelbar ihre Wirkung verliere, kein Anspruch auf eine „zweite Chance“ der Antragstellerin. In Ziffer 5.1 der Vergabeunterlagen finde sich nämlich die Angabe, dass das „maximale Auftragsvolumen dieser Rahmenvereinbarung“ […] € betrage. Diese Aussage sei von den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend so verstanden worden, dass dies der veranschlagte maximale Gesamtwert über die Gesamtlaufzeit der Rahmenvereinbarung sei. Es sei auch ausreichend, wenn die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung in den Vergabeunterlagen mitgeteilt werde, für welche der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung einen Link gemäß § 41 Abs. 1 VgV angebe.

Randnummer11

Mithin sei ein entsprechender Vergaberechtsverstoß nicht erkennbar. Aus Ziffer 2.4. Rahmenvereinbarung, wonach der Auftraggeber die Rahmenvereinbarung kündigen könne, wenn das genehmigte Budget des Auftraggebers in Höhe von […] € (netto) aufgrund bereits erteilter Aufträge ausgeschöpft sei, ergebe sich nichts Gegenteiliges. Denn nach der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könne sich der öffentliche Auftraggeber nur bis zur angegebenen Höchstmenge bzw. zum angegebenen Höchstwert verpflichten. Die Rahmenvereinbarung verliere ihre Wirkung bei Erreichen dieser Menge bzw. dieses Wertes. Die Angabe einer Höchstmenge stelle mithin eine der Rahmenvereinbarung immanente Mengenbegrenzung dar; sei sie erreicht, sei der Beschaffungszweck der Rahmenvereinbarung erfüllt. Verliere die Rahmenvereinbarung mit Erreichen der Höchstmenge/des Höchstwertes ihre Wirkung beziehungsweise sei die Rahmenvereinbarung durch Erfüllung erloschen, bestünden nachfolgend keine weiteren Leistungspflichten des Auftragnehmers aus dieser Rahmenvereinbarung. Auf das in Ziffer 2.4 der Rahmenvereinbarung enthaltene Kündigungsrecht des Auftraggebers komme es mithin nicht an. Dieses Recht des Antragsgegners laufe vielmehr ins Leere, da mit Erreichen der Höchstabnahmemenge die Rahmenvereinbarung ohnehin ihre Wirkung verliere und folglich keine Leistungspflichten des Auftragnehmers bestünden, die mit Wirkung für die Zukunft durch eine wirksame Kündigung noch entfallen könnten. Folglich ergebe sich auch hinsichtlich der Höchstmenge aus der Rahmenvereinbarung keine Notwendigkeit, der Antragsgegnerin den Zuschlag zu untersagen.

Randnummer12

Gegen diese ihren Verfahrensbevollmächtigten am 12. August 2022 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Diese hat sie mittels eines – auf elektronischem Wege – am 26. August 2022 beim erkennenden Oberlandesgericht eingegangenen und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Schriftsatzes eingelegt sowie begründet.

Randnummer13

Sie beantragt,

Randnummer14

1. den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz insoweit aufzuheben, wie der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen wurde – Nr. 1 des Tenors des Beschlusses vom 12. August 2022, Az. VK 1 6/22;

Randnummer15

2. der Antragsgegnerin zu untersagen, das Vergabeverfahren „[…]“, bekannt gemacht im EU-Abl. […], abgesandt am […] 2022, veröffentlicht am […] 2022 durch Zuschlagserteilung abzuschließen;

Randnummer16

3. der Antragsgegnerin bei fortbestehender Vergabeabsicht aufzugeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren betreffend „[…]“ gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Beschwerdesenates durchzuführen;

Randnummer17

4. das im Antrag zu 3. bezeichnete Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht auf den Zeitpunkt vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen;

Randnummer18

hilfsweise:

Randnummer19

unabhängig vom Hauptantrag zu 5. auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hinzuwirken (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).

Randnummer20

Die Antragsgegnerin beantragt,

Randnummer21

die gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 12. August 2021 – VK 1 – 6/22 – gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Randnummer22

Mit ihrem Beschluss vom 12. August 2022 hat die Vergabekammer zudem ausgesprochen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten antragsgegnerseits nicht notwendig war. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, die sie mittels eines – aus einem besonderem elektronischem Anwaltspostfach heraus auf elektronischem Weg übermittelten – am 26. August 2022 beim erkennenden Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatzes eingelegt sowie begründet hat.

Randnummer23

Insoweit beantragt die Antragsgegnerin,

Randnummer24

Ziffer 3 des Beschlusstenors der Vergabekammer vom 12. August 2022, Az. VK 1 6/22, dahingehend zu ändern, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch sie notwendig war.

Randnummer25

Die Antragstellerin beantragt,

Randnummer26

die gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 12. August 2022, Az. VK 1 – 6/22 – gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Randnummer27

Der Senat hat mit Beschluss vom 7. September 2022 die aufschiebende Wirkung der gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 12. August 2022 (VK 1 – 6/22) gerichteten sofortigen Beschwerde der Antragstellerin bis zur Entscheidung über diese sofortige Beschwerde verlängert. Die Beigeladene hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Randnummer28

Ergänzend wird auf den gesamten Inhalt der Akten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der dort vorgelegten Vergabeakten sowie auf die vorliegenden Gerichtsakten im Übrigen Bezug genommen.

II.

Randnummer29

Die zulässige – insbesondere statthafte (§ 171 Abs. 1 Satz 1 GWB), der gesetzlichen Form (§ 172 Abs. 3, 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB, 130d Satz 1, 130a Absätze 1 bis 3 ZPO) und Frist (§§ 172 Abs. 1, 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB, 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO) gemäß eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete (§ 172 Abs. 2, 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB, 130d Satz 1, 130a Absätze 1 bis 3 ZPO) – sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Denn die Vergabekammer hat dem verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrag zu Unrecht jeden Erfolg versagt. Dieser ist nämlich ebenfalls in vollem Umfang zulässig und begründet.

Randnummer30

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Randnummer31

Insbesondere fehlt es der Antragstellerin nicht an der gemäß § 160 Abs. 2 GWB erforderlichen Antragsbefugnis.

Randnummer32

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren macht die Antragstellerin einen auf den Vergabeunterlagen gründenden Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) und der Transparenz (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB) geltend. Das verfahrensgegenständliche Rechtsschutzbegehren richtet sich mithin auf die Beseitigung eines mit nicht heilbaren Fehlern behafteten Verfahrens mit der Konsequenz einer Neuausschreibung und der damit eröffneten Chance, an dem neuen Verfahren unter Bedingungen, die die Chancengleichheit gewährleisten, teilzunehmen (vgl. insoweit auch BVerfG, NZBau 2004, 564, 566). In einem solchen Fall liegt auch ohne weitere Darlegung auf der Hand, dass als Folge der stattdessen gewählten oder beabsichtigten vergaberechtswidrigen Vorgehensweise des öffentlichen Auftraggebers dem Bieter ein Schaden zu entstehen droht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – X ZB 8/09 -, juris, Rdnr. 32; Beschluss vom 26. September 2006 – X ZB 14/06 -, juris, Rdnr. 30; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. März 2021 – 11 Verg 18/20 -, juris, Rdnr. 61; OLG Rostock, Beschluss vom 17. Juli 2019 – 17 Verg 1/19 -, juris, Rdnr. 40, m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Mai 2018 – VII-Verg 3/18 -, juris, Rdnr. 22; BeckOK Gabriel/Mertens/Prieß/Stein-Gabriel/Mertens, Vergaberecht, 26. Edition, Stand: 31. Oktober 2022, § 160 GWB, Rdnr. 106, m.w.N.; Burgi/Dreher/Opitz-Horn/Hofmann, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB, Rdnr. 35).

Randnummer33

Ein Schaden droht nämlich bereits dann, wenn die Aussichten des antragstellenden Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können. Das ist nicht nur der Fall, wenn dies für den Zuschlag in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zutrifft. Denn es ist die tatsächliche Erteilung des Auftrags, welche die Vermögenslage von Bietern beeinflusst, nicht der Umstand, in welchem Vergabeverfahren sie erfolgt. § 160 Abs. 2 GWB lässt auch nicht erkennen, dass für die Antragsbefugnis allein auf die Möglichkeit abzustellen sein könnte, den ausgeschriebenen Auftrag gerade in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zu erhalten. Nach seinem Wortlaut muss vielmehr ganz allgemein ein (drohender) Schaden dargelegt werden, für den die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften kausal ist. Es genügt deshalb, wenn es nach dem Vorbringen des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Bieters möglich erscheint, dass er ohne den behaupteten Vergaberechtsverstoß den Bedarf, dessentwegen die Ausschreibung erfolgt ist, gegen Entgelt befriedigen kann. Das ist regelmäßig auch der Fall, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne Weiteres durch Zuschlag beendet werden darf, und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt. Dass im Voraus nicht abzusehen ist, ob die darin liegende Chance eine realistische Aussicht darstellt, den Auftrag zu erhalten, und sich eine solche Chance keinesfalls zwangsläufig für den betreffenden Bieter auftun muss, ist angesichts der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unerheblich. Denn hiernach reicht schon die Möglichkeit einer Verschlechterung der Aussichten des den Nachprüfungsantrag stellenden Bieters infolge der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften aus (vgl. zu allem Vorstehenden BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – X ZB 8/09 -, juris, Rdnr. 32, m.w.N.; Burgi/Dreher/Opitz-Horn/Hofmann, a.a.O.).

Randnummer34

Danach ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin nicht zu verneinen. Denn sie macht vorliegend einen auf den Vergabeunterlagen gründenden Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) und der Transparenz (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB) geltend und behauptet überdies, dieser habe sich auf ihre Preisgestaltung ausgewirkt, weil sie sich in der Phase des Angebotsentwurfs ihrer Leistungsfähigkeit nicht vollständig gewahr gewesen sei. Träfe dies zu, wäre das Vergabeverfahren in das Stadium vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen. Die Antragstellerin hätte dann die Möglichkeit, ein neues Angebot abzugeben und auf dieses den Zuschlag zu erhalten.

Randnummer35

Die antragsgegnerseits zitierten Ausführungen des Oberlandesgerichts Celle in dessen Beschluss vom 7. Juli 2022 – 13 Verg 4/22 – ändern an alledem nichts. Sie geben auch zu einer Divergenzvorlage des Senats nach § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB keine Veranlassung.

Randnummer36

Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass der Senat die Antragsbefugnis vorliegend allein unter dem Gesichtspunkt der Gewährung einer sogenannten zweiten Chance für solche Rügen bejaht, deren Behebung eine (teilweise) Aufhebung des bisherigen Vergabeverfahrens oder die Untersagung der Zuschlagserteilung erfordern und damit der Antragstellerin die Möglichkeit eröffnen, sich – im Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht der Antragsgegnerin – durch ein neues Angebot am Vergabeverfahren zu beteiligen. Die insoweit zur Anwendung gebrachten Rechtsgrundsätze beruhen – wie den obigen Ausführungen unschwer entnommen werden kann – auf gefestigter Rechtsprechung gerade auch des Bundesgerichtshofs. Danach sind im – hier vorliegenden – auf die Beseitigung eines mit nicht heilbaren Fehlern behafteten Vergabeverfahrens (mit der Konsequenz einer Neuausschreibung und der damit eröffneten Chance, an dem neuen Verfahren unter Bedingungen, die die Chancengleichheit gewährleisten, teilzunehmen) gerichteten Nachprüfungsverfahrens weitere Darlegungen des Antragstellers dazu, dass ihm als Folge der stattdessen gewählten oder beabsichtigten vergaberechtswidrigen Vorgehensweise des öffentlichen Auftraggebers ein Schaden zu entstehen droht, gerade nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – X ZB 8/09 -, juris, Rdnr. 32; Beschluss vom 26. September 2006 – X ZB 14/06 -, juris, Rdnr. 30).

Randnummer37

Diesen Gesichtspunkt hat das Oberlandesgericht Celle in seinen im hier maßgeblichen Zusammenhang zitierten Ausführungen vom 7. Juli 2022 zwar nicht – jedenfalls nicht in erkennbarer Art und Weise – zur Anwendung gebracht. Dies nötigt den der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgenden Senat im Streitfall indes nicht zu einer Divergenzvorlage (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – Verg 8/14 -, juris, Rdnr. 24, m.w.N.; BGH, NJW 1959, 1450, 1451 – zu § 121 Abs. 2 GVG; OLG Dresden, Beschluss vom 10. Juli 2003 – Wverg 16/02 -, juris, Rdnr. 30, m.w.N.; Feilcke in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 121 GVG, Rdnr. 26, m.w.N.; Reidt/Stickler/Glahs-Stickler, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 179 GWB, Rdnr. 13). Anderenfalls müssten die Oberlandesgerichte alle Sachen auch dann immer wieder dem Bundesgerichtshof vorlegen, wenn sie sich dessen Ansicht anschließen wollten, nur weil einmal eine abweichende oberlandesgerichtliche Entscheidung ergangen ist (vgl. BGH, a.a.O.). Dies ist zur Sicherung der Rechtseinheit und damit zur Wahrung des § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht erforderlich (vgl. BGH, a.a.O.).

Randnummer38

Im Übrigen tritt vorliegend der Umstand hinzu, dass das Oberlandesgericht Celle in seinen im hier maßgeblichen Zusammenhang zitierten Ausführungen vom 7. Juli 2022 entscheidend darauf abgestellt hat, dass die dortige Antragstellerin unstreitig in der Lage gewesen war, ihr Angebot zu kalkulieren. So liegt der Fall hier indes gerade nicht. Vorliegend hat die Antragstellerin vielmehr behauptet, der in Rede stehende – vermeintliche – Vergaberechtsverstoß habe sich auf ihre Preisgestaltung ausgewirkt, weil sie sich in der Phase des Angebotsentwurfs ihrer Leistungsfähigkeit nicht vollständig gewahr gewesen sei.

Randnummer39

Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der antragstellerseits gerügte Vergaberechtsverstoß nicht rechtzeitig gerügt worden ist. Die Antragstellerin ist mit ihrer hier maßgeblichen Rüge nicht präkludiert.

Randnummer40

Insbesondere bestand keine Obliegenheit der Antragstellerin zu einer entsprechenden Rüge binnen der Angebotsfrist. Eine solche folgt auch nicht aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB.

Randnummer41

Zwar sind nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB Vergaberechtsverstöße, die aufgrund der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Hinsichtlich der Erkennbarkeit ist jedoch auf den – objektiven – Maßstab eines durchschnittlich fachkundigen Bieters abzustellen, der die übliche Sorgfalt anwendet (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2022 – Verg 2/22 -; EuGH, NZBau 2015, 306, 311, Rdnr. 55; OLG Schleswig, Beschluss vom 12. November 2020 – 54 Verg 2/20 -, juris, Rdnr. 73; OLG Düsseldorf, NZBau 2019, 742, 744, Rdnr. 25; KG, Beschluss vom 15. Februar 2019 – Verg 9/17 -, juris, Rdnr. 36; OLG Rostock, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 17 Verg 8/18 -, BeckRS 2019, 28975, Rdnr. 15; OLG Naumburg, Beschluss vom 16. Dezember 2016 – 7 Verg 6/16 -, juris, Rdnr. 55; BeckOK Gabriel/Mertens/Prieß/Stein-Gabriel/ Mertens, 26. Edition, Stand: 31. Oktober 2022, § 160, Rdnr. 162 f.; Heiermann/Zeiss/Summa-Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, Stand: 21. Juni 2021, § 160 GWB, Rdnr. 267; Ziekow/Völlink-Dicks, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 160, Rdnr. 50). Auf die Erkenntnisse beziehungsweise Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Unternehmens – hier diejenigen der Antragstellerin – kommt es insoweit nicht an (vgl. OLG Naumburg, a.a.O., m.w.N.; MünchKomm-Jaeger, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB, Rdnr. 81). Das Tatbestandsmerkmal der Erkennbarkeit in § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB bezieht sich zudem nicht ausschließlich auf die den Vergabeverstoß begründenden Tatsachen, sondern zudem auf deren rechtliche Bewertung als Vergaberechtsverstöße (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; KG, a.a.O.; OLG Frankfurt am Main, NZBau 2017, 569, 571, Rdnr. 46; MünchKomm-Jaeger, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB, Rdnr. 81, m.w.N.; Ziekow/Völlink-Dicks, a.a.O., Rdnr. 48; Burgi/Dreher/Opitz-Horn/Hofmann, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB, Rdnr. 50). Erkennbar in diesem Sinne sind nur solche Verstöße, die laienhaft und ohne Anwendung juristischen Sachverstands ins Auge fallen (vgl. OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Naumburg, Beschluss vom 16. Dezember 2016 – 7 Verg 6/16 -, juris, Rdnr. 54; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2011 – Verg 30/11 -, BeckRS 2011, 21699). Dabei ist zu beachten, dass ein Durchschnittsbieter im oben dargestellten Sinne weder umfassend die vergaberechtlichen Literatur und Rechtsprechung noch im Einzelnen die Rechtsprechung zur Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen kennen muss (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28. Oktober 2021 – 54 Verg 5/21 -, juris, Rdnr. 293; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Naumburg, a.a.O., Rdnr. 57, m.w.N.).

Randnummer42

Danach war der hier in Rede stehende Vergaberechtsverstoß nicht erkennbar im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB. Denn er gründet gerade auf der vergaberechtlichen Rechtsprechung zur Auslegung der das Gleichheits- und des Transparenzgebot normierenden europarechtlichen Vorschriften. Gegenstand der hier verfahrensgegenständlichen Rüge der Antragstellerin ist nämlich ausschließlich die (Rechts-)Behauptung, die Vergabeunterlagen genügten nicht den seitens des Europäischen Gerichtshofs mit Urteil vom 17. Juni 2021 – C-23/20 – postulierten – vergaberechtlichen Normen bei deren bloßer Lektüre nicht ohne Weiteres zu entnehmenden – Anforderungen. Ohne vorherige anwaltliche Beratung konnte ein durchschnittlich fachkundiger Bieter die hier in Rede stehende Vergaberechtswidrigkeit der verlinkten Vergabeunterlagen in rechtlicher Hinsicht mithin nicht erkennen (vgl. insoweit auch VK Bund, Beschluss vom 26. Oktober 2021 – VK 1 – 108/21 -, juris, Rdnr. 95).

Randnummer43

Eine positive Kenntnis des Vergaberechtsverstoßes durch die Antragstellerin im Sinne eines Erkennens gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist ebenfalls nicht feststellbar. Die dem Rügeschreiben vom 16. Mai 2022 beigefügte Vollmacht spricht vielmehr dafür, dass sich die Antragstellerin erst am 13. Mai 2022 hatte anwaltlich beraten zu lassen. Eine frühere Rechtsberatung hat auch die Antragsgegnerin nicht behauptet. Hierfür bestehen auch sonst keine – greifbaren – Anhaltspunkte.

Randnummer44

Im Übrigen lag das Rügeschreiben – ausweislich der Vergabeakten – der Antragsgegnerin jedenfalls schon am 17. Mai 2022 vor. In diesem war auch – unter anderem – gerügt worden, dass in den Vergabeunterlagen keine Höchstabnahmemenge angegeben worden sei, „ab deren Erreichen die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung endet“ (Hervorhebung durch den Senat). Es war also gerade nicht lediglich das Fehlen der Angabe einer Höchstabnahmemenge gerügt worden.

Randnummer45

Dass die Antragstellerin schon früher – jedenfalls vor Ablauf der Angebotsfrist – ein Kalkulationsrisiko und Unsicherheiten bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit bemerkt hatte, ändert an alledem nichts. Denn allein die Existenz derartiger Risiken und Unsicherheiten begründet keinen Vergaberechtsverstoß (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. September 2017 – VII-Verg 9/17 -, juris, Rdnr. 77, m.w.N.; Beschluss vom 18. April 2012 – VII-Verg 93/11 -, juris, Rdnr. 20). Dies gilt insbesondere im – hier vorliegenden – Falle der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. April 2012 – VII-Verg 93/11 -, juris, Rdnr. 20). Die Vergaberechtswidrigkeit folgt daher erst aus den oben wiedergegebenen seitens des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Erwägungen rechtlicher Art. Entscheidend sowohl für die Erkennbarkeit im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB (vgl. insoweit Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; KG, a.a.O.; OLG Frankfurt am Main, NZBau 2017, 569, 571, Rdnr. 46; MünchKomm-Jaeger, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB, Rdnr. 81, m.w.N.; Ziekow/Völlink-Dicks, a.a.O., Rdnr. 48; Burgi/Dreher/Opitz-Horn/Hofmann, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 160 GWB, Rdnr. 50) als auch für die Kenntnis im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 26. September 2006 – X ZB 14/06 -, juris, Rdnr. 35; MünchKomm-Jaeger, a.a.O., Rdnr. 56; Burgi/Dreher/Opitz-Horn/Hofmann, a.a.O., Rdnr. 44, m.w.N.) kommt es – auch – auf die rechtliche Wertung an, dass eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren vorliegt.

Randnummer46

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Denn die Antragsgegnerin hat mit den für das hier in Rede stehende Verfahren maßgeblichen Vergabeunterlagen gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) und der Transparenz (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB) verstoßen und damit die Antragstellerin in ihren aus den vorzitierten Normen folgenden Rechten verletzt.

Randnummer47

Nach § 97 Abs. 2 GWB sind alle Teilnehmer an einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet. Zudem ist das Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB transparent zu gestalten. Beiden Verfahrensmaximen – Gleichbehandlungsgrundsatz und Transparenzgebot – kommt bieterschützender Charakter zu (vgl. BGH, NZBau 2005, 290, 295; Gabriel/Krohn/Neun-Freytag, Handbuch Vergaberecht, 3. Aufl. 2021, § 38, Rdnr. 62, m.w.N., Ziekow/Völlink-Ziekow, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 97, Rdnr. 22 und Rdnr. 43; Pünder/Schellenberg-Fehling, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 97, Rdnr. 158, m.w.N.).

Randnummer48

Sie gebieten unter anderem, dass im Falle der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung in der entsprechenden (Auftrags-)Bekanntmachung und/oder in den Vergabeunterlagen sowohl die Schätzmenge und/oder der Schätzwert als auch eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu erbringenden Dienstleistungen beziehungsweise der zu liefernden Waren anzugeben sind, und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 – C-23/20 -, juris, Tenor Ziffer 1. und Rdnr. 61, Rdnr. 68 sowie Rdnr. 71). Dass der öffentliche Auftraggeber die Schätzmenge und/oder den Schätzwert sowie eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert der gemäß einer Rahmenvereinbarung zu erbringenden Dienstleistungen beziehungsweise der zu liefernden Waren angibt, ist für den Bieter von erheblicher Bedeutung, da er auf der Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann (vgl. EuGH, a.a.O., Rdnr. 63). Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über diese Höchstmenge hinwegsetzen (vgl. EuGH, a.a.O., Rdnr. 64). Dann könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht leisten könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen überschreiten (vgl. EuGH, a.a.O.).

Randnummer49

Diesen Anforderungen sind die hier maßgeblichen Vergabeunterlagen nicht gerecht geworden. Denn ihre Auslegung ergibt eindeutig, dass eine Überschreitung des Höchstwerts der zu erbringenden Dienstleistungen nach der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung gerade nicht ohne Weiteres zu einem Erlöschen der Leistungspflicht des Auftragnehmers führen soll. Vielmehr wird dem öffentlichen Auftraggeber – der Antragsgegnerin – die Möglichkeit eröffnet sich über die „Höchstmenge“ der Dienstleistungen hinwegzusetzen.

Randnummer50

Dabei verkennt der Senat nicht, dass in der Regel allein die Angabe einer Höchstmenge und/oder eines Höchstwerts der gemäß der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung zu erbringenden Dienstleistungen beziehungsweise der zu liefernden Waren dazu führt, dass sich der öffentliche Auftraggeber nur bis zu dieser Höchstmenge und/oder des Höchstwerts verpflichten kann und die Rahmenvereinbarung damit ohne Weiteres ihre Wirkung verliert, wenn die Menge oder der Wert erreicht ist (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-274/21 und C-275/21 -, Rdnr. 66, m.w.N.). Hier bestehen aber tatsächliche Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls, die zu der Feststellung führen, dass mit der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung eine von dieser Regel abweichende Ausnahme vereinbart werden sollte.

Randnummer51

Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nämlich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (vgl. BGH, NZBau 2014, 185, 188, Rdnr. 31; 2013, 180, 181, Rdnr. 9; 2008, 592, 592, Rdnr. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juni 2022 – VII-Verg 19/22 -, juris, Rdnr. 36; NZBau 2018, 563, 565, Rdnr. 31; 242, 245, Rdnr. 41; OLG Celle, Beschluss vom 18. November 2021 – 13 Verg 6/21 -, Rdnr. 15; OLG Rostock, Beschluss vom 30. September 2021 – 17 Verg 3/21 -, juris, Rdnr. 66; OLG Dresden, Beschluss vom 5. Februar 2021 – Verg 4/20 -, juris, Rdnr. 34). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter beziehungsweise Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, a.a.O.; NZBau 2012, 513, 514, Rdnr. 10; NJW-RR 1993, 1109, 1110; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Rostock, a.a.O.). Es kommt nicht darauf an, wie die Antragstellerin als einzelne Bieterin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bieter des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste oder konnte (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 1109, 1110; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juni 2022 – VII-Verg 19/22 -, juris, Rdnr. 37; NZBau 2018, 563, 565, Rdnr. 31; 242, 245, Rdnr. 41). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.).

Randnummer52

Von diesen Grundsätzen ausgehend sind die hier maßgeblichen Vergabeunterlagen im oben genannten Sinne auszulegen. Denn Ziffer 2.4 des bei den Vergabeunterlagen befindlichen Entwurfs der abzuschließenden Rahmenvereinbarung sieht ein Kündigungsrecht des Auftraggebers für den Fall vor, dass das diesem genehmigte Budget in Höhe von […] € (netto) aufgrund bereits erteilter Aufträge ausgeschöpft ist. Zudem entspricht dieses genehmigte Budget seiner Höhe nach gerade dem in den Vergabeunterlagen als solches bezeichneten und ebenfalls mit […] € (netto) bezifferten maximalen Auftragsvolumen der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung. Die Regelung des Kündigungsrechts in Ziffer 2.4 der Rahmenvereinbarung hätte folglich keinerlei Sinn, wenn eine Überschreitung des Höchstwerts der zu erbringenden Dienstleistungen von […] € ohne Weiteres zu einem Erlöschen der Leistungspflicht des Auftragnehmers führen sollte. Eines Kündigungsrechts bedürfte es dann schlichtweg nicht.

Randnummer53

Ein entsprechendes Erfordernis folgt auch – anders als die Antragsgegnerin meint – nicht aus der Gefahr einer Doppelausschreibung. Denn ohne ein entsprechendes Kündigungsrecht würde die Rahmenvereinbarung – wie oben bereits dargestellt – ohne Weiteres mit Erreichen der angegebenen Höchstmenge und/oder des Höchstwerts der zu erbringenden Dienstleistungen beziehungsweise der zu liefernden Waren „automatisch“ ihre Wirkung verlieren (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-274/21 und C-275/21 -, Rdnr. 66, m.w.N.). Die Gefahr, bei einem sich überschneidenden Leistungszeitraum zwei Rahmenvereinbarungen abzuschließen, hätte damit auch bei einem Verzicht auf das hier in Rede stehende Kündigungsrecht nicht bestanden.

Randnummer54

Dieses war auch nicht erforderlich, um der Antragsgegnerin die Möglichkeit einer Auftragsänderung während der Vertragslaufzeit (§ 132 GWB) offen zu halten. Denn eine entsprechende Änderungsmöglichkeit besteht gerade auch dann, wenn kein Kündigungsrecht wie das hier in Rede stehende vereinbart ist und die Rahmenvereinbarung ohne Weiteres mit Erreichen der angegebenen Höchstmenge und/oder des Höchstwerts der zu erbringenden Dienstleistungen beziehungsweise der zu liefernden Waren ihre Wirkung verliert (vgl. EuGH, a.a.O., Rdnr. 67, m.w.N.).

Randnummer55

In diesem Zusammenhang verkennt der Senat auch nicht, dass im Rahmen eines formalisierten Vergabeverfahrens abgegebene Erklärungen des Auftraggebers regelmäßig so zu verstehen sind, dass sie im Einklang mit den vergaberechtlichen Bestimmungen stehen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 – VII ZR 201/08 -, juris, Rdnr. 18; Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08 -, juris, Rdnr. 20). Dies gilt jedoch nur „im Zweifel“ (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2012 – VII ZR 193/10 -, juris, Rdnr. 19), also im Falle eines ansonsten nicht eindeutigen Auslegungsergebnisses. Ein solches liegt hier indes – wie sich den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt – gerade nicht vor.

Randnummer56

Der nach alledem vorliegende Verfahrensfehler hat die Antragstellerin auch in ihren Rechten verletzt (§ 168 Abs. 1 Satz 1 GWB). Die Feststellung einer subjektiven Rechtsverletzung setzt nicht die Feststellung voraus, dass die Antragstellerin bei Einhaltung der Vergabevorschriften den Zuschlag erhalten hätte (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. September 2018 – Verg 04/18 -, juris, Rdnr. 60). Es reicht vielmehr aus, dass nicht oder nicht zuverlässig beurteilt werden kann, ob die Antragstellerin bei vergaberechtskonformer Korrektur des Verfahrens in der Wertung den ersten Platz erringen kann (vgl. OLG München, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass im Falle einer Neuausschreibung mit den seitens des Europäischen Gerichtshofs mit Urteil vom 17. Juni 2021 – C-23/20 – postulierten Anforderungen entsprechenden Vergabeunterlagen die Antragstellerin eventuell den Zuschlag erhalten kann (vgl. insoweit auch OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 – Verg 2/10 -, BeckRS 13748; BeckOK Gabriel/Mertens/Prieß/Stein-Prell, 26. Edition, Stand: 31. Oktober 2022, § 168, Rdnr. 27).

Randnummer57

Nach alledem ist das Vergabeverfahren nach § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB analog (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 19. September 2022 – 54 Verg 3/22 -, juris, Rdnr. 254; Ziekow/Völlink-Steck, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 178 GWB, Rdnr. 11) in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen. Denn die Antragsgegnerin hat – eine fortbestehende Beschaffungsabsicht vorausgesetzt – die Vergabeunterlagen der Rechtsauffassung des Senats entsprechend zu überarbeiten und den Bietern erneut Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots zu geben. Die Vergabeunterlagen waren den Bietern indes bereits mit der Auftragsbekanntmachung über einen in diese aufgenommenen Internet-Link zur Verfügung gestellt worden.

Randnummer58

Soweit der Senat vorliegend eine Auslegung des relevanten Europarechts vorgenommen hat, bedurfte es auch eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV – anders als die Antragsgegnerin meint – nicht. Denn die seitens des Senats zur Anwendung gebrachten europarechtlichen Grundsätze sind – wie sich den entsprechenden obigen Zitaten entnehmen lässt – allesamt bereits seitens des Europäischen Gerichtshofs geklärt. Im Übrigen hat der Senat diese Grundsätze lediglich auf den vorliegend als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehenden Sachverhalt angewandt.

Randnummer59

Das antragsgegnerseits eingelegte Rechtsmittel ist zwar ebenfalls zulässig – insbesondere statthaft (§ 171 Abs. 1 Satz 1 GWB), der gesetzlichen Form (§ 172 Abs. 3, 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB, 130d Satz 1, 130a Absätze 1 bis 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und Frist (§§ 172 Abs. 1, 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB, 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO) gemäß eingelegt sowie form- und fristgerecht begründet (§ 172 Abs. 2, 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB, 130d Satz 1, 130a Absätze 1 bis 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO) worden – aber unbegründet. Aufgrund des Erfolgs der antragstellerseits eingelegten Beschwerde und damit des verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrags sowie der entsprechenden Kostenfolge (§§ 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB) sind die antragsgegnerseits im Verfahren vor der Vergabekammer aufgewandten Gebühren und Auslagen ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht erstattungsfähig. Ein Ausspruch über die Notwendigkeit der antragsgegnerseits erfolgten Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer – wie seitens der Antragsgegnerin mit ihrem Rechtsmittel begehrt – ist damit nicht veranlasst.

Randnummer60

Die das Beschwerdeverfahren betreffende Kostenentscheidung folgt aus §§ 175 Abs. 2, 71 Sätze 1 und 2 GWB. Es entspricht der Billigkeit, der Antragsgegnerin die durch das begründete Rechtsmittel der Antragstellerin sowie die durch ihr eigenes unbegründetes Rechtsmittel entstandenen Kosten aufzuerlegen. Ebenfalls aus Gründen der Billigkeit trägt die Beigeladene, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat keinen Antrag gestellt und sich auch sonst nicht in einem nennenswerten Umfang am Beschwerdeverfahren beteiligt hat, ihre Kosten selbst (vgl. insoweit auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2020 – VII-Verg 40/19 -, juris, Rdnr. 3).

Randnummer61

Die das Verfahren vor der Vergabekammer betreffende Kostenentscheidung beruht auf den §§ 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB.

Randnummer62

Der Ausspruch über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer folgt aus § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 LVwVfG Rh.-Pf., 19 Abs. 2 AGVwGO Rh.-Pf. Die Erstattungsfähigkeit der antragstellerischen Rechtsanwaltskosten für den Beschwerderechtszug bedurfte keiner Tenorierung; sie folgt unmittelbar kraft Gesetzes aus § 175 Abs. 1 Satz 1 GWB (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 17 Verg 4/20 -, juris, Rdnr. 91).

Randnummer63

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 50 Abs. 2, 45 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO analog.

Randnummer64

Insoweit entfallen […] € auf den Streitwert der antragstellerseits eingelegten Beschwerde. Dies folgt aus § 50 Abs. 2 GKG.

Randnummer65

Danach beträgt der Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer 5 % der Bruttoauftragssumme als pauschalierte Gewinnerwartung des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers (vgl. BeckOK Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn-Toussaint, Kostenrecht, 39. Edition, Stand: 1. Oktober 2022, § 50 GKG, Rdnr. 26), hier also derjenigen der Antragstellerin. Diese entspricht grundsätzlich dem Preis, den der Bieter für seine Leistung vom Auftraggeber als Gegenleistung fordert, und ist daher im Regelfall – wie auch hier – dem Angebot des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers (hier: der Antragstellerin) zu entnehmen (vgl. BGH, NZBau 2014, 452, 453, Rdnr. 7; OLG Naumburg, Beschluss vom 30. Dezember 2002 – 1 Verg 11/02 -, juris, Rdnr. 11; BeckOK Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn-Toussaint, a.a.O., Rdnr. 24; Schneider/Volpert/Fölsch-Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 50 GKG, Rdnr. 33). Insoweit war hinsichtlich der optional möglichen Zeiträume etwaiger Vertragsverlängerungen allerdings ein Abschlag von 50 % vorzunehmen (vgl. BGH, NZBau 2014, 452, 454, Rdnr. 10 bis Rdnr. 13).

Randnummer66

Auf den Streitwert des Rechtsmittels der Antragsgegnerin entfallen weitere […] €. Dies beruht auf § 3 ZPO analog.

Randnummer67

Richtet sich ein Rechtsmittel nämlich – wie hier – nur gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer (oder einen Teil davon), findet § 50 Abs. 2 GKG keine Anwendung. Der Gegenstandswert ist vielmehr in entsprechender Anwendung von § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen; es kommt in Wesentlichen darauf an, welches finanzielle Interesse der Rechtsmittelführer mit seinem Bestreben nach Abänderung der angefochtenen Entscheidung verfolgt (vgl. zu allem Vorstehenden Senat, Beschluss vom 17. Juni 2020 – Verg 1/20 -, juris, Rdnr. 25; Beschluss vom 16. Januar 2017 – Verg 5/16 -, juris, Rdnr. 25; OLG Brandenburg, Beschluss vom 21. Mai 2012 – Verg W 1/12 -, juris, Rdnr. 21; OLG Dresden, Beschluss vom 10. Juni 2010 – WVerg 0004/10 -, juris, Rdnr. 7).

Randnummer68

Der hier in Rede stehende Wert ist folglich entsprechend der streitigen Verfahrenskosten zu bemessen. Diese bestehen aus den antragsgegnerseits im Verfahren vor der Vergabekammer aufgewandten Gebühren und Auslagen ihrer Verfahrensbevollmächtigten. Denn mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, deren Erstattungsfähigkeit herbeizuführen.

Randnummer69

Die entsprechenden Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin sind – ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von […] € (s.o.) und der Angemessenheit einer 2,0-fachen Gebühr (vgl. insoweit Senat, a.a.O., Rdnr. 27; OLG München, Beschluss vom 27. August 2009 – Verg 4/09 -, BeckRS 2009, 27006; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Juli 2005 – VII-Verg 83/04 -, juris, Rdnr. 21; Ziekow/Völlink-Losch, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 182 GWB, Rdnr. 68, jew. m.w.N.) – hier wie folgt in Ansatz zu bringen:

Randnummer70

[…]

Vergabe von Pflegearbeiten an Außenanlagen sowie von Leistungen im Landschaftsbau nach UVgO/ VgV

Vergabe von Pflegearbeiten an Außenanlagen sowie von Leistungen im Landschaftsbau nach UVgO/ VgV

Bei der Vergabe von Pflegearbeiten an Außenanlagen sowie von Leistungen im Landschaftsbau geht es um eine Vielzahl von Leistungen. Insbesondere in der kommunalen Praxis geht es bei derartigen Verträgen nicht nur um den Landschaftsbau selber, sondern auch um Baum- und Grünflächenpflege. Auch Leistungen des Winterdienstes oder Verkehrssicherungsdienste fallen sehr häufig an. Insbesondere bei Grünflächenpflegeleistungen ist in der Praxis umstritten, welche Vergabeordnung anwendbar ist.

Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Anwendung der VOB/A und der UVgO können sich bei der Zuordnung von Pflegearbeiten an Außenanlagen ergeben. Fraglich ist, ob entsprechende Pflegearbeiten als Bauleistungen i. S. d. VOB einzuordnen sind, hierdurch also eine „bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird“ (vgl. § 1 VOB/A). In erster Linie zielen Bauleistungen auf die Schaffung, Erhaltung oder Änderung eines Bauwerkes ab. Bauwerk in dem Sinne meint eine unbewegliche, durch Verwendung und Material mit dem Erdboden verbundene Sache. Als Bauleistung sind insoweit alle Arbeiten zu verstehen, die auf eine bauliche Anlage bezogen sind. Die tatbestandliche Alternative der Instandhaltung in § 1 VOB/A eröffnet den Leistungsbegriff insoweit auch auf nachgelagerte Arbeiten, die nach der Schaffung dem Funktionserhalt der Anlage dienen. Hierunter können auch Pflegearbeiten gefasst werden.
Ein Indiz kann insoweit zumindest für Bauvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte die Zuordnung in der VOB/C (Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen-ATV) sein. Entsprechend der ATV DIN 18320 „Landschaftsbauarbeiten“ gilt diese (Bauleistung) für „vegetationstechnische Bau-, Pflege-, Instandhaltungs- und Rodungsarbeiten“ sowie auch für „Bau-, Pflege- und Instandhaltungsarbeiten für Spiel- und Sportanlagen“ und für „Schutzmaßnahmen für Bäume. Pflanzbestände und Vegetationsflächen“ (ATV DIN 18320).

Ergänzend ist aber zu beachten, dass Arbeiten auch jenseits eines Funktionszusammenhanges zu Bauwerken als Bauleistungen gewertet werden können. Dies betrifft namentlich Arbeiten an einem Grundstück bzw. Erdarbeiten (vgl.: Korbion, in: Vygen/Katzenberg, VOB, § 1, Rn. 25). Zu solchen Erdarbeiten zählen etwa auch Pflanzarbeiten. Grundsätzlich kann vor diesem Hintergrund die fachgerechte Hegung von Außenanlagen durch Erneuerung von Bepflanzungen etc. als Bauleistung im Sinne der VOB definiert und auch vergeben werden (vgl. Marx, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 1, Rn. 44). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Verjährungszeit für Mängelansprüche bei einer derartigen Zuordnung als nicht bauwerksbezogene Arbeiten an einem Grundstück bzw. Erdarbeiten vor dem Hintergrund von § 13 IV Nr. 1 VOB/B i. V. m. § 634a BGB nur zwei Jahre beträgt.
Gleichwohl wäre es verfehlt, jegliche Pflegemaßnahme im Außenbereich als Bauleistung auf Grundlage der VOB zu vergeben. Immerhin ordnen europarechtliche Vorgaben bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen auch den Dienstleistungen zu (vgl. etwa RL 2004/18/EG, Anhang II, Teil A, Kategorie 1). Nähere Zuordnungskriterien hat insoweit die Vergabekammer Berlin mit ihrer Entscheidung vom 02.06.2009 (VK-B2-12/09) definiert. Die Tatbestandsalternative der Instandsetzungsmaßnahme in § 1 VOB/A ist demnach vor dem Hintergrund von § 99 Abs. 3 GWB und weiterer europarechtlicher Vorgaben (vgl. Richtlinie 2004/18/EG, Anhang I) zu interpretieren. Für die Abgrenzung von Maßnahmen nach VOB und UVgO ist insoweit maßgeblich, ob es durch die in Rede stehende Maßnahme zu „nennenswerten Eingriffen in die Bausubstanz“ kommt. Vor diesem Hintergrund kann eine Pflegemaßnahme dann keine Bauleistung sein, wenn die Maßnahme der bloßen Erhaltung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten (Soll-)Zustandes dient. Geht die Leistung hingegen über die Sicherung der laufenden Bestimmungsgemäßheit hinaus, indem diese durch einen nicht unwesentlichen Substanzeingriff erst wieder hergestellt werden muss, liegt eine Zuordnung als Bauleistung nahe (vgl.: Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 99, Rn. 182).
Für Pflegemaßnahmen an Außenanlagen ist insoweit eine Unterscheidung nach dem Charakter und dem Schwerpunkt der zu vergebenden Leistung vorzunehmen. Erst wenn vom Schwerpunkt her eine Leistung zu vergeben ist, die Instandsetzungen von einer Dimension, die vergleichbar mit einer Neuanlage sind, zum Inhalt hat, stellt die VOB die Rechtsgrundlage dar. Dies dürfte z. B. bei umfassenderen Neugestaltungen von Parkanlagen oder dem Ersatz einer großflächigen Bepflanzung der Fall sein. Beschränkt sich der Auftragsgegenstand hingegen auf regelmäßige und untergeordnete Pflegearbeiten, wie etwa Rasenmähen, Heckenrückschnitte oder vergleichbare Maßnahmen, die dem schlichten und dauerhaften Erhalt der Anlage dienen, und liegt daher der Schwerpunkt der Aufgabe in einer Dienstleistung, dürfte die UVgO für die Vergabe zur Anwendung kommen.

Sollte der EU-Auftragswert erreicht oder überschritten sein und eine nach GWB/ VgV gebotene EU-Vergabe unterbleiben, wäre der Vertrag schwebend unwirksam.

Das OLG München sieht einen drohenden Schaden auch bei dem Bieter, der an einem unzutreffend national durchgeführten Verfahren beteiligt wurde. Sofern Auftraggeber nationale Vergabeverfahren durchführen, obwohl eigentlich eine europaweite Ausschreibung geboten wäre, stellt sich immer wieder die Frage der Rügepräklusion, wenn sich ein Bieter zunächst auf dieses unzutreffende Verfahren eingelassen hat. Allein die Rüge eines am unzutreffenden Verfahren teilnehmenden Bieters, der Auftrag müsse europaweit ausgeschrieben werden, dürfte aber für sich noch keine Rechtsverletzung des Rügenden bedeuten – er nimmt ja gerade am Verfahren teil.

In einer Entscheidung hat das OLG München (B. v. 02.06.2016, Verg 15/15) dies allerdings anders beurteilt. Der Vergabesenat nimmt einen drohenden Schaden bereits deshalb an, weil der rügende Bieter sein Angebot evtl. günstiger kalkuliert hätte und eine entsprechend höhere Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, wenn er von einem unbeschränkten Wettbewerb hätte ausgehen müssen.

Zunächst bestätigt der Senat die Vergabekammer dahingehend, dass der Auftrag bei zutreffender Schätzung des Auftragswertes europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen.

Diesen Verstoß hätte der Auftraggeber auch aus den Vergabeunterlagen nicht erkennen können. Zwar hätte den Vergabeunterlagen entnommen werden können, dass eine nationale Ausschreibung durchgeführt würde. Allerdings sei der Auftragswert, von dem der Auftraggeber ausgegangen sei, nicht ersichtlich gewesen. Von einem durchschnittlichen Unternehmen in diesem Bereich (kleines Busunternehmen mit kleinem Fuhrpark und regionalem Tätigkeitsschwerpunkt) könnten keine genauen Kenntnisse über maßgebliche Schwellenwerte und die Berechnung des Auftragswertes erwartet werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Ausschreibung von Beförderungsleistungen der öffentlichen Hand eher die Ausnahme darstelle. Der Antragsteller sei daher mit seinem Vorbringen auch nicht präkludiert.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (B. v. 10.11.2009, Az.: X ZB 8/09) habe der Antragsteller ferner dargelegt, dass ihm durch einen Vergaberechtsverstoß ein Schaden entstanden sei bzw. zu entstehen drohe. Hierzu genüge es, wenn sich aus dem Vortrag ergebe, dass der Antragsteller für den Fall eines neuerlichen Verfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren. Es sei unerheblich, dass nicht abzusehen sei, ob der Antragsteller in dem neuen Verfahren tatsächliche Chancen auf den Zuschlag hätte.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Auftraggeber zwar statt eines gebotenen Offenen Verfahrens ein Verhandlungsverfahren durchgeführt. Die vorstehenden wesentlichen Grundsätze dieser Entscheidung seien jedoch nach Ansicht des Senats auf den hiesigen Sachverhalt zu übertragen. Ein Schaden könne daher nicht allein mit der Begründung verneint werden, dass er Antragsteller in dem nationalen Verfahren unterlegen sei. Vielmehr könne er sich darauf berufen, in einem europaweiten Verfahren bessere Chancen auf den Zuschlag zu haben.

In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigten, dass durch ein europaweites Verfahren nicht nur der Bieterkreis erweitert werden würde. Vielmehr ergebe sich auch ein Unterschied in Bezug auf die durchzuführenden Verfahrensschritte und die erhöhten formellen Bindungen des Auftraggebers. Der Senat unterlegt seine Ansicht mit Verweis auf weitere obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere auf einen Beschluss des OLG Rostock vom 06.11.2015 (Az.: 17 Verg 27/15). Gleichfalls wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Entscheidung des Senats vom 31.01.2013 (Az.: Verg 31/12), durch welchen ein Nachprüfungsantrag zurückgewiesen wurde, da der Antragsteller zu Recht wegen Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen wurde, um eine Einzelfallentscheidung handele.

Vorliegend sei lediglich entscheidend, ob der Antragsteller nachvollziehbar dargelegt habe, im Falle einer europaweiten Ausschreibung bessere Chancen auf den Zuschlag zu haben. Dies sei deswegen gelungen, da der Antragsteller vorgetragen habe, er hätte in diesem Fall seinen Angebotspreis nicht gegenüber dem vorangegangenen Auftrag erhöht bzw. aufgrund der Konkurrenzsituation sogar günstiger kalkuliert.

Der Nachprüfungsantrag sei daher wegen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht nach § 134 Abs. 1 GWB und des Unterlassens eines europaweiten Verfahrens begründet, die Unwirksamkeit des Vertrags entsprechend festzustellen.

Einem Bieter, der sich an dem beanstandeten Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Gebots beteiligt hat, droht also regelmäßig auch dann (allein deshalb) ein Schaden durch eine Verletzung von Vergabevorschriften, wenn statt einer europaweiten Ausschreibung ein nationales Vergabeverfahren eingeleitet wurde.

Wir raten dringend: Bitte führen Sie im Zweifel ein EG-Vergabeverfahren nach GWB/ VgV durch.