Ax Vergaberecht

Vertragsmanagement VertragsMan ® Bauleistungen: Kurz belichtet (1)

Vertragsmanagement VertragsMan ® Bauleistungen: Kurz belichtet (1)

OLG Hamburg zur Frage, ob ein „voraussichtlicher“ Baubeginn ein verbindlicher Baubeginn ist

Vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Ausführung der Leistung ist nach den verbindlichen Fristen (Vertragsfristen) zu beginnen, angemessen zu fördern und zu vollenden. Soll der Auftragnehmer „voraussichtlich“ an einem bestimmten Termin mit der Ausführung beginnen, fehlt es an der für die Annahme einer verbindlichen Vertragsfrist erforderlichen Eindeutigkeit.

2. Haben die Parteien eines VOB/B-Vertrags keinen verbindlichen Beginntermin vereinbart, hat der Auftragnehmer innerhalb von 12 Werktagen nach Aufforderung durch den Auftraggeber mit der Ausführung zu beginnen.

3. Muss der Auftragnehmer ausschließlich Bauleistungen erbringen, kommt es für den Beginn der Ausführung grundsätzlich auf die tatsächliche Arbeitsaufnahme auf der Baustelle an.

4. Verzögert der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung, kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Aufnahme der Leistung setzen und die Kündigung androhen. Die Frist kann sehr knapp bemessen sein. Für ihre Bemessung ist nicht die gesamte übliche Zeit für die Arbeitsvorbereitung in Ansatz zu bringen.

5. Der Auftragnehmer muss erst mit der Ausführung beginnen, wenn sämtliche Voraussetzungen für die von ihm zu erbringende Leistung vorliegen, insbesondere erforderliche Vorleistungen vorliegen. Liegt eine Behinderung des Ausführungsbeginns i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B vor, gerät der Auftraggeber nicht mit dem Beginn der Ausführung in Verzug.

OLG Hamburg, Urteil vom 23.02.2023 – 4 U 54/22

Vollständige Leitsätze zum Beschluss der VK Südbayern vom 13.06.2023 – 3194.Z3-3_01-23-11

Vollständige Leitsätze zum Beschluss der VK Südbayern vom 13.06.2023 - 3194.Z3-3_01-23-11

Leitsatz zu Beschluss 23-11

Entscheidungserhebliche Normen:

§159 GWB
§162 GWB
§127 Abs. 4 GWB
§51 Abs. 2 SektVO
§54 SektVO

1. Ein Verweisungsbeschluss einer Vergabekammer an eine andere ist für letztere auch dann analog § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GWB bindend, wenn große Zweifel an der Richtigkeit des Verweisungsbeschlusses bestehen, dieser aber nicht willkürlich ergangen ist (OLG Jena, Beschluss vom 16.07.2007 – 9 Verg 4/07).

2. Ein Verweisungsbeschluss ist für die Vergabekammer, an die verwiesen wurde, lediglich formell – d.h. hinsichtlich der Zuständigkeit – bindend. Eine materielle Bindungswirkung besitzt der Verweisungsbeschluss nicht. An die tragenden Gründe des Verweisungsbeschlusses ist die Vergabekammer, an die verwiesen wurde, nicht gebunden.

3. Richtiger Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren ist derjenige Auftraggeber, dem der streitgegenständliche Auftrag zuzurechnen ist. Hierbei ist im Regelfall eine Orientierung an den zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen geboten (OLG München, Beschluss vom 31.05.2012 – Verg 4/12). Weitere Voraussetzung muss zur Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes allerdings sein, dass der Antragsgegner auch die Befugnisse hat, auf das Vergabeverfahren einzuwirken und etwaige Anordnungen der Vergabenachprüfungsinstanzen umzusetzen.

4. Die Änderung von Muss-Anforderungen in einem Verhandlungsverfahren ist eine Form der Leistungsbestimmung durch den Auftraggeber im Detail. Eine vertiefte Dokumentation der Leistungsbestimmung ist insbesondere dann erforderlich, wenn sie wettbewerbsbeschränkend wirkt, d.h. wenn sie dazu führt, dass sich der Bieterkreis auf einen oder wenige Bieter beschränkt.

5. §127 Abs. 4 Satz 1 GWB verlangt, dass die Zuschlagskriterien so festgelegt werden, dass der Auftraggeber eine wirksame Überprüfung vornehmen kann, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Ist – wie hier bei Energieverbrauchsdaten eines noch zu entwickelnden Triebzugs – oder bei einer Konzeptbewertung eine Überprüfung mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit während des Vergabeverfahrens nicht möglich, ist zumindest zu verlangen, dass das für die Zuschlagsbewertung maßgebliche Leistungsversprechen in eine einklagbare Leistungsverpflichtung oder in eine solche Leistungsverpflichtung mündet, bei deren Verletzung eine vertragliche Sanktion zur Verfügung steht.

6. Ein Ausschluss eines Angebots wegen Abweichungen von Vorgaben des Auftraggebers zur rein formalen Gestaltung des Angebots (hier: Vorgaben zur Benennung von Dateien), die nicht zu einem von den Vorgaben des Auftragsgebers abweichenden Vertragsinhalt führen und auch nicht die Gleichbehandlung der Bieter berühren, ist regelmäßig gem. § 97 Abs. 1 Satz 2 unverhältnismäßig.

7. Eine Nachforderung von Unterlagen nach § 51 Abs. 2 SektVO ist nicht bereits dann generell ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber Zeitpunkt seiner Ermessensentscheidung über die Nachforderung noch nicht wissen kann, ob die Unterlage vielleicht Angaben zur Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien enthält und damit gem. § 51 Abs. 3 SektVO gar nicht nachgefordert werden dürfte. Der Auftraggeber muss allerdings, wenn er vom Inhalt der nachforderten Unterlage Kenntnis nimmt und dabei erkennt, dass diese Angaben zur Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien enthält und gar nicht hätte nachgefordert werden dürfen, diese bei der Angebotswertung außer Acht lassen.

VergMan ® – RechtsschutzTipps (2)

VergMan ® - RechtsschutzTipps (2) - Vergabekammer darf grundsätzlich keine Vergaberechtsverstöße aufgreifen, die - wie hier - nicht rechtzeitig gerügt wurden und deshalb präkludiert sind

von Thomas Ax

Die Vergabekammer darf grundsätzlich keine Vergaberechtsverstöße aufgreifen, die – wie hier – nicht rechtzeitig gerügt wurden und deshalb präkludiert sind (OLG Celle, Beschluss vom 11. Februar 2010 – 13 Verg 16/09 -, Rn. 45, juris; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 163 GWB (Stand: 01.02.2021), Rn. 13). Eine Ausnahme besteht nur für schwerwiegende und offenkundige Vergaberechtsverstöße. An einer Offenkundigkeit fehlt es aber, wenn die Feststellung der (angeblichen) Vergaberechtswidrigkeit wie hier das Ergebnis einer komplexen Auslegung und Bewertung ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2019 – VII-Verg 10/19 -, Rn. 38, juris; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 163 GWB (Stand: 01.02.2021), Rn. 19_1).

OLG Rostock, Beschluss vom 30.09.2021 – 17 Verg 3/21

VergMan ® – RechtsschutzTipps (1)

VergMan ® - RechtsschutzTipps (1) - Zur Antragsbefugnis bei Behauptungen ins Blaue hinein

von Thomas Ax

Antragsbefugt ist nach § 160 Abs. 2 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat, eine Verletzung in eigenen, bieterschützenden Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend macht und einen dadurch entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes, der durch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren sichergestellt werden soll, kann die Antragsbefugnis allerdings nur dem Antragsteller abgesprochen werden, bei dem eine Rechtsbeeinträchtigung offensichtlich nicht gegeben ist. Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist insoweit die schlüssige Behauptung der Rechtsverletzung erforderlich, aber regelmäßig auch ausreichend (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 – X ZB 14/06 -, BGHZ 169, 131-153, Rn. 19 – 20; Beschluss vom 18. Mai 2004 – X ZB 7/04 -, BGHZ 159, 186-197, Rn. 21). Ob der Rechtsverstoß tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit.

Ein schlüssiger Vortrag setzt hierbei nicht voraus, dass der Antragsteller positive Kenntnis von den als Tatsache behaupteten Umständen hat. Vielmehr genügt im Allgemeinen ein Vortrag solcher auf eine Rechtsverletzung hindeutender Tatsachen, die der Bieter auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, weil dafür objektive Anhaltspunkte vorliegen. Die Substantiierungsanforderungen sind umso geringer, je weniger Informationen der Antragsteller hat und haben kann (KG Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – Verg 9/19 -, Rn. 6, juris). Ein Mindestmaß an Substantiierung ist aber einzuhalten. Auch muss der Antragsteller angeben, woher seine Erkenntnisse stammen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2020 – VII-Verg 36/19 -, Rn. 73, juris).

Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020 – VII-Verg 20/19 -, Rn. 56, juris; Beschluss vom 01. April 2020 – VII-Verg 30/19 -, Rn. 59, juris; Beschluss vom 14. Oktober 2020 – VII-Verg 36/19 -, Rn. 73, juris), willkürliche, ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen, die nur abstrakte Möglichkeit einer Rechtsverletzung oder die ohne weiteren Tatsachenvortrag unterlegte Behauptung, das Angebot des für den Zuschlag vorgesehenen Konkurrenten sei nicht wertungsfähig oder diesem Bieter fehle die notwendige Eignung, reichen nicht aus (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB (Stand: 11.01.2021), Rn. 85 ff.).

Die genannten Beanstandungen sind auf dieser Grundlage Behauptungen ins Blaue hinein ohne jede Substanz, selbst dann wenn allgemein auf Marktkenntnisse abgehoben wird.

Sie bieten weder der Vergabestelle noch den Nachprüfungsinstanzen Ansätze und Anlass für weitergehende Untersuchungen.

Es ist nicht zu erkennen, worauf die Marktkenntnisse beruhen und worin sie bestehen. Die inhaltsleere, keiner auch nur ansatzweisen Validierung zugängliche Reklamation solcher Kenntnisse genügt nicht. Hieran ändert auch die (floskelhafte) Rügeantwort des Antragsgegners, die Wertung zum Fahrzeugverbrauch sei nochmals geprüft worden, nichts. Hieraus ist nicht zu folgern, die Angaben in der Rüge hätten genügend Anlass für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der pauschalen Beanstandung gegeben.

OLG Rostock, Beschluss vom 30.09.2021 – 17 Verg 3/21

Nachgefragt bei Thomas Ax (3) – Aufhebung eines Vergabeverfahrens: Was sind „andere schwerwiegende Gründe“?

Nachgefragt bei Thomas Ax (3) - Aufhebung eines Vergabeverfahrens: Was sind „andere schwerwiegende Gründe“?

Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Bedingungen entspricht, sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat, kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde oder andere schwer wiegende Gründe bestehen. Ein schwerwiegender Grund besteht nur dann, wenn er die bisherige Vergabeabsicht des Auftraggebers entscheidend beeinflusst. Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich nur solche Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen. Die Feststellung eines schwerwiegenden Grunds erfordert eine Interessenabwägung, für die die jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls maßgeblich sind.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2022 – Verg 55/21

Nachgefragt bei Thomas Ax (2) – Trägt der Bieter das Übermittlungsrisiko?

Nachgefragt bei Thomas Ax (2) - Trägt der Bieter das Übermittlungsrisiko?

Der Bieter trägt das Risiko der Übermittlung und des rechtzeitigen und vollständigen Eingangs seines Angebots. Es ist seine Sache dafür zu sorgen, dass sein Angebot vollständig innerhalb der Angebotsfrist beim öffentlichen Auftraggeber eingeht. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Bieter den verspäteten Eingang nicht zu vertreten hat. Nicht zu vertreten hat der Bieter Zugangshindernisse aus der Risikosphäre des Auftraggebers. Angebote, die nicht fristgerecht eingegangen sind, sind grundsätzlich von der Wertung auszuschließen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.08.2022 – Verg 54/21

Nachgefragt bei Thomas Ax (1) – Wie muss der Bieter Interesse am Auftrag bei Geltendmachung angebotshindernder Vergaberechtsverstöße im Falle einer Direktvergabe darlegen?

Nachgefragt bei Thomas Ax (1) - Wie muss der Bieter Interesse am Auftrag bei Geltendmachung angebotshindernder Vergaberechtsverstöße im Falle einer Direktvergabe darlegen?

Ein Interesse am konkret ausgeschriebenen Auftrag (§ 160 Abs. 2 GWB) ist bei Geltendmachung angebotshindernder Vergaberechtsverstöße im Falle einer Direktvergabe grundsätzlich für jedes Unternehmen anzunehmen, das sich am Vergabeverfahren hätte beteiligen können. Dazu reicht es in der Regel aus, wenn das Unternehmen zu der in Betracht kommenden Branche gehört und damit generell dafür eingerichtet ist, Aufträge dieser Art auszuführen. Andererseits bedarf es eines objektiv feststellbaren wirtschaftlichen Interesses des antragstellenden Unternehmens gerade an dem konkreten Auftrag, eine bloße Interessenbekundung genügt nicht. Das Interesse am konkreten Auftrag ist zu plausibilisieren, wenn hieran ernsthafte Zweifel bestehen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.08.2022 – Verg 53/21

BGH: Werden vorgegebene elektronische Mittel bei der Einreichung des Angebots nicht verwendet, ist das Angebot nicht formgerecht übermittelt und gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 auszuschließen

VergMan ® für Bieter – Erfüllung der Rügeobliegenheit (2) Erkannter Verstoß gegen Vergabevorschriften muss gegenüber dem Auftraggeber innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt werden

vorgestellt von Thomas Ax

Der Auftraggeber kann gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A 2016) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden sind. Werden vorgegebene elektronische Mittel bei der Einreichung des Angebots nicht verwendet, ist das Angebot nicht formgerecht übermittelt und gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 auszuschließen.

BGH, Urteil vom 16.05.2023 – XIII ZR 14/21

Tatbestand:

Die Klägerin, ein auf Abbruch und Sanierungsarbeiten spezialisiertes Bauunternehmen, macht gegen den beklagten landeseigenen Betrieb Ansprüche auf Ersatz entgangenen Gewinns wegen fehlerhafter Durchführung eines Vergabeverfahrens geltend.

Am 7. Februar 2019 machte der Beklagte eine öffentliche Ausschreibung nach Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (nachfolgend: VOB/A 2016) bekannt. Zuvor hatte eine Kostenberechnung eine Auftragssumme von 136.950 Euro netto für den zu vergebenden Auftrag ergeben. In der Bekanntmachung heißt es unter “Angaben zum elektronischen Vergabeverfahren und zur Ver- und Entschlüsselung der Unterlagen”:

“Es werden elektronische Angebote akzeptiert: Ohne elektronische Signatur (Textform) (…)”

Gemäß der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (nachfolgend: Vergabeunterlagen) war unter anderem ein Angebotsschreiben wie folgt einzureichen:

“Angebotsschreiben

Teile der Leistungsbeschreibung: Leistungsverzeichnis Leistungsprogramm als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 Hinweis: Vom [Auftraggeber] wurde eine sog. Auftraggeberlizenz des Softwareprogramms WinGAEB erworben, welche den Bietern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Damit können Angebot[e] auf elektronischem Weg bearbeitet und gespeichert werden.” [Es folgt ein entsprechender Link].

In Ziffer 7 der Vergabeunterlagen war unter der Überschrift “Angebote können abgegeben werden:” angekreuzt “elektronisch in Textform”.

Die Klägerin gab unter dem 4. März 2019 das günstigste Angebot ab, wobei sie die Angebotsunterlagen jedenfalls im PDF-Format vollständig einreichte. Ob sie das Angebot auch in Form einer GAEB-Datei übermittelt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte schloss das Angebot der Klägerin von der Prüfung aus, weil es nicht als GAEB-Datei eingereicht worden sei. Am 12. März 2019 hob er die Ausschreibung auf. Ohne die Klägerin zu beteiligen, schrieb er die Leistungen im formlosen Verhandlungsverfahren neu aus und beauftragte am 12. April 2019 einen Drittunternehmer.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz für den ihr entgangenen Auftrag in Höhe von 36.307,31 Euro nebst Rechtsverfolgungskosten und Rechtshängigkeitszinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte den Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit erheblich – ausgeführt, der Anspruch stehe der Klägerin dem Grunde nach zu. Durch ihre Teilnahme an der Ausschreibung sei ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet worden. Der Beklagte habe durch den Ausschluss des Angebots der Klägerin eine ihr gegenüber bestehende Rücksichtnahmepflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Die Vergabe richte sich nach Abschnitt 1 der VOB/A 2016. Das Angebot der Klägerin habe nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 ausgeschlossen werden dürfen. Nach dieser Vorschrift seien unter anderem solche Angebote auszuschließen, die § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 nicht entsprächen. Danach lege der Auftraggeber fest, in welcher Form die Angebote einzureichen seien. Elektronische Angebote seien nach Wahl des Auftraggebers in Textform oder mit einer bestimmten Signatur zu übermitteln. Im Streitfall habe das Angebot der Klägerin dieser Bestimmung entsprochen. Die unstreitig eingereichten PDF-Dokumente entsprächen der vom Beklagten in Ziffer 7 der Ausschreibungsbedingungen gewählten Textform. Ob die Klägerin das Leistungsverzeichnis darüber hinaus auch als GAEB-Datei eingereicht habe, sei unerheblich. Die diesbezügliche Vorgabe des Beklagten sei keine Festlegung im Sinn von § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016. Die Vorschrift nenne als mögliche Formen nur die Schriftform und die elektronische Form, wobei bezüglich der elektronischen Form nach Wahl des Auftraggebers die Übermittlung in Textform oder mit einer fortgeschrittenen oder qualifizierten elektronischen Signatur vorgesehen seien. Eine darüberhinausgehende Befugnis, bestimmte Dateiformate vorzugeben, lasse sich der Regelung nicht entnehmen. Der Beklagte hätte deshalb die angeblich fehlende Datei nach § 16a Satz 1 VOB/A 2016 nachfordern müssen, was nicht geschehen sei. Infolge der Pflichtverletzung könne die Klägerin Ersatz des Gewinns verlangen, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte. Die Voraussetzungen dafür lägen vor.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, dass der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Gewinns zusteht, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht zwar davon aus, dass durch die Teilnahme der Klägerin an der Ausschreibung ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande gekommen ist, das die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann (st. Rspr., siehe nur BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 – X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 Rn. 9 ff. – Rettungsdienstleistungen II; vom 8. Dezember 2020 – XIII ZR 19/19, BGHZ 228, 15 Rn. 9 f. – Flüchtlingsunterkunft).

2. Das Berufungsgericht hätte auf der festgestellten Tatsachengrundlage aber nicht annehmen dürfen, dass der Beklagte durch den Ausschluss der Klägerin eine sich ihr gegenüber aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Rücksichtnahmepflicht verletzt hat. Es hat offengelassen, ob die Klägerin das Angebot auch als GAEB-Datei eingereicht hat. Da dazu keine Feststellungen getroffen sind, ist im Folgenden zugunsten der Revision zu unterstellen, dass dies nicht erfolgt ist. Auf dieser Grundlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte das Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 zu Recht nicht berücksichtigt hat.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Auftraggeber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden sind.

aa) Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 legt der Auftraggeber fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind. Elektronische Angebote sind nach Wahl des Auftraggebers in Textform oder mit einer (fortgeschrittenen oder qualifizierten) Signatur zu übermitteln (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 VOB/A 2016), wenn der Auftraggeber gemäß § 11 Abs. 1 VOB/A 2016 die elektronische Kommunikation vorgegeben hat. In diesem Fall übermitteln die Unternehmen nach § 11 Abs. 4 VOB/A 2016 ihre Angebote in Textform mithilfe elektronischer Mittel und versehen sie gegebenenfalls mit der vorgegebenen Signatur (§ 11 Abs. 5 VOB/A 2016).

bb) Der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A verwendete Begriff der “Form” lässt entgegen der Ansicht der Klägerin nach seinem Wortlaut die Auslegung dahin zu, dass die Form eines Angebots auch die bei seiner Einreichung zu verwendenden elektronischen Mittel umfasst.

(1) Die “Form” einer Erklärung bezeichnet die Anforderungen an die Art und Weise ihrer Verkörperung und Abgabe. Das Gesetz kennt unter anderem die Schriftform (§ 126 BGB) und ihren Sonderfall, die elektronische Form (§ 126a BGB), ferner Textform (§ 126b BGB), die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) und die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB). Es sieht ferner eine Vielzahl von besonderen Formen vor wie beispielsweise die gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten zur Niederschrift eines Notars (§§ 1410, 2276 BGB), eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung (§ 2247 BGB) oder eine mündliche Erklärung vor drei Zeugen (§ 2250 BGB; vgl. Einsele in MüKoBGB, 9. Aufl., § 125 Rn. 2).

(2) Die bei der Abgabe eines Angebots verwendeten elektronischen Mittel bestimmen die Art und Weise der Verkörperung des Angebots und seiner Abgabe.

(a) §§ 11, 11a VOB/A 2016 enthalten für den Unterschwellenbereich keine Definition des Begriffs der elektronischen Mittel, sondern setzen diesen voraus. Zur Ausfüllung des Begriffs kann indes die in § 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016 enthaltene Definition herangezogen werden, weil nach dem Einführungserlass des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) 2016 vom 9. September 2016 (B I 7 -81063.6/1) für die Durchführung der elektronischen Kommunikation im Ober- und Unterschwellenbereich übereinstimmende Regelungen gelten sollen. Aus diesem Grund wurden §§ 11, 11a VOB/A-EU 2016 mit wenigen Ausnahmen wörtlich in den ersten Abschnitt der VOB/A 2016 übernommen (ebenda, S. 4).

(b) Danach sind elektronische Mittel Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung (§ 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016). Eine gleichlautende Definition enthält § 9 Abs. 1 der auf der Grundlage von § 113 GWB erlassenen Vergabeverordnung (nachfolgend: VgV). Beide Regelungen dienen der Umsetzung von Art. 22, Art. 51, 53 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (nachfolgend: Richtlinie 2014/24 oder RL 2014/24; Wichmann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 9 VgV Rn. 1, § 11 VOB/A-EU Rn. 1; Schranner in Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl., § 11a VOB/A-EU Rn. 1, § 11 VOB/A-EU 1 ff., 5 ff.; Brockhoff in Heuvels/ Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, 2. Aufl., § 9 VgV Rn. 1, § 11 VOB/A-EU Rn. 1, § 11 VOB/A Rn. 1). Schon nach dem Wortlaut umfasst der Begriff der elektronischen Mittel danach auch Softwareprogramme, die der elektronischen Datenübermittlung dienen.

(c) Das ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen 52 und 53, Art. 2 Abs. 1 Nr. 13 und Nr. 19 sowie Art. 22 RL 2014/24. Elektronische Mittel sind nach der in Art. 2 Abs. 1 Nr. 19 RL 2014/24 enthaltenen Definition elektronische Geräte für die Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten, die über Kabel, per Funk, mit optischen Verfahren oder mit anderen elektromagnetischen Verfahren übertragen, weitergeleitet und empfangen werden. Zwar umfasst diese Definition nicht ausdrücklich auch (Software-) Programme. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 13 RL 2014/24 zählen zu den Auftragsunterlagen aber auch Formate für die Einreichung von Unterlagen seitens der Bewerber und Bieter. Ferner lässt sich den Erwägungsgründen 52 und 53 sowie Art. 22 Abs. 1 Unterabsatz 2 und Abs. 6 RL 2014/24 klar entnehmen, dass die dort genannten elektronischen Kommunikationsmittel auch spezifische Instrumente, Vorrichtungen, Anwendungen und Dateiformate und damit auch (Software-)Programme umfassen. Denn durch die Vorgaben in Art. 22 RL 2014/24 soll sichergestellt werden, dass es sich bei den zur Einreichung elektronischer Angebote verwendeten elektronischen Kommunikationsmitteln entweder um allgemein verfügbare und von allgemein verfügbaren Anwendungen unterstützte Instrumente, Vorrichtungen und Dateiformate handelt oder der Auftraggeber diese den Bietern zur Verfügung stellt (Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b RL 2014/24). Bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/24 durch § 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016 und § 9 Abs. 1 VgV wurde der Hinweis auf die Programme für die Datenübermittlung vor diesem Hintergrund lediglich klarstellend aufgenommen (Müller in Röwekamp/Kus/Marx/ Portz/Prieß, VgV, 2. Aufl., § 9 Rn. 26). Entgegen der Ansicht der Klägerin sind elektronische Mittel im Sinn der Richtlinie 2014/24 daher nicht lediglich Kommunikationsmittel ohne Aussage zur Vorgabe von Dateiformaten.

(3) Elektronische Mittel bestimmen durch die Vorgabe von Dateiformaten die Art und Weise der (äußeren) Verkörperung und der Abgabe und Übermittlung des Angebots. Wenn ein zum Datenaustausch verwendetes Softwareprogramm zur Verkörperung und Übermittlung der Erklärung ein bestimmtes Dateiformat erfordert, beinhaltet die Verwendung des Programms notwendig dieses Dateiformat und legt damit die (äußere) Verkörperung des Angebots und die Art seiner Übermittlung fest (vgl. zu § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 499/21, NJW 2023, 623 Rn. 43 ff. mwN; zu § 130a Abs. 6 ZPO BGH, Urteil vom 19. Januar 2023 – V ZB 28/22, FamRZ 2023, 624 Rn. 20 f.). Unter den Begriff der Form kann daher auch die Vorgabe elektronischer Mittel fallen, ohne dass dies – wie die Klägerin meint – die Wortlautgrenze des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A überschreiten würde.

cc) § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 ist nach der systematischen Stellung und dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit §§ 11, 11a VOB/A 2016 dahin auszulegen, dass die Festlegung des Auftraggebers, in welcher Form die Angebote einzureichen sind, auch die dabei zu verwendenden elektronischen Mittel umfassen darf. Da der Auftraggeber das Recht hat, die bei der Einreichung der Angebote zu verwendenden elektronischen Mittel zu bestimmen, kann er auch die Verwendung der dafür erforderlichen Dateiformate vorgeben.

(1) § 13 VOB/A 2016 fasst die für Form und Inhalt der Angebote geltenden Vorgaben zusammen, wobei die Vorschrift in engem Zusammenhang mit den in § 4 und §§ 7 bis 12 VOB/A 2016 enthaltenen Vorgaben zu den Vertragsarten, der Leistungsbeschreibung, den Vergabeunterlagen und Vertragsbedingungen, den Fristen und Kommunikationswegen sowie der Bekanntmachung steht. Sie ist daher jeweils im Zusammenhang mit diesen Vorschriften zu betrachten und auszulegen (von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Auflage, § 13 VOB/A Rn. 1 aE; Portner in jurisPK-Vergaberecht, Stand 15. September 2022, § 13 VOB/A Rn. 3).

(2) Die die Form betreffende Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 weist eine enge Verbindung zu dem in §§ 11, 11a VOB/A geregelten Recht des Auftraggebers zur Festlegung der Kommunikationsformen und -wege auf (Franke/Klein in Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen/Mertens, VOB, 7. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 2, § 13 VOB/A-EU Rn. 1). Deren Wahl liegt beim Auftraggeber, wobei ihm ein weiter Ermessensspielraum zukommt, auf welchem Weg er die Möglichkeit zur Einreichung des Angebots eröffnet (Koenigsmann-Hölken in Heuvels/ Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, 2. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 10; von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 2; Stollhoff in MüKoWettbewerbsR, 4. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 13 f.; Haupt in Jagenburg/Baldringer/Haupt, VOB, 2022, § 13 VOB/A Rn. 5).

(3) Durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 4 sowie § 11 Abs. 4 VOB/A 2016 werden systematisch die Textform und die zur Übermittlung verwendeten elektronischen Mittel verknüpft. Formgerecht übermittelt beziehungsweise eingereicht ist das Angebot deshalb nur, wenn dies mithilfe der vom Auftraggeber vorgegebenen elektronischen Mittel erfolgt (vgl. Christiani in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1, § 13 VOB/A-EU Rn. 10; zu § 53 VgV vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2020 – VII Verg 6/20; Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 2. April 2019, BeckRS 2019, 7485 Rn. 130 bis 132; Soudry in Müller-Wrede, VgV/UVgO, 5. Aufl., § 57 VgV Rn. 40; Herrmann in Ziekow-Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 53 VgV Rn. 7; offengelassen für die Verschlüsselung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Februar 2020 – 11 Verg 7/19; vgl. auch Müller in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2. Aufl., § 9 Rn. 18 sowie aaO Dittmann/Dicks, § 57 Rn. 52).

(4) Demgegenüber greift die Ansicht der Klägerin, eine etwaige Befugnis zur Vorgabe des Dateiformats könne in systematischer Hinsicht allenfalls aus einer die Vergabeunterlagen betreffenden Vorschrift hergeleitet werden, nicht durch. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, betrifft die Verwendung von durch elektronische Mittel vorgegebenen Dateiformaten nicht den Inhalt der Vergabeunterlagen, sondern ihre äußere Form und die Art und Weise der Abgabe und Einreichung des Angebots. Schließlich besteht auch keine – von der Klägerin befürchtete – Gefahr einer Umgehung ausdrücklich normierter Vorgaben technischer Standards, weil Auftraggeber diese bei ihren Vorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 zu beachten haben.

dd) Die Auslegung, wonach der Auftraggeber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A die bei der Abgabe des Angebots zu verwendenden elektronischen Mittel festlegen darf, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

(1) § 13 VOB/A 2016 soll den ordnungsgemäßen Wettbewerb im Vergabeverfahren sichern, Chancengleichheit und Transparenz gewährleisten und insbesondere der Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Angebote für die Wertungsphase dienen (von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1; Planker in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 8. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1; Stollhoff in MüKoWettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 3; Portner in jurisPK-Vergaberecht, Stand 15. September 2022, § 13 VOB/A Rn. 1; Christiani in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1, § 13 VOB/A-EU Rn. 2). Die Verwendung elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel soll zudem ausweislich des Erwägungsgrunds 52 RL 2014/24 die Bekanntmachung von Aufträgen erheblich vereinfachen und Effizienz und Transparenz der Vergabeverfahren steigern.

(2) Die Vorgabe der bei der Einreichung von Angeboten zu verwendenden elektronischen Mittel dient in besonderem Maße der Vergleichbarkeit der Angebote und der Effizienz des Vergabeverfahrens. Die Verwendung einheitlicher Dateiformate durch alle Bieter stellt eine (auch elektronische) Vergleichbarkeit sicher und verhindert beim Auftraggeber zusätzlichen Aufwand, der durch die gegebenenfalls erforderliche Umwandlung und Überprüfung von Angeboten anfällt, bei deren Einreichung andere elektronische Mittel und Dateiformate verwendet worden sind. §§ 11, 11a VOB/A könnten ihren Sinn und Zweck, wonach der Auftraggeber die Kommunikationsmittel im Interesse der Effizienz und Transparenz festlegt, daher nicht erfüllen, wenn eine Verletzung entsprechender Vorgaben keinen Ausschluss des Angebots gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 zur Folge hätte.

b) Der Beklagte hat in den Vergabeunterlagen festgelegt, dass das Leistungsverzeichnis unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms einzureichen ist. Etwas Anderes folgt nicht daraus, dass die Bekanntmachung und Ziffer 7 der Vergabeunterlagen die elektronische Abgabe des Angebots in Textform vorsehen. Die Vergabeunterlagen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, auf den bei der Auslegung abzustellen ist (BGH, Urteil vom 13. September 2022 – XIII ZR 9/20, VergabeR 2023, 205 Rn. 17 – Deponiekosten; Beschluss vom 7. Januar 2014 – X ZB 15/13, BGHZ 199, 327 Rn. 31 mwN – Stadtbahnprogramm Gera), eindeutig dahin zu verstehen, dass das Leistungsverzeichnis als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 eingereicht werden musste. Das ergibt sich zweifelsfrei aus den an das Angebotsschreiben gestellten Anforderungen. Dass das Angebot im Übrigen nach der im Formular unter Ziffer 7 angekreuzten Vorgabe und nach der Bekanntmachung elektronisch in Textform einzureichen war, steht dem nicht entgegen. Unklarheiten ergeben sich daraus nicht. Die Angaben in der Bekanntmachung und unter Ziffer 7 der Vergabeunterlagen betreffen allgemein die elektronische Abgabe der Angebote in Textform und ohne Signatur. Das steht der spezielleren für das Leistungsverzeichnis geltenden Vorgabe zur Verwendung eines vom Beklagten bereitgestellten Programms nicht entgegen. Die Klägerin macht auch nicht geltend, die Vergabeunterlagen nicht im Sinne dieser Anforderung verstanden zu haben, sondern trägt vor, sie habe ihr Angebotsschreiben vom 4. März 2019 entsprechend der Vorgabe als GAEB-Datei eingereicht.

c) Den Vortrag des Beklagten – wie revisionsrechtlich geboten – als richtig unterstellt, war das Angebot daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016 auszuschließen. Dem Einwand der Klägerin, der Beklagte hätte, selbst wenn eine Festlegung der Verwendung des Softwareprogramms zulässig erfolgt sei und sie diese Vorgabe nicht eingehalten habe, ihr Angebot nicht ausschließen dürfen, sondern die fehlende Unterlage gemäß § 16a VOB/A 2016 nachfordern müssen, ist kein Erfolg beschieden.

aa) Gemäß § 16a Satz 1 VOB/A 2016 setzt die Möglichkeit zur Nachforderung von Unterlagen voraus, dass ein Ausschluss nach § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 VOB/A 2016 nicht erfolgt ist (Holz in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 14. Aufl., § 16a VOB/A Rn. 5; von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 20. Aufl., § 16a VOB/A [2016] Rn. 3; Frister in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 6. Aufl., § 16a VOB/A [2016] Rn. 1). Das ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Regelung. Danach verlangt der Auftraggeber die fehlenden Erklärungen oder Nachweise nach, wenn das Angebot nicht entsprechend § 16 Abs. 1 oder 2 VOB/A 2016 ausgeschlossen wird.

bb) Hier ist indes letzteres der Fall. Hat die Klägerin ihr Angebotsschreiben vom 4. März 2019 nicht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 formgerecht eingereicht, war es nach der damaligen Rechtslage (§ 16 Abs. 1 Nr. 2, § 16a VOB/A 2016) auszuschließen. Es kommt nicht auf die – offene – Frage an, ob § 16a VOB/A 2016 dahin auszulegen ist, dass nicht nur unternehmensbezogene, sondern auch leistungsbezogene Unterlagen nachzufordern sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – X ZR 86/17, NZBau 2019, 661 Rn. 51 f. – Straßenbauarbeiten). Diese Frage stellt sich nur, wenn (überhaupt) ein Angebot vorliegt, bei dem (leistungsbezogene) Erklärungen oder Nachweise fehlen. Hier ist schon kein formgerecht übermitteltes Angebot gegeben.

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO). Dabei wird das Berufungsgericht gegebenenfalls unter Berücksichtigung des im Revisionsverfahren erfolgten Vortrags Feststellungen dazu zu treffen sowie zu bewerten haben, ob das vom Beklagten vorgegebene Softwareprogramm die Anforderungen von § 11a VOB/A erfüllt.

VergMan ® für Bieter – Erfüllung der Rügeobliegenheit (2) Erkannter Verstoß gegen Vergabevorschriften muss gegenüber dem Auftraggeber innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt werden

VergMan ® für Bieter – Erfüllung der Rügeobliegenheit (2) Erkannter Verstoß gegen Vergabevorschriften muss gegenüber dem Auftraggeber innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt werden

von Thomas Ax

Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat. Die Rügeobliegenheit wird nur ausgelöst, wenn der Antragsteller eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen hat. Darüber hinaus muss er aufgrund laienhafter, vernünftiger Bewertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewonnen haben (Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 GWB Rn 40). Dem gleichzusetzen ist, wenn der Antragsteller in tatsächlicher oder rechtlicher Unkenntnis in einer Weise verharrt, die mit Blick auf einen möglichen Vergaberechtsverstoß als ein mutwilliges Sich-der-Erkenntnis-Verschließen zu bewerten ist (BGH, Beschl. v. 26.09.2006, NZBau 2006, 800 Rn 35; Senat, Beschl. v. 15.01.2020 – Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn 27).

Ax Vergaberecht
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