Ax Vergaberecht

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Kurz belichtet – Kein Ausschluss ohne vorherige Anhörung

Kurz belichtet - Kein Ausschluss ohne vorherige Anhörung

vorgestellt von Thomas Ax

Gemäß § 124 Abs. 1 GWB kommt ein Ausschluss eines Bieters bei pflichtgemäßem Ermessen nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Daraus folgt die Pflicht des Auftraggebers, dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit es unter anderem die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen (OLG München, Beschluss vom 29.01.2021 – Verg 11/20; EuGH, Urteil vom 03.10.2019 – Rs. C-267/18, Tz. 37). Die vorherige Anhörung ist auch im Hinblick auf die erforderliche Prognoseentscheidung von erheblicher Bedeutung (OLG München, a.a.O.).

VK Berlin, Beschluss vom 19.07.2024 – VK B 1-19/23

Kurz belichtet – Voraussetzung für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (2)

Kurz belichtet - Voraussetzung für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (2)

vorgestellt von Thomas Ax

Zunächst verlangt die Verfahrensregelung auf Tatbestandsebene allein eine subjektive Unzufriedenheitswertung eines Referenzgebers. Demgegenüber verlangt § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB auf Tatbestandsseite für einen Ausschluss, dass ein Unternehmen “eine wesentliche Anforderung” bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags “erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat” und “dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat”. Zudem unterliegt die Prüfung des öffentlichen Auftraggebers der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB – wie oben dargestellt – der (eingeschränkten) Kontrolle der Nachprüfungsinstanzen auf Beurteilungsfehler.
Zweitens schreibt § 124 Abs. 1 GWB für eine Ausschlussentscheidung eine Ermessensentscheidung des öffentlichen Auftraggebers vor und unterwirft auch insoweit die Entscheidung des Auftraggebers der (eingeschränkten) Kontrolle der Nachprüfungsinstanzen auf Ermessensfehler. Demgegenüber sieht die Verfahrensregelung des Antragsgegners bei Vorliegen der subjektiven Unzufriedenheitswertung eines Referenzgebers einen zwingenden Ausschluss des Bieters vom Vergabeverfahren vor.
Drittens erfordert § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB eine eigene Wertungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers, wenn er sich auf frühere Schlechtleistungen bei der Ausführung eines Auftrags für einen Dritten bezieht. Demgegenüber sieht die Regelung des Antragsgegners mit der zwingenden Ausschlussfolge auch vor, dass der Antragsgegner an die subjektive Zufriedenheitswertung des dritten Auftraggebers gebunden ist.

VK Berlin, Beschluss vom 19.07.2024 – VK B 1-19/23

Kurz belichtet – Voraussetzung für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (1)

Kurz belichtet - Voraussetzung für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (1)

vorgestellt von Thomas Ax

Voraussetzung für einen Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sind (kumulativ) eine erhebliche oder fortdauernde mangelhafte Erfüllung einer wesentlichen Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags, die zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Nach dem Wortlaut der Norm genügt es nicht, dass der Auftraggeber gekündigt, einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht oder eine Maßnahme ergriffen hat, die eine vergleichbare Rechtsfolge nach sich zieht. Die Konsequenzen müssen auch zu Recht gezogen worden sein. Da es sich dabei um eine Tatbestandsvoraussetzung handelt, müssen Auftraggeber eine entsprechende Rechtsprüfung (eingehend) dokumentieren, wozu neben der rechtlichen Würdigung auch der zu Grunde gelegte Sachverhalt gehört. Der Ausschlusstatbestand erfasst zwar auch Leistungsstörungen bei öffentlichen Aufträgen anderer Auftraggeber. Dies entbindet aber nicht von der Dokumentation einer Prüfung der Rechtmäßigkeit der hieraus vom anderen Auftraggeber gezogenen Konsequenzen. Der Verweis auf eine erfolgte Kündigung oder auf vergleichbare Sanktionen Dritter genügt dem nicht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist der Auftraggeber verpflichtet, dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit es unter anderem die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen. Der Antragsgegner hat eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde.

VK Berlin, Beschluss vom 19.07.2024 – VK B 1-19/23

Kurz belichtet – Streitgegenständliche Kosten eines Rechtsanwalts als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten erstattungsfähig?

Kurz belichtet - Streitgegenständliche Kosten eines Rechtsanwalts als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten erstattungsfähig?

vorgestellt von Thomas Ax

Die Frage, ob die streitgegenständlichen Kosten eines Rechtsanwalts als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten erstattungsfähig sind, richtet sich nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG. Danach sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren erstattungsfähig, wenn die Hinzuzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Die Prüfung dieser Frage erfolgt nicht pauschal, sondern einzelfallbezogen aufgrund der Gesamtumstände im jeweiligen konkreten Verfahren (BGH, Beschluss vom 26.9.2006 – X ZB 14/06, Senat, aaO., 11 Verg 8/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.2014 – Verg 37/13).
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falls auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, Beschluss vom 26.9.2006 – X ZB 14/06).
Für die Beurteilung der Notwendigkeit können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein, wie etwa die sachliche und personelle Ausstattung des Beteiligten, also beispielsweise, ob er über eine Rechtsabteilung oder andere Mitarbeiter verfügt, von denen erwartet werden kann, dass sie gerade oder auch Fragen des Vergaberechts sachgerecht bearbeiten können, oder ob allein der kaufmännisch gebildete Geschäftsinhaber sich des Falls annehmen muss (BGH, aaO – X ZB 14/06).
Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen für den öffentlichen Auftraggeber keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss der Auftraggeber sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten (OLG Düsseldorf, aaO – Verg 37/13, Senat, aaO – 11 Verg 8/17).
Schließlich kann der Gesichtspunkt der so genannten prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung dieser Rechtsfrage einfließen (Senat, aaO – 11 Verg 8/17 und Beschluss vom 20. 1.2016 – 11 Verg 11/15).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.06.2024 – 11 Verg 2/24

Schwerpunkt Strafrecht und Vergabe – Tatbeendigung bei wettbewerbsbeschränkender Absprache?

Schwerpunkt Strafrecht und Vergabe - Tatbeendigung bei wettbewerbsbeschränkender Absprache?

vorgestellt von Thomas Ax

Eine Tat nach § 298 StGB (wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen) ist grundsätzlich in dem Zeitpunkt beendet und beginnt zu verjähren, in dem die wesentlichen Merkmale des Auftrags und insbes. der als Gegenleistung für die Arbeiten zu zahlende Gesamtpreis vorbehaltlich etwaiger Nachträge endgültig durch Zuschlag oder Vertragsschluss bestimmt worden sind. Auf die Abwicklung des Vertrags durch Erstellen der Schlussrechnung kommt es nicht an.

Das Saarländische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2023 die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichtzulassung der Anklage im Strafverfahren gegen ein ehemaliges Mitglied des Vorstands der Dillinger Hütte AG wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen verworfen.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken wirft dem Angeschuldigten vor, sich als ehemaliges Mitglied des Vorstands der Dillinger Hütte AG in drei Fällen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) strafbar gemacht zu haben. Bei der Dillinger Hütte AG soll in den Jahren 2013 bis 2015 bei der Vergabe von Bauaufträgen ein System rechtswidriger Preisabsprachen bestanden haben. Leitende Angestellte der Neubauabteilung der Dillinger Hütte AG hätten, so die Anklage, gemeinsam mit mehreren Bauunternehmen Vergabeverfahren durch Preisverrat so manipuliert, dass die beteiligten Bauunternehmen ausgeschriebene Bauaufträge der Dillinger Hütte AG unter Ausschluss sonstiger Wettbewerber unter sich aufteilen konnten. Der Angeschuldigte habe in Kenntnis und Billigung dieses Systems darauf hingewirkt, dass im Juni und Juli 2013 eines der beteiligten Fremdunternehmen aufgrund wettbewerbsbeschränkender Absprachen die Zuschläge für drei Bauvorhaben der Dillinger Hütte AG erhalten habe. Im Gegenzug habe unter anderem ein Familienmitglied des Angeschuldigten bei dem begünstigten Bauunternehmen eine Vollzeitanstellung erhalten.

Das Landgericht Saarbrücken hat die Zulassung der Anklage aus Rechtsgründen abgelehnt, weil die dem Angeschuldigten zur Last gelegten Taten verjährt seien.

Der 1. Strafsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 13. Oktober 2023 als unbegründet verworfen und die Rechtsauffassung des Landgerichts bestätigt.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Angeschuldigten aufgezeigt habe, sei die Verfolgung der angeklagten Taten gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB wegen Verjährung ausgeschlossen.

Die Verjährungsfrist für die Verfolgung wettbewerbsbeschränkender Absprachen nach § 298 StGB betrage gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB fünf Jahre. Diese Frist beginne gemäß § 78a Satz 1 StGB mit der Beendigung der Tat zu laufen und sei hinsichtlich der angeklagten Taten abgelaufen.

Im Lichte europarechtlicher Rechtsprechung sei, so der Senat, anzunehmen, dass eine Tat nach § 298 StGB spätestens mit Erteilung des Zuschlags bzw. mit Vertragsschluss beendet sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs seien grenzüberschreitende wettbewerbsbeschränkende Absprachen nach Art. 101 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise zur Europäischen Union (AEUV) in dem Zeitpunkt beendet, in dem die Parteien den Vertrag schließen. Ab diesem Zeitpunkt sei dem Auftraggeber endgültig die Möglichkeit genommen, die in Rede stehenden Güter, Bau- oder Dienstleistungen frei von unlauteren Einflüssen und unter normalen Marktbedingungen zu erhalten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Januar 2021 – C-450/19 – Rn. 35, abzurufen unter https://curia.europa.eu). Nichts Anderes könne für den nationalen Straftatbestand des § 298 StGB gelten. Ebenso wie Art. 101 AEUV schütze auch § 298 StGB vorrangig die Freiheit des Wettbewerbs vor unlauteren Einflüssen. Dabei sie die Vorschrift nicht auf den innerdeutschen Wettbewerb beschränkt, sondern erfasse auch Ausschreibungen, die in den Anwendungsbereich des EU-Rechts fielen. Um Widersprüche zwischen der europarechtlichen und der nationalen Rechtsordnung zu vermeiden, sei der Zeitpunkt der Beendigung wettbewerbsbeschränkender Absprachen daher gleich zu bestimmen.

Danach habe die fünfjährige Verjährungsfrist hinsichtlich der dem Angeschuldigten zur Last gelegten Taten mit Erteilung der Zuschläge im Juni und Juli 2013 zu laufen begonnen. Sie sei deshalb bereits abgelaufen gewesen, als die Staatsanwaltschaft am 8. Januar 2019 aufgrund bekanntgewordener Verdachtsmomente die Ermittlungen gegen den Angeschuldigten eingeleitet habe.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 13.10.2023 – 1 Ws 55/23

VergMan ® für Bieter – Muss Auftraggeber Schlechtleistung beweisen?

VergMan ® für Bieter - Muss Auftraggeber Schlechtleistung beweisen?

vorgestellt von Thomas Ax

1. Im Streitfall über die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB muss die Vergabestelle den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds führen, nämlich dass eine erhebliche oder fortdauernde Schlechtleistung zur Kündigung oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Es genügt nicht, dass der Auftraggeber gekündigt hat, es muss vielmehr mit hinreichender Sicherheit feststehen, dass dies auch zu Recht erfolgt ist.*)

2. Im Nachprüfungsverfahren gilt der insbesondere in § 167 GWB verankerte Beschleunigungsgrundsatz. Die Vergabekammer bzw. der -senat ist daher nicht gehalten, die Rechtmäßigkeit der streitigen Kündigung selbst im Wege einer vollumfänglichen Inzidentprüfung mit unter Umständen langwieriger Beweisaufnahme wie in einem Bauprozess zu klären. Vielmehr hat die Vergabekammer anhand des Vorbringens der Beteiligten und der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds auch mit hinreichender Sicherheit führen kann.*)

3. Einem Unternehmen kann sein Verhalten bei Erfüllung eines öffentlichen Auftrags als Mitglied einer Bietergemeinschaft, an die ein Auftrag vergeben wurde, im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zugerechnet werden, wenn ihm ein individueller Beitrag zu den während der Vertragsausführung auftretenden Mängeln zugerechnet werden kann und dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig war.*)

4. Hat ein Auftragnehmer mit rechtlichen Schritten gedroht oder solche unternommen, die er zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer noch ungeklärten Rechtslage für zulässig halten konnte, so ist bei der Prognoseentscheidung im Rahmen einer Ausschlussentscheidung vom öffentlichen Auftraggeber zu Gunsten des Auftragnehmers zu prüfen und zu berücksichtigen, ob dieser einer vertretbaren Rechtsauffassung folgte.*)

VK Südbayern, Beschluss vom 04.04.2024 – 3194.Z3-3_01-23-68

VergMan ® für Bieter – Müssen sich Bieter mit Wertungsmethoden auseinandersetzen?

VergMan ® für Bieter - Müssen sich Bieter mit Wertungsmethoden auseinandersetzen?

vorgestellt von Thomas Ax

1. Bieter müssen sich bei der Erstellung ihres Angebots mit den bekannt gemachten Wertungsmethoden auseinandersetzen. Ein sorgfältig handelnder Bieter wird verschiedene Angebotsstrategien durchdenken, um deren Erfolgsaussichten abzuschätzen. Damit sind bei konkreter Benennung aller relevanten Details zur Preis- und Qualitätswertung, die Auswirkung von verschiedenen Angebotsstrategien bei Preis und Qualität für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter erkennbar. Von einem Bieter kann insbesondere erwartet werden, dass er einfache mathematische Überlegungen anstellt.

2. Allein aus der Einstellung eines Strafverfahrens gegen Geldauflage gem. § 153a Abs. 2 StPO kann nicht geschlossen werden, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte i.S.d. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vorliegen. Liegen dem öffentlichen Auftraggeber konkrete Hinweise auf Vereinbarungen oder Verhaltensweisen vor, welche zur Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs führen können, dann ist er verpflichtet, diese Erkenntnisse bei seiner Ermessensentscheidung auch zu berücksichtigen und kann sich nicht allein auf die Einstellung des Strafverfahrens berufen.

3. Wurden Straf- oder Kartellverwaltungsverfahren auf eine Art und Weise eingestellt, dass keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob die vorgeworfene oder untersuchte Tat begangen wurde oder ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften vorliegt, so ist für den Zeitraum des § 126 Nr. 2 GWB auf die konkrete Handlung selbst und nicht auf das Datum der Einstellung abzustellen.

VK Südbayern, Beschluss vom 11.10.2023 – 3194.Z3-3_01-23-16

VergMan ® für Bieter – Dürfen Mitbewerber unter Druck gesetzt werden?

VergMan ® für Bieter - Dürfen Mitbewerber unter Druck gesetzt werden?

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Unternehmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn es versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen.

2. Als Versuch der unzulässigen Einflussnahme ist jede Kontaktaufnahme anzusehen, die nicht die in dem konkreten Vergabeverfahren vorgesehenen Wege und Mittel der Kommunikation einhält und in der ein Unternehmen versucht, Einfluss auf den Auftraggeber oder mit ihm zusammenhängende Stellen oder Personen in Bezug auf das Ergebnis des Vergabeverfahrens zu nehmen.

3. Nimmt ein Unternehmen zu einem potentiellen Wettbewerber im Vorfeld einer möglichen Ausschreibung Kontakt auf, um diesen unter Hinweis auf ein bestehendes Vertragsverhältnis unter der Androhung von Nachteilen (Schadensersatz) von der der Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung abzuhalten, liegt kein Versuch der unzulässigen Einflussnahme vor.

4. Eine kartellrechtswidrige Nachteilsandrohung kann eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung – die Verabredung einer Nichtbeteiligung eines Wettbewerbers an der Ausschreibung – darstellen.

VK Bund, Beschluss vom 25.07.2024 – VK 1-58/24

OLG Düsseldorf zu der Frage der Verwendung und Anwendung von Ausschlusskriterien

OLG Düsseldorf zu der Frage der Verwendung und Anwendung von Ausschlusskriterien

vorgestellt von Thomas Ax

Der Auftraggeber hat alle Zuschlagskriterien und Unterkriterien, die er anzuwenden gedenkt, sowie deren Gewichtung bekannt zu geben. Die anschließende Wertung der Angebote darf nur anhand dieser Kriterien erfolgen (Senatsbeschluss vom 27. März 2013, VII-Verg 53/12, BeckRS 2013, 21180). Darüber hinaus steht es dem öffentlichen Auftraggeber frei, ein Ausschlusskriterium für den Fall zu formulieren, dass von den Bietern eine bestimmte Mindestpunktzahl nicht erreicht wird (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19, NZBau 2020, 670 Rn. 50). Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei (Senatsbeschluss vom 13. April 2016, VII-Verg 47/15, NZBau 2016, 656 Rn. 18 – VoIP-Telefone). Nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB kann er – so wie hier – auch qualitative Aspekte berücksichtigen. Er kann eine seinen Bedürfnissen entsprechende Qualität bestimmen, die die abgegebenen Angebote gewährleisten müssen, und eine Untergrenze festlegen, die diese Angebote einhalten müssen. Insoweit steht Art. 67 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU, dessen Umsetzung § 127 Abs. 1 GWB dient und in dessen Lichte er auszulegen ist, nicht der Möglichkeit entgegen, in der Phase der Zuschlagserteilung in einem ersten Schritt Angebote auszuschließen, die bei der Bewertung eine vorab festgelegte Mindestpunktzahl nicht erreichen, weil ein Angebot, das eine solche Mindestpunktzahl nicht erreicht, grundsätzlich nicht den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers entspricht und bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht berücksichtigt zu werden braucht (EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 32 – Montte; ausführlich hierzu: Senatsbeschluss vom 15. Februar 2023, VII-Verg 6/22).
Der Inhalt eines solchen Ausschlusskriteriums muss – ebenso wie die Vergabeunterlagen insgesamt – hinreichend klar und eindeutig formuliert sein. Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist auch im Vergaberecht nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera; OLG Frankfurt a.
 M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter beziehungsweise Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 40 – BSI, sowie vom 5 November 2014, VII-Verg 21/14, BeckRS 2015, 11625; Lampert in Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 121 Rn. 77).
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2023 – Verg 24/22

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 7. Januar 2022 im offenen Verfahren den Abschluss einer Rahmenvereinbarung über Aktivierungshilfen für Jüngere nach § 45 SGB III für die Dauer von einem Jahr EU-weit aus (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ….).

Zuschlagskriterien waren der Preis und die Qualität. Nach Ziffer IV.1.11. der Bekanntmachung war der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, das sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt. Für dessen Ermittlung und der anzuwendenden Wertungsmethode enthielten die Vergabeunterlagen in der Unterlage “A_Wertungshinweise” umfangreiche Ausführungen, auf die vollumfänglich Bezug genommen wird. Es ergab sich hieraus unter anderem, dass von den Bietern Konzepte zu den drei Wertungsbereichen I “Auftragsbezogene Zusammenarbeit auf dem regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt“, II “Organisation und Durchführungsqualität” und III “Personal” mit Angebotsabgabe vorzulegen waren. Diese nach der Bewertungsmatrix mit 30, 60 und 10 Gewichtspunkten gewichteten Wertungsbereiche waren teilweise in ebenfalls gewichtete Unterkriterien unterteilt. So war der Wertungsbereich I in die Unterkriterien I.1 “Auftragsbezogene Zusammenarbeit“, in dessen Rahmen die regionalen Akteure zu benennen und die Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der konkreten Maßnahme zu beschreiben waren, und I.2 “Regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt“, bei dem die wesentlichen aktuellen Entwicklungen darzustellen waren, unterteilt. Der Wertungsbereich II war in die Unterkriterien II.1 “Motivation der Teilnehmenden“, II.2 “Umsetzung der Maßnahmekonzeption“, II.3 “Exemplarischer Maßnahmenverlauf” und II.4 “Überleitung in weiterführende Qualifizierungsangebote” unterteilt.

Die Bewertung der Konzepte sollte durch ein Punktesystem erfolgen, das die Wertung von 0 bis 3 Punkten vorsah, wobei ein die Anforderungen nicht erfüllendes oder nicht schlüssiges Konzept mit 0 Punkten, ein die Anforderungen mit Einschränkungen erfüllendes Konzept mit 1 Punkt, ein die Anforderungen erfüllendes Konzept mit 2 Punkten und ein der Zielerreichung in besonderer Weise dienliches Konzept mit 3 Punkten zu bewerten war. Angebote, bei denen die Summe der Punkte aller Wertungsbereiche nicht mindestens 85 Prozent der Gesamtpunktzahl beträgt, welche bei durchgängiger Bewertung in der Wertungsstufe “2 Punkte – entspricht den Anforderungen” erreicht wird, sollten von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden.

Die Antragstellerin, die Beigeladene und fünf weitere Bieter gaben jeweils fristgemäß Angebote ab. Mit Schreiben vom 21. März 2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot wegen Nichterreichens von mindestens 85 Prozent der Leistungspunkte, die sich ergäben, wenn durchgängig Wertungskriterien mit 2 Punkten bewertet würden, nicht für den Zuschlag berücksichtigt werden solle und beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.

Ein nach erfolgloser Rüge eingeleitetes ersten Nachprüfungsverfahrens wurde nach der Erklärung der Antragsgegnerin, die Wertung zu wiederholen, für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin bewertete das Konzept der Antragstellerin nunmehr durchgehend mit 2 Punkten. Zur Begründung dieser Bewertung führte sie bei allen (Unter-) Kriterien wortgleich aus:

Die konzeptionelle Darstellung entspricht den Anforderungen, weil keine Anhaltspunkte für eine Zielerreichung in besondere Weise sprechen (3 Punkte) und gegenüber den Anforderungen keine Einschränkungen erkennbar sind, die eine Bewertung mit 1 Punkt rechtfertigen würden.

Hierdurch blieb das Angebot der Antragstellerin zwar im ersten Schritt in der Wertung, schied aber aufgrund des Abstands der Kennzahl für das Leistungs-Preis-Verhältnis von der Kennzahl des führenden Angebots von mehr als 10 Prozent im dritten Schritt der Erweiterten Richtwertmethode aus.

Mit neuem Informationsschreiben vom 14. April 2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin wiederrum mit, der Zuschlag könne ihr nicht erteilt werden, ihr Angebot sei nicht das wirtschaftlichste, es liege außerhalb des Kennzahlenkorridors. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Die Antragstellerin rügte zunächst mit Anwaltsschreiben vom 19. April 2022 diese Information als nicht nachvollziehbar und mit weiterem Schreiben vom 21. April 2022 die Bewertung als intransparent und willkürlich. Aus den Vergabeunterlagen werde nicht klar, was den Anforderungen genüge. Zudem sei davon auszugehen, dass die Beigeladene fehlerhaft zu gut bewertet worden sei.

Nach Zurückweisung ihrer Rüge vom 19. April 2022 hat die Antragstellerin mit Anwaltsschriftsatz vom 22. April 2022 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt und zu dessen Begründung ausgeführt, schon das Informationsschreiben sei nicht hinreichend aussagekräftig. Zudem genüge die Dokumentation der Bewertung nicht den Anforderungen, wie sich aus der Akte nach Einsichtnahme ergebe. Auch eine gute Bewertung mit 2 Punkten müsse begründet werden, insbesondere warum ihr Konzept im Vergleich zu anderen Bietern nicht mit 3 Punkten bewertet worden sei. Sie habe durchweg kreative Lösungen angeboten.

Dies zumal auch in den Vergabeunterlagen nicht dargelegt sei, was der Zielerreichung in besonderer Weise dienlich sei. Die Beigeladene sei hingegen zu gut bewertet worden. Die Antragsgegnerin sei zudem von ihren eigenen Bewertungsgrundsätzen abgewichen. Ein durchschnittlicher Bieter verstehe das Ausschlusskriterium dahingehend, dass ein Durchschnitt von 2 Punkte erreicht werden müsse, was 85 Prozent entspreche. Stattdessen habe die Antragsgegnerin 85 Prozent einer durchgängigen Bewertung mit 2 Punkten ausreichen lassen. Der verbleibende Qualitätskorridor genüge auch für einen Qualitätswettbewerb nicht, da er auf eine Regelbewertung mit 2 Punkten hinauslaufe. Dies sei allerdings für einen durchschnittlichen Bieter nicht vorab erkennbar gewesen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist;

2. der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr Angebot unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten;

3. ihr Akteneinsicht zu gewähren;

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen;

5. der Antragsgegnerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen und die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;

6. ein Sachverständigengutachten zu der Frage des Verständnisses des 85-Prozent-Kriteriums einzuholen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, mit ihrem Vortrag zur Intransparenz der Bewertungskriterien und -methodik sei die Antragstellerin bereits nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Im Übrigen seien diese transparent und sachlich in Ordnung. Die Kriterien seien bekanntgegeben und erläutert worden, weiterer konkretisierender Angaben zur Punktevergabe bedürfe es nicht. Dabei liege auch die Festlegung eines Mindestqualitätskriteriums in ihrem Ermessen. Das Konzept der Antragstellerin habe nicht mit mehr als zwei Punkten bewertet werden können, hier gehe nichts über das Übliche hinaus.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 1. Juni 2022 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin teils verworfen und teils zurückgewiesen. Soweit die Antragstellerin die Wertungsmethodik angreife, sei sie damit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Der für einen durchschnittlichen Bieter im Zuge der Erstellung des eigenen Angebots erkennbare angebliche Verstoß hätte bis zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt werden müssen. Im Übrigen sei es aber auch gerade nicht erforderlich, dass der Bieter vorab erkennen könne, was er anbieten müsse, um eine bestimmte Note zu erzielen. Die 85-Prozent-Grenze sei transparent dargestellt. Bei der von einem durchschnittlichen Bieter zu erwartenden sorgfältigen Lektüre werde eindeutig klar, dass es auf das Erreichen von 85 Prozent derjenigen Punkte ankomme, die ein fiktiver Bieter bei durchgehender Bewertung mit 2 Punkten erreichen würde. Dies könne die Vergabekammer selbst beurteilen, hierfür genüge ein normales Sprachverständnis. Zudem würden bei einer durchgehenden Bewertung mit 2 von 3 Punkten 2/3 der Maximalpunktzahl oder 66 Prozent erreicht und nicht 85 Prozent. Es liege auch kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip dar, ein versteckter Preiswettbewerb sei nicht gegeben. Die Qualität werde auf allen Wertungsschritten berücksichtigt. So seien Angebote sowohl bereits wegen Nichterreichens der 85-Prozent-Grenze als auch wegen Verfehlens des 10-Prozent-Korridors ausgeschieden. Auch die Wertung des Konzepts der Antragstellerin sei beurteilungsfehlerfrei erfolgt und hinreichend dokumentiert. Gerade eine Bewertung mit 2 Punkten bedürfe keiner umfangreichen Begründung, da diese Bewertung für eine vollständige Erfüllung der Anforderungen stehe. Die ausdrückliche Bejahung der Erfüllung der einzelnen Punkte verbunden mit der Erklärung, nicht darüber hinauszugehen, schaffe für den Bieter keinen Mehrwert. Die Bewertung mit 2 Punkten lasse sich auch im Abgleich mit dem Konzept der Beigeladenen und den dortigen, teils auf 3 Punkte lautenden Bewertungen nachvollziehen.

Gerade der Quervergleich zeige eine differenzierte und dabei nach einem einheitlichen Bewertungsmaßstab erfolgte Bewertung.

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Die Bewertung sei schon deswegen vergabefehlerhaft, weil die Antragsgegnerin nachträglich von ihrer eigenen Vorgabe eines Mindesterfüllungsgrads von 85 Prozent abgewichen sei. Die Antragsgegnerin habe in den Vergabeunterlagen erläutert, es würden alle Angebote ausgeschlossen, die nicht mindestens 85 Prozent der Gesamtpunktzahl erreichten, was einer durchgängigen Bewertung mit 2 Punkten entspreche. Der durchschnittliche Bieter habe dies – wie sie auch – nur so verstehen können, dass sie in allen Wertungskriterien zwingend 2 Punkte erreichen müsse. Tatsächlich habe die Antragsgegnerin das Kriterium aber bereits dann für erfüllt angesehen, wenn lediglich 85 Prozent einer Bewertung mit 2 Punkten erreicht worden sei. Zumindest sei das 85-Prozent-Kriterium aber intransparent gewesen, ein Verständnis wie das der Antragsgegnerin sei jedenfalls für den Bieter nicht eindeutig erkennbar gewesen. Ihrem diesbezüglichen Beweisangebot hätte nachgegangen werden müssen, zumal auch das Argument einer prozentualen Verteilung der erreichten Punktzahl nicht tragfähig sei. Im Übrigen sei auch die Anwendung des 85-Prozent-Kriteriums nicht eindeutig und zweifelfrei geregelt. 85 Prozent einer durchgehenden Bewertung mit 2 Punkten in 7 Wertungskriterien ergäben 11,9 Punkte ohne das klar sei, nach welchen Kriterien gerundet werde. Diese Intransparenz sei für sie vorher nicht erkennbar gewesen. Hinsichtlich der Bewertung selbst habe die Vergabekammer die Anforderungen an die Dokumentation verkannt, es müsse nachvollziehbar sein, welche konkreten qualitativen Eigenschaften mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen seien.

Die Dokumentation müsse die Prüfung der Bewertung im Verhältnis zu den übrigen Angeboten ermöglichen.

Vorliegend würden jedoch keinerlei konkrete qualitative Eigenschaften benannt, geschweige denn gewichtet.

Der Subsumtionsvorgang müsse dargelegt werden. Auch bei einer Bewertung mit 2 Punkten müsse erkennbar sein, wie das Konzept die Anforderungen vollständig erfüllt. Auch hier bedürfe es einer eingehenden inhaltlichen und fachlichen Befassung mit den konzeptionellen Darstellungen. Die Bewertung der Antragsgegnerin erschöpfe sich demgegenüber in Allgemeinplätzen. Dass ihr Konzept die Bewertung mit jeweils 3 Punkten verdiene, habe sie bereits vor der Vergabekammer im Einzelnen – insoweit nimmt sie auf ihren Schriftsatz vom 4. Mai 2022 Bezug – dargelegt.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 1. Juni 2022 (VK 1-49/22) aufzuheben;

2. festzustellen, dass sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist;

3. der Antragsgegnerin aufzugeben, ihr Angebot zu Los 1 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten;

4. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen;

5. der Antragsgegnerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen und die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde teilweise zu verwerfen und im Übrigen zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Ihre Vergabeunterlagen seien vergaberechtskonform, die Begründung ihrer Bewertung genüge den rechtlichen Anforderungen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag teils verworfen und teils zurückgewiesen hat.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Der Nachprüfungsantrag ist – soweit zulässig – begründet, denn die Dokumentation der Konzeptbewertung genügt nicht den Anforderungen und lässt eine Überprüfung der Wertung nicht zu.

a) Ob die Vergabekammer zu Recht von der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags infolge Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 1 GWB ausgegangen ist, soweit die Antragstellerin die Wertungsmethodik als vergaberechtsfehlerhaft gerügt hat, ist dies einer Überprüfung durch den Senat nicht zugänglich. Die Antragstellerin hat sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die diesbezüglichen Ausführungen der Vergabekammer nicht gewandt.

b) Die in der Unterlage “A_Wertungshinweise” enthaltene Ausschlussklausel, wonach die Angebote von der Wertung ausgeschlossen werden, bei denen die Summe der Punkte aller Wertungsbereiche nicht mindestens 85 % der Gesamtpunktzahl beträgt, welche bei durchgängiger Bewertung in der Wertungsstufe “2-Punkte – entspricht den Anforderungen” erreicht, ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Weder ist die Antragsgegnerin bei der Angebotswertung von den genannten Voraussetzung abgewichen, noch liegt ein Verstoß gegen das in § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB und § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB normierte Transparenzgebot vor.

aa) Der Auftraggeber hat alle Zuschlagskriterien und Unterkriterien, die er anzuwenden gedenkt, sowie deren Gewichtung bekannt zu geben. Die anschließende Wertung der Angebote darf nur anhand dieser Kriterien erfolgen (Senatsbeschluss vom 27. März 2013, VII-Verg 53/12, BeckRS 2013, 21180). Darüber hinaus steht es dem öffentlichen Auftraggeber frei, ein Ausschlusskriterium für den Fall zu formulieren, dass von den Bietern eine bestimmte Mindestpunktzahl nicht erreicht wird (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19, NZBau 2020, 670 Rn. 50). Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei (Senatsbeschluss vom 13. April 2016, VII-Verg 47/15, NZBau 2016, 656 Rn. 18 – VoIP-Telefone). Nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB kann er – so wie hier – auch qualitative Aspekte berücksichtigen. Er kann eine seinen Bedürfnissen entsprechende Qualität bestimmen, die die abgegebenen Angebote gewährleisten müssen, und eine Untergrenze festlegen, die diese Angebote einhalten müssen. Insoweit steht Art. 67 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU, dessen Umsetzung § 127 Abs. 1 GWB dient und in dessen Lichte er auszulegen ist, nicht der Möglichkeit entgegen, in der Phase der Zuschlagserteilung in einem ersten Schritt Angebote auszuschließen, die bei der Bewertung eine vorab festgelegte Mindestpunktzahl nicht erreichen, weil ein Angebot, das eine solche Mindestpunktzahl nicht erreicht, grundsätzlich nicht den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers entspricht und bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht berücksichtigt zu werden braucht (EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 32 – Montte; ausführlich hierzu: Senatsbeschluss vom 15. Februar 2023, VII-Verg 6/22).

Der Inhalt eines solchen Ausschlusskriteriums muss – ebenso wie die Vergabeunterlagen insgesamt – hinreichend klar und eindeutig formuliert sein. Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist auch im Vergaberecht nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter beziehungsweise Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 – Stadtbahnprogramm Gera). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 40 – BSI, sowie vom 5 November 2014, VII-Verg 21/14, BeckRS 2015, 11625; Lampert in Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 121 Rn. 77).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Antragsgegnerin für einen durchschnittlichen Bieter hinreichend klar und eindeutig ein Ausschlusskriterium dahingehend formuliert, dass nur solche Angebote weiter in der Wertung verbleiben, die im Rahmen der qualitativen Bewertung der Konzepte in der Summe mindestens 85 Prozente der Leistungspunkte erreicht haben, die bei einer durchgehenden Bewertung mit 2 Punkten erzielt würden; also nur solche Angebote, die mindestens 17.000 Leistungspunkte erzielt haben.

Schon der Wortlaut ist bei sorgfältigem Studium des Textes für einen durchschnittlichen Anbieter von Schulungs- und Motivationsprogrammen eindeutig. Durch die Verknüpfung des Satzteils “85 % der Gesamtpunktzahl” mit dem nachfolgenden Satzteil “bei durchgängiger Bewertung in der Wertungsstufe ʹ2 Punkte …ʹ erreicht wird” mittels des Relativpronomens “welche” wird grammatikalisch klargestellt, dass die bei durchgängiger Bewertung mit 2 Punkten zu erzielende Gesamtpunktzahl Bezugspunkt des 85-Prozent-Kriteriums ist, also der Wert, aus dem sich die 85 Prozent berechnen. Das Relativpronomen “welche” kann schlicht nicht in dem von der Antragstellerin favorisierten Sinn eines “dies entspricht” verstanden werden.

Das von der Antragstellerin geltend gemachte Verständnis, wonach sich die 85 Prozent auf die erreichbare Maximalpunktzahl beziehen und einer durchgängigen Bewertung mit 2 Punkten entsprechen sollen, wäre im Übrigen auch mathematisch falsch. Wer durchgängig 2 von 3 möglichen Punkten erzielt, erzielt … 2/3 der Maximalpunkzahl, also 66,7 Prozent dieses Wertes. 85 Prozent der Maximalpunktzahl werden also mit einer durchgängigen Bewertung mit 2 Punkten gar nicht erreicht.

Das für das richtige Verstehen des Textes hier erforderliche Maß an grammatikalischem und mathematischem Verständnis kann von einem durchschnittlichen Bieter, der sich um ein Aktivierungsprogramm für junge Menschen bewirbt, erwartet werden. Dies kann der spezialzuständige Vergabesenat – ebenso wie die Vergabekammer – aufgrund seiner jahrelangen intensiven Befassung mit Vergabeunterlagen und ihrer Auslegung selbst beurteilen. Die Auslegung von Vergabeunterlagen ist ureigenste Aufgabe des Richters, der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es hierfür nicht.

Es bestehen auch keine Unklarheiten hinsichtlich der Ermittlung der 85-Prozent-Grenze. Ein Angebot genügt diesem Kriterium, wenn es in der Summe mindestens 17.000 Leistungspunkte erzielt. Die von der Antragstellerin angenommene Rundungsproblematik existiert nicht.

Die Berechnung und Rundung der Leistungspunkte werden in der Vergabeunterlage A_Wertungshinweise klar und nachvollziehbar dargestellt. Dort wird zur Ermittlung der Leistungspunkte unter 1. ausgeführt, dass zunächst der gewichtete Mittelwert des Wertungsbereichs zu bilden ist, indem die Wertungspunkte jedes Wertungskriteriums, also des Unterkriteriums, mit dem jeweiligen Gewichtspunkt, der in der Bewertungsmatrix 1, 2 oder 3 GP angegeben ist, multipliziert und sodann durch die Summe der Gewichtspunkte dividiert werden; also beim Wertungsbereich I “Auftragsbezogene Zusammenarbeit auf dem regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt“, durch 3 (2 + 1), beim Wertungsbereich II “Organisation und Durchführungsqualität” durch 11 (3 + 3 + 3 + 2) und bei Wertungsbereich III “Personal” durch 2. Der gewichtete Mittelwert wird dann mit 100 multipliziert und sodann kaufmännisch auf zwei Dezimalstellen gerundet. Anschließend werden die Ergebnisse mit den Gewichtspunkten des Wertungsbereichs multipliziert, die ebenfalls der Bewertungsmatrix zu entnehmen sind – also im Wertungsbereich I mit 30 GP, im Wertungsbereich II mit 60 GP und im Wertungsbereich III mit 10 GP – und die Produkte addiert.

Bei einer durchgängigen Bewertung mit 2 Punkten ergeben sich 20.000 Punkte, so dass die 85-Prozent-Grenze bei 17.000 Punkten liegt. Eine Rundungsproblematik tritt hier folglich nicht auf. Konzepte, die diesen Wert – egal wie geringfügig – unterschreiten, scheiden aus der Wertung aus. Auch ein Konzept mit 16.999,9 Leistungspunkten – mehr als eine Dezimale ist aufgrund der vorangegangenen kaufmännischen Rundung auf die zweite Dezimale und der anschließenden Multiplikation mit den sich auf glatte Zehnerwerte belaufenden Gewichtspunkten des Wertungsbereichs nicht möglich – scheidet folglich aus.

Die bei 17.000 Leistungspunkten liegende 85-Prozent-Grenze hat die Antragsgegnerin vorliegend auch korrekt angewandt und daher zunächst drei – nach Neubewertung des Angebots der Antragstellerin – schließlich noch zwei der sieben Angebote wegen Nichterreichens dieser Mindestpunktzahl ausgeschieden.

c) Dem Senat ist es nicht möglich, die von der Antragstellerin geltend gemachten Wertungsfehler zu überprüfen. Die am 6. April 2022 von der Antragsgegnerin erneut vorgenommene Konzeptbewertung ist völlig unzureichend dokumentiert und verstößt daher gegen § 8 Abs. 1 Satz 2 VgV.

aa) Gemäß § 127 Abs. 1 GWB wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, wobei Grundlage eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers ist, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Diese Entscheidung muss im Vergabenachprüfungsverfahren überprüfbar sein. Die Nachprüfungsinstanzen müssen anhand der Dokumentation der Wertungsentscheidung die Einhaltung der Bewertungsgrundsätze nachvollziehen können. Gegenstand der Angebotswertung ist die prognostische Beurteilung, inwieweit die aus den Konzepten ersichtlichen Maßnahmen zur Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung beitragen können. Je nachdem, in welchem Maße die Lösungsvorschläge aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers insoweit Erfolg versprechen, erhält das jeweilige Konzept sodann eine entsprechende Benotung und die nach dem Schlüssel in den Vergabeunterlagen zu errechnende Punktzahl (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 42 – Postdienstleistungen). Bei der Bewertung kommt dem öffentlichen Auftraggeber systemimmanent ein Beurteilungsspielraum zu (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen; Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 46). Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung daher nur daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden (siehe nur Senatsbeschluss vom 8. Februar 2017, VII Verg 31/61). Der Gefahr, dass die Offenheit des Wertungsschemas zu einer nicht hinreichend transparenten Vergabe führt, ist durch eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses zu begegnen (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 52 – Postdienstleistungen), die es ermöglichen muss, den Entscheidungsfindungsprozess konkret nachzuvollziehen, um beurteilen zu können, ob Ermessensfehler vorliegen (Goede/Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 8 Rn. 9). Der Auftraggeber ist daher nach § 8 Abs. 1 Satz 2 VgV verpflichtet, die Gründe für die Auswahlentscheidung und den Zuschlag zu dokumentieren. Dies gilt auch und vor allem dann, wenn er sich dafür eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen; Senatsbeschluss vom 9. Mai 2018, VII-Verg 13/18, BeckRS 2018, 50137 Rn. 36; OLG München, Beschluss vom 26. Februar 2021, Verg 14720, NZBau 2021, 698 Rn. 71; Goede/Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 8 Rn. 9). Nur dann sind die diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen in diesem Rahmen insbesondere auch darauf hin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 – Postdienstleistungen). Dabei ist auch zu erläutern, warum ein Bieter weniger als die mögliche Höchstpunktzahl erhalten hat (OLG München, Beschluss vom 26. Februar 2021, Verg 14720, NZBau 2021, 698 Rn. 72).

bb) Diesen Anforderungen wird die Dokumentation der am 6. April 2022 erfolgten Konzeptbewertung nicht gerecht.

Die Antragsgegnerin hat die Konzepte der Antragstellerin bei jedem Kriterium durchgängig mit 2 Punkten bewertet und identisch wie folgt begründet: “Die konzeptionelle Darstellung entspricht den Anforderungen, weil keine Anhaltspunkte für eine Zielerreichung in besondere Weise sprechen (3 Punkte) und gegenüber den Anforderungen keine Einschränkungen erkennbar sind, die eine Bewertung mit 1 Punkt rechtfertigen würden“. Damit hält sie nur das Wertungsergebnis fest und begründet es mit der von ihr vorgegebenen Definition der zu erreichenden Punkte. Eine auf den konkreten Konzeptinhalt bezogene Begründung fehlt vollständig. Es ist weder dargestellt, welche konzeptionellen Maßnahmen aus welchen Gründen den definierten Anforderungen entsprechen, noch wird begründet, warum diese konzeptionellen Maßnahmen die Anforderungen zwar erfüllen, die gewählte Lösung aber nicht besonders dienlich ist. So hätte es beispielsweise im Wertungsbereich I “Auftragsbezogene Zusammenarbeit auf dem regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt” im Unterkriterien I.1 “Auftragsbezogene Zusammenarbeit“, in dessen Rahmen die regionalen Akteure zu benennen und die Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der konkreten Maßnahme zu beschreiben waren, Ausführungen dazu bedurft, weshalb das Netz kleiner Werkstätten der Antragstellerin nicht innovativ ist oder zwar innovativ, aber aus konkreten Gründen nicht besonders dienlich ist. Der Begründung muss entnommen werden können, warum die Antragstellerin für ihre Lösung weniger als die Höchstpunktzahl erhält. Kann aber anhand der Dokumentation nicht nachvollzogen werden, aus welchen konkreten, auf den Inhalt des jeweiligen Konzepts bezogenen Erwägungen die Antragsgegnerin zu der Bewertung mit 2 Punkten gekommen ist, ist der Wertungsprozess nicht nachvollziehbar und damit völlig intransparent, so dass eine Überprüfung der Wertung auch im Vergleich zu der Wertung der Konzepte der anderen Bieter nicht möglich ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3, Abs. 4, § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin hat ihr Verfahrensziel vollständig erreicht (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 178).

Dabei sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG auch die Gebühren und Auslagen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erstattungsfähig, da deren Hinzuziehung im Verfahren vor der Vergabekammer in Anbetracht der dort aufgetretenen Schwierigkeiten im Ergebnis notwendig war. Hierüber ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 61 – Polizeianzüge; Senatsbeschlüsse vom 16. März 2020, VII-Verg 38/18, BeckRS 2020, 29123 Rn. 34 und vom 15. Mai 2018, VII-Verg 58/17; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 2. November 2017, 11 Verg 8/17, ZfBR 2018, 198, 199). Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen, wobei neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein können (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 61 – Polizeianzüge). Vorliegend stellten sich schwierige Fragen zur Wertung und den Anforderungen an ihre Dokumentation, deren Beantwortung von einem normalen Bieter wie der Antragstellerin nicht erwartet werden kann.

Insoweit ist allein die Antragsgegnerin verpflichtet. Ein Beigeladener ist nur dann kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Beschwerdeverfahren auch nutzt, indem er sich an diesem Verfahren beteiligt. Hierfür bedarf es einer sachlichen Stellungnahme zur sofortigen Beschwerde (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 63), an der es vorliegend fehlt. Die Beigeladene hat sich am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligt.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56).

VK Bund zu der Frage, ob die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt

VK Bund zu der Frage, ob die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt

vorgestellt von Thomas Ax

Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann. Technische Planungsleistungen weisen eine personenbezogene Komponente auf, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird. Bei komplexen Planungsleistungen ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Auftraggeber zu dem Ergebnis kommt, dass die Übernahme einzelner Personen (hier: der vorgesehenen Projektleiter), die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung des Bieters für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags belegt. Denn damit können die betriebsorganisatorischen Fähigkeiten und Kapazitäten eines Unternehmens, die für die Erfüllung komplexer Planungsaufgaben ebenfalls und unabhängig von einzelnen Personen erforderlich sind, nicht gleichgesetzt werden.
VK Bund, Beschluss vom 25.04.2024 – VK 1-30/24 (nicht bestandskräftig; Rechtsmittel: OLG Düsseldorf, Az. Verg 15/24)

Gründe:

I.

1. Die Antragsgegnerin für derzeit ein Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb zur Vergabe der Fachplanung der Technischen Ausrüstung gemäß §§ 53 ff. HOAI der Anlagengruppe 7.1 (medizin- oder labortechnische Anlagen), LPH 2 bis LPH 9, für den Laborneubau […] durch. Im Haus […] sollen Laborflächen der Kategorie BSL 2 und BSL 3 nach GenTG (standardisierte mikrobiologische Labore mit Auswerteräumen, (Gefahrstoff-)Lagern, Brut- und Kühlräumen) sowie Büroflächen und Besprechungsräume untergebracht werden. Der Neubau soll bei laufendem Betrieb und beengten Platzverhältnissen sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen technischen Anlagen und Sicherheitsanforderungen in die bestehende Liegenschaft integriert werden. Die Antragsgegnerin schätzt die Anforderungen an die bauliche und prozessuale Qualität als hoch ein (s. Ziffer 5.1 der EU-Bekanntmachung sowie S. 1 der “Kurzbeschreibung des Projektes und des Leistungsumfangs für die Fachplanung TA-Labortechnik”). Die Projektkosten gemäß DIN 276 werden für die KG 473 mit ca. 3,6 Mio. Euro netto und für die KG 200 – 700 mit ca. 80 Mio. netto angegeben, die Projektdauer soll ca. 75 Monate betragen (s. Ziffer 5.1 der EU-Bekanntmachung sowie S. 10 ff. der o.g. Kurzbeschreibung).

In der EU-Bekanntmachung wurden unter Ziffer 5.1.9 folgende Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bewerber genannt:

“Kriterium:

Art: Technische und berufliche Leistungsfähigkeit

Bezeichnung: Vorstellung von zwei mit der Bauaufgabe und der ausgeschriebenen Leistung vergleichbaren realisierten Referenzprojekten gem. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV:

Beschreibung: Die Referenzprojekte (P1, P2) müssen im Zeitraum ab 01/2013 bis zum Tag der Veröffentlichung fertig gestellt sein (Abschluss Leistungsphase 8 gem. § 53 ff HOAI). Davon: Mindestens ein Referenzprojekt mit Projektkosten in der KG 473 (Medizin- und Labortechnische Anlagen nach DIN 276) von mindestens 3,5 Mio. Euro. Mindestens ein Referenzprojekt aus dem Labor- bzw. Krankenhausbau. Hinweis: Die Referenzprojekte (P1 und P2) müssen dem/der Bewerbenden eindeutig zuzuordnen sein. Im Falle einer Bietergemeinschaft können die Referenzprojekte von jedem Mitglied der Bietergemeinschaft eingereicht werden (insgesamt max. 2 Referenzen). Referenzprojekte des Nachunternehmens sind nicht zugelassen. Es sind zwei mit der Bauaufgabe und der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare Referenzprojekte (P1, P2) vom Bewerbenden vorzustellen, die anhand der Auswertungsmatrix Stufe 1 bewertet werden. Insbesondere Angaben zu: Projektbezeichnung, Ort, Bauherr/in, Auftraggeber/in, Ansprechpartner/in mit Tel.-Nr., Entwurfsverfasser/in, Architekt/in, Projektdauer, Gebäudenutzung, Art der Baumaßnahme, Projektkosten, Umfang der eigenen Leistung, Besondere Leistungen, Referenzschreibens. Neben dem Bewerbungsbogen sind maximal 3 DIN A 4 Seiten je Referenzprojekt in digitaler Form einzureichen. Darüberhinausgehende Unterlagen werden zur Wertung nicht zugelassen.

Anhand der Kriterien werden die Bewerber ausgewählt, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen.

(…)

Kriterium:

Art: Technische und berufliche Leistungsfähigkeit

Bezeichnung: Vorstellung des Projektteams – insbesondere Angaben zu: Name, Ausbildung/Studienabschluss, Berufserfahrung.

Beschreibung: Der/die Bewerbende oder die Bietergemeinschaft haben das gesamte Projektteam im Teilnahmewettbewerb (Stufe 1) vorzustellen. Dabei soll auch berücksichtigt werden, welche Zugehörigkeit des Fachbereichs vorliegt, sodass die Aufteilung der Projektbeteiligten den Anlagengruppen bzw. Kostengruppen zugeordnet werden kann. Dies ist bei der Einzelvorstellung (s.u. zu berücksichtigen). Alle Anlagengruppen sind personell durch das gesamte Projektteam abzubilden und durch entsprechende Studiennachweise sowie den beruflichen Werdegang zu belegen. Projektleiter*in (PL) mit Studienabschluss der Fachrichtung Technische Ausrüstung oder in naturwissenschaftlichen Fachrichtungen (oder vergleichbaren Studienabschluss einer Fachhochschule oder Hochschule) mit 10 Jahren Berufserfahrung (nach Studienabschluss) im Bereich der Fachplanung Technische Ausrüstung bezogen auf die Anlagengruppe 7.1 (Medizin- oder Labortechnische Anlagen) in den LPH 2 bis 8. Stellv. Projektleiter*in / Projektmitarbeiter*in (PM-1) mit Studienabschluss der Fachrichtung Technische Ausrüstung oder in naturwissenschaftlichen Fachrichtungen (oder vergleichbaren Studienabschluss einer Fachhochschule oder Hochschule) mit mindestens 5 Jahren Berufserfahrung (nach Studienabschluss) im Bereich der Fachplanung Technische Ausrüstung bezogen auf die Anlagengruppen 7.1 Medizin- oder Labortechnische Anlagen in den LPH 2 bis 8. Hinweis: Das Projektteam (PL, PM-1) soll sich aus mindestens 2 Personen zusammensetzen. Eine Doppelbenennung ist hier nicht möglich. Für die Leistung der BIM-Koordination ist eine Person als Ansprechpartner*in zu benennen. Eine Doppelbenennung der zuvor benannten Projektmitarbeitenden zur Erfüllung der Leistung BIM-Management ist möglich. Hinweis: Beruflicher Werdegang sowie Studiennachweise der für das Projekt vorgesehenen Beschäftigten, einschließlich des/der Büroinhabenden, sind in digitaler Form vorzulegen.

Anhand der Kriterien werden die Bewerber ausgewählt, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen.”


Im Teilnahmewettbewerb sollten die vorzulegenden Referenzen laut der den Bewerbern zur Verfügung gestellten “Auswertungsmatrix Stufe 1” hinsichtlich mehrerer Einzelaspekte mit maximal 210 Punkten je Referenzprojekt bewertet werden. Die übrigen Angaben im von den Bewerbern auszufüllenden Bewerbungsbogen wie zum Umsatz, zur Anzahl der Mitarbeiter sowie zu Studienabschluss und Berufserfahrung des Projektleiters und seines Stellvertreters wurden mit “erfüllt” bzw. “nicht erfüllt” bewertet. Die zweite Stufe des Vergabeverfahrens besteht u.a. aus einer Vorstellung des Projektteams; mit Punkten sollen hier u.a. die beruflichen Erfahrungen des Projektleiters und seines Stellvertreters in Bezug auf Laborgebäude bewertet werden (s. “Auswertungsmatrix Stufe 2”).

Neben weiteren Unternehmen gab die Antragstellerin im 23. Januar 2024 einen Teilnahmeantrag ab. Sie legte zwei Referenzen vor (P1: […], P2: […]) und führte in einer beigefügten Eigenerklärung aus, dass sie sich auf diese Referenzprojekte, die von der Planungsgruppe […] Aktiengesellschaft […] (im Folgenden: […]) ausgeführt worden seien, als eigene Unternehmensreferenz berufen dürfe. Denn es bestehe eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für den genannten Referenzauftrag tätig waren und seit Februar bzw. Mai 2023 Mitarbeiter der Antragstellerin und für die Ausführung des vorliegenden Auftrags vorgesehen seien. Zwei der dort genannten ehemaligen Mitarbeiter der […] AG werden im Bewerbungsbogen der Antragstellerin als für den Auftrag vorgesehener Projektleiter bzw. stellvertretender Projektleiter benannt.

Bei der Auswertung der Teilnahmeanträge stellte die Antragsgegnerin zum von der Antragstellerin benannten Projektteam fest, dass die gestellten Mindestanforderungen erfüllt seien, zu den Referenzprojekten der Antragstellerin trug die Antragsgegnerin in ihre Auswertungstabelle ein: “nicht erfüllt”. Am 19. Februar 2024 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihre Bewerbung ausgeschlossen werde, weil sie den formalen Anforderungen nicht entspreche bzw. die Mindestanforderungen nicht erfülle. Bei den von ihr vorgestellten Büroreferenzen P1 und P2 handele es sich um Fremdreferenzen der […] AG, auf die sich die Antragstellerin nicht berufen könne, die Einstellung einzelner Mitarbeiter, die für die […] AG gearbeitet hätten, reiche nicht aus. Der Rüge der Antragstellerin vom 27. Februar 2024, dass die Referenzen P1 und P2 gewertet werden müssten, half die Antragsgegnerin nicht ab.

2. Am 15. März 2024 beantragte die Antragstellerin über ihre Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag der Antragsgegnerin übermittelt.

a) Die Antragstellerin meint, dass sie zu Unrecht mangels Eignung ausgeschlossen worden sei. Die von der Antragstellerin zum Beleg ihrer beruflichen und fachlichen Eignung vorgelegten Referenzen P1 und P2 hätte die Antragsgegnerin als eigene Unternehmensreferenzen der Antragstellerin berücksichtigen müssen, auch wenn diese Referenzen für die […] AG ausgestellt worden seien. Die Antragstellerin dürfe sich auf diese Referenzen berufen, weil sie seit Januar 2023 mehrere Mitarbeiter und damit einen “wesentlichen Betriebsteil der Labortechnik” der […] AG übernommen habe, hinsichtlich der Labortechnikplanung ca. 70% des Personals der […] AG. Im Übrigen sei die Antragstellerin schon seit […] am Markt etabliert und habe eine eigene Organisation und Betriebsstruktur mit über […] Mitarbeitern weltweit aufgebaut, im Jahr 2022 habe sie einen Umsatz in Höhe von […] Euro erwirtschaftet. Zum Beleg dafür, dass sie selbst “(über-)qualifiziert” sei, legt die Antragstellerin eine Referenzliste für das Jahr 2021 vor. Dass sie im Teilnahmewettbewerb die beiden Referenzen P1 und P2 vorgelegt habe, beruhe aus betriebsinternen Überlegungen u.a. darauf, dass der vorgesehene Projektleiter an beiden Projekten mitgearbeitet habe. Für die Frage, welche Ressourcen ein Unternehmen von einem anderen Unternehmen übernommen haben müsse, damit dem neuen Unternehmen dessen Referenzen zugerechnet werden könnten, komme es auf den Inhalt der zu vergebenden Leistungen an. Planungsleistungen wiesen einen ganz persönlichen Charakter auf und würden daher schwerpunktmäßig nicht durch das Unternehmen in seiner Organisation, sondern gerade durch die den Auftrag bearbeitenden Personen geprägt. Die Bewältigung der hier ausgeschriebenen Aufgaben der Fachplanung für die medizin- und labortechnischen Anlagen sei nahezu ausschließlich von den Kenntnissen und Erfahrungen der mit der Planung betrauten Personen abhängig. Ein entsprechend erfahrener Planer sei in der Lage, seine Leistungen auch in unterschiedlichen betrieblichen Strukturen und mit unterschiedlichen Arbeitsmitteln gleichermaßen gut zu erbringen. In einem solchen Fall seien daher auch Büro- oder Unternehmensreferenzen personenbezogen und dasjenige Unternehmen, das über die betreffenden Mitarbeiter verfüge, könne sich die Fremdreferenzen eines anderen Unternehmens zurechnen lassen, auch wenn es nur die Mitarbeiter, aber keine weitergehenden unternehmensspezifischen Strukturen übernommen habe.

Die Antragstellerin meint, die von ihr vorgelegten Referenzen P1 und P2 belegten vorrangig die berufliche und technische Leistungsfähigkeit der mit den in diesen Projekten betrauten Mitgliedern des für den verfahrensgegenständlichen Auftrag vorgesehenen Projektteams. Der damalige Projektleiter im Referenzprojekt P1 sei inzwischen ebenfalls seit dem 1. Februar 2023 bei der Antragstellerin beschäftigt, so dass ebenfalls auf dessen Expertise zurückgegriffen werden könne. Der für das streitgegenständliche Projekt vorgesehene Projektleiter sei im Referenzprojekt P1 in den Leistungsphasen 2 bis 8 sechs Jahre lang Projektmitarbeiter und Bauleiter gewesen, im Referenzprojekt P2 in denselben Leistungsphasen Projektleiter. Der als stellvertretender Projektleiter vorgesehene ehemals bei der […] AG beschäftigte Mitarbeiter habe ebenfalls im Referenzprojekt P1 mitgearbeitet (Leistungsphasen 3 bis 6). Beide Personen seien nunmehr seit über einem Jahr Teil des Unternehmens der Antragstellerin, so dass sie in vollem Umfang über die von der Antragsgegnerin geforderten Ressourcen verfüge. Anders als es die Antragsgegnerin darstelle, seien der vorgesehene Projektleiter sowie ein weiterer von der […] AG übernommener Mitarbeiter in den Referenzprojekten Projektgruppenleiter der Labortechnik mit entsprechender Führungs-, Budget- und Projektverantwortung gewesen, also keine einfachen Projektingenieure ohne Verantwortung. Der vorgesehene Projektleiter habe in diesen Projekten auch betriebliche, wirtschaftliche und personalpolitische Kompetenzen ansammeln können und sei in die Entscheidungsprozesse involviert gewesen, als Projektgruppenleiter habe man auch leitende Funktion, u.a. als Teamleitung. Leitender verantwortlicher Partner für den Bereich der Medizin- und Labortechnikplanung, der primär die Gesamtbudgetverantwortung für diesen Bereich verwaltet sowie die Personalführung innegehabt habe, sei ein anderer Mitarbeiter der […] AG gewesen, der weiterhin dort tätig sei.

Dass die einschlägige berufliche Erfahrung eines Bewerbers stark personenbezogen zu bewerten sei, folge aus § 47 Abs. 1 S. 3 VgV. Zwar sei vorliegend keine direkte Eignungsleihe einschlägig. Jedoch liege Sinn und Zweck dieser Norm darin, dass sich ein Bewerber bzw. Bieter dann auf etwas berufen könne, was er nicht selbst ausgeführt habe, wenn die auszuführende Leistung durch denjenigen erbracht werde, der die einschlägige berufliche Erfahrung habe.

Wenn sich ein Unternehmen nicht auf Referenzen berufen könne, obwohl die Mitarbeiter, die für die ordnungsgemäße Erbringung der Referenz ursächlich waren, jetzt in dem neuen Unternehmen arbeiteten, liefe dies nach Auffassung der Antragstellerin auf eine mittelbare Beschränkung der Freizügigkeit i.S.d. Art. 21 AEUV hinaus. So könnten Mitarbeiter eines Projektsteuerungsbüros in Österreich zwar zu einem Büro in Deutschland wechseln, aber ihre Erfahrung nicht mehr bei öffentlichen Aufträgen für das in Deutschland ansässige Büro fruchtbar machen, weil sie sich nicht mehr auf ihre persönlichen Erfahrungen bei vergangenen Referenzprojekten berufen könnten. Eine solche Gesetzesanwendung verstoße zudem gegen Art. 15 Abs. 1, 2 lit. g) und Abs. 3 RL 2006/123/EG.

Des Weiteren erläutert die Antragstellerin näher ihre Angaben im Bewerbungsbogen zum Umsatz und zu ihren Mitarbeitern.


Die Antragstellerin beantragt:

1. Die Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB,

2. schnellstmöglich die Aussetzung des Vergabeverfahrens gemäß § 169 GWB durch noch heutige Information an die Antragsgegnerin in Textform über diesen Nachprüfungsantrag bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Abs. 1 GWB zu veranlassen,

3. der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor Prüfung der Eignung der Antragstellerin zurückzuversetzen,

4. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Eignungsprüfung entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtskonform unter Einbeziehung der Referenzen P1 und P2 zu wiederholen und den Teilnahmeantrag vergaberechtskonform zu werten,

5. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt wurde,

6. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,

7. der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 GWB in die Vergabeunterlage und den Vergabevermerk zu gewähren, wobei Akteneinsicht auch in die Protokolle der internen Beratungen und etwaig eingeholter Rechtsauskünfte zu gewähren ist (§ 8 VgV);

8. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.


b) Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen,


Die Antragsgegnerin meint, sie habe die Antragstellerin im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums zu Recht gemäß § 46 VgV ausgeschlossen, da diese den geforderten Nachweis eigener Erfahrungen im Bereich der Planung von medizin- und labortechnischen Anlagen nicht erbracht habe. Die Antragstellerin habe nicht wie als Mindestanforderung gefordert eigene Referenzleistungen vorgestellt, sondern zwei Fremdreferenzen der […] AG. Ein Unternehmen dürfe sich jedoch grundsätzlich nicht auf Referenzleistungen eines Mitarbeiters berufen, die dieser für ein anderes Unternehmen erbracht habe. Ein solcher Verweis sei nur ausnahmsweise zulässig, wenn auch die Betriebsstruktur und Organisation dieses Unternehmens übernommen worden sei. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall. Die […] AG bearbeite nach eigener Auskunft weiterhin erfolgreich neue Großprojekte im Bereich der Labortechnik, von den [mehreren hundert] Ingenieuren der […] AG habe die Antragstellerin lediglich fünf übernommen.

Zu den von der Antragstellerin im Bewerbungsbogen als Projektteam benannten Mitarbeitern habe die Antragsgegnerin den Vorstand der […] AG befragt. Danach sei nur der von der Antragstellerin vorgesehene Projektleiter bei beiden Referenzprojekten P1 und P2 beteiligt gewesen, der als stellvertretender Projektleiter vorgesehene Mitarbeiter sei nur kurzfristig in einem dieser Projekte tätig gewesen. Die Personen, die für die Referenzleistungen zuständig gewesen seien, und die Mitarbeiter, die jetzt für die ausgeschriebene Planungsaufgabe vorgesehen seien, seien damit nicht (wie in der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung gefordert) weitgehend identisch. Alle von der Antragstellerin übernommenen Mitarbeiter der […] AG hätten im Unternehmen der […] AG keinerlei leitende Funktion ausgeübt. Dies gelte auch für den von der Antragstellerin vorgesehenen Projektleiter. In einem der beiden Referenzprojekte habe dieser lediglich die Leistungsphase 8 übernommen, also keine Planungsleistungen erbracht. Zudem sei dieser dem zuständigen Bereichsleiter unterstellt und weisungsabhängig gewesen, er war nicht in die Unternehmensleitung und betriebliche Entscheidungen eingebunden und hatte keine betrieblichen, wirtschaftlichen und personalpolitischen Kompetenzen. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter der […] AG, der jetzt ebenfalls bei der Antragstellerin tätig sei, sei bei einem der Referenzprojekte nur bei der Umsetzung der bereits vorhandenen Planung beteiligt gewesen (Leistungsphasen 6 und 7). Die übrigen von der […] AG abgeworbenen Mitarbeiter seien an den benannten Referenzleistungen nicht beteiligt gewesen. Für eine positive Eignungsprognose reiche dies nicht aus.

Die Antragsgegnerin betont, dass das […] mit seinen breit angelegten und hochkomplexen Aufgaben- und Forschungsbereichen (vor allem im Rahmen der Vorbeugung und Bekämpfung von […], Aufklärung von […], Abwehr von […]) auf eine Laborausstattung angewiesen sei, die die Sicherheitsstufen S2 und S3 der Gentechniksicherheitsverordnung (GenTSV) und Biogefahrstoffverordnung erfülle. Eine fehlerhafte Planung würde nicht nur zu hohen zusätzlichen Kosten und zeitlichen Verzögerungen führen, sondern berge bei diesem Bauvorhaben auch hohe Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung, wenn Viren und Bakterien, mit denen dort experimentiert werde, aufgrund nichteingehaltener planungsrechtlicher Vorgaben oder Überwachungsmängel in der Bauausführung in die Umwelt gelangten. Diese hochanspruchsvolle Planungsaufgabe erfordere ein interdisziplinäres Planungsteam, das mit den Anforderungen an den späteren Zweck und den damit einhergehenden Gefahren des Labors vertraut sei. U.a. sei daher insbesondere Expertise im Bereich der Versorgungstechnik erforderlich, um zu verhindern, dass mit Viren, Bakterien oder sonstigen Krankheitserregern kontaminierte Luft oder Abwasser etc. nach außen tritt. Der Projekterfolg hänge von der Zusammenarbeit und Koordinierung dieses Planungsteams ab. Wie bei jeder anderen Leistung seien hier die Betriebsstruktur, die Unternehmensleitung, Qualitätssicherung, Fehlerkultur, der Umgang mit Mitarbeitern und die Persönlichkeiten der beteiligten Akteure entscheidend. Die Antragsgegnerin habe daher bewusst solche Bewerber ausgewählt, die mit der Planung von Laboren und medizinwissenschaftlichen Einrichtungen eigene umfangreiche Erfahrungen vorweisen können. Das zu beauftragende Büro solle nicht nur einzelne Personen mit entsprechenden Erfahrungen beschäftigen, sondern auch durch eigene Unternehmensleistungen in der Vergangenheit nachweisen können, dass durch die gesamte Betriebsorganisation und die Struktur des Unternehmens gewährleistet sei, dass auch bei Ausfall, Austausch oder Weggang von einzelnen Personen erfolgreich Leistungen erbracht werden könnten. Diese Anforderungen seien aufgrund der gestellten anspruchsvollen Bauaufgabe angemessen. Da die persönlichen beruflichen Erfahrungen des vorgestellten Projektteams erst in der zweiten Stufe im Rahmen des Präsentationsgesprächs bewertet werden, wäre es darüber hinaus verfahrensfehlerhaft, wenn solche persönlichen Erfahrungen bereits im Teilnahmewettbewerb berücksichtigt werden dürften.

Des Weiteren bestreitet die Antragsgegnerin die Angaben der Antragstellerin zu den im Bewerbungsbogen anzugebenden Mindestumsätzen im Bereich der Planung von medizin- oder labortechnischen Anlagen und zweifelt ebenfalls daran, dass die Antragstellerin die Mindestanforderungen an die Anzahl der Beschäftigten mit einer bestimmten Ausbildung und Berufserfahrung erfülle.

Die Vergabekammer hat der Antragstellerin antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.

Nachdem alle Verfahrensbeteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, ergeht die Entscheidung gemäß § 166 Abs. 1 S. 3, 1. Alt. GWB nach Lage der Akten.

Durch Verfügung des Vorsitzenden vom 16. April 2024 wurde die Entscheidungsfrist bis zum 26. April 2024 einschließlich verlängert.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.


II.

Gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bestehen keine Bedenken. Allerdings ist der Antrag unbegründet. Denn die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit der Bewerber wirksame Eignungsanforderungen aufgestellt (dazu unter 1.), die die Antragstellerin nicht vollständig erfüllt (dazu unter 2.). Die Antragstellerin wurde daher zu Recht mangels Eignung ausgeschlossen (dazu unter 3.). Auf weitere etwaige Ausschlussgründe kommt es daher nicht an (dazu unter 4.).

1. Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit der Bewerber zwei Anforderungen aufgestellt. Erstens sollten “zwei mit der Bauaufgabe und der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare realisierte Referenzprojekte gem. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV” vorgestellt werden und zweitens sollte das “Projektteam” mit “Name, Ausbildung/Studienabschluss, Berufserfahrung” vorgestellt werden. Diese Kriterien sind vergaberechtskonform:

Bei dem ersten Kriterium handelt es sich – wie aus dem Hinweis auf § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV deutlich wird – um eine unternehmensbezogene Anforderung. Diesen Bezug auf das Bewerberunternehmen selbst hat die Antragsgegnerin noch weiter dadurch konkretisiert, dass sie ausdrücklich verlangt hat, dass die betreffenden Referenzprojekte “dem/der Bewerbenden eindeutig zuzuordnen sein” müssen und “Referenzprojekte des Nachunternehmens […] nicht zugelassen” sind. Das zweite Kriterium betrifft die bei der Leistungserbringung eingesetzten technischen Fachkräfte und beruht auf § 46 Abs. 3 Nr. 2 VgV.

Wie in § 122 Abs. 4 S. 2 GWB gefordert, hat die Antragsgegnerin diese beiden Eignungskriterien und die zu deren Beleg vorzulegenden Nachweise in der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens genannt. Da die ausgeschriebenen Leistungen die technischen Planungsleistungen für den Neubau eines Laborgebäudes (Fachplanung der Technischen Ausrüstung, Anl.-Gr. 7.1) für ein medizinisches Forschungsinstitut mit Projektkosten in der KG 473 von ca. 3,6 Mio. Euro betreffen, stehen die an die vorzulegenden Referenzen gestellten Anforderungen (“mindestens ein Referenzprojekt mit Projektkosten in der KG 473 (…) von mindestens 3,5 Mio. Euro. Mindestens ein Referenzprojekt aus dem Labor- bzw. Krankenhausbau”) mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung (§ 122 Abs. 4 S. 1 GWB, § 75 Abs. 4 VgV). Dasselbe gilt für die an das Projektteam gestellten Anforderungen (Studienabschluss der Fachrichtung Technische Ausrüstung oder in naturwissenschaftlichen Fachrichtungen mit 5 bzw. 10 Jahren Berufserfahrung im Bereich der Fachplanung Technische Ausrüstung in der Anlagengruppe 7.1.). Angesichts des voraussichtlichen wertmäßigen Umfangs dieses Projekts (KG 473 ca. 3,6 Mio. Euro netto, KG 200-700 ca. 80 Mio. Euro), der erwarteten Projektdauer von ca. 75 Monaten und vor allem der Komplexität des konkreten Bauvorhabens (mit Laborflächen der Kategorie BSL 2 und 3 nach GenTG und den damit einhergehenden gesetzlichen Sicherheitsanforderungen zum Schutz der Gesundheit und Umwelt, mikrobiologischen Laboren mit entsprechenden Zusatzräumen, Gefahrstofflagern im Zusammenhang mit der Erforschung, Untersuchung etc. von Bakterien und Viren, der Anforderung, den Neubau in die bestehende Liegenschaft bei laufendem Betrieb mit beengten Platzverhältnissen zu integrieren, sowie unter Berücksichtigung der vorhandenen technischen Anlagen und Sicherheitsanforderungen) sind die hier gestellten Anforderungen an die entsprechenden Erfahrungen mit vergleichbaren Leistungen auch angemessen i.S.d. § 122 Abs. 4 S. 1 GWB, § 75 Abs. 4 VgV.

Abgesehen davon ist die Antragstellerin der Wirksamkeit der aufgestellten Eignungskriterien und der vorzulegenden Eignungsbelege/-Nachweise nicht entgegengetreten und hat diese nicht gerügt.

2. Bei der Eignungsprüfung trifft der öffentliche Auftraggeber die Prognoseentscheidung, ob der Bewerber in der Lage sein wird, den Auftrag ausschreibungskonform zu erbringen. Dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann. Die Antragsgegnerin hat ihren Beurteilungsspielraum nicht verletzt als sie zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen deren berufliche Leistungsfähigkeit nicht hinreichend belegen.

Für ihr eigenes Unternehmen hat die Antragstellerin keine Referenzen vorgelegt, sondern zwei Projekte der […] AG. Die Antragstellerin meint, dass diese Referenzprojekte ihr selbst zuzurechnen seien, weil sie mehrere Mitarbeiter der […] AG übernommen habe und zwei Mitarbeiter davon, die an zumindest einem der beiden Referenzaufträge mitgearbeitet oder als Projektleiter betreut hätten, beim streitgegenständlichen Auftrag als Projektleiter und stellvertretender Projektleiter einsetzen wolle.

Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass technische Planungsleistungen wie sie hier ausgeschrieben sind, eine personenbezogene Komponente aufweisen, da deren erfolgreiche Ausführung von den Fähigkeiten der für die Planung eingesetzten Personen mitbestimmt wird. Ein Auftraggeber kann daher beurteilungsfehlerfrei zu dem Schluss kommen, dass ein Bewerber geeignet ist, wenn er Personen, die Referenzaufträge ausgeführt haben, auch für den ausgeschriebenen Auftrag einsetzen will (vgl. 2. VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2022, VK 2-137/21; VK Südbayern, Beschluss vom 17. März 2015, Z3-3-3194-1-56-12/14; VK Sachsen, Beschluss vom 5. Mai 2014, 1/SVK/010-14; vgl. auch – für hier nicht vorliegende Projektsteuerungsleistungen – VK Südbayern, Beschluss vom 25. Februar 2021, 3194.Z3-3_01-20-47). Dass die berufliche Leistungsfähigkeit des einzusetzenden Projektteams für den Leistungserfolg wichtig ist, sieht nicht nur die Antragstellerin, sondern auch die Antragsgegnerin so, und hat daher nicht nur unternehmensbezogene Eignungsanforderungen, sondern auch Anforderungen an die Ausbildung und Berufserfahrung des Projektteams aufgestellt. Dies zeigt jedoch nicht nur, dass die Antragsgegnerin auf die persönlichen Fähigkeiten des einzusetzenden Personals Wert legt, sondern dass es ihr hierüber hinaus für die Frage, ob ein Bewerber über die für den ausgeschriebenen Auftrag erforderliche Eignung verfügt, ebenfalls wichtig ist, dass alle personellen und technischen Kapazitäten des Auftragnehmers “hinter” dem aus zwei Personen bestehenden Projektteam bereits in vergleichbaren Projekten eingesetzt wurden (die Antragsgegnerin nennt hier u.a. die Koordinierung des interdisziplinären Projektteams, Qualitätssicherung und Fehlerkultur sowie die Fähigkeit des Unternehmens, gerade auch bei Ausfall oder Weggang von einzelnen Personen die ausgeschriebenen Leistungen weiterhin erfolgreich erbringen zu können). Wie bereits oben unter 1. aufgezeigt, ist dies angesichts der besonderen Komplexität des streitgegenständlichen Auftrags nicht zu beanstanden.

Alle diese auf andere Unternehmensressourcen zugreifenden Leistungen, die bei technischen Planungsleistungen wie sie hier ausgeschrieben sind, außerhalb der eigentlichen Tätigkeit des Projektleiters und seines Stellvertreters anfallen, hat die Antragstellerin ausweislich der von ihr vorgelegten Referenzen jedoch nicht schon einmal selbst, sondern ein anderes Unternehmen, die […] AG, erbracht. Angesichts der in Art und Umfang besonderen Komplexität des streitgegenständlichen Bauvorhabens und der zu erbringenden fachplanerischen Leistungen der Leistungsphasen 2 bis 9 ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Übernahme einzelner Personen, die für ein anderes Unternehmen an vergleichbaren Projekten schon einmal mitgearbeitet haben, nicht hinreichend die Eignung der Antragstellerin selbst belegt, den streitgegenständlichen Auftrag ordnungsgemäß auszuführen. Die Antragstellerin hat sich insoweit insbesondere auf die Fähigkeiten von zwei Personen berufen, des Projektleiters und seines Stellvertreters. Bereits von der Personenanzahl her hat die Antragsgegnerin zu Recht bezweifelt, dass diese zwei Personen alle Fähigkeiten mitbringen können, die die Abwicklung eines solchen Planungsauftrags wie hier ausgeschrieben erfordern. Die zu beauftragenden Leistungsphasen 2 bis 9 umfassen nicht nur planerische Tätigkeiten, sondern auch Arbeiten im Bereich der Auftragsvergabe und Bauüberwachung. Doch selbst wenn man die konkreten Fähigkeiten dieser beiden Personen berücksichtigt, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. In welchem Umfang (vor allem in welchen Leistungsphasen) der von der Antragstellerin vorgesehene Projektleiter in den beiden genannten Referenzprojekten (damals noch als Mitarbeiter der […] AG) tätig war, ist unter den Verfahrensbeteiligten streitig. Auch wenn man allein auf das Vorbringen der Antragstellerin selbst abstellt, ist die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin nicht fehlerhaft. Denn nach dem Vortrag der Antragstellerin hat der für die stellvertretende Projektleitung vorgesehene Mitarbeiter nur an einem der beiden Referenzprojekte mitgearbeitet und das auch nur in wenigen Leistungsphasen (3 bis 6). Der vorgesehene Projektleiter war zwar an beiden Referenzprojekten beteiligt und dies immerhin in den Leistungsphasen 2 bis 8, in einem der Referenzprojekte war er jedoch nur Bauleiter und auch als Projektleiter des anderen Referenzprojekts einer weiteren Person unterstellt und konnte nur im Rahmen des damaligen Projektteams eigene Führungserfahrungen sammeln. Das Gesamtbudget hatte der vorgesehene Projektleiter in den Referenzaufträgen ebenfalls nicht zu verantworten. Der für diese Aufgabe bei der […] AG verantwortliche Mitarbeiter, der ebenfalls die Personalführung innegehabt hatte, wurde von der Antragstellerin unstreitig nicht übernommen. Der von der Antragstellerin vorgesehene Projektleiter hatte im Referenzauftrag außerdem alle weiteren Aufgaben nicht wahrgenommen, die in betriebsorganisatorischer Hinsicht solche Aufträge ausmachen (s.o.). Im Nachprüfungsverfahren beruft sich die Antragstellerin auf einen weiteren ehemaligen Mitarbeiter der […] AG, der inzwischen für die Antragstellerin tätig sei. Auch dieser Mitarbeiter hat daher über seine Tätigkeit als Projektleiter hinaus in den Referenzaufträgen keine Leistungen erbracht und mithin keine entsprechenden Erfahrungen erworben. Schließlich hat die Antragstellerin in den letzten Jahren zwar mehrere weitere Mitarbeiter der […] AG übernommen. Es ist jedoch vertretbar, dass angesichts der Komplexität des streitgegenständlichen Bauvorhabens die Übernahme einzelner Mitarbeiter nicht mit den betriebsorganisatorischen Fähigkeiten gleichzusetzen ist, die ein Unternehmen erwirbt, wenn es selbst einen vergleichbaren Auftrag ausgeführt hat. Wie die Antragsgegnerin nachvollziehbar aufgezeigt hat, kommt es bei so komplexen und anspruchsvollen Planungsaufgaben wie hier u.a. auf koordinierende Fähigkeiten, Qualitätssicherungsmaßnahmen und Betriebsstrukturen an, die gerade auch unabhängig von einzelnen Personen den Projekterfolg gewährleisten können. Für die erfolgreiche Ausführung solcher Leistungen kommt es zudem auf den Einsatz technischer und sächlicher Betriebsmittel an. Dies erfolgte in den Referenzaufträgen nicht durch die Antragstellerin, sondern die […] AG. Die Antragstellerin verweist im Nachprüfungsverfahren diesbezüglich zwar auf ihre eigene Konzernstruktur mit mehreren tausend Mitarbeitern, dass sie u.a. Leistungen gemäß der HOAI erbringe sowie (im Zusammenhang mit den geforderten Umsatzangaben) auf mehrere in den letzten Jahren von ihrem Unternehmen erbrachten Referenzprojekte ([…]). Außerdem hat sie eine Liste mit Referenzen aus dem Jahr 2021 vorgelegt. Es ist jedoch bereits in rechtlicher Hinsicht fraglich, ob solche von einem Unternehmen nachträglich benannten Referenzen, die bisher nicht ausreichende Eignungsbelege ergänzen sollen, überhaupt berücksichtigt werden dürfen, oder ob es sich hierbei nicht um eine unzulässige Nachbesserung handelt (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 28. März 2018, Verg 42/17 m.w.N.). Unabhängig davon reichen die Angaben der Antragstellerin nicht für die Prüfung aus, ob die von der Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht gestellten Anforderungen (Projektkosten von mindestens 3,5 Mio. Euro in der KG 473, Abschluss der Leistungsphase 8, Labor- bzw. Krankenhausbau) zumindest in einer der vorzulegenden Referenzen erfüllt sind. Da die Antragstellerin diese Referenzen nicht bereits mit ihrer Bewerbung vorgelegt hat, ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist. Auch das nachträgliche Vorbringen der Antragstellerin zu ihrer eigenen beruflichen Leistungsfähigkeit kann daher deren Eignung in der hier (neben der personellen zusätzlich) geforderten unternehmensbezogenen Hinsicht nicht belegen. Wie bereits aufgezeigt, sind die vorgelegten Referenzen (der […] AG) insoweit ebenfalls nicht tauglich.

3. Da sie nicht alle wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen erfüllt, wurde die Antragstellerin zu Recht mangels Eignung gemäß § 42 Abs. 1 VgV i.V.m. § 122 Abs. 1 GWB ausgeschlossen. Hätte die Antragsgegnerin wie die Antragstellerin meint, ihre Eignungsprüfung auf die persönlichen Fähigkeiten des eingesetzten Projektteams beschränkt, hätte sie in rechtswidriger Weise nicht alle aufgestellten Eignungsanforderungen geprüft und damit ihren Beurteilungsspielraum verletzt (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2019, Verg 36/18). Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin auf die von ihr aufgestellte unternehmensbezogene Eignungskomponente gar nicht verzichten will, hätte ein solcher Verzicht auf eine wirksam aufgestellte Eignungsanforderung zudem die anderen Bewerber, die (wie hier ausweislich der Vergabeakte der Antragsgegnerin) die Eignungsanforderungen erfüllen, vergaberechtswidrig diskriminiert.

Dem steht auch nicht die von der Antragstellerin zitierte Vergaberechtsprechung entgegen:

• Die 2. VK Bund hat die Zurechnung von Fremdreferenzen bejaht, nachdem festgestellt worden war, dass es dem Auftraggeber “in erster Linie” auf die Fähigkeit des eingesetzten Personals ankam (Beschluss vom 27. Januar 2022, VK 2-137/21). Dieser Beschluss ist jedoch nicht auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt übertragbar. Denn erstens ging es in dem von der 2. VK Bund zu entscheidenden Sachverhalt nicht um komplexe Leistungen der Fachplanung der Technischen Ausrüstung Medizin- oder labortechnische Anlagen, sondern um Wartungsleistungen an elektronischen Abrechnungs- und Kassensystemen. Verfahrensgegenstand waren also deutlich weniger komplexe und anspruchsvolle Leistungen. Zweitens unterscheidet sich das streitgegenständliche Vergabeverfahren hiervon in dem wesentlichen Aspekt, dass die Antragsgegnerin ausdrücklich nicht nur persönliche Fähigkeiten des einzusetzenden Projektleiters und dessen Stellvertreters gefordert hat, sondern auch darüberhinausgehende unternehmensbezogene Erfahrungen mit vergleichbaren Leistungen.

• Die VK Südbayern hat zwar in ihrer Entscheidung vom 17. März 2015 (Az. Z3-3-3194-1-5612/14) betont, dass Referenzen bei VOF-Verfahren in erster Linie personengebunden sind, auch wenn diese in Form von Büroreferenzen gefordert wurden, weil solche Leistungen einen ganz persönlichen Charakter aufweisen würden. Da jedoch in dem von der VK Südbayern zu entscheidenden Fall – wie hier – nicht nur persönliche Referenzen der Projektleitung gefordert worden, sondern auch Büroreferenzen, betonte die VK Südbayern, dass auch der Büroreferenz “eine eigenständige Bedeutung zu verleihen” sei.

Entscheidungserheblich für die Zurechnung der Referenzprojekte eines anderen Unternehmens war für die VK Südbayern daher nicht nur, dass der vorgesehene Projektleiter und dessen Stellvertreterin dieselben Personen waren, die auch die Referenzobjekte betreut hatten. Vielmehr war auch das sonstige Projektteam weitgehend mit den Personen identisch, die für die Referenzaufträge zuständig gewesen waren, außerdem war das Unternehmen, das die Referenzaufträge ausgeführt hatte, “mit allen Projekten und Referenzen” auf das Unternehmen, das sich nun auf diese Referenzen berufen wollte, überführt worden. Unter diesen Prämissen stellte die VK Südbayern fest, dass “nur dann sichergestellt werden [kann], dass neben den Projektleitern auch das Architekturbüro als Organisationseinheit den zu vergebenden Auftrag ebenso zuverlässig und fachkundig bearbeitet wie das referenzgebende Vorgängerbüro”. Maßgeblich für die Zurechenbarkeit der Referenzprojekte eines anderen Unternehmens war hier also nicht nur die Übernahme des Projektteams dieses Unternehmens, sondern auch die Übernahme der entsprechenden “Organisationseinheit”. So eine Übernahme (zumindest der wesentlichen) Organisationsstruktur der […] AG, die die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzleistungen erbracht hatte, liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin trägt zwar (von der […] AG bestritten) vor, sie hätte einen “wesentlichen Betriebsteil der Labortechnik” der […] AG übernommen. Doch selbst wenn man dies zugunsten der Antragstellerin so unterstellen wollte, fehlt für eine Zurechnung der Referenzen der […] AG i.S.d. dieser Entscheidung der VK Südbayern die über den vorgesehenen Einsatz von Projektleiter und Stellvertreter hinaus erforderliche “weitgehende Identität” zwischen den Personen, die bei der […] AG für die Referenzaufträge zuständig waren, und denen, die den verfahrensgegenständlichen Auftrag ausführen sollen. Abgesehen davon hatte die VK Südbayern nicht über die hier entscheidungserhebliche Frage zu entscheiden, ob ein Auftraggeber seinen Prognosespielraum verletzt, wenn er Fremdreferenzen nicht zugunsten eines anderen Unternehmens berücksichtigt; der bayerische Auftraggeber hatte sich anders als hier die Antragsgegnerin dafür entschieden, die Fremdreferenzen zugunsten des Zuschlagsdestinatärs zu werten.

• In ihrem Beschluss vom 25. Februar 2021 stellte die VK Südbayern für die Zurechenbarkeit von Referenzleistungen, die von anderen Unternehmen erbracht wurden, maßgeblich auf die Kontinuität der wesentlichen Führungskräfte und Mitarbeiter ab (Az. 3194.Z3-3_01-20-47). Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 17. April 2019 (Az. Verg 36/18) stellte die VK Südbayern fest, dass Auftragsgegenstand beim OLG komplexe Brückenbauarbeiten gewesen seien, bei denen es “in ganz anderem Maße als bei Projektsteuerungsarbeiten auf eine funktionierende Unternehmensorganisation” ankomme, und betonte, dass die Kontinuität der wesentlichen Führungskräfte und Mitarbeiter der Referenzaufträge “zumindest” bei der Vergabe von Projektsteuerungsleistungen ausreiche. Auf die hier ausgeschriebenen Planungsleistungen, die ein besonderes und anspruchsvolles Bauvorhaben betreffen, ist daher auch diese Entscheidung nicht ohne Weiteres übertragbar. Abgesehen davon ging es auch in dieser Entscheidung der VK Südbayern nicht um die Frage, ob ein Auftraggeber beurteilungsfehlerhaft handelt, wenn er (wie hier die Antragsgegnerin) Fremdreferenzen nicht einem anderen Unternehmen zurechnet, sondern um die anders gerichtete Entscheidung, solche Referenzen anerkennen zu dürfen. Dass nur eine solche Entscheidung des Auftraggebers beurteilungsfehlerfrei wäre und sein Ermessen insoweit auf Null reduziert ist, geht aus diesem Beschluss der VK Südbayern nicht hervor und brauchte von dieser Vergabekammer auch nicht entschieden zu werden.

• Dasselbe gilt für die Übertragbarkeit des Beschlusses der VK Sachsen vom 5. Mai 2014 (Az. 1/SVK/010-14). Die VK Sachsen vertritt zwar die Auffassung, dass sich ein Unternehmen auf Referenzen, die für einen früheren Arbeitgeber erbracht wurden, berufen kann, wenn die ausgeschriebenen Leistungen einen ganz persönlichen Charakter aufweisen und der Mitarbeiter, der die Referenzleistungen erbracht hatte, inzwischen von dem anderen Unternehmen, das sich auf die Referenz beruft, übernommen wurde. Allerdings umfasste der ausgeschriebene Auftrag keine Planungsleistungen für ein vergleichbar anspruchsvolles Bauvorhaben wie hier und auch die VK Sachsen brauchte sich nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob nur die Entscheidung des Auftraggebers beurteilungsfehlerfrei gewesen wäre, die Zurechnung der Fremdreferenzen zuzulassen oder ob der Auftraggeber ebenso vergaberechtskonform hätte entscheiden können, die Fremdreferenzen zugunsten des Bieters, der sich jetzt auf diese beruft, nicht anzuerkennen (so wie es hier die Antragsgegnerin getan hat).

Der hier vertretenen Auffassung steht auch nicht § 47 VgV entgegen. Dass es sich hier nicht um einen Fall der Eignungsleihe handelt, sieht auch die Antragstellerin so. Doch auch sonst kann § 47 VgV kein allgemeiner vergaberechtlicher Grundsatz dergestalt entnommen werden, dass es für die Bejahung der “einschlägigen beruflichen Erfahrung” eines Bewerbers oder Bieters allein auf die Personen ankommt, die die ausgeschriebene Leistung erbringen werden. Denn § 47 VgV regelt nicht die Inanspruchnahme von Personen, sondern von “Kapazitäten”. Im vorliegenden Fall kann sich die Antragstellerin mithilfe der vorgelegten Referenzen jedoch allenfalls hinsichtlich der personengebundenen Eignungskomponente, die die Antragsgegnerin gefordert hat, auf die Mitarbeiter eines anderen Unternehmens berufen. Die zum Beleg der Eignung ebenfalls geforderten Kapazitäten in Gestalt der unternehmensbezogenen Eignungskomponente konnte die Antragstellerin jedoch nicht belegen (s.o.).

Aus demselben Grund bestehen gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Eignung der Antragstellerin zu verneinen, auch keine europarechtlichen Bedenken (die Antragstellerin beruft sich insoweit auf die in Art. 21 AUEV und Art. 15 Abs. 1, 2 lit. g) und Abs. 3 RL 2006/123/EG geregelten EU-Freizügigkeiten). Denn die Antragsgegnerin hat hier nicht daran gezweifelt, dass die von der Antragstellerin benannten Personen durch den Wechsel ihres Beschäftigungsunternehmens ihre beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten behalten haben. Maßgeblich ist hier, inwieweit sich ein Unternehmen auf Erfahrungen und Fähigkeiten berufen kann, die es selbst nicht gemacht hat.

4. Da die Antragsgegnerin die Antragstellerin bereits zu Recht ausgeschlossen hat, weil die Antragstellerin nicht ihre berufliche Leistungsfähigkeit nachgewiesen hat, kommt es nicht darauf an, wie ihre Angaben zu Umsatz und Mitarbeiteranzahl vergaberechtlich zu beurteilen sind.